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DER GLAUBE DER HELLENEN

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Auffassung· des Klassizismus 5<br />

Gebilde einer scheinbar frei spielenden Phantasie ihre Lebenskraft<br />

nicht verloren. Daher verlangen wir bis in? jene Zeiten vorzudringen<br />

und die Götter so zu sehen, wie sie der echte Glaube gesehen<br />

hat, womöglich, wie dieser Glaube in den Herzen der<br />

Menschen erwachsen ist. Dann gilt es nicht Mythologie, sondern<br />

Religion zu begreifen.<br />

Der Weg zu diesem Ziel war schwer zu finden, denn die große<br />

Masse der griechischen und alle lateinischen Schriften stammen<br />

aus Zeiten, in denen die Religion nur noch äußerlich an den göttlichen<br />

Personen hing und Mythologie den Glauben an sie überwuchert<br />

hatte, selbst Homer, der doch der älteste Zeuge war,<br />

scheint auf den ersten Blick die Götterwelt schon ganz so wie<br />

Vergil oder Goethes Achilleis in freiem Spiele zu verwenden.<br />

Und was Winckelmann und noch die nächsten Generationen in<br />

den römischen Museen vor sich hatten, stammte auch fast alles<br />

erst aus den Zeiten einer nicht mehr wirklich religiösen Kunst.<br />

Der Apoll von Belvedere, dem Winckelmann seinen Hymnus<br />

widmete, die Zeusmaske von Otricoli und gar die luno Ludovisi,<br />

die Goethe in seinem Hause aufstellte, können höchstens mit<br />

Werken wie der Sixtina Raffaels und der Assunta Tizians verglichen<br />

werden, an denen die Kunst mehr Anteil hat als die Religion.<br />

Aber damals hatte man auch noch kein Auge für die finstere<br />

Erhabenheit des Pantokrator und die jede Zutraulichkeit abwehrende<br />

Theotokos der Byzantiner, ja nicht einmal für die jungfräuliche<br />

Gottesmutter der ΐ lorentiner in ihrer Seligkeit, dem<br />

himmlischen Kinde zu dienen, oder für ihren Mutterschmerz, wenn<br />

sie die Leiche des Sohnes auf den Knien hält, wie sie zuerst die<br />

Deutschen gebildet haben. Mag der Künstler noch so unbeholfen<br />

sein, wer Religion mitzuempfinden weiß, wird sie bei ihm finden.<br />

So ist es auch bei den Hellenen. Wer in der Kapitolinischen<br />

Venus die Aphrodite Sapphos sieht, profaniert auch diese. In der<br />

Berliner hocharchaischen Göttin solonischer Zeit spürt jetzt jeder<br />

unverbildete Betrachter das Göttliche ; der Name ist ganz gleichgültig.<br />

Wir haben anders sehen gelernt als Winckelmann und<br />

Goethe; dem entspricht es, daß wir auch fähig sind, der alten<br />

echten Religion nachzuempfinden.<br />

Es hatte sehr lange gedauert, bis die Bindung durch die christlichen<br />

Kirchen so weit gelockert war, daß die alten Götter nicht<br />

nur als teuflische Dämonen oder leere Erfindungen von Priestern,<br />

http://rcin.org.pl

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