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Lohn und besondere Vergütungsformen im privatrechtlichen ...

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<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> <strong>besondere</strong> <strong>Vergütungsformen</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong> Arbeitsverhältnis<br />

DISSERTATION<br />

der Universität St. Gallen,<br />

Hochschule für Wirtschafts-,<br />

Rechts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften sowie<br />

Internationale Beziehungen (HSG)<br />

zur Erlangung der Würde eines<br />

Doktors der Rechtswissenschaft<br />

vorgelegt von<br />

Roger Peter Morf<br />

von<br />

Winterthur (Zürich)<br />

Genehmigt auf Antrag der Herren<br />

Prof. Dr. Thomas Geiser<br />

<strong>und</strong><br />

Prof. Dr. Rémy Wyler<br />

Dissertation Nr. 3839<br />

Stämpfli Publikationen AG Bern · 2011


<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> <strong>besondere</strong> <strong>Vergütungsformen</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong> Arbeitsverhältnis<br />

DISSERTATION<br />

der Universität St. Gallen,<br />

Hochschule für Wirtschafts-,<br />

Rechts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften sowie<br />

Internationale Beziehungen (HSG)<br />

zur Erlangung der Würde eines<br />

Doktors der Rechtswissenschaft<br />

vorgelegt von<br />

Roger Peter Morf<br />

von<br />

Winterthur (Zürich)<br />

Genehmigt auf Antrag der Herren<br />

Prof. Dr. Thomas Geiser<br />

<strong>und</strong><br />

Prof. Dr. Rémy Wyler<br />

Dissertation Nr. 3839<br />

Stämpfli Publikationen AG Bern · 2011


Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die<br />

Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin<br />

ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.<br />

St. Gallen, den 26. Oktober 2010<br />

Der Rektor:<br />

Prof. Dr. Ernst Mohr, PhD<br />

Das gleiche Werk ist <strong>im</strong> Stämpfli Verlag AG erschienen als Heft 73 der Reihe<br />

Schriften zum Schweizerischen Arbeitsrecht SSA<br />

herausgegeben von Prof. Dr. Wolfgang Portmann (Zürich) <strong>und</strong><br />

Prof. Dr. Jean-Fritz Stöckli (Basel)<br />

Alle Rechte vorbehalten, ins<strong>besondere</strong> das Recht der Vervielfältigung, der Verbreitung<br />

<strong>und</strong> der Übersetzung. Das Werk oder Teile davon dürfen ausser in den gesetzlich<br />

vorgesehenen Fällen ohne schriftliche Genehmigung des Verlags weder in<br />

irgendeiner Form reproduziert (z. B. fotokopiert) noch elektronisch gespeichert,<br />

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

© Stämpfli Verlag AG Bern · 2011<br />

Gesamtherstellung:<br />

Stämpfli Publikationen AG, Bern<br />

Printed in Switzerland


Meinen Eltern<br />

<strong>und</strong>allen,die mirmit Rat <strong>und</strong> Tat zurSeite standen.<br />

V


Inhaltsübersicht<br />

LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................... XVII<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...............................................................................XXXVII<br />

VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ERLASSE UND MATERIALIEN................................XLV<br />

ZUSAMMENFASSUNG/RÉSUMÉ .............................................................................. XLIX<br />

§1 EINLEITUNG ........................................................................................................ 1<br />

§2 GRUNDLAGEN...................................................................................................... 3<br />

I. DER EINZELARBEITSVERTRAGUND DESSEN PARTEIEN ....................................... 3<br />

II. DER ARBEITSVERTRAGUND DAS ARBEITSVERHÄLTNIS ...................................... 7<br />

III. DAS SYSTEM DER ZWINGENDEN BESTIMMUNGENINART.361 UND<br />

ART.362 OR...................................................................................................... 43<br />

§3 DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALSNOTWENDIGE<br />

VORAUSSETZUNG VON LOHN ........................................................................... 57<br />

IV. DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS NACHDEN ALLGEMEINEN<br />

REGELN DES OR................................................................................................. 57<br />

V. DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS NACH ART.320 ABS.2OR............. 59<br />

§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UNDINANDEREN DISZIPLINEN.................... 107<br />

VI. DER ARBEITSRECHTLICHE LOHNBEGRIFF......................................................... 107<br />

VII. DIE ERFASSUNG DES «LOHNS» ALS EINKOMMENINANDEREN<br />

RECHTSGEBIETEN............................................................................................. 131<br />

VIII. DER ÖKONOMISCHE «LOHNBEGRIFF».............................................................. 134<br />

§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM ........ 139<br />

IX. DIE LOHNHÖHE UNDDIE GESAMTVERGÜTUNG................................................ 141<br />

X. DIE LOHNBERECHNUNGSMECHANISMEN UND DIE LOHNKATEGORIEN ............ 146<br />

XI. DIE LOHNZAHLUNGSMITTEL ............................................................................ 161<br />

XII. DIE FÄLLIGKEIT DES LOHNS.............................................................................185<br />

XIII. DIE LOHNSICHERUNG....................................................................................... 189<br />

§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN .......................................... 201<br />

XIV. DER AKKORDLOHN (ART.326 UND ART.326A OR)........................................ 201<br />

XV. DER ANTEIL AMGESCHÄFTSERGEBNIS (ART.322A OR)................................. 203<br />

VII


XVI. DIE PROVISION (ART.322B UND ART.322C OR)............................................. 236<br />

XVII. DIE GRATIFIKATION (ART.322D OR) .............................................................. 264<br />

ENTSCHEIDREGISTER ................................................................................................ 329<br />

SACHREGISTER .......................................................................................................... 343<br />

VIII


Inhaltsverzeichnis<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................... XVII<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...............................................................................XXXVII<br />

VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ERLASSE UND MATERIALIEN................................XLV<br />

ZUSAMMENFASSUNG/RÉSUMÉ .............................................................................. XLIX<br />

§1 EINLEITUNG ........................................................................................................ 1<br />

§2 GRUNDLAGEN...................................................................................................... 3<br />

I. DER EINZELARBEITSVERTRAGUND DESSEN PARTEIEN ....................................... 3<br />

A. DIE LEGALDEFINITION DES EINZELARBEITSVERTRAGS............................... 3<br />

B. DIE VERTRAGSPARTEIEN............................................................................. 4<br />

1. DerArbeitnehmer mit gr<strong>und</strong>sätzlich persönlicher Arbeitspflicht............... 4<br />

2. DerArbeitgeber........................................................................................... 6<br />

II. DER ARBEITSVERTRAGUND DAS ARBEITSVERHÄLTNIS ...................................... 7<br />

A. BEGRIFFSUMSCHREIBUNGEN ..................................................................... 10<br />

1. DieBedeutungsmöglichkeiten desBegriffs«Arbeitsvertrag».................. 10<br />

2. DieBedeutungsmöglichkeiten desBegriffs«Arbeitsverhältnis» ............. 11<br />

B. DER «ARBEITSVERTRAG» UND DAS «ARBEITSVERHÄLTNIS» AUS<br />

HISTORISCHER SICHT ................................................................................. 13<br />

1. DieTheorie despersonenrechtlichenGemeinschaftsverhältnisses.......... 14<br />

2. DieEingliederungstheorie <strong>und</strong>die Vertragstheorie.................................. 16<br />

3. Verlust derRelevanzder Theorienzum Arbeitsverhältnis aufgr<strong>und</strong><br />

derGesetzesrevision per 1. Januar1972................................................... 17<br />

C. DIE ZEITLICHEN, SACHLICHENUND PERSÖNLICHEN PHASEN DES<br />

ARBEITSVERTRAGS UNDDES ARBEITSVERHÄLTNISSES ............................ 18<br />

1. DasArbeitsverhältnis in derPhase derVertragsverhandlungen...............18<br />

2. DasArbeitsverhältnis in derPhase nach Beendigung der<br />

Vertragsverhandlungen <strong>und</strong> vor einem etwaigen Stellenantritt................21<br />

3. DasArbeitsverhältnis in derErfüllungsphase........................................... 25<br />

4. DasArbeitsverhältnis in derPhase zwischen Kündigung <strong>und</strong> Ende<br />

derVertragsdauer...................................................................................... 32<br />

5. DasArbeitsverhältnis in derPhase nach Beendigung des<br />

Arbeitsvertrags.......................................................................................... 35<br />

IX


INHALTSVERZEICHNIS<br />

X<br />

6. DasArbeitsverhältnis beisukzessiven Arbeitsverträgen..........................37<br />

7. DasArbeitsverhältnis beistrukturellen Veränderungen aufseiten des<br />

Arbeitgebers.............................................................................................. 40<br />

D. FOLGERUNGENZUM ARBEITSVERTRAGUND ZUM<br />

ARBEITSVERHÄLTNIS................................................................................. 42<br />

III. DAS SYSTEM DER ZWINGENDEN BESTIMMUNGENINART.361 UND<br />

ART.362 OR...................................................................................................... 43<br />

A. DIE ZULÄSSIGKEIT VERTRAGLICHER ABWEICHUNGENVON<br />

ART.361 OR.............................................................................................. 47<br />

B. DIE ZULÄSSIGKEIT VERTRAGLICHER ABWEICHUNGENVON<br />

ART.362 OR.............................................................................................. 54<br />

C. DIE RECHTSFOLGENBEI VERLETZUNG VON ART.361 UND 362OR......... 56<br />

§3 DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALSNOTWENDIGE<br />

VORAUSSETZUNG VON LOHN ........................................................................... 57<br />

IV. DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS NACHDEN ALLGEMEINEN<br />

REGELN DES OR................................................................................................. 57<br />

V. DIE ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS NACH ART.320 ABS.2OR............. 59<br />

A. DER ANWENDUNGSBEREICH VON ART.320 ABS.2OR ........................... 61<br />

B. DIE VORAUSSETZUNGENVON ART.320 ABS.2OR ................................. 71<br />

1. DieEntgegennahmeder Arbeitsleistung aufZeit ..................................... 71<br />

2. DieUmstände,welche dieLeistung derArbeit nur gegen <strong>Lohn</strong><br />

erwarten lassen .......................................................................................... 82<br />

3. DerBeurteilungszeitraum fürdie massgeblichenUmstände.................... 87<br />

C. DIE FUNKTIONENUND DIE RECHTSNATUR VON ART.320 ABS.2OR....... 88<br />

1. Diegesetzlichen Vermutungen................................................................. 89<br />

2. Diefaktischen Vertragsverhältnisse.......................................................... 93<br />

3. DieDoppelfunktion von Art. 320Abs.2OR ........................................... 96<br />

4. DieDoppelnaturvon Art. 320 Abs.2OR............................................... 100<br />

D. DER ZWINGENDE CHARAKTER VON ART.320 ABS.2OR ....................... 102<br />

§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UNDINANDEREN DISZIPLINEN.................... 107<br />

VI. DER ARBEITSRECHTLICHE LOHNBEGRIFF......................................................... 107<br />

A. DIE ELEMENTE DES ARBEITSRECHTLICHEN LOHNBEGRIFFS ................... 110<br />

1. Der<strong>Lohn</strong> alsHauptleistung desArbeitgebers fürdie Arbeitsleistung<br />

desArbeitnehmers <strong>im</strong> gesetzlich moderierten Synallagma.................... 110


INHALTSVERZEICHNIS<br />

2. Der<strong>Lohn</strong> alszum Zweck derVergütungder Arbeitsleistung<br />

erbrachte Leistung desArbeitgebers....................................................... 115<br />

3. Der<strong>Lohn</strong> alsPflichtdes Arbeitgebers zu mindestenseiner,<br />

unabdingbargeldwerten <strong>und</strong> unbedingtenLeistung ...............................120<br />

4. Der<strong>Lohn</strong> alseine, auf ein aktives Tungerichtete Leistung des<br />

Arbeitgebers............................................................................................ 124<br />

5. Der<strong>Lohn</strong> alsvom Arbeitgeber mitTilgungswille zu erbringende,mit<br />

Annahmepflichtdes Arbeitnehmers ausgestattete Leistung ................... 126<br />

6. Der<strong>Lohn</strong> alsunmittelbardie Aktiven desArbeitnehmers<br />

vermehrende,exklusive<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich frei verfügbareLeistung<br />

desArbeitgebers...................................................................................... 127<br />

B. DIE SYNTHESE DES LOHNBEGRIFFSUND DESSEN RELATIVIERUNG.........129<br />

VII. DIE ERFASSUNG DES «LOHNS» ALS EINKOMMENINANDEREN<br />

RECHTSGEBIETEN............................................................................................. 131<br />

A. DER SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHE BEGRIFFDES<br />

MASSGEBENDEN LOHNS........................................................................... 132<br />

B. DER STEUERRECHTLICHE EINKOMMENSBEGRIFF .................................... 133<br />

VIII. DER ÖKONOMISCHE «LOHNBEGRIFF».............................................................. 134<br />

§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM ........ 139<br />

IX. DIE LOHNHÖHE UNDDIE GESAMTVERGÜTUNG................................................ 141<br />

A. DIE GESAMTVERGÜTUNG ........................................................................ 141<br />

B. DIE PRIVATAUTONOMIE UND DIE VERTRAGSFREIHEIT ........................... 141<br />

C. DIE EINSCHRÄNKUNGENDER PRIVATAUTONOMIE BEZÜGLICHDES<br />

LOHNS...................................................................................................... 142<br />

1. Mindestlöhne gestützt aufGesamtarbeitsverträge<strong>und</strong><br />

Normalarbeitsverträge............................................................................. 143<br />

2. Paritätslohnvorschriften .......................................................................... 144<br />

(a) Gleicher <strong>Lohn</strong> fürMann<strong>und</strong> Frau .................................................145<br />

(b) Paritätslohn fürHe<strong>im</strong>arbeitnehmer<strong>und</strong> ausländische<br />

Arbeitnehmer.................................................................................. 145<br />

3. Submissionsgesetzgebung....................................................................... 146<br />

X. DIE LOHNBERECHNUNGSMECHANISMEN UND DIE LOHNKATEGORIEN ............ 146<br />

A. DER ZEITLOHN.........................................................................................149<br />

B. DER AKKORDLOHN.................................................................................. 156<br />

C. DER BETEILIGUNGS- ODER PROZENTLOHN .............................................159<br />

XI


INHALTSVERZEICHNIS<br />

XII<br />

D. DER LEISTUNGSLOHN UND DER ERFOLGSLOHN ...................................... 160<br />

XI. DIE LOHNZAHLUNGSMITTEL ............................................................................ 161<br />

A. DER GELDLOHN....................................................................................... 161<br />

1. Allgemeines............................................................................................. 161<br />

2. DerZeitwertvon Geld <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis........................................... 164<br />

3. DieKaufkraft von Geld <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis.........................................167<br />

4. DieZahlung desGeldlohnsinin- <strong>und</strong> ausländischer Währung.............. 171<br />

B. DER NATURALLOHN ................................................................................ 181<br />

XII. DIE FÄLLIGKEIT DES LOHNS.............................................................................185<br />

A. DIE FÄLLIGKEIT DES LOHNS IM UNGEKÜNDIGTEN<br />

ARBEITSVERHÄLTNIS............................................................................... 185<br />

1. DieFälligkeit desGeldlohns................................................................... 185<br />

2. DieFälligkeit derProvision <strong>und</strong> des Anteils am Geschäftsergebnis...... 187<br />

3. DieFälligkeit desNaturallohns............................................................... 187<br />

B. DIE FÄLLIGKEIT BEI BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES........... 188<br />

1. Gr<strong>und</strong>regel dersofortigen Fälligkeit allerForderungen aus dem<br />

Arbeitsverhältnis ..................................................................................... 188<br />

2. Sonderregelungen fürdie Provision<strong>und</strong> denAnteil am<br />

Geschäftsergebnis.................................................................................... 188<br />

XIII. DIE LOHNSICHERUNG....................................................................................... 189<br />

A. DIE QUALIFIZIERTE VERRECHNUNGSBESCHRÄNKUNG............................ 190<br />

B. DAS TRUCKVERBOT................................................................................. 193<br />

§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN .......................................... 201<br />

XIV. DER AKKORDLOHN (ART.326 UND ART.326A OR)........................................ 201<br />

XV. DER ANTEIL AMGESCHÄFTSERGEBNIS (ART.322A OR)................................. 203<br />

A. DIE KATEGORIENDES ANTEILS AM GESCHÄFTSERGEBNIS ..................... 207<br />

1. DerAnteil am Gewinn ............................................................................ 207<br />

(a) DerGewinn in zeitlicher Hinsicht.................................................. 208<br />

(b) Der Gewinn in sachlicher Hinsicht ................................................ 210<br />

2. DerAnteil am Umsatz.............................................................................213<br />

(a) DerUmsatzinzeitlicherHinsicht.................................................. 213<br />

(b) Der UmsatzinsachlicherHinsicht................................................. 214<br />

3. DerAnteil am sonstigen Geschäftsergebnis........................................... 219


INHALTSVERZEICHNIS<br />

B. BERECHNUNG UND AUSRICHTUNG DES ANTEILS AM<br />

GESCHÄFTSERGEBNIS.............................................................................. 222<br />

C. INFORMATIONS- UND EINSICHTSRECHTE DES ARBEITNEHMERS ............. 224<br />

D. SONDERFRAGEN....................................................................................... 227<br />

1. Regeln <strong>im</strong> Zweifelsfall beiunvollständigerParteivereinbarung............. 227<br />

2. Anteil am Geschäftsergebnis als einzige<strong>Lohn</strong>komponente? ................. 228<br />

3. Verlustbeteiligung <strong>im</strong>Rahmen von Art. 322a OR?................................ 234<br />

XVI. DIE PROVISION (ART.322B UND ART.322C OR)............................................. 236<br />

A. DIE KATEGORIENDER PROVISION........................................................... 239<br />

1. DieVermittlungs- <strong>und</strong>Abschlussprovision............................................ 239<br />

2. DieBezirks- oderRayonprovision.......................................................... 240<br />

B. ENTSTEHUNG UNDNACHTRÄGLICHER WEGFALL DES<br />

PROVISIONSANSPRUCHS .......................................................................... 241<br />

1. Entstehung deseinzelnen Provisionsanspruchs ...................................... 241<br />

(a) DieEntstehung desProvisionsanspruchsinpersönlicher<br />

Hinsicht........................................................................................... 241<br />

(b) Die Entstehung deseinzelnen Provisionsanspruchsin<br />

sachlicherHinsicht......................................................................... 244<br />

(c) DieEntstehung desProvisionsanspruchsinzeitlicherHinsicht.... 251<br />

2. Nachträglicher Wegfalldes Provisionsanspruchs................................... 252<br />

(a) DernachträglicheWegfall desProvisionsanspruchsin<br />

sachlicherHinsicht......................................................................... 252<br />

(b) Der nachträglicheWegfall desProvisionsanspruchsin<br />

zeitlicher Hinsicht........................................................................... 256<br />

C. BERECHNUNG UND AUSRICHTUNG DER PROVISION ................................ 257<br />

D. INFORMATIONS- UND EINSICHTSRECHTE DES ARBEITNEHMERS ............. 262<br />

E. SONDERFRAGEN....................................................................................... 262<br />

1. Regeln <strong>im</strong> Zweifelsfall beiunvollständigerParteivereinbarung............. 262<br />

2. Provision als einzige<strong>Lohn</strong>komponente? ................................................ 263<br />

XVII. DIE GRATIFIKATION (ART.322D OR) .............................................................. 264<br />

A. DER BEGRIFFDER GRATIFIKATION ......................................................... 267<br />

B. DIE TATBESTANDSELEMENTE DER GRATIFIKATION................................ 269<br />

1. DieGratifikation als «neben dem<strong>Lohn</strong>» ausgerichteteLeistung des<br />

Arbeitgebers............................................................................................ 269<br />

2. DieGratifikation als «Sondervergütung» desArbeitgebers................... 272<br />

XIII


INHALTSVERZEICHNIS<br />

XIV<br />

3. DieGratifikation <strong>und</strong>die «best<strong>im</strong>mten Anlässe» ihrer Ausrichtung...... 277<br />

4. Zusammenfassende Folgerungen zu denTatbestandselementen der<br />

Gratifikation............................................................................................ 281<br />

C. EXKURS:DER BONUS .............................................................................. 283<br />

D. DIE GRATIFIKATIONSARTENINABHÄNGIGKEIT IHRES<br />

VERBINDLICHKEITS- UND BESTIMMTHEITSGRADS.................................. 284<br />

1. Diefreiwilligeoderechte Gratifikation.................................................. 288<br />

(a) DerBegriff derechten Gratifikation.............................................. 288<br />

(b) KeineVermutung derEinmaligkeit einer echten Gratifikation..... 289<br />

(c) Dieechte Gratifikation aus derWarte derVertragsparteien ..........290<br />

(d) Die Entstehung desAnspruchsauf eineechte Gratifikation.......... 293<br />

(e) Dieechte Gratifikation als faktisch nichtoder kaum<br />

verhandelbare Leistung .................................................................. 294<br />

(f) DieAusrichtungsmodalitäten der echten Gratifikation.................. 294<br />

2. Dievereinbarte oderunechte Gratifikation............................................. 298<br />

(a) DerBegriff derunechten Gratifikation.......................................... 298<br />

(b) KeineVermutung derEinmaligkeit einer unechten<br />

Gratifikation................................................................................... 300<br />

(c) Potenziell marginaler Unterschied zwischen derechten <strong>und</strong><br />

unechten Gratifikation.................................................................... 300<br />

(d) Informationsanspruch desArbeitnehmers beider unechten<br />

Gratifikation................................................................................... 301<br />

(e) DieAusrichtung derunechten Gratifikation nach billigem<br />

Ermessen.........................................................................................301<br />

(f) DieAusrichtungsmodalitäten der unechten Gratifikation.............. 303<br />

3. Dievollständig best<strong>im</strong>mte<strong>und</strong> dieobjektiv bedingte Gratifikation<br />

(«Sondervergütung mit <strong>Lohn</strong>charakter»)................................................ 305<br />

4. Folgerungen zur echten <strong>und</strong> unechten Gratifikation............................... 309<br />

E. DIE SCHULDRECHTLICHE UMWANDLUNG DER WIEDERHOLT<br />

AUSGERICHTETEN GRATIFIKATION.......................................................... 312<br />

1. DieUmwandlungder Gratifikation ohneFreiwilligkeitsvorbehalt ........ 312<br />

2. DieUmwandlungder Gratifikation trotz Freiwilligkeitsvorbehalt......... 315<br />

F. DIE ABGRENZUNG ZWISCHEN DER GRATIFIKATION UND<br />

(VARIABLEM)LOHN.................................................................................318<br />

1. DieKriterien zurAbgrenzung derGratifikationvom <strong>Lohn</strong>bestandteil.. 319


INHALTSVERZEICHNIS<br />

(a) Vertragsauslegungnach demWillensprinzip................................. 319<br />

(b) Das Ermessen desArbeitgebers alsWesenselementder<br />

Gratifikation................................................................................... 319<br />

(c) Verhältnis zwischen dem Fix- oder Basislohn <strong>und</strong> der<br />

Gratifikation................................................................................... 322<br />

(d) Regelmässigkeit derAusrichtung derGratifikation....................... 323<br />

(e) SozialversicherungsrechtlicheBehandlung der Gratifikation........ 324<br />

(f) Praxisbeispiele................................................................................ 324<br />

(g) Folgerungzuden Abgrenzungskriterien ........................................ 325<br />

2. Stellungnahmen in derLehre <strong>und</strong>deren Würdigung .............................. 326<br />

ENTSCHEIDREGISTER ................................................................................................ 329<br />

SACHREGISTER .......................................................................................................... 343<br />

XV


Literaturverzeichnis<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

Im Literaturverzeichnis werden diejenigen Werke aufgeführt, welche inKurzform zitiert<br />

werden. Weiterführende Literaturhinweise finden sich an entsprechender Stelle<br />

mitVollzitat.<br />

ABEGG, ANDREAS: Neues <strong>und</strong> Bewährtes vom B<strong>und</strong>esgericht zur Abgrenzung zwischen<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation <strong>und</strong> dem entsprechenden Anspruch pro rata temporis,<br />

Juslettervom 12. Oktober 2009 (zit. Abegg,Rz. …)<br />

ACHLEITNER,ANN-KRISTIN/WICHELS,DANIEL: Stock-Option-Pläne als Vergütungsbestandteil<br />

wertorientierter Entlohnungssysteme, in: Stock Options, ANN-KRISTIN ACH-<br />

LEITNER/PETER WOLLMERT (Hrsg.), 2. Aufl., Stuttgart 2002 (zit. Achleitner/Wichels,<br />

S. …)<br />

ADDORISIO DEFEO, RANIERO: Die Fälligkeit von Vertragsforderungen, Diss. FR, Zürich<br />

2001 (zit. Addorisio de Feo, N…)<br />

AMMANN, CATERINA: Basler Kommentar, Obligationenrecht I,Art. 1–529 OR, HEIN-<br />

RICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK ORI-Ammann, Art. …N…)<br />

AMSTUTZ,MARC/SCHLUEP,WALTER: Basler Kommentar, Obligationenrecht I,Art. 1–<br />

529 OR, HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.),<br />

4. Aufl., Basel 2007 (zit. BSK OR I-Amstutz/Schluep, Art. …N…)<br />

AUBERT,GABRIEL: Le contrat detravail partiaire, SJZ 1983, S.169–174 (zit. Aubert,<br />

contrat de travail partiaire,S.…)<br />

DERS.: Quatre cents arrêts sur lecontrat detravail, Lausanne 1984 (zit. Aubert, quatre<br />

cents arrêts, Nr.…,S.…)<br />

DERS.: Le travail àtemps partiel irrégulier, in: Le droit detravail en pratique, Etudes<br />

de travail, vol. 12, Zürich 1995, S.175–194 (zit. Aubert, travail àtemps partiel irrégulier,<br />

S. …)<br />

DERS.: Commentaire Romand,Code desobligations I, Code desobligations art. 1–529,<br />

Loi sur lecrédit àlaconsommation, Loi sur les voyages àforfait, Commentaire, LUC<br />

THÉVENOZ/FRANZ WERRO (Hrsg.), Genf/Basel/München 2003 (zit. CRCOI-Aubert,<br />

Art. …N…)<br />

DERS.: Rapport entre la gratification et le salaire, ARV/DTA 2009, S. 120–124 (zit.<br />

Aubert, gratification etsalaire, S. …)<br />

XVII


LITERATURVERZEICHNIS<br />

AUBERT, JEAN-FRANÇOIS/MAHON, PASCAL: Petit commentaire de la Constitution<br />

fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zürich/Basel/Genf 2003 (zit.<br />

Aubert/Mahon,Art. …N…)<br />

AUER, ANDREAS/MALINVERNI GIORGIO/HOTTELIER, MICHEL: Droit constitutionnel<br />

suisse, Vol.II, Les droit fondamentaux, 2.Aufl., Bern 2006 (zit. Auer/Malinverni/<br />

Hottelier, N…)<br />

BAILEY,NATHAN: Dictionarium Britannicum or amore Compleat Universal Etymological<br />

English Dictionary, 2.Aufl., London 1736 (zit. Dictionarium Britannicum); abrufbar<br />

unter: http://books.google.ch, besuchtam3.Juli 2011<br />

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299a,21. Aufl., Tübingen 1997 (zit. Stein/Jonas/Leipold, §…N…)<br />

LEPORI TAVOLI,LUISA: Mindestlöhne <strong>im</strong> schweizerischen Recht, Diss. ZH, Bern 2009<br />

(zit. LeporiTavoli, N…)<br />

LEU, DANIEL: Variable Vergütungen für Manager <strong>und</strong> Verwaltungsräte, Diss. ZH,<br />

Zürich/Basel/Genf2005 (zit. Leu, S. …)<br />

LEU, URS, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, HEINRICH<br />

HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel 2007<br />

(zit. BSK OR I-Leu,Art. …N…)<br />

LINDENBERG,SIEGWART: An assessment ofthe new political economy: its potential for<br />

the social sciences and for sociology in particular, in: Sociological Theory, Vol. 3,<br />

Nr.1,1985, S. 99–114 (zit. Lindenberg,S.…)<br />

XXVI


LITERATURVERZEICHNIS<br />

LOCHER, THOMAS: Gr<strong>und</strong>riss des Sozialversicherungsrechts, 3.Aufl., Bern 2003,<br />

zit. Locher§…N…)<br />

LORANDI, FRANCO, in: Basler Kommentar, B<strong>und</strong>esgesetz über Schuldbetreibung <strong>und</strong><br />

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STAEHELIN (Hrsg.), 2. Aufl., Basel 2010 (zit. BSK SchKG-II, Lorandi, Art. …N…)<br />

MANG, PASCAL: Die Abtretung <strong>und</strong> Verpfändung künftiger <strong>Lohn</strong>forderungen (OR<br />

325),Diss. ZH, Zürich 1993 (zit. Mang,S.…)<br />

MATHYS, HANS BEAT: Bestätigungsschreiben <strong>und</strong> Erklärungsfiktionen, Diss. ZH, Zürich<br />

1997 (zit. Mathys,S.…)<br />

MAURER, ALFRED/SCARTAZZINI, GUSTAVO/HÜRZELER, MARC: B<strong>und</strong>essozialversicherungsrecht,3.Aufl.,<br />

Basel 2009 (zit. Maurer/Scartazzini/Hürzeler, §…N…)<br />

MEIER, KURT: Zur Freistellung des Arbeitnehmers, Plädoyer 2/1996, S.32–36 (zit.<br />

Meier, Freistellung, S. …)<br />

DERS.: Rechtsprobleme zum Bonus <strong>im</strong>Arbeitsverhältnis, ArbR 2001, S. 61–77 (zit.<br />

Meier, Bonus, S. …)<br />

MEIER-HAYOZ, ARTHUR: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />

Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Bd.I/1, Einleitung, Art. 1–10 ZGB, H. BE-<br />

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DERS.: Das Vertrauensprinzip be<strong>im</strong> Vertragsschluss, Diss. ZH, Zürich 1948 (zit. Meier-Hayoz,S.…)<br />

MEIER-HAYOZ, ARTHUR/FORSTMOSER, PETER: Schweizerisches Gesellschaftsrecht,<br />

10. Aufl., Bern 2007(zit. Meier-Hayoz/Forstmoser, §…N…)<br />

MEIER-SCHATZ, CHRISTIAN: Arbeitsrecht, Bd. 2, St. Gallen/Berlin 1991 (zit. Meier-<br />

Schatz, S. …)<br />

MERZ, HANS: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />

Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Bd.I/1, Einleitung, Art. 1–10 ZGB, H. BECKER<br />

(Hrsg.), Bern 1962 (zit. BE-Komm.-Merz, Art. …ZGB N…)<br />

Ders.: Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Schweizerisches Privatrecht, Bd.VI/1,<br />

Basel/Frankfurta.M.1984 (zit. Merz, OR AT, S. …)<br />

DERS.: Vertrag <strong>und</strong> Vertragsschluss, 2.Aufl., Freiburg (<strong>im</strong> Üechtland) 1992 (zit.<br />

Merz, N…)<br />

MESSERLI, ROLF: Arbeitsleistungen unter Ehegatten nach schweizerischem Recht,<br />

Diss. BE, Zürich 1970(zit. Messerli, S. …)<br />

XXVII


LITERATURVERZEICHNIS<br />

METZGER,PETER: Schweizerisches juristisches Wörterbuch, Bern/Stuttgart/Wien 1995<br />

(zit. Metzger, S. …)<br />

MEYER, BEAT: Das Anstellungsverhältnis des Handelsreisenden, Diss. ZH, Zürich<br />

1978 (zit. B. Meyer, S. …)<br />

MEYER, DANIEL: Der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz <strong>im</strong>schweizerischen Arbeitsrecht,<br />

Diss. ZH, Bern 1976(zit. Meyer, S. …)<br />

MICHAELS,ED/HANDFIELD-JONES,HELEN/AXELROD,BETH: The War for Talent, Boston2001<br />

(zit. Michaels/Handfield-Jones/Axelrod, S. …)<br />

MONTAVON, PASCAL: Terminologie juridique français-allemand du CO, partie<br />

spéciale, art. 319–362, les contrats de travail, Juristische Terminologie Deutsch-<br />

Französisch des OR, Besonderer Teil, Art. 319–362, die Arbeitsverträge, Lausanne/Basel<br />

1999 (zit. Montavon, S. …)<br />

MÜLLER, ROLAND: Der Verwaltungsrat als Arbeitnehmer, Habil.SG, Zürich/Basel/<br />

Genf 2005(zit. Müller,S.…)<br />

MÜLLER, THEODOR: Der Abschluss des Dienstvertrags <strong>und</strong> des Lehrvertrags, Diss.<br />

ZH, Zürich 1948 (zit. Müller, Abschluss, S. …)<br />

MÜLLER-GLÖGE, RUDI: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 4,<br />

Schuldrecht –Besonderer Teil, §§ 611–704, MARTIN HENSSLER (Red.), 5. Aufl., München<br />

2009 (zit. Münch.-Komm.-Müller-Glöge, §…N…)<br />

NEF,URS CH.: Gemeinschaftsverhältnis <strong>und</strong> Eingliederungstheorie, Zwei neue Begriffe<br />

<strong>im</strong> schweizerischen Arbeitsvertragsrecht?, SJZ 67 (1971), S. 238–242 (zit. Nef,<br />

