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Von "weiblichen Vollmenschen" und Klassenkämpferinnen - KOBRA ...

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1.1.1 DER BEGINN DES „HÜBEN UND DRÜBEN“ VON PROLETARISCHER UND BÜRGERLICHER FRAUENBEWEGUNG – DIE ANFÄNGE DES FRAUENVEREINSWESENS IN DEN<br />

1860ER JAHREN<br />

1.1.1 Der Beginn des „Hüben <strong>und</strong> Drüben“ von proletarischer <strong>und</strong> bürgerlicher Frauenbewegung<br />

– Die Anfänge des Frauenvereinswesens in den 1860er Jahren<br />

Das erste Jahrzehnt nach der gescheiterten 1848er-Revolution verstrich in den meisten deutschen<br />

Staaten ohne nennenswerte Bestrebungen, die zu einer Politisierung der Gesellschaft oder gar der<br />

Frauen geführt hätten. Die wenigen Frauenvereine, die in diesem Zeitraum gegründet wurden,<br />

hatten fast ausschließlich karitativen Charakter <strong>und</strong> waren in ihrer Wirkung regional begrenzt. 9<br />

Der erste Frauenverein, der sich damit nicht mehr zufrieden geben wollte, sondern im Gegenteil<br />

deutlich politische <strong>und</strong> auch nationale Intentionen besaß, wurde 1865 von einer Frau ins Leben<br />

gerufen, die bereits keine Unbekannte mehr war: Louise Otto-Peters. Damit stellt Otto-Peters, die<br />

in ihrem Leben, Denken <strong>und</strong> Handeln stets auch die größeren Zusammenhänge im Blick behielt,<br />

eine auffällige Konstante dar.<br />

Zusammen mit der Pädagogin Auguste Schmidt (1833-1902) veranstaltete Otto-Peters vom 16.<br />

bis 18. Oktober 1865 in Leipzig den ersten „Deutschen Frauenkongreß“, in dessen Anschluss es<br />

zur Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ (ADF) 10 kam. Wie der Name bereits<br />

anzeigt, waren seine Forderungen gr<strong>und</strong>sätzlicher Art. Er wollte für alle deutschen Frauen<br />

sprechen – unabhängig von Klasse, Beruf oder innerdeutscher Staatsangehörigkeit. Ein Blick auf<br />

seine Statuten <strong>und</strong> in sein ebenfalls neu gegründetes Publikationsorgan „Neue Bahnen“ (1866-<br />

1919) zeigt aber, dass von einem allgemeinen Anspruch nicht die Rede sein konnte. Stand im<br />

Mittelpunkt seiner Bestrebungen stets das Recht auf Bildung <strong>und</strong> Erwerb <strong>und</strong> in direktem<br />

Zusammenhang damit auch das Recht auf politische Mitbestimmung, so war dieses Recht auf Er-<br />

werb zu der damaligen Zeit vornehmlich ein Anliegen bürgerlicher Frauen. Dagegen scheint<br />

weder ein solches Erwerbsrecht noch das eingeforderte Recht auf Bildung im unmittelbaren<br />

Interesse proletarischer Frauen gelegen zu haben. Proletarische Frauen – ob sie wollten oder nicht<br />

– standen ohnehin meist mitten im Erwerbsleben – <strong>und</strong> dies unter sehr schwierigen Bedingungen:<br />

Die Industrialisierung hatte seit den 1850er Jahren Handwerk <strong>und</strong> Handel in sehr großem Maße<br />

9 Für eine tabellarische Übersicht über die ersten Frauenvereine im Deutschen Kaiserreich siehe: Tabelle 1<br />

„Aufstellung früher regionaler proletarischer Frauenorganisationen“ <strong>und</strong> Tabelle 2 „Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

von Frauenorganisationen 1865-1908 in Anzahl der Verbände“.<br />

10 1877 gab Otto-Peters eine Mitgliederzahl des ADF <strong>und</strong> aller angeschlossenen Vereine von 11.000-12.000 Frauen<br />

bekannt (vgl. Twellmann, Die deutsche Frauenbewegung, S. 52). Zu der Entwicklung des Mitgliederstandes<br />

bürgerlicher Frauenvereine (vgl. ebd. <strong>und</strong> Frevert, Frauen-Geschichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung <strong>und</strong><br />

Neuer Weiblichkeit, S. 110f.). Kinnebrock bezeichnet die Gründung des ADF als „Geburtsst<strong>und</strong>e der ersten deutschen<br />

Frauenbewegung“, weil sich hier zum ersten Mal „ein nicht nur lokal, sondern deutschlandweit agierender<br />

Frauenverein“ formiert habe. Zu vernachlässigen seien dabei die Vereinsgründungen in der 1848er-Revolution,<br />

weil diese ja im Zuge der Reaktion wieder aufgelöst wurden – also keine langfristigen Gründungen waren (vgl.<br />

Kinnebrock, Gerechtigkeit erhöht ein Volk?!, S. 139).<br />

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