Projektgruppe Rechtspluralismus (PDF) - Max-Planck-Institut für ...
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<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ethnologische Forschung<br />
Betriebe delegiert wurden (insbesondere im Bereich der so genannten<br />
sozialen und kulturellen Betreuung, zu dem u. a. Kantinen, Wohnheime,<br />
Ferienheime, Kinderbetreuung, Betriebssportgruppen, die Betreuung<br />
der Arbeitsveteranen etc. zählten), als auch <strong>für</strong> private Strategien<br />
der Ressourcenbeschaffung über den Arbeitsplatz. Daher führte ich über<br />
einen Zeitraum von acht Monaten sowie während mehrerer kürzerer<br />
Aufenthalte Interviews, Archivstudien und teilnehmende Beobachtung<br />
in einem Nachfolgebetrieb eines ehemaligen VEB (Abkürzung <strong>für</strong>:<br />
Volkeigener Betrieb) durch. Spezielle Aufmerksamkeit erfuhren dabei<br />
die Wahrnehmung von heutigen Arbeitsbeziehungen sowie die Entwicklung<br />
einzelner betrieblicher Einrichtungen. Beziehungen am Arbeitsplatz<br />
waren in der DDR u. a. durch die schon angesprochene Multifunktionalität<br />
der Betriebe geprägt. Kollegen sahen sich häufig und in<br />
unterschiedlichen Zusammenhängen, wodurch z. B. die Kommunikationsstruktur<br />
beeinflusst wurde. Postsozialistische Arbeitsbeziehungen<br />
dagegen werden verstärkt vor dem Hintergrund des neuen Risikos Arbeitslosigkeit<br />
interpretiert. Neben den Arbeitsbeziehungen verändern<br />
auch explizite betriebliche Formen sozialer Sicherung ihre Funktion<br />
und ihnen werden neue Bedeutungen zugesprochen. Bezüglich der<br />
betrieblichen Einrichtungen kristallisierten sich im Laufe der Feldforschung<br />
insbesondere die Kantine und die Veteranenbetreuung als wichtige<br />
Beobachtungszusammenhänge heraus. In beiden Fällen änderten<br />
sich sowohl die rechtliche Grundlage ihres Bestehens als auch ihr Interpretationszusammenhang.<br />
So war z. B. die Essensversorgung eine im<br />
Arbeitsrecht der DDR festgeschriebene Verpflichtung von Betrieben,<br />
während diese mit der Übernahme des westdeutschen Systems zu einer<br />
freiwilligen „Gabe“ der Unternehmer wird. Der heutige Diskurs der<br />
Angestellten spiegelt häufig die unterschiedlichen rechtlichmoralischen<br />
Positionen wider; zudem wird die Teilnahme am Kantinenessen<br />
zunehmend in einem identitätsstiftenden Ost-West Diskurs<br />
interpretiert. Auch die betriebliche (Arbeits-)Veteranenbetreuung (heute<br />
Seniorenbetreuung) hat eine Veränderung des Trägers sowie eine<br />
Funktionsänderung erfahren. Der materielle Transfer (Kohlen, Essen)<br />
an ehemalige Betriebsangehörige wurde eingestellt, aber die so genannte<br />
„kulturelle“ Betreuung in Form von Geburtstagsfahrten und Weihnachtsfeiern<br />
besteht beinah unverändert weiter und besitzt hohen<br />
ideellen Wert. Die Veranstaltungen werden heute zudem nicht mehr<br />
von der Gewerkschaft bzw. Arbeitnehmervertretung organisiert, sondern<br />
von der Geschäftsführung an die Personlabteilung delegiert. Auf<br />
Seite der Geschäftsführung ist an Stelle der gesetzlichen und ideologischen<br />
Verpflichtung das Interesse an Werbung in Form eines guten<br />
lokalen „Image“ getreten.<br />
Der zweite wichtige (und mit dem ersten verknüpfte) Ausgangspunkt<br />
<strong>für</strong> die Forschung ist die Organisation sozialer Sicherung über persönliche<br />
Netzwerke. So waren neben den weitläufigen Funktionen der