S. …)<br />

NEUHAUS, MARKUS/BLÄTTLER, JÖRG: Basler Kommentar, Obligationenrecht II,<br />

Art. 530–1186 OR, HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/ROLF WATTER (Hrsg.),<br />

3. Aufl., Basel 2008 (zit. BSK OR II-Neuhaus/Blättler, Art. …N…)<br />

NIKISCH,ARTHUR: Arbeitsrecht,Bd. 1, 3. Aufl., Tübingen 1961 (zit. Nikisch,S.…)<br />

OECD: Employment OutlookJune 1998, Paris 1998 (zit. OECD, S. …)<br />

OFTINGER KARL/STARK, EMIL W.: Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, AllgemeinerTeil,<br />

5. Aufl., Zürich 1995 (zit. Oftinger/Stark,§…N…)<br />

PÄRLI, KURT: Vertragsfreiheit, Gleichbehandlung <strong>und</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung <strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong><br />

Arbeitsverhältnis,Habil. SG, Bern 2009 (zit. Pärli, N…)<br />

PEDRAZZINI, MARIO M./OBERHOLZER, NIKLAUS: Gr<strong>und</strong>riss des Personenrechts,<br />

4. Aufl., Bern 1993 (zit. Pedrazzini/Oberholzer, S. …)<br />

XXVIII


LITERATURVERZEICHNIS<br />

PELLEGRINI, BRUNO: Die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen Willensmängeln,<br />

Diss. ZH, Bern 1983(zit. Pellegrini,S.…)<br />

PETER, WOLFGANG: Basler Kommentar, ObligationenrechtI,Art. 1–529 OR, HEIN-<br />

RICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK ORI-Peter, Art. …N…)<br />

PIETRUSZAK, THOMAS: Kurzkommentar OR,Art. 1–529, HEINRICH HONSELL (Hrsg.),<br />

Basel 2008 (zit. KUKO OR-Pietruszak,Art. …N…)<br />

DERS.: Zulässiger <strong>Lohn</strong>abzug am Jahresende wegen aufgelaufener Minusst<strong>und</strong>en?<br />

Missbräuchliche Kündigung wegen fehlender Suche nach anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit?,ARV<br />

2009,S.124–128 (zit. Pietruszak,<strong>Lohn</strong>abzug, S. …)<br />

PINDYCK, ROBERT S./RUBINFELD, DANIEL L.: Mikroökonomie, 7. Aufl., München<br />

2009 (zit. Pindyck/Rubinfeld,S.…)<br />

POLCAN, VANESSA/STENGEL MANUEL: Innerbetriebliche Krisenbewältigung, Individualarbeitsrechtliche<br />

Handlungsmöglichkeiten der Arbeitgeberin, in: Auswirkungen<br />

von Krisen auf Wirtschaft, Recht <strong>und</strong> Gesellschaft, DIEGO HAUNREITER/PHILIPP<br />

JUCHLI/CHRISTOPH KNUPP/MARCEL WÜRMLI (Hrsg.), Bern 2009 (zit. Polcan/Stengel,<br />

S. …)<br />

POLYDOR-WERNER, SUSANNE: Rückabwicklung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung fehlerhafter<br />

Dauerschuldverträge,Diss. GE, Zürich 1988(zit. Polydor-Werner, S. …)<br />

PORTMANN, DOMINIQUE: Mitarbeiterbeteiligung, Mitarbeiteraktien <strong>und</strong> Mitarbeiteroptionen<br />

<strong>im</strong>schweizerischen Arbeitsrecht, Diss. SG, Bern 2005 (zit. D. Portmann,<br />

N…)<br />

PORTMANN, WOLFGANG: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR,<br />

HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK OR I-Portmann, Art. …N…)<br />

DERS.: Die Arbeitsbedingungen der Bankangestellten, Eine Darstellung <strong>und</strong> Würdigung<br />

ausgewählter Aspekte, in: Aktuelle Fragen des Bank- <strong>und</strong> Finanzmarktrechts,<br />

Festschrift für Dieter Zobl zum 60. Geburtstag, HANS-CASPAR VON DER CRONE/PETER<br />

FORSTMOSER/ROLF H. WEBER/ROGER ZÄCH (Hrsg.), Zürich/Basel/Genf 2004, S. 581–<br />

604 (zit. Portmann, Arbeitsbedingungen, S. …)<br />

DERS.: Erklärungen ohne Worte <strong>im</strong> schweizerischen Arbeitsvertragsrecht, Mitteilungen<br />

des Schweizerischen Instituts für Arbeitsrecht 1998, S. 59–75 (zit. Portmann, ErklärungenohneWorte,<br />

S. …)<br />

PORTMANN,WOLFGANG/STÖCKLI,JEAN-FRITZ: Schweizerisches Arbeitsrecht,2.Aufl.,<br />

Zürich/St. Gallen 2007 (zit. Portmann/Stöckli, N…)<br />

XXIX


LITERATURVERZEICHNIS<br />

PRIBRAM, KARL: Der <strong>Lohn</strong>schutz des gewerblichen Arbeiters nach Österreichischem<br />

Recht,Wien/Leipzig 1904 (zit. Pribram,S.…)<br />

RAAB,GERHARD: Ist der Homo oeconomicus noch zuretten?, in: Homo oeconomicus,<br />

VERENAVON NELL/KLAUS KUFELD (Hrsg.), Berlin 2006,S.107–124 (zit. Raab,S.…)<br />

REHBINDER, MANFRED: Sachlich rechtfertigende Gründe für die Befristung von Arbeitsverträgen,<br />

in: Rechtsprobleme befristeter Arbeitsverträge, MÜNIR EKONO-<br />

MI/MANFRED REHBINDER (Hrsg.), Bern 1978 (zit. Rehbinder, rechtfertigende Gründe,<br />

S. …)<br />

DERS.: Die Anfechtung des Arbeitsvertrags, in: Mängel des Arbeitsvertrags, MÜNIR<br />

EKONOMI/MANFRED REHBINDER (Hrsg.), Bern 1983, S.72–106 (zit. Rehbinder, Anfechtung,S.…)<br />

DERS.: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches<br />

Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Bd.VI/2/2/1, Einleitung <strong>und</strong> Kommentar<br />

zu den Art. 319–330a OR, ARTHUR MEIER-HAYOZ (Hrsg.), Bern 1985 (zit. BE-<br />

Komm.-Rehbinder, Art. …N…)<br />

DERS.: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches<br />

Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Bd.VI/2/2/2, Kommentar zu den<br />

Art. 331–355 OR, HEINZ HAUSHEER (Hrsg.), Bern 1992 (zit. BE-Komm.-Rehbinder,<br />

Art. …N…)<br />

DERS.: Schweizerisches Arbeitsrecht,15. Aufl., Bern 2002 (zit. Rehbinder,N…)<br />

REHBINDER, MANFRED/PORTMANN, WOLFGANG: Basler Kommentar, Obligationenrecht<br />

I,Art.1–529 OR, HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIE-<br />

GAND (Hrsg.), 3. Aufl., Basel/Genf/München 2003 (zit. BSK OR I-Rehbinder/<br />

Portmann, Art. …N…)<br />

REHBINDER, MANFRED/STÖCKLI, JEAN-FRITZ: Berner Kommentar, Kommentar zum<br />

schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht,<br />

Bd.VI/2/2/1, Einleitung <strong>und</strong> Kommentar zu den Art. 319–330b OR, HEINZ HAUS-<br />

HEER/HANS PETER WALTER (Hrsg.), Bern 2010 (zit. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli,<br />

Art. …N…)<br />

REICH, MARKUS: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, B<strong>und</strong>esgesetz über<br />

die direkte B<strong>und</strong>essteuer (DBG) Art. 1–82, MARTIN ZWEIFEL/PETER ATHANAS<br />

(Hrsg.), 2. Aufl., Basel 2008 (zit. DBG-Komm.-Reich, Art. …N…)<br />

REINERT, PETER: Juristische Aspekte variabler Gehaltssysteme, Schweizer Arbeitgeber4/2001,<br />

S. 136–140 (zit. Reinert, Aspekte, S. …)<br />

DERS.: Variable Gehaltssysteme aus arbeitsrechtlicher Sicht, AJP 2009, S.3–11 (zit.<br />

Reinert, S. …)<br />

XXX


LITERATURVERZEICHNIS<br />

RICKENBACH, MATTHIAS W.: Die Nachwirkungen des Arbeitsverhältnisses, Diss. ZH,<br />

Bern 2000(zit. Rickenbach,S.…)<br />

RISI, ANDREAS: Mitarbeiteroptionen <strong>und</strong> -aktien: Bewertung –Rechnungslegung –<br />

Besteuerung,2.Aufl. (1.Aufl. Diss. ZH),Zürich 1999 (zit. Risi, S. …)<br />

RONCORONI,GIACOMO: Arbeit auf Abruf <strong>und</strong> Gelegenheitsarbeit, AJP 1998, S. 1410–<br />

1418 (zit. Roncoroni, S. …)<br />

ROOST,JAKOB: FreiwilligeSozialleistungen,Diss. ZH, Bern 1979(zit. Roost, S. …)<br />

RUDOLPH, ROGER: Stellenbewerbung <strong>und</strong> Datenschutz, Diss. ZH, Bern 1997,<br />

(zit. Rudolph, S. …)<br />

DERS.: Fokus Arbeitsrecht: Neuere Entwicklungen <strong>im</strong> Bonusrecht, Der Treuhandexperte<br />

2011,S.92–96 (zit. Rudolph,Bonus,S.…)<br />

RÜEGG, EDWIN: Beitrag zur Lehre von der Vermutung <strong>im</strong>schweiz. Privatrecht, Diss.<br />

ZH, Zürich 1947 (zit. Rüegg, S. …)<br />

SCHILTKNECHT, RETO: Arbeitnehmer als Verwaltungsräte abhängiger Konzerngesellschaften,Diss.<br />

BE, Bern 1997 (zit. Schiltknecht, S. …)<br />

SCHLUEP, WALTER R.: Innominatverträge, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2,<br />

Obligationenrecht, Besondere Vertragsverhältnisse, FRANK VISCHER (Hrsg.), Basel/Stuttgart<br />

1979, S. 763–958 (zit. Schluep, S. …)<br />

SCHMID, CHRISTOPH OLIVER: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen von leistungs- <strong>und</strong> erfolgsorientiertem<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong> Arbeitsvertrag, Diss. SG, Bamberg 2000<br />

(zit.Schmid, S. …)<br />

SCHMID, HANS: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I,Art. 1–456 ZGB, HEINRICH<br />

HONSELL/NEDIM PETER VOGT/THOMAS GEISER (Hrsg.), 3. Aufl., Basel/Genf/<br />

München 2006 (zit. BSK ZGB I-Schmid, Art. …N…)<br />

SCHMID, JÖRG: Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. FR, Freiburg (<strong>im</strong> Üechtland)<br />

1992(zit. Schmid, N…)<br />

SCHNEITER, PHILIP: Qualifikation einer Gratifikation als <strong>Lohn</strong>, ARV 2005, S.241–<br />

245 (zit. Schneiter, S. …)<br />

SCHNÜRIGER, BENNO: Annahmeverzug <strong>und</strong> Betriebsrisiko, Diss. ZH, Zürich 1981<br />

(zit. Schnüriger, S. …)<br />

SCHNYDER, ANTON K.: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR,<br />

HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK OR I-Schnyder,Art. …N…)<br />

XXXI


LITERATURVERZEICHNIS<br />

SCHÖNENBERGER, WILHELM/JÄGGI, PETER: Zürcher Kommentar, Kommentar zum<br />

Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Teilbd. V/1/a, Allgemeine Einleitung,<br />

Vorbemerkungen zu Art. 1OR, Kommentar zu den Art. 1–17 OR, F.W.BÜR-<br />

GI/A. EGGER/A.ESCHER/M. GUTZWILLER/R. HAAB/A. HOMBERGER/P. JÄGGI/<br />

P. LIVER/K. OFTINGER/H.OSER/W.SCHERRER/W. SCHÖNENBERGER/A.SIEGWART/<br />

W. V.STEIGER (Hrsg.), 3. Aufl., Bern 1973 (zit. ZH-Komm.-Schönenberger/Jäggi,<br />

Art. …N…)<br />

SCHOOF, CHRISTIAN: Arbeitsrecht, Handbuch für die Praxis, MICHAEL KITTNER/<br />

BERTRAM ZWANZIGER (Hrsg.), 3. Aufl., Frankfurta.M.2005 (zit. Schoof,§…, N…)<br />

SCHRANER,MARIUS: Zürcher Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch,<br />

Obligationenrecht, Teilbd. V/1/e, Die Erfüllung der Obligationen, Art. 68–<br />

96 OR, PETER GAUCH/JÖRG SCHMID (Hrsg.), 3. Aufl., Zürich 2000 (zit. ZH-Komm.-<br />

Schraner, Art. …N…)<br />

SCHULER, ALOIS: Rechtsfolgen des ungültigen Arbeitsvertrags, in: Mängel des Arbeitsvertrags,<br />

MÜNIR EKONOMI/MANFRED REHBINDER (Hrsg.), Bern 1983, S.130–166<br />

(zit. Schuler, S. …)<br />

SCHULIN, HERMANN: Basler Kommentar, Obligationenrecht I,Art. 1–529 OR, HEIN-<br />

RICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK ORI-Schulin,Art.…N…)<br />

SCHULIN,HERMANN/VOGT,NEDIM PETER: Tafeln zum Schweizerischen ObligationenrechtI,4.Aufl.,<br />

Zürich 1999 (zit. Schulin/Vogt, Tafel …)<br />

SCHWAIBOLD, MATTHIAS: Kurzkommentar OR, Art. 1–529, HEINRICH HONSELL<br />

(Hrsg.), Basel 2008 (zit. KUKO OR-Schwaibold,Art. …N…)<br />

SCHWARTZ, PAUL: Einführung in die Praxis des Dienstvertragsrechtes, Basel 1949<br />

(zit. Schwartz, S. …)<br />

SCHWEINGRUBER, EDWIN: Kommentar zum Arbeitsvertrag des schweizerischen Obligationenrechts,<br />

5. Aufl., Zürich 1974 (zit. Schweingruber, Art. …Ziff. …)<br />

SCHWEIZER, MARC DANIEL: Kognitive Täuschungen vor Gericht, Diss. ZH, Zürich<br />

2005 (zit. Schweizer, N…)<br />

SCHWENZER, INGEBORG: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR,<br />

HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK OR I-Schwenzer, Art. …N…)<br />

DIES.: Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5.Aufl., Bern 2009<br />

(zit. Schwenzer, N…)<br />

SCHWILLE, HANNELORE: Die Lehre von der Gratifikation, Diss. Mannhe<strong>im</strong>, Hamburg<br />

1953 (zit. Schwille, S. …)<br />

XXXII


LITERATURVERZEICHNIS<br />

SENTI, CHRISTOPH: Die Abgrenzung zwischen Leistungslohn <strong>und</strong> Gratifikation, AJP<br />

2002,S.669–681 (zit. Senti, Abgrenzung, S. …)<br />

DERS.: Leistungslohn oder Gratifikation, ARV 2011, S.1–10 (zit. Senti, Gratifikation,<br />

S. …)<br />

SIEBERT, WOLFGANG: Faktische Vertragsverhältnisse, Karlsruhe 1958 (zit. Siebert,<br />

S. …)<br />

SIEGRIST, EDGAR: Gr<strong>und</strong>fragen aus dem Beweisrecht des Zivilprozesses, Diss. BE,<br />

Bern 1938(zit. Siegrist, S. …)<br />

SKRZIPEK, MARKUS: Shareholder Value versus Stakeholder Value, Diss. Wien, Wiesbaden<br />

2005(zit. Skrzipek,S.…)<br />

SÖLLNER, ALFRED: Einseitige Leistungsbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Arbeitsvertrag, Wiesbaden<br />

1966 (zit. Söllner, S. …)<br />

STAATSSEKRETARIAT FÜR WIRTSCHAFT (SECO): Bruttoinlandprodukt – Quartalsschätzungen,<br />

Historische Reihen, Jahresdaten ab 1948, Excel-Datei, (zit. SECO, historischeReihen);<br />

abrufbar unter: http://www.seco.admin.ch/, besucht am 3. Juli 2011<br />

STAEHELIN, ADRIAN: Zürcher Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch,<br />

Obligationenrecht, Teilbd. V/2c, Der Arbeitsvertrag, Art. 319–330a OR, PE-<br />

TER GAUCH/JÖRG SCHMID (Hrsg.), 4.Aufl., Zürich 2006 (zit. ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. …N…)<br />

STAEHELIN, ADRIAN/VISCHER, FRANK: Zürcher Kommentar, Kommentar zum<br />

schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Teilbd. V/2c, Der Arbeitsvertrag,<br />

Art. 319–362 OR, PETER GAUCH/JÖRG SCHMID (Hrsg.), 3. Aufl., Zürich 1996 (zit.<br />

ZH-Komm.-Schönenberger/Staehelin, Art. … N … für die Art. 319–330a; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. …N…für die Art. 331–355; ZH-Komm.-Staehelin, Art. …<br />

N…fürdie Art. 361–362)<br />

STAEHELIN, MATTHIAS: Gesperrte Optionen –als <strong>Lohn</strong> unzulässig?, SJZ 101 (2005),<br />

S. 181–186 (zit. Staehelin,gesperrteOptionen, S. …)<br />

STAMM, MARIE-LOUISE: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers <strong>und</strong> seine Schranken,<br />

Diss. BS, Basel/Stuttgart 1977 (zit. Stamm, S. …)<br />

VON STAUDINGER, J./DILCHER, HERMANN: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen, Erstes Buch, Allgemeiner<br />

Teil, §§90–240, HELMUT COING/NORBERT HABERMAS (Red.), 12. Aufl., Berlin<br />

1980 (zit. Staudinger/Dilcher,§…N…)<br />

STEINMETZ,WILLIBALD: Begegnungen vor Gericht, Eine Sozial- <strong>und</strong> Kulturgeschichte<br />

des englischen Arbeitsrechts (1850–1925), Habil. Bochum, München 2002 (zit.<br />

Steinmetz, S. …)<br />

XXXIII


LITERATURVERZEICHNIS<br />

STÖCKLI, JEAN-FRITZ: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />

Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Bd.VI/2/2/3, Gesamtarbeitsvertrag<br />

<strong>und</strong> Normalarbeitsvertrag, Art. 356–360 OR, HEINZ HAUSHEER (Hrsg.),<br />

Bern 1999(zit. BE-Komm.-Stöckli, Art. …N…)<br />

STREIFF, ULLIN/VON KAENEL, ADRIAN: Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 6.Aufl.,<br />

Zürich/Basel/Genf 2006 (zit. Streiff/von Kaenel, Art. …N…oder Streiff/von Kaenel,<br />

Art. …N…, S. …)<br />

SYZ,CAROLE: Faktisches Vertragsverhältnis,Diss. ZH, Zürich 1991 (zit. Syz,S.…)<br />

TERCIER,PIERRE/FAVRE,PASCAL C.: Les contrats spéciaux, 4.Aufl., Zürich 2009 (zit.<br />

Tercier/Favre, N…oder Tercier/Favre/jeweilige(r) Autor(-in)N…)<br />

THALMANN, CHRISTIAN: Die Rechtzeitigkeit von Überweisungen <strong>und</strong> Einzahlungen<br />

auf ein Bank- oder Postcheckkonto des Gläubigers, SZW 1990, S. 257–265 (zit.<br />

Thalmann,S.…)<br />

THOMMEN, JEAN-PAUL/ACHLEITNER, ANN-KRISTIN: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre,5.Aufl.,<br />

Wiesbaden 2006 (zit. Thommen/Achleitner, S. …)<br />

TIEFENTHAL, JÜRG MARCEL: Flankierende Massnahmen zum Schutz des schweizerischen<br />

Arbeitsmarktes, Diss. ZH, Bern/Zürich/Basel/Genf2008 (zit. Tiefenthal, N…)<br />

TOBLER, ROLF A./FAVRE, CHRISTIAN/MUNOZ, CHARLES/GULLO EHM, DANIELA: Arbeitsrecht,<br />

Obligationenrecht (Art. 319–362 OR), Gleichstellungsgesetz, Arbeitsgesetz,<br />

Lausanne2006 (zit. Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. …N…)<br />

TROXLER, DIETER M.: Der sachliche Kündigungsschutz nach Schweizer Arbeitsvertragsrecht<br />

unter Berücksichtigung ausländischer Rechtsquellen als Interpretationshilfe,Diss.<br />

BS, Zürich1993 (zit. Troxler, S. …)<br />

TSCHÄNI,RUDOLF: Basler Kommentar, Obligationenrecht I,Art. 1–529OR, HEINRICH<br />

HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel 2007<br />

(zit. BSK OR I-Tschäni,Art. …N…)<br />

TSCHUDI, HANS PETER: Neue Probleme <strong>im</strong> schweizerischen Arbeitsrecht, SZJ 78<br />

(1982), S. 85–96 (zit. Tschudi, S. …)<br />

DERS.: Probleme des <strong>Lohn</strong>schutzes, ArbR 1992, S. 9–22 (zit. Tschudi, <strong>Lohn</strong>schutz,<br />

S. …)<br />

VON TUHR, ANDREAS/PETER, HANS: Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,Bd.<br />

1, 3. Aufl., Zürich 1979 (zit. vonTuhr/Peter, S. …)<br />

TVERSKY, AMOS/KAHNEMAN, DANIEL: Judgment <strong>und</strong>er Uncertainty: Heuristics and<br />

Biases,Science 1974,S.1124–1131(zit. Tversky/Kahneman, S. …)<br />

XXXIV


LITERATURVERZEICHNIS<br />

VISCHER, FRANK: Zürcher Kommentar zum IPRG, Kommentar zum B<strong>und</strong>esgesetz<br />

über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987, DANIEL GIRS-<br />

BERGER/ANTON HEINI/MAX KELLER/JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ/KURT<br />

SIEHR/FRANK VISCHER/PAUL VOLKEN (Hrsg.), 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2004<br />

(zit. ZH IPRG-Komm.-Vischer,Art. …N…)<br />

DERS.: DerArbeitsvertrag,3.Aufl.,Basel/Genf/München 2005 (zit. Vischer, S. …)<br />

DERS.: Geld- <strong>und</strong> Währungsrecht <strong>im</strong> nationalen <strong>und</strong> internationalen Kontext, unter<br />

Mitarbeit von CATHERINE GEIGY-WERTHEMANN/CORINNE WIDMER/PHILIPPE MON-<br />

NIER,Basel 2010 (zit. Vischer, Geld-<strong>und</strong> Währung, N…)<br />

VOGEL, OSCAR/SPÜHLER, KARL: Gr<strong>und</strong>riss des Zivilprozessrechts <strong>und</strong> des internationalen<br />

Zivilprozessrechts inder Schweiz, 8.Aufl., Bern 2006 (zit. Vogel/Spühler, §…<br />

N…)<br />

WÄLCHLI, ADRIAN: Strategische Anreizgestaltung, Modell eines Anreizsystems für<br />

strategisches Denken <strong>und</strong> Handeln des Managements, Diss. ZH, Bern/Stuttgart/Wien<br />

1995 (zit. Wälchli, S. …)<br />

WALTI, BEAT: Mitarbeiterbeteiligung, Aktien- <strong>und</strong> Optionspläne, Diss. ZH, Zürich<br />

1998 (zit. Walti, S. …)<br />

WEBER, ROLF H.: Basler Kommentar, ObligationenrechtI,Art. 1–529 OR, HEINRICH<br />

HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel 2007<br />

(zit. BSK OR I-Weber, Art. …N…)<br />

DERS.: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches<br />

Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Bd.VI/1/4, Art. 68–96 OR, HEINZ<br />

HAUSHEER (Hrsg.), 2. Aufl., Bern 2005 (zit. BE-Komm.-Weber, Art. …N…)<br />

DERS.: Fremdwährungsschulden inder Praxis, BJM 1983, S.105–131 (zit. Weber,<br />

Fremdwährungsschulden, S. …)<br />

DERS.: Probleme bei der bargeldlosen Erfüllung von Geldschulden, SJZ 78 (1982),<br />

S. 137–145 (zit. Weber, bargeldlose Erfüllung,S.…)<br />

WEBER-SCHERRER, MARGRIT: Rechtliche Aspekte der Information zwischen den Arbeitsvertragsparteien<br />

unter <strong>besondere</strong>r Berücksichtigung des Notwehrrechts der Lüge,<br />

Diss. ZH, Zürich 1999(zit. Weber-Scherrer, S. …)<br />

WEIDENKAFF, WALTER: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., München 2009<br />

(zit. Palandt/Weidenkaff, §…N…)<br />

WETTENSCHWILER, SUZANNE: Basler Kommentar, ObligationenrechtI, Art. 1–<br />

529 OR, HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.),<br />

4. Aufl., Basel 2007 (zit. BSK OR I-Wettenschwiler, Art. …N…)<br />

XXXV


LITERATURVERZEICHNIS<br />

WIEGAND, WOLFGANG: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR,<br />

HEINRICH HONSELL/NEDIM PETER VOGT/WOLFGANG WIEGAND (Hrsg.), 4. Aufl., Basel<br />

2007 (zit. BSK OR I-Wiegand, Art. …N…)<br />

WILLIAMS,MICHAEL: The warfor talent, London 2000 (zit. Willams,S.…)<br />

WÜRSCH,DANIEL/DALLAFIOR,ROBERTO: Können Fakten Verträge begründen? –Zum<br />

sog. faktischen Vertragsverhältnis, SJZ 85 (1989), S. 273–277 (zit. Würsch/Dallafior,<br />

S. …)<br />

WYLER, MARK: Betriebsrisiko <strong>und</strong> Arbeitskampfrisiko nach schweizerischem Recht,<br />

Diss. SG, Bern 1985 (zit. M. Wyler, S. …)<br />

WYLER, RÉMY: Droit du travail, 1.Aufl., Bern 2002 bzw. 2. Aufl., Bern 2008<br />

(zit. Wyler, 1. Aufl., S. …bzw.Wyler, S. …für die2.Aufl.)<br />

WYLER, ROGER: Die gleitende Arbeitszeit <strong>im</strong> schweizerischen Arbeitsrecht, Diss. ZH,<br />

Zürich 1976 (zit. RogerWyler, S. …)<br />

XXXVI


Abkürzungsverzeichnis<br />

a.a.O. am angeführten Ort<br />

Abs. Absatz<br />

Abt. Abteilung<br />

a.E. amEnde<br />

AG Aktiengesellschaft<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

AGVE Aargauische Gerichts- <strong>und</strong> Verwaltungspraxis (früher: AargauischeRechtsprechung)<br />

AHV Alters- <strong>und</strong> Hinterlassenenversicherung<br />

AHVG BG vom 20. Dezember 1946 über die Alters- <strong>und</strong> Hinterlassenenversicherung<br />

(SR831.10)<br />

AHVV Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- <strong>und</strong> Hinterlassenenversicherung<br />

(SR831.101)<br />

AJP (PJA) Aktuelle JuristischePraxis (Pratique juridique actuelle)<br />

al. Alinea (sieheauch«et al.»)<br />

aLugÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit <strong>und</strong> die Vollstreckung<br />

gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- <strong>und</strong> Handelssachen,<br />

abgeschlossen in Lugano am 16.September 1988<br />

(SR 0.275.11; aufgehoben)<br />

ALV Arbeitslosenversicherung<br />

a.M. anderer Meinung/am Main<br />

ANAG BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt <strong>und</strong> Niederlassung der<br />

Ausländer (SR142.20; aufgehoben durch das BG vom 16. Dezember2005<br />

überdie Ausländerinnen<strong>und</strong> Ausländer[AuG])<br />

aOR alt OR<br />

ArbR Mitteilungen des Schweizerischen Instituts fürArbeitsrecht<br />

ArG BGvom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe <strong>und</strong><br />

Handel (SR822.11; Arbeitsgesetz)<br />

ArGV 1 Verordnung 1vom 10. Mai2000zum Arbeitsgesetz (SR 822.111)<br />

XXXVII


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

Art. Artikel<br />

ARV (DTA) Arbeitsrecht, Zeitschrift für Arbeitsrecht<strong>und</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

(Droit du Travail, Revue de droit detravail et d’assurancechômage)<br />

AS AmtlicheSammlung des B<strong>und</strong>esrechts<br />

ATF Arrêt du Tribunal fédéral (B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid)<br />

Aufl. Auflage<br />

AuG BGvom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländer(SR<br />

142.20;Ausländergesetz)<br />

AVEG BG vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Gesamtarbeitsverträgen (SR 221.215.311)<br />

AVG BGvom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung <strong>und</strong> den Personalverleih<br />

(SR823.11; Arbeitsvermittlungsgesetz)<br />

AVIG BGvom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />

<strong>und</strong> die Insolvenzentschädigung (SR 837.0; Arbeitslosenversicherungsgesetz)<br />

AVIV Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />

<strong>und</strong> die Insolvenzentschädigung (SR837.02;<br />

Arbeitslosenversicherungsverordnung)<br />

AVV Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung <strong>und</strong><br />

denPersonalverleih (SR 823.111; Arbeitsvermittlungsverordnung)<br />

BBl. B<strong>und</strong>esblatt<br />

Bd. Band/Bände<br />

BE Bern<br />

BEHG BG vom 24. März 1995 über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel<br />

(SR 954.1;Börsengesetz)<br />

BG B<strong>und</strong>esgesetz<br />

BGE Entscheidungen des Schweizerischen B<strong>und</strong>esgerichts, Amtliche<br />

Sammlung, Lausanne<br />

BGG BGvom 17. Juni 2005 über das B<strong>und</strong>esgericht (SR 173.110; B<strong>und</strong>esgerichtsgesetz)<br />

XXXVIII


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

BGHZ Entscheidungen des (deutschen) B<strong>und</strong>esgerichtshofes in Zivilsachen<br />

BJM Basler JuristischeMitteilungen<br />

BöB B<strong>und</strong>esgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

(SR172.056.1)<br />

Botschaft 1967 Botschaft des B<strong>und</strong>esrates andie B<strong>und</strong>esversammlung zum Entwurf<br />

eines B<strong>und</strong>esgesetzes über die Revision des Zehnten Titels<br />

<strong>und</strong> des Zehnten Titels bis des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag)<br />

vom 25. August1967 (B<strong>und</strong>esblatt 1967, Bd.II, Nr. 40,<br />

S. 241–467)<br />

Botschaft 1984 Botschaft des B<strong>und</strong>esrates an die B<strong>und</strong>esversammlung, Revision<br />

der Best<strong>im</strong>mungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses <strong>im</strong><br />

OR vom9.Mai 1984<br />

BPG B<strong>und</strong>espersonalgesetz vom 24.März 2000 (SR 172.220.1)<br />

BPV B<strong>und</strong>espersonalverordnung vom3.Juli2001 (SR 271.220.111.3)<br />

BS Basel<br />

BSK Basler Kommentar<br />

BSV B<strong>und</strong>esamt für Sozialversicherungen<br />

BV B<strong>und</strong>esverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom<br />

18. April 1999 (SR 101)<br />

BVO Verordnung vom 6.Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl<br />

derAusländer (SR823.21; aufgehoben)<br />

bzw. beziehungsweise<br />

ca. circa<br />

CHK Handkommentar zumSchweizer Privatrecht<br />

consid. considération (Erwägung)<br />

CR Commentaire Romand<br />

dass. dasselbe<br />

DBG BG vom 14. Dezember 1990 über die direkte B<strong>und</strong>essteuer<br />

(SR 642.11)<br />

ders. derselbe<br />

XXXIX


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

dies. dieselbe/n<br />

d.h. dasheisst<br />

Diss. Dissertation<br />

DSG BGvom 19. Juni 1992 überden Datenschutz(SR 235.1)<br />

E. Erwägung<br />

EFTA Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)<br />

Eidg. Eidgenössisch<br />

Einl. Einleitung<br />

EO Erwerbsersatzordnung<br />

EOG BGvom 25. September 1952 über den Erwerbsersatz für Dienstleistende<br />

<strong>und</strong> beiMutterschaft (SR 834.1; Erwerbsersatzgesetz)<br />

E-OR EntwurfOR<br />

ESTV EidgenössischeSteuerverwaltung<br />

et al. et alii (<strong>und</strong> andere)<br />

exkl. exklusive<br />

f./ff. folgende/fortfolgende<br />

FamZG BGvom 24. März 2006 über die Familienzulagen (SR836.2; Familienzulagengesetz)<br />

FLG BGvom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft<br />

(SR 836.1)<br />

Fn. Fussnote(n)<br />

FR Freiburg (<strong>im</strong> Üechtland)<br />

FZA Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft einerseits <strong>und</strong> der Europäischen Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit<br />

Anhängen,Prot. <strong>und</strong> Schlussakte)(SR 0.142.112.681)<br />

GE Genf<br />

GestG BG vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen<br />

(SR 272;aufgehoben)<br />

XL


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

GlG BGvom 24.März 1995 über die Gleichstellung von Mann <strong>und</strong><br />

Frau (SR 151.1; Gleichstellungsgesetz)<br />

GmbH Gesellschaft mitbeschränkter Haftung<br />

Habil. Habilitation/Habilitationsschrift<br />

Halbbd. Halbband<br />

HArG BGvom 20. März 1981 über die He<strong>im</strong>arbeit (SR 822.31; He<strong>im</strong>arbeitsgesetz)<br />

