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Von der Heilkraft des Glaubens – „Das Christentum ist eine ...

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<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Heilkraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Glaubens</strong> <strong>–</strong> <strong>„Das</strong> <strong>Chr<strong>ist</strong>entum</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong><br />

therapeutische Religion“ (Eugen Biser)<br />

Hans Neuhold 2008<br />

Zielsetzung: Den persönlichen Glauben vertiefen; auf das Heils- und Hoffnungspotential<br />

biblischer Erzählungen aufmerksam werden.<br />

Inhalt (Kurzfassung): In <strong>eine</strong> immer auch von Unheil, Krankheit und Gewalt gezeichnete<br />

Welt wird die Heilsbotschaft <strong>der</strong> Bibel hineingetragen. Chr<strong>ist</strong>licher Glaube will den<br />

Menschen heilen und zu s<strong>eine</strong>m Heil verhelfen. Im Handeln und Heilen Jesu wird dies<br />

beson<strong>der</strong>s deutlich. S<strong>eine</strong> Heilungen versteht er aber nicht als s<strong>eine</strong> beson<strong>der</strong>e Kraft, son<strong>der</strong>n<br />

als Wecken <strong>der</strong> Innenkraft <strong>des</strong> Menschen. „Dein Glaube hat dich gesund gemacht.“ Diese<br />

Innenkraft gilt es durch lebendige Begegnung mit den biblischen texten und Personen zu<br />

entdecken. Chr<strong>ist</strong>licher Glaube will „den Menschen zum wahren Menschsein erheben“<br />

(Biser), ihn zum Personsein ermächtigen.<br />

1) Die Bibel erzählt mein Leben<br />

a) <strong>Von</strong> <strong>der</strong> Wirkkraft <strong>der</strong> Worte -<br />

• Wir Menschen können sprechen, uns mitteilen. Menschen können im letzten ohne<br />

Sprechen zu lernen nicht überleben. Das Wort <strong>ist</strong> also ein wesentliches<br />

„Lebensmittel“. Wir lernen sprechen, in dem wir angesprochen werden (1.Lebensjahr)<br />

und hören.<br />

• Wir Menschen wollen unser Leben zur Sprache bringen. In <strong>der</strong> Sprache teilen wir uns<br />

selber - als Person - mit. Sprechen wird dort wesentlich, wo es aus <strong>der</strong> Tiefe unserer<br />

Seele kommt, aus <strong>der</strong> Mitte unserer Person und unseres Lebens, wo es (wir)<br />

authentisch sind. Insofern meint Ratzinger, dass <strong>der</strong> Mensch, wo er zuinnerst sich<br />

selbst mitteilt, auch von Gott spricht, ob er das Wort nun verwendet o<strong>der</strong> nicht<br />

(Einführung ins <strong>Chr<strong>ist</strong>entum</strong>). Unser Leben kommt im Wort zum Ausdruck.<br />

• Alle Kulturen und Religionen kennen Mythen, Märchen, Erzählungen in denen das<br />

Wesentliche ihres Lebens und <strong>Glaubens</strong> zur Sprache kommt. Im Grundgehalt sind sich<br />

diese Erzählungen me<strong>ist</strong> sehr ähnlich, weil es um die Grundfragen <strong>des</strong> Menschseins<br />

nach dem Woher, Wohin und Wozu geht. Der Hörende o<strong>der</strong> Lesende wird in diese<br />

Geschichten mit hinein genommen und erfährt so Deutung und Sinngebung s<strong>eine</strong>s<br />

Lebens von innen her. Diese Erzählungen sind letztlich zeitlos und gelten für alle<br />

Zeiten.<br />

b) Die Hl. Schrift erzählt vom Menschsein vor Gott.<br />

• Die Hl. Schrift erzählt insofern von unserem Menschsein vor Gott, vor Gottes<br />

Angesicht. Alles Wesentliche unseres Lebens kommt darin zur Sprache: geboren<br />

werden - sterben, leben, lieben, glauben, hoffen, schuldig werden, Verzeihung und<br />

Neuanfang erleben, Fluch und Segen, Arbeit und Feier, Krankheit und Heilung,...<br />

• Aber nicht bzw. selten in Form <strong>eine</strong>r theologischen Aussage, son<strong>der</strong>n durch die<br />

