Lesen und Schreiben als Problem. Schriftliche Verarbeitung von ...

Lesen und Schreiben als Problem.
Schriftliche Verarbeitung von Texten.
Abschlussarbeit zur Erlangung des Grades Magister Artium
des Instituts für Germanistik der Universität Rostock
Vorgelegt von
Wiebke Schwelgengräber
Rostock, Januar 2006

Inhalt
1. Einleitung ......................................................................................................... 5
TEIL I – THEORETISCHE GRUNDLAGEN.......................................................... 8
2. Lesen und Schreiben als Problemlösen – Eine Bestandsaufnahme.......... 8
2.1 Problem und Problemlösestrategien ....................................................... 8
2.2 Lesen und Schreiben als Problem und Problemlösestrategien ............ 9
2.3 Produkt-Prozess-Ambiguität................................................................... 20
2.4 Lesen, Schreiben und Wissen ................................................................ 23
3. Textsortenkompetenz – Erzählung und Argumentation............................ 31
3.1 Erzählung.................................................................................................. 35
3.2 Argumentation.......................................................................................... 41
3.3 Exkurs: Bildverarbeitung – Warum wird mit Bildern besser gelernt? 45
4. Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen ................................... 47
TEIL II – UNTERSUCHUNGSDESIGN............................................................... 55
5. Untersuchungsdesign................................................................................... 55
5.1 Die Aufgaben – Aufgabenstellung und Struktur ................................... 56
5.2 Datengrundlagen der Vergleichsarbeiten 2001 und 2002 .................... 60
TEIL III – DATENANALYSE ............................................................................... 67
6. Ergebnisse ..................................................................................................... 67
6.1 Stichprobenbeschreibung....................................................................... 68
6.2 Ergebnisse der Vergleichsarbeit 2001 ................................................... 70
6.2.1 Textrezeption – Verstehen eines Sachtextes ...................................... 71
6.2.1.1 Elaboration bereichsspezifischen Wissens: Rezeption eines
Sachtextes und von Illustrationen ......................................................... 71
a) Rezeption eines Sachtextes ...................................................... 71
a) Rezeption von Illustrationen ..................................................... 75
a) Fazit ............................................................................................. 76
6.2.2 Textproduktion – Schreiben einer Erörterung ...................................... 77
2

6.2.2.1 Inhaltliche Folgerichtigkeit ......................................................... 77
a) Argumentationsverfahren.......................................................... 80
a) Referenz ...................................................................................... 81
a) Verhältnis von Propositionen und Referenz im ersten Satz... 84
a) Rekurrenz .................................................................................... 88
a) Fazit ............................................................................................. 90
6.2.2.2 Sprachlich-formale Folgerichtigkeit .......................................... 92
a) Durchschnittliche Länge des Textes ........................................ 93
a) Konnektorendurchgängigkeit (KD) für einzelne Gruppen...... 95
a) Konnektorendurchgängigkeit (KD) innerhalb der Gruppen 7
bis 9 ...................................................................................................... 98
a) Unterscheidung der Konnektorendurchgängigkeit nach
Bildungsgängen ................................................................................. 100
e) Verwendung bestimmter Konnektorenarten.......................... 103
f) Fazit ........................................................................................... 105
6.2.3 Diskussion: Textrezeption und Textproduktion der Vergleichsarbeit
2001............................................................................................................ 105
6.3 Ergebnisse der Vergleichsarbeit 2002 ................................................. 107
6.3.1 Textrezeption – Verstehen einer Geschichte..................................... 108
6.3.1.1 Aufgabe (2) – Sinnverstehendes Lesen................................... 108
6.3.1.2 Aufgabe (3) – Sinnverstehendes Lesen................................... 109
6.3.1.3 Aufgabe (4) – Erkennung der für die Handlungsverkettung
relevanten Eigenschaften ..................................................................... 111
6.3.1.4 Aufgabe (5) - Tiefenrezeption ................................................... 113
6.3.1.5 Fazit ............................................................................................ 118
6.3.2 Textproduktion – Schreiben einer Geschichte ................................... 120
6.3.2.1 Inhaltliche Folgerichtigkeit ....................................................... 121
6.3.2.2 Sprachlich-formale Folgerichtigkeit ........................................ 123
6.3.2.3 Narrative Mittel........................................................................... 129
a) Dialog......................................................................................... 130
b) Figurentwicklung...................................................................... 132
c) Markierungen von Übergang und Abschluss in der
Fortsetzungsgeschichte .................................................................... 134
d) Fazit ........................................................................................... 137
6.3.3 Diskussion: Textrezeption und Textproduktion der Vergleichsarbeit
2002............................................................................................................ 139
6.4 Diskussion: Vergleich der Schülerergebnisse von 2001 und 2002... 141
3

7. Schlussbetrachtung.................................................................................... 145
Tabellenverzeichnis .................................................................................... 150
Literaturverzeichnis..................................................................................... 152
Anhang A: Vergleichsarbeit 2001 ............................................................... 156
Anhang B: Vergleichsarbeit 2002 ............................................................... 160
4

1. Einleitung
Stützen wird sich die folgende Arbeit auf zwei Vergleichsarbeiten, die im Land
Mecklenburg-Vorpommern jeweils in neunten Klassen in den Jahren 2001 und
2002 durchgeführt wurden. Beide Vergleichsarbeiten ordnen sich in eine Serie
solcher Klausuren ein, die bereits 1998 begonnen wurde. So sind insgesamt in
vier Jahren, von 1998 bis 2002, fünf Vergleichsarbeiten entwickelt und in fünften,
siebten und neunten Klassen sowie an Haupt- und Realschulen und Gymnasien
durchgeführt worden. Mit dem Konzept der Vergleichsarbeiten im Fach Deutsch
sollen Erkenntnisse über die verbale Leistungsfähigkeit in der Muttersprache und
Einsichten in die Sprachentwicklung gewonnen werden. Der Leistungsstand der
Schülerinnen und Schüler soll unter der Maßgabe der als grundlegend
anerkannten Fertigkeiten beschrieben werden. Um dies zu realisieren, wurden
die Fähigkeiten im Lesen und Schreiben, wie beispielsweise die Entnahme von
Informationen aus Texten, die Anwendung und schriftliche Verarbeitung dieser
Informationen unter vorgegebenen Problemstellungen, die Verwendung
normgerechter Sprache und Kenntnisse um die Konventionen bestimmter
Textsorten, getestet.
Die Handlungen Lesen und Schreiben werden in dieser Arbeit über eine
empirische Untersuchung der Vergleichsarbeiten aus den Jahren 2001 und 2002
unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Dabei interessiert, wie sich
diese Handlungen im Hinblick auf interne und externe Faktoren entwickeln und
darstellen. Zunächst werden die Komponenten Lesen und Schreiben im
theoretischen Abschnitt, Teil I dieser Arbeit, in die Problemlösetheorie
eingebettet. Wie der Name der Arbeit besagt, werden Lese- und Schreibprozesse
als zu überwindende Probleme betrachtet. Gleichzeitig können sie auch die
Funktion von Problemlöseprozessen einnehmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird
erklärt, warum Lesen und Schreiben auch im begrenzten schulischen Kontext
erkenntnisgewinnenden Charakter haben können. Des Weiteren wird aufgrund
der unterschiedlichen Beschaffenheit der Datengrundlagen, die wesentlich sind
für die empirische Analyse im Teil III dieser Arbeit, von beiden Vergleichsarbeiten
diskutiert, ob eine produkt- oder prozessorientierte Betrachtung von Schreiben
sinnvoll ist.
Beide Vergleichsarbeiten sind so konzipiert, dass der Schreibprozess nur
dann gelingen konnte, wenn der Vorgabetext, der beiden Arbeiten zugrunde lag
und für das Lösen der einzelnen Aufgaben grundlegend war, gelesen und
5

verstanden wurde. Die Informationen, die von den Schülern aus diesen
Basistexten entnommen werden mussten, sollten im Lese- und Schreibprozess
erarbeitet und schriftlich verarbeitet werden. Die Aufgabenstruktur, die den
Anspruch erhebt, das kognitive Modell zu repräsentieren, hilft insbesondere,
inhaltsspezifisches Wissen aus dem Vorgabetext zu extrahieren und während
des Schreibprozesses weiterzuentwickeln. Die strategisch angelegte Struktur der
Aufgabenstellungen diente dem Schüler als extrinsische Motivation der
Wissenselaboration und implizierte einen Vorgang, der Problemlösecharakter
hat. Aus diesem Grund wird es eine theoretische Betrachtung zum Einfluss von
Wissen auf Lesen und Schreiben und zu Auswirkungen von Lesen und
Schreiben auf Wissen im ersten Teil dieser Arbeit geben. Einen weiteren
wichtigen Punkt des theoretischen Grundstocks bilden die textsortenspezifischen
Merkmale. Die Schüler hatten zum Lösen der Arbeiten die Konventionen von
Textsorten zu beachten. So waren bei der Vergleichsarbeit 2001 die Normen
einer schulischen Erörterung und bei der Vergleichsarbeit 2002 die eines
Ratekrimis, also einer Erzählung, zu befolgen. Im theoretischen Abschnitt wird
aus Sicht der Didaktik über Textsorten diskutiert und die charakteristischen
Merkmale dieser beiden Textsorten beschrieben. Der Vorgabetext zur
Vergleichsarbeit 2001, ein Sachtext, wird durch einen Cartoon und einer Tabelle
gleichen Inhalts unterstützt. Deshalb wird in einem Exkurs zur Bildbearbeitung
erklärt, warum mit bildunterstützten Texten besser gelernt werden kann. Weitere
sehr wichtige Faktoren, die auf Lese- und Schreibprozesse sowie
Schreibprodukte große Einflüsse haben, werden bewusst außen vorgelassen.
Solche externen Faktoren sind beispielsweise die Lese- und Schreibsituation, die
Motivation und die Intention. Es wird also hauptsächlich um die kognitive
Komponente des Lesens und Schreibens gehen.
Im Teil II der Arbeit werden die Datengrundlagen beider
Vergleichsarbeiten veranschaulicht. Schon jetzt muss vorweg gesagt werden,
dass beide Arbeiten, trotz des Namens, nicht reliabel miteinander verglichen
werden können. Das Datendesign ist in beiden Fällen zu unterschiedlich
beschaffen. Selbst die Daten, die für einen Vergleich in Frage kommen würden,
sind in der Art der statistischen Aufbereitung nicht gleich genug. Die
unterschiedliche Erhebung und Zusammensetzung der Daten erfordert für jede
der beiden Vergleichsarbeiten eine andere Methodik der Datenanalyse.
Ziel der Arbeit ist eine empirische Untersuchung von Schülerarbeiten
hinsichtlich der Leistungen von Schülerinnen und Schülern in der Textrezeption
und Textproduktion. Es wird insbesondere ermittelt werden, in welchem Maße
6

Grob- und Feinrezeption von Texten gelingt und welche Auswirkungen dies auf
die schriftlich-konzeptuellen Fähig- und Fertigkeiten wie beispielsweise inhaltliche
Argumentationsfähigkeit und kohäsive Verknüpfungen hat. Dabei wird der Aspekt
des Problems berücksichtigt. Sind Probleme beim Lesen und Schreiben
auszumachen? Wenn ja, welche Problembereiche gibt es und wodurch kommen
sie zu Stande? Dazu wird das Wissen, das durch die besondere Beschaffenheit
der Aufgabenstruktur aufgebaut und abgebildet wird, untersucht. Der
Wissensaufbau beschreibt gleichzeitig den Schreibprozess und folglich den
Problemlöseprozess. Wie oben erwähnt, können Lesen und Schreiben
Problemlöseprozesse darstellen, wenn ein Problem zu überwinden ist. Das ist
durch bestimmte Strategien, die in der theoretischen Grundlage dargelegt
werden, erreichbar. Ein Problemlöseprozess wird im Rahmen dieser
Untersuchung dann sichtbar, wenn Wissen erarbeitet, aufgebaut und schriftlichkonzeptuell
verarbeitet wird.
Empirische Untersuchungen werden in der Regel auf einer allgemeinen
Theorie begründet, d.h. die formulierte Theorie wird in der Praxis mit Hilfe solcher
Untersuchungen überprüft. 1 Die Vergleichsarbeiten entstanden aus der
schulischen Alltagspraxis heraus und sind daher nicht auf einer allgemeinen
Theorie gestützt. Somit muss die theoretische Grundlage, die im Anschluss an
die Einleitung konzipiert wird, teilweise modifiziert werden, um eine Anbindung an
das Konzept der Vergleichsarbeiten zu arrangieren.
1 Vgl. Bortz 1999, 3
7

TEIL I – THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2. Lesen und Schreiben als Problemlösen – Eine Bestandsaufnahme
Wenn Textproduktion und Textrezeption im Kontext problemlösenden Verhaltens
betrachtet werden sollen, muss zunächst einmal geklärt werden, wie ein Problem
definiert ist. In einem weiteren Schritt sollen die beiden Begriffe Textrezeption
und Textproduktion umrissen werden. Sowohl die Textproduktionsforschung, in
diesem speziellen Fall die Schreibforschung, als auch die
Textverstehensforschung werden dann zueinander in Bezug gesetzt. Das ist
deshalb wichtig, weil zum einen das problemlösende Verhalten auf beide
Disziplinen projiziert werden soll und zum anderen, weil für die empirische
Untersuchung die Textverstehensforschung grundlegend für die Produktion von
Schüleraufsätzen ist. Denn bei beiden Vergleichsarbeiten wurden die Schüler
über das Lesen bzw. Verstehen von Texten in die Produktion von eigenen
Texten eingeführt.
2.1 Problem und Problemlösestrategien
Ein Problem ist durch drei Komponenten gekennzeichnet: Es gibt einen
unerwünschten Anfangszustand, einen erwünschten Endzustand und eine
Barriere, die die Transformation vom Anfangszustand in den Endzustand im
Moment verhindert. 2 Insgesamt werden drei Typen von Barrieren bzw.
Problemen unterschieden. 3 Zum einen gibt es die Interpolationsbarriere. Bei ihr
ist die Interpolation zwischen dem bekannten Anfangs- und Zielzustand
behindert. Das bedeutet, dass die richtige Kombination bekannter Operationen
nicht gebildet werden kann. Die zweite Barriereform ist die Synthesebarriere. Hier
sind auch Anfangs- und Endzustand geklärt, dennoch sind wichtige
Einzeloperationen und daraus folgernd die richtige Kombination dieser
Einzeloperationen unbekannt. Die dialektische Barriere ist die dritte Form. Unklar
ist hierbei der Endzustand, man weiß oft nur, dass die gegebene Situation
2 Vgl. Dörner 1987, 10
3 Vgl. Dörner 1987, 12 f.
8

verändert werden muss. Wichtig ist jedoch, dass Probleme nicht gleichzusetzen
sind mit Aufgaben, denn den Aufgaben fehlt die Komponente der Barriere. 4
Diese Unterscheidung ist für die Untersuchung der Vergleichsarbeiten von
Bedeutung, denn die Lösung von Aufgaben bildet in den Klausuren eine zentrale
Handlung. Eine Aufgabe kann allerdings zu einem Problem werden, wenn eine
Barriere entsteht, weil die Aufgabenstellung beispielsweise nicht verstanden wird
oder weil bereichsspezifisches oder strategisches Wissen zur Lösung der
Aufgabe fehlt.
Problemlösestrategien bezeichnen den effektiven Umgang mit einem
Problem. 5 Der Begriff „Strategie“ umfasst das absichtsvolle, geplante Vorgehen
bei der Lösungssuche. Es wird unterschieden zwischen allgemeinen und
inhaltsbereichsspezifischen Problemlösestrategien. 6 Allgemeine
Problemlösestrategien sind Fertigkeiten 7 , die auf die unterschiedlichsten
Probleme angewendet werden können, während inhaltsbereichsspezifische
Strategien für Probleme eines jeweiligen Wissensbereichs eingesetzt werden
können.
2.2 Lesen und Schreiben als Problem und Problemlösestrategien
Problemlöseansatz
Die Problemlösetheorie ist ein Kind der kognitiven Wende. Lernen wurde von da
an als Handeln und Handeln als ein Problemlösen verstanden. 8 Beide
Disziplinen, sowohl die Textproduktion als auch die Textrezeption, werden als
komplexe Handlungen beschrieben. Deshalb liegt es nahe, beide unter dem
Problemlöseparadigma zu betrachten. Dabei ist es unerlässlich, zunächst zu
jedem dieser beiden Gebiete einige vorangestellte Worte zu sagen, damit ein
gemeinsamer Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung im dritten Teil der
Arbeit geschaffen werden kann.
4
Vgl. Dörner 1987, 10 f.
5
Vgl. Mandl u.a. 1994, 191 f.
6
Vgl. Mandl u.a. 1994, 191 f.
7
Der Begriff „Fertigkeiten“ wird im Kapitel „Lesen, Schreiben und Wissen“ näher erläutert.
8
Vgl. Feilke 2002, 1
9

Was versteht man unter Textrezeption?
Textverstehen 9 ist keine bloße Umkehrung der Textproduktion und mehr als eine
bloße Übertragung sprachlicher Informationen in eine kognitive Repräsentation. 10
Es ist eine aktive, komplexe, konstruktive, kontinuierliche Tätigkeit. Der Rezipient
füllt die vage Datenstruktur eines Textes mit Vorwissen, welches bereits in
seinem Gedächtnis gespeichert ist, auf und aktualisiert dieses. 11 Verstanden wird
Textverstehen als ein text- bzw. datengeleiteter (bottom-up-Strategie) und als ein
wissensgeleiteter Prozess (top-down-Strategie). Textverstehen bzw.
Textinterpretation sind alltägliche Prozesse, die scheinbar automatisch ablaufen.
Offenbar werden diese Prozesse dann bewusst wahrgenommen, wenn Texte
nicht verstanden werden. Textverstehen basiert ganz wesentlich auf einer
rahmenhaften Vorgabe des Erwartbaren. Determiniert wird Textverstehen durch
soziale, kommunikative, kognitive und situative Parameter. Das Verstehen von
Texten ist immer als eine Interaktion zwischen der Kognitionsstruktur eines
Rezipienten und dem vorgegebenen Text zu begreifen. 12 Welche kognitiven
Verstehensleistungen die Schüler für die Bewältigung der Aufgaben in den
Vergleichsarbeiten erbringen mussten, wird im Folgenden erklärt.
Textrezeptionsforschung
Sowohl in fiktionalen wie in nicht-fiktionalen Texten finden aktive kognitive
Prozesse statt. 13 Dabei vollziehen sich zunächst auf der Buchstaben-Wort-Ebene
erste Prozesse. 14 In einem weiteren Schritt müssen semantische und
syntaktische Relationen der einzelnen Satzelemente analysiert werden. Die
semantische Verarbeitung der Satzbedeutung geschieht durch die Extraktion von
Propositionen. Damit hat der Verstehensprozess begonnen. Nachdem der
Lesende satzübergreifende Bedeutungsstrukturen herstellt, muss er diese
aufeinander beziehen, in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Textlesen ist
also das Erschließen und Verarbeiten von satzübergreifenden
Zusammenhängen. 15
9
Für den Begriff Lesen werden in dieser Arbeit synonym die Begriffe Textverstehen,
Textinterpretation, Textlesen, Textrezeption usw. gebraucht. Allen diesen Begriffen
obliegt aber die Eigenschaft des Verstehens.
10
Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 114, Antos/Krings 1989, 10, Baurmann/Weingarten
1995, 10
11
Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 114 ff.
12
Vgl. Groeben 1982, 8 f.
13
Vgl. Christmann/Groeben 2001, 147
14
Vgl. Christmann/Groeben 2001, 148 ff.
15
Vgl. Christmann/Groeben 2001, 157 ff. und Aust 2003, 525
10

Hugo Aust beschreibt Textlesen explizit als problemlösendes Verhalten
innerhalb der „sphärischen“ Geschlossenheit und als die rezeptive Komponente
des Schriftspracherwerbs. 16 Unter „sphärischer“ Geschlossenheit versteht er den
Text als etwas Ganzes aus Anfang, Mitte und Ende nach der Aristotelischen
Poetik. 17 Textlesen gliedert sich in drei Fähigkeiten: Es muss Neues verarbeitet
und das Begonnene konsequent fortgesetzt werden, es muss voraus- und
zurückgedacht und das Ende muss als Resultat des Vorausgehenden „errechnet“
werden. Über Thema-Rhema-Zusammenhänge sowie andere formale und
semantische Verknüpfungen ergeben sich satzübergreifende Zusammenhänge,
also aus einem beständigen Wechsel von Mitteilungen, die als bekannt
vorausgesetzt werden, und Formulierungen, die neue Informationen geben. Am
besten gelingt es dem Lesenden also, Bedeutungsstrukturen in einen sinnvollen
Zusammenhang zu bringen, je kohärenter der ihm vorliegende Text ist.
Schnotz unterscheidet dabei zwischen lokaler und globaler Kohärenz. 18
Bei der lokalen Kohärenz muss der Lesende die semantischen Zusammenhänge
zwischen den unmittelbar aufeinanderfolgenden Sätzen bilden, während bei
globaler Kohärenz die semantischen Zusammenhänge zwischen größeren
Textabschnitten mental rekonstruiert werden müssen. Lesen ist aus dieser
Beschreibung heraus zu begreifen als ein mentaler Konstruktionsprozess, bei der
der Leser eine mentale Repräsentation des dargestellten Sachverhalts
konstruiert. 19 Daher ist Textverstehen ein Prozess der mentalen
Kohärenzbildung.
Wie eingangs schon erwähnt, laufen die Prozesse der Textrezeption
scheinbar automatisch ab. Wenn es aber zu Verständnisproblemen kommt,
macht sich ein Leser die Rezeption bewusst. Ähnlich wie bei Schreibprozessen,
auf die im Anschluss eingegangen wird, stellt sich dem Leser ein Problem, das er
lösen muss. Für die Vergleichsarbeiten bietet die Aufgabenstellung einen
möglichen Weg, das Textverständnis zu reflektieren. Denn über die Aufgaben der
Vergleichsarbeiten kann der Schüler den Text und sein Verständnis vom Text gut
reflektieren, da diese den lesenden Schüler in eine bestimmte Richtung lesen
und verstehen lässt. So muss sich der Schüler idealerweise stets die Frage
stellen, ob er die Aufgabe richtig gelöst hat und wenn nein, warum nicht und wie
er den Weg zur Lösung finden kann. Das Lösen der Aufgabe kann sich zu einem
Problem entwickeln, wenn das Textverständnis unzureichend ist. Will ein Schüler
16 Vgl. Aust 2003, 528
17 Vgl. Aust 2003, 528
18 Schnotz 1996, 972
11

eispielsweise für die Vergleichsarbeit aus dem Jahr 2002 die Aufgabe (3) lösen,
in welcher er mit Hilfe des Vorgabetextes bestimmten Personen ihre Rollen
zuordnen soll, dann kann sich die Lösung der Aufgabe insofern zu einem
Problem für den Schüler entwickeln, wenn er den Text nicht hinreichend
verstanden hat. Das Problem liegt hierbei aber im Lesevorgang und nicht in der
Aufgabe. 20 Der Leseprozess kann also ein Problem sein, aber auch eine
Strategie, ein Problem zu lösen. So kann der Leser das Problem in mehrere
Teilprobleme gliedern, indem er bestimmte Textpassagen beispielsweise
markiert/unterstreicht, sich Fragen zum Text stellt, eine Inhaltsangabe schreibt
usw. Verstehendes Lesen hat somit erkenntnisgewinnenden bzw. epistemischen
Charakter. Besonders bei den Vergleichsarbeiten wird auf spezifische
Verstehensstrategien in Form von aufgabenorientiertem Textverstehen gesetzt.
Weil die Aufgaben der Klausuren die Schüler zum gezielten Rezipieren anregen,
werden die zu speichernden Informationen für die Lösung der Aufgaben mit
besonderer Aufmerksamkeit und Intensität wahr- und aufgenommen. 21
Was versteht man unter Textproduktion?
Global betrachtet ist die Textproduktion eine bewusste sprachliche Tätigkeit. Sie
muss ebenso wie die Textrezeption eine gegenstandsspezifische Interpretation
erfahren. 22 Textproduktion dient sozialen Zwecken, ist eine intentionale Tätigkeit
und interaktional. Texte produzieren ist eine schöpferische, konstruktive Tätigkeit.
Häufig wird deshalb in der kognitiven Psychologie die Textproduktion verglichen
mit einer komplexen Aufgabenlösung, „in der der Sprecher die mit der
Textproduktion angestrebten Resultate sowie die Wege ihrer Erreichung
gedanklich vorwegnimmt“. 23 Das meint, dass Textproduktion bestimmte
Parameter erfordert: Entwicklung präziser Zielvorstellungen, Handlungspläne und
eine programmbezogene Handlungsausführung. Textpläne stellen mentale
Repräsentationen des Ziels und der globalen Handlung dar. Das Ziel einer
Handlung ist zumeist der Text, mit dem eine bestimmte Absicht verfolgt wird,
und/oder die Handlung selbst. Ein Text ist eine Spur, die zeigt, „welchen Weg der
Textproduzent für die Realisierung seiner Zielvorstellung ausgewählt, welche
Annahmen er bezüglich Wissen, Einstellungen und Motivationen des Adressaten
19 Vgl. Schnotz 1996, 972
20 Eine Aufgabe kann dann mit einem Problem gleichgesetzt werden, wenn sie
beispielsweise nicht verständlich formuliert ist und deshalb ein Verständnisproblem
auftritt.
21 Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 264
22 Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 89 ff.
12

getroffen, welche Antizipationen er bezüglich der kognitiven Verarbeitung des
Textes durch den Interpreten gemacht hat“ 24 .
Schreibforschung
In der Schreibforschung ist man sich weitgehend einig, dass Schreiben im
kognitiven Sinne problemlösendes Verhalten ist. 25 Dazu muss man verstehen,
dass sich innerhalb der Schreibforschung ein Paradigmenwechsel vollzogen hat,
bei dem die durchgängig produktorientierte Betrachtungsweise von einer
prozessorientierten abgelöst wurde. Gerade für die Aufsatzdidaktik ist dieser
Schritt bedeutend. Denn nachdem vor allem in den siebziger Jahren der
kommunikative Aufsatz beherrschend war, wird nun in der Aufsatzdidaktik auch
der Vorgang der Produktion, also der Schreibprozess, einbezogen. 26 Nachteil der
kommunikativen Aufsatzdidaktik war, dass von den vielen Verwendungsweisen,
welche Texte haben können, eben nur die kommunikative, der schriftliche
Austausch zwischen Leser und Schreiber, bestimmend war. Aber ebenso wichtig
wie ein kommunikativer Blick ist auch die Erkenntnis, dass Schreiben in erster
Linie eine mentale Tätigkeit ist, 27 wobei die sprachlichen Strukturen von Texten,
die aus dieser mentalen Tätigkeit hervorgehen, als Spuren von
Problemlöseprozessen aufgefasst werden. 28
Zum einen können Schreibprozesse mit Problemlöseprozessen verglichen
werden. Damit werden die Anforderungen, die das Schreiben an die
kognitiven Fähigkeiten des Menschen stellt, thematisiert. Zum anderen kann
Schreiben die Lösung bestimmter Probleme erleichtern. Hiermit ist nicht der
Aspekt der Belastung, sondern die unterstützende Funktion, die das
Schreiben für Denkprozesse haben kann, angesprochen. 29
So wie Schreiben als Medium ein Instrumentarium zur Problemlösung ist, so
kann es selbst Gegenstand als komplexe Problemlösungsaufgabe
beschrieben werden. Diese kognitivistische Überzeugung bildet den Kern der
gegenwärtigen Schreibforschung. 30
Schreiben wird dann zu einem Problem, wenn der Schreibende eine Barriere
überwinden muss. Barrieren kann es bei der inhaltlichen und/oder bei der
23
Heinemann/Viehweger 1991, 91
24
Heinemann/Viehweger 1991, 91
25
Vgl. Molitor-Lübbert 1989, 279, Jechle 1992, 9, Baurmann/Weingarten 1995, 9,
Antos/Krings 1989, 11
26
Vgl. Ludwig 1989, 337 ff.
27
Vgl. Ludwig 1989, 339
28
Vgl. Feilke 1993, 20
29
Molitor-Lübbert 1989, 279
30
Ossner 1995, 31
13

kommunikativen Realisierung im Schreibvorgang geben. 31 Dabei umfasst der
inhaltliche Problembereich die Prozesse, die sich auf die Suche, das Bereitstellen
und Auswählen von Inhalten für den Text beziehen. Im Falle der
Vergleichsarbeiten sind das jene Inhalte, welche die Schüler aus den
Vorgabetexten extrahieren und in den Schreibprozess überführen mussten, denn
– wie bereits erwähnt – die Inhalte der Vorgabetexte beider Vergleichsarbeiten
waren Grundlagen für das Lösen der Schreibaufgaben. Dagegen beinhaltet der
kommunikative Problembereich Prozesse, die helfen, bereitgestellte Inhalte in
eine einzelsprachliche Form zu bringen. Zugleich muss der Textproduzent bei
der einzelsprachlichen Realisierung die kommunikativen und sprachlichen Ziele
und Normen beachten. Soll also ein Text geschrieben werden, muss eine große
Anzahl an Anforderungen bewältigt werden. Um diese zu verwirklichen, kann sich
der Textproduzent zunächst auf einen Problembereich konzentrieren und den
anderen ausklammern. Dadurch entsteht erst einmal ein recht einseitiger Text,
bei dem beispielsweise die Bedürfnisse des Lesers ignoriert werden und nur der
Inhalt eine Rolle spielt. Da Schreiben aber rekursiv ist, d.h. die Teilprozesse oder
die gesamte Abfolge von Prozessen ineinander verwoben und interaktiv sind 32 ,
werden beim Durchsehen von Texten die Passagen häufig noch einmal
überarbeitet. Schreiben vollzieht sich mehrschichtig, einzelne Aktivitäten des
Prozesses können wiederholt werden, sind also iterativ und können automatisch
ausgeführt werden. 33
Maßgebend für die Problemlösetheorie in der Schreibprozessforschung
ist das Modell von Hayes und Flower, das eine Grundlage zur Modellierung von
Schreibprozessen bietet. Demnach bestehen Schreibprozesse aus drei
Komponenten: 34 a) der Aufgabenumgebung, die alle externen Bedingungen
umfasst, b) dem Langzeitgedächtnis des Textproduzenten, in dem die internen
Bedingungen für die Textproduktion gegeben sind und c) dem Prozess des
Textproduzierens, worin sich die Teilprozesse des Planens wie ,Repräsentation
der Schreibaufgabe und Zielbildung‘, ,Bereitstellen von Information‘ und
,Anordnung von Information‘ sowie die Teilprozesse einzelsprachliche
Realisation und Durchsehen wiederfinden. Die Instanz Monitor kontrolliert das
Zusammenwirken der Teilprozesse. In anderen Modellen wird zusätzlich der
Teilprozess Überarbeiten genannt. Die Aufgabenumgebung, welche die externen
Gegebenheiten darstellt, umfasst den Schreibanlass, den Texttyp, situative
31 Vgl. Jechle 1992, 9 f. sowie Feilke 1993, 25
32 Vgl. Jechle 1992, 13
33 Vgl. Ludwig 1989, 342
14

Bedingungen (Ort, Zeit, Schreibmaterialien), das Schreibthema, den Leser und
den schon jeweils verfassten Text. Zu den internen Bedingungen gehören
- die Wissensbasis (das unmittelbar zur Verfügung stehende Wissen),
- die motivationale Basis (Dispositionen und Einstellungen des
Textproduzenten) sowie
- der Entwicklungsstand des Textproduzenten (z. B. der Grad der
Ausbildung schriftsprachlicher Fähigkeiten, allgemeine kognitive
Fähigkeiten). 35
Die vorhin schon genannten Teilprozesse Zielbildung, Bereitstellen und
Anordnen von Information, einzelsprachliche Realisierung sowie Durchsehen und
Überarbeiten von Texten stellen die kognitiven Aktivitäten dar. Diese Aktivitäten
bilden wiederum die zentrale Komponente jedes Schreibmodells.
Von hier aus gelangen wir auf den epistemischen (d.h. erkenntnistheoretischen)
Charakter des Schreiben. Nicht jedes Schreiben muss epistemisch sein, was
Ludwigs Schreibfunktionstypen 36 , die Ossner folgendermaßen abstrahiert hat,
deutlich machen:
Für sich schreiben,
für andere schreiben,
an andere schreiben,
schreiben zur Gedächtnisentlastung und
schreiben, um Erkenntnisse zu gewinnen. 37
Oft nutzen wir das Schreiben, um strukturelle oder inhaltliche Probleme zu
lösen. 38 Schreiben ist ein integraler Bestandteil des Denkens, hat die Funktion
eines „Denkwerkzeugs“. Wenn sich also jemand Notizen macht, um etwas
beispielsweise bei einem Einkauf nicht zu vergessen, speichert er diese
Information extern (auf Papier), um das Gedächtnis zu entlasten. Dieses
Schreiben hat keine epistemische Funktion. Auch das Exzerpieren von Inhalten
für Prüfungen, längere Seminararbeiten etc. entlastet das Gedächtnis, hilft dem
34 Vgl. Jechle 1992, 7 f.
35 Vgl. Jechle 1992, 16 ff.
36 Vgl. Ludwig 1980b, 85, zit. n. Ossner 1995, 37 f. Otto Ludwig benennt insgesamt neun
Schreibfunktionstypen: Aus sich heraus schreiben, bewusstmachendes Schreiben,
operatives Schreiben, selbstvermittelndes Schreiben, Schreiben als Formulierungshilfe,
konzipierendes Schreiben, konservierendes Schreiben, transferierendes Schreiben und
kommunikatives Schreiben.
37 Vgl. Ossner 1995, 40 f.
15

Schreibenden aber auch, das Wissen zu objektivieren und es leichter überprüfbar
zu machen. „Die Funktionen des Speicherns, Wiederholens und Korrigierens, die
das Schreiben bietet, ermöglichen den sukzessiven Aufbau von Denk- bzw.
Wissensstrukturen unterschiedlicher Komplexität in verschiedenen
Textfassungen. In diesem Fall kann das Schreiben als Problemlösestrategie
bezeichnet werden.“ 39 Für die Vergleichsarbeiten ist diese Tatsache deshalb so
wichtig, weil die zu lösenden Aufgaben durch ihre Art der Zusammensetzung den
Schülern halfen, schrittweise inhaltliche Wissensstrukturen im Verlauf des
Schreibens aufzubauen, indem die Lösungen der ersten Aufgaben zunächst nur
inhaltlich oberflächliche Zusammenhänge erforderten, die letzten Aufgaben aber
nur mit dem Wissen um inhaltlich komplexe Sachverhalte lösbar waren, wobei
die nachfolgenden Aufgaben sich auf das Wissen, das in den Aufgaben zuvor
gewonnen und verarbeitet wurde, beziehen.
Der epistemischen Funktion des Schreibens schenkt man in der Aufsatzdidaktik
bzw. in der Diskussion um Lehrpläne und Unterrichtsqualität große Beachtung,
wie im folgenden Absatz klar wird.
Das kognitive Problemlöseparadigma hat im Laufe der Jahre eine Wandlung
erfahren. Denn die anfängliche Konzentration allein auf die Schreibprozesse
wurde aufgebrochen und man berücksichtigt nun verstärkt den
problemerzeugenden Charakter des Handelns und nimmt Bezug auf dessen
sozial-kommunikative und emotionale Integration. 40 So wurde beispielsweise
kritisiert, dass in empirischen Studien von Feilke sowie Augst/Faigel (1986)
Einflüsse von Lehrplänen auf den Schreibprozess nicht beachtet wurden. Ossner
betrachtet die Ergebnisse dieser empirischen Studie nicht als Ontogenese der
schriftsprachlichen Fähigkeiten 41 (so der Titel der Studie), sondern als eine
institutionsspezifische Entwicklung 42 , weil die von Feilke untersuchten und
ausgewerteten Texte nach Ossners Einschätzung kein Ausdrucksproblem
darstellen, sondern sie eher als mündlich konzeptual einzustufen seien. 43 Das
Problem muss also in den Lehrplänen gesucht werden, wenn es Schülern nicht
gelingt, sich bis zur Schriftlichkeit zu entwickeln. Die Schreibentwicklung vollzieht
38 Vgl. Molitor-Lübbert 1989, 280 f.
39 Molitor-Lübbert 1989, 281
40 Vgl. Feilke 2002, 1
41 Vgl. Augst/Faigel 1986
42 Vgl. Ossner 1996, 83
43 Vgl. Ossner 1996, 82
16

sich in den Bahnen des schulischen Curriculums und nicht, wie es sein sollte, im
Anschluss an die Denkentwicklung. Ossner stellt fest, dass zu wenig Wert auf
Schreiben gelegt wird und spricht in Bezug auf die Schreibleistungen der Schüler
von einer konzeptuellen Mündlichkeit, die sich aufgrund curricularer Pläne nicht
bis zur konzeptuellen Schriftlichkeit entwickeln kann. 44 Mit konzeptueller
Mündlichkeit ist eine mündliche Ausrichtung im geschriebenen Text gemeint, in
dem sich beispielsweise Modalpartikel wie „ja“ wiederfinden, die typisch für die
gesprochene Sprache sind, oder eine argumentative Struktur vorherrschend ist,
die auf eine Gesprächssituation mit den beiden Komponenten Sprecher und
Hörer zurückzuführen ist (bspw. mündliche Satzstellung, in der die
subordinierende Kausalbestimmung „weil“ koordinierend verwendet wird) und
nicht auf eine schriftliche Situation, in der Schreiber und Leser agieren. 45 Eine
mündlich argumentative Struktur in einem schriftlichen Text erscheint als
unlogisch, weil die Argumente semantisch oft nicht zusammenhängend erzeugt
werden wie es in einem schriftlich organisierten Text der Fall wäre. Der Begriff
konzeptuelle Schriftlichkeit bedeutet, dass ein Text schriftlich ausgerichtet ist, mit
allen sprachlichen Merkmalen, die einen schriftlichen Text kennzeichnen. So
muss beispielsweise die gegebene, d.h. schriftliche Situation beachtet werden,
bei der eine unmittelbare Rückmeldung auf das Geschriebene nicht realisierbar
ist und das Schreibprodukt inhaltlich und sprachlich komplexer 46 formuliert und
organisiert werden muss als in einem mündlichen Gespräch, um das
kommunikative Ziel mit diesem Text zu erreichen.
Ähnlich wie Ossner plädiert auch Antos für eine Dezentralisierung des
Schreibens. 47 Nach Antos Einschätzung muss Schreiben und Schreibenlehren in
überschau- und bewältigbare „Schreibprozeduren" zerlegt werden. Denn wenn
Schreibprozeduren erst einmal automatisiert und routinisiert sind, dann schaffen
sie eine kognitive Entlastung und geben motivationelle Sicherheit. Schüler
brauchen Schreibprozeduren (handhabbare Werkzeuge) und sie brauchen eine
Vielfalt anregender (schulischer) Kontexte. Aber der Deutschunterricht ist nicht
allein befähigt, diese Dezentralisierung zu leisten. Auch in den Sachfächern muss
Schreibenlernen gelernt werden. Hier geht man in der Schreibforschung auch der
Frage nach, inwiefern fächerübergreifender Unterricht vor allem für das
44 Vgl. Ossner 1995, 46 ff.
45 Vgl. Ossner 1996, 80 f.
46 Der Begriff „komplex“ meint für die inhaltliche Produktion eine kohärente Struktur des
schriftlichen Textes und im sprachlich-formalen Sinne die syntaktische Verknüpfung
dieser Sachverhalte mit Hilfe bestimmter sprachlicher Mittel wie Konjunktionen zu
kohäsiven Texten.
17