IAS InternationalAccountingStandards<br />

i.c. in casu/in concreto<br />

i.d.R. inder Regel<br />

IFRS International Financial ReportingStandard(s)<br />

inkl. inklusive<br />

IPRG BG vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht<br />

(SR 291)<br />

IRAL Institut derecherches sur ledroit de la responsabilité civile et des<br />

assurances<br />

i.S. inSachen<br />

IV Invalidenversicherung<br />

IVG BGvom 19. Juni 1959 überdie Invalidenversicherung (SR 831.20)<br />

i.V.m. in Verbindung mit<br />

JAR Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts<br />

KMU Kleine<strong>und</strong> mittlere Unternehmen<br />

KUKO Kurzkommentar<br />

LugÜ Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit<br />

<strong>und</strong> die Anerkennung <strong>und</strong> Vollstreckung von Entscheidungen<br />

in Zivil- <strong>und</strong> Handelssachen (mit Protokoll <strong>und</strong> Anhängen)<br />

(SR 0.275.12; Lugano-Übereinkommen)<br />

m.H. mitHinweis<br />

Mio. Million(-en)<br />

XLI


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

m.w.H. mitweiteren Hinweisen<br />

MWSTG B<strong>und</strong>esgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer<br />

(SR 641.20; Mehrwertsteuergesetz)<br />

N (Rand-)Note<br />

(I)NGO (International) Non-profit/Not-for-profit organization/Non-governmental<br />

Organization<br />

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development/<br />

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

OR BG vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen<br />

Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)<br />

(SR 220)<br />

OS Offizielle Gesetzessammlung desKantonsZürich<br />

Pra. DiePraxis desB<strong>und</strong>esgerichts (bis 1990),Die Praxis (ab 1991)<br />

Prot. Protokoll<br />

Red. Redaktor(-en)/Redakteur(e)<br />

RJN Recueil de jurisprudence neuchâteloise<br />

S. Seite<br />

SAE Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheide<br />

SchKG BG vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung <strong>und</strong> Konkurs<br />

(SR 281.1)<br />

SFAS Statement ofFinancial Accounting Standards<br />

SG St.Gallen<br />

sGS SystematischeGesetzessammlung desKantons St.Gallen<br />

SJ La SemaineJudiciare<br />

SJZ (RSJ) Schweizerische Juristenzeitung (Revue Suisse de Jurisprudence)<br />

SOG SolothurnischeGerichtspraxis<br />

sog. sogenannt<br />

XLII


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

SR Systematische Sammlung des B<strong>und</strong>esrechts (Systematische<br />

Rechtssammlung)<br />

SSG B<strong>und</strong>esgesetz vom 23.September 1953 über die Seeschifffahrt<br />

unter derSchweizer Flagge (SR 747.30;Seeschifffahrtsgesetz)<br />

StG Steuergesetz<br />

Swiss GAAP<br />

FER<br />

Swiss Generally Accepted Accounting Principles/Fachempfehlung<br />

fürRechnungslegung<br />

SZW(RSDA) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Revue suisse de<br />

droitdes affaires)<br />

Teilbd. Teilband<br />

TH TechnischeHochschule<br />

u.a. unter anderem/n<br />

US GAAP United States Generally AcceptedAccounting Principles<br />

UVG B<strong>und</strong>esgesetz vom 20.März 1981 über die Unfallversicherung<br />

(SR 832.20)<br />

UVV Verordnung vom 20.Dezember 1982 über die Unfallversicherung<br />

(SR 832.202)<br />

UWG BGvom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb<br />

(SR 241)<br />

vgl. vergleiche<br />

VöB Verordnung vom11. Dezember 1995 über dasöffentlicheBeschaffungswesen<br />

(SR 172.056.11)<br />

Vol. Volume(Band)<br />

VZAE Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt<br />

<strong>und</strong>Erwerbstätigkeit (SR142.201)<br />

WBB Wegleitungüberden Bezugder Beiträgeder AHV, IV <strong>und</strong>EO<br />

WML Wegleitungüberden massgebenden<strong>Lohn</strong> in derAHV, IV <strong>und</strong>EO<br />

WUSt. Warenumsatzsteuer<br />

WZG BGvom 22.Dezember 1999 über die Währung <strong>und</strong> die Zahlungsmittel<br />

(SR 941.10)<br />

XLIII


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

z.B. zum Beispiel<br />

ZBJV (RJB) Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Revue de la société des<br />

juristes bernois)<br />

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907<br />

(SR 210)<br />

ZH Zürich<br />

ZIAS Zeitschrift für ausländisches <strong>und</strong> internationales Arbeits- <strong>und</strong> Sozialrecht<br />

ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember2008<br />

(SR 272;Zivilprozessordnung)<br />

ZR Blätter für ZürcherischeRechtsprechung<br />

ZSR (RDS) Zeitschrift fürSchweizerisches Recht(Revue de droitsuisse)<br />

XLIV


Verzeichnis der zitierten Erlasse <strong>und</strong> Materialien<br />

STAATSVERTRÄGE,BUNDESERLASSE UND VERORDNUNGEN<br />

− Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />

einerseits <strong>und</strong> der Europäischen Gemeinschaft <strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten<br />

andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. <strong>und</strong> Schlussakte)<br />

(SR 0.142.112.681; FZA)<br />

− Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit <strong>und</strong> die Vollstreckung gerichtlicher<br />

Entscheidungen inZivil- <strong>und</strong> Handelssachen, abgeschlossen in Lugano<br />

am 16.September1988 (SR 0.275.11; aLugÜ; aufgehoben)<br />

− Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit <strong>und</strong><br />

die Anerkennung <strong>und</strong> Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- <strong>und</strong> Handelssachen<br />

(mit Protokoll <strong>und</strong> Anhängen) (SR 0.275.12; Lugano-Übereinkommen;<br />

LugÜ)<br />

− B<strong>und</strong>esverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.April 1999<br />

(SR 101,BV)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt <strong>und</strong> Niederlassung der Ausländer(SR<br />

142.20;ANAG; aufgehoben)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländer<br />

(SR 142.20; Ausländergesetz; AuG)<br />

− Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt <strong>und</strong> Erwerbstätigkeit<br />

(SR142.201;VZAE)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Mann <strong>und</strong> Frau<br />

(SR 151.1;Gleichstellungsgesetz; GlG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

(SR 172.056.1;BöB)<br />

− Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

(SR 172.056.11; VöB)<br />

− B<strong>und</strong>espersonalgesetz vom 24.März 2000 (SR 172.220.1; BPG)<br />

− B<strong>und</strong>espersonalverordnung vom3.Juli2001 (SR 172.220.111.3; BPV)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 17. Juni 2005 über das B<strong>und</strong>esgericht (SR 173.110; B<strong>und</strong>esgerichtsgesetz;BGG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf an Samstagen<br />

(SR 173.110.3)<br />

− SchweizerischesZivilgesetzbuch vom 10.Dezember1907 (SR 210; ZGB)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 30.März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen<br />

Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) (SR 220; OR)<br />

XLV


VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ERLASSE UND MATERIALIEN<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Gesamtarbeitsverträgen (SR 221.215.311;AVEG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 19. Juni 1992überden Datenschutz(SR 235.1;DSG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 19.Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb<br />

(SR 241;UWG)<br />

− Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (SR 272; Zivilprozessordnung;<br />

ZPO)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 24.März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen<br />

(SR 272,GestG;aufgehoben)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung <strong>und</strong> Konkurs<br />

(SR 281.1;SchKG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht<br />

(SR 291;IPRG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 12.Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (SR 641.20; Mehrwertsteuergesetz;<br />

MWSTG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte B<strong>und</strong>essteuer<br />

(SR 642.11; DBG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 23. September 1953 über die Seeschifffahrt unter der<br />

SchweizerFlagge (SR747.30; Seeschifffahrtsgesetz; SSG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe <strong>und</strong><br />

Handel (SR822.11; Arbeitsgesetz; ArG)<br />

− Verordnung 1vom 10. Mai2000zum Arbeitsgesetz (SR 822.111;ArGV1)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 20. März 1981 über die He<strong>im</strong>arbeit (SR 822.31; He<strong>im</strong>arbeitsgesetz;<br />

HArG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung <strong>und</strong> den Personalverleih<br />

(SR823.11; Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG)<br />

− Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung <strong>und</strong> den Personalverleih<br />

(SR823.111; Arbeitsvermittlungsverordnung,AVV)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 8. Oktober 1999 über die min<strong>im</strong>alen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>bedingungen<br />

für indie Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> flankierende Massnahmen (SR 823.20; B<strong>und</strong>esgesetz über die in die<br />

Schweizentsandten Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 20.Dezember1946 über die Alters- <strong>und</strong> Hinterlassenenversicherung<br />

(SR831.10; AHVG)<br />

− Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- <strong>und</strong> Hinterlassenenversicherung<br />

(SR 831.101; AHVV)<br />

XLVI


VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ERLASSE UND MATERIALIEN<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (SR 831.20;<br />

IVG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (SR 832.20;<br />

UVG)<br />

− Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (SR 832.202;<br />

UVV)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 25. September 1952 über den Erwerbsersatz für Dienstleistende<br />

<strong>und</strong> bei Mutterschaft (SR 834.1;Erwerbsersatzgesetz;EOG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft<br />

(SR 836.1;FLG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (SR 836.2; Familienzulagengesetz;<br />

FamZG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />

<strong>und</strong> die Insolvenzentschädigung (SR 837.0; Arbeitslosenversicherungsgesetz;<br />

AVIG)<br />

− Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />

<strong>und</strong> die Insolvenzentschädigung (SR837.02; Arbeitslosenversicherungsverordnung;<br />

AVIV)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Währung <strong>und</strong> die Zahlungsmittel<br />

(SR 941.10; WZG)<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz vom 24.März 1995 über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel<br />

(SR 954.1;Börsengesetz; BEHG)<br />

KANTONALE GESETZE<br />

− Steuergesetz vom 8. Juni 1997 des Kantons Zürich (OS 631.1; StG) (zit. StG<br />

ZH)<br />

− Steuergesetz vom 9. April 1998 des Kantons St. Gallen (sGS 811.1; StG)<br />

(zit. StG SG)<br />

MATERIALIEN<br />

− Botschaft des B<strong>und</strong>esrates an die B<strong>und</strong>esversammlung zum Entwurf eines<br />

B<strong>und</strong>esgesetzes über die Revision des Zehnten Titels <strong>und</strong> des Zehnten Titels bis<br />

des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag) vom 25. August 1967, B<strong>und</strong>esblatt<br />

vom 5. Oktober 1967, in: B<strong>und</strong>esblatt 1967, Bd. II, Nr. 40, S. 241–467<br />

(zit. Botschaft 1967bzw.BBl 1967 II, S. …)<br />

XLVII


VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ERLASSE UND MATERIALIEN<br />

− B<strong>und</strong>esgesetz über die Revision des Zehnten Titels <strong>und</strong> des Zehnten Titels bis<br />

des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag) vom 25. Juni 1971, in: B<strong>und</strong>esblatt<br />

1971,Bd. I, Nr.26, S. 1421–1463 (zit. BBl 1971 I,S.…)<br />

− Botschaft zur Volksinitiative «betreffend Kündigungsschutz <strong>im</strong> Arbeitsvertragsrecht»<br />

<strong>und</strong> zur Revision des Best<strong>im</strong>mungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses,<br />

in: B<strong>und</strong>esblatt 1984, Bd. II, Nr.24, S. 551–639 (zit. Botschaft<br />

1984 bzw. BBl1984 II, S. …)<br />

− Obligationenrecht, Änderung vom 18. März 1988, AS 1988, Bd.II, Nr.35,<br />

S. 1472–1479 (zit. AS 1988 II, S. …)<br />

− Botschaft zum B<strong>und</strong>esgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung <strong>und</strong> Vermögensübertragung,<br />

in: B<strong>und</strong>esblatt 2000, Nr. 33, S. 4337–4530 (zit. BBl 2000,<br />

S. …)<br />

WEGLEITUNGEN<br />

− BUNDESAMT FÜR SOZIALVERSICHERUNGEN: Wegleitung über den Bezug der<br />

Beiträge (WBB) der AHV, IV <strong>und</strong> EO, gültig ab 1. Januar 2008, Stand: 1. Januar<br />

2011 (zit. WBB, Rz.…); abrufbar unter: http://www.bsv.admin.ch, besucht am<br />

3. Juli 2011<br />

− DASS.: Wegleitung über den massgebenden <strong>Lohn</strong> (WML) in der AHV, IV <strong>und</strong><br />

EO, gültig ab 1. Januar 2008, Stand: 1. Januar 2011 (zit. WML, Rz.…); abrufbarunter:<br />

http://www.bsv.admin.ch,besuchtam3.Juli 2011<br />

XLVIII


Zusammenfassung/Résumé<br />

Themen dieser Arbeit sind der <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> <strong>besondere</strong> <strong>Vergütungsformen</strong> <strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong><br />

Einzelarbeitsvertrag. Aufgr<strong>und</strong> der sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bedeutung der<br />

abhängigen Arbeit findet sich in den Art. 319 ff. OR ein System von zwingenden Best<strong>im</strong>mungen,<br />

welches den <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> <strong>besondere</strong> <strong>Vergütungsformen</strong> beeinflusst. Ebenso<br />

enthalten die Best<strong>im</strong>mungen zumEinzelarbeitsvertrag <strong>besondere</strong>, von den allgemeinen<br />

Regeln des Obligationenrechts abweichende Vorschriften für die Vertragsentstehung.<br />

Diese Best<strong>im</strong>mungen werden in dieser Arbeit behandelt, da der Einzelarbeitsvertrag<br />

die Rechtsgr<strong>und</strong>lage für den <strong>Lohn</strong>anspruch des Arbeitnehmers darstellt. Weiter wird<br />

den Fragen nachgegangen, was unter <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne zu verstehen<br />

ist, <strong>und</strong> aus welchen Gr<strong>und</strong>elementen das vom Gesetz vorgezeichnete <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> Vergütungssystem<br />

besteht. Im Rahmen des gesetzlichen <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> Vergütungssystems<br />

wird ins<strong>besondere</strong> der <strong>Lohn</strong>höhe, den <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>kategorien,<br />

den <strong>Lohn</strong>zahlungsmitteln, den Parametern der <strong>Lohn</strong>zahlung <strong>und</strong> der <strong>Lohn</strong>sicherung<br />

nachgegangen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Elemente des gesetzlichen <strong>Lohn</strong><strong>und</strong><br />

Vergütungssystems werden die <strong>besondere</strong>n <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> <strong>Vergütungsformen</strong> mit gesetzlicher<br />

Regelung dargestellt, die in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung Gegenstand der<br />

Rechtsentwicklung sind.<br />

La présente thèse traite dusalaire et d’autres formes de rémunérations spéciales dans<br />

le cadre du contrat individuel de travail. En raison del’<strong>im</strong>portance sociale et économique<br />

du travail dépendant, les articles 319 ss CO prévoient unsystème de dispositions<br />

<strong>im</strong>pératives qui influence le salaire etles rémunérations spéciales. De plus, les dispositions<br />

relatives aucontrat individuel de travail comprennent des règles particulières<br />

concernant laformation du contrat, lesquelles dérogent aux règles générales dudroit<br />

des obligations. Comme le contrat individuel de travail constitue labase légale pour<br />

toute prétention salariale, les règles particulières susmentionnées sont examinées dans<br />

ce travail. En outre, le présent travail traite de la question de savoir comment la notion<br />

de salaire au sens dudroit du travail doit être entendue etquels sont les éléments constitutifs<br />

du système salarial etderémunération prévu par la loi. Acetitre, cette thèse<br />

examine, en particulier, le montant dusalaire, les mécanismes de calcul etles catégories<br />

de salaire, les moyens et modalités de paiement ainsi que les règles protégeant le<br />

salaire. Compte tenu deces éléments, cette thèse analyse les formes de salaire etde<br />

rémunérations spéciales prévues par laloi et dont la portée en droit dutravail fait toujoursl’objet<br />

de développementsaussi bien dans la jurisprudenceque dans la doctrine.<br />

XLIX


§1 Einleitung<br />

1 Aufgr<strong>und</strong> der sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bedeutung der abhängigen Arbeit<br />

darf das Thema «<strong>Lohn</strong>», unabhängig von der konjunkturellen Lage <strong>und</strong> dem<br />

Tagesgeschehen, als ein Dauerthema bezeichnet werden. Ziel dieser Arbeit ist<br />

es, den <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die <strong>besondere</strong>n <strong>Vergütungsformen</strong> <strong>im</strong> <strong>privatrechtlichen</strong> Arbeitsverhältnis<br />

gemäss Art. 319 ff. OR näherdarzustellen.<br />

2 Ausgangspunkt der Untersuchung sind die gesetzlichen Regelungen zum Einzelarbeitsvertrag<br />

gemäss Art. 319 ff. OR, die –<strong>im</strong> Vergleich zu anderen <strong>im</strong>Obligationenrecht<br />

geregelten Vertragstypen –inihrer konzeptionellen Gesamtheit<br />

verschiedene Besonderheiten aufweisen. Diesen Besonderheiten wird in einem<br />

Gr<strong>und</strong>lagenkapitel unter Paragraf 2nachgegangen. Da der <strong>Lohn</strong>anspruch eines<br />

Arbeitnehmers prinzipiell auf einem Arbeitsvertrag beruhen muss <strong>und</strong> ein Arbeitsvertrag<br />

nicht nur gestützt auf die allgemeinen Regeln des ORabgeschlossen<br />

werden kann, wird in Paragraf 3der Entstehung des Arbeitsvertrags ein <strong>besondere</strong>s<br />

Kapitel gewidmet.<br />

3 Das Gesetz definiert den Begriff des <strong>Lohn</strong>s nicht. Was unter <strong>Lohn</strong> zu verstehen<br />

ist, wird vom Gesetzgeber insofern <strong>im</strong>plizit vorausgesetzt. In Paragraf 4soll<br />

daher näher untersucht werden, was unter dem Begriff des <strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen<br />

Sinne zuverstehen ist. Zur Kontrastierung des arbeitsrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs wird dabei ebenfalls ein Blick darauf geworfen, wie der <strong>Lohn</strong> in<br />

anderen Rechtsgebieten erfasst wird. Abger<strong>und</strong>et wird dieses Kapitel mit einigenÜberlegungen<br />

zumökonomischen <strong>Lohn</strong>begriff.<br />

4 Gegenstandvon Paragraf5ist das allgemeine, obligationenrechtliche <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong><br />

Vergütungssystem, indessen Rahmen unter anderem die Aspekte der <strong>Lohn</strong>höhe,<br />

der <strong>Lohn</strong>berechnung, der <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel <strong>und</strong> der <strong>Lohn</strong>sicherung untersucht<br />

werden. InParagraf 6wird sodann auf die «<strong>besondere</strong>n <strong>Vergütungsformen</strong>»<br />

eingegangen, welche <strong>im</strong> Gesetz vorgesehen sind; namentlich der<br />

Akkordlohn, der Anteil am Geschäftsergebnis, die Provision sowie die Gratifikation.<br />

5 Der Terminologie des OR folgend wird in dieser Arbeit überwiegend vom<br />

Arbeitgeber <strong>und</strong> vom Arbeitnehmer gesprochen. Die Arbeitgeberinnen <strong>und</strong><br />

Arbeitnehmerinnen sind selbstverständlich mitgemeint.<br />

6 Judikatur <strong>und</strong> Schrifttum sind bis Ende April 2010 berücksichtigt. Später erschieneneEntscheide<br />

<strong>und</strong>Literatur konntenteilweise berücksichtigtwerden.<br />

1


§2 Gr<strong>und</strong>lagen<br />

I. DerEinzelarbeitsvertrag <strong>und</strong> dessenParteien<br />

A. DieLegaldefinition des Einzelarbeitsvertrags<br />

7 Der Gesetzgeber hat Art. 319 <strong>und</strong> Art. 320 ORdem Begriff <strong>und</strong> der Entstehung<br />

des Einzelarbeitsvertrags («contrat individuel de travail»; «contratto individuale<br />

di lavoro») gewidmet. Art. 319 Abs. 1OR 1 wird als Legaldefinition des Arbeitsvertrags<br />

betrachtet 2 <strong>und</strong> bezeichnet diejenigen Elemente, welche den Einzelarbeitsvertrag<br />

zu einem eigenständigen, gesetzlich besonders geregelten Vertragstyp<br />

machen.<br />

8 Als Begriffsmerkmale 3 oder typische bzw. charakteristische Elemente 4 des Einzelarbeitsvertrags<br />

werden in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung vier Elemente genannt.<br />

Damitein Einzelarbeitsvertrag vorliegt,muss<br />

(1) vom Arbeitnehmer unter weisungsgeb<strong>und</strong>ener Eingliederung in eine<br />

fremde Arbeitsorganisation (Subordination)<br />

(2) eineArbeitsleistung<br />

(3) auf best<strong>im</strong>mteoderunbest<strong>im</strong>mte Zeit<br />

(4) gegen vomArbeitgeber zu entrichtenden<strong>Lohn</strong> erbrachtwerden. 5<br />

9 Eshandelt sich be<strong>im</strong> Einzelarbeitsvertrag somit umein privatrechtliches, vollkommen<br />

zweiseitiges oder synallagmatisches Dauerschuldverhältnis, 6 das inaller<br />

Regel aufgr<strong>und</strong> seiner Dauer auch einen mehr oder weniger stark ausgeprägten,<br />

personenbezogenen Charakter aufweist. 7 Der personenbezogene Charakter<br />

beruht darauf, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung <strong>im</strong> Regelfall in eige-<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Art. 319 Abs. 1ORlautet wie folgt:<br />

« 1 Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf best<strong>im</strong>mte<br />

oder unbest<strong>im</strong>mte Zeit zur Leistung von Arbeit <strong>im</strong>Dienst des Arbeitgebers <strong>und</strong> dieser<br />

zur Entrichtung eines <strong>Lohn</strong>es, der nach Zeitabschnitten (Zeitlohn) oder nach der geleisteten<br />

Arbeit (Akkordlohn)bemessen wird.».<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N1;Portmann/Stöckli, N1ff.; Vischer,<br />

S. 1f.; Wyler, S. 57.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, 2.Überschrift vor Art. 319 N2;vgl. auch Duc/Subilia, Art. 319<br />

N2.<br />

Tercier/Favre/Eigenmann, N3258; Vischer, S. 1f.; Wyler, S. 57 ff.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N1ff.; Brand/Dürr etal., Art. 319 N1;<br />

Duc/Subilia, Art. 319 N2; Geiser/Müller, N100; Meier-Schatz, S. 4ff.; Portmann/Stöckli,<br />

N3ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N2;Vischer, S. 2ff.<br />

BSKORI-Portmann, Art. 319 N1;Wyler,S.57ff.<br />

Brand/Dürr et al., Vorbemerkungen, N14; Brühwiler, Art. 319 N9;Portmann/Stöckli,<br />

N42; Rehbinder, N54; Wyler, S. 104.<br />

3


§2 GRUNDLAGEN<br />

4<br />

ner Person <strong>und</strong> unter weisungsgeb<strong>und</strong>ener Eingliederung indie Arbeitsorganisation<br />

des Arbeitgebers zuerbringen hat. Aufgr<strong>und</strong> dieser weisungsgeb<strong>und</strong>enen<br />

Eingliederung indie Organisation des Arbeitgebers sowie der Bedeutung des<br />

Arbeitsvertrags für die wirtschaftliche Existenz der meisten Arbeitnehmer wird<br />

<strong>im</strong> Rahmen eines Einzelarbeitsvertrags 8 auch von der Leistung «abhängiger Arbeit»<br />

gesprochen. 9<br />

10 Ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, d.h., obein Vertrag rechtlich als Arbeitsvertrag<br />

qualifiziert werden muss, ist dem Parteiwillen indessen entzogen. Die rechtliche<br />

Qualifikation ist <strong>im</strong> Streitfall vom Gerichtvon Amtes wegenvorzunehmen. 10<br />

B. DieVertragsparteien<br />

11 Art. 319 Abs.1OR bezeichnet den «Arbeitnehmer» <strong>und</strong> den «Arbeitgeber» als<br />

Parteien des Arbeitsvertrags, ohne darin näher zu best<strong>im</strong>men, wer «Arbeitnehmer»<br />

<strong>und</strong> «Arbeitgeber» ist bzw. sein kann.<br />

1. DerArbeitnehmermit gr<strong>und</strong>sätzlich persönlicher Arbeitspflicht<br />

12 Gestützt auf die Begriffsmerkmale eines Arbeitsvertrags ist Arbeitnehmer, wer<br />

verspricht, gegen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> unter weisungsgeb<strong>und</strong>ener Eingliederung ineine<br />

Arbeitsorganisation für eine gewisse Zeitspanne Arbeit zu leisten. 11 Aufbauend<br />

auf dem Bestehen eines Arbeitsvertrags sieht Art. 321 OR dispositiv vor, dass<br />

der Arbeitnehmer die übernommene Arbeit persönlich zuleisten hat, 12 es sei<br />

denn, etwas anderes wäre verabredet oder ergebe sich aus den Umständen. Die<br />

persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers setzt <strong>im</strong>plizit voraus, dass der Arbeitnehmer<br />

eine natürliche Person ist. 13 Juristische Personen 14 sowie Gesell-<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

Wenn nachfolgend nur noch vom «Arbeitsvertrag» gesprochen wird, ist damit der privatrechtliche<br />

«Einzelarbeitsvertrag» gemäss Art. 319–343 OR gemeint.<br />

Vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N3; Rehbinder, N45 ff.; Wyler,<br />

S. 58; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 319 N26ff.<br />

BGE 129 III 664 (E.3.1, 667); BGE 99 II 313 f.; BGE 84 II 493 (E. 2, 496); Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 25. Januar 2007, 4C.276/2006, E. 3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 16. März 2005, 5C.266/2004 E. 2.3; vgl. ferner BE-Komm.-Kramer,<br />

Art. 18 N84; Gauch/Schluep/Schmid, Rz. 1038.<br />

Vgl. BSK OR-I-Portmann, Art. 319 N45; Brand/Dürr et al., Art. 319 N11; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 319 N10; Duc/Subilia, Art. 319 N14; Wyler, S. 70.<br />

Als abweichende gesetzliche Regel ist auf Art. 351 OR für den He<strong>im</strong>arbeitsvertrag<br />

hinzuweisen. Nach dieser Best<strong>im</strong>mung kann (<strong>und</strong> darf) der He<strong>im</strong>arbeitnehmer die zu<br />

erbringendeArbeit allein oder mit Familienangehörigen ausführen.<br />

Vgl. BSK OR-I-Portmann, Art. 319 N 45; Brühwiler, Art. 319 N 2c; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 319 N 10; Wyler, S. 70; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 319 N4.Auf die weiteren Voraussetzungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf<br />

Eigenschaften des Arbeitnehmers, welche den gültigen Abschluss eines Arbeitsver-


§2 GRUNDLAGEN<br />

schaften ohne Rechtspersönlichkeit (einfache Gesellschaft 15 )oder mit quasi-<br />

Rechtspersönlichkeit <strong>im</strong> Aussenverhältnis (Kollektiv- <strong>und</strong> Kommanditgesellschaft<br />

16 )könnengr<strong>und</strong>sätzlich nichtArbeitnehmersein. 17<br />

13 Art. 321 ORkehrt somit die schuldrechtliche Gr<strong>und</strong>regel in Art. 68 OR um.<br />

Gemäss Art. 68 OR ist die Leistung nur dann vom Schuldner persönlich zu<br />

erbringen, wenn es für die Erfüllung der Verpflichtung des Schuldners auf dessen<br />

Persönlichkeit ankommt; also auf dessen spezifische Fähigkeiten <strong>und</strong> Eigenschaften.<br />

18 Diese Umkehr der schuldrechtlichen Gr<strong>und</strong>regel gemäss<br />

Art. 68 OR ist be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag gerechtfertigt. Ins<strong>besondere</strong> ein unbefristeter<br />

Arbeitsvertrag mit Vollzeitpensum dürfte wohl nur mit einem best<strong>im</strong>mten Arbeitnehmer<br />

abgeschlossen werden, weil dieser (in einer Ex-ante-Betrachtung)<br />

über das vom Arbeitgeber gewünschte (Mindest-)Mass an fachlichen, physischen<br />

<strong>und</strong> psychischen Fähigkeiten <strong>und</strong> Eigenschaften verfügt, welche für eine<br />

ordentlicheErfüllung dervereinbarten Arbeitsleistung erforderlich sind. 19<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

trags beeinflussen können (z.B. das Alter oder die Nationalität <strong>und</strong> die in Abhängigkeit<br />

davon unter Umständen erforderliche Arbeitsbewilligung), wird hierin teilweise<br />

hingewiesen. Diese Voraussetzungen des öffentlichen Rechts werden jedoch nicht näher<br />

behandelt.<br />

Vgl. Art. 52 ff. ZGB.<br />

Vgl. Art. 530 ff. OR; zuden mittelbaren oder gestuften Arbeitsverhältnissen sowie den<br />

Gruppenarbeitsverhältnissen vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321 N2ff.;<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 321 N 2; Portmann/Stöckli, N924 ff.; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 321 N7ff. <strong>und</strong> N13.<br />

Vgl. Art. 552 ff., ins<strong>besondere</strong> Art. 562 OR, sowie Art. 594 ff., ins<strong>besondere</strong><br />

Art. 602 OR.<br />

Vgl. BSK SchKG-II-Lorandi, Art. 219 N150 mit Hinweis auf Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom8.Dezember 1960, ZR60(1961), Nr. 102, E. 3, S. 235 f.<br />

Zweifellos können auch juristische Personen sich vertraglich verpflichten, eine Arbeitsleistung<br />

zu erbringen. In solchen Fällen liegt jedoch kein Arbeitsvertrag, sondern<br />

ein anderes auf das Erbringen einer Arbeitsleistung bezogenes Vertragsverhältnis vor<br />

(z.B. ein einfacher Auftrag, ein Werkvertrag oder ein Innominatvertrag).<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321 N1;Duc/Subilia, Art. 321 N1;Streiff/<br />

von Kaenel, Art. 321 N2;Wyler,S.104.<br />

Würde der Arbeitnehmer nicht über ein Mindestmass anfachlichen, physischen oder<br />

psychischen Eigenschaften für eine korrekte Erfüllung seiner spezifischen Arbeitspflichten<br />

verfügen <strong>und</strong> wäre dies dem Arbeitgeber, ohne dass der Arbeitgeber die fehlenden<br />

Qualifikationen hätte erkennen müssen, nicht zur Kenntnis gebracht worden,<br />

läge ein Fall des sog. Übernahmeverschuldens vor. Ein Übernahmeverschulden ist <strong>im</strong><br />

Rahmen der Haftung des Arbeitnehmers gemäss Art. 321e OR von Bedeutung; vgl.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 321e N2;Portmann/Stöckli, N210; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 321e N3.Läge jedoch ein Fall vor, inwelchem dem Arbeitnehmer <strong>und</strong> dem Arbeitgeber<br />

bekannt war, eine best<strong>im</strong>mte Arbeit stelle für den Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong><br />

seiner fachlichen, physischen <strong>und</strong> psychischen Fähigkeiten <strong>und</strong> Eigenschaften eine<br />

Herausforderung dar, können solche Umstände einem Arbeitgeber <strong>im</strong> Rahmen von<br />

5


§2 GRUNDLAGEN<br />

14 Gestützt auf die jeweiligen Umstände sieht Art. 321 ORauch die Möglichkeit<br />

von Ausnahmen von der persönlichen Arbeitspflicht des Arbeitnehmers vor.<br />

Anderweitige Abreden zwischen Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber vorbehalten,, 20<br />

lässt die gesetzliche Regelung Raum für eine gewisse, allerdings beschränkte<br />

Flexibilität des Arbeitnehmers. Es wird dem Arbeitnehmer vom Gesetz der Zuzug<br />

einer Hilfs- oder Ersatzkraft dann nicht àpriori untersagt, wenn aufgr<strong>und</strong><br />

der Übung 21 oder bei grossem Arbeitsanfall bzw. Dringlichkeit gewisse, zur eigentlichen<br />

Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gehörige (Neben-)Aufgaben termingerecht<br />

erledigt werden müssen, die nicht unbedingt eine persönliche Erfüllung<br />

durch den Arbeitnehmer verlangen. Zu ergänzen ist, dass es dem Arbeitnehmer<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner persönlichen Leistungspflicht gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gestattet<br />

ist, ohne Wissen des Arbeitgebers auch umfangmässig geringe, seiner persönlichen<br />

Leistungspflicht unterliegende Arbeiten wiederholt aneine oder mehrere<br />

Drittpersonen zudelegieren. Der Arbeitnehmer kann dem Arbeitgeber die<br />

Erfüllung seiner eigenen Arbeitspflicht durch eine oder mehrere Drittpersonen<br />

nicht aufdrängen. 22 Als Korrelat dazu hat jedoch auch der Arbeitgeber <strong>im</strong> Einzelfall<br />

best<strong>im</strong>mte Obliegenheiten. Wenn der Arbeitgeber etwa von einer über<br />

den Einzelfall hinausgehenden, nicht vereinbarten Arbeitsdelegation des Arbeitnehmers<br />

an einen oder mehrere Drittpersonen erfährt, ist es dem Arbeitgeber<br />

nach Treu <strong>und</strong> Glauben zuzumuten, innert nützlicher Frist sich zur Klarstellung<br />

der Situation gegenüber dem Arbeitnehmer (<strong>und</strong> der oder den Drittpersonen)<br />

zu äussern.<br />

2. DerArbeitgeber<br />

15 Aufgr<strong>und</strong> der Begriffsmerkmale des Arbeitsvertrags gemäss Art. 319<br />

Abs.1OR ist derjenige Arbeitgeber, welcher sich eine Arbeitsleistung eines best<strong>im</strong>mten<br />

Arbeitnehmers für eine gewisse Zeitspanne unter weisungsgeb<strong>und</strong>e-<br />

20<br />

21<br />

22<br />

6<br />

Haftungsfragen gegenüber dem Arbeitnehmer auch als Selbstverschulden angelastet<br />

werden; vgl.Streiff/von Kaenel, Art. 321e N3.<br />

Eine derartige Abrede kann zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitnehmer sich verpflichtet,<br />

die vertraglich bezeichnete Arbeit nur persönlich zu erfüllen. Umgekehrt<br />

könnte sich der Arbeitnehmer indessen auch verpflichten, nötigenfalls Hilfs- oder<br />

Aushilfskräfte beizuziehen.<br />

In der Literatur findet sich regelmässig das Beispiel, dass eseinem Hauswart übungsgemäss<br />

nicht untersagt ist, gewisse Tätigkeiten mit Familienangehörigen auszuführen<br />

oder an diese zu delegieren; vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321 N3;<br />

Brand/Dürr et al., Art. 321 N6;Duc/Subilia, Art. 321 N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art.<br />

321 N1,N6<strong>und</strong> N12zum «Haus(ab)wartsvertrag»; zum Haus(ab)wartvertrag siehe<br />

auch BGE 131 III 566 (E. 3,569 ff.).<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321 N1;zuden mittelbaren oder gestuften Arbeitsverhältnissen<br />

sowie den Gruppenarbeitsverhältnissen vgl. BE-Komm.-Rehbinder/<br />

Stöckli, Art.321 N2ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 321 N 2; Portmann/Stöckli,<br />

N924 ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 321 N7ff. <strong>und</strong> N13.