Erzählung von Menschen, die uns Heutigen und den Menschen zu allen Zeiten ähnlich<br />

sind.<br />

• Geschichten sprechen von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz. Ich sehe mich und<br />

mein Leben im Spiegel <strong>des</strong> biblischen Menschen. Geschichten gehen zu Herzen,<br />

abstrakte <strong>Glaubens</strong>aussagen berühren nur den Kopf. Geschichten berühren wie Bil<strong>der</strong><br />

ganzheitlich rechthemisphärisch und personal. Begriffe ermöglichen nur <strong>eine</strong> abstrakte<br />

1


Zustimmung, Personen, die in Geschichten vorkommen aber <strong>eine</strong> personale<br />

Zustimmung. Im Glauben geht es aber um <strong>eine</strong> personale Zustimmung.<br />

• Fast nichts Menschliches <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Bibel fremd. Alle „Hochzeiten“ und Abgründe <strong>des</strong><br />

menschlichen Lebens und <strong>der</strong> menschlichen Geschichte kommen in den Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Bibel vor. Das Menschliche kommt in s<strong>eine</strong>r ganzen Breite, Tiefe und<br />

Schicksalhaftigkeit darin vor.<br />

• So stellt sich die Frage: Wie <strong>ist</strong> dieses oft so tragische Leben lebbar? Die Bibel will in<br />

s<strong>eine</strong>n Erzählungen von konkreten Menschen darauf <strong>eine</strong> Antwort geben. Ihr Leben <strong>ist</strong><br />

die Antwort. Die Stärke <strong>der</strong> Bibel liegt darin, dass sie in vielschichtigen und<br />

mehrdimensionalen Erzählungen durch konkrete Personen, durch konkretes Leben<br />

vielfältige - nicht einfältige - Antworten gibt: Die Personen leben die Antwort. Und sie<br />

leben ihr Leben vor den Augen und Ohren <strong>eine</strong>s Leben spendenden und liebenden<br />

Gottes, <strong>des</strong>halb wird Fluch zum Segen, Verzweiflung zur Hoffnung, Tod zum Leben.<br />

Hier liegt <strong>der</strong> Unterschied zur griech. Tragödie o<strong>der</strong> zu den Shakespearetragödien.<br />

c) Die Bibel <strong>ist</strong> insofern Wort Gottes an mich<br />

An mich <strong>ist</strong> die Erzählung gerichtet, in mein Leben wird sie hineingesprochen, in den Kontext<br />

m<strong>eine</strong>r/unserer Welt. Ich bin gemeint. Die Erzählung berührt m<strong>eine</strong> Seele und mein Herz.<br />

<strong>Von</strong> daher die Frage: Mit wem in <strong>der</strong> Geschichte identifiziere ich mich?<br />

„Ich bin Adam und Eva. Ich bin Jakob. Ich bin Esau. Ich bin Isaak, Rebbekka.. Ich bin <strong>der</strong><br />

Blindgeborene, <strong>der</strong> Lahme, die gekrümmte Frau, <strong>der</strong> Besessene, <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> Jünger beim<br />

Abendmahl...“<br />

Zweifel und Wi<strong>der</strong>stände kommen: Ich bin doch kein Betrüger wie Jakob. Ich bin doch nicht<br />

jähzornig wie Esau o<strong>der</strong> ein Betrogener... Ich bin doch nicht blind, lahm, gekrümmt…<br />

Die wesentliche Methode von daher gesehen <strong>ist</strong> die Identifikation; dann aber auch wie<strong>der</strong> die<br />

D<strong>ist</strong>anz (Was sagt mir diese Person? Wie <strong>ist</strong> sie verstehbar?...)<br />

d) Bibellesen heißt, in ein Bild hinein genommen werden<br />

Wenn ich die Bibel als Bil<strong>der</strong> <strong>des</strong> Menschseins verstehe, wird „<strong>der</strong> garstige Graben <strong>der</strong><br />

Geschichte“ (Drewermann) überwunden: Hier und Jetzt geschieht es.<br />

Es geht dann in <strong>der</strong> Auslegung <strong>der</strong> Texte um ein sensibles Herantasten an die biblischen<br />

