26.09.2013 Aufrufe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

Zeitschrift für Islamische Studien 4. Ausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Yaşar Sarıkaya: Die Authentizität des al-Ǧāmiʿ aṣ-Ṣaḥīḥ<br />

Weisheit und Glauben. Dann stiegen sie zusammen in den Himmel empor.<br />

In jedem Himmel traf Muhammed einen der Propheten und grüßte ihn. So<br />

erreichten sie am Ende des Weges den Lotusbaum (sidrat al-muntahāʾ).<br />

„Der mächtige Gott näherte sich an ihn soweit, dass Er Muhammed so nahe<br />

war, wie zwischen zwei Bögen, die miteinander verbunden sind. Danach<br />

offenbarte Er ihm seine Botschaft und erlegte fünfzig Gebete auf...“ 16<br />

Diese Überlieferung wurde insbesondre wegen des kursiv angeführten Textteils<br />

kritisiert. Schon Muslim (gest. 261/875) fand den Text inkorrekt und bemerkte,<br />

dass der Überlieferer Šarīk b. ʿAbdillāh (gest. 140/757) die Nachricht über die<br />

Himmelsfahrt fehlerhaft berichtet, indem er etwas dazu ergänzt oder weggelassen<br />

hat. Insbesondere zwei Aspekte dieses Berichtes erschienen auch den späteren<br />

Ḥadīṯexperten problematisch. 1. Das Zuschreiben von tadallī („sich nähern“,<br />

„herankommen“) auf Gott 2. der Zeitpunkt der Himmelsfahrt.<br />

Ḫaṭṭābī, der diesen Ḥadīṯ in seinem Kommentar Aʿlām as-sunan fī šarḥ Ṣaḥīḥ al-<br />

Buḫārī kommentierte, kam zum Schluss, dass „es im Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī keinen<br />

anderen Ḥadīṯ gibt, der äußerlich hässlicher und dessen Geschmack schlechter ist<br />

als dieser.“ 17 Er betont, dass diese Version des Berichts eine Erzählphantasie des<br />

Überlieferers Anas oder Šarīk wiedergibt und keineswegs dem Propheten zugeschrieben<br />

werden kann. Zudem stehe das Zuschreiben von tadallī „sich nähern“<br />

auf Gott im Widerspruch zu der Meinung von früheren und späteren Gelehrten. 18<br />

Die Kritik richtet sich an Šarīk. Nach Ibn Haǧars Auskunft gilt er zwar <strong>für</strong> Ibn<br />

Saʿd und Abū Dāwūd als vertrauenswürdig. Daher hätte man kein Bedenken,<br />

Ḥadīṯe von ihm zu überliefern. Jedoch gibt es Inhalte und Aspekte in der Überlieferung<br />

über die Himmelsfahrt, die er von seinem Informant Anas gehört haben<br />

soll. 19 Überdies weist seine Version auf inakzeptable Einfügungen und inhaltliche<br />

Verschiebungen auf. 20<br />

Auch Ibn Ḥazm kritisiert diesen Ḥadīṯ und wirft al-Buḫārī Ungenauigkeit in Bezug<br />

auf die Überlieferung dieses Ḥadīṯ vor. Die hier verwendeten Ausdrücke sei-<br />

en unbestimmt und nicht anerkannt. Auch der angegebene Zeitpunkt <strong>für</strong> die<br />

Himmelsfahrt sei falsch. Dass das Gebet zwölf Jahre nach der Prophetie Muham-<br />

meds und ein Jahr vor der Hidschra geboten wurde, habe niemand abgelehnt.<br />

Wie könne diese Himmelsfahrt dann vor der Prophetie stattgefunden haben? 21<br />

Ein weiterer Ḥadīṯ, der hinsichtlich seines Inhalts von bekannten Gelehrten kritisiert<br />

wurde, ist die Nachricht darüber, dass der Prophet das Totengebet eines<br />

Heuchlers (munāfiq) geleitet habe. Der Ḥadīṯ wird an sechs Stellen im Ṣaḥīḥ<br />

durch fünf unterschiedliche Überlieferungsketten zitiert. Alle haben den folgenden<br />

gemeinsamen Kern:<br />

Als ʿAbdullāh b. ʿUbay starb, der als Heuchler bekannt war, kam sein<br />

Sohn zum Gesandten und fragte, ob ihm der Prophet sein Hemd geben<br />

würde, in das er den Leichnam seines Vaters hüllen könnte. Er gab ihm<br />

auch ein Hemd. Dann fragte der Sohn, ob der Prophet das Totengebet <strong>für</strong><br />

seinen Vater verrichten würde. Als der Prophet aufstand, um <strong>für</strong> ihn das<br />

Gebet zu verrichten, packte ʿUmar den Propheten an seiner Kleidung und<br />

sagte: „Betest du <strong>für</strong> ihn, wo dein Herr dir verbot, das Totengebet <strong>für</strong> ihn<br />

zu verrichten?“ Muhammed sagte: „Wahrlich, Gott stellte es mir zur<br />

Wahl, indem Er sagte 22 : „Ob du <strong>für</strong> sie um Verzeihung bittest oder nicht,<br />

oder ob du siebzig Mal <strong>für</strong> sie um Verzeihung bittest, Gott wird ihnen nie-<br />

mals verzeihen.“ Ich werde <strong>für</strong> sie mehr als siebzig Mal beten.“ ʿUmar<br />

sagte: „Er ist doch ein Heuchler!“ Anschließend verrichtete der Gesandte<br />

Gottes doch das Totengebet <strong>für</strong> ihn, worauf Gott folgenden Vers (9/84) offenbarte:<br />

„Und bete nie <strong>für</strong> einen von ihnen, der stirbt, noch stehe an seinem<br />

Grab.“ 23<br />

Der erwähnte Ḥadīṯ wird von den drei ašʿaritischen Theologen Bāqillānī (gest.<br />

403/1013), Ǧuwaynī (gest. 478/1085) und Ġazzālī (gest. 505/1111) als unecht<br />

eingestuft, denn sie konnten den Inhalt nicht mit ihrem Koranverständnis in Einklang<br />

bringen. 24 Durfte und konnte der Prophet dem Befehl Gottes widersetzen?<br />

Ist es möglich, dass der Prophet etwas, was ʿUmar schon kennt, nicht weiß?<br />

Wenn die Überlieferung wahr ist, wie konnte es ʿUmar wagen, den Propheten<br />

vor der Durchführung des Gebets zu verhindern? Die Kommentatoren des Ṣaḥīḥs<br />

jedoch haben verschiedene Interpretationsmodelle angewendet, um das Werk vor<br />

Seite | 25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!