§2 GRUNDLAGEN<br />

ner Eingliederung ineine Arbeitsorganisation gegen Leistung eines <strong>Lohn</strong>s vertraglich<br />

zusichern lässt. 23<br />

16 Sowohl natürliche Personen, Personengesellschaften als auch juristische Personen<br />

des privaten oder öffentlichen Rechts 24 können Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag<br />

sein. 25 Anders als be<strong>im</strong> Arbeitnehmer, der inaller Regel eine natürliche<br />

Person ist 26 spielt die Art der Rechtspersönlichkeit des Arbeitgebers von<br />

Gesetzes wegen keine Rolle. Natürliche <strong>und</strong> juristische Personen können Arbeitgeber<br />

sein. Gleiches gilt für Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (einfache<br />

Gesellschaft 27 )oder mit quasi-Rechtspersönlichkeit <strong>im</strong> Aussenverhältnis<br />

(Kollektiv-<strong>und</strong> Kommanditgesellschaft 28 )<strong>und</strong> andere Personenmehrheiten. 29<br />

17 Im Regelfall stellen sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Identität des Arbeitgebers<br />

keine Schwierigkeiten. Unklarheiten, wer Arbeitgeber ist, können hingegen bei<br />

komplizierten Vertretungsverhältnissen 30 oderinKonzernen entstehen. 31<br />

II. DerArbeitsvertrag <strong>und</strong> das Arbeitsverhältnis<br />

18 Der Zehnte Titel des Obligationenrechts trägt die Überschrift «Der Arbeitsvertrag»<br />

<strong>und</strong> ist invier Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt des Zehnten Titels<br />

befasst sich mit dem Einzelarbeitsvertrag (Art. 319–343 OR), während der<br />

zweite Abschnitt Best<strong>im</strong>mungen zu den <strong>besondere</strong>n Einzelarbeitsverträgen<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

Vgl. BSK OR-I-Portmann, Art. 319 N43; Brand/Dürr et al., Art. 319 N14; Brühwiler,<br />

Art. 319 N6;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N10; Duc/Subilia; Art. 319<br />

N13; Wyler, S. 70.<br />

Sofern der Arbeitsvertrag privatrechtlich begründet wird; vgl. Art. 342 Abs. 1lit. a<br />

OR.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N13; BSK OR-I-Portmann, Art. 319<br />

N44; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N10; Wyler, S. 70; ZH-Komm.-<br />

Staehelin NArt. 319 N3.<br />

Vgl. oben Rz. 12.<br />

Vgl. Art. 530 ff. OR.<br />

Vgl. Art. 552 ff., ins<strong>besondere</strong> Art. 562 OR, sowie Art. 594 ff., ins<strong>besondere</strong> Art. 602<br />

OR.<br />

Z.B. die Erbengemeinschaft. Gemäss Art. 338a Abs. 1ORgeht –unter Vorbehalt von<br />

Abs. 2derselben Best<strong>im</strong>mung –das Arbeitsverhältnis be<strong>im</strong> Tod eines Arbeitgebers,<br />

der eine natürliche Person ist, auf die Erben über. Sind mehrere Erben vorhanden, wird<br />

daher die Erbengemeinschaft Arbeitgeberin (vgl.Art. 560 <strong>und</strong> 602 ZGB).<br />

Vgl. dazu beispielsweise den Entscheid der Chambre d'appel des prud'hommes du<br />

canton de Genève vom 16. März 2000, JAR 2001, S.147 ff.<br />

Vgl. dazu BGE 130 III 213 (E. 2.2.1, 217); BGE 93 I378 (E. 4,381); Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 21. April 2006, 4C.62/2006, E. 2; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 20. August 2002, 4C.158/2002, E. 3.1.2; Bosman, S. 199 ff.; von Büren, Konzern,<br />

S. 399ff.; Dallèves, S. 615 f.; Druey/Vogel, S. 237 ff.; Geiser/Uhlig, S.764 f.<br />

<strong>und</strong> S. 767 ff.; Heiz, S. 35 ff.<br />

7


§2 GRUNDLAGEN<br />

8<br />

(Art. 344–355 OR) enthält. Der dritte Abschnitt des Zehnten Titels des ORenthält<br />

die Best<strong>im</strong>mungen zum Gesamtarbeitsvertrag <strong>und</strong> zum Normalarbeitsvertrag<br />

(Art. 356–360f OR). Mit den zwei Normen zuden sogenannt absolut zwingenden<br />

bzw. relativ zwingenden Best<strong>im</strong>mungen (Art. 361 <strong>und</strong> Art. 362 OR) <strong>im</strong><br />

vierten Abschnitt des Zehnten Titels werden die Best<strong>im</strong>mungen zum Arbeitsvertrag<br />

<strong>im</strong> OR abgeschlossen.<br />

19 Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> der Überschrift zum Zehnten Titel, der Überschrift zu<br />

dessen erstem Abschnitt sowie der Legaldefinition inArt. 319 Abs.1OR fällt<br />

auf, dass ins<strong>besondere</strong> in der deutschen <strong>und</strong> italienischen, in etwas geringerem<br />

Ausmass auch inder französischen Fassung der Art. 319–343 OR in einer beträchtlichen<br />

Anzahl von Best<strong>im</strong>mungen nicht (oder nicht mehr) vom «Arbeitsvertrag»,<br />

sondern vom «Arbeitsverhältnis» («rapport(s) de travail»; «rapporto<br />

(-i) di lavoro») gesprochen wird. Aus der s<strong>im</strong>plen Existenz <strong>und</strong> der mehrfachen<br />

Verwendung der Begriffe «Arbeitsvertrag» <strong>und</strong> «Arbeitsverhältnis» <strong>im</strong> Gesetz<br />

könnte der Schluss gezogen werden, dass das Gesetz nebst dem «Arbeitsvertrag»<br />

auch das «Arbeitsverhältnis» als Rechtsinstitut anerkennt. Soll der Begriff<br />

des Arbeitsverhältnisses neben dem Begriff des Arbeitsvertrags nicht nur ein<br />

Stilelement des sprachlichen Ausdrucks <strong>und</strong> rechtlich nicht inhaltsleer sein,<br />

müssten die beiden Begriff einen unterschiedlichen Gehalt haben. Ebenso lässt<br />

sich fragen, ob von den beiden Begriffen auch unterschiedliche Rechtswirkungen<br />

ausgehen. Das Nebeneinander der beiden Begriffe «Arbeitsvertrag» <strong>und</strong><br />

«Arbeitsverhältnis» wird <strong>im</strong> Gesetzindessen nichtthematisiert.<br />

20 Es könnte somit der Eindruck entstehen, die beiden Begriffe «Arbeitsvertrag»<br />

<strong>und</strong> «Arbeitsverhältnis» seien <strong>im</strong> Wesentlichen gleichbedeutend <strong>und</strong> nur insofern<br />

voneinander abhängig, als dass der Arbeitsvertrag notwendige Gr<strong>und</strong>lage<br />

für das Arbeitsverhältnis ist. Der Arbeitsvertrag lässt das Arbeitsverhältnis entstehen,<br />

sodass umgekehrt auch gesagt werden könnte, ohne Arbeitsvertrag existiere<br />

kein Arbeitsverhältnis. Wäre die Aussage «ohne Arbeitsvertrag kein Arbeitsverhältnis»<br />

in jeder Konstellation richtig, würde das Begriffspaar «Arbeitsvertrag»<br />

<strong>und</strong> «Arbeitsverhältnis» dem üblichen vertragsrechtlichen Muster folgen;<br />

zumal jeder Vertrag ein «Rechtsverhältnis» begründet, 32 in dessen Rahmen<br />

die Parteien nach Treu <strong>und</strong> Glauben zu handeln haben (Art. 2Abs.1ZGB). Im<br />

Hinblick auf die verschiedenen, vom Gesetz vorgesehenen Entstehungsmöglichkeiten<br />

des Arbeitsvertrags einerseits 33 sowie aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen,<br />

<strong>besondere</strong>n <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> <strong>Vergütungsformen</strong> 34 andererseits soll den beiden Begriffen<br />

«Arbeitsvertrag» <strong>und</strong> «Arbeitsverhältnis» hier nachgegangen werden.<br />

32<br />

33<br />

34<br />

Vgl. auch die Zweite Abteilung des Obligationenrechts, welche die Überschrift «Besondere<br />

Vertragsverhältnisse» trägt.<br />

Vgl. dazu unten Rz. 110 ff.<br />

Vgl. dazu unten Rz. 450 ff.


§2 GRUNDLAGEN<br />

21 Soweit sich in der neueren Literatur spezifische Ausführungen zu den Begriffen<br />

des «Arbeitsvertrags» <strong>und</strong> des «Arbeitsverhältnisses» finden, sind diese Ausführungen<br />

meist knapp <strong>und</strong> beziehen sich mehrheitlich auf die Theorie des personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses, dieEingliederungstheorie <strong>und</strong> die<br />

Vertragstheorie. 35<br />

22 STAEHELIN führt zum Verhältnis zwischen dem Arbeitsvertrag <strong>und</strong> dem Arbeitsverhältnis<br />

aus, dass es be<strong>im</strong> Arbeitsverhältnis nicht umein <strong>besondere</strong>s<br />

Verhältnis in Sinne der Gemeinschaftstheorie 36 gehe, sondern um das auf dem<br />

Vertragsschluss beruhende Arbeitsverhältnis. Sobald das Erfüllungsstadium beginne,<br />

verdichte sich das Arbeitsverhältnis. Die Verdichtung <strong>im</strong>Erfüllungsstadium<br />

komme dadurch zustande, dass sich vertragliche Nebenpflichten erst <strong>im</strong><br />

Zeitpunkt der Leistungserbringung aktualisieren (z.B. seitens des Arbeitgebers<br />

die Pflicht zur Gewährung von Ferien <strong>und</strong> Freizeit sowie die Fürsorgepflicht;<br />

seitens des Arbeitnehmers die Verschwiegenheitspflicht, die Pflicht zur Rechenschaftsablage<br />

<strong>und</strong> das Konkurrenzverbot während des Arbeitsverhältnisses).<br />

Diese Verdichtung sei jedoch kein Spezifikum des Arbeitsverhältnisses,<br />

sondern finde sich auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen. Dennoch zeige<br />

sich <strong>im</strong> Erfüllungsstadium des Arbeitsverhältnisses sein <strong>besondere</strong>r Charakter<br />

in Bezug auf die Persönlichkeit des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dessen Schutz, dessen<br />

Gegenstück die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber<br />

darstelle. 37<br />

23 Zum Begriffspaar «Arbeitsvertrag» <strong>und</strong> «Arbeitsverhältnis» führt AUBERT aus,<br />

dass die Begriffe unterschiedliche Realitäten betreffen. Ein Arbeitsvertrag liege<br />

vor, wenn zwei Parteien einen Vertrag gemäss Art. 319 OR abgeschlossen haben.<br />

Ein Arbeitsverhältnis liege dann vor, wenn eine Person <strong>im</strong>Rahmen eines<br />

Arbeitsvertrags –der <strong>im</strong> Laufe der Zeit geändert werden kann, aber nicht muss<br />

–aneine andere Person geb<strong>und</strong>en ist. Weiter weist dieser Autor darauf hin,<br />

dass dasselbe Arbeitsverhältnis mehrere (identische oder unterschiedliche) Arbeitsverträge<br />

umfassen könne <strong>und</strong> der Unterscheidung zwischen dem Arbeits-<br />

35<br />

36<br />

37<br />

Brand/Dürr et al., Vorbemerkungen, N10ff.; Brühwiler, Art. 319 N9;CRCOI-<br />

Aubert, Art. 319 N25; Rickenbach, S.17f.; ZH-Komm.-Staehelin, Vorbemerkungen<br />

zu Art. 319–343 N14; zur Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses,<br />

der Eingliederungstheorie sowie der Vertragstheorie vgl.unten Rz. 32ff.<br />

Schwartz, S. 82, umschrieb 1949 den Dienstvertrag als «[…] die durch die Einigung<br />

der Parteien über die wesentlichen Anstellungsbedingungen begründete gegenseitige<br />

rechtliche Bindung der Parteien […]». Das Dienstverhältnis bezeichnete Schwartz,<br />

a.a.O., S.82, als «[…]die Gesamtheit der auf einem Dienstvertrag beruhenden rechtlichen<br />

<strong>und</strong> tatsächlichen* Beziehung, die sich aus dem Antritt der Stelle ergeben, wozu<br />

vorab die Tatsache der Leistung von Arbeit <strong>im</strong> Dienst eines anderen gehört» (* <strong>im</strong><br />

Original kursiv).<br />

Vgl. dazu näher unten Rz. 32ff.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Vorbemerkungen zu Art. 319–343 N14.<br />

9


§2 GRUNDLAGEN<br />

10<br />

vertrag <strong>und</strong> dem Arbeitsverhältnis dort eine wichtige Rolle zukomme, wodas<br />

Gesetz auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. die Dienstjahre abstelle.<br />

Von Relevanz ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. die Anzahl der<br />

Dienstjahre beispielsweise <strong>im</strong> Rahmen der<strong>Lohn</strong>fortzahlung bei unverschuldeter<br />

Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers nach Art. 324a Abs.1<strong>und</strong> Abs.2OR,<br />

für die Dauer der Kündigungsfrist gemäss Art. 335b Abs. 2OR, sofern die Parteien<br />

keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, sowie bei der Abgangsentschädigung<br />

nach Art. 339b Abs.1OR. 38<br />

24 Mangels einer näheren gesetzlichen Umschreibung des Inhalts des Begriffs des<br />

«Arbeitsverhältnisses» liegt ein unbest<strong>im</strong>mter Rechtsbegriff vor, der durch Auslegung<br />

konkretisiert werden muss. Als Hintergr<strong>und</strong> oder Basis der Untersuchung<br />

wird hier auf eine, sich an der Rechtswirklichkeit orientierende Betrachtungsweise<br />

abgestellt, welche das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong><br />

Arbeitnehmer inseiner Gesamtheit vor Augen hat. Da der Begriff des «Arbeitsverhältnisses»<br />

auslegungsbedürftig ist <strong>und</strong> sich den Regeln des Obligationenrechts<br />

keine Einschränkungen für den Begriffsumfang <strong>und</strong> den Begriffsinhalt<br />

eines Arbeitsverhältnisses entnehmen lässt, rechtfertigt sich die Annahme, es<br />

sei gr<strong>und</strong>sätzlich von einem weiten Begriffs- <strong>und</strong> Bedeutungsinhalt auszugehen.<br />

Der wohl weiteste, denkbare Umfang des Begriffs des Arbeitsverhältnisses<br />

würde in persönlicher, zeitlicher, örtlicher <strong>und</strong> sachlicher Hinsicht alle rechtlich<br />

relevanten Phasen <strong>und</strong> Aspekte der gesamten Rechtsbeziehung zwischen einem<br />

Arbeitnehmer<strong>und</strong> einem Arbeitgeber erfassen.<br />

A. Begriffsumschreibungen<br />

1. DieBedeutungsmöglichkeiten desBegriffs «Arbeitsvertrag»<br />

25 Die Bedeutung des Begriffs «Arbeitsvertrag» ist je nach Kontext unterschiedlich.<br />

ImObligationenrecht wird der Begriff «Arbeitsvertrag» als Überschrift des<br />

Zehnten Titels verwendet. Der Ausdruck «Arbeitsvertrag» ist somit die Sammelbezeichnung<br />

bzw. der Oberbegriff für den Einzelarbeitsvertrag, die <strong>besondere</strong>n<br />

Einzelarbeitsverträge sowie den Gesamt- <strong>und</strong> den Normalarbeitsvertrag.<br />

Der privatrechtliche Begriff des «Arbeitsvertrags» <strong>im</strong> Obligationenrecht umfasst<br />

insofern vertragliche Rechtsinstitute, die trotz gemeinsamem Regelungsgegenstand<br />

inkonzeptioneller <strong>und</strong> inhaltlicher Hinsicht sehr verschiedenen sein<br />

können.<br />

26 Vom Begriff «Arbeitsvertrag» werden zudem nicht nur privatrechtliche Arbeitsverträge,<br />

sondern auch solche des öffentlichen Rechts erfasst. So wird etwa<br />

in Art. 8Abs.1des B<strong>und</strong>espersonalgesetzes (BPG) ebenfalls vom «Arbeitsvertrag»<br />

gesprochen. Die angeführte Best<strong>im</strong>mung stellt allerdings selbst klar, dass<br />

38<br />

CR CO I-Aubert, Art. 319 N25.


§2 GRUNDLAGEN<br />

das «Arbeitsverhältnis» gemäss B<strong>und</strong>espersonalgesetz öffentlich-rechtlicher<br />

Naturist. 39<br />

27 Über den Bereich des eigentlichen privaten <strong>und</strong> öffentlichen Arbeitsrechts hinaus<br />

könnte der Begriff «Arbeitsvertrag» auch für alle Rechtsverhältnisse privatrechtlicher<br />

oder öffentlich-rechtlicher Natur verwendet werden, welche eine<br />

Dienst- oder Arbeitsleistung irgendeiner Art beinhalten. Aufgr<strong>und</strong> dieser umfassenderen<br />

Bedeutungsmöglichkeit finden sich inder Literatur ins<strong>besondere</strong><br />

für Verträge, welche das Leisten von Arbeit irgendeiner Art zum Inhalt haben,<br />

auch die Termini «Verträge auf Arbeitsleistung» oder «Dienstleistungsverträge».<br />

40 Bei diesen Begriffen wird bewusst auf eine nähere rechtliche Qualifikation<br />

<strong>im</strong> Rahmen des obligationenrechtlichen Systems der Nominat- <strong>und</strong> Innominatverträgeverzichtet.<br />

28 Mit «Arbeitsvertrag» kann schliesslich auch das schriftliche oder elektronische<br />

Dokument gemeint sein, in welchem die Parteien eines Arbeitsvertrags ihre vertraglicheBeziehunggeregelt<br />

haben.<br />

2. DieBedeutungsmöglichkeiten desBegriffs «Arbeitsverhältnis»<br />

29 Die Bedeutung des Begriffs «Arbeitsverhältnis» ist weniger vom Kontext abhängig<br />

als der Ausdruck «Arbeitsvertrag». Dies dürfte sich darauf zurückführen<br />

lassen, dass der Begriff «Arbeitsverhältnis» umgangssprachlich wenig gebraucht<br />

wird. Der Begriff des «Arbeitsverhältnisses» dürfte sich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

auf das private <strong>und</strong> öffentliche Arbeitsrecht beschränken. Verträge, welche<br />

zwar eine Arbeitsleistung beinhalten, aber nicht als eigentliche Arbeitsverträge<br />

zu qualifizieren sind, dürften wohl nirgends als Arbeitsverhältnisse bezeichnet<br />

werden. Soweit in<strong>privatrechtlichen</strong> 41 oder öffentlich-rechtlichen 42 Erlassen aus-<br />

39<br />

40<br />

41<br />

Zu den Unterschieden des <strong>privatrechtlichen</strong> <strong>und</strong> öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses<br />

vgl. die Tabelle bei Geiser/Müller, S. 612 ff.<br />

Je nachdem, was unter «Arbeit» verstanden wird, könnte der wiederum nicht klar begrenzte<br />

Sammelbegriff «Verträge auf Arbeitsleistung» neben einem Arbeitsvertrag<br />

gemäss Art. 319 ff. OR<strong>und</strong> nebst Innominatverträgen auch die folgenden Nominatverträge<br />

umfassen: den Werkvertrag (Art. 363 ff. OR), den Verlagsvertrag<br />

(Art. 380 ff. OR), den einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR), den Mäklervertrag<br />

(Art. 412 ff. OR), den Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR), die Kommission (Art. 425 ff.<br />

OR), den Frachtvertrag (Art. 440 ff. OR), die Anweisung (Art. 466 ff. OR), den Hinterlegungsvertrag<br />

(Art. 472 ff. OR) sowie einen Personengesellschaftsvertrag (Art. 530<br />

ff. OR).<br />

Zu den «Dienstleistungsverträgen» vgl. auch Christoph Leuenberger, Dienstleistungsverträge,<br />

in: ZSR 106 II (1987), S.1–92 sowie François Dessemontet, Les contrats de<br />

service, in: ZSR 106 II(1987), S.93–224.<br />

In der deutschen Fassung des OR wird der Begriff «Arbeitsverhältnis» ausserhalb der<br />

Art. 319–362 OR in den folgenden Best<strong>im</strong>mungen verwendet: Art. 128 Ziff. 3OR<strong>und</strong><br />

11


§2 GRUNDLAGEN<br />

12<br />

serhalb des spezifischen Arbeitsrechts der Begriff «Arbeitsverhältnis» verwendet<br />

wird, beziehen sich die entsprechenden Best<strong>im</strong>mungen jeweils auf die gesamte<br />

Rechtsbeziehung zwischen einem Arbeitgeber <strong>und</strong>einem Arbeitnehmer.<br />

30 Der Begriff «Arbeitsverhältnis» ist –für sich allein betrachtet –nicht sehr aussagekräftig.<br />

Ausgehend vom Bedeutungsinhalt der beiden Wortbestandteile besagt<br />

der Begriff wohl nur, als dass ein rechtliches «Verhältnis» zwischen den<br />

beteiligten Parteien, dem Arbeitnehmer <strong>und</strong> dem Arbeitgeber, besteht. Die Arbeit,<br />

für welche der Arbeitgeber <strong>Lohn</strong> zuentrichten hat, ist –inAnlehnung an<br />

die Begriffe <strong>im</strong> internationalen Privatrecht 43 –die charakteristische Leistung<br />

<strong>und</strong> eignet sich zur Benennung des Vertragsverhältnisses, weil es die aussagekräftigste<br />

Bezeichnung darstellt.<br />

31 Nach STAEHELIN ist der Begriff des Arbeitsverhältnisses inhaltlich mehrdeutig.<br />

Nach diesem Autor bezeichnet der Begriff «Arbeitsverhältnis» entweder das<br />

durch den Arbeitsvertrag entstehende (Dauer-)Schuldverhältnis an sich (z.B. in<br />

Art. 321e Abs.2OR oder Art. 334OR) oder –spezifischer –das arbeitsvertragliche<br />

Dauerschuldverhältnis nach Antritt der Stelle. Als dritte Bedeutungsvariante<br />

weist STAEHELIN auf Art. 320 Abs.3OR hin, wo der Begriff des Arbeitsverhältnisses<br />

das faktische Vertragsverhältnis bei nichtigen oder anfechtbaren<br />

Arbeitsverträgen beschreibt. 44<br />

42<br />

43<br />

44<br />

Art. 134 Abs. 1Ziff. 4OR(Verjährung <strong>und</strong> deren Hinderung <strong>und</strong> Stillstand), Art. 364<br />

Abs. 1OR(Haftung des Werkunternehmers für die gleiche Sorgfalt wie ein Arbeitnehmer),<br />

Art. 398 Abs. 1OR(Haftung des Beauftragten für die gleiche Sorgfalt wie<br />

ein Arbeitnehmer), Art. 418a OR (Abgrenzung der Agentur zum Arbeitsvertrag),<br />

Art. 464 Abs. 1OR(Konkurrenzverbot des Prokuristen oder anderer Handlungsbevollmächtigter,<br />

die zum Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag stehen), Art. 728 Abs. 2<br />

Ziff. 1OR(Unvereinbarkeit eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses des Revisors mit<br />

der zu revidierenden Aktiengesellschaft). ImZGB findet sich eine Bezugnahme auf<br />

ein Arbeitsverhältnis in Art. 165 ZGB.<br />

Für das Steuerrecht vgl. z.B. Art. 3Abs. 5DBG (persönliche Zugehörigkeit von natürlichen<br />

Personen mit Wohnsitz <strong>im</strong> Ausland aufgr<strong>und</strong> eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses<br />

mit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft), Art. 17 Abs. 1DBG<br />

(Steuerbarkeit von Einkünften aus privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Arbeitsverhältnis<br />

unter Einschluss derNebeneinkünfte).<br />

Für das Sozialversicherungsrecht vgl. z.B. Art. 10 AVIG, worin die Arbeitslosigkeit so<br />

definiert wird, dass eine Person dann ganz oder teilweise arbeitslos ist, wenn sie weder<br />

in einem Voll- noch in einem Teilzeitarbeitsverhältnis steht.<br />

Vgl. Art. 117 IPRG.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Vorbemerkungen zu Art. 319–343 N14.


§2 GRUNDLAGEN<br />

B. Der«Arbeitsvertrag» <strong>und</strong>das «Arbeitsverhältnis» aus historischerSicht<br />

32 Aus historischer Perspektive dürfte sich die Verwendung des Begriffs «Arbeitsverhältnis»<br />

<strong>im</strong> OR darauf zurückführen lassen, dass bei der umfassenden Revision<br />

des schweizerischen Arbeitsrechts Ende der 1960er- <strong>und</strong> zu Beginn der<br />

1970er-Jahre 45 in Deutschland sowohl die Theorie des «personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses» (oder «Gemeinschaftstheorie») als auch die «Eingliederungstheorie»<br />

<strong>und</strong> die «Vertragstheorie» diskutiert wurden. Diese Theorien<br />

dürften zur Verwendung des Begriffs des «Arbeitsverhältnisses» <strong>im</strong>Gesetz<br />

Wesentliches beigetragen haben, was sich inder Botschaft 1967 <strong>und</strong> in einigen<br />

Stellungnahmen währendder Beratung derGesetzesvorlage<strong>im</strong>Parlamentmanifestierte.<br />

46 Diese Theorien, deren präziser Gehalt zuweilen schwer auszumachen<br />

45<br />

46<br />

Vgl. BBl 1967 II, S. 241 ff.; die Revision des Arbeitsvertragsrechts <strong>im</strong> Obligationenrecht<br />

mit B<strong>und</strong>esgesetz vom 25. Juni 1971, welche in der Literatur teilweise als auch<br />

«Revision 1971» bezeichnet wird,trat per 1. Januar 1972 in Kraft.<br />

BBl 1967 II, S.277 f.: «[…] Für die Begründung des Arbeitsverhältnisses gilt der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Abschlussfreiheit <strong>und</strong> inder Regel auch der Formfreiheit (Art. 320,<br />

Abs. 1des Entwurfs). Der Abschluss des Einzelarbeitsvertrags löst bereits best<strong>im</strong>mte<br />

rechtliche Wirkungen aus, nämlich auf seiten des Arbeitnehmers die Pflicht zum Antritt<br />

der Arbeitsstelle <strong>und</strong> zur Aufnahme der Arbeit <strong>und</strong> auf seiten des Arbeitgebers die<br />

Pflicht zur Annahme der Arbeitsleistung <strong>und</strong> zur Aufnahme des Arbeitnehmers inden<br />

Betrieb oder Haushalt. […] Tritt der Arbeitnehmer die Arbeitsstelle vertragsgemäss<br />

an <strong>und</strong> wird er in den Betrieb oder Haushalt aufgenommen, so entsteht auf Gr<strong>und</strong> dieses<br />

objektiven Sachverhaltes ein unmittelbar auf die Personen der Vertragsparteien<br />

bezogenes Rechtsverhältnis das […] der Entwurf nun als ‹Arbeitsverhältnis› bezeichnet.<br />

Dieses hat eine Reihe typischer Pflichten beider Vertragsparteien zum Inhalt, die<br />

gegenüber dem bisherigen Recht eingehender geregelt, aber auch präziser <strong>und</strong> prägnanter<br />

umschrieben werden. Durch ihre Regelung wie durch die Vorschriften über die<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollen die Vertragsparteien <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis<br />

materiell gleichgestellt <strong>und</strong> zur weitgehenden gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet<br />

werden. Dadurch will der Entwurf ihre Zusammenarbeit, aber auch ihre gegenseitige<br />

Verantwortung stützen <strong>und</strong> fördern.»<br />

BBl 1967 II, S. 296: «Die für den Begriff des Arbeitsvertrags wesentlichen Hauptpflichten<br />

der Vertragsparteien –Verpflichtung zur Leistung von Arbeit <strong>im</strong>Dienst des<br />

Arbeitgebers <strong>und</strong> Verpflichtung zur <strong>Lohn</strong>zahlung –sind vermögensrechtlicher Art <strong>und</strong><br />

reihen den Arbeitsvertrag indie Gruppe der zweiseitigen Schuldverträge ein. Freilich<br />

knüpfen sich an diesen Tatbestand eine ganze Reihe weiterer Pflichten, die mit dem<br />

Dienstantritt aktualisiert werden. […] Indiesen Nebenpflichten kommt zum Ausdruck,<br />

dass die Vertragsparteien nicht nur vermögenswerte Leistungen austauschen, sondern<br />

sich zur Zusammenarbeit verbinden. Die persönliche Bindung entsteht nicht schon mit<br />

dem Vertragsschluss, sondern erst mit dem Antritt der Arbeitsstelle <strong>und</strong> mit der Aufnahme<br />

des Arbeitnehmers in den Arbeitsbereich des Arbeitgebers. Da der Arbeitnehmer<br />

als Mensch mit seinen persönlichen Kräften in den Leistungsvollzug zutreten hat,<br />

wirkt erst die Erfüllung des Vertrags auf seine Person ein. Gleichzeitig werden die besondern<br />

Pflichten des Arbeitgebers ausgelöst. Erst dann n<strong>im</strong>mt das Rechtverhältnis<br />

13


§2 GRUNDLAGEN<br />

14<br />

ist <strong>und</strong> deren Übergänge fliessend sind, haben sich in der Schweiz nicht durchsetzen<br />

können 47 <strong>und</strong> werden auch in Deutschland nicht mehr vertreten. 48 Dennoch<br />

soll auf diese Theorien insofern eingegangen werden, als sie die Begriffe<br />

des Arbeitsvertrags <strong>und</strong> des Arbeitsverhältnisses sowie deren Nebeneinander <strong>im</strong><br />

Gesetz erklärend beleuchten.<br />

1. DieTheorie despersonenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />

33 Die Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses besagt, dass<br />

zwischen dem Arbeitnehmer <strong>und</strong> dem Arbeitgeber nebst der schuldrechtlichen<br />

bzw. vertraglichen Beziehung auch ein zusätzliches «personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis»<br />

entsteht. Das Arbeitsverhältnis als personenrechtliches<br />

Gemeinschaftsverhältnis beginnt allerdings nicht schon mit dem Abschluss eines<br />

Arbeitsvertrags («Vertragstheorie» 49 ). Vielmehr entsteht das personenrechtliche<br />

Gemeinschaftsverhältnis erst durch den Eintritt des Arbeitnehmers in die<br />

Arbeitsorganisation (Unternehmen, Betrieb oder Haushalt; «Eingliederungstheorie»<br />

50 )des Arbeitgebers. Dieses –auf der gr<strong>und</strong>sätzlich persönlichen Arbeitspflicht<br />

des Arbeitnehmers beruhende –personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis<br />

zwischen Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber lässt nach der Gemeinschaftstheorie<br />

eine persönliche Verb<strong>und</strong>enheit entstehen. Diese Verb<strong>und</strong>enheit geht<br />

über die bloss vertragliche Verbindung hinaus. Die persönliche Verb<strong>und</strong>enheit<br />

vermag nach der Gemeinschaftstheorie insofern Rechtspflichten zu begründen,<br />

die über die konkreten, vertraglichen Vereinbarungen <strong>und</strong> über das generelle,<br />

schuldrechtliche Gebot des Handelns nach Treu <strong>und</strong> Glauben hinausgehen.<br />

Namentlich sind dies die Sorgfalts- <strong>und</strong> Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber<br />

dem Arbeitgeber <strong>und</strong> die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem<br />

Arbeitnehmer. 51<br />

34 Obwohl schon inder zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts allgemein anerkannt<br />

war <strong>und</strong> auch heute allgemein anerkannt ist, dass ein Arbeitsvertrag aufgr<strong>und</strong><br />

der persönlichen Arbeitspflicht des Arbeitnehmers einen stark personenbezoge-<br />

47<br />

48<br />

49<br />

50<br />

51<br />

zwischen den Vertragsparteien, das dem Gr<strong>und</strong>e nach schuldrechtlicher Art ist <strong>und</strong><br />

bleibt, auch Züge eines Gemeinschaftsverhältnisses an.»<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N9;Brand/Dürr et al., Vorbemerkungen,<br />

N10ff.; Brühwiler, Art. 319 N9;Geiser, Treuepflicht, S. 22 ff.; Meyer, S.50ff.,<br />

ins<strong>besondere</strong> S. 63 ff., Nef, S.238 ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Vorbemerkungen zu<br />

Art. 319–343 N14.<br />

Münch.-Komm.-Müller-Glöge, §611 N161 f. m.w.H.; Palandt/Weidenkaff, Einf. V<br />

§611 N5/5a/5b.<br />

Vgl. zur Vertragstheorie auch unten Rz. 35f.<br />

Vgl. zur Eingliederungstheorie auch unten Rz. 35f.<br />

Vgl. Hueck/Nipperdey, S.105 f. <strong>und</strong> S.115 f.; Hueck/Nipperdey, Gr<strong>und</strong>riss, S.43ff.;<br />

Kaskel/Dersch, S. 24 ff. <strong>und</strong> S. 113 f.; Nikisch, S. 158 ff. <strong>und</strong> S. 163 ff.