Schreibenlernen sinnvoll sein kann. Schreiben sollte als ein Unterrichtsprinzip
verstanden und deshalb in allen Unterrichtsfächern als wichtig erachtet werden,
denn Schreibqualifikationen sind im gesamten Unterricht nötig. Dennoch gehört
Schreiben im engen Sinne in das Curriculum des Deutschunterrichts, da es hier
als Gegenstand begriffen wird. 48
Also gerade für die Didaktik sind unterschiedliche Betrachtungen zum
Schreiben wichtig und notwendig, um Schülern essentielle Werkzeuge und
Fähigkeiten für das Verstehen und Schreiben von Texten zu vermitteln:
Es reicht aber nicht aus, ausschließlich ontogenetisch geleitete
Stufenmodelle zur Analyse und Beschreibung von Textkompetenzen
heranzuziehen. Eine Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld
Mündlichkeit - Schriftlichkeit (Sieber 1998), mit institutionsgeleiteten
Zugängen (Ossner 1996), mit der Qualität des Schreibunterrichts (Merz-
Grötsch 2001) und, nicht zu vergessen, mit dem sozialen Umfeld der
Lernenden ist hierbei angebracht. 49
Die Überlegungen zu einer Didaktik des Schreibens sind auch für die
Vergleichsarbeiten interessant, weil schon jetzt gewisse Annahmen hinsichtlich
der Schülerleistungen gemacht werden können. Da die mit Hilfe der
Vergleichsarbeiten untersuchten Schüler keinen fächerübergreifenden Unterricht
erfahren haben und auch das Schreiben laut der curricularen Pläne nicht den
Mittelpunkt des gesamten Unterrichts bildet, kann vermutet werden, dass die
Schreibleistungen dieser Schüler als teilweise mündlich-konzeptual einzuordnen
sind. Die Frage, ob diese theoretische Annahme tatsächlich zutrifft, kann im
dritten Teil der Arbeit aufgrund unzureichender Daten nicht thematisiert und
überprüft werden.
Kritik an der zweckorientierten Schreibforschung
Zur epistemischen Funktion des Schreibens wird aber auch Kritik geäußert.
Ortner bezeichnet die gesamte Schreibforschung als „finalistischinstrumentalistisch“,
sie folge nur dem Zweck-Mittel-Schema. 50 Die
prozessorientierte Auffassung sei zu sehr gerichtet auf zweckrationales Handeln.
Ortner will das Bild aufbrechen, in dem Schreibende immer und ausschließlich
von Intentionen, Absichten, Zielen und Plänen bewegt werden. Das bewusst
47 Vgl. Antos 1996, 196
48 Vgl. Ossner 1995, 31
49 Merz-Grötsch 2003, 804
50 Vgl. Ortner 2000, 97
18

planende und kontrollierte Schreiben ist eine Form unter vielen. 51 „Wer sagt
denn, daß jeder Textproduzent Ziele vorwegnehmen kann?“ 52 Hier wird der
durchgängig epistemisch wahrgenommene Charakter des Schreibens, der als
Eigenschaft ein Ziel voraussetzt, kritisiert. Grundsätzlich stimmt Ortner der
Problemlösetheorie, in der das epistemische Schreiben verankert ist, zu, obwohl
er auch bei dieser feststellt, dass sie sehr kompatibel mit dem zweckrationalen
Paradigma ist. 53 Der Zielkomponente im Problemlöseparadigma wird seiner
Ansicht nach ein zu hoher Stellenwert eingeräumt, wodurch das ganze Modell
unrealistisch wird. Denn nicht jedes Schreiben ist Problemlösen, weil
Problemlösen ein Zweckhandeln voraussetzt. Vieles ist am Schreiben (und auch
am Lesen) automatisiert und routinisiert. Und automatisiertes Verhalten enthält
keine Barrieren, somit gibt es kein Problem. Aber das Problemlöseparadigma auf
alles Schreiben 54 zu beziehen ist die gängige Methode in der
Schreibforschung. 55 Dennoch kann Ortner aus der Problemlöseforschung
Positives herausstellen: Nämlich die Betonung des Prozesshaften und die
Wiederentdeckung der Wegmetapher – weg vom Produkt (Ziel), hin zum Prozess
(Weg).
Für die empirische Untersuchung der Vergleichsarbeiten muss eingegrenzt
werden, um welche Form des Schreibens es sich beim Schreiben von Aufsätzen
handelt. Die Schreibaufgaben geben den Schülern einen bestimmten Auftrag.
Dadurch werden die Schüler in der Regel motiviert und entwickeln eine
bestimmte, das heißt bewusste Intention, auch wenn es sich im schulischen
Rahmen viel weniger um intrinsische als um extrinsische Intentionen handelt, die
durch das Erreichen guter Schulnoten begründet ist. Schreiben funktioniert in
diesem Sinne zweckgerichtet, kontrolliert und geplant und das Produkt, der Text
bzw. das Ziel, ist das Ergebnis konzeptioneller Prozesse sowie der Intention und
Repräsentant der Pläne. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, weil er für die
analytische Betrachtung der Vergleichsarbeiten im dritten Teil dieser Arbeit eine
große Rolle spielt, indem die Verstehens- und Produktionsleistungen von
Schülern als Ergebnis zielgerichteter Handlungen aufgefasst und untersucht
werden können. Dennoch ist wichtig hervorzuheben, dass im Hinblick auf das
51 Vgl. Ortner 2000, 103
52 Ortner 2000, 106
53 Vgl. Ortner 2000, 99 f.
54 Zur Funktion des Schreibens vgl. dazu die Schreibfunktionstypen von Ludwig (1980b)
zit. n. Ossner (1995) sowie die Abstraktion von Ossner (1995)
19

Lehr- und Lernziel zwei Seiten des Schreibens voneinander unterschieden
werden müssen: Zum einen das Schreiben um des Schreibens willen und zum
anderen das Schreiben um des Produktes willen. Die Aufgabenstellungen der
Vergleichsarbeiten implizieren ganz eindeutig das Schreibziel „Text“, also das
Schreiben um des Produktes willen. Deshalb ist Schreiben im Rahmen der
Vergleichsarbeiten zweifellos als Problemlösestrategie und infolgedessen als
epistemisches Schreiben aufzufassen. Genauso verhält es sich beim Lesen,
welches für die Textproduktion einen grundlegenden Wert hat, weil in beiden
Vergleichsarbeiten die Schüler über das Lesen eines Vorgabetextes zu ihrem
Schreibprodukt
bzw. zur Lösung der Aufgaben gelangen.
Schreiben und Lesen haben im Rahmen dieser Arbeit also epistemische
Funktion
und können ebenso zu überwindende Probleme darstellen.
Demzufolge muss Folgendes festgehalten werden: Der Problemlöseprozess
definiert sich in dieser Arbeit durch die epistemische Funktion des Schreibens
und den, durch die Aufgabenstruktur impliziert, strategischen Wissenserwerb
durch
Textrezeption.
2.3
Produkt-Prozess-Ambiguität
In diesem Punkt soll die grundlegende Frage geklärt werden, ob aus dem
Schreibprodukt (dem Text) der Schreibprozess „ablesbar“ ist, denn in der
Schreibforschung wird über einen grundsätzlichen Unterschied zwischen
prozessbezogener und produktbezogener Betrachtung von Schreiben diskutiert.
Für die Datenanalyse ist diese Diskussion maßgebend, denn einerseits
unterscheiden sich die Vergleichsarbeiten in der Erfassung ihrer Variablen und
andererseits auch darin, wie diese Variablen sich zu einer Datenmatrix
zusammenfügen. Während nämlich für die Vergleichsarbeit von 2002 alle
Aufgaben, welche die Schüler schriftlich zu lösen hatten, in Form von Variablen
aufgenommen wurden, beschränkt sich für die Vergleichsarbeit von 2001 die
Datenaufnahme auf nur eine von insgesamt fünf Aufgaben. Da die
Aufgabenstruktur für die Datenanalyse aber von ausschlaggebender Bedeutung
55 Vgl. Ortner 2000, 102 f. sowie Jechle 1992, 9; Baurmann/Weingarten 1995, 9; Molitor-
20

für die Rekonstruktion des Schreibprozesses ist, ist wichtig herauszufinden,
welche Meinungen es zur Produkt- und Prozessorientierung in der
Schreibforschung gibt. Das Schlagwort „Produkt-Prozess-Ambiguität“ besagt,
dass es zwischen Schreibprozessen und Schreibprodukten keine linearen
Beziehungen gibt. 56 Auf dieser Grundlage konnte die These „Texte als Spuren
von Schreibprozessen“ nicht gehalten werden. Das führte dazu, dass sich die
Meinung etablierte, dass Produkte gar nichts oder nur wenig darüber aussagen,
welche Prozesse ihnen vorangegangen sind. Aber entgegensetzt dazu gibt es
auch die Auffassung, dass aus Schreibprodukten sehr wohl die Prozesse des
Schreibens
nachvollziehbar sind. So resümieren Eigler u.a. (1995) Folgendes:
a iven Zugang zu den tatsächlich
stattgefundenen Prozessen zu. 57
Einerseits besteht die Auffassung, daß es möglich ist, aus dem Produkt
auf die Prozesse zurückzuschließen, die dieses Produkt hervorgebracht
haben („to infer the process from the product“, McCutchen 1986: 432).
Genau dies wird allerdings von anderer Seite bestritten („Process cannot
be inferred from product any more than a pig can be inferred from a
sausage“, Murray 1980: 3). Für beide Positionen lassen sich Argumente
finden. Allerdings ist es unsere Überzeugung, daß weder ausschließlich
die eine Position noch die andere der Komplexität des untersuchten
Gegenstandes gerecht werden kann. Eine rein prozeßbezogene
Betrachtungsweise – etwa über Protokolle lauten Denkens – ergibt
keinerlei Hinweise darauf, wie sich das Produkt entwickelt und ob das
Produkt des so erfaßten Prozesses überhaupt der Schreibaufgabe
gerecht wird. Dies läßt sich nur aufgrund einer produktbezogenen
Betrachtung entscheiden. Zudem bleibt unberücksichtigt, daß das Produkt
selbst, der bis zu einem Zeitpunkt im Textproduktionsprozeß jeweils
entstandene Text, nicht nur Ergebnis von Prozessen ist, sondern zugleich
diese Prozesse im folgenden wesentlich beeinflußt, so daß von einer
engen Wechselbeziehung zwischen Prozeß und Produkt auszugehen ist.
Eine rein produktbezogene Betrachtung andererseits läßt in den meisten
Fällen nur einen interpret t
Demzufolge sind beide Varianten unerlässlich, was weitgehend für die
Vergleichsarbeiten berücksichtigt wird. So ist für beide Klausuren eine
produktorientierte Betrachtung gewährleistet. Die Beschreibung des
Schreibprozesses dagegen erweist sich als schwierig. Die wohl gängigste
Methode, den Schreibprozess nachzuvollziehen, ist die des lauten Denkens.
Auch Randnotizen, Kladden usw. geben Einblicke in die Prozesse des
Schreibens. Doch diese Formen werden im Rahmen der Datenauswertung nicht
berücksichtigt. Vielmehr soll der Schreibprozess, wie oben schon erwähnt, über
Lübbert 1989, 279
56 Vgl. Krings 1992, 48
57 Eigler u.a. 1995, 152 f.
21

die Aufgabenstruktur, d.h. über die schriftlichen Lösungen der einzelnen
Aufgaben bzw. über die Schreibprodukte sichtbar gemacht werden. Das
Besondere bei den hier untersuchten Vergleichsarbeiten ist die Konzeption ihrer
Aufgabenstruktur, die den Anspruch erhebt, das mentale Modell zu
repräsentieren. Diese Form der Aufgabenstruktur ist in beiden Vergleichsarbeiten
identisch. Daher sind in beiden Vergleichsarbeiten dieselben Bedingungen für
den Schreibprozess gegeben, denn über die Aufgabenstruktur beider Klausuren
sollte es den Schülern möglich sein, bereichsspezifisches Wissen aufzubauen.
Diese Wissenselaboration soll im Zuge der Datenanalyse untersucht werden,
wobei über die Wissenselaboration der Schreibprozess nachvollzogen werden
soll.
Obwohl die Art der Zusammensetzung der Aufgaben in beiden
Vergleichsarbeiten identisch ist, unterscheiden sich die Klausuren im Hinblick auf
die Datenaufbereitung. Wie oben schon erwähnt, wurden für die Vergleichsarbeit
von 2001 nicht alle Aufgaben und infolgedessen nicht alle Lösungen
ausgewertet, so dass also über die Aufgabenstruktur, die den Weg zum Produkt
abbildet, in der Datenanalyse keine Rückschlüsse auf Schreibprozesse gezogen
werden können. Daher werden sich die Untersuchungen nur auf lokaler Ebene
bewegen, was bedeutet, dass globale Zusammenhänge aus der Textproduktion
für die Schreibprozesse kaum hergeleitet werden können. Für die
Vergleichsarbeit von 2002 wurden alle Textproduktionsaufgaben erfasst, so dass
der Weg der schriftlichen Produktion eben über die Wissenselaboration, welche
durch die Aufgabenstruktur abgebildet wird, nachvollzogen werden kann. Zwar
sind die Voraussetzungen für eine Rekonstruktion des Schreibprozesses in der
Vergleichsarbeit von 2001 nicht gegeben, dennoch enthält das Datenmaterial
Potential. Denn anhand einer Analyse des Vorgabetextes, der den Aufgaben
zugrunde lag, können Rückschlüsse bzw. Vermutungen auf/über die Qualität des
Textverständnisses und daraufhin
zumindest partiell auch auf/über den
Schreibprozess
gemacht werden.
Für die Analyse der Vergleichsarbeiten im Teil III gilt also, dass einerseits das
Schreibprodukt untersucht wird und andererseits der Schreibprozess
festgemacht wird an der Entwicklung des Wissens, welche durch die
Aufgabenstruktur und infolgedessen durch die zusammenhängende Betrachtung
der einzelnen Lösungen bzw. Schreibprodukte abgebildet und gewonnen wird.
22

2.4 Lesen, Schreiben und Wissen
Den Aufgaben beider Vergleichsarbeiten wurden jeweils Basistexte und teilweise
Tabellen und Bilder zugrunde gelegt, die den Schülern zur Lösung der Aufgaben
inhaltsspezifisches Wissen lieferten, welches im Zuge der Aufgabenbewältigung
aufgebaut und organisiert werden musste. Aus diesem Grund ist eine selektive
Betrachtung des Gegenstandes „Wissen“ notwendig. Dazu stellen sich folgende
Fragen: Wie entwickelt sich Wissen beim Lesen und Schreiben? Wie können
Lesen und Schreiben zum Wissenserwerb beitragen?
Allgemeine Psychologie des Wissenserwerbs
Lesen und Schreiben sind aktive Tätigkeiten, die nur im Einklang mit Wissen
ausgeübt werden können. 58 Wissen ist Voraussetzung für Denk-, Lern- und
Problemlöseprozesse und nicht nur eine Folge von Lernen. 59 Generell werden
verschiedene Wissensformen unterschieden: Wissen über Sachverhalte, Wissen,
das psychomotorischen und kognitiven Fähigkeiten zugrunde liegt, Wissen über
Strategien zur Bewältigung von Problemsituationen und metakognitives Wissen.
Dabei sind sowohl deklaratives als auch prozedurales Wissen von grundlegender
Bedeutung für den Erwerb von Problemlösestrategien. Prozedurales Wissen ist
das den Fertigkeiten (auch Prozeduren) unterliegende Wissen. 60 Dieses Wissen
steuert die Fertigkeitsausübung automatisch und verläuft unbewusst.
Der Erwerb von Fertigkeiten vollzieht sich in drei Stufen: 61 In der ersten
Stufe wird das Wissen über den genauen Ablauf der Fertigkeit und ihre
Ausführung erworben. Dieses Wissen ist deklarativ und umfasst Sachverhalte.
Allerdings impliziert diese Beschreibung über einen genauen Ablauf eine stets
bewusste und zielgerichtete Aneignung deklarativen Wissens, was meines
Erachtens nicht den realen Gegebenheiten entspricht, da der Erwerb
deklarativen Wissens auch als nützliches Nebenprodukt einer Handlung
geschehen kann. Hinzu kommen (was weitgehend ausgeklammert wird)
intentionale Aspekte für den Erwerb von Wissen. Wissenserwerb kann auch ohne
Zielvorgabe geschehen. So ist ein Leser von Krimis nicht auf Informationen
„außerhalb der Krimiwelt“ – wie beispielsweise Schiffsmotorenbeschreibungen –
„vorbereitet“ und kann dennoch solche in den Krimi eingefügten Informationen
58 Vgl. Schnotz 1996, 972
59 Vgl. Mandl u.a. 1994, 145
60 Vgl. Mandl u.a. 1994, 173
23

ehalten. Deklaratives Wissen wird in einer zweiten Stufe in eine prozedurale
Form überführt. Das ist die sogenannte Wissenskompilation. In der dritten Stufe
wird die Ausbildung der Prozedur verfeinert und die Fertigkeit automatisiert; das
Wissen wird optimiert. Oft rückt dann das deklarative Wissen, mit dem die Regel
der Fertigkeit beschrieben werden kann, in den Hintergrund. Eine besondere
Eigenschaft von Fertigkeiten besteht darin, dass diese durch fortlaufende Übung
ständig verbessert und automatisiert werden können. 62 So können
beispielsweise orthographische Normen gewöhnlich durch Übung so
„verinnerlicht“ werden, dass sie beim Schreibvorgang sofort abrufbereit sind,
ohne dass direkt auf das deklarative Wissen, also die Regel, über die
Anwendung orthographischer Normen in erster Linie zurückgegriffen werden
muss.
Fertigkeiten, also automatisierte Prozesse, sind Grundlagen für
Problemlösestrategien. „Problemlösestrategien sind Fertigkeiten, deren Erwerb
durch die [...] Prozesse
der Wissenskompilation und Wissensoptimierung
gekennzeichnet
ist.“
e- als
uch den Schreibprozess kontrollieren, überprüfen und korrigieren können.
63
Eine weitere Form von Wissen ist das metakognitive Wissen, das Wissen
über die eigenen kognitiven Prozesse und deren Bedingungen. 64 Metakognitives
Wissen umfasst das Wissen über die eigene Person, über Aufgaben und
kognitive Strategien. Erfahren Lese- und Schreibprozesse selbstreferentiellen
Charakter, können diese Prozesse optimal zur Erkenntnisgewinnung dienen. Für
die Vergleichsarbeiten ist diese Wissensform insofern von Bedeutung, da die
Schüler über Reflexion ihrer eigenen Person und über die Aufgabe den Les
a
Nach dieser allgemeinen Beschreibung von Wissenserwerb soll nun
gezeigt
werden, welchen Einfluss Wissen auf Lesen und Schreiben hat.
konkret
Lesen und Wissen
Lesen kann bestehende Wissensstrukturen verändern. Das geschieht durch
Modifikation oder Induktion vorhandener Schemata. 65 Textverstehen ist grob
gesagt eine Wechselwirkung zwischen dem Vorwissen und der kognitiven
61
Vgl. Mandl u.a. 1994, 177
62
Vgl. Mandl u.a. 1994, 174
f.
63
Mandl u.a. 1994, 194
64
Vgl. Mandl u.a. 1994, 210 f.
65
Vgl. Mandl u.a. 1994, 157 ff.
24

Struktur des Lesers und der Art und Weise, wie der Text organisiert ist. 66
(Motivationale und situative Bedingungen werden in dieser Arbeit bewusst außen
vor gelassen.) Das Vorwissen wird als sehr wichtig für das Leseverständnis
erachtet. Es wird auf zwei verschiedene Weisen operationalisiert. „Thematisches
Vorwissen“ ist jenes Wissen, das bestimmte Wissensbereiche bzw. Themen
bezeichnet. 67 Mit „semantischem Vorwissen“ ist die Wissensstruktur eines
Probanden gemeint. 68 Es ist vor allem für die kognitive Psychologie interessant.
Mit dem Schemakonzept kann aber der Neuaufbau von Wissen schwer erklärt
werden,
da nur die top-down-Prozesse betont werden.
ie entwickelt sich Wissen beim Lesen und wie wirkt es
auf den
Strategie oder die semantische Integrationshilfe der konzeptionell-inhaltlichen
69
Die Art und Weise der Textorganisation- und struktur beeinflusst
zweifelsfrei die Art und Weise, wie die in den Texten enthaltene Information
organisiert und verarbeitet wird. Hier greift die Theorie des mentalen Modells, bei
dem nicht nur top-down-Prozesse, sondern auch bottom-up-Prozesse
berücksichtigt werden. 70 W
Leseprozess ein?
Beim Lesen konstruiert der Leser eine mentale Repräsentation des
dargestellten Sachverhalts. 71 Dabei kann die mentale Repräsentation in
relevanten Punkten mit der des Autors übereinstimmen oder in wesentlichen
Punkten von der des Autors abweichen. Je mehr Übereinstimmungen die
mentale Repräsentation aufweist, desto besser wird der Text verstanden.
Sprachliches und thematisches Vorwissen sind Bedingungen für eine
Rekonstruktion betreffender mentaler Repräsentationen. Denn durch
Interferenzen kann ein Leser beispielsweise Lücken/Weglassungen (durch den
Autor) im Text ergänzen. Interferenzen können dann wirken, wenn der Text einen
gewissen Grad an Kohärenz aufweist. Kohärenz wird erzeugt durch syntaktische
und semantische Relationen, die wiederum entstehen durch Koreferenzen.
Koreferenzen sind Hinweise, die dem Leser helfen, welche Sätze er wie auf
lokaler Ebene in Relation zueinander setzen muss. 72 Solche Koreferenzen sind
beispielsweise Rekurrenzen, Anaphern, Kataphern, Wörter, die in einer
Inklusions- oder Kontiguitätsrelation stehen usw. Aber auch globale Strategien
des Koreferierens wie die syntaktische Integrationshilfe der Thema-Rhema-
66
Vgl. Mandl u.a. 1994, 172 sowie Groeben 1982, 8 f. und Strohner 1990, 27 f.
67
Vgl. Heinen 2001, 36
68
Vgl. Heinen 2001, 36
69
Vgl. Heinen 2001, 28
70
Vgl. Heinen 2001, 28
71
Vgl. Schnotz 1996, 972
25

Relationen sind da zu nennen. 73 Die globale Textorganisation kann durch
einführende Sätze, zusammenfassende Aussagen, Überschriften, Beispiele usw.
hergestellt werden, die für Sinn erfassendes Lesen und damit für die Lösung der
ersten Aufgaben beider Vergleichsarbeiten sehr wertvoll sind. Alle diese Signale
der Textorganisation und die Verknüpfung mit dem individuellen Wissenskontext
sowie der Lesesituation des Lesers können dazu beitragen, dass die qualitative
Behaltensleistung nach dem Lesen verbessert wird und dass der Leser/die
Leserin eine kohärentere und vernetztere Wissensstruktur aufbaut. 74
Um das Ziel des Lesens zu erreichen, nämlich den Sinn des Textes zu
erschließen, muss der Leser seinen Lesevorgang überprüfen. Metawissen kann
zu planvollem und strategischem Handeln führen. Untersuchungen haben
ergeben, dass sich schlechte von guten Lesern hinsichtlich der Bewusstheit über
die eigenen kognitiven Fähigkeiten (deklaratives Metawissen) und hinsichtlich der
Fähigkeit zum strategischen, aufgaben- und zielbezogenen Lesen (exekutives
Metawissen) unterscheiden. 75 Strategien, das Textverständnis zu vertiefen,
können wiederholtes Lesen, Randnotizen, farbige Markierungen,
Herausschreiben wichtiger Notizen, das Anfertigen von Skizzen etc. sein. 76
Leider sind solche Notizen für die Vergleichsarbeiten nicht erhoben worden, so
dass Lesestrategien nicht berücksichtigt werden können. Wichtig ist aber, dass
mehrfach bestätigt wurde, dass diese Strategien zu einem tieferen Verständnis
des Textes führen.
Schreiben und Wissen
Wissen verändert den Schreibprozess und der Schreibprozess kann Wissen
verändern. Das im Leseprozess durch Modifikation und Induktion gewonnene
Wissen bzw. die gewonnenen Informationen können im Schreibprozess erneut
Modifikation und Induktion erfahren. Dieser Umstand hebt den epistemischen
Charakter des Schreibprozesses hervor. Der Schreibprozess ist im Unterschied
zum Rezeptionsprozess dadurch gekennzeichnet, dass der Schreibende Wissen
über Texte aktiv und ohne Vorlage eines Textes anwenden muss, während der
Leser beim Rezeptionsprozess eine Vorlage hat und damit immer wieder auch im
Verborgenen liegendes Wissen über die Struktur eines Textes extrahieren kann.
Das soll heißen, dass der aktive Leser das Wissen, das er über Textmuster und
72 Vgl. Christmann/Groeben 2001, 157 f.
73 Vgl. Christmann/Groeben 2001, 158 f.
74 Vgl. Christmann/Groeben 2001, 159
75 Vgl. Christmann/Groeben 2001, 200
76 Vgl. Heinen 2001, 49
26

Textorganisation hat, leichter erinnern kann – aufgrund der ihm zur Verfügung
stehenden Vorlage, welche er dann im Idealfall bewusst in den Leseprozess
einbeziehen muss – als ein Schreiber, der diese Vorlage oft nicht hat. Im Falle
der Vergleichsarbeiten hat der Schreiber aber eine Vorlage, nämlich den
Basistext, der zur Lösungsfindung dient. Somit können die Schüler eine
Erleichterung bei der Aufgabenlösung erfahren, wenn sie vorhandenes Wissen
über Textmuster und Textorganisation leichter und schneller erfassen können.
Voraussetzung für diese Leistung ist aber, dass dieses Wissen schon vorhanden
ist, denn allein durch bereichsspezifische Generierungsprozesse kann ein
solches Wissen nicht erinnert bzw. aufgebaut werden. 77 Vielmehr scheint es von
der Schreibfähigkeit bestimmt zu sein, die sich eben durch deklaratives und
routinisiertes
sprachliches Wissen definiert.
Feilke und Augst bieten ein interaktives Modell von Wissenskomponten
an, die den Verlauf der stattfindenden Schreibprozesse beschreiben.
steuernde Ebenen entlasten und Schreibprozesse somit
wesen
78 Darin wird
zwischen dem Konzeptionswissen, dem Realisierungswissen und dem
Routinewissen unterschieden. Das Verhältnis der Wissenskomponenten
zueinander wird von zwei Prinzipien bestimmt: dem Hierarchieprinzip und dem
Entlastungsprinzip. Die Wissenskomponenten folgen einer hierarchischen
Stufung. So bildet das Konzeptionswissen das Fundament, auf dem sich das
Realisierungswissen und danach folgend das Routinewissen ausbilden können.
Der Wissenserwerb durch die drei Stufen erfolgt von bewusstem zu
unbewusstem, routinisiertem Wissen. Wie oben schon angeführt, können
Routinisierungen in Form von prozeduralen Handlungen, wie sie bei
einigermaßen kompetenten Schreibern für die Orthographie, Zeichensetzung
usw. stattfinden, höhere
tlich erleichtern.
Nach Feilke/Augst umfasst Konzeptionswissen das Wissen über
allgemeine Kommunikationsnormen und das Weltwissen. Zum
Realisierungswissen gehören das linguistische Makrostrukturwissen
(Planungstechniken, Textsortenwissen, Kohärenzprinzipien) und das
linguistische Mikrostrukturwissen (Kohäsionstechniken, Syntax, Lexik,
Formulierung). Mit der Ausweitung des Weltwissens und dem Komplexerwerden
seiner internen Beziehungen werden zunehmend verstärkte Anforderungen an
linguistische Fähigkeiten gestellt. Denn vor allem komplexe Problembereiche
sind schwer zu formulieren, weil sie sich innerhalb der Linearität der
77 vgl. Eigler 1990 u.a., 229
27

geschriebenen Sprache bewegen müssen. Aus diesem Grund müssen
Schreibende mit einem hohen Wissenshintergrund aufwendigere syntaktische
Kohäsionen und lexikalische Differenzierungen leisten. In einem sehr engen
Bezug zum Konzeptionswissen steht das makrostrukturelle Realisierungswissen,
also das Wissen um allgemeine Prinzipien der Organisation ganzer Texte, weil
sich in der Makrostruktur das Wissen über allgemeine Kommunikationsnormen
am stärksten niederschlägt. „Die Differenzierung dieses Wissensbereiches ist der
unmittelbare Ausdruck der sozial-kognitiven Entwicklung des Schreiberwissens
[...].” 79 Das Wissen um die linguistische Makrostruktur steigt mit wachsender
Schreiberfahrung, denn die Lösung makrostruktureller Ordnungsprobleme
verlangt eine enorme schriftsprachliche Bewusstheit vom Schreiber. Auf der
Ebene des Routinewissens finden all jene Prozesse statt, die beim Schreiben
nicht mehr bewusst eingesetzt werden müssen wie Schreibmotorik, Schreibung
und Interpunktion sowie literale Routinen. 80 Diese Überlegungen zu mikro- und
makrostrukturellem Wissen sind für die Analyse der Vergleichsarbeiten im dritten
Teil dieser Arbeit bedeutend, denn gerade sprachliches Wissen im Hinblick auf
makrostrukturelle Operationen wie Einleitung, Hauptteil und Schluss, die für
bestimmte schulische Textsorten wie Erzählung und Erörterung kennzeichnend
sind, mussten von den Schülern geleistet werden. Aber auch sprachliche
Wissensleistungen zur Mikrostruktur von Texten werden in der empirischen
Untersuchung zu den Vergleichsarbeiten vor allem bezüglich der Verknüpfung
von Propositionen mittels bestimmter sprachlicher Mittel im dritten Teil der Arbeit
aufgegriffen und diskutiert.
Eine umfangreiche empirische Studie zu Wissen und Textproduktion hat
die Freiburger Gruppe um Gunther Eigler vorgelegt. 81 Sie präsentieren
Ergebnisse zu folgenden Fragen: Wie wirkt Wissen auf Schreiben? Wie wirkt
Textproduzieren auf Schreiben zurück? Die zweite Frage ist wichtig für die
fortlaufende Aufgabenstruktur der Vergleichsarbeiten, welche vom Schüler
verlangte, das durch Lesen und Schreiben extrahierte Wissen in jeder
Schreibaufgabe aufzubauen bzw. höher graduiert zu generieren und zu
produzieren. Bei der Studie von Eigler u.a. wurde nur das für den Inhalt des
Textes bestimmende bereichsspezifische Wissen thematisiert.
78
Vgl. Feilke/Augst 1989, 301 ff.
79
Feilke/Augst 1989, 305
80
Bei dieser Beschreibung wird ein kompetenter, das heißt erfahrener Schreiber
vorausgesetzt.
81
Vgl. Eigler u.a.
1990
28

Durch die Analyse von Fallstudien kommen Eigler u.a. zu folgenden
Ergebnissen:
Insgesamt können zwei unterschiedliche Entwicklungsformen der
Repräsentation des Sachverhaltes und damit des Wissens beobachtet
werden. Auf der einen Seite eine Weiterentwicklung bereits produzierter
Inhalte. Diese Weiterentwicklung kann unterschiedliche Formen
annehmen: etwa ein Erweitern, indem eine differenziertere Darstellung
verschiedener Punkte erfolgt oder aber nur ein Punkt herausgegriffen und
stärker ausgearbeitet wird, was dann zu einer Verlagerung der
inhaltlichen Schwerpunkte führt. Eine andere Form der Weiterentwicklung
betrifft die Strukturierung bereits produzierter
Inhalte, bei der etwa bisher
unverbundene Aspekte zueinander in Beziehung gesetzt werden. Beide
Formen der Weiterentwicklung wurden als Hinweis auf Klärungsprozesse
im zugrundeliegenden Wissen gewertet.
Andererseits zeigte sich in einigen Fällen, daß [...] beim Schreiben jeweils
anderes Wissen aktiviert und aktualisiert wurde. Dies wurde als Hinweis
auf einen Wechsel der Repräsentation interpretiert. 82
Diese
beiden Formen der Wissensentwicklung können in ein und demselben
Textproduktionsprozess auf unterschiedliche Textteile bezogen sein.
Zur
ersten Fragestellung (Wie wirkt Wissen auf Schreiben?) kommen Eigler u.a.
zu folgenden
Ergebnissen:
Versuchspersonen, die zuvor Informationstexte zum weiteren
Themenbereich gelesen hatten, produzieren nicht nur längere Texte und
darin mehr themabezogene, eng-themabezogene und argumentative
Aussagen, sondern auch Texte mit einem höheren Differenzierungsgrad,
größerer horizontaler Entwicklung und größerer maximaler Tiefe. Dabei
kommen die längeren Texte dadurch zustande, daß im Zuge der
horizontalen Textentwicklung mehr Inhalte und im Zuge der vertikalen
Textentwicklung diese differenzierter dargestellt werden. Demgegenüber
zeigen sich keine Wirkungen des unterschiedlichen Wissens auf die
sprachliche Ausarbeitung der Texte: sowohl der Umgang mit
Aussagenketten (ein Merkmal der Inhaltsstruktur der Texte) als auch die
kohäsiven Verknüpfungen (ein Merkmal der sprachlichen Struktur der
Texte) scheinen von der Schreibfähigkeit bestimmt zu sein, jedenfalls
nicht vom bereichsspezifischen Wissen des Textproduzenten. 83
Hier wird bestätigt, dass bei Schreibanlässen eingesetzte Informationstexte zu
mehr und differenzierteren Inhalten führen können, was für die
Vergleichsarbeiten
ein wichtiger Faktor ist, da der Aufbau bereichsspezifischen
Wissens über solche Vorgabetexte geschehen soll.
82 Eigler u.a. 1990, 227
83 Eigler u.a. 1990, 229
29

Die Ergebnisse zur zweiten Fragestellung (Wie wirkt Textproduzieren auf Wissen
zurück?)
sind vielfältiger:
i em Arbeiten am Text um eine Klärung des
Sachverhaltes bemüht [...]. 84
Jedenfalls kann aufgrund der Ergebnisse der experimentellen
Untersuchung nicht von tiefergreifenden epistemischen Effekten des
Textproduzierens überhaupt ausgegangen werden. [...] Es ist vielmehr
anzunehmen, daß tiefergreifende Effekte – wie sie vielfach und
glaubwürdig beschrieben wurden und werden – nur auftreten, wenn das
Textproduzieren von ganz bestimmten Intentionen geleitet wird: wenn der
Textproduzent ohne Zeitvorgaben von außen an dem Text arbeitet, um
ihm eine in sich geschlossene und überzeugende Gestalt zu geben,
oder/und wenn er sich in d es
iterhin festgehalten und mit Hilfe der Vergleichsarbeiten
untersu
extsorten wie den apellativen
ext oder den Lehrtext oder den fiktionalen Text. 87
Das Zitat gibt Auskunft über eine nichtvorhandene epistemische Funktion des
Schreibens im schulischen Bereich, denn gerade hier und in Klausuren geschieht
Schreiben in einem zeitlichen Rahmen. Deshalb ist es von sehr entscheidender
Bedeutung, welche Einstellung ein Textproduzent zum Textproduzieren hat. 85 Im
schulischen Zusammenhang, der für diese Arbeit aufgrund der
Vergleichsarbeiten ein wichtiger Faktor ist, besteht häufig die Gefahr, dass
Schüler sich der Schreibaufgabe entledigen wollen und sie somit nicht die
Chance nutzen, sich durch das Textproduzieren einen Sachverhalt anzueignen. 86
Allerdings kann die Schreibaufgabe Motivation fördern und, wie in diesem Fall,
kann die Komposition der Schreibaufgaben die epistemische Funktion des
Schreibens zumindest in den inhaltlichen Grenzen des bereitgestellten
Schreibthemas entwickeln. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Schüler
bereichsspezifisches Wissen aufbauen. Daher soll am epistemischen Charakter
des Schreibens we
cht werden.
Zur Studie von Eigler u.a. muss überdies gesagt werden, dass nur eine
Textsorte thematisiert wurde, der expositorische Text, und sich die Ergebnisse
nicht ohne Weiteres übertragen lassen auf andere T
T
Ob, wie und wieviel Wissen erworben, organisiert und wiedergegeben werden
kann, hängt nicht nur ab von der kognitiven Struktur eines Lesers und
84 Eigler u.a. 1990, 230
85 Vgl. Eigler u.a. 1990, 229 f.
86 Vgl. Eigler u.a. 1990, 230
87 Vgl. Eigler u.a. 1990, 228
30

Schreibers, sondern auch wesentlich von der Schreib- und Lesesituation (Ort,
Zeit, Lärm etc.), der Einstellung des Textrezipienten- und produzenten und seine
Intention. Aber auch der Einfluss der Schreibaufgabe sowie die Art und Weise,
wie der Text beschaffen ist, wie beispielsweise durch textsortenspezifische
Merkmale, ist ausschlaggebend für die Verarbeitung von Wissen. Den Textsorten
wird
im nächsten Punkt besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
3.
Textsortenkompetenz – Erzählung und Argumentation
Textsorten spielen in der empirischen Untersuchung der Vergleichsarbeiten eine
tragende Rolle, denn es soll untersucht werden, welchen Einfluss schulische
Textsorten auf die Leistungen in der Textproduktion und somit auf das
Schreibprodukt ausüben. Zunächst soll die Wichtigkeit der Textsorten für den
Lese- und Schreibprozess hervorgehoben werden. Dann wird näher auf die
Diskussion zur Textsortenproblematik in der Didaktik, speziell der
Schreibforschung, eingegangen. In den letzten beiden großen Unterpunkten
werden die wesentlichen Merkmale narrativer und argumentativer
Verfahrensmuster beleuchtet und wie diese im Lese- und Schreibprozess zum
Tragen kommen. Abschließend wird in einem Exkurs das Thema der
Bildverarbeitung gestreift, weil die Schüler in der Klausur von 2001 auch
einen
Cartoon
und eine Tabelle rezipieren und schriftlich verarbeiten sollten.
Wichtigkeit der Textsorten für die Textrezeption und Textproduktion
Textsorten werden verstanden als komplexe Muster sprachlicher
Kommunikation. 88 Sie sind „konventionell geltende Muster für komplexe
sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von
kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen
(grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. [...] [S]ie besitzen
zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen
Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste
Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ 89
Textproduktion und Textrezeption erfolgen also im Rahmen von Textsorten. Weil
Textsorten einen so großen Einfluss auf das Lesen und Schreiben von Texten
88 Vgl. Brinker 1992, 126
89 Brinker 1992, 132
31

haben, ist eine Beleuchtung des Gegenstandes Textsorten im Hinblick auf die
empirische Untersuchung der Vergleichsarbeiten von grundlegender Bedeutung.
Denn vor allem die schulischen Textsorten wie Schulerzählung und Erörterung
nehmen einen wichtigen Platz ein, da sie in beiden Vergleichsarbeiten durch die
Vorgabetexte repräsentiert werden, welche, wie schon erwähnt, für die Lösung
der Aufgaben gelesen und ihre Informationen schriftlich verarbeitet werden
mussten. Im folgenden Unterpunkt wird deshalb auf didaktische Überlegungen zu
schulischen
Textsorten eingegangen.
c) die Argumentation. 90 In
dieser
eshalb wird in der Didaktik der sogenannte Begriff der
Textmu
zum Begriff des Handlungsmusters gesehen. 94 Aus Sicht der Didaktik
In der Didaktik gibt es zur Texttypologie viele kritische Stimmen. Insgesamt
werden drei Hauptfunktionstypen bzw. drei komplexe Verfahrensmuster
differenziert: a) die Narration, b) die Deskription und
Unterscheidung ist man sich weitgehend einig.
Vor allem in der Schreibforschung und weniger in der
Rezeptionsforschung ist die Diskussion um Textsorten stark.
Sprachwissenschaftliche Ansätze für die Differenzierung und
Merkmalsbestimmung von Textsorten bieten der Aufsatzdidaktik nur einige
Anhaltspunkte.
Textsorten sollten nicht zur Norm
91 So gewinnt man aus textinternen Untersuchungen Aufschlüsse
darüber, welche sprachlichen Eigenschaften in welchen Textsorten besonders
häufig auftreten. Textexterne Untersuchungen helfen zu zeigen, welche
Textsorten in einer Schriftkultur von Bedeutung sind. 92 Aber die Gewinnung von
Lehrzielen geht aus solchen Ansätzen kaum hervor. Ein großes Problem
sprachwissenschaftlicher Texttypologien ist, dass sie normative Setzungen sind,
was für die Didaktik, die einen genetischen Zugang zum Lernenden sucht, ein
Hindernis darstellt. D
ster begrüßt.
Textmuster sind „kulturell erarbeitete und etablierte Muster der
Textgestaltung, die zwar nicht unabhängig von Textsorten zu sehen sind, aber
innerhalb ein und derselben Textsorte überindividuell gültige
Gestaltungsvarianten festlegen“ 93 . Der Begriff Textmuster wird in der Parallele
90
Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 237 sowie Feilke 2003, 183
91
Vgl. Haueis 2003, 230 f.
92
Vgl. Haueis 2003, 231 f.
93
Haueis 2003, 231
94
Vgl. Haueis 2003, 231
32

werden, sondern ein Gestaltungs- und Entlastungsmittel sein, um
Lösungsmöglichkeiten für Schreibprobleme aufzuzeigen. 95
So wird unter anderem auch das curriculare Konzept in seiner
didaktischen Reduktion und Elementarisierung kritisiert. 96 Sobald eine bestimmte
Textsorte, die als integrierendes und unterstützendes Element für eine bestimmte
Aufgabe steht (z.B. die Bildergeschichte für einen Aufsatz), im Lehrplan zum
verbindlichen Inhalt wird, wird diese Textsorte nicht mehr als eine Unterstützung
zur Aufsatzarbeit, sondern losgelöst als eigenständige, zu vermittelnde Textsorte
gesehen. Damit geht aber der ursprüngliche Sinn, die Bildergeschichte bzw. eine
Textsorte als unterstützendes Element zur besseren Vermittlung einzusetzen,
verloren. 97 „Der Erwerb eines Erzählmusters im Sinne einer story grammar ist ein
sinnvolles curriculares Ziel, aber kein konkretes Schreibziel [...], schon gar nicht
kann es ein Handlungsziel des Schreibenden sein." 98 Textsorten sind bewährte
Muster. Sie sollten kein konkretes Schreibziel im Unterricht darstellen dürfen, weil
dann die eigentliche Funktion, die Entlastungsfunktion, verloren geht. Ähnlich
versteht das auch Schneuwly: „[M]an kann Textarten als komplexe
Produktionsmittel, als Systeme von Werkzeugen verschiedenen Niveaus
(Schneuwly 1994a) verstehen." 99
Eine weitere Aussage unterstützt die Funktion von Textmustern als
Handlungsstrategien: „Textarten [...] [sind] Grundmuster sprachlichen Handelns
für bestimmte Situationen. Sie ,organisieren unser Schreiben und Sprechen in
gleicher Weise wie grammatikalische Formen es tun.‘ (Bakhtine 1984, S. 285)
Sie sind zwar flexibel, können an die jeweilige konkrete Situation angepasst
werden, sind zugleich aber auch stabil: sie bestimmen, was sagbar ist; sie sind
nach gewissen Prinzipien gebaut, die historisch geworden sind und den Bezug
zum Empfänger bestimmen; sie sind schliesslich durch einen Stil charakterisiert,
das heisst durch eine spezifische Auswahl sprachlicher Mittel, um einen Text zu
realisieren.“ 100
Die Eigenschaften von Textsorten wie Stabilität und Flexibilität sind gute
Voraussetzungen für didaktische Überlegungen im Hinblick auf
Problemlösestrategien. Denn stabile aber dennoch flexible Muster können als
sogenannte „Werkzeuge“ den Denkprozess unterstützen. Schneuwly bindet in
95
Vgl. Haueis 2003, 231 ff. sowie Ossner 1995, 42
96
Vgl. Ossner 1995, 35
97
Vgl. Ossner 1995, 35
98
Ossner 1995, 38
99
Schneuwly 1996, 30
100
Schneuwly 1996, 30
33

seinen Artikel den Aspekt der Textarten als kommunikative Parameter des
Problemlösens ein. Er möchte, dass Schule diesen Aspekt nicht ausklammert,
denn gerade die Arbeit mit Textsorten ermöglicht eine gute, strukturierte und
gegliederte Arbeit mit Texten. 101
In den Lehrplänen unterliegen die Textsorten hingegen einer starren
Definition und einer vorgegebenen Reihenfolge, wann sie erlernt werden sollen.
Die Reihenfolge „ist einseitig, normativ und verkennt die geistigen und (schrift-)
sprachlichen Fähigkeiten von Heranwachsenden“. 102 In dem hier kritisierten
Ersetzungsmodell wird davon ausgegangen, dass ein Kind zuerst erzählen, dann
beschreiben, berichten, schildern und zuletzt erörtern lernt. 103 Voraussetzungen
für diese Denkart sind, dass das Schreiben von Aufsätzen ausschließlich mit
Hilfe von Aufsatzformen erlernt wird. Unterschieden werden fünf Grundformen:
Erzählung und Bericht, Beschreibung, Schilderung und Erörterung. Die
Grundformen sind genau definiert: So beziehen sich Bericht und Erzählung auf
zeitliche Vorgänge; die Beschreibung und Schilderung auf räumliche
Verhältnisse und die Erörterung hat den Sachbezug als Gegenstand. 104 Weil es
aber durch die sehr genaue Definition dieser Grundformen eine sehr große
inhaltliche Ferne zwischen den Begriffen gibt, ergibt sich automatisch eine
Polarisierung der Begriffe, die künstlich wirkt. Das ist ein Problem, weil die
Textsorten nicht den Ansprüchen der Realität entsprechen. Hinzu kommt, dass
die großen zeitlichen Abstände zwischen dem Erlernen der Grundformen, die
sich durch die curriculare Stufung ergeben, es dem Schüler so gut wie gar nicht
ermöglichen, diese Formen miteinander zu verknüpfen. 105 Wissenselaboration
kann nicht geschehen und infolgedessen wird der Werkzeugcharakter bzw. die
zu wünschende Entlastungsfunktion von Textsorten unwirksam.
Für die Vergleichsarbeiten ist die beschriebene Diskrepanz zwischen
Anspruch und Wirklichkeit des schulischen Einsatzes von Textsorten von
zentraler Bedeutung. Denn diese Diskrepanz wird für die Vergleichsarbeiten nicht
aufgehoben, sondern durch die zentrale Stellung des Textes und der mit diesem
jeweils verbundenen Textsorte sogar forciert, da angenommen werden muss,
dass dieser problematische schulische Umgang mit den Textsorten auch in den
untersuchten Schulen vorfindlich ist.
101
Vgl. Schneuwly 1996, 32 f.
102
Baurmann 1995, 54
103
Vgl. Ludwig 1990, 10 f. sowie Feilke 2002, 12 f.
104
Vgl. Ludwig 1990, 10 f. sowie Haueis 2003, 227 ff.
105
Vgl. Ludwig 1990, 11
34

