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Von "weiblichen Vollmenschen" und Klassenkämpferinnen - KOBRA ...

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1.1.1 DER BEGINN DES „HÜBEN UND DRÜBEN“ VON PROLETARISCHER UND BÜRGERLICHER FRAUENBEWEGUNG – DIE ANFÄNGE DES FRAUENVEREINSWESENS IN DEN<br />

1860ER JAHREN<br />

Ausbeutung ihrer Arbeitskraft“ 23 . Daraus resultierte die Gründung des „Frauen-Hilfs-Vereins für<br />

Handarbeiterinnen“ (1883). Sein agitatorischer Erfolg <strong>und</strong> die Anzahl der Mitglieder blieb jedoch<br />

sehr gering. Außerdem habe es, so Ihrer kritisch, „den Führenden noch an der nöthigen Einsicht,<br />

sowie auch an Gemeinsinn <strong>und</strong> dem Selbstständigkeitsgefühl“ 24 gefehlt. 25 Dennoch trug auch<br />

dieser Verein zum Wachsen der proletarischen Frauenbewegung bei, denn<br />

„[v]on diesem Verein war ein Häuflein thatkräftiger Frauen zusammen geblieben,<br />

welche durch diese Erfahrungen gelernt hatten, wie man es nicht anfangen dürfe,<br />

um etwas für die Arbeiterinnen Ersprießliches zu erreichen.“ 26 [Hervorhebungen<br />

von M.S.]<br />

Das „Häuflein thatkräftiger Frauen“ wies zwar keine namhaften Frauen der „Ersten St<strong>und</strong>e“,<br />

keine Otto-Peters oder Schmidt auf, aber doch Frauen, die noch zu bekannten Führerinnen einer<br />

originären proletarischen Frauenbewegung werden sollten. Denn es waren Frauen wie Emma<br />

Ihrer, ? Dräger (?-?) <strong>und</strong> ? Haase (?-?), die zunehmend den Führungsanspruch bürgerlicher<br />

Frauen kritisierten, so z. B. wenn diese wie in einer öffentlichen Versammlung in Berlin 1882 ver-<br />

suchten,<br />

„den Arbeiterinnen nicht etwa die Hand zu bieten zum gemeinsamen Kampfe,<br />

sondern […] Protection zu üben über die Frauen <strong>und</strong> Töchter der Arbeiterklasse,<br />

die anerkennen sollten, wie nöthig es sei, für die Hebung der Sittlichkeitdes[sic]<br />

Arbeiterstandes zu sorgen“ 27 .<br />

Allzu oft glaubten bürgerliche Frauen als Expertinnen im Interesse der Arbeiterinnen zu handeln,<br />

wenn sie Debatten über deren Sittlichkeit <strong>und</strong> über die Abschaffung der Prostitution führten. Tat-<br />

sächlich degradierten sie auf diese Weise die Arbeiterinnen aber auch zu Sozialfällen, zu Objekten<br />

bürgerlicher Mildtätigkeit <strong>und</strong> Bevorm<strong>und</strong>ung. Wenn sich also im konkreten Fall in Berlin nur<br />

einige Monate später 1883 ein Verein für Arbeiterinnen – der „Frauen-Hilfs-Verein für Handarbei-<br />

terinnen“ – gründete, dann ist dies durchaus auch als „Trotzreaktion“ zu beurteilen. 28<br />

Das Selbstbewusstsein der Proletarierinnen wuchs – <strong>und</strong> dies in doppelter Hinsicht: Einerseits als<br />

zunehmende Courage <strong>und</strong> andererseits als Bewusstsein der spezifischen Eigenart proletarischer<br />

23 Ebd.<br />

24 Ebd., S. 10.<br />

25 Gr<strong>und</strong> zu dieser Kritik gab z. B. der sonderbare Umstand, dass Fabrikarbeiterinnen als Mitglieder ausgeschlossen<br />

waren, aber bürgerliche Frauen <strong>und</strong> sogar Männer hingegen Ehrenmitglieder werden konnten (vgl. Ihrer, Arbeiterinnen<br />

im Klassenkampf, S. 9). Laut Gerhard sei der Vorwurf Ihrers nicht gerechtfertigt, da eine Unterscheidung<br />

in Hand- <strong>und</strong> Fabrikarbeit in der Blütezeit der Hausindustrie noch keinen Sinn gemacht habe (vgl. Gerhard, Unerhört,<br />

S. 129).<br />

26<br />

27<br />

Ihrer, Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 10.<br />

Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen Deutschlands, S. 4.<br />

28 Vgl. ebd., S. 5.<br />

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