Bil<strong>der</strong> wie bei <strong>eine</strong>m Kunstwerk. Verschiedene Möglichkeiten und Wege müssen gesucht<br />

bzw. versucht werden. Eines muss aber klar sein: Die Wahrheit über Gott und Mensch lässt<br />

sich nicht 100% herausfiltern und sprachlich formulieren, son<strong>der</strong>n muss ständig neu auf<br />

verschiedenen Wegen gewagt werden.<br />

Ein wesentlicher und möglicher Schritt dabei <strong>ist</strong> die Meditation, ein ganzheitliches in Kontakt<br />

kommen mit dem Text bis sich <strong>des</strong>sen Bil<strong>der</strong> von innen her selbst erschließen und mein<br />

Leben berühren: Die Bibel liest mich.<br />

Es gilt immer wie<strong>der</strong> Neues zu entdecken, an<strong>der</strong>e Gesichtspunkte.<br />

Die Sprache <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> erinnert manchmal an die Sprache <strong>der</strong> Träume und Visionen, Mythos,<br />

Legende, Sage, Märchen.<br />

Unkonventionelle - ex<strong>ist</strong>enzielle - Zugänge zur Bibel aus <strong>der</strong> Tiefenpsychologie und<br />

Traumarbeit (Drewermann, Kassel,...) sch<strong>eine</strong>n mir sehr fruchtbringend zu sein.<br />

Beispiel/Übung:<br />

- Lass dir <strong>eine</strong> Bibelstelle einfallen...konzentriere dich zunächst auf das menschliche<br />

Schicksal darin...Worum geht es?<br />

- Lass dir dazu <strong>eine</strong> dir bekannte Person (o<strong>der</strong> ein Ereignis) einfallen, <strong>der</strong> es so ergeht, wie in<br />

dieser Bibelstelle beschrieben...<br />

- Gib <strong>der</strong> Bibelstelle und diesem Ereignis/Person <strong>eine</strong> gemeinsame Überschrift<br />

2


2) Die Heilungen Jesu <strong>–</strong> in den Bil<strong>der</strong>n von Anne Seifert<br />

a) Beschreibung <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> in Kurzform<br />

b) Identifikationsbeispiel: Blindenheilung: „Sie kamen nach Betsaida. Da brachte man<br />

mich, <strong>der</strong> ich blind war, zu Jesus, und bat ihn, er möge mich berühren. Er nahm mich<br />

bei <strong>der</strong> Hand und führte mich vor das Dorf hinaus. Er bestrich m<strong>eine</strong> Augen mit<br />

Speichel, legt mir die Hände auf und fragte: Siehst du etwas?<br />

Ich blickte auf und sagte: Ich sehe Menschen; denn ich sehe etwas, das wie Bäume<br />

aussieht und umhergeht. Da legte er nochmals die Hände auf die Augen; nun sah ich<br />

deutlich. Ich war geheilt und konnte alles ganz genau sehen. Jesus schickte mich nach<br />

Hause und sagte: Geh nicht ins Dorf hinein!<br />

b) „Was soll ich dir tun?“ <strong>–</strong> <strong>der</strong> heilende Chr<strong>ist</strong>us<br />

Warum fragt Jesus den Blinden: „Was soll ich dir tun?“(Lk 18,42). Es <strong>ist</strong> doch klar, dass ein<br />

Blin<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> sehen will, dass ein Kranker gesund werden will, dass ein Verzweifelter<br />

aufgerichtet werden will, dass ein Unglücklicher glücklich werden will… Offensichtlich <strong>ist</strong><br />

Jesus ein guter Psychologie, er weiß um die Abgründe <strong>des</strong> Herzens und <strong>der</strong> Seele, aber auch<br />

um die verborgenen Kräfte <strong>des</strong> Herzens und <strong>der</strong> Seele. Er rechnet mit dem Wi<strong>der</strong>stand,<br />

würden wir psychologisch heute sagen; er rechnet damit, dass jemand gar nicht geheilt<br />

werden will, dass jemand s<strong>eine</strong> Kräfte gar nicht gebrauchen will, son<strong>der</strong>n alles den an<strong>der</strong>en<br />

überlässt.<br />

Durch das Aussprechen <strong>des</strong>sen, was wirklich <strong>ist</strong>, stehe ich auch zu dem, was <strong>ist</strong>: Ja, ich bin<br />

blind und ich will sehen. In <strong>der</strong> Therapie wissen wir um die Notwendigkeit <strong>des</strong> Aussprechens<br />

