Magazin 199110
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wehrkonzeption inklusive einer Vorbeugung<br />
und einer Vorabbewertung<br />
von Risikopotentialen. Gleichzeitig<br />
warnte er vor einer Überbewertung<br />
der Technik im Katastrophenschutz<br />
("menschlich kommt vieles zu kurz").<br />
Zur Bewältigung von Katastrophen<br />
brauche man ein dreigliedriges Personalkonzept:<br />
Spitzen leute (a la<br />
GSG 9), Experten vor Ort und auch<br />
ehrenamtliche Helfer, die z. B. über<br />
entsprechende Ausbildung bis in die<br />
"Profi-Liga" aufsteigen könnten.<br />
Überhaupt sollte eine Berufslaufbahn<br />
im KatasVophenschutz mehr<br />
Professionalität bringen.<br />
Hauptprobleme des<br />
Katastrophenschutzes<br />
Dritter im Bunde der Referenten<br />
war Professor Lenk, Verwaltungswissenschaftler<br />
an der Universität<br />
Oldenburg, der die Frage stellte:<br />
"Sind wir gerüstet?" Auch Lenk<br />
betrachtete die Risiken als sehr<br />
hoch: Mangelhafte Beherrschung<br />
der Technik oder gar deren mißbräuchliche<br />
Verwendung ergäben<br />
die "Bedrohung der Menschheit<br />
durch ihr eigenes Werk". Hauptprobleme<br />
des Katastrophenschutzes<br />
seien derzeit:<br />
- Für die Bekämpfung von Katastrophen<br />
sei ein "multiorganisatorisches<br />
Netzwerk" und nicht eine<br />
einheitliche Organisation zuständig.<br />
Die Vielfalt der Organisationen<br />
müsse aber "hingenommen" werden,<br />
es gebe kein Zurück.<br />
- Der Katastrophenschutz sei eine<br />
"Teilzeitorganisation" (im Gegensatz<br />
zum hauptberuflichen Militär).<br />
Oer großzügige technische Bereich In Bad Nenndorl.<br />
Probleme ergäben sich auch in der<br />
Führung, weil der Hauptverwaltungsbeamte<br />
sich nur ab und an<br />
mit dem Katastrophenschutz beschäftige.<br />
Das Verwaltungshandeln<br />
im Katastrophenfall erfolge<br />
dann im "Schnellkochtopf". Und:<br />
"Eine Übung im Jahr ist zu wenig,<br />
um routiniert handeln zu können."<br />
- "Situatives Katastrophenmanagement"<br />
mit einer ausreichenden<br />
materiellen Basis für souveränes<br />
Handeln und einer guten "mentalen<br />
Infrastruktur" ist erforderlich.<br />
Taktik und Improvisation zu lernen<br />
sei offensichtlich schwierig; weil<br />
bei Übungen keine Informationsgewinnung<br />
gespielt wird, sondern<br />
Vorgaben eingebracht werden,<br />
sind Ergebnisse verfälscht und<br />
führen zu falschem Sicherheitsgefühl.<br />
Die "Perfektion der Gesetze"<br />
erschwere ebenfalls flexibles Handeln.<br />
- "Informationsmanagement" müsse<br />
den richtigen und sinnvollen<br />
Umgang mit Informationen steuern:<br />
woher, wie verarbeiten, wie<br />
weitergeben?<br />
- Die "Bedeutung des Raumes"<br />
müsse erkannt werden, gerade bei<br />
großflächigen Gefahrenlagen. So<br />
gebe es "Sprünge in den administrativen<br />
Ebenen" (Ort, Kreis usw.)<br />
- und oftmals würde der HVB zu<br />
spät eingeschaltet.<br />
- Den "menschlichen Ressourcen"<br />
sei mehr Aufmerksamkeit zu<br />
schenken. So ist die Aus- und<br />
Fortbildung der Helfer gut, aber es<br />
fehle verschiedentlich die Motivation,<br />
besonders bei den vom<br />
Wehrdienst freigestellten Helfern.<br />
Die Verwaltungen hätten Proble-<br />
me, "Werte" zu verm itteln, weil oft<br />
die Technik im Vordergrund stehe.<br />
Vorschläge für l ösungen<br />
Prof. Lenk unterbreitete eine Reihe<br />
von Lösungsvorschlägen. So sollten<br />
möglichst viele Katastrophenverläufe<br />
und -übungen analysiert werden,<br />
um weitere theoretische Grundlagen<br />
für das erforderliche Management<br />
zu erhalten. Wissenschaft "nd<br />
Praxis sind besser zusammenzuführen.<br />
Fünf Schlußfolgerungen zog der<br />
Verwaltungswissenschaftler:<br />
1. Risiken sind offenzulegen.<br />
2. An der Planung des Katastrophenschutzes<br />
sollen viele mitwirken<br />
und nicht nur "vorgesetzte<br />
Pläne" umsetzen.<br />
3. Die Identität der Helfer ist zu stärken,<br />
der Dienst ist als "nationaler<br />
Dienst" attraktiver zu gestalten.<br />
4. Für den Selbstschutz ist ein neues<br />
Verständnis notwendig.<br />
5. Das Verhältnis Laie - Profi und die<br />
Rolle der Organisation sind zu<br />
überdenken.<br />
Eine verkannte Aufgabe<br />
Für das gastgebende niedersächsische<br />
Innenministerium faßte<br />
Staatssekretär Schapper seine Erfahrungen<br />
unter dem Zukunftsaspekt<br />
zusammen: "Bei den Vorbereitungen<br />
auf dieses Symposium<br />
habe ich an mir selbst erfahren, daß<br />
Katastrophenschutz wohl zu den am<br />
meisten verkannten staatlichen Aufgaben<br />
gehört. Mir ist bewußt geworden,<br />
daß die Leid- und Schadensdimension<br />
bei einer Katastrophe und<br />
die öffentliche Einschätzung des<br />
entsprechenden Aufgabenfeldes in<br />
einem auffallenden Mißverhältnis<br />
zueinander stehen.<br />
Gleichermaßen bezeichnend für<br />
diesen Aufgabenbereich ist es andererseits,<br />
daß die Situation in allerkürzester<br />
Zeit völlig umschlagen kann.<br />
Bei Eintritt einer Katastrophe nämlich<br />
wird von Öffentlichkeit und<br />
Publizistik - natürlich völlig zu recht!<br />
- ein optimales Vorbereitetsein<br />
staatlicher Stellen auf alle nur denkbaren<br />
Schadenseintritte verlangt.<br />
Wir sind daran in glücklicherweise<br />
sehr abgeschwächter Form zu Beginn<br />
der Golf-Krise erinnert worden,<br />
als unser Bürgertelefon die Flut der<br />
Anfragen kaum bewältigen konnte,<br />
wir unser internes Krisenmanagement<br />
auf seine Gangbarkeit überprü-<br />
1 BEVÖLKERUNGSSCHUTZMAGAZIN 10-12/91 117<br />
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