52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

57<br />

58<br />

59<br />

§2 GRUNDLAGEN<br />

nen Charakter hat, wurde für das schweizerische Recht die Auffassung abgelehnt,<br />

mit einem Arbeitsvertrag entstehe ein «personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis».<br />

Die Ablehnung der Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />

beruht auf verschiedenen, sich teilweise überschneidenden<br />

Überlegungen. Ein Hauptpunkt der Kritik an der Theorie des personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses war, dass sich weder <strong>im</strong>Personenrecht<br />

des ZGB 52 noch <strong>im</strong> OR eine hinreichend klare, gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für ein<br />

personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis findet. Es fehlt an dergesetzlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage, welche eine über die schuldrechtliche Vertragsbeziehung hinausgehende<br />

«Gemeinschaft» zubegründen vermag. 53 Darauf abstellend ging die Argumentation<br />

weiter dahin, die Begriffe sowie die Struktur des personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses seien ohne verlässlich auszumachende Konturen,<br />

was <strong>im</strong> Hinblick auf die Rechtssicherheit schwere Bedenken auslöse. 54 Als<br />

weiterer Ablehnungsgr<strong>und</strong> gegen die Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />

wurde auch angeführt, dass es in der Schweiz (damals 55 )–<br />

anders als etwa <strong>im</strong>deutschen Recht mit dem Betriebsverfassungsgesetz –keine<br />

rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für die Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft <strong>im</strong> Unternehmen<br />

gebe. 56 In die gleiche Richtung zielten die Einwände, <strong>im</strong> schweizerischen<br />

Recht seien –<strong>im</strong>Gegensatz zu Deutschland–die Begriffe Belegschaft 57 sowie<br />

Betriebsgemeinschaft 58 unbekannt. 59 Ein anderer Gr<strong>und</strong> prinzipieller Natur gegen<br />

die Annahme eines arbeitsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses wurde<br />

auch darin gesehen, dass eine «Gemeinschaft» nicht auf einem Interessengegensatz<br />

beruhen könne, wie er dem Arbeitsvertrag inhärent sei. Eine Gemeinschaft<br />

Vgl. demgegenüber die Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht aufweisenden, ehebzw.<br />

familienrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen in Art. 169 ZGB (Mitarbeit eines Ehegatten<br />

<strong>im</strong> Beruf oder Gewerbe des anderen) sowie Art. 334 f. ZGB (Angemessene Entschädigung<br />

von Kindern oder Grosskindern <strong>im</strong>gemeinsamen Haushalt für Arbeit oder zugewendeteEinkünfte,<br />

sog. Lidlohn).<br />

Brand/Dürr et al., Vorbemerkungen, N16; Meyer, S. 64; Nef, S.240.<br />

Meyer, S. 54 ff.<br />

D.h. vor dem 1.Mai 1994, anwelchem das Mitwirkungsgesetz in Kraft trat, welches<br />

eine <strong>im</strong> Kern gleiche Stossrichtung wie das deutsche Betriebsverfassungsgesetz aufweist.<br />

Meyer, S. 71 <strong>und</strong> S. 85 ff.; Nef. S.239.<br />

Unter «Belegschaft» kann die Gesamtheit aller ineinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer<br />

verstandenwerden; vgl. Hueck/Nipperdey, Gr<strong>und</strong>riss, S.310 f.<br />

Unter «Betriebsgemeinschaft» kann das rechtlich vorgesehene <strong>und</strong> in Gr<strong>und</strong>zügen<br />

organisierte Kollektiv verstanden werden, das sich aus Arbeitnehmern, leitenden Angestellten<br />

(Management) sowie dem Arbeitgeber (bzw. dessen Organpersonen) zusammensetzt.<br />

Vgl. Meyer, S. 71 f.<br />

Vgl. Meyer, S. 65 ff. <strong>und</strong> S. 71 ff.<br />

15


§2 GRUNDLAGEN<br />

16<br />

setze (zumindest) gleichgerichtete (wenn auch nicht identische) Interessen voraus.<br />

60<br />

2. DieEingliederungstheorie <strong>und</strong> dieVertragstheorie<br />

35 Die Eingliederungstheorie beruht auf dem tatsächlichen Umstand, dass zwischen<br />

dem Abschluss des Arbeitsvertrags <strong>und</strong> dem Antritt der Arbeitsstelle<br />

meist eine gewisse Zeit vergeht. Darauf aufbauend wurde ausgeführt, das vom<br />

Arbeitsvertrag zu unterscheidende Arbeitsverhältnis entstehe nicht schon mit<br />

demAbschluss des Arbeitsvertrags. Das Arbeitsverhältnis beginne erst mit Stellenantritt<br />

bzw. mit Aufnahme des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers.<br />

Denn erst dadurch ordne sich der Arbeitnehmer (tatsächlich) indie (Arbeits-)Organisation<br />

des Arbeitgebers ein. Nach der Eingliederungstheorie sollten<br />

sich für die Zeit zwischen Abschluss des Arbeitsvertrags die Pflichten des<br />

Arbeitnehmers darauf beschränken, die Stelle <strong>im</strong> vereinbarten Zeitpunkt antreten<br />

zu müssen. Dem Arbeitgeber oblag die Pflicht, den Arbeitnehmer bei Stellenantritt<br />

in das personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis (bzw. indas Unternehmen,<br />

den Betrieb oder den Haushalt) aufzunehmen. 61 Insofern erscheint<br />

die Eingliederungstheorie der Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />

vorgelagert. In der Phase zwischen Vertragsschluss <strong>und</strong> Arbeitsaufnahme<br />

wurde ein «Vor-Rechtsverhältnis» angesiedelt. 62<br />

36 Der Eingliederungstheorie stand die sogenannte Vertragstheorie gegenüber,<br />

nach welcher für die Begründung des Arbeitsverhältnisses der rechtsgültige<br />

Vertragsschluss ausreiche, aber gleichzeitig auch notwendige Voraussetzung<br />

bilde. Insofern wurde auch vom Arbeitsvertragsverhältnisgesprochen. 63<br />

37 Die hauptsächliche Kritik an der Eingliederungstheorie in der schweizerischen<br />

Literatur ging dahin, dass die dem schweizerischen Schuldrecht zugr<strong>und</strong>e liegende<br />

Trennung zwischen Verpflichtungs- <strong>und</strong> Verfügungsgeschäft nicht ohne<br />

Not durch ein künstliches, gesetzlich nirgends vorgesehenes Zwischengebilde –<br />

das «Vor-Rechtsverhältnis» zwischen Vertragsschluss <strong>und</strong> effektivem Stellenantritt<br />

–aufgegebenwerden sollte. 64<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

Geiser, Treuepflicht, S. 25 ff.; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N9,<br />

wo ausgeführt wird, dass der Arbeitsvertrag überwiegend als Austauschvertrag konzipiert<br />

sei. Dass auch gewisse gemeinsame Interessen des Arbeitgebers <strong>und</strong> des Arbeitnehmers<br />

das Arbeitsverhältnis kennzeichnen, vermöge daran (<strong>im</strong> Prinzip) nichts zu<br />

ändern.<br />

Vgl. BBl 1967 II, S. 277f.inFn. 46.<br />

Nef, S. 240.<br />

Nikisch, S. 138; vgl. auch Kaskel/Dersch, S.24f.<br />

Nef, S. 241; vgl. auch Geiser, Treuepflicht, S. 95.


§2 GRUNDLAGEN<br />

3. Verlust derRelevanz derTheorien zumArbeitsverhältnis aufgr<strong>und</strong> der<br />

Gesetzesrevisionper 1. Januar 1972<br />

38 Werden die Theorie des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses <strong>und</strong><br />

die (damit verb<strong>und</strong>ene) Eingliederungstheorie daraufhin untersucht, für welche<br />

Fragestellungen sie zur dogmatischen Begründung von Lösungen herangezogen<br />

wurden, lassen sich <strong>im</strong> Wesentlichen drei Problemfelder identifizieren. Zur Lösung<br />

eines dieser Problemfelder wurde auf die Theorie des personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses abgestellt, während zwei andere Problemfelder<br />

mithilfe der Eingliederungstheorie einem befriedigenden Ergebnis zugeführt<br />

werden sollten.<br />

39 Be<strong>im</strong> personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis drehte sich die Diskussion<br />

<strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz um den (weiten) Fragenkomplex, ob –<strong>und</strong> falls ja, in welchem<br />

Ausmass – eine Partei des Arbeitsvertrags auf in unterschiedlichem Grade<br />

schützenswerte Interessen der anderen Partei Rücksicht nehmen muss. Mit «Interessen»<br />

sind dabei generelle Erwartungshaltungen der einen Vertragspartei <strong>im</strong><br />

Hinblick auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen der anderen Partei gemeint. Diese<br />

Interessen betreffen zwar nicht unmittelbar das Austauschverhältnis von Arbeit<br />

gegen <strong>Lohn</strong>, sind <strong>im</strong>Sinne von Nebenpflichten aber geeignet, das über den<br />

Austausch von Arbeit gegen <strong>Lohn</strong> hinausgehende Verhältnis zwischen Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber (positiv odernegativ)zubeeinflussen.<br />

40 Auf die Eingliederungstheorie wurde demgegenüber zum einen bei der Frage<br />

abgestellt, welche Rechte <strong>und</strong> Pflichten zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags<br />

bestehen, wenn sich der Arbeitsvertrag nach Arbeitsaufnahme –also in einer<br />

ex post-Betrachtung – ex tunc als ungültig erweist. Zum anderen wurde die<br />

Eingliederungstheorie herangezogen, umdiejenigen Rechtsprobleme zu lösen,<br />

die entstehen, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsaufnahme nicht planmässig<br />

erfolgen konnte; sei es aus Gründen, welche keiner Vertragspartei oder nur<br />

der einen oder anderen Vertragspartei angelastet <strong>und</strong>/oder der Risikosphäre der<br />

einen oder anderen Vertragspartei zugeordnet werden können.<br />

41 Mit Inkrafttreten des revidierten Arbeitsrechts per 1.Januar 1972 wurden mit<br />

Art. 321a OR für die Sorgfalts- <strong>und</strong> Treuepflicht des Arbeitnehmers <strong>und</strong> mit<br />

Art. 328 ORfür die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers neue bzw. präzisere gesetzliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen geschaffen. Um die Sorgfalts- <strong>und</strong> Treuepflicht des Arbeitnehmers<br />

sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers –spätestens nach Antritt<br />

der Arbeitsstelle –zubegründen, bedurfte es der Theorie des personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses <strong>im</strong> schweizerischen Recht somit nicht<br />

bzw. nichtmehr.<br />

42 Für die Problemfelder, welche mit der Eingliederungstheorie einer Lösung zugeführt<br />

werden sollten, gilt Ähnliches. Per 1.Januar1972 traten einerseits<br />

17


§2 GRUNDLAGEN<br />

18<br />

Art. 320 Abs.3OR sowie Art. 324–324b OR, Art. 337c <strong>und</strong> Art. 337d OR andererseits<br />

in Kraft. Während sich Art. 320 Abs.3OR der Problematik des «faktischen<br />

Vertragsverhältnisses» ann<strong>im</strong>mt, beziehen sich die Art. 324–324b OR,<br />

Art. 337c <strong>und</strong> Art. 337d OR auf die Rechtsfolgen, wenn sich bei der Leistungserbringung<br />

Schwierigkeiten einstellen; sei es, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers<br />

aus Gründen in der Sphäre einer Vertragspartei nicht erbracht werden<br />

kann, oder sei es, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Stellenantritt<br />

ohne wichtigen Gr<strong>und</strong> fristlos entlässt oder der Arbeitnehmer die Arbeitsstelle<br />

ohne wichtigen Gr<strong>und</strong> nicht antritt bzw. ungerechtfertigt verlässt. Nicht zuletzt<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser Best<strong>im</strong>mungen dürfte sich die Diskussion um die Theorie eines<br />

personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses, die Eingliederungstheorie <strong>und</strong><br />

dieVertragstheorie in derschweizerischen Lehreverloren haben. 65<br />

C. Diezeitlichen, sachlichen <strong>und</strong>persönlichen Phasen desArbeitsvertrags <strong>und</strong><br />

desArbeitsverhältnisses<br />

43 Bei der weiteren Untersuchung des Begriffs des Arbeitsverhältnisses kann als<br />

Gliederungskriterium auf die zeitlichen Phasen abgestellt werden, welche die<br />

gesamte Rechtsbeziehung zwischen einem Arbeitgeber <strong>und</strong> einem Arbeitnehmer<br />

inder Regel durchläuft. Einem Zeitabschnitt in einem Arbeitsverhältnis<br />

lassen sich zudem regelmässig verschiedene, sachliche Problemlagen zuordnen,<br />

die inder betreffenden Phase eines Arbeitsverhältnisses Bedeutung erlangen<br />

können.<br />

1. Das Arbeitsverhältnis in derPhaseder Vertragsverhandlungen<br />

44 Der zeitlich erste Abschnitt, der bei einem weiten Verständnis des Begriffs des<br />

Arbeitsverhältnisses davon erfasst wird, besteht inder Phase der Vertragsanbahnung<br />

bzw. der Vertragsverhandlungen. Es geht um das Stadium vor einem<br />

Vertragsschluss. Gekennzeichnet ist dieser Abschnitt dadurch, dass unklar ist,<br />

ob es überhaupt zumAbschluss einesArbeitsvertrags kommen wird.<br />

45 Wie lange die Phase der Vertragsanbahnung dauert, ist von verschiedenen Umständen<br />

abhängig. Jenach Anforderungsprofil für die infrage stehende Position,<br />

der prospektiven Dauer des Arbeitsvertrags sowie den kurz-, mittel- <strong>und</strong> langfristigen<br />

geschäftlichen Plänen des Arbeitgebers einerseits <strong>und</strong> den beruflichen<br />

(<strong>und</strong> privaten) Zielen des Arbeitnehmers andererseits, kann die Phase der Vertragsanbahnung<br />

bzw. Vertragsverhandlungen sehr kurz sein, unter Umständen<br />

aber auch mehrere Monate umfassen. Obschon in dieser Phase noch kein Arbeitsvertrag<br />

entstanden ist, können sich insachlicher Hinsicht nebst den allge-<br />

65<br />

Vgl. Brand/Dürr et al., Vorbemerkungen, N12<strong>und</strong> N14;Nef. S. 241 f.


§2 GRUNDLAGEN<br />

meinen Rechtspflichten <strong>im</strong> Rahmen von Vertragsverhandlungen 66 verschiedene,<br />

spezifisch arbeitsrechtlicheSchwierigkeiten ergeben. Der von beiden Parteien in<br />

Betracht gezogene Arbeitsvertrag zeitigt insofern arbeitsvertragsspezifische<br />

Vorwirkungen. Ohne hierin auf alle möglichen Problemstellungen näher einzugehen,<br />

sei etwa auf die Frage nach der Tragung der Kosten für die Stellenbewerbung<br />

<strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> die Vorstellungsgespräche sowie auf das sogenannte<br />

«Notwehrrechtder Lüge» hingewiesen.<br />

46 Das Gesetz enthält keine Regeln, welche sich spezifisch mit den Kosten der<br />

Bewerbung <strong>und</strong> Vorstellung befassen. 67 Im allgemeinen Schuldrecht gilt der<br />

Gr<strong>und</strong>satz, dass jede Partei die ihr durch Vertragsverhandlungen entstehenden<br />

Kosten selbst zutragen hat. Andere Vereinbarung vorbehalten, ist das «Verhandlungsverhältnis»<br />

kein Vertragsverhältnis. 68 Sofern allerdings absehbar ist,<br />

dass das Bewerbungs- <strong>und</strong> Vorstellungsprozedere für die arbeitsuchende Person<br />

mehr als nominale Kosten 69 mit sich bringt, ist eine Vereinbarung zwischen den<br />

Parteien zu empfehlen. Wird der Bewerbungsprozess nach Einreichen der übli-<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

In seiner allgemeinen Form verlangt der Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben, dass die<br />

Parteien <strong>im</strong> Rahmen der Vertragsverhandlungen dasjenige Verhalten an den Tag legen,<br />

welches von redlichen Parteien erwartet werden kann <strong>und</strong> darf. Daraus werden<br />

ins<strong>besondere</strong> eine Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln, der Schutz der Rechtsgüter des<br />

Verhandlungspartners sowie Aufklärungs- bzw. Informations- <strong>und</strong> Schutzpflichten abgeleitet.<br />

Wie intensiv bzw. wie weitgehend diese Pflichten sind, hängt vom in Betracht<br />

gezogenen Vertragsverhältnis ab. Die Folgen der Verletzung dieser Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />

<strong>im</strong> Stadium der Vertragsverhandlungen werden unter dem Stichwort culpa in<br />

contrahendo behandelt. Vgl. BGE 125 III 86 (E.3c, 89); BGE 120 II 331 (E. 5a, 336);<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. November 2005, 4C.247/2005, E. 3.1; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 3. Januar 2003, 4C.320/2002, E. 3; Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 29. Oktober 2001, 4C.152/2001, E. 3a; aus der arbeitsrechtlichen<br />

Literatur vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 320 N2f.; BSK OR I-Bucher, Art. 1N78 ff.;<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N962a ff.; Geiser, Treuepflicht, S. 89 f.; Koller, §28 N1ff.;<br />

Rudolph, S. 5f.; Streiff/von Kaenel, Art. 320 N14f.; Wyler, S. 84 ff., sowie <strong>im</strong> Ge-<br />

samten: Nicolas Kuonen, La responsabilité précontractuelle,Diss. FR, Zürich 2007.<br />

Zum teilweise divergierenden Meinungsstand in der Literatur zur Tragung der Bewerbungs-<br />

<strong>und</strong> Vorstellungskosten bei fehlender Parteivereinbarung vgl. BE-Komm.-<br />

Rehbinder, Art. 320 N7f.; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N7 (anders als<br />

die Vorauflage); BSK OR I-Portmann, Art. 320 N1f.; Brand/Dürr et al., Art. 320 N1;<br />

Brühwiler, Art. 320 N8c; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 320 N5;Carruzzo,<br />

Art. 320 N2f., Art. 327a N1 sowie Art. 328b N11; Geiser/Müller, N247 f.; Rudolph,<br />

S. 155 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 320 N14f.; Vischer, S. 68; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 320 N41.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N7;Gauch/Schluep/Schmid, N983; Koller,<br />

§27N3f.<br />

D.h. die Kosten für die Erstellung <strong>und</strong> den Versand von Bewerbungsunterlagen sowie<br />

eine kurze Anreise fürein Vorstellungsgespräch.<br />

19


§2 GRUNDLAGEN<br />

20<br />

chen Bewerbungsunterlagen 70 auf Wunsch <strong>und</strong> Initiative des Arbeitgebers oder<br />

wenigstens mit Zust<strong>im</strong>mung des Arbeitgebers fortgesetzt <strong>und</strong> beinhaltet das<br />

weitere Bewerbungsverfahren mehr als ein bis max<strong>im</strong>al zwei halbtägige Vorstellungsgespräche<br />

be<strong>im</strong> Arbeitgeber 71 mit kurzen Anreisen, gebietet der<br />

Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben, dass der potenzielle Arbeitgeber sich ins<strong>besondere</strong><br />

an den Reisespesen <strong>und</strong> etwaigen Übernachtungskosten zumindest zur<br />

Hälfte beteiligt. 72<br />

47 Be<strong>im</strong> «Notwehrrecht der Lüge» geht es um die Beurteilung der Frage, ob <strong>und</strong><br />

inwiefern es einer arbeitsuchenden Person gestattet sein kann (<strong>und</strong> soll), auf unzulässige,<br />

ihre Persönlichkeitsrechte verletzende Fragen des Arbeitgebers in der<br />

Bewerbungsphase eine unvollständige oder gar unwahre Antwort zugeben. Ob<br />

überhaupt <strong>und</strong> inwieweit ein «Notwehrrecht der Lüge» gegeben ist, erscheint<br />

<strong>im</strong> Einzelnen umstritten. Die Mehrheit in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung geht in<br />

generell-abstrakter Weise davon aus, dass der Arbeitnehmer <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Auskunfts- <strong>und</strong> Offenbarungspflicht <strong>im</strong>Bewerbungsprozess diejenigen Fragen<br />

beantworten bzw. diejenigen Angaben aus eigenem Antrieb machen muss, die<br />

unmittelbar <strong>und</strong> aus objektiver Warte einen erheblichen Einfluss auf die fachliche<br />

<strong>und</strong> persönliche Eignung des Arbeitnehmers für die zu besetzende Stelle<br />

haben. Dennoch ist dem Schutz der Privat- <strong>und</strong> Int<strong>im</strong>sphäre von arbeitsuchenden<br />

Personen ein hoher Stellenwert einzuräumen. Bei Fragen, welche den Privat-<br />

<strong>und</strong> Int<strong>im</strong>bereich des Arbeitnehmers betreffen <strong>und</strong> für die zu besetzende<br />

70<br />

71<br />

72<br />

Z.B. Lebenslauf, Ausbildungs- <strong>und</strong> Arbeitszeugnisse sowie etwaige Referenzschreiben.<br />

Möglich ist esnatürlich auch, dass sich ein potenzieller Arbeitnehmer <strong>und</strong> ein potenzieller<br />

Arbeitgeber be<strong>im</strong> Arbeitnehmer zu einem Vorstellungsgespräch treffen oder<br />

sich an einem neutralen, geografisch in der Mitte liegenden Ort treffen, so dass jede<br />

Partei die Hälfte der Anreise aufsichn<strong>im</strong>mt.<br />

Die inder Lehre teilweise diskutierte Annahme eines Auftragsverhältnisses, wenn der<br />

Arbeitgeber den Arbeitnehmer zueinem Vorstellungsgespräch inseine Räumlichkeiten<br />

einlädt <strong>und</strong> infolgedessen nach Art. 402 Abs. 1ORdie Auslagen des Arbeitnehmers<br />

ersetzen muss, vermag nicht vollends zu überzeugen; vgl. Meier-Schatz, S. 15;<br />

Rehbinder, N63; Rudolph, S. 155 ff., sowie den in der Sache korrekten Entscheid des<br />

Arbeitsgerichts Zürich vom 19. September 1988, JAR 1990, S. 228 f. (E. 2, 229).<br />

Zwar könnte argumentiert werden, der Auftrag beschränke sich in seinem inhaltlichen<br />

Umfang auf das Erscheinen zum Vorstellungsgespräch, was auch die Pflicht des beauftragten,<br />

potenziellen Arbeitnehmers zur Interessenwahrung des potenziellen Arbeitgebers<br />

auf das pünktliche Erscheinen zum Vorstellungsgespräch beschränkt. In einer<br />

Gesamtbetrachtung erscheint diese Konstruktion die Realität indessen nur unvollständig<br />

zu erfassen, weil jede Partei berechtigterweise einen möglichst vorteilhaften<br />

Vertrag aushandeln möchte, was einem Auftragsverhältnis als Interessenwahrungsvertrag<br />

zuwiderläuft. Die überzeugendere, wenn auch weniger griffige Anspruchsgr<strong>und</strong>lage<br />

für eine, mangels anderer Abrede hälftige Kostenbeteiligung durch den Arbeitgeber<br />

liegt <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben.


§2 GRUNDLAGEN<br />

Position nicht unbedingt notwendig <strong>und</strong> deswegen mangels sachlicher Rechtfertigungunzulässig<br />

sind, dürfte ein «Notwehrrechtder Lüge» zu bejahen sein. 73<br />

2. Das Arbeitsverhältnis in derPhasenach Beendigung der<br />

Vertragsverhandlungen <strong>und</strong> voreinem etwaigenStellenantritt<br />

48 Der Natur der Sache folgend endet die Phase der Vertragsanbahnung üblicherweise<br />

mit einem von zwei Ergebnissen; entweder kommt ein Arbeitsvertrag zustande<br />

oder nicht. Als dazwischen liegendes Ergebnis könnte inBetracht kommen,<br />

dass die Parteien einstweilen noch keinen Arbeitsvertrag abschliessen<br />

wollen. Sie vereinbaren aber, zu einem späteren, best<strong>im</strong>mten oder unbest<strong>im</strong>mten<br />

Zeitpunkt <strong>im</strong> Hinblick auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags wieder in<br />

Kontakt zutreten. Selbst wenn dies in der Praxis selten vorkommen dürfte, ist<br />

es ferner auch be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag möglich, dass die Parteien einen Vorvertrag<br />

<strong>im</strong> Sinne von Art. 22 OR abschliessen, indem sie sich verpflichten, zueinem<br />

späteren Zeitpunkt einen Arbeitsvertrag abzuschliessen.<br />

49 Gleich wie bei Verhandlungen <strong>im</strong>Hinblick auf den Abschluss eines anderen<br />

Vertragstyps haben sowohl der potenzielle Arbeitgeber als auch der potenzielle<br />

Arbeitnehmerdas Recht, dieVertragsverhandlungen zubeenden.Als Teilaspekt<br />

der Vertragsfreiheit besagt die Abschlussfreiheit, dass es jeder Verhandlungspartei<br />

frei steht, den verhandelten Vertrag nicht abzuschliessen. 74 Führen die<br />

Vertragsverhandlungen zum Ergebnis, dass kein Arbeitsvertrag abgeschlossen<br />

werden soll, können sich unter anderem Fragen der Gehe<strong>im</strong>haltung, der Abwerbung<br />

von Mitarbeitern des potenziellen Arbeitgebers durch den potenziellen<br />

Arbeitnehmer<strong>und</strong> desDatenschutzes zugunsten desArbeitnehmers stellen.<br />

50 Gehe<strong>im</strong>haltungsinteressen des Arbeitgebers können dann tangiert werden, wenn<br />

der potenzielle Arbeitgeber den potenziellen Arbeitnehmer <strong>im</strong> Rahmen des Bewerbungsprozesses<br />

schon Informationen zugänglich machte, die der Arbeitgeber<br />

als Geschäfts- oder Fabrikationsgehe<strong>im</strong>nisse betrachtet. Der die Offenlegung<br />

von Geschäfts- oder Fabrikationsgehe<strong>im</strong>nissen antizipierende Arbeitgeber<br />

kann daher ein legit<strong>im</strong>es Interesse daran haben, das «Vertragsverhandlungs-<br />

73<br />

74<br />

Vgl. Art. 328 <strong>und</strong> Art 328b OR; BGE132 II 161 (E. 4.2, 166 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 30. Juni 2008, 2C.103/2008, E. 6.2 <strong>und</strong> 6.3; BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 320 N9 <strong>und</strong> N36; Brühwiler, Art. 320 N8b; Carruzzo, Art. 320 N3 sowie<br />

Art. 328b N3ff.; Geiser/Müller, N230 ff.; Pellegrini, S.102 ff. ins<strong>besondere</strong><br />

S. 123 ff.; Rudolph, S. 118 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 328b N12<strong>und</strong> N19; Vischer,<br />

S. 69 f.; Weber-Scherrer, S. 65 ff. <strong>und</strong> S. 79 f.; Wyler, S.315 f.; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 320 N39.<br />

Statt mehrerer: Koller, §27N3.<br />

21


§2 GRUNDLAGEN<br />

22<br />

Verhältnis» mittels eines Verhandlungsvertrags 75 oder einer Vertraulichkeitsvereinbarung<br />

näherzuregeln.<br />

51 Wird keine vertragliche Regelung getroffen, fällt eine vorgreifende Anwendung<br />

von Art. 321a Abs. 4ORausser Betracht. Die Pflicht zur Gehe<strong>im</strong>haltung des<br />

Arbeitnehmers nach Art. 321a Abs.4OR setzt voraus, dass der Arbeitnehmer<br />

von den Fabrikations- oder Geschäftsgehe<strong>im</strong>nissen des Arbeitgebers «<strong>im</strong> Dienst<br />

des Arbeitgebers» erfahren hat. In der Verhandlungsphase steht der potenzielle<br />

Arbeitnehmer nicht <strong>im</strong>Dienst des potenziellen Arbeitgebers. Eine Vorwirkung<br />

der arbeitsvertraglichen Treue- <strong>und</strong> Gehe<strong>im</strong>haltungspflicht, die über die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

von Treu <strong>und</strong> Glauben <strong>und</strong> der culpa incontrahendo 76 hinausgeht, wird zu<br />

Recht abgelehnt, denn Vertragswirkungen setzen rechtslogisch den Abschluss<br />

bzw. dasZustandekommen eines Vertrags voraus. 77<br />

52 Im Falle der Abwerbung von Mitarbeitern des Arbeitgebers, die der potenzielle<br />

Arbeitnehmer <strong>im</strong>Rahmen der Vertragsverhandlungen unter Umständen kennengelernt<br />

hat, stellt sich die Rechtlage ähnlich dar. Liegt keine Vereinbarung<br />

vor, welche das Bewerbungsverfahren näher regelt, kann das aus der Treuepflicht<br />

des Arbeitnehmers fliessende Abwerbeverbot 78 mangels Abschluss des<br />

Arbeitsvertrags nicht direkt herangezogen werden. Ist der potenzielle Arbeitgeber<br />

der Auffassung, der potenzielle Arbeitnehmer verhalte sich während oder<br />

nach Abschluss der ergebnislosen Vertragsverhandlungen unrechtmässig, indem<br />

erversucht, bestehende Arbeitnehmer des potenziellen Arbeitgebers abzuwerben,<br />

ist er auf ausservertragliche Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen verwiesen. Als Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen<br />

für Unterlassungs- <strong>und</strong> etwaige Schadenersatzbegehren des<br />

potenziellen Arbeitgebers gegenüber dem potenziellen Arbeitnehmer können<br />

ins<strong>besondere</strong> die culpa in contrahendo <strong>und</strong> allenfalls Art. 2UWG infrage<br />

kommen.<br />

53 Im Rahmen der Vertragsanbahnung wird der potenzielle Arbeitnehmer regelmässig<br />

seine vollständigen Personendaten sowie allenfalls Daten von Familienmitgliedern<br />

bekannt geben müssen. Zusammen mit den üblichen Bewerbungsunterlagen<br />

79 <strong>und</strong> Dokumenten, welche <strong>im</strong>Bewerbungsprozess zuweilen<br />

auf Veranlassung des Arbeitgebers erstellt werden, können sich diese Informa-<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

Vgl. Merz, N118 m.w.H. in Fn. 2.<br />

Vgl. Fn. 66.<br />

Geiser, Treuepflicht, S. 89 ff.; Wyler,S.107.<br />

Vgl. BGE 117 II72(E. 4a, 74); BGE 104 II 28 (E. 2a, 31); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 27. Juli 2005, 4C.100/2005, E. 3.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

25. März 2003, 4C.2/2003, E. 6.2; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321a N3<strong>und</strong><br />

N9;Brühwiler, Art. 321a N6; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 321a N5;Carruzzo,<br />

Art. 321a N2;Frick, S.34ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 321 N4Ziff. 3sowie<br />

N7,Fallgruppe 3;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 321a N18.<br />

D.h. in der Regel ein Lebenslauf, Ausbildungszeugnisse, Arbeitszeugnisse etc.


