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Magazin 199110

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der Zustand verschiedener kerntechnischer<br />

Anlagen in Mittel- und<br />

Osteuropa sorgt in letzter Zeit für<br />

negative Schlagzeilen in den Medien.<br />

Die Auswirkungen des Tschernobylunglücks<br />

waren schließlich auch<br />

Veranlassung für mein Ministerium,<br />

ein Ernährungsvorsorgegesetz zu<br />

entwickeln, das vom Deutschen<br />

Bundestag im letzten Jahr ohne<br />

Gegenstimmen verabschiedet wurde.<br />

Dieses Gesetz enthält - im<br />

Gegensatz zum Ernährungssicherstellungsgesetz,<br />

das ausschließlich<br />

im Spannungs- und Verteidigungsfall<br />

anwendbar ist - Regelungen zur<br />

Bewältigung von Versorgungskrisen<br />

in Friedenszeiten.<br />

Vorsorgemaßnahmen<br />

unverziehtbar<br />

Zusammengefaßt kann man feststellen,<br />

daß die unabdingbare Aufgabe<br />

des Staates weiterbesteht, im<br />

Rahmen der Daseinsvorsorge die<br />

notwendige Versorgung der Bevölkerung<br />

durch eine gleichmäßige und<br />

sozial gerechte Verteilung der vorhandenen<br />

Nahrungsmittel auch in<br />

Krisenzeiten zu gewährleisten.<br />

Daher ist es unverziehtbar, die hierfür<br />

erforderlichen Maßnahmen im angemessenen<br />

Umfang bereits heute zu<br />

treffen.<br />

Wenn also Krisensituationen nicht<br />

ausgeschlossen werden können und<br />

aus dem Überfluß ein Mangel wird,<br />

sind staatliche Maßnahmen erforderlich.<br />

Der Markt, der sich nach anderen<br />

Zielen und Gesetzmäßigkeiten<br />

richtet, ist zur Bewältigung der entstehenden<br />

Krise nicht in der Lage.<br />

Auf allen Verwaltungsebenen sind<br />

daher Vorsorgemaßnahmen unerläßlieh.<br />

Grundlage für die staatliche Vorsorge<br />

sind legislative und materielle<br />

Vorbereitungsmaßnahmen. Auf<br />

das Ernährungssicherstellungsgesetz<br />

und das Ernährungsvorsorgegesetz<br />

und deren Anwendung habe<br />

ich bereits hingewiesen. Wir haben,<br />

auf das Ernährungssicherstellungsgesetz<br />

gestützt, einige Verordnungen<br />

erlassen, die zwei wesentliche<br />

Hauptaufgaben erfüllen:<br />

1. die geordnete Verteilung ernährungs-<br />

und landwirtschaftlicher<br />

Erzeugnisse<br />

2. Die Erfassung und Ablieferung<br />

landwirtschaftlicher Produkte.<br />

Hinsichtlich der Organisation der<br />

Ernährungsverwaltung wird auf die<br />

bestehenden Verwaltungsstrukturen<br />

zurückgegriffen und damit ganz<br />

bewußt auf die Einrichtung neuer<br />

Behörden verzichtet. Mit Einführung<br />

einer Lebensmittelbewirtschaftung<br />

werden also lediglich bei schon<br />

bestehenden Behörden neue Ämter<br />

hinzukommen. Dies sind insbesondere<br />

die bei den Landkreisen und<br />

kreisfreien Städte!"\. einzurichtenden<br />

Ernährungsämter, die als Dreh- und<br />

Angelpunkt staatlicher Maßnahmen<br />

für die Erfassung, Lenkung und<br />

Zuteilung bewirtschafteter Erzeugnisse<br />

zuständig sein werden.<br />

Einsicht fehlt noch<br />

Wir leben in einem föderativen<br />

System, und das ist gut so. Das<br />

bedeutet aber auch, daß der Bund,<br />

die Länder, die Kreise, die Gemeinden<br />

und die Gemeindeverbände ihre<br />

nach Recht und Gesetz zugewiesenen<br />

Aufgaben erfüllen müssen. Ganz<br />

allgemein, sicher nicht bezogen auf<br />

das Land Baden-Württemberg, muß<br />

festgestellt werden, daß gerade bei<br />

den unteren Verwaltungsbehörden,<br />

Gemeinden und Gemeindeverbänden<br />

diese Einsicht in die Notwendigkeit<br />

von zu treffenden Vorsorgemaßnahmen<br />

häufig fehlt.<br />

Was die materiellen Vorsorgemaßnahmen<br />