Im Folgenden sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Erzählung und
einer Argumentation herausgearbeitet. Beide Textformen werden in Bezug
gesetzt zum Lesen und Schreiben.
3.1 Erzählung
Allgemeines
Vorausschickend ist zu erwähnen, dass hier das Erzählen als schulisches
Erzählen verstanden wird, womit das Erzählen als eine Textsorte gemeint ist.
Schulerzählungen sind keine literarischen Erzählungen und keine
Alltagserzählungen, obwohl sie Merkmale von beiden aufweisen. 106 Der Grund
für diese spezielle Eingrenzung in dieser Arbeit liegt im strukturellen Aufbau der
Vergleichsarbeit 2002 und des ihr zugrundeliegenden Basistextes, welcher einen
fiktionalen Text darstellt. Dabei handelt es sich um einen Ratekrimi, dessen
Einsatz im schulischen Kontext bereits erfolgreiche Effekte hinsichtlich der
Arbeitsmotivation sowie der Bearbeitung solcher Texte erzielen konnte. Der
Ratekrimi ist eine besondere Form der Schulerzählung, weil es sich hierbei um
einen unvollständigen Text handelt, der zu Ende gedacht und geschrieben
werden soll. Die Rekonstruktion des unvollständigen Textes durch die Schüler
sollte an die wesentlichen Handlungseigenschaften des Originaltextes
anknüpfen.
In der Erzählforschung wurden verschiedene Strukturmodelle zur
Definition und Merkmalsbestimmung narrativer Texte vorgelegt. 107 Zu nennen
wären da Rumelharts „story grammars“, van Dijks „Superstruktur“ und Quasthoffs
„Relationsstruktur“. 108 Alle diese Modelle erheben den Anspruch, die kognitive
Repräsentation der narrativen Struktur abzubilden. Bis auf das Modell von
Quasthoff, orientieren sich die Modelle an den Prozessen des Verstehens. 109
Boueke u.a. haben diese Modelle zu einem komprimiert und kommen zur
Schlussfolgerung, dass ein narrativer Text gekennzeichnet ist durch folgende
Merkmale:
- alle für die Darstellung relevanten Ereignisse müssen in einem Text
vorkommen;
106 Vgl. Knapp 1997, 62
107 Vgl. Boueke u.a. 1995, 68
108 Vgl. Boueke u.a. 1995, 68 ff.
35

- die Linearisierung dieser Ereignisse zu kohärenten Ereignisfolgen
muss erkennbar sein;
- die Etablierung eines – die „Erzählwürdigkeit“ begründenden –
„Bruchs“ der eigentlich zu erwartenden Ereignisverläufe muss erfolgt
sein und
- die emotionale Qualifizierung der dadurch zustande gekommenen
Ereignisfolgen muss gelungen sein. 110
Von diesen vier Punkten sind in der Vergleichsarbeit drei statistisch erfasst
worden. Das ist zunächst der Punkt „relevante Ereignisse“, für den die Variablen
„Tätererkennung“ und „Ortswechsel“ erhoben wurden. Des Weiteren wird das
Merkmal der „Kohärenz“ durch die Variable „logische Folge“ wiedergegeben.
Auch das Merkmal „Emotionalität“ wurde in die Daten der Vergleichsarbeit 2002
aufgenommen, Es wird durch die Variable „Figurentwicklung“ repräsentiert.
Hingegen wurde bei der Datenaufbereitung für die Vergleichsarbeit 2002 keine
Variable zur Etablierung eines „Bruchs“ entwickelt, da schon ein „Bruch“ im
Originaltext vorhanden ist und die Schüler an diesen nur ihre Fortsetzung
anzuknüpfen brauchten. Auf diesen erzähltheoretischen Voraussetzungen
basiert die globale Struktur von Texten, die bei Schülein u.a. folgende
Konstituenten enthält: „Exposition“, „Komplikation“, „Auflösung“ und „Affekt-
Markierungen“ sowie „Setting“, „Episode“, „Abschluss“ und „Ereignisstruktur“ und
schließlich „Ereignisfolgen“ und „Ereignisse“. 111 Vor allem der Ereignisstruktur
und der Affektstruktur messen die Autoren besondere Bedeutung bei, weil sich
an ihnen die globale Struktur der produzierten Geschichten besonders gut
nachweisen lässt. 112 Die Ereignisstruktur wird markiert durch den Wechsel von
Aktanten, Handlungsorten und Handlungszeitpunkten sowie den Wechsel von
neuen internen und externen Ereignisbedingungen. Markierungen der
Affektstruktur sind solche, die die emotionale Valenz der Ereignisse anzeigen
und solche, die die Plötzlichkeit des Wechsels der kontrastierenden
Ereignisfolgen hervorheben. 113 Die Konstituenten „Ereignisstruktur“ und
„Affektstruktur“ wurden bei der Datenerhebung der Vergleichsarbeit 2002 im
Gegensatz zu den anderen Konstituenten verstärkt beachtet und werden in
dieser Untersuchung auch wiedergeben, inwiefern narrative Strukturmuster von
den Schülern gebildet wurden.
109 Vgl. Boueke u.a. 1995, 73
110 Boueke u.a. 1995, 75
111 Vgl. Schülein u.a. 1995, 245 f.
112 Vgl. Schülein u.a. 1995, 255
113 Vgl. Schülein u.a. 1995, 255
36

Rezeptionsforschung
In der Textrezeptionsforschung wird unterschieden zwischen pragmatischen und
literarischen Texten. 114 Diese Differenzierung ist insofern von Bedeutung, da sie
die Rezeption und Wirkung von Texten durch/auf den Rezipienten so besser und
übersichtlicher darstellen kann. Zwischen der Konzeptualisierung für literarische
und pragmatische Texte gibt es hinsichtlich der Textrezeption aber trotzdem eine
ganze Reihe von Gemeinsamkeiten, denn die Verarbeitung/das Verstehen beider
Texttypen verlangt in erster Linie die gleichen Teilprozesse. 115 Dennoch sind
funktionale Unterschiede zwischen beiden Textformen auszumachen. So
beziehen sich expositorische Texte auf einen Gegenstand außerhalb ihres
Bereiches, während fiktionale Texte ihren eigenen Gegenstand herstellen. 116 Ein
ganz herausragendes Merkmal fiktiver Texte ist das ihnen zugrundeliegende
Imaginäre. 117
Komplexe Strategiemuster, wie sie eingangs schon erwähnt wurden, sind
das Ergebnis von Erfahrungswerten vieler Generationen. 118 Voraussetzung für
erfolgreiches Kommunizieren ist die Fähigkeit zur Aktivierung solcher
Strategiemuster. Narrative Strategiemuster sind gekennzeichnet durch eine
„chronologische Aufgliederung von Ketten illokutiver Handlungen, die
zusammengenommen ein Ereignis repräsentieren im Sinne einer zeitlichen
Abfolge“ 119 . Untersuchungen zum schriftlichen Erzählerwerb haben ergeben,
dass ab einem Alter von etwa 10 Jahren das globalstrukturelle Schema für
Erzählungen ausgebaut ist. 120 Leser der neunten Klasse, wie sie mit Hilfe der
Vergleichsarbeiten untersucht wurden, werden daher narrative globale Muster
bzw. Strukturierungsschemata erkennen und verstehen können. Beim
Rezipienten lösen solche Muster spezifische Erwartungen hinsichtlich der Form,
des Inhalts und des Anspruchs aus. 121 Denn narrative Muster lassen sich im
Hinblick auf spezifische Textsorten differenzieren: So können beispielsweise
Märchen, persönliche Erfahrungen oder, wie in diesem Fall, Kriminalgeschichten
unterschieden werden.
114 Vgl. Groeben/Vorderer 1988, 193
115 Vgl. Groeben/Vorderer 1988, 192
116 Vgl. Aust 2003, 530
117 Vgl. Aust 2003, 530
118 Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, 237
119 Heinemann/Viehweger 1991, 237
120 Vgl. Feilke 2003, 185 sowie Schülein u.a. 1995, 265
121 Vgl. Hoffmann 1984, 204
37

Schreibforschung
In der Schreibforschung spielen schriftliche Erzählungen eine wichtige Rolle. 122
Daher haben beide Forschungsgebiete mit sich überschneidenden
Gegenstandsbereichen zu tun. So gibt es in beiden Disziplinen ein deutliches
Interesse an kognitiven Problemen. 123 Im Sinne dieser Arbeit ist das Erzählen
von Geschichten als problemlösendes Verhalten zu betrachten, da das
Schreiben einer Fortsetzungsgeschichte, so wie es in einer Aufgabe in der
Vergleichsarbeit von 2002 verlangt wird, durch zweckorientiertes Handeln und im
engen bereichsspezifischen Rahmen durch epistemisches Schreiben, impliziert
durch die Aufgabenstruktur, erfolgte.
Das Schreiben von Erzählungen verlangt vom Produzenten die Fähigkeit,
narrative Muster innerhalb der Schreibsituation zu aktivieren. Um dies zu
gewährleisten, müssen grundsätzliche schriftsprachliche Fähigkeiten
vorausgesetzt werden. „Schriftlich-konzeptuale Fähigkeit ist die Beherrschung
genau der sprachlichen Formen, die für eine maximal kontextentbundene 124
Verständigung vorausgesetzt werden müssen. Wenn damit erstens [...] ein
notwendiges Ideal umschrieben ist, dann ist schriftlich-konzeptuale Fähigkeit
zweitens pragmatisch als die Fähigkeit zu bestimmen, den Text im Hinblick auf
und unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren – d. h. kommunikationsadäquat
– zu konzipieren.“ 125
Lange wurde kein expliziter Unterschied zwischen mündlichem und
schriftlichem Erzählen gemacht, so dass schriftliches Erzählen aus dem
Mündlichen hergeleitet war. 126 Im Gegensatz zum mündlichen ist das schriftliche
Erzählen in andere situative Gegebenheiten einzubetten und erfordert eben jene
schriftlich-konzeptuale Fähigkeit. Von Interesse ist hier das schriftliche Erzählen,
weil die Schüler in der Klausur von 2002 eine Fortsetzung schreiben und nicht
mündlich entwickeln sollten.
Boueke u.a. haben für das schriftliche Erzählen von Geschichten vier
verschiedene Typen der Ereignisdarstellung entwickelt. 127 Ihnen können die
Fortsetzungsgeschichten von Schülern der Vergleichsarbeit von 2002 aufgrund
bestimmter Merkmale zugeordnet werden.
122
Vgl. Antos 1992, 196
123
Vgl. Antos 1992, 194
124
Eine ideale Form der kontextgebundenen Verständigung ist beispielsweise die faceto-face-
Kommunikation.
125
Feilke 2003, 180
126
Vgl. Feilke 2002, 13 sowie Knapp 1997, 61 f.
38

So liegt der Texttyp „isolierte Ereignisdarstellung“ dann vor, wenn
zwischen den einzelnen Ereignissen keine inhaltliche Verbindung erkennbar ist.
Dieser Texttyp kann in der empirischen Untersuchung zur Klausur von 2002
durch die Variable „logische Folge“ definiert werden.
Bei einer „linearen Ereignisdarstellung“ sind die Ereignisse inhaltlich
miteinander verbunden und durch additive oder temporale Konnektoren
verknüpft. Solche Ereignisfolgen können für die Fortsetzungsgeschichten der
Schüler durch die Variablen „logische Folge“ und „temporale Folge“ und durch
die Variable „Verwendung von Konnektoren“ kenntlich gemacht werden. Das für
diesen Texttyp weitere Merkmal der „gleichwertigen Aneinanderreihung der
einzelnen Ereignisse, so dass sich die Ereignisse nicht voneinander abheben,
kann nicht nachvollzogen werden, weil dafür keine passende Variable in der
Datengrundlage von 2002 existiert.
Die dritte Form ist die sogenannte „strukturierte Ereignisdarstellung“, die
neben den für die „lineare Ereignisdarstellung“ genannten Merkmalen, eine
ausgebildete Episode zur Bedingung hat. Das bedeutet, dass innerhalb der
dargestellten Ereignisfolgen ein Ereignis erkennbar sein muss, welches das
weitere Geschehen auslöst und entsprechend markiert (beispielsweise mit dem
Adverb „plötzlich“), so dass es einen gegenüber den Anfangsereignissen neuen
Zustand darstellt. Für diese Ereignisdarstellung gibt es in der Datenmatrix der
Vergleichsarbeit 2002 die Variable „Tätererkennung“, mit der ein neues Ereignis,
das anknüpft an einem aus dem Originaltext, abbildet werden kann.
Die „narrativ strukturierte Ereignisdarstellung“ ist die vierte Form, die
mindestens das Vorhandensein einer Komplikation zur Bedingung hat. Denn ihr
können Fortsetzungsgeschichten von Schülern zugeordnet werden, sofern sie
dieses Muster aufweisen. Das Merkmal Komplikation kann für die
Vergleichsarbeit durch die Variable „erklärte Folge“ und „Tätererkennung“
repräsentiert werden. Weiterhin sind die narrativen Merkmale Setting und
Abschluss der Geschichte mit der Datenmatrix erfasst, wobei das Setting für den
Fall der Vergleichsarbeit in dem Maße modifiziert wird, als dass der Übergang
von der Originalgeschichte zur Fortsetzung als vorhanden bzw. nicht vorhanden
dargestellt wird und die Einbindung von Figuren in die Handlung und die
Verortung der Handlung nicht berücksichtigt werden. Neben diesen
Eigenschaften zählen zur narrativ strukturierten Ereignisfolge auch „affektive
Markierungen“, die durch plötzliche Wechsel kontrastierende Ereignisfolgen
127 Vgl. Boueke u.a. 1995, 130 f.
39

erzeugen und gekennzeichnet sind durch emotionale Valenz. Bei der
Aufbereitung der Daten für die Vergleichsarbeit von 2002 wurden keine Daten
zur „Plötzlichkeit“ aufgenommen. Jedoch kann die emotionale Valenz greifbar
gemacht werden mit Hilfe der Variablen „Figurdarstellung“ und
„Dialogverwendung“. Die narrativ strukturierte Ereignisdarstellung ist die am
höchsten entwickelte. Das bedeutet, dass die Entwicklung dieser Texttypen sich
vom „isolierten“ über den „linearen“ und „strukturierten“ zum „narrativ
strukturierten“ Typ vollzieht. 128 Kinder im Alter von 5 Jahren realisieren
überwiegend den „isolierten“ und „linearen“ Typ, die 7jährigen den „linearen“ und
den „strukturierten“ und die 9jährigen überwiegend den „strukturierten“ und
„narrativ strukturierten“ Typ. Mit etwa 10 Jahren werden also Geschichten mit
narrativ strukturierten Ereignisdarstellungen produziert. Daher kann für die
Schüler der Vergleichsarbeit 2002 angenommen werden, dass sie ihre
Fortsetzungsgeschichten im Sinne einer solchen Ereignisdarstellung verfasst
haben.
Nicht alle vier Texttypen können in der empirischen Untersuchung im
dritten Teil der Arbeit berücksichtigt werden, weil die Datengrundlage der
Vergleichsarbeit von 2002 nicht absolut identisch mit der Erzähltheorie von
Boueke u.a. ist. Dennoch können die Fortsetzungsgeschichten der Schüler
mindestens drei Texttypen zugeordnet werden. Dabei handelt es sich um die
“isolierte”, die “lineare” sowie die “narrativ strukturierte Ereignisdarstellung”,
wobei die “narrativ strukturierte Ereignisdarstellung” laut Boueke u.a. die zu
erwartende bei den Schülern der neunten Jahrgänge ist. Diese Darstellungen
müssen jeweils kleine Modifikationen erfahren, um sie an die Daten der
Vergleichsarbeit anzupassen. Bereits in der Einleitung wurden die Gründe
eventueller Modifikationen theoretischer Grundlagen mit der Entstehung der
Vergleichsarbeiten aus der schulischen Alltagspraxis begündet. Nur so ist es
möglich, die Empirie an eine Theorie zu binden.
Trotz narrativer Elemente im Ratekrimi, verlangte dieser von den Schülern auch
argumentative Folgerichtigkeit. Denn neben dem Erzählen einer Geschichte
mussten die Schüler noch argumentieren, warum es einen
Versicherungsbetrüger geben muss sowie beweisen, wer es ist und warum nur
diese Person der Versicherungsbetrüger sein kann. Somit fließen narrative und
argumentative Gestaltungsmittel ineinander. Welche Merkmale argumentative
128 Vgl. Boueke u.a. 1995, 191
40

Texte aufweisen und wie die Schreibforschung sich mit dem Thema
Argumentation auseinandersetzt, wird im nächsten Punkt erläutert.
3.2 Argumentation
Allgemeines
Die Argumentation ist ebenso wie das Erzählen einer Geschichte als sprachliche
Handlung aufzufassen. Dabei wird für diese Arbeit speziell die schulische
Textsorte Erörterung thematisiert.
Argumentation als komplexes Verfahrensmuster ist „abwägendes und auf
Schlußfolgerungen zielendes Miteinander-in-Beziehung-Setzen von illokutiven
Handlungseinheiten zur Begründung von Behauptungen“ 129 . Sie haben
sachverhaltskonstituierenden Charakter. 130 Zum einen müssen die Argumente
folgerichtig, relevant und haltbar sein. Andererseits geht es darum, den
Adressaten zu überzeugen.
Oft sind argumentative Texte nicht als solche zu erkennen, weil sie durch
makrostrukturelle Prinzipien narrativer, expositorischer und ästhetisch motivierter
Art mitgestaltet werden können. 131 Deshalb sind Argumentationen in ihrer
Struktur sehr offen und vermutlich aus diesem Grund als schwierige Textsorte
eingestuft. 132
Rezeptionsforschung
Argumentative Texte zählen zu den pragmatischen Texten. Ebenso wie beim
Lesen von Erzählungen müssen für das Verstehen von argumentativen Texten
komplexe inferenzielle Prozesse vorausgesetzt werden. Ein Leser muss
deduktive 133 und abduktive 134 Schlüsse vollziehen, will er Textzusammenhänge
erschließen. Das funktioniert, wenn der Leser Wissen bzw. eine Theorie um
konventionalisierte Aspekte des Argumentierens hat. 135 So muss ein Leser in
einem Text vorkommende argumentationslogische Unterschiede, die begründet
129
Heinemann/Viehweger 1991, 237
130
Vgl. Feilke 2003, 188
131
Vgl. Feilke/Augst 1989, 316 sowie Feilke 2003, 188
132
Vgl. Feilke 2003, 188
133
Beispiel für deduktive Schlüsse: Wenn es donnert, dann wird es ein Gewitter geben.
134
Beispiel für abduktive Schlüsse: Max ist krank, da er die Symptome Kopfschmerzen
und Fieber zeigt.
135
Vgl. Eggs 2000, 409
41

sind durch explizite bzw. implizite Anaphern, erfassen. Solche Unterschiede
können mit dem Begriff „semantische Kontiguität“ zusammengefasst werden,
welche durch implizite Wiederaufnahmen (wie Anaphern) gebildet werden. 136
Speziell für die Argumentation differenziert Eggs folgende Typen der
Wiederaufnahme, die ein Leser berücksichtigen muss, um einen Text zu
verstehen:
- korrelative Begriffe: Das war sicher eine schwere Frage. Dennoch
kam die Antwort unerwartet schnell.
- Inklusion: Er ging ins Haus. Aus dem Schlafzimmer strömte ein
seltsamer Geruch der Verwesung.
- Typisierung: Wir kamen in das muffige Zimmer des Deutschen. Die
Bierflaschen waren noch halbvoll. // Die Dame lag tot auf dem Bett.
Das Messer steckte in ihrem Rücken.
- Implikation: Er näherte sich dem Ofen. Die Hitze wurde immer
unerträglicher. 137
Das Erkennen von impliziten Wiederaufnahmen war auch für den argumentativen
Text aus der Vergleichsarbeit 2001 vonnöten, um ihn verstehen und die darin
enthaltenen Sachverhalte im Rahmen der Schreibaufgaben richtig schriftlich
einsetzen bzw. einordnen und verarbeiten zu können.
Schreibforschung
In der Schreibforschung wird der Erwerb argumentativer Handlungsmuster vor
allem im Zusammenhang mit dem Erwerb schriftlich-konzeptueller Fähigkeiten
gesehen. Der Textzusammenhang einer Argumentation ist aufgrund ihrer offenen
Struktur schwieriger zu organisieren als der von informierenden Texten. 138 So
resümiert Jechle:
Während bei berichtenden Texten Inhalte im wesentlichen so
wiedergegeben werden können, wie sie – aller Wahrscheinlichkeit nach –
im Gedächtnis gespeichert sind, nämlich als lineare Abfolge von
Ereignissen, müssen für einen argumentativen Text Einzelinformationen
neu zueinander in Beziehung gesetzt [...] oder sogar über die zur
Verfügung stehenden Inhalte hinaus neue Inhalte erschlossen werden
[...]. 139
136 Vgl. Brinker 1992, 37 f.
137 Vgl. Eggs 2000, 410
138 Vgl. Feilke 2003, 188
139 Jechle 1992, 121
42

Augst/Faigel (1986) und Feilke/Augst (1989) haben an Hand
argumentativer Briefe die Entwicklung der schriftlich-konzeptuellen Fähigkeit
untersucht und im Zuge der Analyse, ähnlich wie Boueke u.a. für das Erzählen
von Geschichten, vier Textordnungsmuster entwickelt:
a) linear-reihend
b) material-systematisch
c) formal-systematisch und
d) linear-dialogisch. 140
Die hier dargestellte Reihenfolge der Ontogenese der Textordnungsmuster wird
auch durch andere Studien unterstützt. 141
Linear-reihende Textordnungsmuster finden sich vor allem bei Schreibern
des 4.-6. Schuljahrs, obwohl Feilke/Augst feststellen, dass textunbezogene
Strukturierungen auch noch zu 41,6% auf die Gruppe der 19- bis 23-jährigen
zutrifft, wobei dieses Ergebnis nicht vor dem Hintergrund ontogenetischer,
sondern institutionsspezifischer Optionen verstanden werden muss. 142 Dieses
Textordnungsmuster ist gekennzeichnet durch eine isolierte und unkommentierte
Folge von Aussagen. Ein solches Muster kann für die Vergleichsarbeit von 2001
durch die Variablen „Verwendung von Konnektoren“ sowie „Propositionstyp“ und
„Verweis auf eine bestimmte Proposition“ kenntlich gemacht werden. Wenn
Schüler beispielsweise nicht auf ihre Aussagen verweisen und keine
Konnektoren zur Verknüpfung ihrer Aussagen benutzen, dann ist das ein
Zeichen für eine isolierte Darstellung der Sachverhalte.
Beim material-systematischen Textordnungsmuster, das vor allem in
Texten von Siebt- bis Neuntklässlern vorliegt, liegt der Schwerpunkt darauf,
Klarheit über die Zusammenhänge der Sachverhalte und Gegenstände zu
schaffen. 143 Das heißt, dass beim Verfassen eines Textes mit einem solchen
Muster die Betonung vorrangig auf das Wiedergeben von Argumenten liegt, die
Textstruktur dabei aber unberücksichtigt bleibt. Das wird deutlich, wenn die
subjektive Erlebnisorientierung des Schreibers verstärkt in den Vordergrund und
die objektivierende Perspektive in den Hintergrund rückt. Das ist deshalb
problematisch, weil der Referenzbereich immer komplexer ist als der Text. Denn
strukturierende Informationen, die über den Referenzbereich dargestellt werden,
lösen potentiell immer mehr Konnotationen aus, als im Text verarbeitet werden
können. Weil diese Konnotationen sozusagen „offen“ bleiben und aufgrund ihrer
140 Vgl. Feilke/Augst 1989, 317
141 Vgl. Feilke 2003, 188 f.
142 Vgl. Feilke 2003, 188
43

Vielfalt nicht schriftlich bewältigt werden können, verliert der produzierte Text an
Homogenität. Einbußen der Homogenität werden sichtbar in der Makrostruktur,
indem beispielsweise die für die schulische Erörterung typische Weise der
Ordnung der Argumente nach der Pro-Contra-Conclusio-Form nicht stimmt. Für
die Vergleichsarbeit kann die Variable „Referenz“ Aufschluss oder zumindest
Hinweise darüber geben, in welchem Grad subjekt- bzw. objektreferentiell
gehandelt wird. Werden dazu auch wenig Konnektoren verwendet, kann von
einem material-systematischen Muster bei den Schülern aus der Vergleichsarbeit
von 2001 ausgegangen werden. Leider kann die makrostrukturelle Form für die
Klausur nicht ermittelt werden, weil dazu keine expliziten Daten erhoben wurden.
Ab dem 10. Schuljahr ist das formal-systematische Erörterungsschema
mit einer Pro-Contra-Systematik stärker vertreten. 144 Auch hier gilt, dass diese
Systematik aufgrund unzureichend erhobener Daten kaum untersucht werden
kann. Daher kann dieses Textordnungsschema, das vor allem durch formale
Kriterien gekennzeichnet ist, für die Schüleraufsätze von 2001 nicht ermittelt
werden. Durch Modifikation des von Feilke u.a. entwickelten Schemas kann aber
über die Variable „Verwendung von Konnektoren“, wenn nicht auf
makrostrukturelle, dann zumindest teilweise auf mikrostrukturelle formalsystematische
Besonderheiten eingegangen werden.
Erst bei den Erwachsenen ist das linear-dialogische Textordnungsmuster
in nennenswerter Anzahl zu finden. Diese Texte sind stark am Leser orientiert
geschrieben, enthalten aufmerksamkeitssteuernde Elemente und
Gegenargumente werden antizipiert. 145 Das bedeutet also, dass die Schreiber
mit zunehmendem Alter verstärkt Textordnungsschemata erwerben, „die eine
höhere funktionale Integration der Texte und damit eine höhere Homogenität der
Texte erlauben“ 146 .
Die Darstellung der Textordnungsmuster wird von anderen Seiten wegen
der ontogenetischen Betrachtung kritisiert 147 , wobei Feilke seine Anordnung
damit begründet, dass sich die Textordnungsmuster im Kern schon in
argumentativen Texten von Grundschülern nachweisen lassen und so den
ontogenetischen Anspruch seiner Untersuchung bekräftigt. 148 Wie im letzten Teil
des Kapitels 2.2 angemerkt, muss neben einer ontogenetischen Betrachtung
143 Vgl. Augst/Faigel 1986, 117 f.
144 Vgl. Feilke 2003, 188
145 Vgl. Feilke 2003, 189
146 Augst/Faigel 1986, 134
147 Vgl. Ossner 1996, 81 ff.
148 Vgl. Feilke 2003, 188
44

auch der Einfluss der Lehrpläne auf das Schreibprodukt, in diesem Falle die
Erörterung, Berücksichtigung finden.
Im Hinblick auf die Erörterung wird kritisiert, dass diese vor allem eine
schulische Textsorte ist und den realen Ansprüchen nicht genügt und zu sehr
von anderen Textsorten abgegrenzt wird. So bewertet Peters die starre Grenze
zwischen objektiven und subjektiven Schreibformen als negativ und macht sie
dafür verantwortlich, dass die vermeintlich objektive Textsorte Erörterung zu
einem bloßen Nachreden fremder Werte führt. 149 Auch im Vergleich zu übrigen
erörternden Texten grenzt sich die Erörterung in der Schule dadurch von ihnen
ab, dass im Hauptteil einer Erörterung der Schüler keine subjektive Haltung zu
seinen Argumenten einnehmen sollte, sondern in der Einleitung bzw. im Schluss
die Sachlage bewerten soll. Peters schlussfolgert daraus, dass „[d]er verlangte
Formalismus angesichts der Textsorte Erörterung [...] den emotionalen und
kreativen Zugang der Schülerinnen und Schüler zum Thema und Schreiben
[blockiert].“ 150 Für die Schüleraufsätze aus dem Jahr 2001 kann angenommen
werden, dass sowohl ontogenetische als auch curriculare Einflüsse auf das
Schreibprodukt wirken. Demnach müsste der Großteil der Neuntklässler vor
allem Aufsätze mit linear-reihendem Muster verfassen. Denn nach Feilke ist ein
solches Muster dann zu finden, wenn die Schreiber noch jung sind (10-12 Jahre)
oder die Schreiber älter (19-20 Jahre) und beeinflusst von institutionsspezifischen
Verhältnissen, sprich Lehrplänen sind. Kann ein solches Muster in der
empirischen Untersuchung im dritten Teil der Arbeit nicht nachgewiesen werden,
dann werden vermutlich das material-systematische oder das formalsystematische
Muster aufgrund ontogenetischer Entwicklungen vorherrschend
sein.
3.3 Exkurs: Bildverarbeitung – Warum wird mit Bildern besser gelernt?
Da das Arbeitsblatt aus der Vergleichsarbeit 2001 nicht nur Text, sondern auch
einen Comic und eine Tabelle enthält, soll es an dieser Stelle einen Exkurs zur
Verarbeitung von Bildern und anderen textungebundenen Medien geben. Dabei
sollen in wenigen Sätzen einige Theorien vorgestellt werden, die erklären, warum
Bilder das Lernen besser fördern als reine Texte.
149 Vgl. Peters 2004, 20 f.
150 Peters 2004, 21
45

Untersuchungen haben zweifellos ergeben, dass die Behaltens- und
Verstehensleistung beim Lernen mit Texten durch die Integration von
verstehensrelevanten Bildern verbessert werden kann. 151 Allerdings beansprucht
diese Aussage keine Allgemeingültigkeit. Denn Bilder und Tabellen werden oft
nicht angemessen genutzt. Daher ist es ratsam, die Effizienz der Bildverarbeitung
mit Hilfe von Instruktionen oder anderen Mitteln, die die Wichtigkeit der
Illustration hervorheben, zu fördern. 152 Genau das ist in der Vergleichsarbeit
durch die Instruktion in Form von Aufgaben geschehen. Die Beachtung der
illustrativen Medien von den Schülern ist bei der Vergleichsarbeit also
gewährleistet.
Aber warum wird mit Bildern besser gelernt als mit verbalen
Informationen?
Nach Ballstaedt werden Bilder im Gegensatz zu verbalen Informationen
ganzheitlich wahrgenommen, wobei aber die begriffliche Verarbeitung wie bei der
Textverarbeitung sequentiell und zeitlich erstreckt geschieht. 153 Die
Verarbeitungstiefe wird erreicht durch die jeweilige Dauer der Bildbetrachtung
und die Zahl der Fixationen, womit Behaltensunterschiede erklärt werden
können. Meistens werden Bilder im Vergleich zu Texten aber oberflächlich
verarbeitet. 154
In dem Modell von Piavio, das den Behaltensvorteil eines illustrierten
Textes gegenüber eines nicht-illustrierten Textes untermauert, wird von einer
dualen Kodierung ausgegangen, nach der verbale und non-verbale
Informationen in einem jeweils eigenen System verarbeitet werden. 155
Sprachinformationen werden in einem verbalen und Bildinformationen im
imaginalen als auch im verbalen System enkodiert. Weil Bilder in beiden
Systemen enkodiert werden, können sie besser behalten werden.
In einem anderen Modell, das gestützt wird durch experimentelle Studien,
geht man davon aus, dass Texte und Bilder zwei verschiedene Zugangsweisen
zu einem einheitlichen, abstrakten Repräsentationssystem sind, in dem ihre
Bedeutung semantisch kodiert ist. 156 Sämtliche Arten von Informationen werden
also „von ihren perzeptuellen Merkmalen gelöst und nur auf der Grundlage ihrer
Bedeutung in einem einzigen, propositionalen Format verarbeitet und mental
151 Vgl. Drewniak 1992, 29
152 Vgl. Drewniak 1992, 30
153 Vgl. Drewniak 1992, 33
154 Vgl. Kerkau 2003, 43
155 Vgl. Seufert 2004, 31 f.
156 Vgl. Drewniak 1992, 35
46

epräsentiert“ 157 . Bilder werden aber besser als sprachliche Informationen
behalten, weil sie differenziertere semantische Analyseprozesse auslösen und
vor allem spezifischere Kategorien mit größerem Bedeutungsgehalt
ansprechen. 158
Beim Bildverstehen kann im Gegensatz zum Textverstehen ein relativ
direkter Aufbau eines mentalen Modells erfolgen, denn einfache Bilder bzw.
Abbilder (in diesem Fall ein Cartoon) sind ohne Vorwissen verständlich. 159
Die Rezeption tabellarischer Darstellungen bzw. analytischer Bilder ist im
Vergleich zur Rezeption von Abbildern schwieriger, weil die Textinformation
zusammen mit der Art ihrer Gestaltungsform als Ganzes verstanden werden
muss. Dabei entsteht erst aus dem Zusammenspiel von Text und Form eine
globale Kohärenz. Zahlen und Fakten können in eine übersichtliche Form
gebracht und ein unüberschaubarer Text vermieden werden. Aus diesem Grund
sind die Tabelle und der Cartoon wichtige Hilfsmittel für das Verstehen der
Sachverhalte und das Lösen der Schreibaufgaben in der Klausur von 2001.
4. Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen
An dieser Stelle werden die wichtigsten Punkte des theoretischen Abschnittes
zusammengefasst. Das geschieht in Form von Thesen. Sie werden geordnet
nach Globalthese, Thesen zum verstehenden Lesen und Thesen zum
entwickelnden Schreiben. Einige dieser Thesen werden im sechsten Kapitel, der
Datenanalyse, aufgegriffen und umformuliert in Hypothesen, welche für die
methodische Arbeit mit den Daten in der empirischen Untersuchung relevant sein
werden.
Globalthese
Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurde hervorgehoben, dass Lesen und
Schreiben sowohl Probleme darstellen, aber auch strategisch zum Lösen von
Problemen genutzt werden können. Weiterhin wurde die epistemische Funktion
beider Handlungen betont sowie der Aufbau bereichsspezifischen Wissens
infolge dieser Funktion. Für die Vergleichsarbeiten hat sich daraus ergeben, dass
157 Drewniak 1992, 35
158 Drewniak 1992, 35
159 Vgl. Kerkau 2003, 43 f. sowie Arnold 2003, 47
47

der Problemlöseprozess, d.h. das problemorientierte Lösen der Aufgaben,
gebunden wird an der Elaboration bereichsspezifischen Wissens. Ein
Problemlöseprozess ist bei einem Schüler dann zu verzeichnen, wenn er
inhaltsbezogenes Wissen aufbaut. Es wurde auch gesagt, dass die Aufgaben, in
denen dies verlangt wird, schriftlich-konzeptuell zu lösen sind und ein
Problemlöseprozess auch an diesem Merkmal zu erkennen ist. Da die
Problemlösetheorie für die empirische Untersuchung im Teil III dieser Arbeit
grundlegenden Charakter hat, wird deshalb eine Globalthese zum
Problemlöseprozess entworfen. Die Globalthese bildet das zu untersuchende Ziel
dieser Arbeit ab und ihr unterliegen alle im Anschluss entwickelten Thesen. Das
bedeutet, dass die folgenden Thesen die Globalthese konkretisieren.
Globalthese
Der Problemlöseprozess wird von Schülern neunter Jahrgänge schriftlichkonzeptual
verarbeitet.
Die Globalthese beinhaltet zwei Aussagen. Einerseits wird angenommen, dass
es einen Problemlöseprozess beim verstehenden Lesen und entwickelnden
Schreiben gibt. Denn ohne einen Problemlöseprozess können die Aufgaben nicht
zufriedenstellend gelöst werden. So kann vorausschauend schon die Hypothese
gestellt werden: Wenn kein Wissen aufgebaut wird, dann gibt es keinen
Problemlöseprozess. Andererseits wird angenommen, dass sich die Schüler
schriftlich-konzeptual äußern können.
Thesen zum verstehenden Lesen
In der Theorie wurde auf die bedeutende Stellung des Lesens aufmerksam
gemacht, da in beiden Vergleichsarbeiten Lesen Voraussetzung ist für das Lösen
der einzelnen Aufgaben. Aus dem Punkt 2.4 „Lesen, Schreiben und Wissen“
kann zusammengefasst werden, dass verstehendes Lesen für die
Wissenselaboration ausschlaggebend ist, da in beiden Vergleichsarbeiten durch
das Lesen bereichsspezifisches Wissen angeeignet werden musste, um die
Aufgaben zu lösen und Texte produzieren zu können.
These
Durch die besondere Zusammensetzung der Aufgaben, die den Anspruch
erheben, das mentale Modell zu repräsentieren, und die
48

aufgabenorientierte Textverstehensstrategie ist eine Elaboration von
bereichsspezifischem Wissen gewährleistet.
In den Vergleichsarbeiten wurden unterschiedliche Textsorten eingesetzt, die als
Arbeitsgrundlage dienten. So kann für die Vergleichsarbeit 2001
zusammengefasst werden:
These
Der Sachtext aus der Vergleichsarbeit 2001 ist aufgrund der
Bildunterstützung leichter zu verstehen.
These
Das Lesen von Sachtexten ist Gegenstand des praktischen Unterrichts,
so dass die Schüler keine Verständnisprobleme beim Lesen haben
sollten.
These
Das Textverständnis wird sich in Form von Propositionen in den
Schreibprodukten der Schüler wiederfinden.
Im Exkurs zur Bildverarbeitung, der aufgrund der Tabelle und des Cartoons im
Vorlagenblatt aus der Vergleichsarbeit 2001 ausgeführt wurde, wurde
festgehalten, dass das Lernen mit Illustrationen bzw. mit in Texten integrierten
Illustrationen einfacher ist als das Lernen ohne Bildunterstützung. Weiterhin
deklarieren theoretische Überlegungen und empirische Studien zur
Bildverarbeitung die hohe Beachtung bildunterstützter Texte. Somit kann für die
Vergleichsarbeit 2001 dies angenommen werden:
These
Die Informationen/Propositionen aus der Tabelle und dem Cartoon
werden im Leseprozess verstärkt beachtet und lassen sich deshalb im
Schreibprodukt nachweisen.
Für die Vergleichsarbeit 2002, der eine Erzählung als Arbeitstext oblag, können
folgende Thesen zusammengefasst werden:
49

These
Vom ontogenetischen Standpunkt aus sollte es keine
Verständnisschwierigkeiten beim Lesen der Erzählung geben. Zudem
zeigte der Einsatz von Ratekrimis im Deutschunterricht bereits positive
Effekte hinsichtlich der Lesemotivation und Verstehensleistung. Daher
kann von einem Verstehen des Ratekrimis ausgegangen werden.
These
Das Textverständnis wird in Form von Propositionen in den
Schreibprodukten der Schüler auszumachen zu sein.
Thesen zum entwickelnden Schreiben
Im Kapitel 2.3 „Produkt-Prozess-Ambiguität“ wurde auf die unterschiedliche
Datenaufbereitung von beiden Vergleichsarbeiten aufmerksam gemacht, da sich
die Frage nach der Wirksamkeit produkt- und prozessorientierter Betrachtungen
von Texten stellte und der Schluss gezogen werden konnte, dass beide
Methoden wichtig für die Untersuchung von Schülertexten sind. Obwohl die
Aufgabenstrukturen beider Vergleichsarbeiten identisch sind, wurden nicht für
beide Klausuren alle Aufgaben, die für eine Rekonstruktion des
Problemlöseprozesses relevant sind, in die Datenmatrix aufgenommen. Deshalb
kann nur für eine Vergleichsarbeit, die aus dem Jahr 2002, der
Problemlöseprozess nachvollzogen werden.
These
Die Analyse der Vergleichsarbeit 2001 erfolgt produktorientiert, während
die Vergleichsarbeit 2002 sowohl eine produkt- als auch eine
prozessorientierte Betrachtungsweise erfährt.
These
Der Problemlöseprozess ist wegen der Verschiedenartigkeit des
Datenmaterials nur für die Vergleichsarbeit 2002 rekonstruierbar.
Für das Kapitel 2.4 „Lesen, Schreiben und Wissen“ kann konstatiert werden,
dass Wissen ebenso wie für das Lesen auch für Schreibhandlungen grundlegend
ist. Denn im Schreibprozess hat bereichsspezifisches Wissen, welches aus den
Vorgabetexten im Leseprozess generiert wurde, Einfluss auf das entstehende
50