§2 GRUNDLAGEN<br />

tionen zueinem Persönlichkeitsprofil verdichten <strong>und</strong>, in Abhängigkeit von der<br />

zu besetzenden Stelle, ebenfalls besonders schützenswerte Daten 80 enthalten.<br />

Auch inder Bewerbungsphase 81 hat der potenzielle Arbeitnehmer gestützt auf<br />

Art. 328b OR,, 82 Art. 4Abs.2 DSG <strong>und</strong> Art. 7Abs.1DSG Anspruch darauf,<br />

dass die Datenbearbeitung durch den potenziellen Arbeitgeber verhältnismässig<br />

ist <strong>und</strong> die Daten gegen unbefugte Einsichtnahme <strong>und</strong> unbefugtes Bearbeiten<br />

geschützt werden.Ebenso darf der potenzielle Arbeitnehmer verlangen, dass die<br />

von ihm vorgelegten Bewerbungsunterlagen –unabhängig davon, ob diese in<br />

physischer oder elektronischer Form vorgelegt wurden – nach gescheiterten<br />

Vertragsverhandlungen entweder herausgegeben oder gemäss Art. 15<br />

Abs.1DSG vernichtet bzw. (unwiderruflich) gelöscht werden. Ein Anspruch<br />

auf Vernichtung, nicht aber auf Herausgabe, besteht für diejenigen Unterlagen,<br />

welche der Arbeitgeber <strong>im</strong> Rahmen des Bewerbungsprozesses unter Umständen<br />

erstellt hat oder hat erstellen lassen. Zulässig ist es, dass der Arbeitgeber eine<br />

Liste derNamen von nichtberücksichtigten Bewerbern führt. 83<br />

54 Kommt es nach Verhandlungen zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, folgt als<br />

zeitlich nächste Phase regelmässig eine mehr oder weniger lange Periode zwischen<br />

dem mündlichen oder schriftlichen Vertragsschluss <strong>und</strong> dem effektiven<br />

Vollzugsbeginn, dem Arbeits- oder Stellenantritt. 84 Wurde ein Arbeitsvertrag<br />

abgeschlossen <strong>und</strong> ein in der Zukunft liegender Stellenantritt vereinbart, ergibt<br />

sich aufgr<strong>und</strong> der damit eingegangenen Verpflichtungen eine erste Intensivierung<br />

der Bindung zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer. Beide Parteien sind<br />

(in der Regel stillschweigend) verpflichtet, <strong>im</strong> Hinblick auf die korrekte Vertragserfüllung<br />

ab Datum des vereinbarten Stellenantritts diejenigen Vorbereitungen<br />

zu treffen, die dafür erforderlich sind. Verlangt die konkrete Situation<br />

spezielle, positive Vorbereitungshandlungen, können sich für beide Parteien<br />

Mitwirkungs- bzw. Koordinationspflichten ergeben. Obwohl der Arbeitsvertrag<br />

noch nicht inVollzug gesetzt worden ist <strong>und</strong> auch noch nicht inVollzug gesetzt<br />

werden soll, können sich somit wegen des Auseinanderfallens von Vertragsschluss<br />

<strong>und</strong> Stellenantritt «Vorwirkungen» ergeben. Diese Vorwirkungen sind<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

84<br />

Zu den Begriffen «Personendaten», «Persönlichkeitsprofil» <strong>und</strong> «besonders schützenswerte<br />

Daten» vgl. Art. 3lit. a, lit. c<strong>und</strong> lit. dDSG.<br />

Rudolph, S. 18 ff. m.w.H.; Streiff/von Kaenel, Art. 328b N4.<br />

Worin in der deutschen Fassung von «Arbeitsverhältnis», inden romanischen Fassungen<br />

indessen vom «Arbeitsvertrag»gesprochen wird.<br />

Vgl. zum Ganzen: BE-Komm-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N9;BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 328b N35; Carruzzo, Art. 328b N2<strong>und</strong> N10; Geiser/Müller, N249; Rehbinder,<br />

N62ff.<br />

In diesem Zusammenhang sei neuerlich auf Art. 337 OR, Art. 337c OR sowie<br />

Art. 337d OR hingewiesen, worin die Folgen einer ungerechtfertigten Entlassung<br />

durch den Arbeitgeber vor Stellenantritt <strong>und</strong> bei ungerechtfertigtem Nichtantritt bzw.<br />

Verlassen der Stelle durch den Arbeitnehmer geregelt werden.<br />

23


§2 GRUNDLAGEN<br />

24<br />

als Neben(leistungs)pflichten 85 zu qualifizieren, welche die eine, die andere<br />

oder beide Parteien zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten können.<br />

86<br />

55 Neben den gebräuchlichen Vorbereitungshandlungen, die der Arbeitnehmer 87<br />

<strong>und</strong> der Arbeitgeber 88 zwischen Vertragsschluss <strong>und</strong> Stellenantritt vornehmen,<br />

kann diese Phase für die Vertragsparteien auch spezielle Pflichten mit sich<br />

bringen. Zuerwähnen sind ins<strong>besondere</strong> diejenigen Fälle, in denen der Stellenantritt<br />

seitens des Arbeitnehmers einen Umzug erforderlich macht, dessen Kosten<br />

der Arbeitgeber gestützt auf eine spezielle vertragliche Vereinbarung ganz<br />

oder teilweise übern<strong>im</strong>mt. Ist der Arbeitnehmer ausländischer Nationalität, verpflichtet<br />

sich der Arbeitgeber regelmässig auch, unter Mitwirkung des Arbeitnehmers<br />

eine allenfalls notwendige Arbeitsbewilligung einzuholen <strong>und</strong> den Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> dessen Familie, allenfalls durch den Beizug eines professionellen<br />

Dritten 89 ,be<strong>im</strong> Umzug zu unterstützen.<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

Zur Unterscheidung vonNebenpflichten <strong>und</strong> Nebenleistungspflichten vgl. Fn. 425.<br />

Im Zusammenhang mit dem Beginn, der Dauer <strong>und</strong> der Intensität der Treuepflicht<br />

wohl teilweise anders: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 321a N30. Nach diesem Autor<br />

kann zwischen Vertragsschluss <strong>und</strong> Stellenantritt nur eine eingeschränkte Treuepflicht<br />

gelten, die keine positiven Handlungs-, sondern nur negative Unterlassungspflichten<br />

begründet. Diese Auffassung wäre als zu eng zu betrachten, wenn damit positive<br />

Handlungspflichten der Parteien vor Stellenantritt per se ausgeschlossen werden sollten.<br />

Demgegenüber ist richtig, dass die arbeitsvertragliche Treuepflicht sich erst <strong>im</strong><br />

Zeitpunkt des Arbeitsantritts voll aktualisiert. Vor Stellenantritt besteht nur eine eingeschränkte<br />

«Treuepflicht», die allerdings nicht arbeitsvertragsspezifisch ist <strong>und</strong> bei jedem<br />

Vertragsverhältnis greift, bei welchem Vertragsschluss (als Verpflichtungsgeschäft)<br />

<strong>und</strong> die Erfüllung (bzw. die ersten effektiven Erfüllungshandlungen) der vertraglich<br />

übernommenen Hauptpflichten (als Verfügungsgeschäfte) zeitlich auseinanderfallen.<br />

Nach Geiser, S. 96, leitet sich die Treuepflicht aus der Arbeitspflicht ab. Daraus folgt,<br />

dass die Treue des Arbeitnehmers erst dann gefordert werden kann, wenn auch die Arbeitspflicht<br />

besteht. Letzteres ist meist erst mit Stellenantritt bzw. mit Eingliederung in<br />

den Betrieb des Arbeitgebers der Fall. Auch Geiser (a.a.O., S. 96) ist indes der Auffassung,<br />

dass sich zwischen Vertragsschluss <strong>und</strong> Stellenantritt Vorbereitungen oder best<strong>im</strong>mte,<br />

spezielle Verhaltensweisen des Arbeitnehmers aufgr<strong>und</strong> der Eigenart der<br />

Stelle erforderlich sein können.<br />

Z.B. der Kauf eines Abonnements für die öffentlichen Verkehrsmittel für den Arbeitsweg<br />

oder die Anschaffung von angemessener Garderobe für die neue Stelle.<br />

Z.B. die Vorbereitung des Arbeitsplatzes sowie die Bereitstellung von spezieller Berufskleidung.<br />

Diese Dienstleistungen, die meist spezifisch für grenzüberschreitende Umzüge angeboten<br />

<strong>und</strong> in Anspruch genommen werden, werden auch als sog. «relocation services»<br />

bezeichnet.


§2 GRUNDLAGEN<br />

56 Obwohl es sich bei diesen Vereinbarungen nicht direkt umarbeitsvertragliche<br />

Rechte <strong>und</strong> Pflichten handelt, sind diese unauflösbar mit dem vorausgegangenen<br />

Abschluss des Arbeitsvertrags verb<strong>und</strong>en. Der Abschluss des Arbeitsvertrags<br />

erweist sich für beide Parteien als conditio sine qua non für solche Vereinbarungen,<br />

die auch direkt <strong>im</strong>Arbeitsvertrag geregelt sein können. Unabhängig<br />

davon, ob dies der Fall ist, rechtfertigt essich wegen des unauflösbaren<br />

Sachzusammenhangs, solche Vereinbarungen als akzessorische Nebenabreden<br />

zum Arbeitsvertrag zubetrachten. Sie werden damit zuintegralen Bestandteilen<br />

des Arbeitsverhältnisses, selbst wenn die Erfüllung des eigentlichen Arbeitsvertrags<br />

damit nur vorbereitet bzw. praktisch <strong>und</strong>/oder rechtlich erst ermöglicht<br />

wird.<br />

3. Das Arbeitsverhältnis in derErfüllungsphase<br />

57 Mit Antritt der Arbeitsstelle wird der Arbeitsvertrag in Vollzug gesetzt. Die<br />

Hauptpflichten beider Vertragsparteien aktualisieren sich. Es beginnt die eigentliche<br />

Vertragsdauer, welche befristet oder unbefristet sein kann. 90 Für die Regelung<br />

der Rechtsbeziehung inder Erfüllungsphase gilt, eingeschränkt durch das<br />

zwingende Gesetzesrecht, der Arbeitsvertrag. Enthält der Arbeitsvertrag für best<strong>im</strong>mte<br />

Fragen keine Regelung, kommen die dispositiven Gesetzesbest<strong>im</strong>mungen<br />

zur Anwendung.<br />

58 Bei unbefristeten Arbeitsverträgen kommt es häufig vor, dass sich deren Inhalt<br />

<strong>im</strong> Laufe der Zeit ändert, ohne dass eine (Änderungs-)Kündigung ausgesprochen<br />

wird. Die Änderungen oder Modifikationen eines Arbeitsvertrags können<br />

sich dabei auf die Gesamtvergütung des Arbeitnehmers, d.h. den <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong>/oder<br />

Sondervergütungen, die Funktion oder die Tätigkeit des Arbeitnehmers, die Arbeitszeit,<br />

den Arbeitsort sowie weitere, das Arbeitsverhältnis <strong>im</strong> konkreten Einzelfall<br />

mitbest<strong>im</strong>mende Faktoren beziehen. 91 Sind die Vertragsänderungen nach<br />

den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts mängelfrei zustande gekommen,<br />

sind sie gr<strong>und</strong>sätzlich sofort wirksam bzw. erlangen ihre rechtliche Wirksamkeit<br />

<strong>im</strong> vereinbarten Zeitpunkt. Während sich Vertragsänderungen, welche<br />

sich ausschliesslich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken, in der Regel stillschweigend<br />

vom Arbeitnehmer akzeptiert werden, stellt die Rechtsprechung an<br />

ein stillschweigendes Akzept des Arbeitnehmers von schlechteren Vertragsbedingungen<br />

zu Recht hohe Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu leistenden<br />

Nachweis, dass eine stillschweigende Vertragsänderung zulasten des Arbeitnehmers<br />

erfolgt ist. 92 Denn eine Verschlechterung von einer oder mehreren<br />

90<br />

91<br />

92<br />

Siehe Art. 334 <strong>und</strong> 335 OR.<br />

Zu den Arten <strong>und</strong> Bezugsobjekten der Vertragsmodifikation vgl. Dogan Yenisey,<br />

S. 58 ff. sowie S. 112 ff.<br />

Für den Schutz des (Fix- oder Basis-)<strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong> Rahmen von Art. 341 OR geht die<br />

Tendenz in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung dahin, eine <strong>Lohn</strong>reduktion für schon geleistete<br />

25


§2 GRUNDLAGEN<br />

26<br />

Arbeit durch Parteivereinbarung –oder <strong>im</strong> Ergebnis auf das Gleiche hinauslaufend –<br />

durch einen nachträglichen <strong>Lohn</strong>verzicht für schon geleistete Arbeit für unzulässig zu<br />

erklären; vgl. BGE 124 III 469 (E.3a, 472 f.); Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

3. Februar 2009, 4A_509/2008 <strong>und</strong> 4A_511/2008, E. 5; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 9. November<br />

2005, 4C. 242/2005, E. 3/4.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.2/5.2.1 (Auslassungen<br />

<strong>und</strong> Einschübe in eckigen Klammern nur hier): «5.2 La question litigieuse<br />

se l<strong>im</strong>ite ainsi àdéterminer si le droit suisse permet desoumettre lanaissance du droit<br />

au paiement d’un élément dusalaire àlacondition que l’employé soit toujours présent<br />

dans l’entreprise et qu’il n’ait nireçu nidonné son congé.<br />

5.2.1 Le salaire régi par l’art 322 al. 1COest une prestation enargent versée en<br />

contre-partie du travail fourni (ATF 131 III 615 consid. 5.1). Ils’agit d’un élément essentiel<br />

du contrat de travail […]. La fonction même dusalaire exclut donc la possibilité<br />

pour l’employeur de soumettre la rémunération d’une prestation de travails déjà<br />

accomplie àlacondition que le salarié soit encore dans l’entreprise (cf. ATF 109 II<br />

447 consid.5cp.448) ou qu’il n’aitpas donné ni reçu son congé. […]<br />

Le fait que l’art. 322 CO soit de droit dispositif n’y change rien. Certes, le Tribunal<br />

fédéral considère que l’art. 322 CO ne tombe pas sous le coup de l’art. 341 (ATF 124<br />

II 436 consid. 10e/aa p. 451 et les références citées, confirmé récemment in arrêt du<br />

Tribunal fédéral 4C.242/2005 du9novembre 2005 consid. 4.2 ;critique: Aubert, op.<br />

cit., N4ad art. 341 CO [CR CO-Aubert, Art. 341 N4]), de sorte que les parties peuvent,<br />

par un accord, décider de d<strong>im</strong>inuer le salaire en cours de contrat, avant<br />

l’échéance du délai légal de congé (arrêts du Tribunal fédéral 4C.242/2005 du 9novembre<br />

2005, consid. 4.2, et 4C.474/1996 du 18 février 1997 consid. 1infine). Ces<br />

accords ne valent toutefois que pour le futur etnepeuvent pas se rapporter àdes prestations<br />

detravail déjà accomplies. Par conséquent, la défenderesse ne saurait tirer du<br />

caractère dispositif del’art. 322 COledroit pour l’employeur desoumettre le versement<br />

du salaire afférent àun travail déjà fourni àl’exigence que l’employée soit encore<br />

dans l’entreprise ou qu’elle n’aitnireçu ni donné son congé.»<br />

In sorgfältiger Analyse kommt Wyler, S.259 ff., für den Basislohn zum Schluss, dass<br />

die Zahlung des Basislohns für schon geleistete Arbeit gr<strong>und</strong>sätzlich zwingend ist, obschon<br />

Art. 361 OR<strong>und</strong> Art. 362 OR dies nicht explizit vorsehen <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esgericht<br />

Art. 322 ORals nicht zwingende Best<strong>im</strong>mung bezeichnet. Der <strong>Lohn</strong>anspruch des<br />

Arbeitnehmers für schon geleistete Arbeit fällt daher auch in den Schutzbereich von<br />

Art. 341 OR. Gr<strong>und</strong>lage dieser Schlussfolgerung ist der Umstand, dass ein Arbeitsvertrag<br />

<strong>im</strong>mer entgeltlich sein muss, woraus sich der zwingende Charakter des <strong>Lohn</strong>anspruchs<br />

für schon geleistete Arbeit ergibt (Einschub <strong>und</strong> Auslassung in eckigen<br />

Klammern nur hier, a.a.O., S.265): «Admettre sans restriction que le travailleur puisse<br />

renoncer à son salaire de base pour l’activité déjà exercée permettrait à<br />

l’employeur d’obtenir une quittance pour la totalité dusalaire de base dû au travailleur<br />

pour une période donnée. Cela n’est pas possible, car uncontrat detravail ne<br />

peut seconcevoir sans salaire (en nature ou en espèces). Le caractère essentiel du salaire<br />

[de base] lui confère son caractère <strong>im</strong>pératif. En d'autres termes, on pourrait, a<br />

posteriori, priver totalement le travailleur de son salaire. Ceprincipe admis, il n'existe<br />

aucune justification objective pour faire une distinction entre un accord sur la réduction<br />

(partielle) et un accord portant sur lasuppression (totale) du salaire pour


§2 GRUNDLAGEN<br />

Klauseln eines Arbeitsvertrags zulasten des Arbeitnehmers sind regelmässig geeignet,<br />

den Arbeitnehmer unter Druck zusetzen. Der Arbeitnehmer muss bei<br />

Ablehnen der Änderungsofferte befürchten, der Arbeitgeber werde zueiner Änderungskündigung<br />

oder gar zu einer Kündigung ohne Änderungsofferte greifen.<br />

93<br />

59 Wird ein Arbeitsvertrag modifiziert, kann sich die Frage stellen, obsolche Vertragsmodifikationen<br />

einen Einfluss auf den Bestand <strong>und</strong> die Gesamtdauer des<br />

Arbeitsverhältnisses haben. Von rechtlicher Bedeutung ist dies ins<strong>besondere</strong><br />

deshalb, weil verschiedene gesetzliche Regelungen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />

abstellen. 94 Unabhängig davon, zu wessen Gunsten <strong>und</strong> inwelchem<br />

Ausmass sich gültige Modifikationen 95 eines Arbeitsvertrags auswirken,<br />

vermögen sie am (einheitlichen) Bestand <strong>und</strong> der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses<br />

in derRegel nichts zu ändern. 96<br />

60 Inhaltliche Vertragsmodifikationen können den Charakter eines Arbeitsverhältnisses<br />

unter Umständen zwar erheblich <strong>und</strong> nachhaltig verändern. Werden zum<br />

Beispiel <strong>im</strong> Laufe der Zeit wegen sich verändernder Umstände, die in der Sphäre<br />

beider Parteien liegen können, mehrere Vertragsmodifikationen vorgenommen,<br />

ist es möglich, dass der Inhalt des aktuellen Arbeitsvertrags mit dem oder<br />

denvorangegangenen Arbeitsverträgen nurnochwenig gemein hat. Dennoch ist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis dasselbe bleibt.<br />

Unter Berücksichtigung eines etwaigen, jeweils für die andere Partei erkennbaren<br />

Parteiwillens wird zur Beantwortung der Frage, ob ein einheitliches Arbeitsverhältnis<br />

vorliegt, auf die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb 97<br />

93<br />

94<br />

95<br />

96<br />

97<br />

l'activité passée. […] Ledroit àlarémunération dusalaire de base pour l’activité déjà<br />

effectuée revêt un caractère <strong>im</strong>pératif protégé part l’art. 341 CO.» Vgl. auch BSK<br />

OR I-Portmann, Art. 341 N4; Carruzzo, Art. 341 Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 341 N1;anders: Streiff/von Kaenel, Art. 341 N5lit. a.<br />

Vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 9. November 2005, 4C.242/2005; Port-<br />

mann/Stöckli, N226.<br />

Bedeutung erlangen kann diese Frage bei allen Best<strong>im</strong>mungen, welche auf die Dienstjahre,<br />

die Seniorität oder Betriebszugehörigkeit abstellen: Für die <strong>Lohn</strong>fortzahlung bei<br />

unverschuldeter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers vgl. Art. 324a OR, für die<br />

Kündigungsfristen bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen vgl. Art. 335c OR, für die<br />

Sperrfristen aufgr<strong>und</strong> der Kündigung zur Unzeit vgl. Art. 336c f.OR, für die <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

bei Versterben des Arbeitnehmers vgl. Art. 338 Abs. 2OR, für die Abgangsent-<br />

schädigung vgl. Art. 339b ff. OR.<br />

Vertragsmodifikationen können auch inZusammenhang mit Änderungskündigungen<br />

stehen; zum Begriff <strong>und</strong> den Formen der Änderungskündigung vgl. Carruzzo, Art. 320<br />

N15; Geiser, Änderungskündigung, Rz. 2.1 ff.; Joerin, S.31ff.; Wyler, S.441 <strong>und</strong><br />

S. 537 ff.<br />

Vgl. Balsiger, S.74.<br />

Der Begriff «Betrieb» beschreibt nach ZH-Komm.-Staehelin, Art. 333 N5,eine auf<br />

Dauer gerichtete, in sich geschlossene organisatorische Einheit, die wirtschaftlich<br />

27


§2 GRUNDLAGEN<br />

28<br />

des Arbeitgebers abgestellt. 98 Mangels <strong>besondere</strong>r Umstände, 99 gilt dies auch<br />

dann, wenn die einzelnen Verträge rechtlich unter verschiedene Arbeitsvertragstypen<br />

zusubsumieren sind. 100<br />

61 Im Rahmen eines sich <strong>im</strong>Vollzug befindlichen Arbeitsvertrags können Konstellationen<br />

auftreten, indenen davon gesprochen wird, dass ein bestehender Arbeitsvertrag<br />

durch einen neuen Arbeitsvertrag «ersetzt» werde. Möglich ist dies<br />

98<br />

99<br />

100<br />

selbstständig agiert; vgl. auch BGE 129 III 335 (E. 2.1, 336 f.). Diese Begriffsumschreibung<br />

unterscheidet sich von derjenigen in Art. 1Abs. 2ArG; vgl. auch Art. 4ff.<br />

ArGV 1.<br />

In diesem Sinne schon BGE 47 II 295 (E. 3,299 f.); vgl. ferner BGE 129 III 124<br />

(E. 3.2, 126 f.); BGE 112 II51(E. 3, 53 ff.); BGE110 II 268 (E. 2,270 f.); BSK OR I-<br />

Portmann, Art. 324a N15; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 335c N1; ZH-<br />

Komm-Staehelin, Art. 324a N38, Art.335c N5sowie Art. 339b N5.<br />

Vgl. den Entscheid der Chambre d’appel du canton de Genève vom 11. März 1971,<br />

Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 159, S. 90. Der Arbeitnehmer war Direktor, Verwaltungsrat<br />

<strong>und</strong> Alleinaktionär einer Aktiengesellschaft. Per 30. November 1969 verkaufte<br />

der Arbeitnehmer die Aktien der Gesellschaft <strong>und</strong> kündigte auf den gleichen Zeitpunkt<br />

seinen Arbeitsvertrag. Per 1. Januar 1970 wurde der Arbeitnehmer von derselben<br />

Gesellschaft wieder angestellt. Nach seiner Entlassung stellte sich der Arbeitnehmer<br />

auf den Standpunkt, die Dauer des Arbeitsvertrags vor Verkauf der Gesellschaft<br />

sei ihm anzurechnen. Die Annahme eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses rechtfertigte<br />

sich trotz formell gleichen Vertragsparteien nicht, weil der Arbeitnehmer bis zum<br />

Verkauf der Gesellschaft als Alleinaktionär der Gesellschaft wirtschaftlich sein eige-<br />

ner Arbeitgeber war.<br />

Z.B. absolviert eine Person bei demselben Arbeitgeber eine Lehre (Art. 344 ff. OR),<br />

ist danach als Handelsreisender mit Vollpensum <strong>im</strong>Aussendienst (Art. 347 ff. OR) tätig,<br />

arbeitet in der Folge während einer best<strong>im</strong>mten Zeit (z.B. aus familiären Gründen)<br />

mit einem Teilzeitpensum als He<strong>im</strong>arbeitnehmer (Art. 351 ff. OR) <strong>und</strong> wird schliesslich<br />

zum Geschäftsführer befördert. Teilweise anders: Streiff/von Kaenel, Art. 334<br />

N6;BSK OR I-Portmann, Art. 324a N15, wonach vermutungsweise von einem neuen<br />

Arbeitsverhältnis auszugehen sei, wenn der Arbeitnehmer eine neue <strong>und</strong> völlig andere<br />

Funktion übern<strong>im</strong>mt (z.B. wenn ein Handelsreisender in den Innendienst wechselt);<br />

vgl. dazu auch den Entscheid der Chambre d’appel du canton de Genève vom<br />

1. Oktober 1964, Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 160, S. 91. Diese Ansicht vermag<br />

nicht zu überzeugen. Zum einen, dasich ander Betriebs- oder Konzernzugehörigkeit<br />

bei Übernahme einer neuen Funktion für denselben Arbeitgeber (oder einen Rechtsnachfolger<br />

bzw. eine andere Gruppengesellschaft) in der Regel nichts ändert. Zum anderen,<br />

weil nicht ersichtlich ist, weshalb für die Beurteilung der Frage, ob <strong>und</strong> wie<br />

lange ein Arbeitsverhältnis andauert(e), eine veränderte Funktion eines Arbeitnehmers<br />

für denselben Arbeitgeber (oder einen Rechtsnachfolger bzw. eine andere Gruppengesellschaft)<br />

die Annahme von separaten Arbeitsverhältnissen rechtfertigen sollte.<br />

Zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer Lehre oder einem Praktikum<br />

vgl. ferner: Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes deGenève vom 9. April<br />

1997, JAR 1998, S. 149 f. (E. 2c, S. 149 f.); Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom<br />

13. Juni 1980, JAR 1981, S.263 ff. (E. 2,263 f.).


101<br />

102<br />

103<br />

§2 GRUNDLAGEN<br />

z.B. dann, wenn ein Arbeitnehmer befördert wird. Unter solchen Umständen<br />

liegt inder Regel eine blosse Vertragsänderung vor. Vor allem in grösseren Unternehmen<br />

kann ein «Ersetzen» eines Arbeitsvertrags aber auch damit in Zusammenhang<br />

stehen, dass ein Arbeitnehmer ineine andere Abteilung oder eine<br />

andere Gruppen- oder Konzerngesellschaft (vorübergehend) abgeordnet oder<br />

versetzt 101 wird. Wird ein bestehender Arbeitsvertrag in diesem Sinne durch einen<br />

neuen (bzw. anderen) Arbeitsvertrag «ersetzt», ist diese Formulierung für<br />

sich genommen rechtlich unklar. Aufgr<strong>und</strong> der konkreten Umstände des Einzelfalls<br />

ist zu ermitteln, wie das Ersetzen eines Arbeitsvertrags durch einen neuen<br />

Arbeitsvertrag rechtlich zu fassen ist. Es könnte etwa eine einvernehmliche<br />

Auflösung des Arbeitsvertrags 102 mit gleichzeitigem Abschluss eines «neuen»<br />

Arbeitsvertrags gemeint sein. Eine solche Konstellation hat auf das (ununterbrochene)<br />

Bestehen des Arbeitsverhältnisses in der Regel keinen Einfluss,<br />

selbst wenn der Abschluss des «neuen» Arbeitsvertrags auch inZusammenhang<br />

mit einer Änderungskündigung stehen könnte. Möglich ist es allerdings auch,<br />

dass be<strong>im</strong> «Ersetzen» eines Arbeitsvertrags, nebst oder inKombination mit inhaltlichen<br />

Modifikationen, ein neuer Arbeitgeber auftritt. Es ist dann zu prüfen,<br />

ob eine Vertragsübernahme vorliegen könnte, die sich dadurch auszeichnet,<br />

dass eine neue (Dritt-)Partei an die Stelle einer bisherigen (Vertrags-)Partei tritt<br />

<strong>und</strong> deren Rechtsposition mit allen Rechten <strong>und</strong> Pflichten abeinem best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitpunkt übern<strong>im</strong>mt. 103 Selbst wenn ein neuer, schriftlicher Arbeitsvertrag mit<br />

Zu den Begriffen der Abordnung <strong>und</strong> der Versetzung, ins<strong>besondere</strong> in Konzernverhältnissen,<br />

vgl. Heiz, S. 134 ff.<br />

Es läge ein Aufhebungsvertrag in analoger Anwendung von Art. 115 OR vor. Von<br />

einer analogen Anwendung von Art. 115 OR ist deshalb zusprechen, weil sich diese<br />

Best<strong>im</strong>mung ihrem Wortlaut nach nur auf einzelne Forderungen, nicht aber auf ein<br />

ganzes Vertragsverhältnis bezieht; vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 335 N37; Gauch/<br />

Schluep/Emmenegger, N3111 ff. sowie N3133. Die Zulässigkeit eines Aufhebungsvertrags<br />

ansich erscheint unbestritten, während die Frage, ob ein solcher <strong>im</strong> konkreten<br />

Einzelfall gültig ist, kontrovers ist, da damit zwingendes Gesetzesrecht umgangen<br />

werden könnte, vgl. dazu ins<strong>besondere</strong>: BGE 119 II 449 (E. 2a, 450); BGE 118 II 58<br />

(E. 2b, 61); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Februar 2009, 4A_474/2008,<br />

E. 3.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 12. Januar 2009, 4A_495/2008, E. 4.3.1;<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Juni 2005, 4C.37/2005, E. 2; BSK OR I-<br />

Portmann, Art. 335 N29ff.; Carruzzo, Art. 335c N3;Streiff/von Kaenel, Art. 335<br />

N10<strong>und</strong> Art. 341 N5;Wyler,S.455 ff.<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N3547 ff.; Schwenzer, N92.01 ff.; von einer «Vertragsübertragung»<br />

wird gesprochen, vgl. Koller, §83N23 f., wenn auf beiden Seiten<br />

eine andere Partei indas vorbestehende Rechtsverhältnis eintritt. Bei einem Arbeitsvertrag<br />

mit Vollpensum dürfte dies seitens des Arbeitnehmers aufgr<strong>und</strong> von dessen<br />

persönlicher Arbeitspflicht bei einer Vollzeitbeschäftigung praktisch nicht vorkommen;<br />

zum sogenannten Job Sharing, vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319<br />

N30ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, S. 410 f., N7;Geiser, neue Arbeitsformen,<br />

Rz. 2.1 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 321 N4;Wyler,S.65<strong>und</strong> S. 105 f.<br />

29


§2 GRUNDLAGEN<br />

30<br />

Übernahme des Vertrags durch einen anderen, formellen Arbeitgeber 104 unterzeichnet<br />

wird <strong>und</strong> der neue Arbeitsvertrag festhält, der vorangehende Arbeitsvertrag<br />

werde dadurch vollständig ersetzt, führt dies gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu einer<br />

Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, was ins<strong>besondere</strong> in Konzernverhältnissen<br />

von Bedeutung sein kann. 105 Unter Berücksichtigung des anwendbaren<br />

Rechts in internationalen Verhältnissen 106 ist auch bei Transfers in Konzernverhältnissen<br />

regelmässig von einem weiter bestehenden <strong>und</strong> damit einheitlichen<br />

Arbeitsverhältnis auszugehen. Ein anderer (formeller) Arbeitgeber desselben<br />

Konzerns unter Weiterführung der als Einheit zu betrachtenden globalen<br />

Rechtsbeziehung soll <strong>und</strong> darf richtigerweise nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer<br />

Nachteile widerfahren, wenn wegen einer Konzernbeziehung ein<br />

koordiniertes Vorgehen vorliegt. 107<br />

62 Analog zuden Vertragsmodifikationen sind auch die gesetzlich vorgezeichneten<br />

Absenzen oder Perioden, in denen vom Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung<br />

zu erbringen ist oder erbracht werden kann, für den Bestand des Arbeitsverhältnisses<br />

ohne Belang. Der Bezug von Freizeit 108 oder Ferien, die Fälle der unverschuldeten<br />

Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers <strong>im</strong> Sinne von Art. 324a OR,<br />

Urlaub für Jugendarbeit sowie der Mutterschaftsurlaub unterbrechen das Arbeitsverhältnis<br />

nicht. Unabhängig davon, ob <strong>und</strong> wie lange der <strong>Lohn</strong>anspruch<br />

besteht, dauert das Arbeitsverhältnis ungeachtet dieser Absenzen fort. Sofern<br />

dies <strong>im</strong> konkreten Arbeitsverhältnis relevant werden kann, sind daher Freizeit,<br />

Ferien <strong>und</strong> die Fälle der unverschuldeten Arbeitsverhinderung mit <strong>Lohn</strong>fortzahlung<br />

in die Berechnung der Dienstjahre eines Arbeitnehmers einzubeziehen.<br />

Mangels anderer vertraglicher Vereinbarung hat dies auch für eine unverschul-<br />

104<br />

105<br />

106<br />

107<br />

108<br />

Der Begriff «Parteiwechsel» <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer Vertragsübernahme ist vom<br />

Institut des Parteiwechsels <strong>im</strong> Zivilprozess, vgl. Art. 83 ZPO, zu unterscheiden, selbst<br />

wenn sich ein Parteiwechsel <strong>im</strong>Prozess jeweils auf eine Veränderung der materiellen<br />

Rechtslage bezüglich des <strong>im</strong>Streit liegenden Rechtsverhältnisses bezieht. Vgl. auch<br />

unten Rz. 77ff.<br />

Druey/Vogel, S.250, <strong>und</strong> Heiz, S. 162 ff., sprechen davon, ob eine konsolidierte Betrachtungsweise<br />

zu erfolgen habe.<br />

Vgl. Art. 121 IPRG.<br />

BGE 112 II 51 (E. 3, 53ff.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6. April 1994,<br />

JAR 1995, S. 128 ff. (E. 2,129 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 19. November<br />

1987, SJ 110 (1988), S.562 ff. (E. 2;563 f.); Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 162,<br />

S. 92 <strong>und</strong> Nr. 343, S. 342; vgl. ferner: von Büren, Konzern, S.404 ff.; Druey/Vogel,<br />

S. 250 ff.; Geiser/Uhlig,S.781 ff.; Heiz, S.162 ff.<br />

Für eine <strong>besondere</strong> Situation unter Berücksichtigung eines Konzernverhältnisses, in<br />

welcher einespezielle, wenn auch knappe <strong>und</strong> nur indirekte Vereinbarung zur Behandlung<br />

der Konzernverb<strong>und</strong>enheit des alten <strong>und</strong> neuen Arbeitgebers vorlag, vgl. den<br />

Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes deGenève vom 3. November 1997,<br />

JAR 1998, S. 174 ff. (E. 3b, S. 175 f.).<br />

Zur Entschädigung von (ordentlicher <strong>und</strong> ausserordentlicher)Freizeit vgl.Fn. 423.


