Magazin 199110
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Dadurch wurden drei "natürliche"<br />
Staudämme geschaffen, die in der<br />
Meinung der zuständigen Behörden<br />
extrem unsicher sind und bei einem<br />
nicht auszuschließenden Dammbruch<br />
Millionen von Kubikmetern<br />
Wasser in die tiefer gelegenen Regionen<br />
fließen lassen würden. Die<br />
durch die Vulkanausbrüche in die Atmosphäre<br />
geschleuderte Asche<br />
stellt z. B. aber auch eine erhebliche<br />
Gefahr für die Luftfahrt dar, weil<br />
durch den angesaugten Staub die<br />
Triebwerke ausfallen. Bisher konnten<br />
daurch bedingte Flugzeugabstürze<br />
nur mit Glück vermieden werden.<br />
Auswirkungen höherer<br />
Ordnung<br />
Aber nicht nur solche Folgen eines<br />
Naturereignisses müssen gesehen<br />
werden. Es gilt ebenfalls die Konsequenzen<br />
dritter, vierter oder weiterer<br />
Ordnungen zu bedenken. Die jüngste<br />
Flutkatastrophe in China hat<br />
nicht nur viele Menschen du(ch die<br />
unmittelbaren Einwirkungen der<br />
Wassermassen das Leben gekostet<br />
und große Sachschäden verursacht.<br />
Gleichzeitig sind offenbar ganze Versorgungslinienzusammengebrochen<br />
mit der weiteren Folge, daß z.<br />
B. wegen des nicht mehr einwandfreien<br />
Funktionierens der Trinkwasserversorgung<br />
und der Abwasserbeseitigung<br />
Seuchen wie Ruhr, Cholera<br />
und Typhus auftreten können. Wenn<br />
man bedenkt, daß schon bei einem<br />
Gewitter durch Wassereinbruch die<br />
Ampelanlagen ganzer Städte ausfallen<br />
könf1en und dadurch ein Verkehrschaos<br />
erster Güte entsteht,<br />
kann man sich leicht vorstellen, weiche<br />
Konsequenzen ein durch ein<br />
Hochwasser verursachter totaler<br />
und länger andauernder Ausfall<br />
des Stromversorgungsnetzes einer<br />
Großstadt haben würde. Bei der Abhängigkeit<br />
der hochentwickelten<br />
westlichen Industriegesellschaften<br />
von der Elektrizität würde fast nichts<br />
mehr funktionieren und in vielen Familien<br />
käme noch nicht einmal mehr<br />
ein warmes Essen auf den Tisch,<br />
weil die vollelektrifizierten Küchen<br />
auf das Lebenselement Strom angewiesen<br />
sind.<br />
Derartige Zusammenbrüche von<br />
"Lebenslinien" widerlegen im übrigen<br />
die bisher gern verfolgte Vorstellung,<br />
daß Katastrophen einen umgrenztEm<br />
Ort des Geschehens haben,<br />
sozusagen "ortsfest" sind, und<br />
daß die Schutzmaßnahmen von<br />
außen wie in einer Sternfahrt auf das<br />
Ereignis hin konzentriert werden<br />
können. Die Multilokalität der durch<br />
Fernwirkungen gesteigerten Auslösekatastrophe<br />
bewirkt ein häufig unterschätztes<br />
Maß an Konfusion und<br />
Diffusion.<br />
Hilfsmaßnahmen, die sonst lokal<br />
konzentriert werden könnten, müssen<br />
auf zahlreiche Schadensorte<br />
verteilt werden. Die damit verbundene<br />
Ausdünnung vorhandener Ressourcen<br />
läßt erkennen, daß unsere<br />
Vorstellungen über Naturkatastrophen<br />
und unsere Antwort darauf sich<br />
auf die Möglichkeit des Zusammenbruchs<br />
von "Lebenslinien" einstellen<br />
müssen.<br />
Verheerende Folgen von<br />
Naturkatastrophen'<br />
Muß man angesichts des Umfangs<br />
der Folgen einer Zerstörung<br />
von "Lebenslinien" nicht an den<br />
Chancen einer Antwort auf Naturkatastrophen<br />
zweifeln? Nun, es liegt<br />
auf der Hand, daß die Probleme, die<br />
eine moderne und zukunftsgerechte<br />
Antwort auf Naturkatastrophen aufwirft,<br />
sehr groß sind. Bei einigen<br />
Leuten könnte daher die Meinung<br />
bestärkt werden, es sei das Beste,<br />