Schreibprodukt. Bereichsspezifisches Wissen (in diesem Falle die Inhalte des
Ratekrimis und des Sachtextes, dem Cartoon und der Tabelle) wirkt stark auf das
Schreibprodukt ein. Dieses Wissen hat jedoch keine spezielle Prägung auf die
sprachliche Ausarbeitung, also auf den Umgang mit Aussagenketten und
kohäsiven Verknüpfungen. Die sprachliche Verarbeitung ist weitgehend von den
Schreibfähigkeiten abhängig. Dieses Wissen muss in der kognitiven Struktur
schon verankert sein, damit es angewendet werden kann. Eine weitere
Wissensform ist die um Makrostrukturen, die gleichzeitig auch Wissen um
textsortenspezifische Merkmale sein kann. So sind beispielsweise die narrativen
Merkmale Einleitung und Ende einer Geschichte Elemente makrostrukturellen
und textsortenspezifischen Wissens. Für die Vergleichsarbeiten gilt: Vor allem
über den Aufbau bereichsspezifischen Wissens wird der Problemlöseprozess
untersucht. Doch besonders in der Auswertung der Vergleichsarbeit 2002 wird
auch die Ausbildung makrostrukturellen Wissens bzw. das Wissen um die
Textsorte Erzählung berücksichtigt, da die aufgenommenen Daten zum Ratekrimi
dies ermöglichen. Weiterhin wurde hervorgehoben, dass die
erkenntnisgewinnende Funktion beider Handlungen an der Elaboration
bereichsspezifischen Wissens festgemacht werden soll, wobei die
Wissenselaboration wiederum extrahiert werden soll aus den Lösungen der
einzelnen Aufgaben, die sich nach der Art des kognitiven Modells
zusammensetzen, so dass die Rekonstruktion des Wissens gewährleistet ist.
These
Durch verstehendes Lesen bauen die Schüler bereichsspezifisches
Wissen auf. Dieses Wissen wird sichtbar in den Schreibprodukten.
These
Neben der Untersuchung von bereichsspezifischem Wissen wird auch
makrostrukturelles/textsortenspezifisches Wissen Gegenstand der
Auswertung, insbesondere der Vergleichsarbeit 2002 sein.
These
Bereichsspezifisches Wissen wirkt sich nicht auf die sprachliche
Ausgestaltung der Schreibprodukte aus.
51

These
Die Aufgabenstruktur von der Vergleichsarbeit 2002 hilft, das von den
Schülern aufgebaute Wissen abzubilden und es somit nachvollziehbar zu
machen.
Ebenso wie Wissen hat auch der Texttyp auf Lesen und Schreiben große
Wirkung. Die untersuchten Vergleichsarbeiten werden bestimmt durch die
schulischen Textsorten Erzählung und Erörterung. Im Kapitel 3 wurde die
Diskussion um den schwierigen Gebrauch schulischer Textsorten im Unterricht
hervorgehoben. Dabei ist vor allem die Diskrepanz zwischen dem Anspruch und
der Wirklichkeit von schulischen Textsorten auffallend. Denn der Wunsch,
Textsorten als unterstützendes Element für den Schreibprozess zu nutzen, ist
aufgrund der starren Definition von Textsorten im Curriculum nicht realisierbar.
Die im Anschluss an diesen Abschnitt aufgestellte These hat für den Punkt
Textsortenkompetenz einen übergreifenden Charakter, was bedeutet, dass diese
These im Zusammenhang mit den nachfolgenden Thesen zur schulischen
Erzählung und schulischen Erörterung gesehen werden muss:
These
Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird sich in den
beiden Vergleichsarbeiten niederschlagen.
Wichtig für die schulische Erörterung sind die Diskussionen zum Aufbau. Vor
allem die Dreiteilung dieser Textsorte in Einleitung, Hauptteil, Schluss im
Zusammenhang mit der begrenzten Meinungsäußerung des Schreibenden
entweder in der Einleitung oder im Schluss wird kritisiert, weil dadurch die realen
Ansprüche an eine argumentative Textsorte nicht berücksichtigt werden.
These
Die Lehrpläne prägen den Schreibprozess und damit das Schreibprodukt
insofern, als dass der Aufbau der schulischen Erörterung in Einleitung,
Hauptteil und Schluss von den Schülern realisiert wird und die Schüler
subjektive Standpunkte entweder in der Einleitung oder im Schluss
verorten.
52

In Kapitel 3 wurde gleichfalls darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur die
Lehrpläne auf die Gestaltung von Texten im schulischen Rahmen einwirken,
sondern auch die Ontogenese berücksichtigt werden muss. Dies gilt sowohl für
die Schulerzählung als auch für die schulische Erörterung. So haben Boueke u.a.
auf Grundlage erzähltypischer Merkmale altersabhängige
Textordnungsstrukturen herausstellen können. Somit konnten sie festlegen, dass
mit etwa 10 Jahren die komplexeste, d.h. die narrativ strukturierte Form der
Ereignisdarstellung realisiert wird. Die Schüler sollten also fähig sein, die
Fortsetzungsgeschichten logisch strukturiert und mit Übernahme wesentlicher
inhaltlicher Merkmale aus dem Originaltext zu verfassen sowie mit emotionalen
Gestaltungsmitteln zu versehen. Daher kann für die Vergleichsarbeit aus dem
Jahr 2002 folgende These formuliert werden:
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2002 werden überwiegend die
narrativ strukturierte Ereignisdarstellung besitzen.
Ähnlich wie für die Erzählung wurden auch für die Argumentation
Textordnungsmuster abhängig von verschiedenen Altersstufen entwickelt.
Bezüglich der hier untersuchten Altersgruppe, 15jährige Schüler, haben Feilke
und Augst festgestellt, dass beim Schreiben von argumentativen Texten das
material-systematische Textordnungsmuster bestimmend ist. Wird aber der
Umstand der institutionsspezifischen Wirkung auf das Schreiben von Texten
hinzugezogen, konnten Feilke und Augst eine Bevorzugung des linear-reihenden
Textordnungsmusters konstatieren.
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
These
Bei Ausschluss des linear-reihenden Musters während der empirischen
Untersuchung wird entweder das material-systematische oder das formalsystematische
Textordnungsmuster vorherrschend sein.
Ein wesentlicher Punkt, der im theoretischen Teil noch nicht ausgeführt wurde, ist
die Wahrnehmung der Bildungsgänge Gymnasium, Real- und Hauptschule, an
53

denen die Vergleichsarbeiten durchgeführt wurden. Wenn in der Datenanalyse
die einzelnen Ergebnisse präsentiert und ausgewertet werden, sollen sie dabei in
der Regel auch im Hinblick auf die Schularten betrachtet werden. Deshalb ist
eine theoretische Grundlage notwendig. Bereits in anderen empirischen Studien
wurden zunächst teilweise deutliche Leistungsunterschiede zwischen den
Schularten vermutet. Diese Annahme kann mit den Selektionsvorgängen bei der
Zuweisung zu einer Schulart und mit den Unterschieden im Niveau kognitiver und
sprachlicher Fördermaßnahmen an den verschiedenen Schularten begründet
werden. 160 Empirisch fundierte Ergebnisse, die Michael Hug (2001) vorgelegt hat,
konnten belegen, dass deutliche Unterschiede zwischen den Bildungsgängen
bestehen. 161 Aus diesem Grund kann für die hier untersuchten
Vergleichsarbeiten folgende These aufgestellt werden:
These
Zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule
wird es in einigen Kategorien deutliche Leistungsunterschiede geben.
Um die hier vorgestellten Thesen praktisch zu untermauern und zu
veranschaulichen, ob sie mit den für die empirische Untersuchung zur Verfügung
stehenden Daten überprüft werden können, soll im folgenden Kapitel auf die
Beschreibung der Daten eingegangen werden.
160 Vgl. Hug 2001, 37
161 Vgl. Hug 2001, 119 -128
54

TEIL II – UNTERSUCHUNGSDESIGN
Damit man sich ein Bild von den Vergleichsarbeiten machen kann, werden sie im
Untersuchungsdesign bezüglich der Aufgaben und ihrer Struktur in Augenschein
genommen. Denn der Aufbau der Vergleichsarbeiten ist ein wesentlicher und
ausschlaggebender Faktor bei der Bewältigung des Lese- und Schreibprozesses.
5. Untersuchungsdesign
Von 1998 bis 2002 wurden an Schulen in ganz Mecklenburg-Vorpommern
Vergleichsarbeiten durchgeführt. In diesen Jahren wurden fünfte (1998), siebte
(1999 und 2000) und neunte (2001 und 2002) Jahrgänge untersucht. Dabei sind
die Jahrgänge fünf aus 1998 identisch mit den Jahrgängen sieben und neun aus
2000 und 2002, während die Jahrgänge sieben und neun aus den Jahren 1999
und 2001 einander entsprechen.
In der Einleitung wurde schon hervorgehoben, dass die Daten der neunten
Klassenstufe aus den Jahren 2001 und 2002 den Mittelpunkt dieser Arbeit bilden.
Die Vergleichsarbeiten wurden vom Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern
in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock
durchgeführt und ausgewertet. Die Leitung oblag hierbei von universitärer Seite
Prof. Dr. Wolfgang Sucharowski.
Wie in der Einleitung bereits angemerkt, wird mit den Vergleichsarbeiten
das Ziel verfolgt, Erkenntnisse über die verbale Leistungsfähigkeit in der
Muttersprache zu gewinnen. Deshalb wird mit ihrer Hilfe getestet, in welchem
Maße Informationen aus Texten entnommen und unter vorgegebenen
Problemstellungen angewendet werden können. Weiterhin wird die Fähigkeit von
Schülern getestet, ein Thema schriftlich zu verarbeiten und sachangemessen zu
behandeln, die Sprache normgerecht zu verwenden und Konventionen einer
Textsorte zu beachten.
55

Die Aufgaben und Inhalte der Vergleichsarbeiten sind mit dem
Rahmenplan für das Fach Deutsch abgestimmt, so dass sie sich am
Leistungsniveau der unterschiedlichen Jahrgangsstufen orientieren. Mit den
Ergebnissen der Vergleichsarbeiten sollen Einsichten in die Sprachentwicklung
von Schülern gewonnen werden. Eventuelle Abweichungen von grundlegend
anerkannten Leistungserwartungen, die durch die Auswertung der
Vergleichsarbeiten festgestellt werden können, sollen durch Beratungs- und
Förderkonzepte ausgeglichen werden.
5.1 Die Aufgaben – Aufgabenstellung und Struktur
Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die
Schreibaufgabe auf den Produktions- und Rezeptionsprozess maßgeblich
Einfluss ausübt. 162 Denn sie steuert den Lesevorgang so, dass der Rezipient
Informationen und Aussagen aus dem, in diesem Fall, vorliegenden Basistext
verstärkt beachtet und strategisch verarbeitet.
Aufgabenstellung der Vergleichsarbeit 2001 163
Der Test umfasst fünf Aufgaben zu einem Arbeitsblatt. Es setzt sich zusammen
aus einem Comic mit Text, einem kurzen Sachtext und einer Tabelle. Das
Arbeitsblatt bildet die Grundlage der zu lösenden Aufgaben.
Thema der Vergleichsarbeit ist Lesen, Schreiben und Neue Medien; es folgt
einem argumentativen Handlungsmuster.
Die Aufgaben (1) und (5) forderten die Schüler dazu auf, den Vorgabetext
gründlich zu lesen und am Ende die Lösungen gegebenenfalls zu korrigieren. In
Aufgabe (2) sollten die Schüler das Grundproblem der auf dem Arbeitsblatt
abgebildeten Texte und des Cartoons sowie der Tabelle kurz benennen. Die
Grundaussage des Vorgabetextes ist, dass vor allem die Lesefähigkeit auch und
gerade im Medienzeitalter sehr wichtig ist, dabei aber die Bereitschaft
beispielsweise Bücher zu lesen rückläufig ist. In Aufgabe (3) wurden die Schüler
aufgefordert, die Tabelle eingehend zu betrachten und die Position des Lesens
gegenüber den anderen Freizeitaktivitäten wie Fernsehsendungen sehen oder
162 Vgl. Krings 1992, 83
163 Zur Veranschaulichung ist im Anhang A die Vergleichsarbeit von 2001 beigefügt.
56

Freunde treffen auszuwerten und sie mit den eigenen zu vergleichen. Alle diese
Aufgaben wurden bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Bei diesem Test
interessierte vorrangig die vierte Aufgabe, weil in dieser die typische schulische
Erörterung gefordert wurde. Zwischen der dritten und vierten Aufgabe wurde ein
Zusammenhang hergestellt, indem darauf aufmerksam gemacht wurde, dass in
der Tabelle der Umgang mit dem Computer als Freizeitbeschäftigung nicht
genannt wird. Deshalb sollten die Schüler in Aufgabe (4) Stellung zur These „Der
Einsatz des Computers macht Lesen und Schreiben überflüssig“ nehmen und
ihre Aussagen zu begründen.
Wie schon erwähnt, handelt es sich bei dieser Vergleichsarbeit um eine
rein produktorientierte Auswertung. Der Schreibprozess wird nicht
nachzuvollziehen sein, weil nicht alle Aufgaben, die aber Voraussetzung für eine
Rekonstruktion des Wissenserwerbs und infolgedessen des Schreibprozesses
sind, Bestandteil der Datengrundlage sind. Der Vorgabetext wird bei der
Auswertung einige Hinweise geben können auf das Schreibprodukt und auf die
Art der Textrezeption. Denn, so die Annahme, die darin verbundenen
Propositionen schlagen sich teilweise in dem Schreibprodukt nieder. Eine
ausführliche Darlegung der Methode wird es in der Datenanalyse geben.
Aufgabenstellung der Vergleichsarbeit 2002 164
Diese Klausur setzt sich aus sechs Aufgaben zusammen, die wieder auf
Grundlage eines Basistextes, eines sogenannten Ratekrimis, zu lösen waren.
Im Gegensatz also zur Vergleichsarbeit 2001 erhielten die Schüler statt
eines argumentativen einen narrativen Text. Auch in diesem Test forderten die
erste und letzte Aufgabe den Schüler zum aufmerksamen Lesen des
Vorgabetextes auf sowie ihre Lösungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu
korrigieren. Weil nicht nachzuvollziehen war, inwieweit dem Folge geleistet
worden ist, wurden diese Aufgaben bei der Auswertung nicht berücksichtigt. In
Aufgabe (2) sollten die Schüler Wörtern, die im Ratekrimi verwendet wurden, ihre
Bedeutung zuordnen. Eine Einordnung der Hauptfiguren hatten die Schüler in
der Aufgabe (3) vorzunehmen. So sind beispielsweise Marlene Kemper und ihre
Assistent der Polizei und Fritz Wieseler, auch „Villenschreck“ genannt, dem Täter
zuzuordnen gewesen. Dazu mussten die Schüler den Text mindestens Sinn
angemessen gelesen haben. In der Aufgabe (4) wurden die Schüler gebeten,
wahlweise in Stichpunkten oder Sätzen, Argumente für die Verhaftung des
164 Zur Veranschaulichung ist im Anhang B die Vergleichsarbeit von 2002 beigefügt
57

gestellten Verbrechers, des „Villenschrecks“, darzulegen. Um zur Lösung zu
gelangen, mussten die für die Handlungsverkettung relevanten Eigenschaften
erkannt werden. Die Aufgabe (5) ersuchte die Schüler, eine Fortsetzung und
einen Schluss zum Ratekrimi zu schreiben. Wichtig dabei war, dass sie an den
Originaltext anknüpften und den dringenden Verdacht, der am Ende des
Originaltextes geäußert wurde, zu begründen. So mussten die Schüler den
Versicherungsbetrüger Heinrich Roloff entlarven und mit aus dem vorgegebenen
Text hergeleiteten Argumenten den Grund für die Verhaftung angeben.
Die Aufgabenstruktur
Besondere Bedeutung wird der Aufgabenstruktur beigemessen, wobei die
Untersuchung zur Wirkung der Aufgabenstruktur nur für die Vergleichsarbeit
2002 realisiert werden kann, da nur für diese Vergleichsarbeit alle für den
Schreibprozess relevanten Aufgaben in die Datengrundlage eingegangen sind.
Die Aufgabenstruktur hatte in beiden Vergleichsarbeiten bei der Bewältigung der
Aufgaben die Funktion, den Lese- und Schreibprozess zu unterstützen und ist
bei einer Vergleichsarbeit gleichzeitig Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.
In allen Vergleichsarbeiten ist die strukturelle Zusammensetzung der
Aufgaben zu einem Aufgabenkomplex identisch. Eben allein die einzelnen
Schreibaufgaben unterscheiden sich. So stieg von Aufgabe zu Aufgabe das
Anforderungsniveau, weil die einzelnen Operationen, die zur Lösungsfindung zu
bewältigen waren, anspruchsvoller und vielfältiger wurden. Jede neue Aufgabe
verlangte einen höheren Grad an Abstraktion, was heißt, dass die Struktur der
Aufgaben so angelegt war, dass die Schüler durch die Bearbeitung der einzelnen
Aufgabe an die vom Niveau höhere heran geführt wurde. So konnten die
Lösungen der ersten Aufgaben durch das Wiedererkennen von Vorgegebenem
erreicht werden, indem allgemeine und offensichtliche Informationen aus dem
Basistextes generiert wurden. Die zweite Stufe setzte voraus, dass ein zwar
komplexer, aber plausibler Sachverhalt aus dem Text erschlossen und
gegebenenfalls mit eigenen Erfahrungen verknüpft wurde. Der dritte
Schwierigkeitsgrad hatte ein aktives Gestalten des rezeptiv Verarbeiteten zur
Bedingung. Denn das, was die Schüler im Leseprozess wahrgenommen,
verstanden und sachbezogen rekonstruiert hatten, diente als Basis zum
Konstruieren eines eigenen Textproduktes. Die Produktion eines eigenen Textes
erforderte spezifische Kenntnisse beispielsweise von Textsorten. Die Elaboration
von Wissen wird also durch die Zusammensetzung der einzelnen Aufgaben und
der Basistexte unterstützt, indem immer wieder Bezug genommen werden
58

musste auf den Basistext und so bereichsspezifisches Wissen Schritt für Schritt
aufgebaut, differenziert und neu produziert werden konnte. Dabei halfen auch
Aufgaben, die die Schüler aufforderten, eigene Erfahrungen in die Textproduktion
einzubringen, weil dabei der individuelle Wissenshorizont der Schüler angeregt
wurde. Da die Basistexte die Funktion einer Vorlage einnahmen, konnten die
Schüler an diese Vorlage ihre eigene Textproduktion anknüpfen. Die
Zusammensetzung der Aufgaben wurde so erarbeitet, dass sie die spezifischen
Anforderungen des Arbeitsgedächtnisses erfüllen, indem kognitiv ökonomisch
Informationen aufgenommen und verarbeitet werden konnten. 165 Es war den
Schülern also möglich, Schritt für Schritt zu arbeiten, ohne das Arbeitsgedächtnis
mit allzu vielen Informationen zu überlasten. Effizient daran ist weiterhin, dass die
Aufgaben die Schüler dahin lenkten, das für jede Aufgabe Relevante aus dem
Text herauszuarbeiten.
Wie bereit erwähnt, soll der Problemlöseprozess in dieser Arbeit an der
Wissensorganisation festgemacht werden. In den Untersuchungen wird durch
Ermittlung von Propositionen und bestimmten Textelementen erforscht, wie
erfolgreich Wissen rezipiert und schriftlich verarbeitet wird. Hilfsmittel bei der
Analyse sollen die Aufgabenstruktur (nur für die Vergleichsarbeit von 2002) und
die Primärtexte selbst sein. Sie sind außerdem gleichzeitig
Untersuchungsgegenstand.
Im Hinblick auf die Aufgabenstruktur bzw. die Aufgabenstellung ist aber auch
Kritik anzumerken: Entwickelt wurden die Aufgaben von einer Arbeitsgruppe aus
vier Lehrkräften. Die Aufgaben folgen somit schulischer Alltagspraxis und
entsprechen Prüfungsaufgaben, wie sie in Unterrichtssituationen von Lehrern
gestellt werden und erfüllen deshalb nicht die Kriterien, wie sie für einen
psychologisch-empirisch fundierten Schulleistungstest üblich sind. Aus diesem
Grund kann die statistische Untersuchung der Schülerarbeiten nur eine Quasi-
Phänomenologie der praktischen Schülerleistungen sein, eine Beobachtung des
Ist-Zustandes. Dennoch ist das Kriterium der Repräsentativität aufgrund der
Schülerpopulation gewährleistet.
165 Vgl. Seufert u.a. 2004, 30
59

5.2 Datengrundlagen der Vergleichsarbeiten 2001 und 2002
In diesem Kapitel soll gezeigt werden, welche Variablen für die empirische
Untersuchung zur Verfügung stehen. Statistische Variablen sind jene Daten, die
für die einzelnen Vergleichsarbeiten erhoben wurden, um mit ihnen die
Leistungen der Schüler hinsichtlich des Textverständnisses und der Qualität der
Textproduktion sowohl in kohärenter, kohäsiver als auch normativer Form zu
beschreiben. Welche Ergebnisse sich aus der Analyse und Beziehungsetzung
der Variablen zueinander ableiten lassen, wird im dritten Teil der Arbeit
thematisiert. Die Variablen werden deshalb so genau aufgelistet, weil
veranschaulicht werden soll, wie sie sich bei beiden Vergleichsarbeiten gleichen
bzw. voneinander unterscheiden. Das ist wichtig, weil dadurch explizit gezeigt
werden kann, inwiefern ein zuverlässiger Vergleich zwischen den beiden
Untersuchungsgruppen aus 2001 und 2002 möglich ist.
Datengrundlage der Vergleichsarbeit 2001
Aus der Vergeichsarbeit aus dem Jahr 2001 wurden Variablen zur
orthographischen und grammatischen Norm, welche jedoch für diese Arbeit nicht
berücksichtigt und deshalb nicht weiter genannt werden, sowie zur Kohärenz und
Kohäsion des Textes gewonnen. Wie bereits erwähnt, wurde nur die vierte
Aufgabe in der Auswertung bedacht. Die Art und Weise der Erhebung ist von
großer Bedeutung, weil sie in der Datenanalyse den Weg weisen wird dafür, was
praktisch durchführbar ist und was nicht. Die Datenmatrix von der
Vergleichsarbeit 2001 folgt einem linearen Prinzip. Von jedem einzelnen Schüler
wurden dessen Propositionen nacheinander notiert, und zu jeder Proposition die
Referenz, die Art des Verweises und der Konnektor. Weil aber nicht jeder
Schüler gleich viel geschrieben hat, d.h. nicht gleich viele Propositionen
produziert hat, hört eine Aussagenkette plötzlich auf, während andere in der
Datenmatrix noch weitergeführt werden mussten. So entstanden viele
systemdefinierte Fehler und in den Häufigkeitsstatistiken werden
dementsprechend viele fehlende Werte aufgeführt. Diese Linearität der
Aussagenketten erschwert die Auswertung. Durch das Bilden von
abstrahierenden Variablen hätte die Linearität durchbrochen werden können. So
hätte für jeden einzelnen Schüler eine Variable „Konnektorendurchgängigkeit“
gebildet können, die in sich die durch den Gebrauch einzelner Propositionen
hervorgerufene immer wiederkehrende Variable „Verwendung von Konnektoren“
60

vereint. Dann hätte am Ende einer jeden Aussagenkette die Variable
„Konnektorendurchgängigkeit“ Auskunft über die Kohäsion eines Textes geben
können und eine mühsame Ausdifferenzierung innerhalb der Aussagenkette über
viele vereinzelte Variablen zur „Verwendung von Konnektoren“ wäre erspart
geblieben. Folgende Variablen, die hier mit Anführungszeichen gekennzeichnet
sind, werden unterschieden:
- Aus der Variable „Propositionen/Aussagenkette” wird in der Datenanalyse
die Dichte der inhaltlichen Folge abgeleitet.
- „Verwendung von Konnektoren“: Konnektoren sind sprachliche Ausdrücke
mit satzverknüpfender Funktion und bilden in den Schülertexten die
Dichte der formalen Folge ab. Insgesamt wurden sechs verschiedene
Arten von Konnektoren unterschieden:
- Konnektoren mit „einordnender“ Funktion wiedergegeben mit Hilfe
kopulativer Konjunktionen (auch, außerdem, ferner, weiter, zuletzt
usw.);
- „vergleichende“ Konnektoren (ebenso, wie, so – wie, als usw.),
- „gegensätzliche“ Konnektoren, die vor allem durch adversative
Konjunktionen (aber, allein, sondern, jedoch usw.) ausgedrückt
werden;
- Konnektoren, die einen „kausalen“ Zusammenhang herstellen
(denn, nämlich, weil, da usw.);
- Konnektoren, die „induktive“ bzw. „explizite“ Schlussfolgerungen
darstellen. Als „explizite Schlussfolgerungen“ sind da
-
beispielsweise konsekutive Konjunktionen (also, daher, deshalb,
somit usw.) zu nennen. Als „induktive Schlussfolgerungen“ wurden
Präsuppositionen und Deiktika in die Daten aufgenommen. Das
sind jene Schlussfolgerungen, die asyndetisch, d.h. ohne konkrete
satzverknüpfende Mittel wie Konjunktionen, gebildet werden.
Die Variable „Verweise auf Propositionen“ bezeichnet Rückbezüge
innerhalb der Aussagenkette. Sie zeigt an, wie stark rekurrierend Schüler
gearbeitet haben und lässt Schlussfolgerungen auf die inhaltliche Dichte
zu.
- „Referenz“: Diese Variable gibt wieder, ob die Aussagen der Schüler
objekt- oder subjektreferentiell sind. Festgemacht wurde das an der
Verwendung des allgemeinen Pronomens „man“ und des
Personalpronomens „ich“. Das Personalpronomen „ich“ steht für den
61

Schreibenden und seine Erfahrungen und „man“ für fremdes Verhalten
und Argumente, die außerhalb der Welt des Schreibenden liegen.
Empirischen Studien zufolge sinkt der Gebrauch des Personalpronomens
„ich“ mit zunehmendem Alter 166 . Der Wechsel von Perspektiven und
Rollen innerhalb eines Schreibvorgangs ist meist erst bei Schülern der
oberen Sekundarstufe (11. und 12. Jahrgangsstufe) und bei Studierenden
zu beobachten. 167 Deshalb ist davon auszugehen, dass Schüler der
neunten Klasse sich für eine Form entscheiden. Nicht zu vergessen ist
auch der Umstand, dass es sich bei dem argumentativen Text um eine
schulische Erörterung handelt und diese nach bestimmten Konventionen,
wie beispielsweise Bewahrung der Objektivität usw., gelehrt wird, wie im
Punkt 3.2 schon dargelegt wurde.
- Neben diesen spezifischen Variablen wurden noch allgemeine Daten in
die Auswertung einbezogen. Dazu gehören: „Wortanzahl“, „Schulart“ und
„Geschlecht“.
Datengrundlage der Vergleichsarbeit 2002
Auch aus der Vergleichsarbeit 2002 wurden Variablen (auch hier wieder mit
Anführungszeichen gekennzeichnet) zur orthographischen und grammatischen
Norm sowie Kohärenz und Kohäsion gewonnen. Daneben stehen noch Variablen
zur narrativen Struktur zur Auswertung bereit. Welche Variablen für die Aufgaben
(2) bis (5) gebildet wurden, zeigt die nun folgende Übersicht:
- Aufgabe 2:
Hier wurde lediglich die vom Schüler für diese Aufgabe erbrachte
„Punktzahl“ notiert.
- Aufgabe 3:
Es wurden die vom Schüler erbrachten „Punkte“ in der Aufgabe (3)
dokumentiert. Weiterhin wurde vermerkt, welche Aussage „richtig“ und
welche „falsch“ war. Dabei half ein eigens erstelltes Index, welches durch
einen Zahlencode definiert ist.
166 Vgl. Augst/Faigel 1986, 162
167 Vgl. Augst/Faigel 1986, 161
62

- Aufgabe 4:
Auch hier wurden zunächst die vom Schüler erbrachten „Punkte“
registriert. Die für diese Aufgabe vorzutragenden
„Argumente/Propositionen“ wurden mit Hilfe eines für die Lehrer erstellten
Beurteilungsbogens ermittelt. In diesem Bogen wurden den Lehrern
mögliche Antworten, die die Schüler geben konnten, vorgegeben.
Zusätzlich zu den vorgegebenen möglichen Antworten wurden weitere
potentielle Antworten aus dem Basistext von denen, die die Daten
erhoben haben, gefiltert, so dass schließlich acht Propositionen als
maßgeblich festgelegt wurden:
- Die „Größe“ / Personenbeschreibung passt auf Wiesel.
- Bei Wiesel wurde „Einbruchswerkzeug“ gefunden.
- Wiesel hat ein „Geständnis“ abgelegt.
- Wiesel wurde „auf frischer Tat ertappt“.
- Wiesel ist „vorbestraft“.
- Wiesel klaut „hehlerunabhängig“.
- Wiesel ist einschlägig bei der Polizei als Einbrecher „bekannt“.
- Wiesel hat als Einbrecher die nötige „Erfahrung“.
Da die Schüler aufgefordert wurden, die Verhaftung des „Villenschrecks“
zu begründen, wurde dokumentiert, ob und welche Konnektoren die
Schüler benutzt haben, um die Aussagen zu verknüpfen. Wie bei der
Vergleichsarbeit von 2001 wurden folgende Konnektoren unterschieden:
- Konnektoren mit „einordnender“ Funktion,
- Konnektoren mit „vergleichender“ Funktion ,
- Konnektoren, die einen „Gegensatz“ herstellen,
- Konnektoren, die einen „kausalen“ Zusammenhang bewirken und
- Konnektoren, die „induktive“ und „explizite“ Schlussfolgerungen
erzeugen.
Für die Datenerhebung in der Aufgabe (4) der Vergleichsarbeit 2002 ist
kritisch anzumerken, dass die Ermittlung der möglichen Antworten
verhältnismäßig subjektiv war, auch wenn der Beurteilungsbogen für die
Lehrer hilfreich war und die offensichtlichsten potentiellen Propositionen
aus dem Originaltext generiert wurden. Es hat aber auch Schüler
gegeben, die Propositionen angeboten haben, die weniger offensichtlich
die Verhaftung des „Villenschrecks“ anzeigten. Diese Propositionen
63

wurden nicht außen vorgelassen, sondern sinngemäß einem der als
maßgeblich festgelegten Aussagetypen zugeordnet.
Ein anderer zu kritisierender Punkt ist die Verwendung von
Konnektoren. Die Schüler konnten auswählen, ob sie in Sätzen oder
Stichpunkten argumentieren wollten. Es liegt in der Natur von
Stichpunkten, dass sie selten durch satzverknüpfende Elemente
verbunden sind. Deshalb können nur Schlussfolgerungen im Hinblick auf
die Verwendung und Nichtverwendung von Konnektoren gezogen
werden, wenn in der Analyse diese Variablen im Kontext zu den anderen
Aufgaben gesehen werden.
- Aufgabe 5:
Dokumentiert wurden die von den Schülern erbrachten Punkte und wie
viele Zeilen sie geschrieben haben. Weil diese Aufgabe von den Schülern
einen längeren Text forderte, flossen in die Datenerhebung Variablen zur
grammatischen und orthographischen Norm ein. Sie sind identisch mit
denen aus der Vergleichsarbeit von 2001. Des Weiteren wurden
Variablen zur Kohärenz und Kohäsion sowie zu textspezifischen
Gestaltungsmitteln erhoben.
- Die Variable „logische Folge“ gibt die inhaltlich-kohärente
-
Schreibleistungsfähigkeit wieder.
Fähigkeiten im Hinblick auf die zeitliche Abfolge werden durch die
„temporale Folge“ repräsentiert.
- Das Verständnis des narrativen Basistextes wurde an zwei
Teilaspekten gemessen. Einer war die Erkennung der
-
Schlüsselfigur der Geschichte. So ist die „Erkennung des richtigen
Täters“ ein Zeichen dafür, dass der Schüler die Geschichte
grundsätzlich verstanden hat. Denn neben einem Einbrecher, der
bereits im Originaltext verhaftet wurde, mussten die Schüler in
ihrer selbst verfassten Geschichte einen Versicherungsbetrüger
entlarven.
Ein zweiter Teilaspekt für das Verständnis des Textes ist die
Entwicklung von Argumenten, die aus einzelnen Aussagen der
Geschichte abgeleitet werden mussten. Die Variable „erklärte
Folge“ gilt als Maß für die Tiefenrezeption des vorgegebenen
Textes. Mit ihr wird die Entlarvung des Versicherungsbetrügers
erklärt.
64

- Die Variable „Verknüpfung durch Konnektoren“ gibt die
-
Verwendung von formalen Argumentationsmitteln an. Sie zeigt
insbesondere, wie dicht die sprachlichen Aussagen durch den
Gebrauch von Pronomen und Konjunktionen verflochten sind.
Zu einer Geschichte gehören eine Einleitung, die in die Handlung
einführt und ein Ende. Die Einleitung ist in diesem Fall geprägt
durch das „Ende“ des Originaltextes, denn es galt, einen
„Übergang“ zwischen Originaltext und Fortsetzung zu schaffen.
Der Abschluss der Geschichte konnte unterschiedlich gestaltet
werden. Deshalb wird zwischen den Werten „keine
-
Schlussbemerkung“, „offenes Ende“ und „geschlossenes Ende“
unterschieden. Diese strukturellen Elemente bezeichnen die
textsortenspezifische- bzw. Makro-Struktur.
Beim Verfassen der Fortsetzungsgeschichte mussten bestimmte
Merkmale der Handlung und Figuren übernommen und
gegebenenfalls so an eigene Vorstellungen angepasst werden,
dass diese trotzdem schlüssig und kohärent verfolgt wurden. Dazu
gehörten die „Perspektive der Darstellung“, der „Ortswechsel“, der
Einbau von „Dialogen“ und die „Figurdarstellung“. Aus welcher
Perspektive wurde die Geschichte dargestellt? Da ist zu
unterscheiden zwischen „allwissend“, „durchgängig eine Person“
und „Personenwechsel“. Fand ein Ortswechsel statt? Wenn ja, ist
das ein Hinweis auf einen höheren Komplexitätsgrad, durch den
die Geschichte mehr Dynamik innerhalb der Ereignisverkettung
erfährt. Wurden Dialoge verwendet und die Figuren gestaltet? Die
Schüler sollten in der Lage sein, ihre Figuren mit Eigenschaften
auszustatten. Das konnte den Schülern gelingen, wenn die
Figuren „Gedanken und Emotionen“ zeigten, und/oder wenn sie in
einem „inneren Monolog“ die Geschehnisse der Handlung
reflektierten. Die Darstellung von Emotionalität, d.h. die
Wahrnehmungen und Gedanken der Figuren, wird als affektive
Markierung nach dem Modell von Boueke u.a. begriffen.
Neben den spezifischen Variablen wurden allgemeine Daten wie „Bildungsgang“
(Gymnasium, Haupt- und Realschule), „Geschlecht“ und die vom Schüler
erreichte „Gesamtpunktzahl“ aus der Vergleichsarbeit 2002 erfasst.
65

Zusammenfassend ist anzumerken, dass ein Vergleich zwischen der
Vergleichsarbeit 2001 und 2002 nur auf der Annäherungsebene möglich ist. Das
wird durch die Verschiedenartigkeit der Variablen deutlich. Die Frage, wie die
statistische Erhebung der einzelnen Vergleichsarbeiten genutzt und reliabel
verglichen werden soll, wurde im Vorfeld nicht genügend beantwortet und muss
nun posthum geklärt werden. Deshalb wird es kein Einzelfall sein, wenn für die
eine Untersuchungsgruppe verlässliche Ergebnisse in einer bestimmten
Kategorie erzielt werden, während bei der anderen Untersuchungsgruppe in
derselben Kategorie keine Ergebnisse erwartet werden können. Im nächsten
Kapitel wird im Zuge der Untersuchung festgemacht, welche Operationen für das
Erzielen von Ergebnissen mit den verschiedenen Variablen praktisch
durchführbar sind und welche nicht.
66

TEIL III – DATENANALYSE
Im Kapitel Datenanalyse werden die Eigenschaften der beiden
Schülerpopulationen der Vergleichsarbeiten 2001 und 2002 in Form von
Hypothesen postuliert und in einem weiteren Schritt überprüft, inwieweit die
postulierten Eigenschaften bestätigt werden können. Zur Hypothesenbildung
dienen die in der Zusammenfassung zum Teil I erstellten Thesen sowie die
Beschreibung der Daten, die Aufschluss über die praktische Durchführbarkeit
bestimmter statistischer Operationen geben.
6. Ergebnisse
Nachdem die theoretische Grundlage gelegt und die Datenwirklichkeit
beschrieben wurde, kann nun eine Struktur für die empirische Auswertung
postuliert werden. Dazu dienen die im Theorieteil erstellten Thesen, die für die
Untersuchung in Arbeitshypothesen formuliert werden. Wie in der
Zusammenfassung zur Theorie bereits erwähnt, werden nicht alle Thesen
Gegenstand der Untersuchung sein, einige werden der Fülle wegen zu
Kategorien komprimiert und andere werden im Zuge der Untersuchung auf
Grundlage der Theorie noch gebildet werden. Die Beschreibung die
Datenwirklichkeit hat verdeutlicht, dass eine konkrete thematische Strukturierung
der Ergebnisse aufgrund der Unvergleichbarkeit der Daten nicht sinnvoll ist.
Daher werden die thematischen Schwerpunkte „Textrezeption“ und
„Textproduktion“, ähnlich wie die Gliederung der Thesen in der
Zusammenfassung der Theorie, gebildet, zu denen ausgewählte in Hypothesen
formulierte Thesen zugeordnet und untersucht werden. Diesen Schwerpunkten
obliegt die Globalhypothese, die sich aus der Globalthese, welche in der
Zusammenfassung zur Theorie gebildet wurde, ableitet.
Die Auswertung beider Vergleichsarbeiten wird schematisch dargestellt.
So wird für jeden einzelnen Punkt in der Regel zunächst die Methodik der
Auswertung beschrieben, des Weiteren werden die Hypothese und im Anschluss
die Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Wichtig und zu beachten bei der
67

folgenden Analyse beider Vergleichsarbeiten ist, dass bei der Formulierung der
Arbeitshypothesen die in der Zusammenfassung erarbeiteten Thesen
herangezogen werden, um die Ergebnisse in eine konkrete Theorie einzubetten.
So wird zunächst die These vorgestellt und aus dieser die Hypothese abgeleitet.
Globalhypothese
Die Arbeitsgrundlage für beide Vergleichsarbeiten wird eine Globalhypothese
sein. Sie wird abgeleitet von der Globalthese, die in der Zusammenfassung zur
Theorie im Teil I der Arbeit gestellt wurde:
Globalthese
Der Problemlöseprozess wird von Schülern neunter Jahrgänge schriftlichkonzeptual
verarbeitet.
Globalhypothese:
Wenn die Schüler bereichsspezifisches Wissen, das durch
Textverständnis erworben wird, schriftlich-konzeptual verarbeiten, dann ist
ein Problemlöseprozess erkennbar.
Ziel der empirischen Untersuchung ist die Verifizierung bzw. Falsifizierung der
Globalhypothese mit Hilfe der Arbeitshypothesen, welche für die Auswertung der
einzelnen Ergebnisse beider Vergleichsarbeiten ausgewählt und formuliert
werden.
6.1 Stichprobenbeschreibung
In einem ersten Schritt wird die Verteilung der Schüler für die Vergleichsarbeiten
2001 und 2002 tabellarisch dargestellt.
Verteilung der Bildungsgänge
Der Überblick zeigt, wie sich die Schüler quantitativ auf die einzelnen
Bildungsgänge Gymnasium, Realschule und Hauptschule verteilen.
68

Tabelle 1: Verteilung der Schüler auf die Bildungsgänge 2001 und 2002
Bildungsgänge
Verteilung Bildungsgänge Verteilung Bildungsgänge
2001
2002
Total % Total %
Gymnasium 1157 46,6 858 34,8
Realschule 990 39,9 1215 49,3
Hauptschule 334 13,5 393 19,5
Total 2481 100 2466 100
Die Tabelle zeigt, dass die Verteilung der Schüler auf die Bildungsgänge von
2001 und 2002 ähnlich ist. Im Jahr 2002 gab es im Vergleich zu 2001 weniger
Gymnasiasten, dafür mehr Realschüler. Die Zahl der Hauptschüler in beiden
Jahren ist quantitativ ähnlich. Wie in der Zusammenfassung zu Teil I angemerkt,
wird die Analyse der Daten in der Regel unter dem Aspekt der Bildungsgänge
erfolgen. Im 4. Kapitel wurde eine These entwickelt, die in der nachfolgenden
Untersuchung zu einer Hypothese formuliert und regelmäßig Gegenstand der
Analyse sein wird. Diese Hypothese wird wegen einer besseren Unterscheidung
zur Globalhypothese in den folgenden Kapiteln Aspekthypothese genannt, da mit
dieser Hypothese der Aspekt der Bildungsgänge betont wird.
These, die in der Zusammenfassung zur Theorie in Teil I gebildet wurde:
Zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule
wird es in einigen Kategorien deutliche Leistungsunterschiede geben.
Aspekthypothese, die sich aus obiger These ableitet:
Wenn die Ergebnisse der drei Bildungsgänge Gymnasium, Real- und
Hauptschule sich signifikant voneinander unterscheiden, dann gibt es
zwischen den Bildungsgängen deutliche Leistungsunterschiede.
Verteilung nach Geschlecht
Die Verteilung der Mädchen und Jungen der Vergleichsarbeit 2002 ist
gleichmäßig. Einen kleinen Überschuss bei den Mädchen gibt es in der
Vergleichsarbeit 2001. Eine Untersuchung im Zusammenhang des Geschlechts
wird es im Rahmen dieser Arbeit nicht geben.
69