§2 GRUNDLAGEN<br />

dete Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers nach Ablauf der <strong>Lohn</strong>fortzahlungspflicht,<br />

für den Urlaub für Jugendarbeit sowie für den Mutterschaftsurlaub<br />

zu gelten. 109<br />

63 Obwohl der sogenannte unbezahlte Urlaub 110 keine explizite gesetzliche Regelung<br />

erfahren hat, 111 lässt auch unbezahlter Urlaub den Bestand des Arbeitsverhältnisses<br />

unberührt. Vorauszusetzen ist indessen, dass die Parteien <strong>im</strong> Zeitpunkt<br />

der Vereinbarung oder bei Antritt des unbezahlten Urlaubs sich (ausdrücklich<br />

oder stillschweigend) darauf verständigen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

für den Arbeitgeber nach dem unbezahlten Urlaub inder einen<br />

oder anderen Form fortgesetzt werden soll. Ist dies der Fall, spielt es rechtlich<br />

auch keine Rolle, zu welchem Zweck der unbezahlte Urlaub bezogen wird <strong>und</strong><br />

ob dieser Zweck in einem sachlichen Zusammenhang mit der gegenwärtigen<br />

oderkünftigen Tätigkeit desArbeitnehmers fürden Arbeitgeber steht. 112<br />

64 Ebenfalls vom Begriff des Arbeitsverhältnisses erfasst werden schliesslich weitere<br />

Zeitperioden, in welchen der Austausch der Hauptleistungen aus irgendeinem<br />

anderen Gr<strong>und</strong> ganz oder teilweise unterbleibt, ohne dass die Parteien ihre<br />

Zusammenarbeit definitiv beenden wollen <strong>und</strong> auch tatsächlich definitiv beenden.<br />

Nebst dem unbezahlten Urlaub kann hier etwa auf die Kurzarbeit 113 hinge-<br />

109<br />

110<br />

111<br />

112<br />

113<br />

Vgl. econtrario: BGE 112 II51(E. 3, 53 ff.); Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 8.November 1990, JAR 1993, S. 233 ff. (E. 2,253 ff.); Entscheid des<br />

Obergerichts Basel-Land vom 16. August 1988, JAR 1990, S. 318 ff. (E. 2,319 f.);<br />

Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes deGenève vom 25. Juni 1980,<br />

JAR 1982, S. 210 ff.; vgl. ferner: Balsiger, S. 66 ff.; Egli, indemnité, S. 67, Fn. 1.<br />

Definiert werden kann unbezahlter Urlaub als eine, auf einer Parteivereinbarung beruhende<br />

Suspendierung der Hauptleistungspflichten beider Parteien ohne Kündigung des<br />

Arbeitsvertrags. Vgl. BSK ORI-Portmann, Art. 329a N4;Brühwiler, Art. 329a N6;<br />

Cerottini, S. 64; Duc/Subilia, Art. 329a N3;Favre Moreillon, S. 137; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 329a N11; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 329d N18.<br />

Ebenfalls ohne gesetzliche Regelung geblieben sind zulässige Mischformen, die teilweise<br />

auch als «Sabbatical» bezeichnet werden. Eine Mischform zwischen bezahlten<br />

Ferien <strong>und</strong> unbezahltem Urlaub wäre etwa eine Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber<br />

während der über den Ferienanspruch hinausgehenden Absenz des Arbeitnehmers<br />

einen Teil des <strong>Lohn</strong>s bezahlt.<br />

Vgl. aber Art. 329 Abs. 3ORsowie Art. 35a Abs. 3ArG.<br />

Ein sachlicher Zusammenhang mit der Arbeit des Arbeitnehmers wäre bei einem Weiterbildungsurlaub<br />

zubejahen, während bei einem Vaterschaftsurlaub oder einem verlängerten<br />

Mutterschaftsurlaub persönliche <strong>und</strong> familiäre Gründe <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> stehen.<br />

Zum Weiterbildungsurlaub, der auch unter Fortführung der <strong>Lohn</strong>zahlung erfolgen<br />

kann, vgl.: Alexander I. de Beer, Der bezahlte Bildungsurlaub, Diss. ZH, Bern 1978.<br />

Kurzarbeit liegt vor, wenn die vereinbarte Arbeitszeit –in der Regel wegen schlechten<br />

Geschäftsgangs be<strong>im</strong> Arbeitgeber –(vorübergehend) reduziert oder ganz eingestellt<br />

wird; vgl. Art. 31 Abs. 1AVIG. Kurzarbeit muss auf einer Vereinbarung der Parteien<br />

beruhen. Der Arbeitnehmer kann dazu <strong>im</strong> Voraus seine Einwilligung geben, wobei die<br />

31


§2 GRUNDLAGEN<br />

32<br />

wiesen werden, welche auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses keinen Einfluss<br />

hat.<br />

4. Das Arbeitsverhältnis in derPhase zwischen Kündigung<strong>und</strong> Endeder<br />

Vertragsdauer<br />

65 Unter Vorbehalt von befristeten Arbeitsverträgen, die gemäss Art. 334<br />

Abs.1OR ohne Kündigung enden, steht esjeder Partei gr<strong>und</strong>sätzlich offen, den<br />

Arbeitsvertrag unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen 114<br />

ordentlich zu kündigen. Gehen die Parteien nach einer gültig erfolgten, ordentlichen<br />

Kündigung von einer voraussichtlich definitiven Beendigung der Zusammenarbeit<br />

aus, tritt das Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist –in<br />

Analogie zur Auflösung einer Gesellschaft –ineine «Liquidationsphase». Der<br />

allgemeine Zweck der Kündigungsfrist ist es, beiden Parteien eine best<strong>im</strong>mte<br />

Zeitdauer einzuräumen, um sich auf die anstehende Beendigung der Zusammenarbeit<br />

einzustellen <strong>und</strong> gegebenenfalls Vorkehrungen für die Zeit danach zu<br />

treffen. 115<br />

66 Trotz der durch die gültige Kündigung eingeleiteten «Liquidationsphase» bestehen<br />

die Hauptpflichten beider Parteien dem Gr<strong>und</strong>satz nach unverändert weiter.<br />

Unter Vorbehalt des Bezugs von Ferien <strong>und</strong> der Kompensation von Überst<strong>und</strong>en<br />

(bzw. Überzeit 116 )hat der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist<br />

seine Arbeitsleistung zu erbringen. Entsprechend hat der Arbeitgeber<br />

dafür den <strong>Lohn</strong> zu entrichten. Auf das Arbeitsverhältnis wirkt sich die Kündigung<br />

des Arbeitsvertrags, ungeachtet der damit einhergehenden Veränderung<br />

114<br />

115<br />

116<br />

Voraussetzungen zumindest inihren Gr<strong>und</strong>zügen definiert sein müssen. Andernfalls<br />

läge eine Form von Teilzeitarbeit vor, inderen Rahmen dem Arbeitgeber die sogenannte<br />

Zeitsouveränität zukommt; vgl. dazu Geiser, Flexibilisierung, Rz.4.4 ff. Getragen<br />

wird die Idee der Kurzarbeit davon, dass Kündigungen wegen einer voraussichtlich<br />

bloss vorübergehenden Unterauslastung der Arbeitnehmer vermieden werden sollen.<br />

Der <strong>Lohn</strong> wird <strong>im</strong> Verhältnis zwischen vereinbarter Arbeitszeit <strong>und</strong> Kurzarbeitszeit<br />

anteilsmässig gekürzt, wobei <strong>Lohn</strong>ausfälle des Arbeitnehmers teilweise durch<br />

Leistungen der Arbeitslosenversicherung aufgefangen werden können (vgl. Art. 1a,<br />

Art. 7Abs. 2lit. c <strong>und</strong> Art. 31 ff. AVIG sowie Art. 46 ff. AVIV); vgl. auch Geiser/Müller,<br />

N512; Streiff/von Kaenel, Art. 324 N7;Vischer, S.126.<br />

Vgl. Art. 335 ff. OR.<br />

Be<strong>im</strong> Arbeitnehmer, der nicht in den Ruhestand geht, wird dies meist die Suche nach<br />

einer anderen Arbeitsstelle oder die Vorbereitung einer selbstständigen Tätigkeit sein.<br />

Der Arbeitgeber wird demgegenüber entweder einen neuen Arbeitnehmer suchen, bestehende<br />

Arbeitnehmer mit der Übernahme der Tätigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers<br />

betrauen <strong>und</strong> allgemein für eine geordnete Arbeitsübergabe <strong>und</strong> Beendigung<br />

des Arbeitsvertrags besorgt sein.<br />

Vgl. insb. Art. 321c OR sowie Art. 10 Abs. 2, Art. 11, Art. 12 f. <strong>und</strong> Art. 26 ArG sowie<br />

Art. 19, Art. 25 f., Art. 30, Art. 33 f., Art. 39 <strong>und</strong> Art. 73 ArGV 1.


§2 GRUNDLAGEN<br />

von dessen Charakter, (nur) insofern aus, als dass der Endtermin der Erfüllungsphase–<br />

d.h. der Phase des Austauschs der jeweiligen Hauptleistungen–<br />

fixiert wird. 117<br />

67 In diesem Zusammenhang stellt die sogenannte Freistellung einen Sonderfall<br />

dar. Mitdem Begriff der Freistellung eines Arbeitnehmers wird meist ein Zeitraum<br />

während der Dauer des Arbeitsvertrags bezeichnet, in welchem der Arbeitnehmer<br />

–in der Regel (aber nicht notwendigerweise) nach ergangener Kündigung<br />

bis zum Ablauf der Kündigungsfrist –auf freiwillige 118 Erklärung oder<br />

Anweisung des Arbeitgebers hin keine Arbeitsleistung (mehr) zu erbringen<br />

hat. 119 In allgemeinerer Weise wird auch von Befreiung von der Arbeitspflicht<br />

gesprochen. 120 Der Freistellung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber können<br />

verschiedene Ursachen zugr<strong>und</strong>e liegen. Ein Gr<strong>und</strong> für eine Freistellung<br />

117<br />

118<br />

119<br />

120<br />

Unter Vorbehalt der Verlängerung der Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit aufgr<strong>und</strong><br />

von <strong>besondere</strong>n Umständen gemäss Art. 336c <strong>und</strong> Art. 336d OR (Kündigung<br />

zur Unzeit durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer).<br />

D.h. ohne vorangegangene vertragliche Vereinbarung.<br />

Vgl. Blesi, S. 15; Enriquez, S.5ff.<br />

Die Mehrheit inLehre <strong>und</strong> Rechtsprechung geht gr<strong>und</strong>sätzlich von einer Zulässigkeit<br />

einer Freistellung aus, selbst wenn ihre dogmatische Erfassung <strong>und</strong> ihre Konsequenzen<br />

<strong>im</strong>Einzelfall teilweise strittig sind. Gr<strong>und</strong>sätzlich infrage gestellt wird die Zulässigkeit<br />

einer Freistellung wohl nur von denjenigen Autoren, welche die (wiederum)<br />

umstrittene Frage einer (vertragskonformen) Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers<br />

weitgehend bejahen; vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 328 N13; BE-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 328 N13; CR CO I-Aubert, Art. 324 N9.<br />

Nach der wohl herrschenden Ansicht sind die folgenden Ausnahmen von der Zulässigkeit<br />

einer Freistellung zu nennen: (i) der Lehrarbeitsvertrag (Art. 344 ff. OR), dessen<br />

Zweck mit einer Freistellung zunichte gemacht werden könnte; (ii) eine vertragliche<br />

Vereinbarung, welche eine Freistellung des Arbeitnehmers ausschliesst oder einschränkt;<br />

(iii) diejenigen Fälle, in denen sich gestützt auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers<br />

nach Art. 328 OR<strong>und</strong> als Ausnahme von der Gr<strong>und</strong>regel ein Beschäftigungsrecht<br />

des Arbeitnehmers bzw. eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ergibt,<br />

weil der Arbeitnehmer auf eine effektive Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit<br />

be<strong>im</strong>Arbeitgeber angewiesen ist, um seiner beruflichen Qualifikationen <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />

nicht verlustigzugehen.<br />

Zum gesamten Fragenkomplex zur Zulässigkeit der Freistellung: BGE 135 III 349<br />

(E. 4.2; 357); BGE 128 III 212 (E. 3b/cc, 220); BGE 128 III 271 (E.4,<br />

279 ff.); BGE118 II 139 (E. 1,140 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts vom<br />

24. August 2009, A-76/2009, E. 12; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007,<br />

4A_115/2007, E. 4; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 15. Dezember 2004,<br />

4C.329/2004, E. 2/3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 31. Juli 2002, 4C.71/2002,<br />

E. 3; Blesi, S. 78 ff. <strong>und</strong> S.134 ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 328 N13;<br />

Carruzzo, Art. 324 N3; CRCO-Aubert, Art. 324 N9; Enriquez, S.167 ff.; Geiser/Müller,<br />

N655 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 324 N13; Vischer, S. 236; Wyler,<br />

S. 320 ff.<br />

Vgl. die Tabelle bei Enriquez, S.87.<br />

33


§2 GRUNDLAGEN<br />

34<br />

mit bzw. unmittelbar nach erfolgter Kündigung kann darin liegen, dass der Arbeitgeber<br />

möglicherweise Zweifel hat, ob die Umstände für eine fristlose Kündigung<br />

nach Art. 337ORausreichen. Unter solchen Umständen kann sich die<br />

Freistellung nach ordentlicher Kündigung in ihren praktischen Wirkungen bezüglich<br />

derArbeitspflicht (nicht aber der <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht) als indirekte <strong>und</strong><br />

abgeschwächte Form der fristlosen Kündigung erweisen. Weitere Freistellungsgründe<br />

können ineiner zerstörten Vertrauensbasis 121 oder den ungenügenden<br />

Arbeitsleistungen eines Arbeitnehmers liegen. Ebenfalls möglich ist es indessen,<br />

dass eine Freistellung als Massnahme <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer Restrukturierungodereinem<br />

Sozialplan zurAnwendung gelangt. 122<br />

68 Werden dieWirkungen der Freistellung nicht näher präzisiert, kann die Freistellung<br />

mit einem Arbeitsverbot während der Dauer der Freistellung gekoppelt<br />

sein. 123 Ob der Arbeitgeber mit der Freistellung ein eigentliches Arbeitsverbot<br />

(unter Umständen inKombination mit einem Hausverbot) aussprechen wollte<br />

oder nicht, ergibt sich in der Regel aus den Umständen. Eine Freistellung kann<br />

somit bedeuten, dass der Arbeitgeber aus eigenem Entschluss auf die Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers verzichtet <strong>und</strong> damit gleichzeitig ausdrückt, dass er<br />

die Arbeitsleistung nicht mehr annehmen will. 124 Von einem Arbeitsverbot oder<br />

einer Verbotsfreistellung 125 dürfte etwa dann auszugehen sein, wenn der Arbeitnehmer<br />

mit der Freistellungserklärung des Arbeitgebers gleichzeitig aufgefordert<br />

wird, sämtliche ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (z.B. Computer<br />

<strong>und</strong> portable Kommunikationsgeräte) sowie die Schlüssel für die Büroräumlichkeiten<br />

unverzüglich zurückzugeben.Ebenfallsdenkbar ist es allerdings,dass<br />

der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer <strong>im</strong>Rahmen einer Freistellung (ganz oder<br />

121<br />

122<br />

123<br />

124<br />

125<br />

Zur Zerstörung der Vertrauensbasis können unterschiedliche Umstände führen. Sie<br />

können von unüberbrückbaren Meinungsdifferenzen inBezug auf die Geschäftsstrategie<br />

bis hin zuschwerwiegendem Fehlverhalten eines Arbeitnehmers gegenüber ande-<br />

ren Arbeitnehmern reichen (z.B. sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz).<br />

Vgl. Blesi, S. 12 ff.; Meier, Freistellung, S. 33 ff.; Entscheid des Zivilgerichts Kanton<br />

Basel-Stadt vom 8.Dezember 1997, BJM 1998, S.271 ff.; Entscheid des Bezirksgerichts<br />

Hinwil vom 3. Oktober 1984, JAR1985, S. 165 ff., (E. 1/2, 166 f.).<br />

Vgl. Enriquez, S. 15 ff. <strong>und</strong> S. 257 ff.<br />

Blesi, S. 139, spricht davon, dass sich der Arbeitgeber bei einer Freistellung selbst in<br />

Annahmeverzug setze. Der Arbeitnehmer brauche deswegen auch seine Arbeitsleistung<br />

nicht (mehr) anzubieten, um einen Annahmeverzug des Arbeitgebers überhaupt<br />

erst auszulösen,wie dies <strong>im</strong> Rahmen von Art. 324 OR regelmässig verlangt wird.<br />

Anders Enriquez, S.81ff., der von einem Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung<br />

ausgeht, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt, Letzterer<br />

brauche (bzw. dürfe) seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Dieser Verzicht<br />

schliesse den Annahmeverzug aus. Denn ein Annahmeverzug könne nur dann vorliegen,<br />

wenn die Arbeitsleistung an sich noch geschuldet sei, was nach einem Verzicht<br />

aufdie Arbeitsleistung aber nicht mehr der Fall sei.<br />

So die Terminologie bei Enriquez, S. 15 ff. <strong>und</strong> S. 258.


§2 GRUNDLAGEN<br />

teilweise) überlassen will, ob <strong>und</strong> wie viel er während einer best<strong>im</strong>mten Freistellungsperiode<br />

(noch) arbeiten will. Von einer solchen Freistellung ohne Arbeitsverbot<br />

bzw. einer Verzichtsfreistellung 126 wäre etwa dann auszugehen,<br />

wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung zusichert,<br />

er könne –unter Umständen über das gesetzlich geschuldete Mass gemäss<br />

Art. 329 ORhinaus –soviel (bezahlte) Freizeit beanspruchen, wie er für die<br />

Stellensuche brauche. Gleiches würde zutreffen, wenn der Arbeitgeber es explizit<br />

dem Arbeitnehmer überlässt, obLetzterer best<strong>im</strong>mte Arbeiten vor Ablauf<br />

derKündigungsfrist noch ausführen will odernicht.<br />

69 Trotz dem in der Regel einseitigen Verzicht auf die Arbeitsleistung durch den<br />

Arbeitgeber bleiben die weiteren Rechte <strong>und</strong> Pflichten beider Parteien aus dem<br />

Arbeitsverhältnis durch die Freistellung gr<strong>und</strong>sätzlich unberührt, selbst wenn<br />

sich mangels näherer gesetzlicher(odervertraglicher) Regelungder Freistellung<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang mit der Anrechnung von anderweitig erzieltem Verdienst 127<br />

<strong>und</strong> dem Bezug von Ferien Probleme stellen können. Ins<strong>besondere</strong> behält der<br />

Arbeitnehmer bei einer Freistellung inder Regel seinen vollen <strong>Lohn</strong>anspruch<br />

(inklusive von allenfalls in Geld umzurechnenden Naturallohn, Gewinnbeteiligung<br />

<strong>und</strong> Provision 128 ).<br />

5. Das Arbeitsverhältnis in derPhasenach Beendigung desArbeitsvertrags<br />

70 Da jeder Arbeitsvertrag ein Ende n<strong>im</strong>mt –sei es durch Ablauf einer befristeten<br />

Vertragsdauer, 129 durch eine Aufhebungsvereinbarung, 130 durch Kündigung 131<br />

oder durch Tod 132 der einen oder anderen Partei –, können sich nach Beendigung<br />

der eigentlichen Vertragsdauer Zeitperioden anschliessen, inwelchen best<strong>im</strong>mte<br />

Rechte <strong>und</strong> Pflichten weiter bestehen oder aber ihre Wirkungen erst<br />

entfalten. Diese Rechte <strong>und</strong> Pflichten, die (auch) nach Beendigung der Vertragsdauer<br />

wirken, können ihre Gr<strong>und</strong>lage entweder <strong>im</strong>Gesetz oder <strong>im</strong>Arbeitsvertrag<br />

haben. Eswird teilweise auch von Nachwirkungen des Arbeitsvertrags<br />

bzw. desArbeitsverhältnisses gesprochen. 133<br />

126<br />

127<br />

128<br />

129<br />

130<br />

131<br />

132<br />

133<br />

So die Terminologie bei Enriquez, S. 15 ff. <strong>und</strong> S. 258.<br />

Vgl. Art. 324 Abs. 2OR.<br />

Blesi, S. 134ff.; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 324 N15<strong>und</strong> N18.<br />

Art. 334 Abs. 1OR.<br />

Vgl. Art. 115 <strong>und</strong> Art. 341 OR; vgl. auch oben Fn. 102.<br />

Art. 335 ff. OR.<br />

Siehe Art. 338 f.OR.<br />

BGE 130 III 699 (E. 5.1; 704 f.); BGE 80 IV 22 (E. 2b, 29 ff.); BGE 64 II 162 (E.8,<br />

171 ff.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321a N14; Rickenbach, S. 10;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 328 N21; ZH-Komm.-Staehelin, Art.321a N34.<br />

35


§2 GRUNDLAGEN<br />

71 Als Beispiel einer spezifisch auf Gesetz beruhenden, nachwirkenden Pflicht des<br />

Arbeitnehmers ist auf dessen Gehe<strong>im</strong>haltungs- bzw. Verschwiegenheitspflicht<br />

hinzuweisen. Auch nach Beendigung der Zusammenarbeit ist der Arbeitnehmer<br />

gemäss Art. 321 Abs.4OR verpflichtet, die Fabrikations- <strong>und</strong> Geschäftsgehe<strong>im</strong>nisse<br />

des Arbeitgebers zu wahren, soweit dies zum Schutz der berechtigten<br />

Interessen des Arbeitgebers weiterhin erforderlich ist. Es handelt sich dabei um<br />

die Fortsetzung einer bereits während der Dauer des Arbeitsvertrags bestehendenPflichtdes<br />

Arbeitnehmers überdessen Endehinaus.<br />

72 Als Beispiel einer nur gestützt auf Vertrag beruhenden Folgewirkung des beendeten<br />

Arbeitsvertrags ist das nachvertragliche Konkurrenzverbot zulasten des<br />

Arbeitnehmers zu erwähnen. 134 Gestützt auf ein gültig vereinbartes Konkurrenzverbot<br />

135 ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich während einer festzulegenden<br />

Zeitdauer in einem best<strong>im</strong>mten, geografisch einzugrenzenden Gebiet von<br />

einem sachlich einzugrenzenden Markt fernzuhalten, inwelchem sein ehemaliger<br />

Arbeitgeber (oder mit ihm verb<strong>und</strong>ene Gruppengesellschaften) tätig ist. 136<br />

Be<strong>im</strong> nachvertraglichen Konkurrenzverbot handelt sich es ebenfalls um die<br />

Fortsetzung einer bereits während der Dauer des Arbeitsvertrags bestehenden<br />

Pflicht des Arbeitnehmers über dessen Ende hinaus. ImGegensatz zur Gehe<strong>im</strong>haltungs-<br />

bzw. Verschwiegenheitspflicht über das Ende des Arbeitsvertrags<br />

hinaus bedarf das nachvertragliche Konkurrenzverbot aber einer <strong>besondere</strong>n<br />

vertraglichen Gr<strong>und</strong>lage.<br />

73 Im Zusammenhang mit dem <strong>Lohn</strong> ist schliesslich auf Art. 339 Abs. 2 <strong>und</strong><br />

Art. 339 Abs.3i.V.m. Art. 323 Abs. 3ORhinzuweisen. Gemäss diesen gesetzlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen ist es möglich, dass <strong>Lohn</strong>forderungen des Arbeitnehmers<br />

aus Provisionsvereinbarungen sowie aus einem Anteil am Geschäftsergebnis<br />

erst nach Beendigung des Arbeitsvertrags fällig werden. Auch insofern kann<br />

dasArbeitsverhältnis die eigentlicheVertragsdauer überdauern.<br />

134<br />

135<br />

136<br />

36<br />

Vgl. Art. 340–340c OR. Das Konkurrenzverbot während der Vertragsdauer gemäss<br />

Art. 321a Abs. 3ORentfällt –inÜbereinst<strong>im</strong>mung mit dem französischen Gesetzestext<br />

<strong>und</strong> entgegen dem Wortlaut der deutschen <strong>und</strong> der italienischen Fassungen –mit<br />

dem Ende der Vertragsdauer.<br />

Zu den Gültigkeitsvoraussetzungen eines vertraglichen Konkurrenzverbots vgl.<br />

Art. 340 OR sowie BSK OR I-Portmann, Art.340 N2f.; Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 340 N2ff.; Cotti, S. 29 ff. <strong>und</strong> S. 74 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 340<br />

N4;Vischer, S.276 ff.; Wyler,S.596 ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 340 N7ff.<br />

Für weitere nachwirkende Pflichten des Arbeitgebers <strong>und</strong> des Arbeitnehmers aus dem<br />

Arbeitsverhältnis vgl. Rickenbach, S. 34 ff. für den Arbeitgeber <strong>und</strong> S. 120 ff. für den<br />

Arbeitnehmer.


6. Das Arbeitsverhältnis beisukzessiven Arbeitsverträgen<br />

§2 GRUNDLAGEN<br />

74 Bei einem weiten Verständnis des Begriffs des Arbeitsverhältnisses ist zu prüfen,<br />

inwiefern zwei oder mehrere Arbeitsverträge zwischen denselben (oder<br />

verb<strong>und</strong>enen 137 )Parteien mit mehr oder minder langen, dazwischen liegenden<br />

Zeitperioden ohne Arbeitsleistung von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis erfasst<br />

werden. Verwandt, aber nicht notwendigerweise identisch, mit der Frage<br />

nach dem Vorliegen eines solchen, mehrere separate Arbeitsverträge umfassenden<br />

Arbeitsverhältnisses ist der Fall, in welchem ein (Gesamt- oder Einzel-)<br />

Arbeitsvertrag explizit regelt, ob <strong>und</strong> inwiefern (frühere) Dienstjahre bei einem<br />

Arbeitgeber oder mehreren Arbeitgebern, die zur selben Konzernstruktur gehören,<br />

nach einem Unterbruch der Zusammenarbeit bei einer Wiederanstellung<br />

angerechnet werden. 138 Die rechtliche Relevanz der Frage nach dem Bestand eines<br />

einheitlichen Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen von mehreren Arbeitsverträgen<br />

mit zeitlichen Unterbrüchen zwischen den Tätigkeitsperioden ergibt sich<br />

aus denjenigen gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen, welche für die Entstehung von Ansprüchen<br />

auf ebendiesen Bestand <strong>und</strong> die effektive oder prospektive Dauer eines(einheitlichen)Arbeitsverhältnisses<br />

abstellen. 139<br />

137<br />

138<br />

139<br />

Vgl. auch oben Rz. 61.<br />

Die Berücksichtigung von früheren Dienstjahren bei einer etwaigen, späteren Wiederanstellung<br />

ist dabei meist relevant für die Einstufung in eine die Seniorität mitberücksichtigende<br />

<strong>Lohn</strong>tabelle sowie den Ferienanspruch, der in Abhängigkeit von Alter <strong>und</strong><br />

Dienstjahren des Arbeitnehmers über das gesetzliche Min<strong>im</strong>um von vier Wochen gemäss<br />

Art. 329a Abs. 1ORhinausgehen kann.<br />

Dogmatisch sind solche Vereinbarungen nicht leicht zu erfassen. Klar erscheint, dass<br />

sie sich nicht auf den gegenwärtigen Arbeitsvertrag beziehen. Sie sollen nur für den<br />

Fall gelten, dass der aktuelle Arbeitsvertrag aufgelöst wird <strong>und</strong> zu einem späteren<br />

Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Bezüglich des künftigen Vertragsschlusses<br />

bleiben beide Parteien frei. Insofern untersteht die Wirkung der Vereinbarung<br />

zur Anrechnung von Dienstjahren einer suspensiven, zweiseitigen Potestativbedingung.<br />

Falls aber beide Parteien künftig wieder einen Arbeitsvertrag abschliessen<br />

<strong>und</strong> insofern ein neuer Arbeitsvertrag zustande kommt, vereinbaren die Parteien <strong>im</strong><br />

Voraus, wie die Dauer des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses <strong>im</strong> künftigen Vertrag<br />

berücksichtigt werden soll. Meist stillschweigend vorausgesetzt wird dabei, dass<br />

die Struktur der Arbeitsverträge bezüglich der Aspekte, welche auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />

abstellen, unverändert bleibt.<br />

Selbst wenn es sprachlogisch nicht vollständig zuüberzeugen vermag, erscheinen solche<br />

Vereinbarungen als punktuelle «Rahmenverträge». Unter einem Rahmenvertrag<br />

wird <strong>im</strong> Allgemeinen ein Vertrag verstanden, in welchem sich die Parteien auf einzelne<br />

Bedingungen einigen, die für künftige Verträge gelten sollen, ohne jedoch den<br />

künftigen Vertragsschluss zu präjudizieren; vgl. BSK OR I-Bucher, Vor Art. 1–40<br />

N40sowie Art. 22 N25; Gauch/Schluep/Schmid, N1099.<br />

Vgl. Art. 324a, Art. 328a, Art. 335c, Art. 336c Abs. 1 lit. b, Art. 338 Abs. 2 <strong>und</strong><br />

Art. 339b Abs. 1OR.<br />

37


§2 GRUNDLAGEN<br />

75 Ob <strong>und</strong> inwiefern es sich rechtfertigt, trotz verschiedenen Arbeitsverträgen <strong>und</strong><br />

sich daraus ergebenden, zeitlich getrennten Tätigkeitsperioden des Arbeitnehmers<br />

in einer ex post-Betrachtung von einem einheitlichen (Voll- oder Teilzeit-)<br />

Arbeitsverhältnis auszugehen, kann letztlich nur <strong>im</strong> konkreten Einzelfall beurteilt<br />

werden. Auf tatsächlicher Ebene ist von Bedeutung, wie viele befristete<br />

oder unbefristete Arbeitsverträge mit Voll- oder Teilzeitpensum vorliegen, wie<br />

lange der oder die Unterbrüche andauerten <strong>und</strong> obder Arbeitnehmer inzeitlich<br />

paralleler <strong>und</strong>/oder sukzessiver Weise für einen oder mehrere andere Arbeitgeber<br />

tätig war. Mangels zulässiger Parteiabrede zum Bestand <strong>und</strong> der Einheit des<br />

Arbeitsverhältnisses sind als relevante Kriterien, die für oder gegen das Vorliegen<br />

eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses sprechen können, ins<strong>besondere</strong> die<br />

Parteiwillen <strong>im</strong>Zeitpunkt des Abschlusses <strong>und</strong> der Beendigung der einzelnen<br />

Arbeitsverträge zuberücksichtigen. Gleiches gilt für die Gründe beider Parteien,<br />

welche der jeweiligen Beendigung <strong>und</strong> dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags<br />

zugr<strong>und</strong>e lagen. Zubeachten sind schliesslich die unterschiedlichen<br />

Zwecksetzungen der infrage stehenden gesetzlichen Regelungen, 140 für welche<br />

auf die Einheit <strong>und</strong> die Gesamtdauer eines Arbeitsverhältnisses abgestellt wird,<br />

diesich aussukzessiven Arbeitsverträgen ergibt. 141<br />

76 Besondere Bedeutung erhält die Frage, ob ein einheitliches Arbeitsverhältnis<br />

vorliegt, wenn mehrere kurze Arbeitsverträge zwischen denselben Parteien sich<br />

aneinanderreihen. Eine solche Vorgehensweise bei der Regelung des Vertragsverhältnisses<br />

kann, muss aber nicht zwingend, unzulässig sein. Unzulässig ist<br />

diese, häufig als «Kettenarbeitsverträge» bezeichnete Vorgehensweise dann,<br />

140<br />

141<br />

38<br />

Basierend auf dem Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» verfolgt Art. 324a Abs. 1OR<br />

den Zweck, den Arbeitnehmer für eine beschränkte Zeit vor dem finanziellen Risiko<br />

zu schützen, das eine Verhinderung an der Arbeitsleistung wegen Krankheit, Unfall<br />

oder der Erfüllung von gesetzlichen Pflichten mit sich bringt. Demgegenüber soll die<br />

Abgangsentschädigung gemäss Art. 339b ff. OR dafür sorgen, dass ein älterer Arbeitnehmer<br />

nach jahrzehntelanger Tätigkeit für einen Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis<br />

nicht ohne Ausrichtung von irgendwelchen Vorsorgeleistungen beenden muss (vgl.<br />

BBl 1967 II, S. 395).<br />

Mit Einführung des (eingeschränkten) BVG-Obligatoriums (vgl. Art. 2BVG) Mitte<br />

der 1980er-Jahre mit mindestens paritätischer Beitragsleistung <strong>im</strong> sogenannten obligatorischen<br />

Bereich (vgl. Art. 8, Art. 9sowie Art. 66 Abs. 1BVG) hat die Abgangsentschädigung<br />

in der Praxis anBedeutung verloren. Der Gr<strong>und</strong> dafür liegt inder Regelung<br />

gemäss Art. 339d OR, wonach Leistungen einer (BVG-) Fürsorgeeinrichtung, die<br />

durch Arbeitgeberbeiträge finanziert wurden, oder durch den Arbeitgeber oder einen<br />

Dritten zugesicherte Leistungen auf einer Abgangsentschädigung anzurechnen sind<br />

bzw. von der Ausrichtung einer Abgangsentschädigung dispensieren. Für die praktische<br />

Bedeutung der Abgangsentschädigung seit Einführung des BVG-Obligatoriums<br />

vgl. Balsiger, S. 46 f.<br />

Für die Beurteilung, ob die Voraussetzung von mindestens 20 Dienstjahren für eine<br />

Abgangsentschädigung erfüllt ist, vgl. BGE 112 II51(E. 3, 53 ff.); BGE 110 II 268<br />

(E. 2,270 f.).