angeht, so kommt der Vorratshaltung<br />

eine besondere Bedeutung<br />

zu, weil eine ausreichende<br />

Bevorratung einen bedeutsamen<br />

Beitrag zur Überwindung von Mangellagen<br />

leistet. Ausgangspunkt aller<br />

Planungen und Maßnahmen auf diesem<br />

Gebiet muß dabei die inländische<br />

Versorgungssituation sein.<br />

Über die gegenwärtige Marktsituation<br />

brauche ich ja hier unter Experten<br />

nicht viele Worte zu verlieren. Wir<br />

haben bei wichtigen Nahrungsmitteln<br />

erhebliche Überschüsse. In<br />

besonderem Maße gilt dies für die<br />

Bereiche Getreide, Rindfleisch und<br />

Butter. Abgesehen hiervon haben wir<br />

in nationaler Bevorratung Hülsenfrüchte,<br />

Reis und Kondensmilch.<br />

Das hört sich zweifellos sehr positiv<br />

an, aber wir alle haben ja in diesem<br />

Jahr miterlebt, wie schnell aus einem<br />

Überfluß an bestimmten Produkten<br />

ein Mangel werden kann. Der Golfkrieg<br />

hat uns diese Erkenntnis<br />

gebracht. In vielen Ländern Europas<br />

wurden Lebensmittel gehortet, so<br />

daß es bei einzelnen Produkten<br />

schon zu Verknappungen kam, so<br />

zum Beispiel in SÜdfrankreich, in Italien,<br />

in der Türkei, in Großbritannien<br />

usw. Auch in unserem Lande wurden<br />

in einigen Regionen Hamsterkäufe<br />

festgestellt.<br />

Vorsorge trotz Überschuß<br />

Ich fasse zusammen: Auch nach<br />

den erfreulichen und dramatischen<br />

Veränderungen im Ost-West-Verhältnis<br />

sind angemessene Vorsorgemaßnahmen<br />

erforderlich, weil Krisenzeiten<br />

grundsätzlich nicht ausgeschlossen<br />

werden können. Dabei<br />

müssen sich Art und Umfang unserer<br />

Vorsorgemaßnahmen an den<br />

möglicherweise entstehenden Mangelsituationen<br />

ausrichten und nicht<br />

an unserer derzeitigen Überschußproduktion.<br />

Wir brauchen also<br />

Ernährungsvorsorge trotz landwirtschaftlicher<br />

Überschußproduktion<br />

und nicht - wie manche meinen -<br />

landwirtschaftliche Überschußproduktion<br />

für Zwecke der Ernährungsvorsorge<br />

...<br />

Folgende Überlegungen müssen<br />

unser künftiges Handeln bestimmen:<br />

1. Ernährungsvorsorge ist unabhängig<br />

von Überschüssen eine agrarpolitisehe<br />

Aufgabe, die nicht<br />

ignoriert werden kann und ihren<br />

eigenen politisch-psychologischen<br />

Wert hat. Kein verantwortungsbewußter<br />

Politiker wird es<br />

sich leisten können zu behaupten,<br />

die Sorge um eine ausreichende<br />

Versorgung der Bevölkerung<br />

auch in Krisenzeiten kümmere<br />

ihn nicht, das könne man<br />

den Landwirten und den Kräften<br />

des Marktes überlassen.<br />

2. Eine funktionierende Ernährungsvorsorge<br />

bedarf der gemeinsamen<br />

Anstrengung aller Verantwortlichen<br />

in Bund, Ländern und<br />

Gemeinden, und zwar unter<br />

Beteiligung der Erzeuger und der<br />

Ernährungswirtschaft.<br />

3. Zentrale Verwaltungsinstanz und<br />

damit Dreh- und Angelpunkt der<br />

wichtigsten Bewirtschaftungs­<br />

maßnahmen ist die Kreisebene.<br />

Das reibungslose Funktionieren<br />

• der dort einzurichtenden Ernährungsämter<br />

ist eine wichtige<br />

Voraussetzung für die SichersteIlung<br />

der Ernährung. Daneben<br />

kommt natürlich den Gemeinden<br />

insbesondere bei der Veranlagung<br />

der landwirtschaftlichen<br />

Erzeuger eine wichtige Aufgabe<br />

zu.<br />

4. Das bereits in Friedenszeiten<br />

ausgesuchte und einzuübende<br />

Personal, das die Tätigkeit dankenswerterweise<br />

teilweise neben<br />

der primären Friedensaufgabe<br />

1 BEVÖLKERUNGSSCHUTZMAGAZIN 10-1 2/91 145

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