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GRUNDZÜGE UND ENTWICKLUNG DER SOZIALEN ARBEIT

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Joël Orizet / Christa Kappler: Grundzüge und Entwicklung der Sozialen Arbeit http.//socio.ch/arbeit/t_orikap.pdf<br />

Möglichkeit, sein Leben selbst zu leben. Vielen Menschen bleibt dies in den gegebenen<br />

gesellschaftlichen Verhältnissen verwehrt: Sie bleiben in gegebenen Produktions- und<br />

Herrschaftsstrukturen in einem Status, in dem sie nur in Angst, in Unsicherheit und in<br />

Unwürdigkeit leben müssen, und dagegen gilt es mit besonderen Anstrengungen und in<br />

besonderen Arrangements anzugehen. Begründet in Gesellschaftstheorie und Anthropologie,<br />

wie sie beispielsweise in den Nachforschungen oder in den Studien zum Kindsmord<br />

dokumentiert ist, findet sich bei Pestalozzi ebenso der Entwurf einer Kriminalpädagogik und<br />

einer Heimerziehung wie auch einer Familien- und Volkserziehung. Dieses Konzept hat sich<br />

dann im Laufe des 19. Jahrhunderts beispielsweise in der Rettungshausbewegung, aber auch in<br />

anderen konfessionellen Konzepten verdichtet, aber zugleich in Ansätzen aus den sozialen<br />

Bewegungen heraus erweitert; in den Arbeiten von Nohl, aber auch von Bernfeld ist es für die<br />

gewandelten Bedingungen des 20. Jahrhunderts neu und erweitert formuliert worden. Mit der<br />

Herausbildung von Erziehung als ein eigener, im Zuge der Ausdifferenzierung moderner<br />

Lebensbereiche etablierter Kulturbereich, findet Sozialpädagogik innerhalb der Erziehung als<br />

eigens ausgewiesener, grundlegender Bestandteil ihren Ort. Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

(RJWG) hat diesen Bereich kodifiziert (vl. Thiersch 1996: 7f.). Wie sich die deutsche Kinderund<br />

Jugendfürsorge vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt hat und wie das<br />

RJWG entstanden ist, soll im folgenden Abschnitt dargelegt werden.<br />

4.1.3 Entstehung des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes<br />

Im späten 19. Jahrhundert begann sich der gesellschaftliche Umgang mit „Jugend“ zu ändern.<br />

Jugend wurde zunehmend als eigenständige biographische Phase interpretiert, die vom<br />

Erwachsensein zu unterscheiden ist, und dadurch wurden vielfältige pädagogische Folgerungen<br />

abgeleitet. Die Entwicklung der Jugendfürsorge im Deutschen Kaiserreich war durch eine<br />

Vielfalt von heterogenen Einzelansätzen gekennzeichnet. Neue Formen der Fürsorge für<br />

Pflegekinder, die Entwicklung der Berufsvormundschaft und die Ausdifferenzierung der<br />

Fürsorgeerziehung aus dem Strafrecht waren hierbei die zentralen Bereiche. Doch<br />

organisatorisch hatten diese Reformen zu Zersplitterung und Überschneidungen bei<br />

behördlichen Zuständigkeiten geführt. Erste Jugendämter als lokale Zentralen von behördlicher<br />

Erziehung waren bereits eingerichtet worden, jedoch nur in einer beschränkten Anzahl von<br />

Grossstädten (vgl. Sachβe / Tennstedt 1988: 99f.).<br />

Im Zuge des Ersten Weltkrieges nahm die gesellschaftliche Bedeutung der Jugendfürsorge - wie<br />

der Fürsorge überhaupt – zu. Seit der Mitte des Krieges etwa wurde die Fürsorge für die Kinder<br />

der im Krieg gefallenen Soldaten zu einem immer drängenden Problem, auch jenseits von<br />

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