Tabelle 2: Verteilung der Schüler nach Geschlecht
Geschlecht
2001 2002
Total % Total %
Männlich 1172 47,2 1250 50,7
Weiblich 1309 52,8 1216 49,3
Total 2481 100 2466 100
6.2 Ergebnisse der Vergleichsarbeit 2001
Wie in den Punkten zuvor bereits erwähnt, ist aufgrund der diffizilen
Datengrundlage nur eine Betrachtung einzelner isolierte Bereiche für die
Vergleichgsarbeit 2001 möglich. Und weil die Untersuchung nicht über die
Aufgabenstruktur durchgeführt werden kann, können die globalen
Zusammenhänge, die für eine Rekonstruktion der Schreibprozesse notwendig
sind, nicht hergestellt werden. Lesen und Schreiben als Problem können für die
Schüler der Vergleichsarbeit 2001 nur schwer konstatiert werden, denn wie im
theoretischen Teil dieser Arbeit herausgestellt wurde, ist für die Betrachtung
dieser beiden Handlungen als Problem die epistemische Funktion des
Schreibens und Lesens sowie den, durch die Aufgabenstruktur impliziert,
strategischen Wissenserwerb durch Textrezeption wichtig. Die Aufgabenstruktur
als Mittel zur Überprüfung von breichsspezifischer Wissenselaboration nimmt
eine wesentliche Stellung innerhalb der Datenanalyse ein. Da von allen
Aufgaben jedoch nur eine in die Datenaufbereitung aufgnommen wurde, ist eine
Rekonstruktion des Problemlöseprozesses weitgehend nicht möglich. Einige
wenige Resultate zum Problemlöseprozess werden dennoch durch die
produktorientierte Betrachtungsweise gewonnen werden.
Wegen der Datenerhebung ist es nur möglich, verschiedene isolierte Bereiche
näher zu beleuchten. Ein Zusammenhang zwischen Textrezeption und
Textproduktion kann nur schwer hergestellt werden, weil dafür wichtige Variablen
nicht zur Verfügung stehen bzw. vorhandene Variablen so erhoben wurden, dass
diese nicht sicher verwertbar sind.
70

6.2.1 Textrezeption – Verstehen eines Sachtextes
Die Textrezeption wird deshalb vor den Punkt Textproduktion gestellt, weil das
Lesen bzw. das Verstehen eines Sachtextes erforderlich für das Lösen der
Aufgaben war. Wenn der Text von den Schülern nicht hinreichend gelesen und
verstanden wurde, dann konnten sie die Aufgaben nicht zufriedenstellend lösen.
6.2.1.1 Elaboration bereichsspezifischen Wissens: Rezeption eines
Sachtextes und von Illustrationen
a) Rezeption eines Sachtextes
Methodik
Aus der Vergleichsarbeit 2001 sollten die Schüler verschiedene Textsorten
rezipieren. Neben einem Sachtext gab es noch eine Tabelle und einen Cartoon,
die als bildunterstützende Elemente das Verstehen des Sachtextes erleichtern
sollten. Das Textverständnis wird durch einen Vergleich zwischen dem Textinhalt
des Einlegeblattes und dem Textinhalt der Schülertexte ermittelt. Dabei stellt sich
die Frage, wie hoch die Übernahme der Propositionen aus dem Originaltext in
den Schülertexten ist. Beim Einlegeblatt gilt zu beachten, dass nicht nur der
Aussagengehalt aus dem Text, sondern auch der aus dem Cartoon und der
Tabelle berücksichtigt werden muss. Für den Vergleich werden sowohl aus dem
Text als auch aus dem Cartoon und der Tabelle die Propositionen gefiltert. Diese
Filterung wird als Schablone genutzt, unter diese für einen Vegleich die noch zu
erfassenden Propositionen der Schüler gelegt werden. Die einzelnen
Propositionen aus dem Text können zu Themenfeldern zusammengefasst
werden:
- Lesen und Schreiben sind Grundvoraussetzungen.
- Lesen und Schreiben sind wichtig für das Arbeiten am Computer und im
Internet.
- Fernsehen und Internet sind interessanter als das Lesen von Büchern.
Die Propositionen des Comics lauten:
- Fernsehen ist schöner als Lesen.
- Fernsehen ist bequemer als Lesen.
71

Bei Berücksichtigung der Bild-Text-Komposition enthält der Comic die
Grundaussage, dass zu viel Fernsehen sich negativ auf das Lesen und
Schreiben auswirkt.
Aus der Tabelle können diese Propositionen festgehalten werden:
- Freunde treffen - Musik hören
- Sport treiben - Fernsehsendungen sehen
- Faulenzen und Träumen - Partys feiern
- Bücher lesen - Rad fahren
- Zeitschriften lesen - Videofilme sehen
- Shopping
In einem nächsten Schritt wurde für die drei Bildungsgänge Gymnasium,
Realschule und Hauptschule jeweils eine Stichprobe von etwa 10% der
Gesamtstichprobe gezogen, mit deren Hilfe dann durch Auszählung die am
häufigsten aufgetretenen Propositionen aussortiert wurden. Insgesamt wurden
Daten von 115 Gymnasiasten, 93 Realschülern und 42 Hauptschülern
ausgezählt.
Tabelle 3: Übersicht der Stichproben
Stichprobe
Propositionen
Gym RS HS
Total 115 93 42
% 10 10 10
Hypothese
Die Hypothese ergibt sich aus einer in der Zusammenfassung zur Theorie im Teil
I formulierten These:
These
Das Leseverständnis wird sich in Form von Propositionen in den
Schreibprodukten der Schüler wiederfinden.
Hypothese
Wenn sich die Propositionen aus dem Sachtext in den Schülertexten
wiederfinden, dann haben die Schüler den Text bzw. mindestens den
übernommenen Inhalt des Textes verstanden.
72

Ergebnisse
Die häufigsten Propositionen, die Gymnasiasten verarbeiteten, sind folgende (die
Darstellungen zeigen in Bezug auf die Häufigkeit der Propositionen eine
abwärtsgerichtete Stufung):
- Lesen und Schreiben sind Grundvoraussetzungen.
- Die These stimmt nicht. (Der Computer macht Lesen und Schreiben nicht
überflüssig.)
- Die Handhabung des Computers erfordert Lesen und Schreiben.
- Die Nutzung des Internet erfordert Lese- und Schreibkompetenz.
- Die Arbeit mit dem Computer erfordet Lesen und Schreiben.
- Der PC erleichtert die Arbeit in Beruf und Schule.
- Orthographie ist wegen des Korrekturprogramms weniger wichtig.
- Der PC erhöht Lese- und Schreibkompetenz.
- Der PC kann nicht alles.
Realschüler verarbeiteten vorzugsweise solche Propositionen:
- Lesen und Schreiben sind Grundvoraussetzungen.
- Die Handhabung des Computers erfordert Lesen und Schreiben.
- Der PC erleichtert die Arbeit in Beruf und Schule.
- Die Nutzung des Internet erfordert Lese- und Schreibkompetenz.
- Die Arbeit mit dem Computer erfordert Lesen und Schreiben.
- Die These stimmt nicht. (Der Computer macht Lesen und Schreiben nicht
überflüssig.)
- Das Internet bietet preiswerten und fast uneingeschränkten Zugang zu
Informationen.
- Der PC kann nicht alles.
- Orthographie ist wegen des Korrekturprogramms weniger wichtig.
- Der PC erhöht Lese- und Schreibkompetenz.
- Der Computer vereinfacht Lesen und Schreiben.
- Der Computer ist unterschiedlich einsetzbar.
- Der PC wird häufiger zum Spielen eingesetzt als zum Arbeiten.
- Spezielle Software hilft sowohl beim Erlernen und Verbessern von Lesen
und Schreiben als auch beim Erlernen von Femdsprachen.
Die folgende Darstellung zeigt, welche Propositionen Hauptschüler am
häufigsten verwendeten:
- Die Nutzung des Internet erfordert Lese- und Schreibkompetenz.
73

- Der PC erleichtert die Arbeit in Beruf und Schule.
- Die Handhabung des Computers erfordert Lesen und Schreiben.
- Die Arbeit mit dem Computer erfordert Lesen und Schreiben.
- Das Internet bietet preiswerten und fast uneingeschränkten Zugang zu
Informationen.
- Lesen und Schreiben sind Grundvoraussetzungen.
- Die These stimmt. (Der Computer macht Lesen und Schreiben
überflüssig.)
- Die These stimmt nicht. (Der Computer macht Lesen und Schreiben nicht
überflüssig.)
- Orthographie ist wegen des Korrekturprogramms weniger wichtig.
- Der Computer hat Vorteile.
- Die Arbeit am Computer spart Zeit.
- Der Computer kann sowohl zum Spielen als auch zum Arbeiten benutzt
werden.
- Computer können auch mal ausfallen bzw. arbeiten nicht fehlerfrei.
- Der Computer ist interessanter als herkömmliche Informationsquellen.
- Der Computer drängt die Handschrift zurück.
Die Übersicht veranschaulicht, dass sich mit den Bildungsgängen Unterschiede
in der Verwendung von Propositionen abzeichnen, was die Aspekthypothese, die
in der Stichprobenbeschreibung zu den Bildungsgängen gestellt wurde,
verifiziert. Während Gymnasiasten quantitativ weniger Propositionen in ihren
Texten aufweisen, zeigen die Texte von Real- und Hauptschülern zunehmend
mehr verwendete Propositionen.
Bei der Zuordnung der Propositionen von den Schülertexten auf den
Ursprungstext ergeben sich für die Schüler aller drei Bildungsgänge ähnliche
Ergebnisse: Die in den Schülertexten verarbeiteten Aussagen sind teilweise
analog zu den im Ursprungstext enthaltenen. Am häufigsten wurde genannt,
dass das Lesen und Schreiben allgemeine Grundvoraussetzungen und für das
Arbeiten mit dem Computer und das Internet wichtig sind. Weniger wurde auf das
Themenfeld „Fernsehen und Internet sind interessanter als das Lesen von
Büchern” eingegangen. Die Erklärung dafür ist in der Aufgabenstellung zu finden,
da dieses Themenfeld, repräsentiert durch die Tabelle, von den Schülern bereits
in der dritten Aufgabe abgehandelt werden sollte. Weiterhin wurden die Schüler
im Übergang zur vierten Aufgabe darauf hingewiesen, dass in der Tabelle der
Computer als Freizeitbeschäftigung nicht genannt wurde und sie deshalb
74

Stellung zur These „Der Computer macht Lesen und Schreiben überflüssig”
nehmen sollten und daher das Themenfeld „Fernsehen und Internet sind
interessanter als das Lesen von Büchern” nicht beachtet wurde.
Die Hypothese für diesen Punkt kann dennoch weitgehend bestätigt
werden. Die Schülertexte aller drei Bildungsgänge weisen mehrheitlich
Propositionen aus dem Sachtext auf, was auf Elaboration bereichsspezifischen
Wissens aufgrund verstehenden Lesens zurückgeführt werden kann. Weil der
Problemlöseprozess wegen fehlender Daten nicht rekonstruiert werden und nur
eine produktorientierte Auswertung erfolgen kann, bleibt zu vermuten, dass die
aufgabenbezogenen Lesestrategien den Problemlöseprozess unterstützt haben
und daher Propositionen des Sachtextes in die Schreibproduktion einfließen
konnten.
b) Rezeption von Illustrationen
Hypothese
Es wurde in der theoretischen Grundlage in Kapitel 3.3 auf die besondere
Stellung von illustrativen Elementen innerhalb von Texten aufmerksam gemacht.
Dabei wurde herausgestellt, dass Bilder und Tabellen den Leseprozess
erleichtern können.
These
Die Informationen/Propositionen aus der Tabelle und dem Cartoon
werden im Leseprozess verstärkt beachtet und lassen sich deshalb im
Schreibprodukt nachweisen.
Hypothese
Wenn sich die Propositionen aus der Tabelle und dem Cartoon in den
Schülertexten nachweisen lassen, dann haben die Schüler beide
Textsorten verstärkt beachtet.
Ergebnisse
Da, wie im Punkt zuvor erwähnt, die Schüler weniger auf das Themenfeld
„Fernsehen und Internet sind interessanter als das Lesen von Büchern”
eingegangen sind, sind auch die Propositionen aus der Tabelle überwiegend
75

nicht in den Schreibprodukten der Schüler auszumachen. Die Erklärung für
diesen Verzicht auf das Themenfeld liegt, wie oben im Punkt zur Verarbeitung
des Sachtextes bereits angemerkt, in der Aufgabenstellung. Das zieht den
Schluss nach sich, dass der Inhalt der Tabelle nicht bzw. fast gar nicht für die
Lösung der vierten Aufgabe berücksichtigt und in das Schreibprodukt
eingebunden wurde. Ähnlich verhält es sich mit dem Comic. Denn auch seine
Aussagen werden nicht bevorzugt in der Textproduktuion von den Schülern
verarbeitet. Der Grund dafür ist vermutlich auch hier in der Aufgabenstruktur zu
finden, da bereits in der zweiten Aufgabe die Schüler die auf dem Einlegeblatt
abgebildeten und vertexteten Informationen zusammenfassen sollten.
Letztendlich kann nicht überprüft werden, ob die Rezeption des Textes auf dem
Einlegeblatt durch die Integration von Illustrationen erleichtert werden konnte, wie
es in verschiedenen Modellen zur Bildverarbeitung angenommen wird. Es kann
festgehalten werden, dass die Inhalte der Tabelle und des Comics nicht explizit
im Schreibprodukt der vierten Aufgabe wiederzufinden sind. Deshalb muss davon
ausgegangen werden, dass die illustrativen Elemente nicht verstärkt beachtet
wurden und sie nicht zu einer qualitativ inhaltlich dichteren Aussagekraft führen
konnten.
Wie verhalten sich die Gruppen Realschule, Hauptschule und Gymnasium
zueinander in Bezug auf die Verwendung bestimmter Propositionstypen? Gibt es
signifikante Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Aussagen, die von allen
Bildungsgängen gleichermaßen präferiert wurden? Diese Fragen sind sehr
interessant, können aber nicht mit einem Signifikanztest beantwortet werden. Ein
Signifikanztest überprüft, inwieweit sich die Mittelwerte der einzelnen Gruppen
unterscheiden. Leider können für die Propositionen keine Mittelwerte gebildet
werden, weil die Variablen für die Propositionen keine empirische Relevanz
haben, also die Zahlen (Variablen) nicht in Bezug zueinander gesetzt werden
können.
c) Fazit
In welchem Maße der Text verstanden wurde und wie sich das Textverständnis
zwischen den Bildungsgängen unterscheidet, ist mit der Datenmatrix nicht
ermittelbar. Es konnten aber Ergebnisse zu einzelnen Punkten erzielt werden, so
dass mit ihnen Rückschlüsse auf das Textverständnis möglich sind. Der Sachtext
floss stärker in die Schreibprodukte der Schüler ein als die Tabelle und der
76

Cartoon. Es kann von einer stärkeren Rezeption des Sachtextes und von fast
keiner Rezeption der Illustrationen in Aufgabe (4) ausgegegangen werden. Wird
auf die gewonnen Ergebnisse zum Sachtext und zu den Illustrationen die
Globalhypothese bezogen, dann ist ein Problemlöseprozess im begrenzten
Rahmen produktorientierter Betrachtungen erkennbar, da die Schüler durch
Textrezeption bereichsspezifisches Wissen aufbauen konnten. Die Frage,
inwiefern dieses Wissen schriftlich-konzeptual von den Schülern verarbeitet
wurde, wird im nächsten Kapitel Gegenstand sein.
6.2.2 Textproduktion – Schreiben einer Erörterung
Dieses Kapitel wird sich beschäftigen mit der Qualität der Schreibprodukte der
Neuntklässler. Das bedeutet eine Untersuchung der Schülertexte im Hinblick auf
die Art und Weise der Verarbeitung bereichsspezifischen Wissens. Dazu werden
Aspekte zur inhaltlichen und sprachlich-formalen Produktion untersucht.
6.2.2.1 Inhaltliche Folgerichtigkeit
Methodik
In den theoretischen Grundlagen wurden die Textordnungsmuster von
Feilke/Augst vorgestellt, die für die Auswertung der Ergebnisse herangezogen
werden sollen. Die Überprüfung der inhaltlichen Folgerichtigkeit ist für die
Untersuchung ein notwendiger Arbeitsschritt, um Textordnungsmuster nach
Feilke/Augst entweder ein- oder auszugrenzen. Aus ontogenetischer Sicht
können bei Neuntklässlern Texte mit überwiegend material-systematischem
Ordnungsmuster angenommen werden. Die Betonung dieses Musters liegt
vorrangig auf der Wiedergabe von Argumenten/Propositionen. Deshalb ist eine
Untersuchung der Schülertexte zur logischen Argumentationsfähigkeit notwendig.
Dagegen steht das linear-reihende Muster, gekennzeichnet durch eine isolierte
und unkommentierte Folge von Aussagen. Es wird aufgrund negativer
curricularer Einflüsse vermutet, dass überwiegend dieses Textordnungsmuster in
den Schülertexten vorhanden ist. Um diese Annahme zu überprüfen, wird es
Untersuchungen zur Referenz und Rekurrenz geben. Treffen beide Muster nicht
77

zu, kann ebenso ein formal-systematisches vermutet werden, wenn sowohl
Argumente als auch die inhaltliche Verbundenheit dieser Argumente erkennbar
sind.
Der Grad der inhaltlichen Folgerichtigkeit zeigt den Grad der inhaltlichen
Argumentationsfähigkeit bzw. Kohärenz an. Mit Kohärenz ist im Sinne der
inhaltlichen Folge die thematische, argumentative Entfaltung gemeint. Aufgrund
der Datengrundlage der Vergleichsarbeit 2001 kann die inhaltliche
Folgerichtigkeit der Schülertexte im Rahmen dieser Arbeit nicht ermittelt werden,
weil diese als Variable nicht existiert. Im Datendesign wurde veranschaulicht,
dass die Daten einer linearen Systematik folgen und dementsprechend aus
dieser Linearität die inhaltliche Folge extrahiert werden muss. Praktisch ist das
nicht durchführbar, weil die semantische Verbindung der Propositionen für die
gesamte Population nicht nachvollziehbar ist. Es wurde zwar schon
herausgearbeitet, welche Propositionstypen besonders häufig verwendet
wurden, aber es ist in dem kleinen Rahmen dieser Arbeit nicht möglich
einzuschätzen, ob sie semantisch korrekt verknüpft sind. Es besteht die
Möglichkeit, durch Ziehung von Zufallsstichproben Fälle auf inhaltliche
Folgerichtigkeit zu untersuchen. Jedoch ist selbst diese Methode zu
zeitaufwändig, als dass sie hier realisiert werden könnte. Aus diesen Gründen
kann die Überprüfung der Schreibprodukte auf ein material-systematisches
Textordnungsmuster, welches dem linear-reihenden in dieser Untersuchung
gegenübersteht, nur begrenzt erfolgen. Die Untersuchung wird sich weitgehend
auf eine Überprüfung der allgemeinen Verarbeitung von Propositionen
beschränken, ohne statistsiche Zusammenhänge zu anderen Variablen
herzustellen. Eine Ausnahme kann in Bezug auf den die Erörterung einleitenden
Satz gemacht werden, für den die Variablen „Proposition”, „Referenz” und
„Rekurrenz” zusammenhängend betrachtet werden können.
Hypothese
Die Hypothese wird in mehreren Arbeitsschritten untersucht. Dazu gehören die
Untersuchungen zur Referenz und Rekurrenz.
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
78

Alternativhypothese
Wenn die Folge von Aussagen überwiegend isoliert und unkommentiert
ist, dann weisen die Schreibprodukte der Schüler ein linear-reihendes
Muster auf.
Da dem linear-reihenden Textordnungsmuster das material-systematische
gegenüber gestellt wird, weil Erkenntnissen zufolge dieses Muster in Texten von
Neuntklässlern in der Regel zu finden ist, muss zur Alternativhypothese eine
Nullhypothese formuliert werden. Die Nullhypothese wird dann Gegenstand der
Untersuchung, wenn die Alternativhypothese nicht zutrifft. 168 Eine zweite, zur
ersten konkurrierenden, Nullhypothese ist erforderlich, weil empirischen
Erkenntnissen zufolge auch ein formal-systematisches Textordnungsmuster
möglich ist, das vorrangig bei Zehntklässlern zu finden ist. Dieses Muster
zeichnet sich durch eine inhaltliche sowie eine sprachlich-formale Folgerichtigkeit
infolge einer Pro-Contra-Systematik aus.
Nullhypothese 1
Wenn die Betonung auf der Wiedergabe von Argumenten/Aussagen liegt,
dann ist ein material-systematisches Textordnungsmuster anzunehmen.
Nullhypothese 2
Wenn sowohl Argumente wiedergegben werden als auch eine sprachlichformale
Folge erkennbar ist, dann ist ein formal-systematisches
Textordnungsmuster anzunehmen.
Die Alternativhypothese muss für die nächsten Arbeitsschritte spezifiziert werden,
wobei die Spezifizierungen diese Hypothese verifizieren oder falsifizieren.
168 Vgl. Bortz 1999, 109
79

a) Argumentationsverfahren
Methodik
Hier soll die Art und Weise der Verarbeitung von Propositionen ermittelt werden.
Dafür werden die im Punkt 6.2.1 „Textrezeption” aus den Schülertexten
ausgezählten Propositionen auf allgemeine und konkrete Sachbezüge hin
getestet.
Hypothese
Hier soll die Alternativhypothese an den spezifischen Untersuchungsgegenstand
angepasst werden:
Hypothese
Wenn in den Schülertexten die Propositionen in unterschiedlicher Weise
hinsichtlich allgemeiner und besonderer Sachbestände verarbeitet
wurden, dann deutet die thematische Entwicklung auf unterschiedliche
Argumentationsverfahren hin.
Ergebnisse
Im Punkt der Textrezeption wurden die am häufigsten verarbeiteten
Propositionen schon angegeben. Nun stellt sich die Frage, inwieweit sie sich in
Abhängigkeit zu den Bildungsgängen unterscheiden und ob die Aspekthypothese
greift. Offensichtlich ist bei den Gymnasialschülern zunächst einmal die geringe
Reichhaltigkeit hinsichtlich der Propositionen gegenüber der Vielfalt bei den
Haupt- und Realschülern. Daraus kann eine bestimmte Art des
Argumentationsverfahrens geschlussfolgert werden. Die Propositionen der
Gymnasialschüler bezeichnen hauptsächlich allgemeine Sachbestände, so dass
eine induktive Argumentationsstrategie angenommen werden kann. Zwar stehen
bei Haupt- und Realschülern auch allgemeine Aussagen an erster Stelle, aber im
Gegensatz zu den Gymnasialschülern brachten sie mehr und konkretere
Aussagen in ihr Schreibprodukt ein. Die Vermutung eines deduktiven
Argumentationsverfahrens liegt hier nahe.
Zwar geben diese Ergebnisse nicht viel Aufschluss über die Verwendung eines
linear-reihenden Textordnungsmusters. Jedoch indizieren sie die Tendenz zu
einem material-systematischen Textordnungsmuster vom Bildungsgang
80

Gymnasium über die Realschule hin zur Hauptschule, deren Schüler mehr
verschiedene Aussagen wiedergegeben haben, womit die konkurrierende
Nullhypothese 1 die Alternativhypothese als nichtig einstuft.
b) Referenz
Methodik
Die Referenz zeigt die Position des Schreibers zum Sachverhalt an: subjekt- oder
objektreferentiell. Im Folgenden wird die Referenz im ersten Satz der
Schreibprodukte analysiert und verglichen mit der Schreiberhaltung zum Rest
des Schreibproduktes. Leider ist eine Untersuchung der Referenz für den
Schluss der Erörterung nicht umzusetzbar, weil es keine Daten zu
Schlussmarkierungen gibt. Die Teiluntersuchung zur Referenz ist insofern
wichtig, weil mit ihr der Einfluss von Lehrplänen auf das schriftliche Konzipieren
von Textsorten, insbesondere von schulischen Erörterungen, überprüft werden
kann. Weiterhin kann aufgrund dieser Ergebnisse und denen zur Rekurrenz
vermutet werden, ob dieser Einfluss sich negativ auf das Schreibprodukt
auswirkt, die Schüler Schwierigkeiten in der schriftlichen Konzeptualisierung
haben. In diesem Fall würde ein linear-reihenden Textordnungsmuster vorliegen
und die Hypothese zu diesem Muster könnte für diesen Untersuchungsbereich
verifiziert werden.
Hypothese
These
Die Lehrpläne prägen den Schreibprozess und damit das Schreibprodukt
insofern, als dass die Schüler subjektive Standpunkte entweder in der
Einleitung oder im Schluss verorten.
Hypothese
Wenn im ersten Satz überwiegend subjektreferentiell gehandelt wird,
dann üben die Lehrpläne Einfluss auf den Schreibprozess und die
Schreibprodukte der Schüler aus.
81

Ergebnisse
Interessante Ergebnisse konnten im Hinblick auf den ersten, von den Schülern
produzierten Satz gewonnen werden. So zeigt sich bei der Gesamtpopulation,
dass im Gegensatz zum Rest des Schreibproduktes deutlich mehr als die Hälfte
aller Schüler (61%) den ersten Satz in der Ich-Form, subjektreferentiell verfasst
hat. Insgesamt haben von 2481 Schülern genau 2458 einen Text produziert, so
dass für die Untersuchung der Referenz eine Totale von 2458 Schülern
angegeben wird.
Tabelle 4: Referenz im ersten Satz
Referenz
Häufigkeit %
Objektreferentiell 958 39,0
Subjektreferentiell 1500 61,0
Total 2458 100
Erklären lässt sich dieses Ergebnis mit der Formulierung der vierten Aufgabe, in
der die Schüler direkt angesprochen und gebeten wurden, Stellung zur These zu
nehmen und ihre Aussagen zu begründen. Ebenso können die Lehrpläne und
der praktische Unterricht als Gründe für dieses Ergebnis herangezogen werden,
weil die subjektive Meinungsäußerung, wie in Kapitel 3.2 dieser Arbeit bereits
erläutert, laut Curriculum entweder an den Anfang oder an den Schluss einer
Erörterung gestellt werden soll. Die Arbeitshypothese konnte bestätigt werden.
Gleiches gilt für die Hypothese zum linear-reihenden Textordnungsmuster,
obgleich für diese Hypothese noch nicht geklärt werden konnte, ob
Schwierigkeiten bei der thematischen Entfaltung existieren.
In einem weiteren Schritt soll die Aspekthypothese untersucht werden, denn ein
anderes Bild ergibt sich, sobald die Bildungsgänge in Bezug auf die Referenz im
ersten Satz verglichen werden. Für die Ermittlung der Referenzart wurde ein
zweigliedriger Auswertungsparameter erstellt, wobei der Wert
1=„objektreferentiell“ und der Wert 2=„subjektreferentiell“ bedeutet.
Dementsprechend bewegen sich die Mittelwerte zwischen den Werten 1 und 2.
82

Der Student-Newman-Keuls-Test stellt drei homogene Untergruppen mit
drei verschiedenen Mittelwerten (MW) dar, die sich signifikant voneinander
unterscheiden.
Tabelle 5: ONEWAY ANOVA-Signifikanztest für die Referenz im ersten Satz
Bildungsgang N
Untergruppe für Alpha = .05.
1
2
3
MW MW MW
Hauptschule 320 1,48 . .
Realschule 982 . 1.56 .
Gymnasium 1156 . . 1.69
Signifikanz . 1.000 1.000 1.000
Student-Newman-Keuls-Prozedur
Die Mittelwerte für die in homogenen Untergruppen befindlichen Gruppen werden
angezeigt.
a Verwendet ein harmonisches Mittel für Stichprobengröße = 598,996.
b Die Gruppengrößen sind nicht identisch. Es wird das harmonische Mittel der
Gruppengrößen verwendet. Fehlerniveaus des Typs I sind nicht garantiert.
Eine deskriptive Statistik gibt Aufschluss über die weitere Verwendung der
Referenz. Während die Schüler aller Bildungsgänge im ersten Satz mehrheitlich
eine subjektreferentielle Haltung zum Thema einnahmen, tendierten sie im Laufe
des Textproduktionsprozesses zu einem objektiven Schreibstil. Die Mittelwerte
dafür bewegen sich hauptsächlich im Bereich zwischen 1,10 und 1,24. Das
bestätigt die in Kapitel 3.2 zugrunde gelegten Erkenntnisse einer bestimmten
Platzierung eigener Meinungen und Standpunkte entweder in der Einleitung oder
im Schlusssatz von Erörterungen, während die Schüler lernen, im Hauptteil eine
objektive Schreibhaltung einzunehmen.
Probleme in der schriftlichen Konzeptualisierung sind in diesem Punkt
nicht auszumachen, so dass die Hypothese zum linear-reihenden Muster nicht
greift und von der Verwendung eines material-systematischen
Textordnungsmusters ausgegangen werden muss.
83

c) Verhältnis von Propositionen und Referenz im ersten Satz
Methodik
Die Ergebnisse zur Referenz sollen im Zusammenhang zur bevorzugten
Verwendung bestimmter Propositionen im einleitenden ersten Satz betrachtet
werden. Dafür müssen die im ersten Satz favorisierten Propositionen ermittelt
werden. Es wird aufgrund curricularer Einflüsse angenommen, dass die Schüler
ihre Erörterungen eingeleitet haben, indem sie direkt auf die in der
Aufgabenstellung angeführten und zu bearbeitenden These eingegangen sind
und einen eigenen Standpunkt zur These dargelegt haben.
Hypothese
These
Die Lehrpläne prägen den Schreibprozess und damit das Schreibprodukt
insofern, als dass der Aufbau der schulischen Erörterung in Einleitung,
Hauptteil und Schluss von den Schülern realisiert wird und eigene
Standpunkte entweder in der Einleitung oder im Schluss verortet werden.
Hypothese
Wenn die Schüler in der Einleitung Bezug zur These genommen und sich
subjektiv zur These geäußert haben, dann sind das die Spuren
curricularer Einflüsse.
Ergebnisse
Da nun geklärt wurde, dass mehr als die Hälfte (61,0%) aller Schüler im ersten
Satz subjektreferentiell agiert hat, ist interessant zu schauen, welche
Propositionen im ersten Satz bevorzugt verarbeitet wurden: Genau 75% der
Schüler bezogen sich direkt auf die These. So stimmten mehr als 50% der These
nicht zu, nach welcher der Computer Lesen und Schreiben überflüssig macht.
Die restlichen 8,3% und 12,7% verteilen sich auf die Aussagen „die These
stimmt“ (Der Computer macht Lesen und Schreiben überflüssig) und „die These
stimmt teilweise“. Die obige Hypothese gilt somit teilweise als verifiziert, da den
Erörterungen überwiegend einleitende Worte vorangestellt wurden. Welche
Propositionen im Hauptteil verwendet und ob die Aufsätze mit einem Ende
markiert wurden, kann aus ökonomischen Gründen nicht überprüft werden.
84

Tabelle 6: Bevorzugter Propositionstyp im ersten Satz
2001 Klasse 9 Gesamt These These stimmt These stimmt
Gesamtpopulation
Stimmt nicht teilweise
Total 1862 206 1340 316
% 75 8,3 54,0 12,7
Aber schrieben die Schüler, die diese Aussagen machten, auch überwiegend in
der Ich-Form? Die Werte der hier im Anschluss stehenden Tabelle lassen sich
wie folgt interpretieren: Insgesamt haben von 958 Schülern, die im ersten Satz
objektiv geschrieben haben, 526 objektreferentielle Aussagen in Bezug auf die
These gemacht. Von den 526 Schülern haben 307 Schüler sich gegen die These
ausgesprochen. Das sind 32% von 100%. Überwiegend nehmen die Schüler
aber eine subjektive Haltung gegenüber der These ein. In der Tabelle 7 wird ein
enges Verhältnis zwischen den drei ausgewählten Propositionstypen und der Art
der Referenz offenkundig.
Tabelle 7: Verhältnis der bevorzugten Propositionen und Referenz im ersten Satz
bezogen auf die Gesamtpopulation*
Propositionstyp Objektreferentiell
These stimmt 103 (10,8%)
These stimmt nicht 307 (32,0%)
These stimmt teilweise 116 (12,1%)
Subjektreferentiell
Total
103 (6,9%) 206 (8,4%)
1033 (68,9%) 1340 (54,5%)
200 (13,3%) 316 (12,9%)
Total 526 (958) 1336 (1500) 1862 (2458)
54,9% (100%) 89% (100%) 75,8% (100%)
*Die Tabellen lesen sich wie folgt: Neben den Rohwerten stehen in Klammern die
prozentualen Entsprechungen. In der horizontalen Totalzeile sind für die Objektund
die Subjektreferenz jeweils die Rohwerte und die entsprechenden Prozente
solcher Schüler eingetragen, die im Zusammenhang mit den drei ausgewählten
Propositionen gehandelt haben. Die Werte in Klammern zeigen alle Schüler, die
den ersten Satz unabhängig von den drei ausgewählten Propositionen in objektoder
subjektreferentieller Form verfasst haben. Gleiches gilt für die letzte Zelle in
der vertikalen Totalleiste. Ein Beispiel soll das Verfahren verdeutlichen:
Insgesamt formulierten 526 (54,9%) von 958 (100%) Schülern objektreferentielle
Einleitungen. Bei den insgesamt 958 Schülern sind auch jene zugehörig, die
unabhängig von den drei ausgewählten Propositionen objektreferentielle
Einleitungen verfassten. Für die folgenden Tabellen in diesem Punkt gilt das
gleiche Prinzip.
Die Arbeitshypothese für diesen Punkt kann bestätigt werden, denn in den
gewonnen Ergebnissen (Tabelle 7) scheint sich das curriculare Konzept von der
85

schulischen Erörterung wieder zu finden, nach dem ein Schüler innerhalb der
Dreigliedrigkeit einer Erörterung entweder in der Einleitung oder im Schluss seine
Meinung zum Sachverhalt äußern sollte, während er im Hauptteil einen
objektiven Standpunkt zu seinen Äußerungen einzunehmen hat. Das wird
deutlich durch die überwiegend subjektive Haltung sowie das direkte Aufgreifen
der These im ersten Satz und durch die vorwiegend objektive Einstellung zum
Sachverhalt im restlichen Verlauf des Textes.
In den nächsten drei Tabellen wird die Aspekthypothese untersucht, indem der
Bezug zur These in Abhängigkeit zu den Bildungsgängen betrachtet wird:
Tabelle 8: Gymnasium – Referenz
Propositionstyp Objektreferentiell Subjektreferentiell Total
These stimmt 31 (8,6%)
These stimmt nicht 106 (29,4%)
These stimmt teilweise 47 (13%)
Total 184 (361)
51% (100%)
40 (5,0%) 71 (6,1%)
568 (71,4%) 674 (58,3%)
121 (15,2%) 168 (14,5%)
729 (795)
91,7% 100%
912 (1156)
79% (100%)
Tabelle 9: Realschule – Referenz
Propositionstyp Objektreferentiell Subjektreferentiell Total
These stimmt 49 (11,4%)
These stimmt nicht 149 (34,6%)
These stimmt teilweise 57 (13,2%)
Total 255 (431)
59% (100%)
86
47 (8,5%) 96 (9,8%)
368 (66,8%) 517 (52,6%)
64 (11,6%) 121 (12,3%)
479 (551)
87% (100%)
734 (982)
75% (100%)

Tabelle 10: Hauptschule – Referenz
Propositionstyp Objektreferentiell Subjektreferentiell Total
These stimmt 23 (13,9%)
These stimmt nicht 52 (31,3%)
These stimmt teilweise 12 (7,2%)
Total 87 (166)
52,4% (100%)
16 (10,4%) 39 (12,2%)
97 (63%) 149 (46,6%)
15 (9,7%) 27 (8,4%)
128 (154)
83% (100%)
215 (320)
67% (100%)
Aus allen drei Tabellen geht hervor, dass vor allem zur Proposition „die These
stimmt nicht“ in der Ich-Form geschrieben wurde. Prozentual zeigen sich hier bei
den Bildungsgängen Unterschiede, denn Gymnasialschüler stimmten häufiger
der These nicht zu als Real- und Hauptschüler. Dafür hielten mehr Hauptschüler
die These für richtig als Realschüler und Gymnasiasten und taten dies ohne
konkreten Selbstbezug.
Insgesamt nahmen Hauptschüler im ersten Satz weniger Bezug zur
These als Realschüler und Gymnasiasten. Das unterstützt die Ergebnisse, die
zur Art der Verwendung und vor allem der Vielfalt verschiedener
Propositionstypen gewonnen werden konnten und die Annahme, dass
Hauptschüler tendenziell induktive und Gymnasiasten tendenziell deduktive
Argumente hervorbrachten. Denn gerade die hohe Vielfalt der verwendeten
Propositionen bei den Hauptschülern schlägt sich hier in den Prozenten nieder.
Weil also Hauptschüler im Ganzen genommen im ersten Satz weniger Bezug auf
die These genommen haben, wurden in diesem ersten Satz häufiger noch
Propositionen gebraucht, die nicht direkt auf die These zielten und somit andere,
vermutlich konkrete, Sachverhalte ausdrücken. Es kann demnach konstatiert
werden, dass hinsichtlich der Referenz und dem direkten Bezug zur These
zwischen den Bildungsgängen Unterschiede vorhanden sind. Ob diese
Unterschiede qualitativer Art sind, ist nicht ersichtlich.
87

d) Rekurrenz
Methodik
Wie oft haben Schüler innerhalb ihres Schreibproduktes auf eigene Aussagen
verwiesen? Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen den Bildungsgängen?
Für die Untersuchung müssen die vielen unterschiedlichen Verweise auf die
Propositionen 169 , die in der Datenmatrix gespeichert sind, transformiert werden in
dichotome Variablen, weil nur so herauszufinden ist, wie häufig welche Gruppe
auf Propositionen verwiesen hat. Mit der dichotomen Methode kann jedoch nicht
geklärt werden, auf welche Propositionen vor allem rekurriert wurde. Im Sinne
dieser Methode wurde ein zweigliedriger Auswertungsparameter gewählt. Die
Werte bewegen sich zwischen 1 und 2, wobei der Wert 1= „kein Verweis“ und der
Wert 2= „Verweis angegeben“ bedeutet.
Hypothese
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
Die Formulierung der Hypothese wird sich auf die oben gestellte These beziehen.
Der Sachverhalt wird an die bisherigen Ergebnisse angepasst, da bisher keine
eindeutigen Beweise für eine überwiegende Verwendung des linear-reihenden
Textordnungsmusters aus den Ergebnissen zu den Schülertexten hervorgehen.
Hypothese
Wenn die Schüler überdurchschnittlich rekurriert haben, d.h. der
Mittelwert >1,5 ist, dann ist tendenziell eine inhaltliche Folge ersichtlich
und somit das linear-reihende Textordnungsmuster auszuschließen.
Ergebnisse
Im Großen und Ganzen weisen die Ergebnisse eindeutige Unterschiede
hinsichtlich der Häufigkeit von Rekurrenzen und infolgedessen der inhaltlichen
Dichte zwischen den Bildungsgängen auf, weshalb die Aspekthypothese stimmt.
169 Weil insgesamt 205 Propositionen von den Schülern notiert wurden, konnte auch
insgesamt auf diese 205 Propositionen verwiesen werden.
88

Mit Hilfe des ONEWAY ANOVA Signifikanztests konnte bis zur Proposition
Nummer 6 festgestellt werden, dass die Haupt- und Realschüler eine
gemeinsame homogene Gruppe bilden, sie also gleich häufig auf ihre Aussagen
innerhalb des Textes verwiesen haben. Von dieser Gruppe heben sich die
Gymnasialschüler ab. Sie rekurrierten stärker als Haupt- und Realschüler. Im
Durchschnitt befinden sich die Mittelwerte der Gymnasiasten bis zur sechsten
Proposition bei 1,76, wobei Haupt- und Realschüler Mittelwerte in einer
Spannbreite von 1,59 bis 1,72 haben. Dabei liegen die Mittelwerte und somit die
Häufigkeit der Verweise der Hauptschüler immer unter denen der Realschüler.
Ab der siebten Proposition ändern sich die Verhältnisse. Nun bilden
Hauptschüler und Gymnasiasten eine homogene Gruppe und grenzen sich von
den Realschülern ab. Je mehr die Schüler geschrieben haben, desto identischer
sind ihre Leistungen bezüglich der Rekurrenz. Denn ab Proposition 9
unterscheiden sich die Bildungsgänge bis auf eine Ausnahme (Proposition 11,
wo Realschüler und Gymnasiasten als auch Gymnasiasten und Hauptschüler
jeweils eine homogene Gruppe bilden) nicht signifikant voneinander. Zu
beachten ist jedoch die Abnahme der externen Validität infolge abnehmender
Repräsentativität der untersuchten Stichprobe, da etwa ab Proposition 11 die
Aussagen der Schüler dramatisch abnehmen und daher die Stichprobe kleiner
wird. Dies gilt explizit für die Gruppe der Hauptschüler, in der nur noch 13
Schüler 11 Aussagen/Propositionen realisiert haben. Kritisch wird es vor allem für
die Propositionen 15 bis 20, da auch die beiden anderen Gruppen zunehmend
kleiner werden. Dennoch sind die Ergebnisse interessant und können zu
weiteren Nachforschungen anregen, weshalb sie aufgeführt werden.
Für die Propositionen 15 bis 20 konnten nur für die Gymnasiasten und die
Realschüler Signifikanztests durchgeführt werden, weil nicht alle Schüler der drei
Bildungsgänge gleich viele Aussagen machten und ein Test nur unter dieser
Bedingung funktioniert. Der T-Test für Gymnasium und Realschule ergibt nur für
die Proposition Nummer 16 signifikante Unterschiede. Sonst sind die Leistungen
identisch, was die Annahme bestätigt, dass sich mit der Häufung der Aussagen
die Leistungen bezüglich der Kohärenz angleichen. Es kann die Vermutung
angestellt werden, dass sich unter den Schülern, die viel schreiben, mehrheitlich
Schüler mit kohärenteren Texten befinden. Hier lohnt es sich, weitere
Untersuchungen anzustellen und zu kontrollieren, ob die Vermutung sich
bestätigt. Denn identische Leistungen bedeuten nicht, dass diese auch gut sind
bzw. die Verweisfunktion hoch ist. Allerdings sind solche Untersuchungen mit der
Datengrundlage nicht leicht durchzuführen, weil die Linearität aufgebrochen
89

werden müsste. Hätte es für jeden einzelnen Schüler eine zusätzliche Variable
zu Verweisen in ihren Texten gegeben, die zusammenfasst, ob ein Schüler in
seinem Text durchgängig, nicht durchgängig oder überwiegend auf Aussagen
verwiesen hat, dann könnten Antworten auf die Frage gegeben werden, ob
Schüler mit viel Text auch stets häufig rekurrieren. Weil aber eine solche Variable
nicht existiert, kann hier darauf nicht genauer eingegangen werden. Dieser Punkt
muss vorerst offen bleiben.
Hinsichtlich der Hypothese zum linear-reihenden Textordnungsmuster
kann festgestellt werden, dass vor allem Gymnasiasten im Vergleich zu den
Real- und Hauptschülern eine kohärente thematische Entwicklung ausarbeiten,
weil sie stärker rekurrieren. Eine überdurchschnittlich hohe Rekurrenz deutet auf
kommentierte und begründete Aussagen hin, denn Verweise innerhalb eines
Textes geschehen in der Regel im Zuge einer Kommentierung bzw. Begründung
von Sachverhalten. Selbiges gilt auch für die Real- und Hauptschüler, die bis zur
sechsten Proposition einen Wert über 1,5 haben. Daher ist eine hohe inhaltliche
Folgerichtigkeit bei den Schülern anzunehmen und ein linear-reihendes
Textmuster nicht erkennbar. Es kann ein formal-systematisches
Textordnungsmuster erwartet werden, da begründete und kommentierte
Aussagen in der Regel durch Konnektoren verknüpft sind. Die Ergebnisse sind
für eine Analyse der Globalhypothese wichtig, denn es zeigt sich, dass unter dem
Aspekt der inhaltlichen Folgerichtigkeit bereichsspezifisches Wissen erfolgreich
schriftlich umgesetzt wird und somit ein Problemlöseprozess im Sinne der
definierten Globalhypothese stattgefunden hat.
e) Fazit
Die einzelnen Untersuchungsschritte haben zeigen können, dass statt eines
linear-reihenden Textordnungsmusters tendenziell ein material-systematisches,
aber auch tendenziell ein formal-systematisches Textordnungsmuster zu
vermuten sind. So ist bei allen Schülern überwiegend eine thematische
Entwicklung erkennbar. Weiterhin konnten die Annahmen zu curricularen
Einflüssen auf den Schreibprozess und infolge auf das Schreibprodukt bestätigt
werden. Denn die meisten Schüler haben der Erörterung eine Einleitung sowie
eigene Standpunkte vorangestellt, während sie im Hauptteil vornehmlich
objektreferentiell agiert und rekurriert haben. Im Rahmen dieser Untersuchung
90

konnten keine negativen Einflüsse im Hinblick auf die Leistungen der Schüler
durch die Lehrpläne ermittelt werden. Des Weiteren unterstützen die
gewonnenen Ergebnisse zur inhaltlichen Folge die Globalhypothese. Mehrfach
konnte den Schülern die Verarbeitung bereichsspezifischen Wissens in
kohärente Textstrukturen nachgewiesen werden.
Hinsichtlich der Aspekthypothese demonstrieren die Ergebnisse
Unterschiede zwischen den Bildungsgängen, was, obwohl in dieser
Untersuchung keine negativen Auswirkungen der Lehrpläne auf Schreibprozess
und Schreibprodukt festgestellt werden konnten, vermutlich auf die
Beschaffenheit der Lehrpläne für die einzelnen Bildungsgänge zurückgeführt
werden kann. So verfahren die drei Gruppen unterschiedlich in der
Argumentation. Gymnasiasten argumentieren vorrangig induktiv und
Hauptschüler deduktiv. Realschüler bewegen sich zwischen beiden
Argumentationsverfahren. Auch in der Einleitung zur Erörterung machen sich
Unterschiede bemerkbar. Während Gymnasiasten zu einem sehr großen Teil
direkten Bezug zur These, die sie erörtern sollten, genommen haben und über
90% von ihnen subjektreferentiell darauf reagierten, vermindert sich mit den
Bildungsgängen Real- und Hauptschule der Thesenbezug und die subjektive
Haltung. Die Abnahme des Thesenbezugs bei den Hauptschülern bestätigt die
induktive Vorgehensweise, da sie schon im ersten Satz viele andere
Propositionen verwendet haben und im weiteren Textverlauf ebenfalls eine
Häufung von Propositionen im Vergleich zu Gymnasiasten festgestellt werden
konnte. Gymnasiasten verweisen innerhalb ihrer Schreibprodukte
überdurchschnittlich oft und ordnen sich damit in den oberen Leistungsbereich
ein. Ähnlich sind die Real- und Hauptschüler einzustufen. Sie bewegen sich
hauptsächlich zwischen dem mittleren und oberen Leistungsbereich.
Inwiefern die unterschiedlichen Textordnungsmuster auf die Verwendung
satzverknüpfender Elemente zuzuweisen sind, wird im nächsten Kapitel erläutert.
91

