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Von "weiblichen Vollmenschen" und Klassenkämpferinnen - KOBRA ...

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EINLEITUNG<br />

auch war –, bediente man sich zudem einer Emotionalität, welche auch innerhalb einer politischen<br />

Frauenzeitschrift ihren festen Platz hatte – vor allem im Feuilleton.<br />

Der Begriff der Frauenbewegung musste, um keine leere Worthülse zu sein, sowohl einen<br />

Erkenntnisprozess als auch praktisches Handeln umfassen. Die Proletarierinnen sollten verstehen,<br />

dass es in ihrem persönlichen Interesse lag, den Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft erst<br />

einmal zu wollen <strong>und</strong> dann auch zu betreiben. Auf den ersten Blick scheint dies in logischer<br />

Konsequenz jenen Traditionsbruch mit dem „Kinder, Küche, Kirche“-Leitkonzept der bürger-<br />

lichen Gesellschaft zu beinhalten. Doch zeigte sich schon bald, dass auch die Proletarierinnen in<br />

ihren klassischen Rollen sowohl „als Arbeiterin, als Frau <strong>und</strong> vor allem auch als Mutter“ 19<br />

angesprochen werden wollten. Um aber mit dieser Art der Ansprache nicht „bourgeoisen“<br />

Frauenleitbildern Vorschub zu leisten, musste sie nach anderen, nach proletarischen Prinzipien<br />

<strong>und</strong> Inhalten erfolgen. Umso strenger sollte nach Meinung einiger Sozialistinnen die „reinliche<br />

Scheidung“ 20 zur bürgerlichen Frauenbewegung <strong>und</strong> ihren Zielsetzungen vollzogen werden.<br />

Die langjährige Vorkämpferin der proletarischen Frauenbewegung <strong>und</strong> Redakteurin der<br />

„Gleichheit“ Clara Zetkin (1857-1933) 21 erklärte auf dem Parteitag in Gotha 1896:<br />

19 Zetkin im Protokoll des SPD-Parteitages Gotha 1896, S. 175.<br />

20 Zu diesem zentralen von Zetkin geprägten Begriff für die Charakterisierung des Verhältnisses von proletarischer<br />

<strong>und</strong> bürgerlicher Frauenbewegung vgl. Reinliche Scheidung. In: GL, 04/ 08/ 18.04.1894/ 63. Noch einmal<br />

„reinliche Scheidung“, I. In: GL, 04/ 13/ 27.06.1894/ 102-103. Noch einmal „reinliche Scheidung“, II. In: GL, 04/<br />

15/ 25.07.1894/ 115-117.<br />

21<br />

Die Hervorhebungsweisen von Personennamen werden in dem Unterpunkt „Quellmaterial <strong>und</strong> Zitation“ (S. 23ff.)<br />

eingehend erläutert.<br />

Clara Josephine Zetkin, geb. Eißner, später verh. Z<strong>und</strong>el, wurde im sächsischen Wiederau als Tochter eines<br />

Dorfschullehrers <strong>und</strong> Kantors geboren. Ihre Mutter hatte persönlichen Kontakt zur bürgerlichen Frauenbewegung.<br />

Zetkin besuchte 1874-1878 das Steybersche Institut, ein Lehrerinnenseminar, in Leipzig, dort lernte sie in einem<br />

Kreis linksintellektueller EmigrantInnen aus Russland Ossip Zetkin, ihren späteren Lebensgefährten, kennen.<br />

1878 schloss sie sich der SPD an. Zetkin arbeitete als Erzieherin in Deutschland, Österreich <strong>und</strong> der Schweiz, wo<br />

sie im Vertrieb verbotener SPD-Literatur mitwirkte, <strong>und</strong> wurde schließlich in Paris ansässig. Hier lebte sie seit<br />

1882 in Lebensgemeinschaft mit Ossip Zetkin, verfasste mit ihm gemeinsam Aufsätze für Zeitschriften in<br />

Deutschland <strong>und</strong> brachte zwei Söhne zur Welt, Maxim <strong>und</strong> Kostja. Auf dem Gründungskongress der Zweiten<br />

Internationale im Juli 1889 hielt Zetkin ein viel beachtetes Referat zur „Arbeiterinnen- <strong>und</strong> Frauenfrage der<br />

Gegenwart”. Auf diesem Kongress kam der erste Kontakt zu Emma Ihrer <strong>und</strong> ihrer späteren engen Fre<strong>und</strong>in Rosa<br />

Luxemburg zustande. 1890 kehrte Zetkin nach Deutschland zurück <strong>und</strong> wurde in Stuttgart ansässig. 1899 heiratete<br />

sie den 18 Jahre jüngeren Maler <strong>und</strong> Dichter Georg Friedrich Z<strong>und</strong>el. Mit ihm, der bald durch Porträtmalerei hohe<br />

Einkünfte erzielen sollte, erwarb Zetkin 1903 ein Haus in Sillenbuch. 1917 trennte sich das Ehepaar, 1927 erfolgte<br />

die Scheidung. 1892-1913 wurde Zetkin zu jedem SPD-Parteitag delegiert. 1891-1917 war sie Redakteurin der<br />

„Gleichheit”. Seit 1899 wurden ihre Arbeiten durch zunehmende Blindheit (in den Jahren 1899 bis 1906 erfolgten<br />

drei Augenoperationen) erschwert. 1907 ernannte die Sozialistische Fraueninternationale Zetkin zur internationalen<br />

Sekretärin der sozialistischen Frauen. 1910 stellte Zetkin gemeinsam mit Käte Duncker (1871-1953)<br />

auf der zweiten Konferenz der Sozialistischen Fraueninternationale einen Antrag auf jährliche Ausrichtung eines<br />

„Internationalen Frauentages”. Zetkin war eine erklärte Kriegsgegnerin <strong>und</strong> initiierte 1915 die Berner Frauenfriedenskonferenz.<br />

In Konsequenz wurde ihr 1917 durch den SPD-Vorstand die Redaktion der „Gleichheit“<br />

entzogen <strong>und</strong> sie Mitglied der USPD. 1919 trat sie der KPD bei <strong>und</strong> wurde Redakteurin der „Kommunistin”<br />

(1919-1924). 1920-1930 war sie KPD-Abgeordnete des Reichstages. Seit 1918 war Zetkin in verschiedenen<br />

Funktionen mit dem Aufbau des sowjetischen Bildungssystems <strong>und</strong> der Vertretung der Fraueninteressen in der<br />

18

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