alles beim alten zu belassen und ein<br />
Desaster als zwar ungewollt, aber<br />
nicht vermeidbar und als Gottes Willen<br />
hinzunehmen.<br />
Eine solche Haltung ist angesichts<br />
der möglichen verheerenden Folgen<br />
keine Alternative. In den letzten zwei<br />
Jahrzehnten vor dem Jahre 1987 haben<br />
Naturkatastrophen in der<br />
ganzen Welt über drei Millionen<br />
Menschenleben gefordert und das<br />
Leben von mindestens 800 Millionen<br />
weiterer Menschen beeinträchtigt.<br />
Die Todesopfer wurden zu 50,9 %<br />
durch Erdbeben, zu 29,7 % durch<br />
Überschwemmungen, zu 16,8 %<br />
durch Wirbelstürme, zu 1,9 % durch<br />
Vulkanausbrüche, zu 0,5 % durch<br />
Seebeben bedingte Flutwellen und<br />
zu 0,1 % durch Erdrutsche ausgelöst.<br />
Regional verteilen sie sich zu<br />
80,5 % auf Asien und den süd-westpazifischen<br />
Raum, zu je 7 % auf Europa<br />
und den amerikanischen Kontinent<br />
und zu 0,5 % auf Afrika.<br />
Gerade diese letzte Zahl zeigt im<br />
Verhältnis zu den Berichten über<br />
Hungersnöte in der Sahelzone, daß<br />
neben den "klassischen" Naturkata-<br />
strophen auch solche durch natürliche<br />
Ursachen wie Heuschreckenplagen,<br />
Dürre und Wüsten bildung ausgelöste<br />
Ereignisse, in die Betrachtung<br />
einbezogen werden müssen, da<br />
sie zu enormen Schäden führen. Insbesondere<br />
in Afrika hat die letz1e<br />
große Dürre das Leben von mehr als<br />
20 Millionen Menschen bedroht und<br />
weitere Millionen entwurzelt. Jüngsten<br />
Berichten zufolge soll in Afrika<br />
durch eine bevorstehende erneute<br />
Hungerskatastrophe das Leben von<br />
30 Millionen Menschen gefährdet<br />
sein.<br />
Aber nicht nur die Menschenopfer<br />
dürfen gesehen werden. Die Auswirkungen<br />
solcher Katastrophen haben<br />
in den letzten 20 Jahren vor dem<br />
Jahre 1987 zu Sachschäden von<br />
über 23 Milliarden Dollar geführt. Sie<br />
haben die schwache wirtschaftliche<br />
Infrastruktur der Entwicklungsländer,<br />
insbesondere die der am wenigsten<br />
entwickelten Regionen, massiv beeinträchtigt<br />
und dadurch den Entwicklungsprozess<br />
behindert oder<br />
sogar zurückgeworfen.<br />
Prognosen in die Zukunft geben<br />
Anlaß zu erhöhten Befürchtungen.<br />
Die Verwundbarkeit durch Katastrophen<br />
steigt mit dem Wachstum der<br />
Bevölkerung, der Konzentration der<br />
Bevölkerung in den Städten und der<br />
Anhäufung von Industrie und Infrastruktur<br />
in katastrophenbedrohten<br />
Gebieten. Es zeigt sich immer mehr,<br />
daß z. B. Entwicklungshilfe keinen<br />
Sinn macht, wenn die Investitionen<br />
mangels ausreichender Vorsorge gegen<br />
Katastrophen durch das nächste<br />
Erdbeben oder die nächste Überschwemmung<br />
wieder zerstört werden.<br />
Hilfen nach einer Katastrophe<br />
bedeuten nur ein Kurieren an den<br />
Symptomen, gehen das Übel selbst<br />
aber nicht an der Wurzel an.<br />
Internationale Dekade für<br />
Katastrophenvorbeugung<br />
Die Generalversammlung der Vereinten<br />
Nationen hat daher in ihrer 96.<br />
Plenarsitzung am 11 . Dezember<br />
1987 anerkannt, wie wichtig es für<br />
alle Menschen und insbesondere für<br />
die Entwicklungsländer ist, die Auswirkungen<br />
von Naturkatastrophen zu<br />
mindern. Sie hat folgerichtig mit der<br />
Resolution 42/169 beschlossen, die<br />
90er Jahre zu einer Dekade zu erklären,<br />
in der die internationale Gemeinschaft<br />
unter der Schirmherrschaft<br />
der Vereinten Nationen der<br />
Förderung der internationalen Zu-<br />
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