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Von "weiblichen Vollmenschen" und Klassenkämpferinnen - KOBRA ...

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EINLEITUNG<br />

Lebenswelt(en) der deutschen Proletarierinnen, deren Erfahrungen mit Gewalt, Unterdrückung<br />

<strong>und</strong> Ohnmacht – sowohl innerhalb ihrer eigenen Familie als auch innerhalb der bürgerlichen<br />

Gesellschaft. Nur allzu gerne verschloss die bürgerliche Öffentlichkeit die Augen vor den harten<br />

<strong>und</strong> ungerechten Lebensumständen der Arbeiterfamilien <strong>und</strong> den Belastungen, die deren<br />

weibliche Mitglieder zu tragen <strong>und</strong> zu ertragen hatten. Der „Gleichheit“ <strong>und</strong> ihrer Redaktion war<br />

der Name Programm. Mit ihm stellte sie die Forderung nach Gleichberechtigung in den<br />

Mittelpunkt. Eine Forderung, die sie zwar mit bürgerlichen Frauen, deren Organisationen <strong>und</strong><br />

Zeitschriften gemeinsam hatte, die sie aber in bestimmter Hinsicht auch von jenen trennte. Sahen<br />

manche Frauen des bürgerlichen Lagers genug Möglichkeiten, im Rahmen des bestehenden<br />

Gesellschaftssystems ihre Gleichberechtigung zu erlangen, erkannten andere die Ursache der<br />

Unterdrückung der Frauen in der kapitalistischen Ordnung selbst begründet. Eine Verbesserung<br />

der Lage der Frauen konnte für sie daher folgerichtig nur aus der Überwindung einer<br />

Gesellschaftsordnung resultieren, welche prinzipiell auf der Ausbeutung des Menschen durch den<br />

Menschen basiert.<br />

Forschungsinteresse<br />

Die „Gleichheit“ ist ein Forschungsgegenstand, in dem sich sowohl Frauen-, Organisations-,<br />

Parteien- <strong>und</strong> Theoriengeschichte wie auch Presse- <strong>und</strong> Alltagsgeschichte in einer sehr intensiven<br />

Wechselbeziehung miteinander verbinden, eine Wechselbeziehung, die einerseits die große<br />

Bedeutung der „Gleichheit“, andererseits ihre sträfliche Vernachlässigung durch die aktuelle<br />

Geschichtswissenschaft erklärt: <strong>Von</strong> der etablierten Geschichtswissenschaft stiefmütterlich<br />

behandelt, weil sie eine Frauenzeitschrift ist, findet sie wiederum als SPD-Zeitschrift wenig<br />

Beachtung innerhalb der Frauengeschichtsforschung. 10 Selbst in vielen Darstellungen zur SPD-<br />

Geschichte wird die „Gleichheit“ nicht einmal namentlich erwähnt. 11 In denjenigen<br />

10 Das Spektrum aktueller Veröffentlichungen vermittelt den Eindruck, dass der Erforschung der bürgerlichen<br />

Frauenbewegung ein deutlicher Vorrang gegeben wird. Teilweise wird der proletarischen Frauenbewegung, die<br />

den Weg des gemeinsam mit den Männern geführten Klassenkampfes wählte, der Charakter einer<br />

Frauenbewegung <strong>und</strong> damit ihre Relevanz für den Forschungsbereich der Frauengeschichte abgesprochen (vgl.<br />

Hamm-Brücher, Seit 70 Jahren Abschied vom Männerwahlrecht, S. 35). Diesem Standpunkt widerspricht Gerhard<br />

sehr treffend in ihrer Arbeit „Unerhört“: „Die Stimmen, die der proletarischen Frauenbewegung jegliche<br />

Zugehörigkeit zur Frauenbewegung absprechen, verkennen, wieviel Frauenbewußtsein <strong>und</strong> -solidarität, spezifisch<br />

Frauenpolitisches durch die besondere Organisierung von Fraueninteressen innerhalb der SPD <strong>und</strong> auch der<br />

Gewerkschaften möglich wurde. Davon zeugen besonders ‘Die Gleichheit’, aber auch die seit 1900 regelmäßig<br />

stattfindenden Frauenkonferenzen, nicht zuletzt der 1911 zum erstenmal weltweit veranstaltete Internationale<br />

Frauentag.“ (Gerhard, Unerhört, S. 199f.; vgl. auch Borneman, Vorwort des Herausgebers, S. 40f.) Auch<br />

Gr<strong>und</strong>lagenwerke wie das „Wörterbuch Geschichte“ ignorieren unter dem Schlagwort „Frauenbewegung,<br />

Frauenemanzipation“ die proletarische Frauenbewegung völlig (vgl. Fuchs/Raab: Wörterbuch Geschichte,<br />

S. 256f.). Ganz anders dagegen ein von Asendorf verfasster Artikel, in dem trotz der gebotenen Kürze bürgerliche<br />

<strong>und</strong> proletarische Frauenbewegung gewürdigt werden (vgl. Asendorf/Flemming/Müller/Ullrich, Geschichte.<br />

Lexikon der wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>begriffe, S. 187-191).<br />

11<br />

12<br />

In den Nachschlagewerken ihrer Zeit wie z. B. „Sperlings Zeitschriften-Adressbuch“ wird die „Gleichheit“ nicht

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