6.2.2.2 Sprachlich-formale Folgerichtigkeit
Methodik
Wie bei der inhaltlichen Folge soll auch bei der sprachlich-formalen Folge die
Hypothese zum linear-reihenden Textordnungsmuster
Untersuchungsgegenstand sein. Um dies zu realsieren, müssen die
Konnektoren, mit denen Argumentation markiert werden kann, untersucht
werden. Konnexion wird mit Konjunktionen und Pronomen hergestellt und
bezeichnet syntaktische Beziehungen. Insgesamt wird die Analyse zur
Konnektorendurchgängigkeit (KD) schwierig werden, weil es keine abstrakte
Variable für sie gibt, die für jeden Schülertext bestimmt, ob Konnektoren
durchgängig oder nicht durchgängig verwendet wurden. Wie im
Untersuchungsdesign bemerkt, ist die Datenmatrix linear aufgebaut. So existiert
für jede Aussage eine Variable „Konnektor” (gebraucht/nicht gebraucht), aber
leider keine, die den gesamten Schülertext zusammenfasst. Aus diesem Grund
müssen Umwege gemacht werden, um zu den Ergebnissen zu gelangen.
Beispielsweise müssen in einem ersten Schritt Gruppen nach der Häufigkeit von
Propositionen gebildet werden, um daraus die durchschnittliche Länge eines
Textes zu ermitteln. In einer weiteren Etappe kann mit Hilfe dieser Gruppen die
Konnektorendurchgängigkeit für ganze Schreibprodukte greifbar gemacht
werden.
Hypothese
Insgesamt werden drei Hypothesen gebildet, da in den Kapiteln zuvor die
Hypothese zum linear-reihenden Textordnungsmuster nicht gehalten werden
konnte und auf die Nullhypothese 1 ausgewichen werden musste. Allerdings gibt
es Anzeichen, dass auch das material-systematische Textordnungsmuster
aufgrund der hohen Verweisfunktion innerhalb der Schülertexte an Kraft verliert.
Im Punkt zur Rekurrenz wurde vermutet, dass vor allem im Rahmen von
Kommentierungen und Begründungen von Sachverhalten auf Aussagen
verwiesen wird. Begründungen gehen in der Regel einher mit satzverknüpfenden
Elementen, die aber keine Charakteristika des material-systematischen, sondern
des formal-systematischen Textordnungsmusters darstellen. Daher wird es
jeweils eine Nullhypothese zum material-systematischen und zum formalsystematischen
Textordnungsmuster geben.
92

These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
Alternativhypothese
Wenn die Folge von Aussagen überwiegend isoliert und unkommentiert
ist, dann weisen die Schreibprodukte der Schüler ein linear-reihendes
Muster auf.
Nullhypothese 1
Wenn die Betonung auf der Wiedergabe von Argumenten/Aussagen liegt,
dann ist ein material-systematisches Textordnungsmuster anzunehmen.
Nullhypothese 2
Wenn eine Konnektorendurchgängigkeit erkennbar ist, dann ist
tendenziell ein formal-systematisches Textordnungsmuster anzunehmen.
a) Durchschnittliche Länge des Textes
Methodik
Da die formale Folgerichtigkeit nicht durch eine einzige Variable wiedergegeben
wird, sondern diese aus der Verwendung bzw. Nichtverwendung von
Konnektoren zu jeder Aussage abgeleitet werden muss, werden die Fälle nach
der Länge ihrer Aussagenketten sortiert und zu Gruppen zusammengefasst.
Insgesamt können analog zur Länge der Aussagenketten 21 Gruppen gebildet
werden. Schüler, die keine Aussagen zum Thema machten, bilden die Gruppe 0.
Die 0 steht hier für „keine Aussage gemacht”. In Gruppe 1 sind all jene Schüler
vereinigt, die nur „eine Aussage” machten. Alle Schüler, die eine Aussagenkette
von „2 Propositionen” produziert haben, formen sich zu Gruppe 2. Das Prinzip
wird auf alle nachfolgenden Gruppen übertragen, bis hin zur Gruppe 20, zu der
alle Schüler mit zwanzig gemachten Aussagen zählen.
93

Hypothese
Da diese Untersuchung ein Umweg ist, um an die Ergebnisse zur
Konnektorendurchgängigkeit zu gelangen, wird es keine Hypothese zu konkreten
theoretischen Zusammenhängen bezüglich der Länge von Texten geben. Weil in
der Regel in dieser Arbeit Untersuchungen zu Bildungsgängen stattfinden, wird in
diesem Sinne die Aspekthypothese Thema dieses Abschnittes sein.
These
Zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule
wird es in einigen Kategorien deutliche Leistungsunterschiede geben.
Hypothese
Deutliche Unterschiede zwischen den Bildungsgängen sind dann
ersichtlich, wenn die Textlänge der drei Gruppen sich signifikant
unterscheidet.
Ergebnisse
In der Tabelle 11 ist die Anzahl der Propositionen aufgeschlüsselt nach den
Bildungsgängen.
Tabelle 11: Durchschnittliche Länge der Aussagen sortiert nach Bildungsgängen
und für die Gesamtpopulation
Bildungsgang MW
Gymnasium 8,81
Realschule 7,36
Hauptschule 5,81
Gesamt 7,80
Es gibt eine klare Stufung: Gymnasialschüler haben deutlich mehr Propositionen
geschrieben als Real- und Hauptschüler und Realschüler offenkundig mehr als
Hauptschüler. Bezogen auf die Gesamtstichprobe produzierten die Schüler im
Durchschnitt etwa 8 (exakt 7,8) Propositionen. Deshalb wird für die
nachfolgenden Untersuchungen die Gruppe 8 als Repräsentant der
Gesamtstichprobe herangezogen. Der Durchschnittswert der Gesamtpopulation
94

(MW=8) soll an dieser Stelle als Maßstab genutzt werden und aussagen, ob
Schüler viel oder wenig geschrieben haben. Ein Wert über 8 bezeugt, dass
Schüler viel, ein Wert unter 8, dass Schüler wenig geschrieben haben.
Bei der Betrachtung der Tabelle wird deutlich, dass Hauptschüler
unterdurchschnittlich viele Aussagen machten, Realschüler fast deckungsgleich
mit der Gesamtstichprobe sind und Gymnasialschüler überdurchschnittlich viel
geschrieben haben.
b) Konnektorendurchgängigkeit (KD) für einzelne Gruppen
Methodik
Um zunächst einmal festzuhalten, wie hoch der Gebrauch von Konnektoren bei
der Gesamtpopulation und den drei Bildungsgängen ist, wurde mit der
dichotomen Methode gearbeitet. Die unterschiedlichen Arten von
Konnektoren 170 , welche die Schüler während der Textproduktion verarbeiteten,
wurden zusammengefasst mit dem Wert 2= „Konnektor benutzt”. Demgegenüber
steht der Wert 1= „kein Konnektor benutzt”. Bewegen sich die Schüler über
einem Wert 1,5, sind sie in den mittleren Leistungsbereich einzustufen, bei einem
Wert über 1,75 in den obereren. Schüler mit einem Wert unter 1,5 sind in den
unteren Leistungsbereich einzuordnen.
Die formale Folgerichtigkeit wird in Prozent und Mittelwerten angegeben.
Je nach Gruppe wurden die Prozente jedes einzelnen Konnektors
zusammengefasst. Das gleiche Prinzip wurde für die Mittelwerte angewendet.
Ein Beispiel soll die Methodik veranschaulichen: Gruppe 7 hat sieben
Propositionen gebildet und konnte deshalb diese potenziell mit sieben
Konnektoren verknüpfen. 171 Für jeden potenziellen Konnektor wird im
Statistikprogramm angegeben, wie häufig dieser vorkommt. Das wird in
Prozenten ausgedrückt. Diese Prozente werden zusammengefasst. Der
Mittelwert wird angeben, wie hoch die formale Folgerichtigkeit für jede einzelne
Gruppe ist. So lässt sich auch überprüfen, ob Gruppen mit langen
170 Im Datendesign wurden folgende Konnektoren unterschieden: einordnende,
vergleichende, adversative, kausale Konnektoren sowie Konnektoren mit der Funktion,
induktive und explizite Schlussfolgerungen herzustellen.
171 Konnektor 1 wird nicht Bestandteil der Untersuchung sein, weil die erste Aussage von
den Schülern generell noch nicht verknüpft wurde.
95

Aussagenketten eine höhere Konnektorendurchgängigkeit haben als Gruppen
mit kurzen Aussagenketten.
Aus der Untersuchung zur formalen Folgerichtigkeit wurden die Gruppen
0 und 1 ausgeschlossen, weil die Schüler dieser Gruppen einerseits nichts
geschrieben haben und weil sie andererseits in der Regel in der ersten Aussage
keine Konnektoren verwendeten, da ein Konnektor nur da gebraucht werden
kann, sofern zwei Sachverhalte sprachlich zueinander in Beziehung gesetzt
werden sollen. Dieser Umstand wurde für alle nachfolgenden Analysen beachtet.
Leider kann die formale Folgerichtigkeit nur für die einzelnen Gruppen
und nicht für jeden einzelnen Schüler untersucht werden. Das heißt, dass im
Rahmen dieser Arbeit eine globale Beobachtung, ob einzelne Schüler aus der
Gesamtstichprobe in der Folge ihrer Aussagen regelmäßig und wiederholt
Konnektoren verwendet haben, nicht für alle Fälle geleistet werden kann. Nur
durch die Ziehung kleiner Stichproben kann in die Daten eingedrungen werden,
was im übernächsten Abschnitt realsiert wird.
Hypothese
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
Alternativhypothese
Wenn die Folge von Aussagen überwiegend isoliert und unkommentiert ist,
dann weisen die Schreibprodukte der Schüler ein linear-reihendes Muster
auf.
Da berechtigte Zweifel an einem linear-reihenden Textordnungsmuster bestehen,
wird der Alternativhypothese eine Nullhypothese gegenübergestellt.
Nullhypothese
Wenn eine Konnektorendurchgängigkeit erkennbar ist, dann ist tendenziell
ein formal-systematisches Textordnungsmuster anzunehmen.
Ergebnisse
Die folgende Übersicht zeigt, wie häufig die einzelnen Gruppen Konnektoren
nutzten.
96

Tabelle 12: Konnektorendurchgängigkeit (=KD) für alle Gruppen
Gruppe N KD Ø % MW
2 33
3 100
4 186
5 243
6 340
7 282
8 298
9 258
10 222
11 170
12 108
13 74
14 56
15 31
16 17
17 15
18 7
19 4
20 2
Total 2446
(= 100%)
51,5 1,52
76,5 1,77
71,7 1,72
70,0 1,70
72,6 1,70
70,0 1,70
71,4 1,70
69,4 1,70
69,2 1,67
70,0 1,70
67,2 1,67
73,9 1,74
64,8 1,65
63,6 1,64
67,4 1,67
63,7 1,64
60,5 1,60
56,9 1,57
50,0 1,50
66,3%
(von 100%)
1,66
Ein Beispiel zur Erklärung der Tabelle: Gruppe 3, die insgesamt aus 100
Schülern besteht, hat eine durchschnittliche Konnektorendurchgängigkeit von
76,5%. Der Mittelwert zeigt an, in welchem Bereich sich die
Konnektorendurchgängigkeit bewegt. Er befindet sich bei Gruppe 3 bei 1,77 und
nähert sich somit dem Wert 2. Die formale Dichte beträgt hier ca. 76%.
97

Insgesamt ist festzustellen, dass mit der Länge der Aussagenketten die
formale Dichte geringer wird. Die Schüler der Gruppen 3 bis 9 erreichen mit
einem Wert 1,7 fast den oberen Leistungsbereich. Es ist eine Tendenz zum
formal-systematischen Textordnungsmuster zu beobachten. Die
Alternativhypothese ist „null und nichtig”. Zu beachten ist, dass mit der Abnahme
der Gesamtstichprobe die externe Validität abnimmt. So ist die Repräsentativität
der Stichprobe ab Konnektor 16 nicht mehr gewährleistet, da nur noch 17
Schüler die Gesamtstichprobe von 2446 Schülern vertreten.
c) Konnektorendurchgängigkeit (KD) innerhalb der Gruppen 7 bis 9
Methodik
Da zuvor nur auf die Gruppenleistungen eingegangen werden konnte, werden
nun mit Hilfe von Stichproben die Leistungen einzelner Schüler innerhalb einer
Gruppe untersucht. Im Punkt a) wurde eine durchschnittliche Textlänge von 8
Propositionen ermittelt, weshalb für die folgende Stichprobe die Gruppe 8 sowie
die Gruppen 7 und 9 gewählt wurden. Insgesamt wurden aus den Gruppen 7 bis
9 jeweils 30 Schüler per Zufall ausgesucht. Die qualitativen Leistungen der
Schüler sind durch die Stichproben konkret erfasst.
Hypothese
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2001 werden überwiegend ein
linear-reihendes Textordnungsmuster erkennen lassen.
Aufgrund der Zweifel an der Alternativhypothese wird es zu dieser wieder eine
konkurrierende Nullhypothese geben.
Alternativhypothese
Wenn die Folge von Aussagen überwiegend isoliert und unkommentiert
ist, dann weisen die Schreibprodukte der Schüler ein linear-reihendes
Muster auf.
98

Nullhypothese
Wenn eine überwiegende Konnektorendurchgängigkeit (KD) erkennbar
ist, dann ist ein formal-systematisches Textordnungsmuster anzunehmen.
Ergebnisse
In Gruppe 7 haben fünf Schüler zu 100% Konnektoren verwendet und acht
Schüler nur einmal keinen. Also haben ca. 45% eine (fast) gleichmäßige KD.
Überwiegend verknüpften aber 18 (60%) von 30 Schülern ihre Aussagen mit
Konnektoren. Das bedeutet, dass die Schüler von insgesamt sechs potentiellen
Konnektoren mindestens viermal eben jene benutzt haben, inklusive der Schüler,
die eine einhundertprozentige Realisisierungsrate haben und der, die einen
Bruch aufweisen. Allerdings ist für diese Gruppe eine 35prozentige
Nichtdurchgängigkeit zu beobachten.
Die Stichrobe aus der Gruppe 8 konstatiert für mehr als 86% aller Schüler
einen überwiegenden Konnektorengebrauch und für ca. die Hälfte eine nahezu
gleichmäßige KD.
Dasselbe gilt für Gruppe 9. Auch hier haben etwa 50% der Schüler
gleichmäßig die Propositionen mit Konnektoren verbunden. Aber nur drei Schüler
(entspricht 10%) haben tatsächlich stets alle Aussagen verknüpft. Wie bei der
Gruppe 7 weisen fast 35 % keine KD auf.
Das Fazit aus dieser Beobachtung ist, dass tendenziell ein formalsystematisches
Textordnungsmuster erkennbar ist. Durch die offensichtlich
geringe KD bei den Gruppen 7 und 9 hat das linear-reihende Muster dennoch
Bedeutung, weil die tatsächlich gleichmäßige Verwendung von Konnektoren
meistens nur für die Hälfte aller Schüler zutrifft, auch wenn sich in allen drei
Gruppen die Tendenz hin zu einem zumindest vorwiegenden Gebrauch von
Konnektoren zeigt. Zum linear-reihenden Textordnungsmuster sei gesagt, dass
dies zwar durch diese Ergebnisse teilweise bestätigt worden ist. Im
Zusammenhang mit den bereits gewonnen Ergebnissen zur inhaltlichen Folge im
Kapitel 6.2.2.1 scheint jedoch das material-systematische Textordnungsmuster
nahe zu liegen.
99

Tabelle 13: Stichproben Gruppen 7 bis 9: Konnektorendurchgängigkeit
KD Gruppe 7 Gruppe 8 Gruppe 9
N=30 (282) N=30 (298) N=30 (258)
100% 5 (30) 9 (30) 3 (30)
1 Bruch 8 (30)
Überwiegend 18 (30)*
5 (30)
26 (30)*
10 (30)
20 (30)**
Keine
11 (30) 3 (30) 10 (30)
Durchgängigkeit
*Überwiegend bedeutet, dass sechs bzw. sieben Aussagen, die potentiell
sechsmal bzw. siebenmal formal verknüpft werden konnten (Konnektor 1 wird
wie üblich aus der Untersuchung ausgeklammert) mindestens viermal
miteinander verbunden wurden.
**Schüler haben dann überwiegend Konnektoren gebraucht, wenn sie ihre
Aussagen mindestens fünfmal miteinander formal verknüpft haben.
d) Unterscheidung der Konnektorendurchgängigkeit nach Bildungsgängen
Methodik
In den drei Gruppen stellt sich, wie eben beobachtet werden konnte, die
gleichmäßige Konnektorendurchgängigkeit unterschiedlich dar, was eventuell mit
der Verteilung der Bildungsgänge innerhalb der drei Gruppen zu tun haben
könnte. Deshalb soll im nächsten Schritt überprüft werden, ob die Verteilung der
Bildungsgänge innerhalb der Gruppen differiert. Wenn das der Fall ist, können
die sehr unterschiedlichen Ergebnisse zwischen den Gruppen damit erklärt
werden. Um zu den Ergebnissen zu gelangen, werden die Stichproben aus dem
Punkt c) erneut verwendet und nach Bildungsgängen aufgeteilt. Dabei ergibt sich
das Problem der Abnahme der externen Validität, weil die Stichproben klein sind.
Für eine womöglich ausführliche Befassung mit diesem Thema im Rahmen einer
anderen schriftlichen Erarbeitung müssten größere Stichproben gezogen werden,
um die Validität zu gewährleisten.
Hypothese
In diesem Fall kommt die Aspekthypothese zum Zuge, da eine Untersuchnung
zur Unterscheidung der Bildungsgänge angestrebt ist.
100

These
Zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule
wird es in einigen Kategorien deutliche Leistungsunterschiede geben.
Hypothese
Wenn es zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und
Hauptschule stark differierende Werte in der Konnektorendurchgängigkeit
gibt, dann unterscheiden sich die Bildungsgänge voneinander.
Ergebnisse
Zwischen den Bildungsgängen aus Gruppe 7 zeichnet sich klar ab, dass
Gymnasialschüler gleichmäßiger und wiederholter ihre Aussagen verknüpft
haben als Real- und Hauptschüler. Die Unterschiede sind deutlich. Allerdings
haben Hauptschüler im Vergleich zu Realschülern häufiger Konnektoren
gebraucht, taten dies dafür aber nicht gleichmäßig. Insgesamt fällt bei den
Realschülern die geringe KD ins Gewicht, über 60% haben keine KD.
Tabelle 14: Stichprobe Gruppe 7 aufgeteilt nach Bildungsgängen
KD Gym
RS
HS
N=12
N=13
N=4
100% 3 (25%) 2 (15%) 0 (0%)
1 Bruch 4 (33%)
Überwiegend* 11 (92%)
2 (15%) 2 (50%)
6 (46%)
2(50%)
Keine
1 (8,3%) 8 (61,5%) 2 (50%)
Durchgängigkeit
*Eine überwiegende Konnektorendurchgängigkeit weisen Schüler dann auf,
wenn sie in mindestens vier von sechs Fällen ihre Aussagen verknüpft haben,
worin auch jene Schüler mit einhundertprozentiger Konnektorendurchgängigkeit
und einem Bruch eingeschlossen sind.
Auch in Gruppe 8 unterscheiden sich die Werte. Hauptschüler haben keine
gleichmäßige Konnektorenfolge realisiert. Realschüler haben deutlich bessere
Ergebnisse als Gymnasiasten erzielt, denn die Hälfte aller Realschüler nutzte zu
einhundert Prozent Konnektoren, hat also eine maximale formale Dichte erreicht.
Die KD ist vom Bildungsgang Gymnasium bis zur Hauptschule stetig
abnehmend.
101

Tabelle 15: Stichprobe Gruppe 8 aufgeteilt nach Bildungsgängen
KD Gym
RS
HS
N=16
N=10
N=4
100% 4 (25%) 5 (50%) 0 (0%)
1 Bruch 4 (25%)
Überwiegend* 11 (69%)
1 (10%) 0 (0%)
8 (80%)
3 (75%)
Keine
0 (0%) 1 (10%) 1 (25%)
Durchgängigkeit
*Eine überwiegende Konnektorendurchgängigkeit weisen Schüler dann auf,
wenn sie in mindestens vier von sieben Fällen ihre Aussagen verknüpft haben,
worin auch jene Schüler mit einhundertprozentiger Konnektorendurchgängigkeit
und einem Bruch eingeschlossen sind.
Für die Gruppe 9 sind, was die gleichmäßige Verwendung von Konnektoren
betrifft, kaum Unterschiede zwischen Gymnasiasten und Realschülern
festzustellen. Einschließlich der Schülertexte, die einen Bruch in ihrer
Konnektorendurchgängigkeit besitzen, sind in beiden Bildungsgängen die
Schülertexte zu ca. 45% fast regelmäßig formal verknüpft. Auch hier ist wie in
Tabelle 15 eine stetige Abnahme der KD vom Bildungsgang Gymnasium über die
Realschule hin zur Hauptschule zu verzeichnen.
Tabelle 16: Stichprobe Gruppe 9 aufgeteilt nach Bildungsgängen
KD Gym
RS
HS
N=16
N=11
N=3
100% 1 (6%) 1 (9%) 1 (33%)
1 Bruch 6 (37,5%)
Überwiegend* 12 (75%) 7 (64%)
4 (36%) 0 (0%)
1 (33%)
Keine
4 (25%) 4 (36,4%) 2 (66,7%)
Durchgängigkeit
*Eine überwiegende Konnektorendurchgängigkeit weisen Schüler dann auf,
wenn sie in mindestens fünf von acht Fällen ihre Aussagen verknüpft haben,
worin auch jene Schüler mit einhundertprozentiger Konnektorendurchgängigkeit
und einem Bruch eingeschlossen sind.
Vergleicht man die drei Tabellen nun miteinander, so können die
Leistungsunterschiede, die für die Gesamtpopulation der drei Gruppen in Tabelle
13 bemerkt wurden, zurückgeführt werden auf die Verteilung der Bildungsgänge
innerhalb dieser Gruppen. Beispielsweise sind in der Gruppe 7 fast gleich viele
102

Realschüler wie Gymnasiasten, wobei die Realschüler weniger gute Leistungen
im Hinblick auf die Konnektorendurchgängigkeit erreicht haben, was den
Gruppendurchschnitt senkt, so dass Gruppe 7 im Vergleich zu den Gruppen 8
und 9 schlechter abschneidet. Haupt- und Realschüler neigen zu einem linearreihenden
und Gymnasiasten zu einem formal-systematischen
Textordnungsmuster. Wie schon erwähnt, müssen die Ergebnisse wegen der
Validität vorsichtig behandelt werden. Die Ziehung einer größeren Stichprobe ist
empfehlenswert.
e) Verwendung bestimmter Konnektorenarten
Methodik
Nachdem sowohl für die Gesamtpopulation als auch für die Bildungsgänge die
Konnektorendurchgängigkeit näher beleuchtet wurde, soll nun geschaut werden,
ob der Gebrauch bestimmter Konnektorentypen abhängig ist von den
Bildungsgängen und ob die für diesen Punkt formulierte Hypothese sich
verifizieren lässt. Um das zu überprüfen, wird die Gruppe 8, die aufgrund ihrer
durchschnittlichen Anzahl von Propositionen die Gesamtpopualtion repräsentiert,
herausgegriffen und nach Bildungsgängen sortiert.
Im Kapitel zum Datendesign wurden die verschiedenen Konnektoren, die
in den Schülertexten untersucht und aufgenommen wurden, bereits dargestellt.
Es handelt sich dabei um einordnende, vergleichende, gegensätzliche und
kausale Konnektoren sowie solche, die induktive und explizite
Schlussfolgerungen zwischen Aussagen herstellen.
Hypothese
Thema wird eine Untersuchung zu unterschiedlichen Leistungen hinsichtlich der
Bildungsgänge sein. Darum wird die Aspekthypothese gewählt.
These
Zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule
wird es in einigen Kategorien deutliche Leistungsunterschiede geben.
103

Hypothese
Wenn es zwischen den Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und
Hauptschule stark differierende Werte in der Verwendung bestimmter
Konnektorenarten gibt, dann unterscheiden sich die Bildungsgänge
voneinander.
Ergebnisse
Die Berechnungen haben ergeben, dass sowohl Gymnasiasten als auch Realund
Hauptschüler ihre Aussagen in weitgehend kausale Zusammenhänge
eingebettet haben. Ebenso wurden Sachverhalte von den Schülern aller
Bildungsgänge vorrangig einleitend dargestellt, wobei die Gymnasiasten dies im
Vergleich häufiger taten. Fast kein Schüler hat Aussagen in vergleichende
Zusammenhänge gebracht. Diese Konnektorenart wurde von Schülern aller drei
Bildungsgänge verschwindend gering verwendet. Explizite Unterschiede gibt es
bei der Verwendung von Konnektoren, die gegensätzliche Relationen
bezeichnen, denn dieser Konnektortyp wurde von Hauptschülern weniger
frequentiert als von Realschülern und Gymnasiasten, wie die Tabelle 17
veranschaulicht. Diese Tatsache lässt Rückschlüsse auf eine breitere Vielfalt bei
der Verknüpfung von Sätzen und eine stärkere Pro-Contra-Systematik bei den
Gymnasiasten zu.
Tabelle 17: Konnektorentypen sortiert nach Bildungsgängen für die Gruppe 8
Konnektorentyp Gym
RS
HS
N=152 N=103
N=43
einordnend 27% 23% 25,3%
vergleichend 0,5%
gegensätzlich 17% 11,6%
0% 0,3%
10,6%
kausal 28% 26,8% 27%
induktive
Schlussfolgerung
1,4% 1,7% 3%
explizite
Schlussfolgerung
4% 2,8% 3,7%
Total 100% 100% 100%
104

Was aus Tabelle 17 nicht hervor geht, ist der Umstand, dass die Schüler aller
Bildungsgänge im Verlauf ihres Schreibprozesses zunehmend explizit
geschlussfolgert haben. Mit Zunahme der Textlänge erhöhen sich solche
Konnektoren, mit denen beispielsweise wenn... dann... Beziehungen ausgedrückt
werden.
f) Fazit
Mit den Ergebnissen zur sprachlich-formalen Folgerichtigkeit kann das linearreihende
Muster weitgehend ausgeschlossen werden, da eine Neigung zur
Konnektorendurchgängigkeit bei den Gymnasiasten deutlich erkennbar ist.
Obwohl die Texte von Real- und Hauptschülern oft keine KD enthalten, ist das
linear-reihende Textordnungsmuster auch bei ihnen nicht weiter zu erwarten,
denn die Analyse zur inhaltlichen Folge hat eine deutliche thematische Entfaltung
und somit ein material-systematisches Muster in den Schülertexten nachweisen
können, wenngleich sich die Entfaltung unterschiedlich in den Bildungsgängen
darstellt. Bezogen auf die Globalhypothese muss allerdings eine mittlere
Befähigung zum schriftlichen Konzipieren bei Real- und Hauptschülern
konstatiert werden, da die Aussagen oft zu ca. 50% nicht durchgängig sprachlich
verknüpft wurden. Haupt- und Realschüler sind in diesem Sinne in den mittleren
Leistungsbereich einzustufen. Gymnasiasten erreichen den oberen
Leistungsbereich angesichts der schriftlich-konzeptualen Fähigkeiten.
6.2.3 Diskussion: Textrezeption und Textproduktion der Vergleichsarbeit
2001
In der Schlussbetrachtung zur Vergleichsarbeit 2001 werden die Ergebnisse von
Textrezeption und –produktion zueinander in Beziehung gesetzt. Bei der Analyse
mussten aufgrund der diffizilen Datengrundlage einige Umwege gegangen
werden, um zu den Ergebnissen zu gelangen. Dennoch können bezüglich der
Globalhypothese Resultate gewahr werden.
Es wurde im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit gesagt, dass ein
Problemlöseprozess dann vorliegt, wenn bereichsspezifisches Wissen aufgebaut
wurde. Es wurde aber auch hervorgehoben, dass für die Vergleichsarbeit 2001
105

wegen der produktorientieren Datenaufbereitung kein Problemlöseprozess
nachvollzogen werden kann. Dennoch geben die Ergebnisse teilweise
Aufschluss über die Rezeption bereichsspezifischen Wissens und der
schriftlichen Verarbeitung dieses Wissens. Obwohl die Propositionen der Tabelle
und des Cartoons (wegen des Einflusses der Aufgabenstellung) in den
Schreibprodukten der Schüler fast nicht auszumachen sind, gilt die
Globalhypothese in Bezug auf die Textrezeption als verifiziert, da eine Rezeption
von inhaltsspezifischem Wissen stattgefunden hat. Um zu prüfen, inwiefern die
Propositionen aus Tabelle und Cartoon in den anderen Aufgaben schriftlich
verarbeitet wurden, um daraus Rückschlüsse auf die Textrezeption herzuleiten,
müssen die anderen Aufgaben in Form von Variablen statistisch aufbereitet und
ausgewertet werden. Hinsichtlich der schriftlichen Organisation verschaffen
besonders die Variablen zur Rekurrenz und Konnektorendurchgängigkeit
Klarheit. Denn an ihnen offenbaren sich sowohl die Leistungen in Bezug auf die
Gesamtstichprobe als auch auf die Unterscheidung nach Bildungsgängen. Für
die Gesamtstichprobe kann eine Tendenz zur formal-systematischen Ordnung
innerhalb der Schreibprodukte wahrgenommen werden. Die Neigung zu diesem
Textordnungsmuster nimmt jedoch mit den Bildungsgängen von Gymnasium
über Realschule hin zur Hauptschule ab. In den Texten von Hauptschülern
schlägt sich vor allem eine material-systematische Ordnung, eine Betonung auf
Argumente ohne vermehrte Beachtung der sprachlichen Verknüpfung, nieder.
Eine Herausstellung von Aussagen wird bereits in den Ergebnissen zur
Rezeption des Sachtextes deutlich, von dem viele konkrete Propositionen in die
Schreibprodukte der Hauptschüler einflossen und weniger schriftlich abstrahiert
worden sind als im Vergleich zu den Schreibprodukten der Gymnasiasten, die
wenige, aber dafür abstraktere Sachverhalte erkennen lassen.
Interessant ist die Beobachtung, dass das Curriculum sich nicht negativ
auf das schriftliche Konzipieren auszuwirken scheint, sondern dass im Gegenteil
bessere Leistungen erzielt wurden, wenn die Vorgaben, wie beispielsweise die
Einteilung der Erörterung in Einleitung, Hauptteil und Schluss, von den Schülern
eingehalten wurden. Um genauere Aussagen bezüglich des Einflusses von
Lehrplänen auf den Schreibprozess erzielen zu können, sind differenziertere
Untersuchungen der Vergleichsarbeit 2001 notwendig.
Schwierig zu handhaben sind die Stichproben zu den Bildungsgängen,
weil sie klein ausgefallen sind und damit Repräsentativität eingebüßt wurde.
Trotzdem geben die Stichproben wichtige Hinweise und Anhaltspunkte zur
Unterscheidung von Bildungsgängen und zukünftige methodische Vorgänge.
106

6.3 Ergebnisse der Vergleichsarbeit 2002
Diese Vergleichsarbeit wird im Gegensatz zur Vergleichsarbeit 2001 sowohl
produkt- als auch prozessorientiert ausgewertet werden können. Das
Datendesign lässt eine Rekonstruktion des Schreibprozesses und somit eines
Problemlöseprozesses zu. Wie schon erwähnt soll diese Rekonstruktion über die
Beobachtung der Wissenselaboration stattfinden. Dazu werden auch hier wieder
die Punkte nach Textrezeption und Textproduktion aufgeteilt. Das Kapitel zur
Textrezeption gliedert sich in eine Analyse der einzelnen Aufgaben, um den
Aufbau bereichsspezifischen Wissens nachzuvollziehen. Im Punkt
Textproduktion werden die Ergebnisse nicht nach den Aufgaben, sondern
thematisch nach inhaltlicher und sprachlicher Folgerichtigkeit geordnet, wie es
bereits in der Vergleichsarbeit 2001 geschehen ist. Das wird deshalb so
gehandhabt, weil die Variablen zur Textproduktion vor allem für die Aufgabe (5)
in die Datenmatrix aufgenommen wurden und eine Untersuchung nach Aufgaben
daher nicht realisierbar ist. Im Anschluss an die Einzelbeobachtungen wird eine
Diskussion die Zusammenhänge beider Komponenten deutlich machen, um den
Schreibprozess als Ganzes erfassen zu können.
Als Arbeitsgrundlage dienen sowohl die Aspekthypothese als auch die
Globalhypothese, die durch die Untersuchung spezifischer Hypothesen in den
folgenden Kapiteln bestätigt oder nicht bestätigt werden können.
Globalhypothese
Wenn die Schüler bereichsspezifisches Wissen, das durch
Textverständnis erworben wird, schriftlich-konzeptual verarbeiten, dann ist
ein Problemlöseprozess erkennbar.
Wichtig ist, dass für einen Problemlöseprozess Wissen durch Lesen und
Schreiben erarbeitet und aufgebaut sowie schriftlich-konzeptual angwendet
werden musste.
In der Analyse werden nicht alle erhobenen Daten berücksichtigt werden können,
weil dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Speziell die Untersuchung
narrativer Mittel muss einschränkend erfolgen.
107

6.3.1 Textrezeption – Verstehen einer Geschichte
Im Folgenden werden nacheinander die Ergebnisse zu den Aufgaben präsentiert.
Grund für diese Vorgehensweise ist eine übersichtlichere Darstellung zum
Aufbau bereichsspezifischen Wissens. Wie bereits erwähnt, ist die
Wissenselaboration bei den Schülern für die Rekonstruktion des Schreib- und
Problemlöseprozesses wichtig.
6.3.1.1 Aufgabe (2) – Sinnverstehendes Lesen
Methodik
In Aufgabe (2) sollten die Schüler Wörtern, die im Ratekrimi verwendet werden,
ihre Bedeutung zuordnen. Die Ergebnisse werden in Mittelwerten (MW)
dargestellt. Insgesamt konnten 4 Punkte erreicht werden. Ein Mittelwert 4 würde
demnach die höchste Punktzahl kennzeichnen. Ein Mittelwert 0 bezeichnet die
niedrigste Punktzahl. Die Werte der Schüler können sich somit zwischen 0 und 4
bewegen. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe ist sehr gering.
Hypothese
These
Vom ontogenetischen Standpunkt aus sollte es keine
Verständnisschwierigkeiten beim Lesen der Erzählung geben. Zudem
zeigte der Einsatz von Ratekrimis im Deutschunterricht bereits positive
Effekte hinsichtlich der Lesemotivation und Verstehensleistung. Daher
kann von einem Verstehen des Ratekrimis ausgegangen werden.
Hypothese
Wenn die Schüler einen Wert

Ergebnisse
Der Mittelwert der Gesamtstichprobe liegt knapp unter 4. Es gibt kleinere
Schwierigkeiten in der Oberflächenrezeption. Dieser Mittelwert ist zu erklären mit
dem der Hauptschüler, die mit 3,82 im Vergleich zu Realschülern und
Gymnasiasten den geringsten Wert erreicht haben. Für die Hauptschüler können
im Vergleich zu den Schülern der beiden anderen Bildungsgänge schon jetzt
größere Textverständnisschwierigkeiten in den folgenden Aufgaben
prognostiziert werden. Die noch kommenden Untersuchungen zur Textrezeption
werden über diese Prognose genauen Aufschluss geben können.
Tabelle 18: Aufgabe (2) – Punkteverteilung
Punkte
Aufgabe (2)
Gesamt Gym RS HS
MW 3,96 4 3,98 3,82
Total 2466 858 1215 393
Prozent 100 34,8 49,3 15,9
6.3.1.2 Aufgabe (3) – Sinnverstehendes Lesen
Methodik
In Aufgabe (3) mussten die Schüler den Figuren ihre Eigenschaften und
Positionen zuordnen. Wer ist der Täter, wer der Hehler? Welche Personen sind
durch die Einbrüche geschädigt worden und wie heißen die Polizisten? Diese
Informationen konnten die Schüler dem Ratekrimi entnehmen. Die Lösungen
dieser Aufgabe zeigen, ob der Text sinngemäß verstanden wurde.
Zur Untersuchung der Aufgabe wurde eine Variable gebildet, die die
Lösungen in einem Code bzw. „Richtigkeitsindex” zusammenfasst. Die Werte für
diesen Code sind 1= „falsch” und 2= „richtig”. Der erste Wert in der viergliedrigen
Variable ist die Zuordnung des Täters, der zweite Wert kennzeichnet die richtige
oder falsche Einordnung des Hehlers, im dritten Wert wird die richtige oder
falsche Zuordnung der Geschädigten und im vierten die der Polizisten
festgehalten. Insgesamt ist die Aufgabe leicht zu bewältigen gewesen.
109

Hypothese
These
Vom ontogenetischen Standpunkt aus sollte es keine
Verständnisschwierigkeiten beim Lesen der Erzählung geben. Zudem
zeigte der Einsatz von Ratekrimis im Deutschunterricht bereits positive
Effekte hinsichtlich der Lesemotivation und Verstehensleistung. Daher
kann von einem Verstehen des Ratekrimis ausgegangen werden.
Hypothese
Je näher der Wert an der 100%igen Realsierungsrate ist, desto besser
haben die Schüler den Text sinngemäß verstanden.
Ergebnisse
Tabelle 19: Aufgabe (3) – Richtigkeitsindex
Richtigkeits- %
index
1111 ,2
1112 ,2
1121 ,1
1122 1,2
1211 ,0
1212 ,2
1221 ,4
1222 1,1
2111 ,2
2112 3,1
2121 ,5
2122 12,4
2211 ,1
2212 1,9
2221 ,6
2222 77,9
Total 100%
110

