Projektgruppe Rechtspluralismus (PDF) - Max-Planck-Institut für ...
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<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ethnologische Forschung<br />
Sicherheit, Staatsbürgerschaft und Demokratie in einer indischen<br />
Metropole<br />
Julia Eckert<br />
Das Projekt untersucht den Wandel von Staatlichkeit und seine Auswirkungen<br />
auf Recht und <strong>Rechtspluralismus</strong>. Es konzentriert sich dabei<br />
auf die Umstrukturierung städtischen Regierens in Mumbai (früher<br />
Bombay), wo verschiedene Prozesse der formalen und informellen Dezentralisierung<br />
von Rechtssprechung und Rechtssetzung neue Konstellationen<br />
des <strong>Rechtspluralismus</strong> erzeugen. Es geht damit Fragen der<br />
alltäglichen Verhandlungen von Staatsbürgerschaft, Rechtssicherheit<br />
und Legitimität zwischen Bürgern, lokalen Autoritäten und staatlichen<br />
Instanzen nach.<br />
Erste Einschätzungen der Situation der Rechtssprechung führten zu<br />
dem Schluss, dass die Unzugänglichkeit und Ineffizienz der staatlichen<br />
Gerichte zu Prozessen der Informalisierung der Rechtssprechung<br />
führten. Es sind weniger Formen der Selbstjustiz, die hier an Legitimität<br />
gewinnen, als alternative <strong>Institut</strong>ionen, die parallel zur staatlichen Justiz<br />
arbeiten. Im urbanen Indien sind es heute insbesondere drei Instanzen,<br />
die in der Supplementierung der staatlichen Gerichte relevant<br />
werden, nämlich wohlfahrtsorientierte lokale Organisationen, vielmehr<br />
aber noch lokale Vertreter politischer Parteien und ökonomische Unternehmer<br />
(legaler oder illegaler Güter). Judikative Aufgaben verschränken<br />
sich dabei eng mit Versorgungsaufgaben und den klientelistischen<br />
Beziehungen, die mit solchen Versorgungsaufgaben verbunden sind.<br />
Die viel beachteten traditionellen Instanzen der Rechtssprechung, wie<br />
Jati-Versammlungen, Jamaats oder religiöse Autoritäten, deren Sanktionsgewalt<br />
besonders in den verschiedenen Praktiken sozialer Kontrolle<br />
liegt, sind heute insbesondere in den indischen Städten nur dann wirksam,<br />
wenn Streitparteien eine konsensuelle Schlichtung suchen oder<br />
schon gefunden haben. Sie haben wenige Möglichkeiten, ihre Schiedssprüche<br />
effektiv durchzusetzen. Nur diejenigen Instanzen können wirksam<br />
werden, die in die politischen Netzwerke des indischen Staates<br />
integriert sind, weil nur diese eine effektive Durchsetzung ihrer Entscheidungen<br />
bewerkstelligen können.<br />
Im Laufe der Untersuchung wurde deutlich, dass dabei die Polizei zu<br />
einer der zentralen <strong>Institut</strong>ionen geworden ist, welche die Handlungschancen<br />
der verschiedenen Organisationen auf dem Markt der Rechtssprechung<br />
und Konfliktregulierung bestimmt. Sie ist selbst zu einem<br />
Ort der Streitaustragung <strong>für</strong> weite Teile der städtischen Bevölkerung<br />
geworden. Entgegen der Annahme, das weit verbreitete Misstrauen<br />
gegenüber der Polizei würde dazu führen, dass diese gemieden<br />
würde, ist eine allgemein rege Inanspruchnahme der Polizei zu beobachten.<br />
Dies verweist auf eine ambivalente Beziehung der städtischen<br />
Bevölkerung zu den Organen des Staates: Auf der einen Seite bestätigt