Beelitzer Nachrichten - August 2013
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21. AUGUST <strong>2013</strong>, SEITE 34 NR. 7 / 24. JAHRGANG<br />
Für Dieter Kotras gibt es keinen Abfall<br />
– „es gibt nur zu wenig Einfälle“,<br />
sagt der Bauingenieur. Und so hat er<br />
ein ausgemustertes Drahtgestell in<br />
Rentierform mitgebracht, auf dass die<br />
Kinder etwas Schönes daraus machen.<br />
Auf dem Hof der <strong>Beelitzer</strong> Kita<br />
„Sonnenschein“ steht er neben einem<br />
Lehmbottich und ruft sie zu sich, um<br />
dem ausgemusterten Weihnachtsschmuck<br />
zu neuer Form zu verhelfen.<br />
Und so werden zu vergnügtem Gekicher<br />
Hände in die kühle Pampe getaucht<br />
und Geweih, Rumpf und Läufe<br />
modelliert.<br />
Herr Kotras ist seit einigen Wochen<br />
Dauergast im Naturkindergarten. Neben<br />
kleinen Ideen wie dem Rentier<br />
setzt er für die Stadt Beelitz und mit<br />
den Knirpsen sowie weiteren Helfern<br />
gerade ein Großprojekt um: den Bau<br />
eines eigenen Lehmbackofens. Das<br />
Fundament ist längst gesetzt, der Sockel<br />
schon gemauert. Im Innern werden<br />
Schichten aus Lehm und Ziegelsteinen<br />
aufgetragen, zwischendrin<br />
wurde eine Schicht mit Bruchglas<br />
eingefüllt, damit die Wärme später<br />
gespeichert werden kann. „Ich lebe<br />
für eine Idee“, sagt er. Und die besagt,<br />
dass man nur Baumaterial verwenden<br />
sollte, das natürlichen Kreisläufen<br />
entstammt – und ihnen irgendwann<br />
wieder zugeführt werden kann.<br />
Seit 15 Jahren hat sich der Schönhagener<br />
der ökologischen Bauweise<br />
verschrieben – nachdem er seinen<br />
gutbezahlten Job als Brückenbauingenieur<br />
an den Nagel gehängt<br />
hatte. Statt große<br />
Bauwerke aus Beton<br />
und Stahl zu errichten,<br />
hilft er nun lieber Häuslebauern<br />
dabei, ihren<br />
Traum vom Eigenheim<br />
im Sinne der Natur umzusetzen.<br />
Wenn er die<br />
Bauleitung übernimmt,<br />
dann wird auf künstliches<br />
Material verzichtet.<br />
Stattdessen werden<br />
Holz, Lehm und Stroh<br />
verwendet. „Ein Haus<br />
Kleine Bauingenieure<br />
arbeiten mit Naturmaterial<br />
wird damit zwar 15 bis 20 Prozent<br />
teurer – aber man kann auch vieles<br />
selber machen“, erklärt er. Zu seinen<br />
Referenzen gehören Einfamilienhäuser,<br />
die Kirche in Salzbrunn und eines<br />
der Häuser in der russischen Kolonie<br />
Alexandrowka in Potsdam.<br />
Und er baut Lehmbacköfen – so wie<br />
im Hof der Kita „Sonnenschein“. „Mit<br />
den Kindern erreiche ich die richtige<br />
Generation“, sagt Kotras. Denn Erlebnisse<br />
im Vorschulalter bleiben besonders<br />
lange haften, pflichtet die stellvertretende<br />
Kitaleiterin Christiana<br />
Müller bei. Grundsätzlich seien ihre<br />
Schützlinge für solche Dinge offen.<br />
Für das Lehmofenprojekt hatten sich<br />
auch die Eltern begeistert und es mit<br />
Spenden unterstützt. Angeheizt werden<br />
soll der Ofen bei<br />
einem kleinen Fest im<br />
Herbst – und dann wird<br />
das erste Mal <strong>Beelitzer</strong><br />
Kita-Brot gebacken.<br />
Der Bau des Backofens<br />
ist Teil einer ganzen<br />
Reihe von Vorhaben,<br />
welche die Stadt Beelitz<br />
mithilfe von vier Bürgerarbeitern<br />
umsetzt.<br />
Im Rahmen dieser vom<br />
Bund geförderten Maßnahme,<br />
die noch bis<br />
2014 läuft, sammeln die<br />
BEELITZER NACHRICHTEN<br />
Bald gibt es Kita-Brot aus Beelitz<br />
Kinder bauen unter professioneller Anleitung einen Lehmbackofen<br />
Teilnehmer unter Anleitung von Bauingenieur<br />
Kotras praktische Erfahrungen<br />
und werden damit für ihr weiteres<br />
Berufsleben qualifiziert – während sie<br />
gleichzeitig einer regulären bezahlten<br />
Arbeit nachgehen können.<br />
Neben dem Lehmbackofen auf dem<br />
Kita-Hof in der Nürnbergstraße steht<br />
auch der Bau von drei Unterkünften in<br />
allen drei Tagesstätten im <strong>Beelitzer</strong><br />
Stadtgebiet auf der Agenda – selbstverständlich<br />
aus Naturmaterialien.<br />
Geplant sind drei kleine Häuschen aus<br />
Holz, Stroh und Lehm. Für die Sockel<br />
hatten die Kinder bereits im Frühjahr<br />
Feldsteine auf einem Acker bei Beelitz<br />
gesammelt.<br />
„Mit dieser Reihe kleiner Projekte<br />
können wir viel bewirken“, sagt Bürgermeister<br />
Bernhard Knuth. „Zum<br />
Einen erhalten <strong>Beelitzer</strong>, die schon<br />
seit Längerem vergeblich nach einer<br />
Anstellung suchen, eine neue Chance<br />
auf dem Arbeitsmarkt. Und zum anderen<br />
schaffen wir etwas Bleibendes für<br />
unsere Tagesstätten.“ Denn indem die<br />
Kinder mit anpacken dürften, würden<br />
sie nicht nur mit ihren Händen zu arbeiten<br />
lernen, sondern das Geschaffene<br />
auch zu schätzen wissen. „Sie sind<br />
mit viel Ehrgeiz und Freude dabei –<br />
was auch von den Eltern anerkannt<br />
wird, die ebenfalls voll hinter diesem<br />
Projekt stehen“, so Knuth. T.L.