Wie die Tabelle 19 deutlich macht, haben insgesamt 80% aller Schüler die
Aufgabe (3) richtig gelöst. 12,4% der Schüler hatten Schwierigkeiten bei der
Zuordnung des Hehlers (2122). Vermutlich entspringt das Ergebnis aus der
Schwierigkeit, dem Text implizite Informationen zu entnehmen, denn der Hehler
hatte keinen Namen und wurde nicht als ein expliziter Sachverhalt im Text
dargestellt. Das sinngemäße Verstehen klappt nicht reibungslos.
Untersuchungen zu den Bildungsgängen haben Unterschiede bezüglich
der Zuordnung des Hehlers ergeben. So haben 9,6% der Gymnasiasten Fehler
gemacht, während es bei den Realschülern 13,8% und bei den Hauptschülern
14,2% waren. Die Hauptschüler haben auch in dieser Aufgabe mehr Mühe im
Textverstehen, was die in Aufgabe (2) gestellte Prognose bestätigt.
6.3.1.3 Aufgabe (4) – Erkennung der für die Handlungsverkettung
relevanten Eigenschaften
Methodik
In Aufgabe (4) mussten die Schüler Argumente für die Verhaftung von Wieseler,
auch „Villenschreck” genannt, darlegen. Diese Argumente hatten sie dem
Originaltext zu entnehmen. Dafür mussten die Schüler die für die
Handlungsverkettung relevanten Eigenschaften erkennen. Folgende
Propositionen, welche die Verhaftung des Wiesels anzeigen, wurden in die Daten
aufgenommen:
- Die Größe Wiesels stimmt.
- Wiesel hatte Einbruchswerkzeug dabei.
- Wiesel hat ein Geständnis abgelegt.
- Er wurde auf frischer Tat ertappt.
- Wiesel ist vorbestraft.
- Er klaut hehlerunabhängig.
- Wiesel ist bei der Polizei einschlägig bekannt.
- Wiesel hat die notwendige Erfahrung als Einbrecher.
Mittels der dichotomen Methode wurde ein zweigliedriger Auswertungsparameter
erstellt. Die Werte bewegen sich zwischen 1= „Proposition nicht verwendet” und
2= „Proposition verwendet”. Ein Mittelwert unter 1,50 bezeichnet eine geringe,
ein Mittelwert von 1,50 bis 1,75 zeigt eine hohe Verwendung einer Proposition
111

an. Befindet sich der Mittelwert über 1,75, wird eine Proposition sehr häufig
gebraucht.
Hypothese
These
Das Textverständnis wird in Form von Propositionen in den
Schreibprodukten der Schüler auszumachen zu sein.
Hypothese
Je mehr Propositionen in den Schreibprodukten der Schüler
auszumachen sind, desto besser haben sie den Text verstanden.
Ergebnisse
Tabelle 20: Aufgabe (4) – Vergleich der Mittelwerte
Propositionstyp Gesamt Gym RS HS
MW MW MW
Größe Wiesels 1,56 1,67 1,55 1,39
Einbruchswerkzeug 1,79 1,88 1,77 1,66
Geständnis 1,62 1,72 1,59 1,47
Auf frischer Tat
ertappt
Vorbestraft
1,29 1,35 1,26 1,22
1,40 1,53 1,36 1,23
Klaut
hehlerunabhängig
1,02 1,02 1,01 1,02
Bei der Poliziei
bekannt
1,04 1,04 1,04 1,02
Erfahrung 1,01 1,01 1,01 1,01
Total 2466 858 1215 393
% 100 34,8 49,3 15,9
Hinsichtlich der Verwendung der ersten drei sowie der fünften Proposition
unterscheiden sich die Schüler der Bildungsgänge Gymnasium, Realschule und
Hauptschule höchst signifikant (p=0,000) voneinander. Für die Proposition „auf
frischer Tat ertappt” bilden die Real- und Hauptschüler eine eigene homogene
Gruppe und unterscheiden sich somit signifikant von den Gymnasiasten, die
deutlich häufiger diese Proposition als Argument für die Verhaftung des Wiesels
112

angegeben haben. Die letzten drei Propositionen („klaut hehlerunabhängig”,
„bekannt” und „Erfahrung”) wurden sowohl von Gymnasiasten als auch von Realund
Hauptschülern gleichermaßen wenig frequentiert. Erklären lässt sich dieser
Umstand damit, dass diese Aussagen nicht explizit im Originaltext erwähnt
wurden, sondern durch die Schüler mittels impliziter Schlussfolgerungen aus dem
Originaltext zu extrahieren waren. Implizite Schlussfolgerungen, feinrezeptive
Handlungen gelingen demzufolge bei allen Schülern nicht so gut. Oder anders
ausgedrückt: Die Rezeption des Originaltextes geschah bis einschließlich zur
vierten Aufgabe tendenziell oberflächlich.
Insgesamt haben Gymnasialschüler häufiger Argumente für die
Verhaftung des „Villenschrecks” gebraucht als Real- und Hauptschüler und
befinden sich damit im oberen Leistungsbereich. Sie haben den Ratekrimi besser
erfasst als Real- und Hauptschüler und aufgrunddessen mehr Wissen
aufgenommen und verarbeitet. Hauptschüler haben im Vergleich zur
Gesamtstichprobe unterdurchschnittliche Werte erreicht und Realschüler liegen
genau im Durchschnittsbereich der Gesamtstichprobe.
Werden die Ergebnisse der Aufgaben (3) und (4) zusammenhängend betrachtet,
fällt auf, dass es bei beiden Aufgaben Probleme im Herstellen impliziter
Zusammenhänge gab wie beispielsweise zum einen mit der Erkennung des
Hehlers und zum anderen mit der Art und Weise, wie Wieseler klaut, nämlich
hehlerunabhängig. Zu den Bildungsgängen sei gesagt, dass Gymnasiasten in
allen bis jetzt untersuchten Aufgaben deutlich bessere Leistungen erzielt haben
als Hauptschüler und damit eine höhere Wissenselaboration anzeigen. Sie
erschließen den Text besser, was folglich im Schreibprodukt der fünften Aufgabe
spürbar werden müsste.
6.3.1.4 Aufgabe (5) - Tiefenrezeption
Methodik
Im Gegensatz zu den Aufgaben (2) bis (4) mussten die Schüler in Aufgabe (5)
einen eigenen Text, eine Fortsetzungsgeschichte zum Ratekrimi, schreiben. Aus
der Fortsetzungsgeschichte soll ermittelt werden, inwieweit sich das
Tiefenverständnis des Ratekrimis entwickelt hat und welcher Zusammenhang
113

zwischen den Ergebnissen zur Wissenelaboration aus den vorherigen Aufgaben
und den hier berechneten Resultaten besteht.
Zur Aufgabe (5) wird es zwei Untersuchungen geben. Zum einen wird
über die Variable „Täter erkannt” ermittelt, wie gut die Schüler die
Zentralproposition verarbeitet, d.h. den Versicherungsbetrüger Heinrich Roloff
erkannt haben. Neben dem Einbrecher Fritz Wieseler gab es einen
Versicherungsbetrüger, der seinen Degas in der Größe von 1 mal 2 Metern als
von Wieseler gestohlen gemeldet hatte. Für die Untersuchung der
Tätererkennung wurde ein dreigliedriger Auswertungsparameter gewählt, der
sich durch die Bereiche „Thema verfehlt” (Wert =1), „Nicht erkannt” (Wert =2) und
„Täter erkannt” (Wert =3) definiert. Zum anderen wird mit der Variable „erklärte
Folge” geschaut, inwieweit die Erkennung des Täters erklärt wird. Argumente für
die Tätererkennung waren aus dem Originaltext herzuleiten, so dass diese
Variable besonders als Maß der Feinrezeption des vorgegebenen Textes
angenommen werden kann. So mussten die Schüler den Zusammenhang der
Größe des Degas (1 mal 2 Meter) und des Toilettenfensters (50 mal 50
Zentimeter) erkennen und argumentieren, dass ein Bild von dieser Größe nicht
durch ein kleines Fenster entwendet werden und der Versicherungsbetrüger
daher nur Heinrich Roloff sein konnte. Auch für die Analyse der „erklärten Folge”
hilft ein dreigliedriger Auswertungsparameter. Die erklärte Folge wurde als „Nicht
vorhanden” (Wert =1) eingestuft, wenn der Schüler seine selbst verfasste
Geschichte ohne aus dem Ratekrimi abgeleitete Argumente entwickelte.
„Vorhanden, ohne Schlüsselargument” (Wert =2) war die erklärte Folge, wenn
Schüler Argumente anführten, aber das Schlüsselargument (der Bilderrahmen ist
zu groß für das Badfenster, dem typischen Fluchtweg des kleinen Herrn
Wieselers, auch Villenschreck genannt) nicht genannt und somit ein wesentlicher
Teil der Tiefenrezeption des Vorgabetextes nicht realisiert wurde. Fand sich das
Schlüsselargument in der Erklärungsstruktur des betreffenden Schülers, ist die
erklärte Folge als „Vorhanden” (Wert =3) gewertet worden. Über die
Auswertungsparameter beider Variablen wurden die Mittelwerte gebildet, woraus
sich ein sog. „Richtigkeitsmaß” RK errechnete, das die Fehlerhaftigkeit eines
durchschnittlichen, thematischen Bereiches anzeigt. So kennzeichnet ein RK
unter 2,00 das untere Leistungsniveau, ein RK von 2,00 bis 2,50 das mittlere und
ein RK von über 2,50 den oberen Bereich des Leistungsniveaus. Perzentile und
Totale geben darüber hinaus Aufschluss über die Verteilung der
Textverstehensleistungen der einzelnen Schülergruppe.
114

Hypothese
Im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit wurde auf die Wirksamkeit von
Interferenzen verwiesen. Sie sind für das Verstehen von Texten insofern wichtig,
da ein Leser trotz des Fehlens von Informationen einen Textzusammenhang
herstellen kann. Die Entlarvung des Versicherungsbetrügers verlangte von den
Schülern die Fähigkeit der Interferenzbildung ab. Explizite, konkrete
Informationen zum Täter gibt der Text nicht her. Die Schüler mussten
Zusammenhänge „versteckter” bzw. impliziter Informationen erkennen und
daraus die richtige Lösung ableiten.
These
Durch Interferenzen kann ein Leser beispielsweise Lücken/Weglassungen
(durch den Autor) im Text ergänzen.
Hypothese
Wenn der Täter erkannt wurde, dann wurde das Zentralproblem des
Textes gelöst.
Ergebnisse
Insgesamt ist für die Gesamtstichprobe ein durchschnittlicher Wert 2,69
festzuhalten. Knapp drei Viertel aller Schüler haben den Täter erkannt. Das
Thema haben die wenigsten verfehlt. Dennoch haben etwa 20% der Schüler den
Täter nicht erkannt. Ob dieses Ergebnis mit den unterschiedlichen Resultaten zur
Wissenselaboration in den Aufgaben zuvor zu erklären ist, macht der Vergleich
der Bildungsgänge deutlich.
Mit p=0,000 sind die Leistungsunterschiede hinsichtlich der
Tätererkennung zwischen den Gruppen bzw. den Bildungsgängen als höchst
signifikant einzustufen. Gymnasiasten sind im oberen Leistungsbereich
auszumachen und Realschüler bewegen sich genau im Durchschnittsbereich der
Gesamtstichprobe und somit im oberen Leistungsniveau. Es fällt auf, dass die
Ergebnisse der Gruppe der Hauptschüler (RK 2,39) auch hier unter dem
durchschnittlichen Wert der Gesamtstichprobe (RK 2,69) liegen, was mit
Schwierigkeiten in der Entnahme von Informationen aus dem Ratekrimi zu tun
haben könnte. Denn bei ihnen wurden von den Aufgaben (2) bis (4) größere
Unsicherheiten im oberflächlichen Textverstehen sowie im Erkennen inhaltlicher
impliziter Textzusammenhänge festgestellt als bei den beiden anderen Gruppen.
115

Tabelle 21: Aufgabe (5) – Tätererkennung
Bildungsgang
Gesamt
Gesamt Thema
verfehlt
(1)
Gym
RS
HS
Nicht
erkannt
(2)
Täter
erkannt
(3)
Total 2466 143 489 1834
% 100 5,8 19,8 74,4
Total 858 15 106 737
% 100 1,7 12,4 85,9
Total 1215 68 262 885
% 100 5,6 21,6 72,8
Total 393 60 121 212
% 100 15,3 30,8 53,9
RK
2,69
2,84
2,67
2,39
Hypothese
These
Durch Interferenzen kann ein Leser beispielsweise Lücken/Weglassungen
(durch den Autor) im Text ergänzen.
Hypothese
Wenn eine erklärte Folge sichtbar ist (RK >2,50), dann wurde der
Ratekrimi weitläufig verstanden.
Tabelle 22: Aufgabe (5) – Erklärte Folge
Bildungsgang Gesamt Nicht Vorhanden, Vorhanden
vorhanden ohne
Schlüsselargument
(1) (2) (3)
Gesamt Total 2466 695 446 1325
Gym
RS
HS
% 100 28,2 18,1 53,7
Total 858 136 133 589
% 100 15,9 15,5 68,6
Total 1215 366 237 612
% 100 30,1 19,5 50,4
Total 393 193 76 124
% 100 49,1 19,3 31,6
116
RK
2,26
2,53
2,20
1,82

Bis auf die Hauptschüler, die mit einem RK 1,82 das untere Leistungsniveau
erreicht haben, bewegen sich die einzelnen Schülergruppen im mittleren Bereich
des Leistungsniveaus. Gymnasiasten liegen über dem Gesamtdurchschnitt und
verwenden zu fast 70% das Schlüsselargument. Dennoch lassen sich bei etwa
15% der Gymnasiasten keine Argumente in der selbst verfassten Geschichte für
die Entlarvung des Versicherunsgbetrügers entdecken. Ebenfalls etwa 15% von
ihnen bringen zwar Argumente ein, aber das Schlüsselargument fehlt. Bei den
Realschülern hat die Hälfte mit dem Schlüsselargument die Entlarvung des
Versicherungsbetrügers begründet, aber bei einem Drittel ist keine
Argumentationstruktur erkennbar. Sehr hoch ist der Anteil der Hauptschüler mit
fehlender Argumentation (50%). Ein Signifikanztest zeigt mit p=0,000 höchst
signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen/Bildungsgängen an. Es bleibt
zu sagen, dass inhaltliche Feinstrukturen des Textes im Vergleich zur
Tätererkennung schlechter verarbeitet werden. Mit den Bildungsgängen
Gymnasium, Realschule und Hauptschule nimmt die Tiefenrezeption spürbar ab.
Zusammenhänge im Hinblick auf die Oberflächenrezeption können stark
vermutet werden, denn wenn es bei den Hauptschülern im Vergleich zu
Gymnasiasten und Realschülern größere Unsicherheiten in der Rezeption
oberflächlichler bzw. offensichtlicher Informationen gibt, dann ist das Extrahieren
bereichsspezifischen Wissens aus der Tiefenstruktur eines Textes ebenfalls mit
Mühe verbunden. Inwiefern sich die Verarbeitung der erklärten Folge mit der
Tätererkennung deckt, wird in der folgenden Tabelle sichtbar. Erst diese
Untersuchung kann zeigen, wie umfassend das Textverständnis tatsächlich ist.
Allein das Vorhandensein der erklärten Folge beweist nicht, dass auch der Täter
erkannt und somit das Zentralproblem des Textes gelöst wurde.
Hypothese
Die folgende Hypothese wird das Verhältnis der Zentralproposition und der
erklärten Folge abbilden.
Hypothese
Wenn sowohl die Zentralproposition verarbeit als auch begründet wird,
dann ist von einem umfassenden Verständnis des Ratekrimis
auszugehen.
117

Ergebnisse
Eine Kreuztabelle wird Aufschluss geben, wie das Verhältnis von Schülern ist, die
den Versicherungsbetrüger erkannt und diesen Umstand auch begründet haben.
Tabelle 23: Verhältnis Tätererkennung und Erklärte Folge
Gesamtstich- Nicht vorhanden Vorhanden, o. Vorhanden, m.
probe
Schlüsselargument Schlüsselargument
Thema verfehlt 84,6% 7,7% 7,7%
Nicht erkannt 54,0% 33,9% 12,1%
Täter erkannt 16,9% 14;7% 68,4%
Total 28,2% 18,1% 53,7%
Insgesamt haben 84,6% der Schüler, die das Thema verfehlt haben, keine
erklärte Folge. Aber knapp 70% der Schüler, die den Täter erkannten,
begründeten diesen Umstand mit dem Schlüsselargument. In der Totalzeile sind
all jene Schüler zusammengefasst, die entweder keine erklärte Folge oder eine
erklärte Folge ohne bzw. mit Schlüsselargument in ihrer selbst verfassten
Geschichte unabhängig von der Tätererkennung haben.
Unterschiede in den Bildungsgängen, die hier nicht tabellerarisch
dargestellt sind, sind dahingehend ausfindig zu machen, dass mit den
Bildungsgängen Gymnasium, Realschule und Hauptschule die Erklärungen mit
dem Schlüsselargument in Abhängigkeit zur Tätererkennung abnehmen.
Während knapp 68,6% der Gymnasiasten, die den Versicherungsbetrüger
erkannten, das Schlüsselargument anführten, sind es bei den Realschülern
50,4% und bei den Hauptschülern 36,3%. Die Lesekompetenz bzw. das
Textverständnis differiert stark zwischen den Bildungsgängen.
6.3.1.5 Fazit
Die Textrezeption gibt einen ersten Einblick in den Problemlöseprozess von
Lesen und Schreiben. Im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit wurde gesagt,
dass der Problemlöseprozess an der Elaboration von bereichsspezifischem bzw.
inhaltsspezifischem Wissen verankert wird. Wissen bauen die Schüler in diesem
118

Fall durch die epistemische Funktion von Lesen und Schreiben auf, die
extrinsisch motiviert ist durch die besondere Beschaffenheit der
Aufgabenstruktur. Die Berechnungen zur Oberflächen- und Tiefenrezeption des
Ratekrimis der Aufgaben (2) bis (5) lassen auf Zusammenhänge zwischen
Ergebnissen bestimmter Schülergruppen schließen. So zeigen die Hauptschüler
Schwierigkeiten bei einzelnen, sich allerdings wiederholenden Problembereichen
(beispielsweise die Erkennung des Hehlers), deren Lösungen durch die
Rezeption offensichtlicher Textzusammenenhänge zu erschließen waren. Die
Analyse der Feinrezeption offenbarte für die Hauptschüler Ergebnisse im
mittleren und unteren Bereich des Leistungsniveaus. Es kann geschlussfolgert
werden, dass diese Ergebnisse durch die geringe Elaboration
bereichsspezifischen Wissens erreicht wurden. Denn zur Aufgabe (4) wurde
herausgestellt, dass Hauptschüler im Vergleich zur Gesamtstichprobe
unterdurchschnittliche Werte erreicht haben, wenig Propositionen für die
Verhaftung des „Villenschrecks” angegeben haben. Da der Gehalt der
Propositionen angibt, wie hoch der Aufbau von bereichsspezifischem Wissen ist,
muss konstatiert werden, dass er bei den Hauptschülern nicht so hoch ist wie bei
Realschülern, die sich in der Regel im Leistungsbereich der Gesamtstichprobe
bewegen, und bei den Gymnasialschülern, die das obere Leistungsniveau
erreichen. So kann für die Textrezeption festgehalten werden, dass die
Überwindung von bewussten Lücken im Ratekrimi Hauptschülern schwerer
gefallen ist als Realschülern und Gymnasiasten, Interferenzbildungen bei
Hauptschülern weniger gut geklappt haben. Der Problemlöseprozess ist
aufgrunddessen bei den drei Bildungsgängen unterschiedlich stark ausgeprägt.
Während Gymnasiasten weniger Probleme in der Rezeption zu haben schienen
und die möglicherweise vorhandenen besser lösen konnten, scheint die
Lesekompetenz von Realschülern im mittleren Leistungsbereich zu liegen. Den
Hauptschülern eröffneten sich mehr Probleme, die zu lösen allerdings
Schwierigkeiten bereitet haben.
Inwiefern sich die Resultate der Textrezeption auf das Schreiben einer
Geschichte ausgewirkt haben, wird in den nächsten Punkten ausführlich
untersucht. Dazu werden die Ergebnisse zur Textproduktion vorgestellt und
anschließend in Abhängigkeit zur Textrezeption diskutiert.
119

6.3.2 Textproduktion – Schreiben einer Geschichte
Empirischen Untersuchungen zufolge ist die Entwicklung einer Erzählkompetenz
mit dem 10. Lebensjahr ausgeprägt. So realisieren Kinder ab diesem Alter
Geschichten mit einer narrativ strukturierten Ereignisdarstellung, die das
Vorhandensein einer Komplikation zur Bedingung hat. Eine Komplikation kann
mit den Variablen „Erklärte Folge“ und „Tätererkennung“ beschrieben werden.
Die Komplikation wird im Vorgabetext bereits vorgegeben, die Schüler mussten
an ihr anknüpfen, den Versicherungsbetrüger erkennen und die Art und Weise
des Betruges erklären. Im Punkt Textrezeption wurden diese beiden Größen
unter dem Aspekt der Feinrezeption betrachtet. Werden die Ergebnisse auf das
Merkmal Komplikation projiziert, so kann für die Textproduktion ein erstes
Ergebnis gefasst werden: Die Entwicklung einer eigenen Geschichte wurde von
der Hälfte der Schüler mit dem Merkmal der Komplikation versehen. Aus Tabelle
23 geht hervor, dass 68,4% jener Schüler, die den Täter erkannt haben, die
Vorgehensweise des Versicherungsbetruges erklärt haben. Das entspricht
insgesamt 50,9% aller Schüler der Gesamtstichprobe, bei denen sich eine
Komplikation nachweisen lässt.
Die narrativen Merkmale Setting und Abschluss einer Geschichte, die
ebenfalls wesentliche Erkennungszeichen einer narrativ strukturierten
Ereignisfolge sind, werden im Kapitel 6.3.2.3 behandelt. Die typischen
Eigenschaften des Setting müssen für die Untersuchung der Vergleichsarbeit
modifiziert werden, weil es sich bei der Produktionsaufgabe um die Fortsetzung
einer Geschichte handelt. Die Schüler brauchten keine eigene Einbindung der
Figuren in die Handlung vorzunehmen. Sie mussten die im Vorgabetext
beschriebenen und dargestellten Handlungsweisen und Charaktere der Figuren
in der eigenen Geschichte aufgreifen und gegebenenfalls weiter entwickeln. So
wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Schüler den Übergang vom
Originaltext zur Fortsetzungsgeschichte schafften.
Emotionale Valenz deutet auf kontrastierende Ereignisfolgen hin, wird
aber im Rahmen dieser Arbeit diese Funktion nicht erfüllen können. Vielmehr
dienen die Variablen „Figurdarstellung“ und „Dialogverwendung“ der
Beschreibung individueller Schreibleistungen. Figurentwicklungen und
emotionale Bestimmungen wurden nicht ausdrücklich von der Aufgabenstellung
verlangt, werden aufgrund der Untersuchungen zur Ontogenese der
Erzählkompetenz (in Kapitel 3.1 dargelegt) dennoch erwartet.
120

6.3.2.1 Inhaltliche Folgerichtigkeit
Methodik
Die inhaltliche Folgerichtigkeit gibt den Grad der Kohärenz bzw. den Grad der
inhaltlichen Argumentationsfähigkeit an. So kann der Frage nachgegangen
werden, inwieweit die Schüler ihre selbst verfasste Geschichte semantisch
korrekt konzipiert haben. Wie auch bei der Erklärten Folge und der
Tätererkennung gibt es einen dreigliedrigen Auswertungsparameter: Er umfasst
die Bereiche „Nicht ersichtlich” (Wert =1) „Partieller Bruch” (Wert =2), wobei der
Schüler hierbei die logische Folge nach dem Bruch wieder aufnahm, und
„Ersichtlich” (Wert =3). Ein RK

Ergebnisse
Tabelle 24: Aufgabe (5) – Logische Folge
Bildungsgänge Gesamt Nicht Partieller Ersichtlich
ersichtlich Bruch
(1) (2) (3)
Gesamt Total 2466 653 467 1346
Gym
RS
HS
% 100 26,5 18,9 54,6
Total 858 122 143 593
% 100 14,2 16,7 69,1
Total 1215 358 256 601
% 100 29,5 21,1 49,5
Total 393 173 68 152
% 100 44,0 17,3 38,7
RK
2,28
2,55
2,20
1,95
Zwar haben über 50% aller gestesteten Schüler ihre Fortsetzungsgeschichten
logisch, inhaltlich verknüpft. Der RK der Gesamtstichprobe

Schülertexte, in denen der Täter nicht entlarvt werden konnte, weisen eine
logische Folge auf. Somit ist eine Korrelation zwischen den Variablen
Tätererkennung und logische Folge auszumachen. Das heißt, dass die
Rezeption des Ratekrimis und der Aufbau inhaltsspezifischen Wissens
wesentlich Einfluss auf die Qualität des Schreibprozesses ausüben.
Im Hinblick auf die Bildungsgänge ergibt sich, dass 71,4% der
Gymnasialschüler, die den Täter erkannt haben, die Ereignisse der
Fortsetzungsgeschichte in einen kohärenten Verlauf eingebettet haben, bei den
Realschülern sind es 55,5% und bei den Hauptschülern 49,5%. Die Werte
differieren hier stark. Ebenso verhält es sich mit Schülergruppen bzw.
Bildungsgängen, die den Täter nicht erkannt und keine logische Folge
ausgebildet haben: Gymnasium 33,3%, Realschule 58,5% und Hauptschule
68,3%. Die Werte zeigen Zusammenhänge bezüglich der Bildungsgänge und der
Qualität der Feinrezeption. Der Problemlöseprozess, der sich durch Rezeption
und infolgedessen durch den Aufbau von Wissen definiert, stockt bei
Hauptschülern häufiger als im Vergleich zu Gymnasiasten. Die Leistungen der
Realschüler in der Ausbildung einer logischen Folge nehmen die Mitte zwischen
Gymnasiasten und Hauptschülern ein.
6.3.2.2 Sprachlich-formale Folgerichtigkeit
Methodik
Im Punkt Textrezeption wurde zur Aufgabe (4) schon die Argumentationsdichte
untersucht. Nun soll geprüft werden, ob die Argumente verknüpft wurden.
Verflochtenheit von sprachlichen Aussagen wird mit besonderen sprachlichen
Mitteln wie Konjunktionen und Pronomen angezeigt. Da diese Themenfelder
Gegenstand des Grammtikunterrichts sind und eine Entwicklung dieser
Kompetenz in der neunten Jahrgangsstufe abgeschlossen sein sollte, bleibt die
offene Frage, inwieweit die Funktionalität solcher sprachlichen Mittel verstanden
wurde. Auf jedes Argument/Proposition entfällt ein Konnektor, der die
Verknüpfung dieser Proposition anzeigt. So entspricht K1 der Proposition 1=
Größe Wiesels, K2 der Proposition 2= Einbruchswerkzeug, K3 der Proposition 3=
Geständnis, K4 der Proposition 4= Auf frischer Tat ertappt, K5 Proposition 5=
Vorbestraft, K6 Proposition 6= Klaut hehlerunabhängig, K7 Proposition 7= Bei
der Polizei bekannt, K8 Proposition 8= Nötige Einbrucherfahrung. Da die
123

Aufgabenstellung den Schülern die Wahl zwischen Sätzen und Stichpunkten bot,
sind Ergebnisse mit einem RK

sprachlich verknüpft werden, kann aus den vorliegenden Ergebnissen der
Schluss gezogen werden, dass sich die Schüler für die Verwendung von
Stichpunkten entschieden haben.
Werden die Schüler aus Gymnasien, Real- und Hauptschulen in Bezug
auf die Mittelwerte betrachtet, so ist ein wesentlicher Unterschied in der
Verwendung von Konnektoren nicht wahrzunehmen, wie in Tabelle 26 sichtbar
wird :
Tabelle 26: Verwendung von Konnektoren bei den Bildungsgängen
Bildungsgang RK
Gesamt 1,07
Gym 1,07
RS 1,08
HS 1,06
Besonders interessant ist, dass die erste Proposition am stärksten verknüpft
wurde. Erklären lässt sich diese Tatsache mit der Aufgabenstellung von Aufgabe
(4). Viele Schüler haben direkten Bezug zur Aufgabenstellung genommen und ihr
erstes Argument mit einem Konnektor wie “wegen”, “weil” oder auch “denn”
verknüpft. Für das erste Argument ist die Konnektorenvielfalt hoch. So wird
hauptsächlich explizit geschlussfolgert (12,1%), warum Wiesel der Einbrecher
sein muss. Aber auch induktive Schlussfolgerungen (7,8%), Kausalbeziehungen
(5,1%) und Einordnungen (4,1%) dienen häufig zur Begründung und Verstärkung
der argumentativen Darstellung.
Im Untersuchungsdesign wurde bereits auf die Problematik aufmerksam
gemacht, dass zur Wahl stand, ob die Argumente in Form von Stichpunkten oder
Sätzen dargelegt werden sollten. Somit können keine Schlussfolgerungen
gezogen werden, wie gut die Schüler Konnektoren nutzten.
Methodik
Im Folgenden wird die Konnektorendurchgängigkeit in der
Fortsetzungsgeschichte von Aufgabe (5) untersucht. Diese Variable dient der
Erfassung der Verwendung von formalen Mitteln, mit denen die Schüler
Argumentation markiert haben. Dabei wird unterschieden zwischen „Nicht
durchgängig” (Wert =1) und „Durchgängig” (Wert =2). Die Werte der Schüler
125

werden sich zwischen 1 und 2 bewegen. Der RK gibt den Durchschnitt dieser
erreichten Werte an. Ein RK unter 1,50 bezeichnet ein unteres, ein RK von 1,50 –
1,75 ein mittleres und ein RK über 1,75 das obere Leistungsniveau.
Hypothese
Wenn das narrativ strukturierte Ordnungsmuster nach Boueke u.a. greifen soll,
dann ist neben einer logischen Strukturierung von Ereignisfolgen auch die
formale wichtig.
These
Die Schülertexte der Vergleichsarbeit 2002 werden überwiegend die
narrativ strukturierte Ereignisdarstellung aufweisen.
Hypothese
Wenn der RK über 1,50 liegt, dann ist eine durchgängige Verwendung
von Konnektoren sichtbar und ein Teilaspekt der narrativ strukturierten
Ereignisfolge erfüllt.
Ergebnisse
Tabelle 27: Aufgabe (5) – Verknüpfung durch Konnektoren
Bildungsgänge Gesamt Nicht
durchgängig
Durchgängig
(1)
(2)
Gesamt Total 2466 572 1894
Gym
RS
HS
% 100 23,2 76,8
Total 858 90 768
% 100 10,5 89,5
Total 1215 310 905
% 100 25,5 74,5
Total 393 172 221
% 100 43,8 56,2
RK
1,77
1,90
1,74
1,56
Dem RK zufolge befindet sich die Gesamtstichprobe in Bezug auf die sprachlichformale
Argumentationsfähigkeit im oberen Bereich des Leistungsniveaus. Sätze
werden demnach mit formalen Mitteln verbunden. Fast 25% beträgt der Anteil der
Schüler ohne durchgängige Konnektorenverwendung. Über drei Viertel (76,8%)
126

aller Schüler produzierten Texte, in denen sich eine durchgängige Verknüpfung
durch Konnektoren findet.
Bezüglich der Bildungsgänge liegt der RK der Gymnasiasten bei 1,90 und
bezeugt damit den oberen Leistungsbereich, d.h. sie (89,5%) nutzten häufig die
formalen Mittel zur Verknüpfung von Sätzen. Die Realschüler erreichen mit
einem RK von 1,74 fast den oberen Leistungsbereich. Knapp 75% aller
Realschüler können durchgängig formal verknüpfte Texte nachweisen. Mit einem
RK von 1,56 befinden sich die Hauptschüler im mittleren Leistungsbereich.
Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen zeigt durchgängige formale
Argumentationsfähigkeit. Die Unterschiede der RK zwischen den
Bildungsgängen sind mit p=0,000 hoch signifikant. Dennoch weisen von allen
drei Bildungsgängen jeweils mehr als 50% aller Schüler einen durchgängigen
Konnektorengebrauch und somit eine Realisierung eines Teilaspektes der
narrativ strukturierten Ereignisdarstellung auf. Inwiefern die gleichen Schüler
sowohl logische als auch formale Argumentationsfähigkeit leisten, sollen die
beiden nachfolgenden Grafiken verdeutlichen. Sie veranschaulichen die
Korrelation einerseits für die formale und erklärte Folge und andererseits für die
formale und logische Folge.
In Grafik 28 wird das Verhältnis zwischen der Verwirklichung der formalen
und der erklärten Folge sichtbar.
Abbildung 28: Verhältnis formale und erklärte Folge
Anzahl
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
nicht durchgängig
durchgängig
Verknüpfung durch Konnektoren
erklärte Folge
nicht vorhanden
vorhanden, ohne
Schlüsselarg.
vorhanden
127

Dabei wird eine hohe Korrelation bezüglich dieser beiden Größen offensichtlich.
Generell erklärten die Schüler dann die Schuld des Versicherungsbetrügers,
wenn sie formale Mittel zur Satzverknüpfung nutzten. Ihr Anteil beträgt 60,5%.
Noch höher ist der Anteil der Schüler, die aufgrund des Vorhandenseins einer
erklärten Folge generell Gebrauch von formalen Mitteln zur Satzverknüpfung
machten (86,5%). Der Anteil der Schüler, die keine durchgängige Verknüpfung
von Konnektoren, aber eine erklärte Folge erkennen lassen, liegt bei 31,3%.
Ebenfalls hohe Korrelationen gibt es zwischen der formalen und inhaltlichen
Argumentationsfähigkeit, wie in Grafik 29 demonstriert. Haben die Schüler ihre
Fortsetzungsgeschichte gemeinhin mit formalen Mitteln wie Konjunktionen und
Pronomen verknüpft, so ist in diesem Fall weit häufiger eine inhaltliche
Argumentation ersichtlich (62,7%) als bei keiner durchgängigen formalen
Konnexion (27,8%). Wird das Verhältnis von der logischen Folge aus betrachtet,
so wird sichtbar, dass 88,2% der Schüler mit einer logischen Folge auch
Konnektoren nutzten.
Abbildung 29: Verhältnis formale und logische Folge
Anzahl
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
nicht durchgängig
durchgängig
Verknüpfung durch Konnektoren
logische Folge des
Textes
nicht ersichtlich
partieller Bruch
ersichtlich
128

6.3.2.3 Narrative Mittel
Methodik
Nicht nur inhaltliche und sprachlich-formale Folgerichtigkeit, sondern auch die
Gestaltung der Figuren mit Emotionen und Gedanken sowie die Darstellung der
Geschichte durch Dialoge, Einleitung und Schluss sind wesentliche Elemente der
Textproduktion, speziell für den Ratekrimi. Die Schüler mussten beim Verfassen
der Fortsetzungsgeschichte an die bereits genannten Eigenschaften und
Handlunsgweisen der Figuren anknüpfen und sie ggf. weiter entwickeln.
Hervorzuheben ist, dass die Aufgabenstellung die Ausgestaltung der Geschichte
nicht ausdrücklich forderte, so dass die Schüler die Funktion einer solchen
Beschreibung selbst erkennen und für die Problemlösung nutzen mussten. Daher
würde ein Wert

Hypothese
a) Dialog
Wenn mindestens Übergang und Abschluss der Geschichte markiert
sowie ein Dialog und/oder eine Figurentwicklung markiert wurden, dann
ist ein Teilaspekt des narrativ strukturierten Textordnungsmusters erfüllt.
Methodik
Die Einbettung von Dialogen in Erzählungen stellen Markierungen in der
Ausgestaltung von Figuren und Emotionen dar. Daher ist eine Betrachtung der
Verwendung dieses Mittels sinnvoll zur Überprüfung von Ereignisdarstellungen
nach Boueke u.a. Die Variable Dialog umfasst die Werte 1 (Nicht verwendet) und
2 (Verwendet). Der RK gibt den Durchschnitt dieser erreichten Werte an. So ist
ein RK von 1,50 Zeichen für den unteren Leistungsbereich, ein RK von 1,50 –
1,75 für den mittleren und ein RK über 1,75 für den oberen Leistungsbereich.
Hypothese
Wenn der RK über 1,75 liegt, dann wurden überdurchschnittlich oft
Dialoge in die Geschichte eingewoben und ein Teilaspekt der narrativ
strukturierten Ereignisdarstellung erfüllt.
Ergebnisse
Der RK der Gesamtstichprobe liegt mit 1,82 im oberen Leistungsbereich.
Weniger als 20% nutzten das Mittel Dialog nicht. Die Mehrheit aller getesteten
Schüler verwendete die direkte Rede und tendiert in diesem Bereich der
Untersuchung zur narrativ strukturierten Ereignisdarstellung.
Gymnasiasten liegen mit einem RK 1,94 deutlich über dem der
Gesamtstichprobe, fast 95% gestalteten den selbst verfassten Text mit der
direkten Rede. Die Realschüler befinden sich mit einem RK von 1,81 ebenfalls
wie die Gymnasiasten im oberen Leistungsbereich und entsprechen dem
Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Hauptschüler erreichen den mittleren
Leistungsbereich (RK 1,59). Gut 40% gebrauchten keine Dialoge. Die
Unterschiede der RK zwischen den Bildungsgängen sind hoch signifikant
(p=0,000).
130

Tabelle 30: Aufgabe (5) – Dialog
Bildungsgänge Gesamt Nicht
verwendet
Verwendet
(1)
(2)
Gesamt Total 2466 440 2026
Gym
RS
HS
% 100 17,8 82,2
Total 858 51 807
% 100 5,9 94,1
Total 1215 228 987
% 100 18,8 81,2
Total 393 161 232
% 100 41,0 59,0
RK
1,82
1,94
1,81
1,59
Gemessen an den Ergebnissen zur Textrezeption und Textproduktion können
Zusammenhänge gewahr werden insofern, da qualitative Schreibleistungen
angesichts der formalen und inhaltlichen Argumentationsfähigkeit auch auf die
Darstellung von Ereignissen und Figuren Auswirkungen haben. So müssten
Schüler mit Leistungen im oberen Leistungsbereich in der Textrezeption sowie
der formalen und inhaltlichen Folge auch in der Ausgestaltung der Ereignisse mit
Dialogen im oberen Leistungsbereich liegen. Diese Vermutungen belegen
Untersuchungen zur Korrelation von logischer Folge und direkter Rede: 87,7%
aller Schülertexte mit logischer Folge wurden auch mit direkter Rede versehen.
69,1% aller Schüler ohne ersichtliche logische Folge gestalteten ihre Geschichte
mit Dialogen. Das ist hoch und es wird vermutet, dass mit der Einbeziehung von
Dialogen eine kohärente Ereignisstruktur schwieriger zu entfalten ist.
131

) Figurentwicklung
Methodik
Mit dieser Variable kann die Fähigkeit der Schüler, die von ihnen dargestellten
Figuren individuell auszugestalten, erfasst werden. Daher wird die Variable als
Maß für die Fähigkeiten zu individuellen Sprach- und Schreiblösungen der
Schüler verstanden. Der Untersuchung wird ein viergliedriger
Auswertungsparameter zu Grunde gelegt, der die Bereiche „Kein”, d.h. keine
Figurentwicklung ist ersichtlich (Wert =1), Verwendung eines „Inneren
Monologes” (Wert =2), „Emotionen und Gedanken” werden an einer oder
mehrerer Figuren äußerlich entwickelt (Wert =3) sowie eine „Kombination aus (2)
und (3)”, also von innerem Monolog und Darstellung von Emotionen und
Gedanken (Wert =4), einschließt. Ein RK unter 2,00 bezeichnet ein unteres
Leistungsniveau, ein RK von 2,00 – 3,25 ein mittleres und ein RK von über 3,25
ein oberes Leistungsniveau.
Hypothese
Ergebnisse
Wenn der RK >2 ist, dann wurden Figuren ausgestaltet und ein Teilaspekt
der narrativ strukturierten Ereignisdarstellung erfüllt.
Tabelle 31: Aufgabe (5) – Figurentwicklung/Stilmittel
Bildungsgänge Gesamt Kein Innerer Emotionen/
Monolog Gedanken
Gesamt
Gym
RS
HS
Kombination
von (2)
und (3)
(1) (2) (3) (4)
Total 2466 1809 52 569 36
% 100 73,4 2,1 23,1 1,5
Total 858 536 19 288 15
% 100 62,5 2,2 33,6 1,7
Total 1215 932 28 234 21
% 100 76,7 2,3 19,3 1,7
Total 393 341 5 47 0
% 100 86,8 1,3 12,0 0,0
132
RK
1,53
1,75
1,46
1,25