<strong>der</strong> Not; natürlich weiß ich manchmal schon viel früher, als es <strong>der</strong> Klient mitteilen kann,<br />

welche Not er/sie hat. Aber erst das Aussprechen setzt es auch nach außen frei; es <strong>ist</strong> wie ein<br />

Bekenntnis: So <strong>ist</strong> mit mir! Damit begibt sich aber auch das Unbewusste (würde Jung sagen)<br />

auf die Suche nach den heilenden Kräften in mir. Jesus weiß um diese heilenden Kräfte im<br />

Menschen, <strong>des</strong>halb sagt er an k<strong>eine</strong>r Stelle <strong>der</strong> Bibel „Ich habe dich geheilt“, son<strong>der</strong>n immer<br />

„Dein Glaube hat dich gesund gemacht!“ - Jesus <strong>ist</strong> <strong>der</strong> „Entdecker <strong>der</strong> Innenkraft <strong>des</strong><br />

Menschen“ (Alfons Rosenberg).<br />

Will ich geheilt werden?... Möchte ich in die heilende Nähe Jesus kommen?... Soll wirklich<br />

alles an<strong>der</strong>s werden?... Jetzt, wo ich es mir gerade so gut eingerichtet habe? Nicht alle<br />

Menschen, die in Therapie gehen, wollen auch wirklich geheilt werden. Manche wollen<br />

einfach ihr krankmachen<strong>des</strong> System stabilisieren, o<strong>der</strong> Recht haben, dass eh alles so <strong>ist</strong>, wie<br />

es <strong>ist</strong> und eh alles nichts hilft und man sowieso nichts än<strong>der</strong>n kann… Leiden <strong>ist</strong> manchmal<br />

leichter als än<strong>der</strong>n, weil die Folgen <strong>der</strong> Gesundung so groß sind. Um heil zu werden, muss ich<br />

auch viel aufgeben und völlig neues Terrain wagen. Dazu gehört Mut.<br />

Heil <strong>ist</strong> zudem weit mehr als Gesundheit, es umfasst mein ganzes Menschsein. Jesus geht es<br />

um das ganzheitliche Heilsein <strong>des</strong> Menschen, <strong>des</strong>halb sehe ich in Chr<strong>ist</strong>us ganzheitliches<br />

Heilen und Heilsein, in Wort und Tat. Sein heilen<strong>des</strong> Handeln bei den Heilungen, sein<br />

heilen<strong>des</strong> Wort (Gleichnisse, Bergpredigt…), s<strong>eine</strong> heilen<strong>des</strong> Gottesverständnis (Abba), sein<br />

heilen<strong>des</strong> Ansprechen <strong>der</strong> Konflikte, s<strong>eine</strong> heilende Sorge um soziale Gerechtigkeit… Und all<br />

dieses Heilshandeln Jesu gilt auch mir und m<strong>eine</strong>m Unheilsein… „Was soll ich dir tun?“, <strong>ist</strong><br />

auch Jesu Frage an mich.<br />

c) Auswahl <strong>eine</strong>s Bil<strong>des</strong>:<br />

Meditation (eventuell schriftlich): Mit wem möchte ich mich jetzt identifizieren? In welche<br />

Rolle möchte ich jetzt schlüpfen?<br />

3


„Ich bin <strong>der</strong> Blinde Ich…<br />

Jesus…(aufs Bild schauen: Was macht Jesus mit mir?)…<br />

(Wie <strong>ist</strong> das für mich?)<br />

Zu Jesus <strong>eine</strong>n Satz innerlich sagen… „Jesus, du…)<br />

d) Austausch in 3-er Gruppen und Plenum: Welche Erfahrungen wurden gemacht? Was war<br />

auffallend? Wie <strong>ist</strong> es ergangen?<br />

3) Aufbau <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>erzählungen <strong>–</strong> „therapeutische“ Grundstruktur (wie<br />

in den Klagepsalmen)<br />

Die Exegese hat festgestellt, dass die Wun<strong>der</strong>erzählungen dreigliedrig aufgebaut sind (ähnlich<br />

wie die Klagepsalmen <strong>des</strong> AT)<br />

Wun<strong>der</strong>heilung:<br />

1. Schil<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Kranken und s<strong>eine</strong> Bitte (bzw. sein Schrei nach Heilung wie in<br />

den Klagepsalmen „Herr, rette mich!“; Rabbuni! Ich möchte sehen können!<br />

2. Heilswort und Heilungsgeschehen: <strong>der</strong> vom Leid und Einsamkeit, von Angst,<br />

Trauer und Schuld geplagte Mensch hört von Jesus das heilende Wort: „Effata <strong>–</strong><br />

