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DER GLAUBE DER HELLENEN

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304 Vorhellenische Götter<br />

und festgehalten, auch als die Seele immer mehr ganz hellenisch<br />

aufgefaßt ward. Eins aber ist ihr ein Hauptstück des Glaubens<br />

geblieben : die Fortdauer der individuellen Person. Da scheint es<br />

vielen notwendig, irgendwie einen solchen Seelenglauben in jeder<br />

Religion vorhanden zu denken. Das ist aber ein Axiom, das die<br />

historische Prüfung nicht behindern darf, und diese kann nur<br />

davon ausgehen, wie die Menschen sich zu ihren Toten verhalten.<br />

Ebensowenig darf uns die Hypothese beirren, daß der Glaube<br />

an Götter überhaupt aus dem Glauben an die Macht der Toten<br />

entstanden wäre, eine Spielart des primus in orbe deos fecit timor,<br />

eine Hypothese, von der ich freilich gar nicht begreife, wie sie<br />

ernsthaften Forschern auch nur diskutabel erscheint. Denn die<br />

Menschen, nach deren Glauben wir fragen, waren an den Anblick<br />

der Toten (übrigens auch an das Töten) ganz anders gewöhnt<br />

als heute, wo sich viele vor dem Anblick der Leiche grauen, auch<br />

ganz selten eine Leiche sehen. Der Krieg hat da für seine Teilnehmer<br />

die Zustände der Urzeit hergestellt, auch in der Sorge<br />

für die gefallenen Kameraden und die durch den Tod zu Kameraden<br />

gewordenen Feinde : denn so empfindet der rechte Krieger, wenigstens<br />

der Deutsche.<br />

Wir werden auch hier nur sicher gehen, wenn wir nicht mit<br />

vorgefaßten Meinungen an die alten Hellenen herantreten, weder<br />

so, daß wir wüßten, wie es in Wahrheit um Sterben und Fortleben<br />

steht, noch so, daß wir wüßten, wie der primitive Mensch darüber<br />

gedacht hat, weil er Mensch ist, sondern die Tatsachen feststellen,<br />

soweit es möglich ist. In ihnen spricht sich der Glaube aus, den<br />

wir suchen 1 ). Daher würde es vorschnell sein, wenn wir gleich<br />

davon ausgingen, daß der Mensch sich dagegen sträubt, den Toten,<br />

der eben noch lebte und wirkte, für vernichtet zu halten, weil<br />

sein Körper vergeht, also annimmt, er sei nur in eine andere<br />

Lebensform übergegangen 2 ), in der er irgendwie mit denselben<br />

Seligen. Selbst Luca Signorelli hat durch seine Kunst die Absurdität der<br />

Auferstehung des Fleisches nur sinnfällig gemacht.<br />

k 1 ) Wenn wir doch wüßten, was Demokrit περί των êv αώου gelehrt<br />

t. Die Fragmente handeln von Scheintod und törichter Furcht vor dem<br />

Sterben. Er wird doch wohl im Menschen und seiner Stimmung die Erklärung<br />

für die Mythen gesucht haben.<br />

2 ) Medea sagt bei Euripides 1039, ihre Kinder sollen εις άλλο σχήμα<br />

βίου übergehen. Iphigeneias Abschiedswort ist 1507 ετερον αιώνα και μοΐραν<br />

οίκήοομεν. χαϊρέ μοι φίλον φώς.<br />

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