Magazin 199110
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MinisterialdirIgent WOlfgang Beyer, BundesministerIum des Innern<br />
Planung von Antworten<br />
auf Naturkatastrophen<br />
Selbst in Fachkreisen gibt es<br />
keine einheitliche Antwort auf die<br />
Frage, ob eine .. Planung von Antworten<br />
auf Naturkatastrophen"<br />
möglich ist. Zum Teil w ird man ungläubig<br />
angesehen und kann man<br />
hören, die Antwort auf Katastrophen<br />
im allgemeinen und Naturkatastrophen<br />
im besonderen könne<br />
man nicht planen. Derartige Schadensereignisse<br />
verliefen z. B. nach<br />
Zeit und Ort ihres Eintritts derartig<br />
unterschiedlich, daß bei ihrer<br />
Bekämpfung die Improvisation,<br />
ein ad hoc-Management und Gottvertrauen<br />
die wesentlichen Merkmale<br />
der Katastophenabwehr seien.<br />
Dadurch wird aber eine Antwort<br />
auf die Frage provoziert, ob Reaktionen<br />
auf Naturkatastrophen umfassend<br />
oder zumindest im größeren<br />
Umfang geplant werden können.<br />
Als erstes gilt es zu klären, was<br />
unter Naturkatastrophen verstanden<br />
werden soll. Negativ läßt sich dieser<br />
Begriff dadurch umschreiben, daß es<br />
sich um Schadensereignisse handelt,<br />
die nicht von Menschenhand,<br />
durch technologische Risiken oder<br />
bewaffnete Auseinandersetzungen<br />
verursacht worden sind. Positiv gesagt<br />
handelt es sich um Gefahrenlagen,<br />
die durch die den Menschen<br />
umgebende Natur bedingt werden.<br />
Diese blutleere Formel bedarf der<br />
Konkretisierung. Ohne erschöpfend<br />
sein zu wollen, seien einige Beispiele<br />
genannt.<br />
Hierzu gehören:<br />
1. Erdbeben. Bei der Nennung<br />
dieses Begriffs sei aus der jüngeren<br />
Zeit an die Ereignisse in<br />
Mexiko im Jahre 1985 bzw. in<br />
8/ BEVÖLKERUNGSSCHUTZMAGAZIN 10-12/91 /<br />
Armenien im Jahre 1988 gedacht.<br />
2. Vulkanausbrüche. Statt vieler<br />
anderer darf insoweit auf die<br />
Eruptionen zum Teil schon mehrere<br />
Jahrhunderte nicht mehr<br />
aktiver Vulkane in Japan und auf<br />
den Philippinen verwiesen werden.<br />
3. Seebeben, die mit ihren meterhohen<br />
Flutwellen verheerende<br />
Wirkungen in den Küstenregionen<br />
des Pazifischen Ozeans<br />
hervorrufen können.<br />
4. Wirbelstürme, wie Tornados,<br />
Hurrikans oder Taifune, die immer<br />
wieder Straßen der Verwüstung<br />
in den betroffenen Gebieten<br />
nach sich ziehen.<br />
5. Überschwemmungen, seien<br />
sie z. B. im Landesinneren durch<br />
große Regenfälle oder plötzliche<br />
Schneeschmelze verursacht<br />
oder an der Küste, z. B. durch<br />
eine Springflut bedingt.<br />
6. Schwere Schneefälle oder Lawinen,<br />
die ganze Landstriche in<br />
Mitleidenschaft ziehen können.<br />
7. Dammbrüche, die die talwärts<br />
gelegenen Gebiete in ein Wassermeer<br />
verwandeln können.<br />
8. Lang anhaltende Trockenheiten,<br />
die z. B. immer wieder in<br />
Afrika viele tausende Menschen<br />
der Gefahr des Verhungerns<br />
aussetzen.<br />
9. Heuschrecken, die seit Jahrhunderten<br />
in den betroffenen<br />
Gebieten als Geißel der<br />
Menschheit gelten und durch<br />
das Vernichten der Ernten Hungersnöte<br />
hervorrufen können.<br />
10. Busch- oder Waldbrände.<br />
Der Eintritt dieser Naturereignisse<br />
allein stellt aber noch keine Naturka-<br />
tastrophe dar. Bekanntlich bilden die<br />
Überschwemmungen des Nils kein<br />
Schreckgespenst, sondern geben<br />
Anlaß zu Freudenfeiern. Mit anderen<br />
Worten, das Naturereignis muß objektiv<br />
geeignet sein, Menschen und<br />
ihr Eigentum zu schädigen. Hinzukommen<br />
wird häufig aber auch ein<br />
subjektives Element des Empfindens<br />
der Gefahr. Beispielsweise sind<br />
die großen Schneefälle im Jahre<br />
1980 im Norden der Bundesrepublik<br />
Deutschland keineswegs von allen<br />
Menschen in den betroffenen Regionen<br />
als Katastrophe angesehen worden.<br />
Ganz im Gegenteil haben sich<br />
damals ganze Dorfgemeinschaften -<br />
bewaffnet mit zum Teil primitivem<br />
Werkzeug und Alkohol - aufgemacht,<br />
um im Rahmen einer fröhlichen<br />
Gemeinschaftsaktion die<br />
Schneemassen zu beseitigen.<br />
Die auf der Welt zu verzeichnende<br />
Verdichtung der Bevölkerung in den<br />
Siedlungsgebieten und die Anhäufung<br />
von Werten in den Zonen der<br />
Urbanisierung bringen allerdings die<br />
Wahrscheinlichkeit mit sich, daß Naturereignisse<br />
sich zu einer Katastrophe<br />
auswachsen und es nicht bei einem<br />
bloßen Naturschauspiel verbleibt.<br />
Ist eine Naturkatastrophe aber<br />
einmal entstanden, so muß sie auch<br />
als "Ganzheit" zur Kenntnis genommen<br />
werden. Keines dieser Naturereignisse<br />
darf aber nur als ein isolierter<br />
Vorfall mit einem eng begrenzten<br />
Schaden gesehen werden. Jedes<br />
dieser Ereignisse kann die Ursache<br />
für eine Reihe von weiteren Gefahren<br />
setzen und dadurch die Wirkung der<br />
ursprünglichen Naturkatastrophe<br />
ganz erheblich steigern. So hat der<br />
Ausbruch des Mount St. Helen-Vulkans<br />
im Jahre 1980 unter anderem<br />
zu einem riesigen Erdrutsch geführt.