Tu dich auf!“; „Talita kum <strong>–</strong> Mädchensteh auf!“ ; Verlass diesen Mann, du<br />

Dämon! Schweig und sei still! ; Ich will, sei rein!... Die Notleidenden erfahren so<br />

die heilende Zuwendung Gottes, <strong>der</strong> da in Jesus Menschengestalt angenommen<br />

hat. Und sie können wie<strong>der</strong> Mensch sein, in <strong>der</strong> Gemeinschaft leben.<br />

3. Chorschluss mit dem Lob <strong>des</strong> Geheilten und <strong>des</strong> ganzen Volkes: die hymnisch<br />

formulierten Chorschlüsse erinnern sehr an die Psalmen: Er hat alles gut gemacht;<br />

Erschrecken und Staunen, Ergriffensein, wie auch Ausbrechen <strong>des</strong> Jubels…“Was<br />

<strong>ist</strong> das für ein Mensch?“: Es <strong>ist</strong> die logische Folge <strong>des</strong> erfahrenen Heils; die<br />

Menschen können nicht mehr schweigen; es muss gesagt werden… denn sie<br />

spüren: Hier <strong>ist</strong> ein Stück Reich Gottes sichtbar geworden; hier ragt <strong>der</strong> Himmel in<br />

die Erde herein…<br />

Beispiel: Heilung <strong>des</strong> Taubstummen Mk 7<br />

4) Heutige Zugänge zum Wun<strong>der</strong><br />

„Glaube <strong>ist</strong>, wie die Hoffnung, k<strong>eine</strong> Voraussage <strong>der</strong> Zukunft; aber erblickt im<br />

Gegenwärtigen den Zustand <strong>der</strong> Trächtigkeit.“<br />

(Erich Fromm: Die Revolution <strong>der</strong> Hoffnung)<br />

Heilsein und Ganzsein, beziehungs- und liebesfähig werden, das sind wohl die geheimen und<br />

berechtigten Wunschvorstellungen je<strong>des</strong> Menschen. Doch Heilsein und Ganzsein, das <strong>ist</strong> kein<br />

Zustand, son<strong>der</strong>n ein immerwähren<strong>der</strong> Prozess, <strong>der</strong> gestaltet werden will und zugleich nice<br />

vollendet <strong>ist</strong>, son<strong>der</strong>n immer noch aussteht. So sind wir Menschen angefragt, polare<br />

Gegensätze, wie Intellekt und Emotion, Mann sein und Frau sein, Mangel und Fülle,<br />

Zerstörung und Aufbau, Liebe und Trennung, Verwundetsein und Heilsein, Leben und Tod<br />

miteinan<strong>der</strong> zu versöhnen. Es gibt k<strong>eine</strong> perfekten Systeme mit perfekten Menschen, wir sind<br />

in diesem Spannungsfeld <strong>des</strong> Lebens eingewoben, und <strong>des</strong>halb erlösungsbedürftig. Das Leben<br />

kennt k<strong>eine</strong> „keimfreie“ Perfektion, denn dies würde den Tod bedeuten; Leben lebt immer<br />

auch von Unordnung und Chaos, wie heutige Naturwissenschaft zeigt.<br />

In dieser Spirale <strong>des</strong> Lebens sind wir immer wie<strong>der</strong> Täter und Opfer zugleich, wir fügen<br />

Verletzungen und Verwundungen zu, und wir erleiden und ertragen sie. Auch Kin<strong>der</strong> nehmen<br />

4


schon an diesen Erfahrungen teil. Sie werden stumm- und taub gemacht durch Gewalt,<br />

Missbrauch, Trennungsschmerz, Liebesentzug, fehlen<strong>der</strong> familiärer Sicherheit und<br />

Geborgenheit. Manche wachsen orientierungslos auf und finden sich nur schwer zu recht. So<br />

kennen Kin<strong>der</strong> Sätze wie: "Tu das nicht und das nicht. Hör nicht hin! Das geht dich nichts an!<br />

