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Von "weiblichen Vollmenschen" und Klassenkämpferinnen - KOBRA ...

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EINLEITUNG<br />

Popularisierung tatsächlich die Abonnentinnenzahlen beeinflussten, wird jedoch noch zu klären<br />

sein.<br />

Nolan schlussfolgert trotz allem nicht zu Unrecht, dass<br />

„[w]enn man solche Quellen beutzt[sic], […] man die Geschichte der sozialdemokratischen<br />

Frauenbewegung nur so darstellen [kann], wie sie von oben aussah.“ 67<br />

Damit benennt Nolan aber lediglich das altbekannte <strong>und</strong> nahezu unlösbare Problem, dass der<br />

„einfache Arbeiter“ <strong>und</strong> vor allem die „einfache Arbeiterin“ meist nur im Rahmen statistischer<br />

Erhebungen zum Forschungsgegenstand wurde, selbst aber nie zu Wort gekommen ist. Es gibt nur<br />

wenige Aussagen <strong>und</strong> schon gar keine zeitgenössische Studie, die Gewissheit darüber verschaffen<br />

könnten, wie die Inhalte der „Gleichheit“ aufgefasst, aufgenommen <strong>und</strong> umgesetzt wurden. Diese<br />

Umstände nötigen auch die hier vorliegende Arbeit dazu, die Methoden <strong>und</strong> Inhalte der „Gleich-<br />

heit“ vornehmlich in ihrer gewünschten Wirkung darzustellen <strong>und</strong> zu interpretieren. Zwar streben<br />

neuere, vor allem sozialgeschichtliche Arbeiten eine Erforschung der Basisresonanz <strong>und</strong> der<br />

Frage, ob die Parteispitze die Situation in der Parteimasse immer zutreffend eingeschätzt hatte, an,<br />

aber der „Blick von unten“ bleibt mangels entsprechender Quellen schwierig <strong>und</strong> oft spekulativ.<br />

Deshalb stimme ich besonders Kinnebrock zu, wenn sie anmerkt, dass<br />

„die tatsächlichen Inhalte [von Frauenbewegungszeitschriften; M.S.] […], ihre<br />

spezifischen Funktionen <strong>und</strong> ihre Rolle bei der Förderung des sozialen Wandels –<br />

der Realisierung weiblicher Bürger- <strong>und</strong> Beteiligungsrechte – […] von der Historiographie<br />

kaum aufgearbeitet“ 68 [Hervorhebung von M.S.]<br />

wurden. Denn auch bei Standardquellen wie der „Gleichheit“ oder SPD-Parteitagsprotokollen, die<br />

vollkommen ausgeschöpft scheinen, lohnt sich ein genaueres Hinschauen. Dies umso mehr, da<br />

sich mit den Methoden <strong>und</strong> Erkenntnissen u. a. aus der Sozial-, Frauen- <strong>und</strong> Geschlechterge-<br />

schichte auch in der Geschichtswissenschaft selbst ein Perspektivenwandel vollzogen hat. Diese<br />

neuen Perspektiven machen auch „altbekannte“ Quellen wieder interessant. Für die Erforschung<br />

der proletarischen Frauenbewegung – so die Forderung Nolans <strong>und</strong> Richebächers – muss dies vor<br />

allem bedeuten, Alltagsleben, Sozialisierung, Familien- <strong>und</strong> Arbeitsverhältnisse <strong>und</strong> das politische<br />

Wirken von Frauen auf lokaler <strong>und</strong> regionaler Ebene stärker zu berücksichtigen 69 – eine Forde-<br />

rung, die anfangs tatsächlich eher von den autonomen Einrichtungen der neuen Frauenbewegung<br />

berücksichtigt wurde als von der etablierten Geschichtswissenschaft.<br />

Bei einigen hier angeführten Forschungsarbeiten steht die kritisierte Begrenzung der Quellen-<br />

auswahl <strong>und</strong> der vernachlässigte Perspektivenwandel in einem auffälligen Zusammenhang mit<br />

dem Geschlecht der VerfasserInnen. Zwar bemühen sich die männlichen Autoren, der<br />

67 Nolan, Proletarischer Anti-Feminismus, S. 359.<br />

68 Kinnebrock, Gerechtigkeit erhöht ein Volk!?, S. 135.<br />

69 Nolan, Proletarischer Anti-Feminismus, S. 359; Richebächer, Lebenszusammenhang <strong>und</strong> Organisation, S. 205.<br />

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