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Info-Brief - bvkm.

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Jede ist ihres Glückes Schmied<br />

„Jeder ist seines Glückes Schmied“ - das heißt, jeder Mensch kann sein Leben nach seinen Wünschen<br />

gestalten und aktiv handelnd Einfluss auf sein Schicksal nehmen. Wir sind, so behauptet das Sprichwort,<br />

kein Spielball blinder Mächte, wir sind verantwortlich für unseren Lebenserfolg. Das Glück fällt uns jedoch<br />

nicht zu; wir müssen hart dafür arbeiten. Hinter diesem Sprichwort steckt ein Bekenntnis zum<br />

Individualismus: Du selbst, und nur du allein, schmiedest dir dein Lebensglück.<br />

Natürlich wissen wir, rein theoretisch, dass die Macht des Schicksals dem Schmieden des individuellen<br />

Glückes Grenzen setzt. Doch was erleben die Menschen heute bei uns noch als Schicksal: ... Beruflichen<br />

Erfolg? Man war tüchtig und kompetent, hat ihn sich erarbeitet. Armut und materielle Not?<br />

Selbstverschuldet durch Faulheit und Unfähigkeit. Ein Unfall? Man selbst oder ein anderer hat nicht genug<br />

aufgepasst, Fehler gemacht. Eine größere technische Katastrophe? Schlamperei und menschliches<br />

Versagen an irgendeiner Stelle, die sich bei genauerer Untersuchung auch genau bezeichnen lässt.<br />

Naturkatastrophen? Wären die Verantwortlichen aufmerksamer gewesen, hätte man zumindest vor ihnen<br />

warnen und ihre Folgen dadurch abwenden können. Schwere Krankheit? Zumindest mitverschuldet durch<br />

falschen Lebenswandel.<br />

Die Überschätzung der Machbarkeit unseres Lebens ist typisch für unsere Zeit; sie kennzeichnet die<br />

Moderne im Vergleich zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit.<br />

Der Machbarkeitswahn - und darin liegt seine eigentliche Gefahr - lässt unsere Fähigkeit verkümmern,<br />

uns mit dem Schicksalhaften in unserem Leben zu versöhnen. Er macht, dass wir unaufhörlich hinter<br />

Zielen herjagen, die sich verselbständigen und nicht mehr auf ihren Sinn hinterfragt werden, er macht,<br />

dass wir all unsere Kräfte darin verbrauchen, das Leid der menschlichen Existenz zu leugnen und von uns<br />

wegzuhalten. Die vitale Energie, die er bindet, brauchen wir aber, um uns mit dem zu arrangieren, das wir<br />

nicht ändern können, das vom Schicksal Gesetzte zu akzeptieren und fruchtbar in unser Lebensmuster zu<br />

integrieren. Machbarkeitswahn und Individualismus gehören zusammen; sie haben sich historisch<br />

gemeinsam entwickelt.<br />

Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, ein selbstbestimmtes Leben - das sind die Gebote und<br />

Verheißungen des Individualismus. Diese Ziele, mit der Aufklärung entstanden und im 20. Jahrhundert in<br />

der westlichen Welt allgemein geworden, hatten sich die gesellschaftlichen Befreiungsbewegungen der<br />

70er und 80er Jahre auf die Fahnen geschrieben.<br />

Auch Behinderungen werden als Schicksalsschläge erlebt. Sind sie angeboren, dann sind es zunächst die<br />

Eltern des Kindes, die mit einem Schock fertig werden müssen, während die Betroffenen selbst von<br />

Anfang an mit den vorgegebenen Einschränkungen zu leben lernen und meist besser damit zurecht<br />

kommen als Menschen, die erst später in ihrem Leben, sei es ganz plötzlich, sei es allmählich<br />

fortschreitend zu Behinderten werden.<br />

Die Begegnung mit dem Tod ist das ultimative Schicksal.<br />

All diese Ereignisse haben miteinander gemeinsam, dass vor ihnen der Machbarkeitswahn versagt. Sie<br />

strafen die Ideologie des unaufhörlichen individuellen und sozialen Fortschritts Lügen. Sie entlarven<br />

unseren naiven Glauben daran, dass wir unser Leben unter Kontrolle haben, dass für uns alles immer<br />

noch besser, größer, schöner wird, wenn wir es nur richtig anstellen, als dümmliche Verblendung,

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