Halt den Mund! Sei nicht so empfindlich! Hör auf zu schreien! Benimm dich nicht so blöd!..."<br />

Kin<strong>der</strong> leiden an dieser „unfertigen“ Welt. Sie werden stumm- und taub gemacht, wenn sie<br />

mit Gütern überhäuft werden, die sie nicht wirklich brauchen und das Wesentliche <strong>–</strong> die für<br />

sie lebensnotwendige Liebe, die Zuwendung und das Gespräch <strong>–</strong> ihnen vorenthalten wird.<br />

Viele Kin<strong>der</strong> leiden still vor sich hin und äußern sich nicht mehr über ihre Verletzungen und<br />

Verwundungen; an<strong>der</strong>e zeigen ihre Not in beson<strong>der</strong>s auffälligem Verhalten und versuchen so,<br />

auf sich aufmerksam zu machen. Und doch zeigen gerade Kin<strong>der</strong> <strong>eine</strong>n (Über-)Lebenswillen,<br />

<strong>der</strong> uns Erwachsene manchmal veranlassen mag zu fragen, woher Kin<strong>der</strong> diese Kraft nehmen,<br />

die weit über sie hinausreicht und es ihnen ermöglicht, selbst mit widrigsten<br />

Lebensumständen zurecht zu kommen.<br />

Und wir alle sind auch solche Kin<strong>der</strong>: so sind wir aufgewachsen…<br />

In diese m<strong>eine</strong>/unsere Welt hinein werden die Erzählungen vom heilenden Jesus aus <strong>der</strong><br />

Heiligen Schrift verkündet, in <strong>der</strong> Hoffnung, dass die Sehnsucht nach <strong>eine</strong>m heilen Leben<br />

wach gerufen bzw. wach gehalten wird, damit das Unheil nicht überhand nimmt. Wir alle<br />

brauchen solche Erzählungen, in denen Glück, Heil, gelingen<strong>des</strong> Leben, Vertrauen, Spaß und<br />

Freude verkündet werden, damit ihre Hoffnung erhalten bleibt, denn auf Dauer kann sich<br />

niemand vermutlich den „Luxus <strong>der</strong> Resignation“ nicht le<strong>ist</strong>en. Die Seele findet in diesen<br />

Heilserzählungen ein Obdach wi<strong>der</strong> die Resignation. So können die Erzählungen <strong>der</strong> Bibel<br />

auch als „Erzählungen wi<strong>der</strong> die Angst“ (Eugen Drewermann) vor dem Leben betrachtet<br />

werden, denn durch sie wird Vertrauen aufgebaut.<br />

In den Texten <strong>der</strong> Heiligen Schrift wird deutlich: Jesus sieht die Not <strong>der</strong> Menschen, <strong>der</strong><br />

Leidenden, <strong>der</strong> Schwachen und Armen, er hört das Flehen und ihre Klage, er lässt sich<br />

erschüttern und stellt sich auf ihre Seite und er heilt sie. Er kennt ihre Verwundungen an Leib<br />

und Seele, er berührt und heilt sie… und so bricht durch ihn das Reich Gottes an: wir<br />

verwundeten Menschen „geraten“ in den Bereich Gottes und es geschieht Heilung.<br />

Das Wun<strong>der</strong> (Mirakel) war nicht das Ziel <strong>des</strong> Handelns Jesu, son<strong>der</strong>n er wollte zeigen, was<br />

Gott mit den Menschen vorhat. Jesus, <strong>der</strong> Heiland, gilt als <strong>der</strong> Entdecker „<strong>der</strong> Innenkraft <strong>des</strong><br />

Menschen“ (A. Rosenberg): "Dein Glaube hat dich gesund gemacht". Er <strong>ist</strong> somit nicht ein<br />

Zauberer, <strong>der</strong> Menschen ohne ihr Zutun und nur von Außen mit s<strong>eine</strong>n Kräften überfällt,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>, <strong>der</strong> das Herz <strong>der</strong> Menschen anrührt, Glauben und Vertrauen, alle positiven<br />

