26.09.2013 Aufrufe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Jameleddine Ben Abdeljelil: Eine islamische Annäherung zur Gottesfrage sowie dem Wesen Gottes und seinen Attributen<br />

fassend ausloten und dementsprechend eine umfassende endgültige Erkenntnis<br />

über das Wesen Gottes erlangen. Diese Art der Erkenntnis über Gott ist dem<br />

Menschen kategorisch versperrt bzw. unzugänglich und unmöglich. Der Mensch<br />

in seinen Fähigkeiten, seinem Vermögen, seinen Sinnen, seiner Kraft, seinem<br />

Wissen, seiner Wahrnehmung etc. als endliches Wesen kann Gott, den Absoluten,<br />

nicht erfassen. Gott steht sogar über den unendlichen Existenzen, angenommen<br />

diese würden existieren, denn Gott wird in diesem Zusammenhang aus islamischer<br />

Perspektive als „Wesen, das über die Unendlichkeit in unendlicher Weise<br />

existiert“ begriffen. 5 Die umfassende Erkenntnis über Gottes Wesen aus der<br />

Warte des Menschen bzw. der gesamten Schöpfung ist kategorisch nicht möglich.<br />

Diese Feststellung entspricht auch der koranischen Offenbarung in verschiedenen<br />

Versen sowie zahlreichen prophetischen Ḥadīṯen in denen der Pro-<br />

phet Muḥammad ausdrücklich vom Nachdenken über das „Gotteswesen“ abrät<br />

und dies verbietet. 6 Dieses Abraten und dieses Verbot des Nachdenkens über<br />

Gottes Wesen ist keinesfalls bloß auf eine legislative bzw. judikative Ebene zu<br />

reduzieren, sondern es gilt als Beschreibung des Sachverhaltes, dass diese Art<br />

der Gotteserkenntnis aufgrund der menschlichen Natur per se unmöglich ist. Da-<br />

her ist dieses Nachdenken über Gottes Wesen per se bloß auf einer spekulativen,<br />

irreführenden Ebene behaftet geblieben, ein Zustand von dem aus islamischer<br />

Perspektive abgeraten wird. In einem koranischen Vers – nämlich dem Vers 3:30<br />

– warnt Gott aus Barmherzigkeit und Gnade die Menschen vor sich selbst 7 , denn<br />

der Mensch ist zum Scheitern verurteilt, falls er Gottes Wesen zu erfassen versucht.<br />

Diese Art der Gotteserkenntnis als eine wesensbezogene, vollkommene,<br />

umfassende Weise bzw. eine Weise, wie Gott sich selbst erkennt, ist <strong>für</strong> den<br />

Menschen kategorisch versperrt; dennoch bleiben <strong>für</strong> den Menschen andere Erkenntniswege<br />

offen und zugänglich.<br />

Die Gotteserkenntnis im Allgemeinen hat jedoch bei den muslimischen Gelehr-<br />

ten dem koranischen Diskurs entsprechend höchste Priorität. Schlussfolgernd ist<br />

die eventuell erlangbare bzw. zugängliche Gotteserkenntnis ausschließlich nur<br />

über seine Attribute, Namen und Schöpfungsakte möglich. Es ist in diesem Zusammenhang<br />

wichtig, darauf hinzuweisen, dass der koranische Diskurs sich<br />

überwiegend der Gotteseinheit und nicht den Beweisen <strong>für</strong> die Existenz Gottes<br />

widmet. Denn eine primitive natürliche bzw. intuitive Gotteserkenntnis bzw.<br />

Empfindung, in der Gott als existierender erkannt wird, liegt nach dem koranischen<br />

Selbstverständnis jedem Menschen in der eigenen Natur als Veranlagung<br />

nah 8 . Weiterhin genießt die Frage der göttlichen Einheit (tawḥīd ديحوت) sowohl in<br />

der koranischen Offenbarung als auch im theologischen kalām-Diskurs eine<br />

zentrale Bedeutung und hat eine primäre Stellung. An dieser Stelle dienen die<br />

Gottesnamen (wieder entweder "Gottesnamen" oder "Namen Gottes") und seine<br />

Attribute als Erkenntniswege zu ihm, die seine Einheit als Grundlage haben. Die<br />

Namen Gottes und Attribute werden sukzessiv in weitere Arten unterteilt: einerseits<br />

die positiven 9 und die negativen 10 Eigenschaften, andererseits die Wesensattribute<br />

11 und die Taten bzw. Handlungsattribute. 12<br />

Die Unterscheidung zwischen den positiven und negativen Attributen wird aufgrund<br />

der Vollkommenheit Gottes festgelegt. Die positiven Attribute sind jene,<br />

die auf die absolute Vollkommenheit Gottes hinweisen, wie z.B. sein Wissen<br />

und seine Allmacht, welche ihrerseits auf eine einzige Eigenschaft zurückgeführt<br />

werden, nämlich die Unbedürftigkeit bzw. das absolute Reichtum, was dem notwendigen<br />

Wesen zugeschrieben wird. Die negativen Attribute hingegen sind diejenigen,<br />

welche Gott nicht würdig sind, da sie ihm einen Mangel zuschreiben<br />

würden. Dennoch, die Negation dieser Eigenschaften kann Gott zugeschrieben<br />

werden, wie z.B. nicht unwissend, nicht ungerecht, nicht unallmächtig. 13<br />

Weiterhin wird zwischen den Wesens- und den Handlungsattributen unterschieden.<br />

Diese Differenzierung führen muslimische Gelehrte anhand von zwei verschiedenen<br />

Argumentationen bzw. Kriterien durch.<br />

Erstens, ein philosophisches Kriterium, wonach die Wesensattribute diejenigen<br />

sind, welche nur die Wesenheit Gottes voraussetzen und gar keine weiteren Exis-<br />

tenzen oder Objekte, auf die sie Bezug nehmen. Als Beispiele <strong>für</strong> diese Art können<br />

z.B. die Eigenschaften des Lebens, des Wissens und der Allmacht angeführt<br />

Seite | 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!