Die RK aller in Tabelle 31 aufgeführten Schülergruppen (sowohl der
Gesamtstichprobe als auch der drei Bildungsgänge) befinden sich unter 2,00 und
somit im unteren Leistungsbereich. Das deutet auf ein gering ausgeprägtes
Verständnis für die Funktionalität bestimmter, sprachlicher Ausgestaltungsmittel
wie die Verwendung eines inneren Monologes oder die schriftliche
Veranschaulichung von Emotionen und Gedanken hin. Der RK für die
Gesamtstichprobe liegt bei 1,53, fast drei Viertel aller getesteten Schüler nutzten
keine sprachlichen Mittel zur Kennzeichnung von Eigenschaften und
Handlungsweisen der von ihnen eingebundenen Figuren. Vorzugsweise
schilderten Schüler Emotionen und Gedanken (23,1%), kaum aber einen inneren
Monolog (2,1%). Die Schüler nähern sich nicht dem narrativ strukturierten
Textordnungsmuster.
In Bezug auf die Bildungsgänge sind hoch signifikante Unterschiede
(p=0,000) zwischen den RK zu bemerken, obwohl alle drei nur den unteren
Leistungsbereich erreicht haben. Der RK der Gymnasiasten (1,75) liegt über dem
RK der Realschüler (1,46) und dieser über dem RK der Hauptschüler (1,25). Bei
allen drei Schülergruppen gleich ist die bevorzugte Beschreibung von Emotionen
und Gedanken, aber eine verschwindend geringe von inneren Monologen.
Ebenso ist eine Kombination aus beiden textsortenspezifischen Mitteln nicht in
den Schülertexten nachweisbar.
Analysen zum Verhältnis der Figurentwicklung zur logischen Folge haben
sichtbare Korrelationen ergeben. So gab es vor allem bei der Einflechtung von
inneren Monologen in das Erzählgeschehen Schwierigkeiten, eine logische Folge
zu konzipieren, denn 50% der Schülertexte, in denen die Figuren mit einem
inneren Monolog dargestellt wurden, beinhalten keine logische Folge; der Anteil
jener mit durchgängiger logischer Folge beträgt 34,6%. Weniger konzeptuelle
Probleme gab es bei Emotions- und Gedankendarstellungen. So ist in 63,3% der
Schülertexte mit diesem Stilmittel eine logische Folge ersichtlich, in 18,8% ein
partieller Bruch und in 17,6% der Fälle keine inhaltliche Folgerichtigkeit greifbar.
Die Kombination von innerem Monolog und Emotions- und Gedankendarstellung
wurde von der Mehrheit kohärent verarbeitet (63,9%). Dies zeigt, wie andere
Ergebnisse zuvor auch, eine enge Relation zwischen individuellen und
semantischen Schreibleistungen. Dabei scheint die Einbindung eines inneren
Monologes am meisten Probleme in der kohärenten Ereignisabfolge zu bereiten.
Fazit aus den Beobachtungen ist, dass durch die Ausgestaltung von Texten mit
bestimmten Stilmitteln Brüche in der kohärenten Ereignisstruktur beobachtbar
133

sind. Vermutlich konzentrierten sich die Schüler, die zwar Stilmittel nutzten aber
keine logische Folge aufweisen können, während des Schreibprozesses auf den
inhaltlichen Problembereich und klammerten den kommunikativen aus. Diese
Strategie kommt häufig dann zum Einsatz, wenn der Schreiber mehreren
Anforderungen während des Schreibprozesses gerecht werden muss. Die
Ausklammerung des kommunikativen Problembereiches muss im Schreibverlauf
allerdings wieder aufgehoben werden, was durch die rekursive Funktion des
Schreibens möglich gemacht werden kann. Da bei der Verwendung bestimmter
Stilmittel (beispielsweise des inneren Monologes) der kommunikative
Problembereich nicht in dem Maße berücksichtigt wurde, wie es für eine
Entwicklung der logischen Folge nötig gewesen wäre, kann davon ausgegangen
werden, dass zwar Schreibstrategien zum Zuge kommen, diese aber bei
Schülern ohne ersichtliche logische Folge nur teilweise ausgewogen sind.
c) Markierungen von Übergang und Abschluss in der
Fortsetzungsgeschichte
Methodik
Es wurde hervorgehoben, dass es sich bei der Produktionsaufgabe um eine
Fortsetzungsgeschichte handelt, so dass mit einer idealtypischen Eínleitung, in
der zunächst die Handlung und Figuren eingeordnet werden in Zeit und Ort, nicht
gerechnet werden kann. Bei der Datenerhebung wurde darauf geachtet, ob dem
Schüler ein auf den Originaltext inhaltlich fundierter Übergang zur
Fortsetzungsgeschichte gelang. Die Aufgabe verlangte von den Schülern
ausdrücklich, auf den Vorgabetext Bezug zu nehmen und gab hinsichtlich eines
Übergangs einen Beispielsatz als Hilfestellung, den die Schüler als einleitenden
Satz für ihre Fortsetzungsgeschichte nutzen konnten. Die Variable „Übergang
zwischen Originaltext und Fortsetzungsgeschichte” erfasst die Bereiche
Übergang „Nicht ersichtlich” (Wert =1) und „Ersichtlich” (Wert =2). Demnach liegt
der RK zwischen den Werten 1 und 2. Das untere Leistungsniveau wird durch
einen RK unter 1,50 angezeigt, das mittlere durch einen RK von 1,50 – 1,75 und
das obere durch einen RK über 1,75.
Die Aufforderung zu einer Fortsetzungsgeschichte schließt das Beenden
ebendieser ein. Bei der Analyse wird unterschieden zwischen „Keine
Schlussbemerkung” (Wert =1), „Offenes Ende”, bei dem es keine konkreten
134

Markierungen gibt und die Aufmerksamkeit auf der Entlarvung des
Versicherungsbetrügers und der Erklärung für seine Schuld liegt (Wert =2) und
„Geschlossenes Ende”, das markiert wurde beispielsweise durch die Verhaftung
des Versicherungsbetrügers, eine gerichtliche Urteilssprechung, durch die
beidseitige Verabschiedung der Ermittler und Ähnliches und/oder durch konkrete
Schlussbemerkungen wie „Ende”, „Schluss” usw. (Wert =3). Der RK (Mittelwert)
wird sich bewegen zwischen den Werten 1 und 3. Ein Wert 1,50 ist, dann ist ein inhaltlich fundierter Übergang vom
Originaltext zur Fortsetzungsgeschichte und eine Annäherung an die
narrativ strukturierte Ereignisdarstellung erkennbar.
Tabelle 32: Aufgabe (5) – Übergang zwischen Originaltext und Fortsetzung
Bildungsgänge Gesamt Nicht ersichtlich Ersichtlich RK
Gesamt
Gym
RS
HS
(1)
(2)
Total 2466 430 2036
% 100 17,4 82,6
Total 858 74 784
% 100 8,6 91,4
Total 1215 221 994
% 100 18,2 81,8
Total 393 135 258
% 100 34,4 65,6
1,83
1,91
1,82
1,66
Für die Gesamtstichprobe kann ein RK von 1,83 festgehalten werden, über 80%
aller Schüler realisierte eine explizite, inhaltliche Verbindung zur Vorgeschichte.
135

Damit ist eine Tendenz zur narrativ strukturierten Ereignisdarstellung spürbar.
Weniger als 20% schafften keine Anbindung an den Ratekrimi.
Mit einem RK von 1,91 erreichen die Gymnasialschüler den oberen
Leistungsbereich und verknüpften somit die Fortsetzungsgeschichte
überdurchschnittlich häufig mit dem Vorgabetext. Der RK 1,82 bezeugt für die
Realschüler ebenfalls den oberen Leistungsbereich. Die Werte der Realschüler
sind fast deckungsgleich mit denen der Gesamtstichprobe. Hauptschüler
befinden sich im mittleren Leistungsbereich (RK 1,66). Etwa 35% aller
Hauptschüler haben keinen direkten Anschluss an den Vorgabetext gefunden.
Die Unterschiede zwischen den RK sind signifikant (p=0,000), d.h. Markierungen
eines Übergangs zwischen Originaltext und Fortsetzungsgeschichte werden von
den Bildungsgängen in hoch signifikant unterschiedlichem Maße bewältigt.
Tabelle 33: Aufgabe (5) – Abschluss der Fortsetzung
Bildungsgänge
Gesamt
Gesamt Keine
Schluss-
Bemerkung
(1)
Gym
RS
HS
Offenes
Ende
Geschlos-
senes Ende
(2) (3)
Total 2466 273 369 1824
% 100 11,1 15,0 74,0
Total 858 45 142 671
% 100 5,2 16,6 78,2
Total 1215 142 171 902
% 100 11,7 14,1 74,2
Total 393 86 56 251
% 100 21,9 14,2 63,9
RK
2,63
2,73
2,63
2,42
Den RK (>2) zufolge schlossen alle Schülergruppen überwiegend ihre selbst
verfassten Texte ab. Bevorzugt wurde dabei ein geschlossenes Ende. Fast 90%
aller getesteten Schüler beendeten die Geschichte: 15% mit einem offenen und
74% mit einem geschlossenen Ende.
Hinsichtlich der Bildungsgänge liegt der RK der Gymnasiasten mit 2,73
über dem der Gesamstichprobe (2,63), d.h. sie haben häufiger ein Ende
gekennzeichnet als die Schüler anderer Bildungsgänge. Stetig nehmen
Schlussbemerkungen mit den Bildungsgängen Realschule und Hauptschule ab.
So beschreiben 11,7% der Realschüler und 21,9% der Hauptschüler kein Ende.
136

Der ANOVA-Test zum Vergleich der Mittelwerte (RK) zeigt signifikante
Unterschiede zwischen den Bildungsgängen an (p=0,000).
Zwischen den Markierungen von Übergang und Schluss der
Fortsetzungsgeschichte und der logischen Folge, welche den Grad der
inhaltlichen Argumentationsfähigkeit anzeigt, gibt es hohe Korrelationen, wie
Untersuchungen bezeugen konnten. Ist ein Text kohärent, dann wird er häufiger
eingeleitet und abgeschlossen als ein inkohärenter Text.
d) Fazit
Die Untersuchungen zur Textproduktion für die Vergleichsarbeit 2002 haben
ergeben, dass bezüglich der Gesamtstichprobe eine deutliche Tendenz zur
narrativ strukturierten Ereignisfolge offensichtlich ist. Fast alle Größen, die
analysiert wurden, befinden sich für die Gesamtstichprobe im oberen
Leistungsbereich. Ausgenommen davon sind die Leistungen zur logischen Folge
und Figurentwicklung, die im mittleren und unteren Leistungsbereich angesiedelt
sind. Gut ein Viertel (26,5%) aller getesteten Schüler konnte das rezipierte
Wissen in keine logischen Zusammenhänge einbinden. Der kohärente Rahmen,
in den die Ereignisse eingebettet werden sollten, ist brüchig. Eine narrativ
strukturierte Ereignisdarstellung existiert nur auf Grundlage einer
zusammenhängenden inhaltlichen Argumentation. Schülertexte ohne erkennbare
inhaltliche Verbindung sind demnach Schreibprodukte mit einer „isolierten
Ereignisdarstellung” nach Boueke u.a. Schriftlich-konzeptuelle Fähigkeiten sind
zwar für den Großteil aller Schüler zu bemerken, aber der Anteil jener, die
aufgrund fehlender Kohärenz Probleme in der schriftlichen Konzeptualisierung
zeigen, ist hoch. Interessant ist die Beobachtung, dass viele Schüler, die keine
logische Folge ausgebildet haben, ihren Text durchgängig mit Konnektoren
verknüpft haben. Hier besteht eine Diskrepanz. Formal gesehen sind diese
Schüler in der Lage, schriftlich-konzeptuell zu agieren. Aber die formalen
Verknüpfungen reichen nicht für eine inhaltliche Verkettung aus. Einen partiellen
Bruch in der Ereignisfolge haben noch 18,9% von allen Schülern. Sie tendieren
zu einem narrativ strukturierten Texttyp, da trotz des einen Bruches semantisch
korrekte Verknüpfungen zu Stande kamen.
Die Parameter inhaltliche und sprachliche Folge des Textes variieren mit
der Einbindung narrativer Mittel. Die Ausgestaltung der Fortsetzungsgeschichte
137

mit inneren Monologen, Emotionen und Gedanken bereiteten den Schülern
teilweise Schwierigkeiten. Selten nutzten sie solche Stilmittel (26,6% aller
Schüler). Ein Sechstel jener Schüler (rund 16%), die dennoch auf solche Mittel
zur Gestaltung der Fortsetzungsgeschichte zurückgriffen, haben keine logische
Folge entwickelt. Bei der Einbeziehung von inneren Monologen haben sogar
genau 50% dieser Schüler keinen kohärenten Text produziert. Von allen
Schülern haben 82,2% Dialoge in die Textstruktur eingebracht, so dass damit ein
weiteres Merkmal der narrativ strukturierten Ereignisfolge erfüllt wurde. Der
Übergang und Abschluss der Fortsetzungsgeschichte wurden im Allgemeinen
(82,2% und 89%) markiert. Die Komplikation, die für das Erzählen von
Geschichten als wichtig erachtet wird, wurde in diesem Fall an der
Tätererkennung und erklärten Folge festgemacht. Zu Beginn der
Untersuchungen der textproduktiven Leistungen konnte festgestellt werden, dass
in der Hälfte aller Schülertexte (50,9%) eine Komplikation vorhanden ist.
Allerdings wurde angesichts einer Beobachtung der Bildungsgänge eine
Abnahme in der Integration des narrativen Mittels Komplikation in die selbst
verfasste Geschichte verzeichnet: Nur etwa 29,3% der Hauptschüler, aber 48,2%
der Realschüler und 64,6% der Gymnasiasten nutzten dieses Merkmal.
Wenn die verschiedenen Ereignisdarstellungen nach Boueke u.a. als
Maßstab herangezogen werden, ist vor allem bei Hauptschülern (44% von ihnen)
eine isolierte Ereignisdarstellung, bei Real- und Gymnasialschülern (70,1% und
85,8%) 172 (mindestens tendenziell) eine narrativ strukturierte Ereignisdarstellung
stark anzunehmen. Bezogen auf die Globalhypothese ist anzumerken, dass in
der Regel schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten erkennbar sind, der Anteil jener
Schüler, die erhebliche Probleme haben, Wissen schriftlich zu verarbeiten, ist
jedoch zu hoch für Schüler der neunten Jahrgangsstufe (etwa ein Drittel). Ein
Problemlöseprozess wird vor allem bei Gymnasiasten deutlich. Sie verarbeiteten
rezipiertes Wissen eher und brachten es deutlich regelmäßiger in inhaltliche
Zusammenhänge als Realschüler, deren Werte sich oftmals mit denen der
Gesamtstichprobe deckte, und als Hauptschüler, deren Leistungen im
Allgemeinen mittel oder unterdurchschnittlich waren.
172 Diese Werte sind gebildet aus den statistischen Values logische Folge hat einen
„partiellen Bruch“ und logische Folge ist „ersichtlich“.
138

6.3.3 Diskussion: Textrezeption und Textproduktion der Vergleichsarbeit
2002
An dieser Stelle wird das Verhältnis der beiden untersuchten Parameter
Textrezeption und Textproduktion der Vergleichsarbeit 2002 zueinander
diskutiert. Textrezeption und Textproduktion müssen als eng zusammengehörig
gesehen werden. Das zeigen die Ergebnisse. Die schriftliche Verarbeitung
klappte nur so gut, wie in bestimmtem Maße Wissen rezipiert und aufgebaut
wurde. Im Allgemeinen gelang die Grobrezeption bei allen Schülern gut bis sehr
gut. Komplikationen im Textverständnis ergaben sich insbesondere dann, wenn
Schüler inhaltliche Feinstrukturen erkennen mussten. So zeigte sich bereits in
Aufgabe (3), die als einfach einzustufen ist, dass etwa 10% der Schüler Figuren
nicht zuordnen konnten, wenn sie die Informationen implizit aus dem Ratekrimi
erschließen mussten. Ähnlich verhält es sich mit Aufgabe (4), in der schon mehr
Feinrezeption von den Schülern gefordert wurde als in Aufgabe (3).
Besonders die Untersuchungen zur Verarbeitung der Zentralproposition
„Tätererkennung“ sowie zur Variable „erklärte Folge“ konnten zeigen, inwiefern
Schüler den Text auch in der Tiefe verstanden haben. Dabei wurde offenbart,
dass der Täter zwar grundsätzlich erkannt (74,4% der Schüler), nicht aber erklärt
wurde, wie der Täter entlarvt werden konnte (53,7% der Schüler hatten eine
erklärte Folge). Darin zeigt sich eine Diskrepanz: Zwar wurde ein Teil des
Schreibproblems mit der Verarbeitung der Zentralproposition gelöst, aber der
andere wesentliche Teil der Schreibaufgabe, den Umstand des Betruges zu
erklären, wurde von 50% der Schüler nicht bewältigt. Vermutlich fiel es diesen
Schülern schwer, durch Interferenzbildung Zusammenhänge zwischen impliziten
Aussagen herzustellen. Werden diese Ergebnisse auf das Produzieren der
Fortsetzungsgeschichte projiziert, so lassen sich hohe Korrelationen feststellen.
Angesichts der problematischen Handhabung, einen kohärenten Text zu
entwickeln, gibt es eine enge Relation zur Zentralproposition Tätererkennung.
Vor allem jene Schüler, die den Versicherungsbetrüger nicht erkannten, haben
einen inkohärenten Textverlauf. Die Ausbildung semantischer Verbindungen ist
wesentlich abhängig von der Erkennung des Täters. Ebenso verhält es sich mit
der „erklärten Folge“. Eine logische Folge ist vor allem dann ersichtlich, wenn bei
den Schülern auch eine erklärte Folge nachzuweisen war.
Auch die sprachlich-formale Argumentationsfähigkeit steht in einem
engen Verhältnis zur Textrezeption. Eine durchgängige Verwendung von
139

Konnektoren ist vor allem in solchen Schülertexten sichtbar, in denen auch der
Umstand des Versicherungsbetruges erklärt wurde. Die Kohärenz und Kohäsion
der Fortsetzungsgeschichte ist in besonderem Maße vom Verstehen des
Originaltextes abhängig.
Zwischen den Bildungsgängen gibt es hinsichtlich der Grob- und
Feinrezeption Unterschiede. Der Aufbau von bereichsspezifischem Wissen wird
von Gymnasiasten, die sich stets im oberen Leistungsbereich aufhalten, besser
umgesetzt als von Real- und Hauptschülern. Hauptschüler erreichen bei der
Textrezeption ein mittleres oder unteres Leistungsniveau. Realschüler nehmen
die Mitte zwischen den beiden anderen Bildungsgängen ein. Die
Leistungsbereiche der Textrezeption ähneln den erreichten in der
Textproduktion.
Um ausführlichere Ergebnisse zum Verhältnis Textrezeption und
Textproduktion zu erhalten, sind weitere Untersuchungen möglich. So könnten
die Variablen „Dialog“ sowie „Übergang“ und „Abschluss“ der Geschichte unter
dem Aspekt der „erklärten Folge“ und „Tätererkennung“ betrachtet werden. Aber
auch zwischen den textproduktiven Leistungen sind Beobachtungen der Relation
von beispielsweise inhaltlicher und sprachlich-formaler Argumentationsfähigkeit
sowie narrativer Mittel sinnvoll. Des Weiteren können auch die Variablen
„Perspektive des Geschehens“ und „Ortswechsel“, die aus ökonomischen
Gründen nicht beschrieben werden konnten, hilfreich für eine differenziertere
Analyse der schriftlich-konzeptuellen Fähigkeiten von Schülern sein.
140

6.4 Diskussion: Vergleich der Schülerergebnisse von 2001 und 2002
Wie im Untersuchungsdesign, Kapitel 5, ausführlich dargelegt, kann es aufgrund
der unterschiedlichen Beschaffenheit der Datengrundlagen von der
Vergleichsarbeit 2001 und 2002 nur einen Vergleich auf der Annäherungsebene
geben. Dazu werden die Daten dienen, die in beiden Vergleichsarbeiten
Gegenstand waren. Im Besonderen werden die Resultate zum Textverständnis
und zu makrostrukturellen Spezifika der Textsorten schulische Erörterung und
Schulerzählung verglichen. Wie gut realisierten die Schüler das Konzept einer
schulischen Erörterung und Erzählung?
Die diffizile Datengrundlage der Vergleichsarbeit 2001 ermöglichte
weitgehend nur eine produktorientierte Analyse. Dennoch konnten
Schlussfolgerungen aus dieser Form der Analyse zu Schreiprozessen gezogen
werden. Die rezeptiven Leistungen der Schüler sind als gut einzustufen, obgleich
sich der Leseprozess der Schüler fast nur auf den Sachtext beschränkte, die
Tabelle und der Comic, beide als Unterstützung des Leseprozesses gedacht,
wurden kaum bzw. nicht für das Lösen von Aufgabe (4) berücksichtigt. So muss
der Schluss gezogen werden, dass während des Schreibprozesses die
schriftliche Verarbeitung der Propositionen bereits in den Aufgaben zuvor
geschah. Der Leseprozess war insofern wichtig, da mit ihm wichtige
Informationen des Vorlagenblattes aufgenommen und in weiteren Prozessen
schriftlich verarbeitet werden sollte. Er wirkt in hohem Maße auf die Kohärenz der
makrostrukturellen Spezifika der schulischen Erörterung (gemeint ist damit vor
allem die Pro-Contra-Systematik) ein. Obwohl bereichsspezifisches Wissen
scheinbar keinen hohen Einfluss auf den sprachlichen Umgang mit
Aussagenketten und kohäsiven Verknüpfungen hat 173 , ist die Einflechtung von
Aussagen in einen Text im Falle der schulischen Erörterung dennoch
maßgeblich, da die sprachliche Pro-Contra-Struktur auf Für- und Wider-
Argumenten aus dem Lese- und Wissensprozess beruht.
Die Verarbeitung der Propositionen aus dem Sachtext sowie natürlich die
eigenen Argumente der Schüler scheinen einer Pro-Contra-Systematik zu folgen.
Diese Vermutungen stützen sich auf die Ergebnisse zur Rekurrenz, Referenz und
Verwendung bestimmter Konnektorenarten. Schüler mit durchschnittlich 6 bis 10
Aussagen verwiesen innerhalb ihres Schreibproduktes stark auf geäußerte
173 Vgl. Eigler u.a. 1990, 229
141

Argumente, es ist eine Form von Argumentationstruktur ersichtlich. Weiterhin
wurden die meisten Texte, bevor die Schüler zum Hauptteil übergingen,
eingeleitet. Ob es Schlussmarkierungen gab, konnte wegen fehlender Daten
nicht geklärt werden. Ebenso zeigen die Ergebnisse zur Referenz, dass die
Normen dieser Textsorte vorrangig beachtet wurden. In der Einleitung wurde in
der Regel eine eigene, subjektive Meinung geäußert, im Hauptteil beschränkten
sich die Schüler auf neutrale Aussagen zu Sachverhalten. Hierin spiegeln sich
die eingeübten Konzepte einer schulischen Erörterung wider, denn Einleitung,
Hauptteil und Schluss sind gewollte Merkmale einer solchen Textorte, genauso
wie die Verortung des persönlichen Standpunktes (entweder in der Einleitung
oder im Schluss). Unterschiede zwischen den Bildungsgängen sind erkennbar.
Vor allem der Gebrauch von bestimmten Konnektorenarten scheint diese
Unterschiede zu unterstützen. Denn Konnektoren, die auf gegensätzliche
Zusammenhänge und somit auf eine bestehende Pro-Contra-Struktur hinweisen,
werden hauptsächlich von Gymnasiasten gebraucht. Real- und Hauptschüler
unterscheiden sich hierbei kaum. So kann davon ausgegangen werden, dass die
Pro-Contra-Systematik bei Gymnasialschülern stärker ausgeprägt ist als bei
Real- und Hauptschülern.
Inwieweit Schüler eine inhaltliche, logische Argumentation leisteten,
konnte aus den Daten nicht erschlossen werden. Der Umstand, dass
überwiegend eine Konnekorendurchgängigkeit vorhanden ist, bedeutet nicht
zwangsläufig, das zeigen die Ergebnisse zum Verhältnis logische und formale
Folge der Vergleichsarbeit 2002, dass auch eine inhaltlich-logische
Folgerichtigkeit erwartet werden kann.
Die Schüler der Vergleichsarbeit 2001 haben sich, soweit die
Untersuchungen dieser Arbeit zeigen konnten, an die makrostrukturellen Normen
einer schulischen Erörterung gehalten. Je besser dies klappte, desto bessere
Leistungen wurden erzielt. Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu den
kritischen Stimmen, die gegen eine starre, realitätsferne und stark normierte
schulische Textsorte Erörterung erhoben worden sind. Weitere Untersuchungen
bezüglich des Sachverhalts Lehrplan und argumentatives Schreiben im
Unterricht sind jedoch anzuraten, um die hier vorgelegten Ergebnisse weiter zu
differenzieren.
In der Vergleichsarbeit 2002 konnte neben dem Schreibprodukt auch der
Schreibprozess näher untersucht werden. Allein dieser Umstand bereitet einem
Vergleich von beiden Vergleichsarbeiten Schwierigkeiten. Auch in dieser Arbeit
142

wurde zunächst das Textverständnis analysiert. Allerdings war es im Gegensatz
zur anderen Vergleichsarbeit möglich zu untersuchen, wie sich das
Textverständnis während des Schreibprozesses entwickelte. Es konnte
herausgestellt werden, dass das Verständnis des Ratekrimis zunahm, jedoch
Probleme in der Feinrezeption zu erkennen waren, die in Abhängigkeit zu den
Bildungsgängen variieren. Im Kapitel zuvor wurde auf die enge
Zusammengehörigkeit von Textrezeption und Textproduktion aufmerksam
gemacht. Wie in der Vergleichsarbeit 2001 hat auch in der Vergleichsarbeit 2002
die Textrezeption Einfluss auf die makrostrukturellen Besonderheiten der
schulischen Erzählung, in diesem Fall einem Ratekrimi. Die Schüler wurden
aufgefordert, die Erzählung fortzusetzen, den Betrüger zu entlarven sowie den
Tathergang zu begründen, womit sie auch gleichzeitig das für Erzählungen als
wichtig erachtete Merkmal der Komplikation einflechten konnten, und ihre
Geschichte zu beenden. Das Merkmal Übergang der Geschichte konnte nur
dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Schüler zumindest das Ende des
Originaltextes verstanden haben und sinngemäß daran anknüpfen konnten. Das
Ende der Fortsetzungsgeschichte war ebenfalls in Einklang zu bringen mit dem
Originaltext. So waren Übergang und Ende der Fortsetzungsgeschichte inhaltlich
an die Komplikation zu binden, die am Ende des Originaltextes entwickelt wurde.
Textverstehen war für die Umsetzung dieser Markierungen grundlegend.
Die Resultate der Vergleichsarbeit 2002 sind statistisch tiefgründiger als
die der Vergleichsarbeit 2001 und erlauben somit ein engeres Inbeziehungsetzen
von Textrezeption und Erzählstrukturen. So konnten die Untersuchungen zeigen,
dass, je größer das Verständnis des Ratekrimis war, das Merkmal Komplikation
beachtet wurde. Allerdings weist die Hälfte aller Schüler keine Komplikation auf.
Anders verhält es sich mit Übergang und Abschluss der Geschichte, die von der
Mehrheit der Schüler markiert wurden. Auch das Merkmal Dialog wurde sehr
häufig verwendet. Die wesentlichen Besonderheiten von Erzählungen wurden
von den meisten Schülern erfolgreich umgesetzt. Dennoch bestehen
Diskrepanzen zur inhaltlich-logischen Folgerichtigkeit, mit der viele Schüler (etwa
25%) Probleme hatten. Die Frage, ob die Schwierigkeit, eine logische Folge zu
verwirklichen, mit der Textsorte Erzählung bzw. Ratekrimi begründet werden
kann, kann nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Dazu fehlt ein direkter
Vergleich mit der Vergleichsarbeit 2001, für die die inhaltlich-logische
Argumentationsfähigkeit aufgrund der diffizilen Datengrundlage nicht ermittelt
werden konnte. Denn wenn auch in dieser Vergleichsarbeit viele Schüler
Schwierigkeiten mit der inhaltlich-logischen Argumentation hatten, dann liegt die
143

Ursache vermutlich in der Unterrichtspraxis und den Konzepten der schulischen
Textsorten.
Um eine Vergleichbarkeit solcher Arbeiten besser zu verwirklichen, muss die
Aufbereitung von Daten im Vorfeld so abgestimmt werden, dass statistische
Berechnungen mit ihnen nicht nur im Rahmen einer Arbeit, sondern auch im
Vergleich zueinander möglich sind. Korrelationen zur kohäsiven Verknüpfung
oder kohärenten Argumentationsfähigkeit könnten so übergreifend verglichen
und besser in Beziehung zu anderen Variablen und externen Faktoren wie
curricularen Plänen und Unterrichtsqualität gebracht werden.
144

7. Schlussbetrachtung
Mit der zuvor dargestellten Untersuchung der Vergleichsarbeiten Mecklenburg-
Vorpommern aus den Jahren 2001 und 2002 neunter Jahrgänge wurden die
Handlungen Lesen und Schreiben als Problem und Problemlösestrategien
thematisiert. Durch die Konzeption der Vergleichsarbeiten war eine Betrachtung
der Handlung Lesen nötig, weil durch verstehendes Lesen das entwickelnde
Schreiben erst möglich wurde. Die Informationen der Vorgabetexte, die zur
Lösung der einzelnen Aufgaben wesentlich zutrugen, mussten von den
Schülerinnen und Schülern verstanden und schriftlich verarbeitet werden.
Im ersten Abschnitt wurden für die Untersuchung beider
Vergleichsarbeiten die theoretischen Grundlagen gelegt. Aus der theoretischen
Betrachtung heraus konnte für das Lesen und Schreiben die wichtige
epistemische Funktion hervorgehoben werden. Somit war im Rahmen dieser
Arbeit Lesen als verstehendes Lesen zu sehen, und Schreiben als
entwickelndes, epistemisches Schreiben. Die vorherrschende Meinung, Lesen
und Schreiben sowohl als zu überwindende Probleme als auch als
Problemlöseprozesse zu behandeln, wurde hier aufgenommen. So konnten,
bezogen auf das Lösen der Vergleichsarbeiten, dann Probleme während des
Leseprozesses erscheinen, wenn ein Schüler den Text beispielsweise aufgrund
fehlenden Vorwissens, aufgrund von Schwierigkeiten, den Text in seiner
Gesamtheit zu erfassen, usw. nicht verstehen konnte. Schreiben konnte sich
dann zu einem Problem entwickeln, wenn ein Schüler beispielsweise den
vorgegebenen Text nicht verstanden hat und deshalb wichtiges
bereichsspezifisches Wissen nicht anwenden konnte. Problemlöseprozesse
konnten helfen, bestehende Schreib- oder Leseprobleme zu überwinden. Ein
Beispiel für das Lösen von Leseproblemen ist die direkte Arbeit am und mit dem
Text durch Unterstreichungen, Zusammenfassen von Inhalten usw. Während des
Schreibprozesses, so eine wichtige Annahme, ist die Ausklammerung bestimmter
Bereiche möglich, um das Schreiben beispielsweise komplexer Sachverhalte zu
erleichtern. So kann ein Schreiber sich zunächst auf den Inhalt eines Textes
konzentrieren und Ausdruck, Orthografie usw. ignorieren. Bei der Überarbeitung
des Textes können diese Größen in den Schreibprozess dann einbezogen
werden.
Zur Unterstützung des Problemlöseprozesses diente in ganz erheblichem
Maße die Aufgabenstruktur beider Vergleichsarbeiten. Denn durch ihre
145

esondere Beschaffenheit konnte sie das kognitive Modell repräsentieren. Mit
jeder neuen Aufgabe stieg das Anforderungsniveau an den Schüler. Die
Zusammensetzung der Aufgaben machte es möglich, dass die Schüler zunächst
Grobrezeption leisten mussten, in einem weiteren Schritt gefordert wurden,
implizite Textzusammenhänge zu erkennen und diese Zusammenhänge in einer
eigenen Textproduktion fortzuführen, weiterzuentwickeln. Die Aufgaben halfen,
bereichsspezifisches Wissen schrittweise aufzubauen. Gleichzeitig kann die
Aufgabenstruktur wegen ihrer strategischen und kognitiven Strukturierung als
extrinsische Motivation gesehen werden, mit der Schreiben in den schulischen
Grenzen dennoch einen entwickelnden, epistemisches Charakter erhielt.
Weitere wichtige Punkte im theoretischen Abschnitt waren die Produkt-
Prozess-Ambiguität, die Wissenselaboration und die Diskussion über schulische
Textsorten.
Mit der Produkt-Prozess-Ambiguität ist die Frage nach der produkt- und
prozessorientierten Betrachtung von Schreiben verbunden. Letztendlich sind
beide Formen zur Beschreibung und Analyse von Schreiben wichtig. Diese Frage
war drängend, da die Datengrundlage der Vergleichsarbeit 2001 fast
ausschließlich eine produktorientierte Betrachtung, d.h. eine Schlussfolgerung
auf den Schreibprozess aus dem Schreibprodukt, dem Text, heraus, möglich
war. Die Nutzung der Aufgabenstruktur dieser Arbeit war also nicht möglich. Die
Analyse der Vergleichsarbeit 2002 konnte sowohl produkt- als auch
prozessorientiert geschehen.
Da Vorgabetexte Grundlage für das Lösen der Aufgaben beider
Vergleichsarbeiten waren, wurde im Kapitel „Wissen“ auf den Aufbau
bereichsspezifischen Wissens während des Lesens und Schreibens
eingegangen.
Die Bearbeitung der Vergleichsarbeiten forderte von den Schülern einen
angemessenen Umgang mit einer Textsorte. Die Vergleichsarbeit 2001 war eine
schulische Erörterung und die Vergleichsarbeit 2002 eine Erzählung, ein
Ratekrimi. Textsorten weisen bestimmte Merkmale auf, die in der Theorie
ausführlich diskutiert und beschrieben wurden. Diese Umsetzung
textsortenspezifischer Merkmale war Teil der Textproduktionsaufgabe.
Die Untersuchung der Vergleichsarbeiten stützte sich auf den Aufbau von
bereichsspezifischem Wissen, das durch die Aufgabenstruktur abgebildet wurde.
Die Wissenselaboration bildete den Schreibprozess und den Problemlöseprozess
ab. Wie erwähnt, war der Wissensaufbau für die Vergleichsarbeit 2001 nicht
nachvollziehbar, da nicht alle Aufgaben, an denen die Elaboration hätte überprüft
146

werden können, in die Datengrundlage eingegangen sind. So war es auch
schwierig, den Schreibprozess und infolgedessen Problemlöseprozesse zu
rekonstruieren. Ebenso schwierig war das Aufspüren von bestimmten
Problembereichen, da die Daten, mit denen gearbeitet werden konnte, teilweise
keine empirische Relevanz haben oder aus Gründen der Beschaffenheit nicht
zueinander in Bezug gesetzt werden konnten. Dennoch sind Ergebnisse
vorhanden. Es konnte ermittelt werden, dass von den vorgegebenen Textsorten
(Sachtext, Tabelle, Cartoon) fast nur der Inhalt des Sachtextes zum Lösen der
vierten Aufgabe von den Schülern bevorzugt wurden. Eine Überprüfung, in
welchem Maße der Vorgabetext verstanden wurde, war jedoch nicht möglich.
Inwiefern sich die Rezeption des Vorlagenblattes auf den Schreibprozess
auswirkte, konnte nicht erforscht werden. Dazu fehlten die notwendigen Daten.
Letzten Endes konnte nur gemutmaßt werden, dass das Vorkommen
bestimmter Propositionen im Schreibprodukt auf spezielle
Argumentationsverfahren hinzuweisen scheint. Weiterhin konnten
Einzelerscheinungen zum Schreibprozess offenbart bzw. vermutet werden. Die
zu projizieren auf die Textrezeption ist allerdings keine sichere Methode, um den
Einfluss von verstehendem Lesen auf entwickelndes Schreiben zu untersuchen.
Die Untersuchungen der Schreibprodukte der Schülerinnen und Schüler konnten
einige Zusammenhänge zwischen dem Beachten von Konventionen der
schulischen Textsorte Erörterung und schriftlich-konzeptualen Schreibfähigkeiten
erkennen lassen. So haben vorrangig solche Schüler gute Ergebnisse erzielen
können, die die Normen einer Erörterung schriftlich umgesetzt haben. Das wird
vor allem bei den Bildungsgängen deutlich. Die Texte von Gymnasialschülern
sind im Vergleich zu denen von Real- und Hauptschülern durchgängiger mit
Konnektoren verknüpft, weisen aber auch deutlich häufiger eine Einleitung auf
und geben mehr Hinweise auf eine Pro-Contra-Systematik. Ob die Konvention
den Schülern hilft, bessere, d.h. inhaltlich und sprachlich logische Texte zu
verfassen, kann jedoch nicht beantwortet werden.
Problembereiche zeigten sich bei der kohäsiven Verknüpfung von Sätzen.
Gerade bei argumentativen Texten sind Konnektoren wichtige Mittel, um
beispielsweise gegensätzliche oder vergleichende Sachverhalte darzulegen.
Insbesondere Hauptschüler hatten Schwierigkeiten mit der Konnexion. Um
herauszufinden, welche Gründe für diesen Problembereich in Frage kommen,
sind weitere Untersuchungen nötig. Ein anderer Problembereich sind die
unterschiedlichen Ergebnisse der drei Bildungsgänge zu gleichen
Vergleichsbedingungen. Gründe dafür müssten u.a. in der Praxis und den
147

curricularen Plänen zu suchen sein. Obwohl die hier gewonnenen Ergebnisse
der Einzelbeobachtungen Positives über den Einfluss des Curriculums auf die
Schreibfähigkeiten berichten, sind Diskrepanzen zu erkennen, sobald diese
Ergebnisse innerhalb eines spezifischen Raumes (beispielsweise der Raum
sprachliche Argumentationsfähigkeit im Zusammenhang mit den
Bildungsgängen) verglichen werden. Denn die Leistungsunterschiede zwischen
den Bildungsgängen sind gravierend.
Während die Ergebnisse der Vergleichsarbeit 2001 zum Lesen und
Schreiben nur schwer in Zusammenhang gebracht werden konnten und ein
Problemlöseprozess kaum nachvollziehbar war, gaben die Analysen zum Lesen
und Schreiben in der Vergleichsarbeit 2002 Aufschluss über die enge
Zusammengehörigkeit dieser beiden Komponenten. Aufgrund einer beständigen
Datengrundlage war eine Betrachtung sowohl des Schreibproduktes als auch
des Schreibprozesses möglich. Dadurch konnten aufgetretene Problembereiche
und teilweise auch Problemlösestrategien erkannt werden. Schülern bereitete
das Lesen besonders dort Schwierigkeiten, wo sie implizite Zusammenhänge aus
dem Vorgabetext erschließen mussten. Dort befindet sich ein erster
Problembereich. Das bereichsspezifische Wissen, das für den Schreibprozess
nötig war, haben die Schüler nicht erlesen und infolgedessen auch nicht in einem
Schreibprozess verarbeiten können. So zeigte sich in Aufgabe (4), dass
vornehmlich explizite Informationen dem Vorgabetext entnommen wurden, um
die Schreibaufgabe zu lösen. Weiter in Aufgabe (5) wurde das gleiche Problem
sichtbar. Die problematische Feinrezeption schlug auf den Schreibprozess über,
da vor allem die inhaltliche Argumentationsfähigkeit wegen mangelnden
bereichsspezifischen Wissens defizitär war. Etwa ein Viertel aller getesteten
Schüler bildete keine kohärente Textstruktur aus. Die fehlende Kohärenz stellt
einen zweiten Problembereich dar, ausgelöst vom ersten. Doch auch innerhalb
textproduktiver Prozesse konnten Einflüsse wahrgenommen werden. So wirkte
auf die brüchige Kohärenz zusätzlich die Verwendung narrativer,
textsortenspezifischer Elemente. Die Untersuchung zur Integration innerer
Monologe in das Erzählgeschehen machte offensichtlich, dass der Einbezug
dieses Mittels stark auf die Kohärenz der Fortsetzungsgeschichten wirkte. Es
wurde eine strategische Ausklammerung des kommunikativen Problembereiches
angenommen, die zu einer erhöhten Konzentration auf die Ausgestaltung und
einer rückläufigen Beachtung der kohärenten Ereigniskette führte.
Das Fazit aus den Untersuchungen zu den Vergleichsarbeiten 2001 und
2002 ist die hohe Korrelation von Lesen und Schreiben: Je besser die
148

Feinstrukturen des Textes durch die Schüler erkannt wurden, desto mehr Wissen
war in den Schreibprodukten aufspürbar. Je mehr Wissen elaboriert wurde, desto
organisierter ist das Schreibprodukt hinsichtlich Kohärenz, Kohäsion und
textsortenspezifischer Ausgestaltung.
149

Tabellenverzeichnis
Vergleichsarbeit 2001
Tabelle 1: Verteilung der Schüler auf die Bildungsgänge 2001 und 2002........... 69
Tabelle 2: Verteilung der Schüler nach Geschlecht ............................................ 70
Tabelle 3: Übersicht der Stichproben .................................................................. 72
Tabelle 4: Referenz im ersten Satz ..................................................................... 82
Tabelle 5: ONEWAY ANOVA-Signifikanztest für die Referenz im ersten Satz ... 83
Tabelle 6: Bevorzugter Propositionstyp im ersten Satz....................................... 85
Tabelle 7: Verhältnis der bevorzugten Propositionen und Referenz im ersten Satz
bezogen auf die Gesamtpopulation*............................................................. 85
Tabelle 8: Gymnasium – Referenz...................................................................... 86
Tabelle 9: Realschule – Referenz ....................................................................... 86
Tabelle 10: Hauptschule – Referenz ................................................................... 87
Tabelle 11: Durchschnittliche Länge der Aussagen sortiert nach Bildungsgängen
und für die Gesamtpopulation....................................................................... 94
Tabelle 12: Konnektorendurchgängigkeit (=KD) für alle Gruppen....................... 97
Tabelle 13: Stichproben Gruppen 7 bis 9: Konnektorendurchgängigkeit .......... 100
Tabelle 14: Stichprobe Gruppe 7 aufgeteilt nach Bildungsgängen ................... 101
Tabelle 15: Stichprobe Gruppe 8 aufgeteilt nach Bildungsgängen ................... 102
Tabelle 16: Stichprobe Gruppe 9 aufgeteilt nach Bildungsgängen ................... 102
Tabelle 17: Konnektorentypen sortiert nach Bildungsgängen für die Gruppe 8 104
Vergleichsarbeit 2002
Tabelle 18: Aufgabe (2) – Punkteverteilung ...................................................... 109
Tabelle 19: Aufgabe (3) – Richtigkeitsindex...................................................... 110
Tabelle 20: Aufgabe (4) – Vergleich der Mittelwerte ......................................... 112
Tabelle 21: Aufgabe (5) – Tätererkennung........................................................ 116
Tabelle 22: Aufgabe (5) – Erklärte Folge........................................................... 116
Tabelle 23: Verhältnis Tätererkennung und Erklärte Folge............................... 118
Tabelle 24: Aufgabe (5) – Logische Folge ........................................................ 122
Tabelle 25: Aufgabe (4) – Verknüpfung durch Konnektoren ............................. 124
Tabelle 26: Verwendung von Konnektoren bei den Bildungsgängen................ 125
Tabelle 27: Aufgabe (5) – Verknüpfung durch Konnektoren ............................. 126
Abbildung 28: Verhältnis formale und erklärte Folge......................................... 127
150

Abbildung 29: Verhältnis formale und logische Folge ....................................... 128
Tabelle 30: Aufgabe (5) – Dialog....................................................................... 131
Tabelle 31: Aufgabe (5) – Figurentwicklung/Stilmittel ....................................... 132
Tabelle 32: Aufgabe (5) – Übergang zwischen Originaltext und Fortsetzung ... 135
Tabelle 33: Aufgabe (5) – Abschluss der Fortsetzung ...................................... 136
151

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155

156
Anhang A – Vergleichsarbeit 2001

157
Anhang A – Vergleichsarbeit 2001

158
Anhang A – Vergleichsarbeit 2001

159
Anhang A – Vergleichsarbeit 2001

160
Anhang B – Vergleichsarbeit 2002

161
Anhang B – Vergleichsarbeit 2002

162
Anhang B – Vergleichsarbeit 2002

163
Anhang B – Vergleichsarbeit 2002