Kräfte und Energien in diesen Menschen erweckt.<br />

Durch s<strong>eine</strong> Heilungen bestärkt Jesus die Hoffnung auf Ganz- und Unversehrtsein und öffnet<br />

den Blick auf das ständig neu anbrechende Reich Gottes. Gott schenkt, was <strong>der</strong> Mensch selbst<br />

nicht machen und le<strong>ist</strong>en kann (wi<strong>der</strong> dem Machbarkeitswahn und dem Le<strong>ist</strong>ungsstress <strong>des</strong><br />

Menschen).<br />

5) Zum Heilen gesandt: „Heilt die Kranken, treibt die Dämonen aus…“ <strong>–</strong><br />

Aussendung<br />

Durch das Vermächtnis Jesu geht dieser Heils- und Heilungsauftrag auf die Kirche über. All<br />

die Jahrhun<strong>der</strong>te über und auch heute geschieht durch Chr<strong>ist</strong>en und Chr<strong>ist</strong>innen Heilsames.<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Kirche <strong>ist</strong> aber gleichzeitig auch <strong>eine</strong> Geschichte <strong>der</strong> Verletzungen und<br />

Verwundungen: Macht wird immer wie<strong>der</strong> auch missbraucht, Menschen werden aus <strong>der</strong><br />

Kirche ausgeschlossen, Menschen mit ihrer Lebens- und <strong>Glaubens</strong>geschichte werden zu<br />

5


wenig ernst genommen; <strong>der</strong> Zugang zu einzelnen Sakramenten wird ihnen verwehrt. Oft sind<br />

es auch Verletzungen im Kl<strong>eine</strong>n, die Menschen den Zugang zum Glauben verwehren.<br />

Deshalb braucht je<strong>der</strong> und jede von uns und die Kirche als Ganzes die heilsame Vergebung<br />

durch Gott.<br />

Viele Aussendungsreden Jesu sind mit dem Auftrag zur Heilung verbunden: „Heilt die<br />

Kranken“ Lk 10, 9; o<strong>der</strong>: „Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt<br />

Dämonen aus!“ (Mt 10, 8). Es wird uns von Jesus viel zugemutet. Offensichtlich weiß Jesus<br />

mehr über unsere Möglichkeiten und versteckten Potentiale und traut uns mehr zu als wir uns<br />

selber zutrauen. Das Reich Gottes soll auch durch uns anbrechen, Gott soll auch durch uns zu<br />

wirken beginnen hier und heute; das Kranke, das Tote, das Aussätzige, das Dämonische soll<br />

durch uns aus dieser Welt ausgetrieben werden… und wird auch durch uns vertrieben. Es<br />

zeigt zu je<strong>der</strong> Zeit in an<strong>der</strong>er Form, die Menschen sollen aufatmen können in unserer Nähe,<br />

Freiräume zum Leben sollen durch uns im Lebensraum Schule, im Lebensraum Pfarre,…<br />

entstehen <strong>–</strong> Biotope gelungenen Lebens.<br />

Ist uns da nicht zuviel zugemutet? Werden wir da nicht überfor<strong>der</strong>t? Erzeugt das nicht wie<strong>der</strong><br />

Druck und engt uns in unseren Lebensmöglichkeiten ein?<br />

Vielleicht geht es ja darum, einfach zu sehen, was wir sowieso schon tun. Vielleicht geht es<br />

darum, einfach zu sehen, was durch uns geschieht und dafür selbst dankbar zu sein. Dankbar<br />

zu sein, dass Menschen in m<strong>eine</strong>r Nähe ein wenig aufatmen können, dass ich in dieser<br />

Bewegung <strong>des</strong> Reiches Gottes stehen und wirken darf, dass selbst durch mich <strong>–</strong> und sei es<br />

noch so ansatzhaft <strong>–</strong> Gutes geschieht. Es geht dabei nicht um Überheblichkeit und beson<strong>der</strong>en<br />

Stolz, son<strong>der</strong>n um die Dankbarkeit und demütige Freude darüber, dass es auch durch mich<br />

geschieht, dass Gott selbst durch mich, <strong>der</strong>/die ich so wenig bewegen kann, so wenig Talent<br />

und Fähigkeiten habe, in diese Welt hinein wirkt. Gott <strong>ist</strong> alles möglich, sogar durch mich.<br />

Abschließen<strong>des</strong> Gespräch:<br />

Wenn ich das so höre, dann…<br />

frage ich mich…<br />

kommt bei mir an…<br />

wird mir bewusst…<br />

Mir war neu…<br />

6

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