142<br />

143<br />

§2 GRUNDLAGEN<br />

wenn sie ohne sachliche Rechtfertigungsgründe erfolgt, <strong>und</strong> dazu führt, dass<br />

Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers nicht zum Tragen kommen,<br />

welche eine best<strong>im</strong>mte (Mindest-)Dauer des Arbeitsverhältnisses voraussetzen.<br />

142 Liegen unzulässige Kettenarbeitsverträge vor, ist nicht mehr die Dauer<br />

des einzelnen Arbeitsvertrags ausschlaggebend. Relevant wird das einheitliche<br />

Arbeitsverhältnis. Dessen Dauer ergibt sich dann aus der Summe aller Arbeitsperioden<br />

sowie etwaigen, dazwischen liegenden Zeiträumen, während derer das<br />

Arbeitsverhältnis zwar ruht, aber nicht als vollständig aufgelöst bezeichnet werdenkann.<br />

143<br />

Als sachliche Rechtfertigungsgründe können nach Rehbinder, N299, Besonderheiten<br />

des Arbeitsverhältnisses be<strong>im</strong> Bühnenengagement, bei der Aushilfsarbeit, be<strong>im</strong> Einsatz<br />

<strong>im</strong> Saisonbetrieb <strong>und</strong> bei Stellen mit Ausbildungszweck infrage kommen. Der<br />

Wunsch des Arbeitnehmers, sich nicht längerfristig binden zu wollen, kann ebenfalls<br />

ein sachlicher Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> für das Aneinanderreihen von kurzen, befristeten<br />

Arbeitsverhältnissen sein. Schliesslich nennt Rehbinder (a.a.O.) –unter Hinweis auf<br />

den Entscheid des Tribunal Cantonal du Canton de Neuchâtel vom 20. April 1995,<br />

JAR 1996, S. 108 ff. –auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong>.<br />

Der angeführte Entscheid des Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel vermag <strong>im</strong><br />

Ergebnis indessen nicht zuüberzeugen. In concreto wurde ein erster, auf acht Monate<br />

befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen. Ohne Unterbruch des Arbeitsverhältnisses<br />

folgten zwei weitere, wiederum befristete Arbeitsverträge. Die Dauer aller drei befristeten<br />

Arbeitsverträge belief sich insgesamt auf knapp eineinhalb Jahre. Nach Auffassung<br />

des Gerichts ergab sich aus den drei befristeten Arbeitsverträgen kein unbefristeter<br />

Arbeitsvertag (Art. 334 Abs. 2OR), weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jeweils<br />

mitteilte, es könnten aus wirtschaftlichen Gründen nur befristete Arbeitsverträge<br />

abgeschlossen werden. Im Ergebnis ist es dem Arbeitgeber damit gelungen, den beschränkten<br />

Schutz einer Kündigungsfrist von zwei Monaten (Art. 335c Abs. 1OR) zu<br />

unterwandern, was in Anbetracht des Gr<strong>und</strong>satzes, dass das Wirtschaftsrisiko nicht<br />

(vollständig) auf den Arbeitnehmer überwälzt werden kann (Art. 324 OR), nicht überzeugt.<br />

Eswäre dem Arbeitgeber wohl ohne Weiteres zuzumuten gewesen, den letzten<br />

Arbeitsvertrag auf denselben Endtermin hin unter Beachtung einer Kündigungsfrist<br />

(von zwei Monaten gemäss Art. 335c Abs. 1ORbzw. von einem Monat gemäss<br />

Art. 335c Abs. 2OR) zu kündigen. Vgl. zur Überwälzung des Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisikos<br />

in diesem Zusammenhang auch Rehbinder, rechtfertigende Gründe,<br />

S. 55.<br />

Vgl. dazu Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. September 2007, 4A_216/2007,<br />

E. 1.3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 27. Juni 2000, 4C.22/2000, E. 2; BSK OR<br />

I-Portmann, Art. 334 N8;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 334 N6;Carruzzo,<br />

Art. 334 N2<strong>und</strong> N4;Streiff/von Kaenel, Art.334 N6f.; Vischer, S. 228 f.; Wyler,<br />

S. 453 ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Art.319 N56.<br />

39


§2 GRUNDLAGEN<br />

7. Das Arbeitsverhältnis beistrukturellen Veränderungen aufseitendes<br />

Arbeitgebers<br />

77 Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsleistung gemäss Art. 321 ORgr<strong>und</strong>sätzlich<br />

in eigener Person zuerbringen. 144 Ein Fortbestehen desselben Arbeitsverhältnisses<br />

mit einem anderen als dem ursprünglichen Arbeitnehmer ist be<strong>im</strong> Einzelarbeitsvertrag<br />

daher gr<strong>und</strong>sätzlich nicht möglich. 145 Demgegenüber können sich<br />

aufseiten des Arbeitgebers Veränderungen ergeben.<br />

78 Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder eine Personengesellschaft mit<br />

quasi-Rechtspersönlichkeit <strong>im</strong> Aussenverhältnis, sind gestützt auf das Fusionsgesetz<br />

verschiedene Arten von strukturellen Veränderungen möglich. Gemäss<br />

Art. 27 Abs.1FusG findet für den Übergang von Arbeitsverhältnissen <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Fusion 146 auf die übernehmende Gesellschaft Art. 333 ORAnwendung.<br />

Gleiches gilt gemäss Art. 49 Abs.1FusG bei einer Spaltung, 147 gemäss<br />

Art. 76 Abs. 1FusG bei einer Vermögensübertragung, 148, 149 sowie bei der<br />

Fusion <strong>und</strong> der Vermögensübertragung bei Stiftungen 150 <strong>und</strong> bei der Fusion,<br />

Umwandlung oder Vermögensübertragung bei Vorsorgeeinrichtungen. 151,152<br />

144<br />

145<br />

146<br />

147<br />

148<br />

149<br />

150<br />

151<br />

152<br />

40<br />

Vgl. auch oben Rz. 12ff.<br />

Besonderheiten können sich allenfalls bei Gruppenarbeitsverhältnissen <strong>im</strong> Sinne einer<br />

«Eigengruppe» <strong>und</strong>, je nach Ausgestaltung, unter Umständen be<strong>im</strong> Job Sharing ergeben;<br />

vgl. dazu BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N30ff. (Job Sharing),<br />

Art. 319 N39<strong>und</strong> Art. 321 N4;Geiser, neue Arbeitsformen, Rz. 3.1 ff.; Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 319 N12sowie Art. 321 N4(für das Job Sharing); Wyler,S.105 f.<br />

ZumBegriff <strong>und</strong> den zulässigen Arten von Fusionen vgl. Art. 3f.FusG.<br />

ZumBegriff <strong>und</strong> den zulässigen Arten von Spaltungen vgl. Art. 29f.FusG.<br />

ZumBegriff der Vermögensübertragung vgl. Art. 69 FusG.<br />

Im Spaltungsvertrag bzw. Spaltungsplan (Art. 37lit. iFusG) sowie <strong>im</strong> (Vermögens-)<br />

Übertragungsvertrag (Art. 71Abs. 1lit. eFusG) muss eine Liste der Arbeitsverhältnisse<br />

enthalten sein, die übergehen sollen. Ferner sind gemäss Art. 14 Abs. 3<br />

lit. iFusG (<strong>im</strong> Fusionsbericht), gemäss Art. 39 Abs. 3lit. gFusG (<strong>im</strong> Spaltungsbericht)<br />

<strong>und</strong> gemäss Art. 74 Abs. 2lit.dFusG (entweder <strong>im</strong> Anhang zur Jahresrechnung<br />

oder an der Generalversammlung) jeweils die rechtlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Auswirkungen<br />

auf die betroffenen Arbeitnehmer zu erläutern <strong>und</strong> zu begründen <strong>und</strong> Hinweise<br />

aufden Inhalt eines allfälligen Sozialplanszumachen.<br />

Vgl. Art. 85 Abs. 4FusG i.V.m. Art. 27 f. FusG sowie Art. 86Abs. 2FusG i.V.m.<br />

Art. 76 FusG.<br />

Vgl. Art. 96 Abs. 5FusG i.V.m. Art. 27 f. FusG.<br />

Bei der Umwandlung ändert der Arbeitgeber einzig seine Rechtsform bzw. sein<br />

Rechtskleid (z.B. wird gemäss Art. 54 Abs. 1lit.aFusG eine GmbH ineine Aktiengesellschaft<br />

umgewandelt). Die Rechtsverhältnisse werden dadurch gemäss Art. 53 FusG<br />

nicht verändert, sodass ein Übergang des Arbeitsverhältnisses trotz neuer Rechtsform<br />

nicht notwendig ist, da die sich umwandelnde Gesellschaft rechtlich <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

die gleiche bleibt; vgl. BBl 2000, S. 4446. Allerdings findet Art. 27 Abs. 3FusG für


§2 GRUNDLAGEN<br />

Ebenso kann ein Betriebsübergang gestützt auf Art. 181 OR<strong>im</strong>Sinne einer<br />

Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts erfolgen. Art. 333 ORfindet auch<br />

bei einer Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts nach Art. 181ORAnwendung.<br />

153 Bei Tod oder bei Verschollenerklärung 154 einer natürlichen Person<br />

als Arbeitgeber geht gestützt auf Art. 338a Abs.1OR i.V.m. Art. 560 ZGB die<br />

Arbeitgeberposition gr<strong>und</strong>sätzlich auf die Erbengemeinschaft über, da Art. 333<br />

OR sinngemäss füranwendbarerklärt wird. 155<br />

79 Art. 333 Abs.1OR sieht vor, dass das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten <strong>und</strong><br />

Pflichten mit dem Tage der Betriebsnachfolge auf den Erwerber übergeht, sofern<br />

der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses<br />

findet damit gestützt auf eine spezifische gesetzliche Anordnung<br />

statt. Unter Vorbehalt der Ablehnung des Übergangs durch den Arbeitnehmer<br />

erfolgt erex lege. 156 Wird der Übergang vomArbeitnehmer nicht abgelehnt, tritt<br />

der Übernehmer (oder die übernehmende Gesellschaft) des Betriebs oder eines<br />

Betriebsteils somit in alle Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Arbeitsvertrags ein; <strong>und</strong><br />

zwar so, wie er ihn vorfindet. 157 Ob sich das Arbeitsverhältnis vor Betriebsübergang<br />

schon inder Kündigungsphase befand, ist unerheblich. 158 Arbeitsverhältnisse,<br />

welche allerdings vor dem Tag der Betriebsnachfolge endeten, gehen<br />

nicht über. Somit liegt Zulasten des Arbeitgebers ein Übernahmezwang für<br />

(noch) laufende Arbeitsverhältnisse vor. 159 Eine Differenzierung nach der hierarchischen<br />

Stufe eines Arbeitnehmers in der Unternehmensorganisation sieht<br />

Art. 333 OR nicht vor, weshalb alle noch bestehenden Arbeitsverhältnisse<br />

übergehen. 160 Will der neue Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, so hat<br />

er den Arbeitsvertrag nach den vertraglichen oder gesetzlichen Regeln zu kündigen,<br />

sofern dies noch nicht geschehen ist. 161 Eine Vereinbarung zwischen dem<br />

153<br />

154<br />

155<br />

156<br />

157<br />

158<br />

159<br />

160<br />

161<br />

die Haftung für Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsvertrag auch bei der Umwandlung<br />

Anwendung.<br />

Vgl. statt mehrerer: BSK OR I-Tschäni, Art. 181 N9.<br />

Art. 38 Abs. 1ZGB.<br />

Zum Ganzen vgl. auch Geiser, Fusionsgesetz, Rz. 1ff.; Kradolfer, S. 3ff.; Vischer,<br />

S. 217 ff.<br />

BGE 123 III 466 (E. 3,467 ff.); Carruzzo, Art. 333 N9; Vischer, S. 217.<br />

BGE 135 III 349 (E. 4.1, 356); BGE 112 II 51 (E. 3b/aa, 56); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 23. Oktober 2006, 4C.155/2006, E. 3.2; für die einzelnen Fallvarianten,<br />

welche unter Art. 333 OR fallen können, vgl. statt mehrerer:Kradolfer, S. 188 f.<br />

BGE 134 III 102 (E. 3.1.1; 106).<br />

BGE 129 III 335 (E. 5.1, 340 f.); BGE 127 V183 (E. 4d, 187 f.); BGE 123 III 466<br />

(E. 3b, 468 f.).<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 23. Oktober 2006, 4C.155/2006, E. 3.2.<br />

Ob es zulässig ist, wenn der übertragende Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag ausschliesslich<br />

deshalb kündigt, um den in Art. 333 Abs. 1ORvorgesehenen Übergang<br />

auf den Übernehmer zu vereiteln, ist umstritten. Zum Meinungsstand vgl. statt mehrerer:<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 333 N10; nach BGE 127 V183 (E. 7,194) ist eine sol-<br />

41


§2 GRUNDLAGEN<br />

42<br />

vorangehenden <strong>und</strong> dem übernehmenden Arbeitgeber, dass eines, mehrere oder<br />

alle Arbeitsverhältnisse, welche zum Betrieb zu zählen sind, nicht übergehen<br />

sollen,ist ausgeschlossen. 162<br />

80 Im hier interessierenden Zusammenhang ist wesentlich, dass durch die erwähnten<br />

strukturellen Veränderungen aufseiten des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis<br />

nicht unterbrochen wird. Selbst wenn somit ein neuer Arbeitgeber als Partei<br />

des inhaltlich unveränderten Arbeitsvertrags in das Arbeitsverhältnis eintritt<br />

<strong>und</strong> der Arbeitsvertrag allenfalls ersetzt <strong>und</strong> modifiziert wird –sei es mit freier<br />

Zust<strong>im</strong>mung des Arbeitnehmers oder <strong>im</strong>Rahmen einer Änderungskündigung –,<br />

bleibt das Arbeitsverhältnis dasselbe. Ins<strong>besondere</strong> die bisherigen Dienstjahre<br />

eines Arbeitnehmers bleiben vollumfänglich erhalten. 163<br />

D. Folgerungen zum Arbeitsvertrag <strong>und</strong> zumArbeitsverhältnis<br />

81 Mit AUBERT 164 ist festzuhalten, dass der Arbeitsvertrag <strong>und</strong> das Arbeitsverhältnis<br />

inder Tat unterschiedliche Realitäten oder D<strong>im</strong>ensionen betreffen. Die beidenBegriffesind<br />

inrechtlicher <strong>und</strong> tatsächlicher Hinsichtnichtdeckungsgleich.<br />

82 Der rechtliche Begriff des Arbeitsverhältnisses ist weiter als derjenige des Arbeitsvertrags.<br />

Dies kann schon damit begründet werden, dass dasselbe Arbeitsverhältnis<br />

sich aus zeitlich abgegrenzten Arbeitsverträgen zusammensetzen<br />

kann. Wie nachfolgend <strong>im</strong>Rahmen der Ausführungen zuArt. 320 Abs.2OR<br />

näher gezeigt wird, 165 ist auch die Aussage, «ohne Arbeitsvertrag könne kein<br />

Arbeitsverhältnis existieren», 166 in dieser Form nicht zutreffend. Denn gestützt<br />

auf Art. 320 Abs. 2ORkann –bei gegebenen Voraussetzungen –aus einem<br />

(faktischen) Arbeitsverhältnis ein Arbeitsvertrag entstehen. Ferner ist hervorzuheben,<br />

dass das Arbeitsverhältnis in verschiedener Hinsicht <strong>und</strong> für längere<br />

Dauer über das Ende des eigentlichen Arbeitsvertrags hinauswirken kann.<br />

Selbst wenn der Arbeitsvertrag in zeitlicher Hinsichtbeendet ist, können gesetzliche<br />

<strong>und</strong> vertragliche Regelungen <strong>im</strong>Rahmen des Arbeitsverhältnisses weiterhin<br />

Wirkungen zeitigen. Desgleichen können während des Arbeitsvertrags begründete<br />

Provisionsforderungen oder Ansprüche auf einen Anteil am Ge-<br />

162<br />

163<br />

164<br />

165<br />

166<br />

che Kündigung nicht gültig bzw. nichtig; vgl. auch den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 14. April 2005, 4P.299/2004, E. 3.1, wonach eine Kündigung, welche nicht<br />

«übergangsbedingt», sondern aus anderen Gründen ausgesprochen wurde, als gesetzeskonform<br />

erachtet wurde.<br />

BGE 132 III 32 (E. 4.2.2.1, 38 f.).<br />

BGE 129 III 335 (E. 5.1, 340 f.); BGE 127 V183 (E. 4c, 187 f.); vgl. auch Kradolfer,<br />

S. 188 f.(zum Bestand des übergehenden Arbeitsvertrags/Arbeitsverhältnisses) <strong>und</strong><br />

S. 216 ff. (zum Inhalt des übergehenden Arbeitsvertrags/Arbeitsverhältnisses).<br />

CR CO I-Aubert, Art. 319 N25.<br />

Vgl. unten Rz. 117 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 20.


§2 GRUNDLAGEN<br />

schäftsergebnis erst nach Beendigung des Arbeitsvertrags fällig werden. Auch<br />

in Anbetracht dieser, vom Gesetz vorgezeichneten Konstellationen kann gesagt<br />

werden, dass das Arbeitsverhältnis <strong>und</strong> der Arbeitsvertrag inrechtlicher Hinsichtnichtkongruentsind.<br />

83 Schliesslich kann auf der tatsächlichen <strong>und</strong> personalen Ebene den Begriffen des<br />

Arbeitsvertrags <strong>und</strong> des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche Bedeutung zugemessen<br />

werden. Zwar kann <strong>im</strong> schweizerischen Recht dem Arbeitsverhältnis<br />

nicht der Charakter eines seinerseits nicht klar umrissenen personenrechtlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnisses 167 zuerkannt werden. Dennoch ist be<strong>im</strong> Arbeitsverhältnis<br />

häufig eine enge persönliche Verbindung der Vertragsparteien gegeben,<br />

welche inihren Treue-, Sorgfalts- <strong>und</strong> Fürsorgepflichten zum Ausdruck kommt.<br />

Vor allem bei über mehrere Jahre dauernden Arbeitsverhältnissen rechtfertigt es<br />

sich, dieses als ein <strong>besondere</strong>s, schuldrechtliches Rechtsverhältnis zu charakterisieren.<br />

Die Besonderheit liegt darin, dass die enge persönliche Verbindung <strong>im</strong><br />

Rahmen des vertraglichen Schuldverhältnisses nach einer intensivierten Anwendung<br />

des Gr<strong>und</strong>satzes von Treu <strong>und</strong>Glauben verlangt. 168<br />

III. Das System der zwingenden Best<strong>im</strong>mungen in Art. 361 <strong>und</strong> Art. 362 OR<br />

84 Unter der Überschrift «Zwingende Vorschriften» finden sich <strong>im</strong>vierten <strong>und</strong><br />

letzten Abschnitt des Zehnten Titels des ORdie Art. 361 <strong>und</strong> Art. 362 OR. Diese<br />

zwei Artikel fanden mit der per 1. Januar 1972 in Kraft getretenen Revision<br />

des Arbeitsvertragsrechts Eingang ins Gesetz. 169 Gemäss der Botschaft 1967 170<br />

lag der mit der Einführung dieser Best<strong>im</strong>mungen verfolgte Zweck darin, mittels<br />

abschliessenden Aufzählungen von absolut <strong>und</strong> relativ zwingenden Best<strong>im</strong>mungen<br />

inArt. 361 Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR Rechtssicherheit zu gewährleisten.<br />

171 Es sollte jeder Zweifel über den Verbindlichkeitsgrad der inArt. 361<br />

Abs.1 <strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mungen ausgeschlossen<br />

werden. 172 Indirekt ergibt sich aus diesen Ausführungen inder Botschaft 1967,<br />

dass in Art. 361 Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR nur diejenigen Best<strong>im</strong>mungen<br />

enthalten sein können, welche überhaupt geeignet sind, der Parteidisposition<br />

167<br />

168<br />

169<br />

170<br />

171<br />

172<br />

Vgl. oben Rz. 33f.<br />

Vgl. auch Dünner, S.41f.<br />

Zum historischen Hintergr<strong>und</strong> von Art. 361 <strong>und</strong> 362 OR <strong>im</strong> Gesamten vgl. auch BBl<br />

1967 II, S. 289 ff. <strong>und</strong> S. 423; BBl 1984 II, S. 616 ff.; Brand/Dürr et al., Art. 361<br />

N1ff. sowie Art. 362 N2; Brühwiler, Art. 319 N 1a; Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 361/362 N1ff.; Daxelhoffer, S. 18 ff.; Duc/Subilia, Art. 361/362<br />

N1ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 361 N1f. sowie Art. 362 N1f.; Wyler,S.83f.<br />

BBl 1967 II, S. 241 ff.<br />

Kritisch zu diesem gesetzgebungstechnischen Ansatz: Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 361/362 N2.<br />

BBl 1967 II, S. 289 ff. <strong>und</strong> S.423 f.<br />

43


§2 GRUNDLAGEN<br />

44<br />

be<strong>im</strong> Abschluss eines Arbeitsvertrags zuunterliegen. Nicht inArt. 361 Abs. 1<br />

<strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1OReingeschlossen sind daher diejenigen Normen, welche<br />

Begriffsdefinitionen, gesetzliche Verweisungen <strong>und</strong> Vorbehalte zugunsten des<br />

öffentlichen (Arbeits-)Rechts sowie gesetzliche Vermutungen <strong>und</strong> Auslegungsregeln<br />

enthalten. 173<br />

85 Anlässlich der Revision der Best<strong>im</strong>mungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses,<br />

174 welche per 1.Januar 1989 in Kraft traten, wurden die Kataloge in<br />

Art. 361 Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR revidiert. 175 Gr<strong>und</strong> dafür waren ins<strong>besondere</strong><br />

die (berechtigte) Kritik in der Literatur 176 an mehreren, inden Katalogen<br />

inArt. 361 Abs.1 <strong>und</strong> Art. 362 Abs.1 OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>und</strong>die Rechtsprechungdes B<strong>und</strong>esgerichts. 177<br />

86 Gestützt auf die Erläuterungen in der Botschaft zur Revision der Best<strong>im</strong>mungen<br />

zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Botschaft 1984) wurden aus den Katalogen<br />

inArt. 361 Abs. 1<strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1OR mehrere Arten von Best<strong>im</strong>mungen<br />

gestrichen. Dabei handelte es sich vorab um diejenigen arbeitsrechtlichen<br />

Normen, bei denen sich schon aufgr<strong>und</strong> des Wortlauts ergibt, ob, in welchem<br />

Umfang <strong>und</strong> unter Einhaltung welcher Formalien vom Gesetzestext abweichende,<br />

vertragliche Regelungen zulässig sind. 178 Ebenso wurden diejenigen<br />

Normen aus Art. 361 Abs. <strong>und</strong> Art. 362 Abs. 2ORgestrichen, welche die Nichtigkeit<br />

einer abweichenden vertraglichen Regelung durch die Parteien selbst<br />

vorsehen. 179 Schliesslich wurden auch diejenigen Best<strong>im</strong>mungen aus Art. 361<br />

Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1OR gestrichen, welche sich an eine Behörde richten<br />

odernur «<strong>im</strong> Rahmendes dispositiven Rechts vonBedeutung sind». 180<br />

87 Auch nach dem 1.Januar1989 wurden verschiedene, weitere Änderungen <strong>und</strong><br />

Anpassungen in den Katalogen von Art. 361 Abs.1 <strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1OR<br />

vorgenommen. Sämtliche Änderungen <strong>und</strong> Anpassungen der Kataloge in<br />

Art. 361 Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR, welche seit ihrem ursprünglichen in<br />

Kraft treten per 1. Januar 1972 vorgenommen wurden, liessen indessen die<br />

173<br />

174<br />

175<br />

176<br />

177<br />

178<br />

179<br />

180<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 361 N3.<br />

BBl 1984 II, S. 551 ff.<br />

BBl 1984 II, S. 616 ff.<br />

Vgl. Daxelhoffer, z.B. S. 27 <strong>und</strong> S. 152 ff.; Schweingruber, Art. 361 Ziff. 1<strong>und</strong> 4;<br />

Tschudi, S.88.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 27. Oktober 1981, SJ 104 (1982), S.229–232<br />

(E. 2/4, S.231 f.).<br />

Z.B. wurde Art. 321c Abs. 3ORaus dem Katalog von Art. 361 Abs. 1ORgestrichen;<br />

vgl. auch BBl 1984 II, S. 616; BBl 1971 I, S. 1454; AS1988 II, S. 1477.<br />

Z.B. wurde Art. 323b Abs. 3ORaus dem Katalog von Art. 362 Abs. 2ORgestrichen;<br />

vgl. BBl 1984 II, S. 616; BBl 1971 I, S. 1456; AS1988 II, S. 1478.<br />

BBl 1984 II, S. 616, wo als Beispiel die Verweisungsnorm in Art. 350 OR erwähnt<br />

wird.


§2 GRUNDLAGEN<br />

rechtliche Struktur des jeweils ersten Absatzes der beiden Best<strong>im</strong>mungen unberührt.<br />

88 Von den <strong>im</strong> Katalog von Art. 361 Abs.1OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mungen des<br />

Arbeitsvertragsrechts darf nach dem Wortlaut von Art. 361 Abs.1OR weder<br />

zuungunsten des Arbeitnehmers noch zuungunsten des Arbeitgebers abgewichen<br />

werden. Die <strong>im</strong> Katalog von Art. 361 Abs.1OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mungen<br />

werden deshalb meist als «absolut zwingende» Normen bezeichnet.<br />

Teilweise finden sich auch die Begriffe «beidseitig» 181 oder «zweiseitig» 182<br />

zwingende Normen. 183 Ergänzend <strong>und</strong> differenzierend zuArt. 361 Abs. 1OR<br />

enthält der Katalog in Art. 362 Abs.1OR diejenigen Normen des Arbeitsvertragsrechts,<br />

von denen zuungunsten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden<br />

darf. Verschiedentlich werden diese Best<strong>im</strong>mungen auch als «halbzwingende»<br />

oder «relativ» 184 bzw. «einseitig» 185 zwingende Normen bezeichnet.<br />

89 Im Allgemeinen können unter absolut zwingenden oder unabänderlichen 186<br />

Normen <strong>im</strong>Privatrecht diejenigen, auf das infrage stehende Rechtsverhältnis<br />

anwendbaren Rechtssätze verstanden werden, von denen die Parteien bei der<br />

Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehung gar nicht abweichen dürfen. 187 Es liegt<br />

181<br />

182<br />

183<br />

184<br />

185<br />

186<br />

187<br />

Z.B. bei Portmann/Stöckli, N132; KUKO OR-Pietruszak, Art. 361 N1.<br />

Z.B. bei Daxelhoffer, S. 28.<br />

Die Terminologie in Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Zumeist dürfte<br />

der Begriff «absolut zwingende Normen» <strong>im</strong> Sinne einer Sammelbezeichnung für alle<br />

<strong>im</strong> Katalog von Art. 361 Abs. 1ORaufgeführten Normen verwendet werden. Andererseits<br />

gibt es auch Autoren, welche den Begriff der «absolut zwingenden Normen»<br />

enger fassen <strong>und</strong> darunter nur best<strong>im</strong>mte, <strong>im</strong> Katalog von Art. 361 Abs. 1ORaufgeführte<br />

Best<strong>im</strong>mungen verstehen <strong>und</strong> als Oberbegriff für alle <strong>im</strong> Katalog von Art. 361<br />

Abs. 1ORaufgeführten Best<strong>im</strong>mungen den Ausdruck «zweiseitig zwingende Normen»<br />

verwenden. Vgl. Daxelhoffer, S. 27 f.; Kunz, S. 32.<br />

Z.B. Streiff/von Kaenel, Art. 362 N2.<br />

Z.B. bei Portmann/Stöckli, N132; KUKO OR-Pietruszak, Art. 362 N1.<br />

Vgl. Art. 19 Abs. 2OR.<br />

Bei Kunz, S. 25 (vgl. auch S. 32), findet sich die Umschreibung, dass diejenigen<br />

Rechtsvorschriften des Privatrechts zwingend sind, «die ohne Rücksicht auf einen abweichenden<br />

Parteiwillen Geltung haben. Es ist dem Rechtssubjekt, das ein best<strong>im</strong>mtes<br />

Rechtsgeschäft eingeht, nicht gestattet, derartige Best<strong>im</strong>mungen auszuschalten oder<br />

auch nur durch eine teilweise anderslautende eigene Regelung zu ersetzen.». Vgl.<br />

auch BSK OR I-Wiegand, Art. 19/20 N20; Gauch/Schluep/Schmid, N646 f.; Koller,<br />

§13N107 ff.<br />

Als Beispiel für eine absolut zwingende Best<strong>im</strong>mung, deren zwingender Gehalt sich<br />

nicht schlüssig aus dem Wortlaut der Best<strong>im</strong>mung selbst ergibt, könnte auf das Auflösungsrecht<br />

be<strong>im</strong> einfachen Auftrag nach Art. 404 Abs. 1ORhingewiesen werden.<br />

Gemäss konstanter, indessen kritisierter Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts hat diese<br />

Norm (absolut) zwingenden Charakter. Das Auflösungsrecht darf weder vertraglich<br />

wegbedungen noch eingeschränkt werden; vgl. u.a.: BGE 115 II464 (E. 2;465 ff.);<br />

45


§2 GRUNDLAGEN<br />

46<br />

damit eine Einschränkung des Prinzips der Vertragsfreiheit vor. Dieses Prinzip<br />

leitet sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht aus der Wirtschaftsfreiheit gemäss<br />

Art. 27 BV ab. 188 Ausgehend von diesem Begriffsverständnis ist die Überschrift<br />

vor Art. 361 OR– «Zwingende Vorschriften» –zutreffend.<br />

90 Der klare Wortlaut von Art. 361 Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR zeigt jedoch<br />

auf, dass diese beiden Normen sich vom Gr<strong>und</strong>gedanken einer absolut<br />

zwingenden oder unabänderlichen Rechtsnorm entfernen. Gemäss vorstehender<br />

Umschreibung besteht das Regelungsziel einer absolut zwingenden Norm gerade<br />

darin, den von dieser Norm erfassten Regelungspunkt der Parteidisposition<br />

vollständig zuentziehen. Der jeweilige Ingress von Art. 361 Abs.1OR <strong>und</strong><br />

Art. 362 Abs.1OR erklärt indessen abweichende vertragliche Regelungen von<br />

den darin genannten Normen nicht als absolut unzulässig. 189 Unter qualifizierten<br />

188<br />

189<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 31. März 2005, 4C.447/2004, E. 5.4; Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 10. Februar 2009, 4A_437/2008, E. 1.4–1.6. Im letztgenannten<br />

Entscheid untersuchte das B<strong>und</strong>esgericht, ob die Kontroverse um den absolut zwingenden<br />

Charakter von Art. 404 Abs. 1OReine Frage von gr<strong>und</strong>sätzlicher Bedeutung<br />

<strong>im</strong> Sinne von Art. 74 Abs. 2lit. aBGG sei. Das B<strong>und</strong>esgericht verneinte dies <strong>und</strong> trat<br />

auf die zivilrechtliche Beschwerde mangels eines hinreichenden Streitwerts gemäss<br />

Art. 74 Abs. 1BGG nicht ein, obschon die Vorinstanz <strong>im</strong> angefochtenen Entscheid<br />

von der konstanten b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung zuArt. 404 Abs. 1ORabgewichen<br />

war.<br />

Vgl. statt mehrerer: Gauch/Schluep/Schmid, N612 ff.; Häfelin/Haller/Keller,N630.<br />

Die Gesetzgebungstechnik, womit ineiner oder mehreren speziellen Normen eines<br />

Erlasses anderen, spezifisch in den speziellen Normen genannten Best<strong>im</strong>mungen desselben<br />

Erlasses zwingender oder relativ zwingender Charakter zugewiesen wird, findet<br />

sich auch in Art. 97 <strong>und</strong> 98 VVG sowie in Art. 162 SSG. Vgl. dazu auch Daxelhoffer,<br />

S. 17 f.<br />

Art. 361 Abs. 1OR unterscheidet sich von Art. 97 Abs. 1 VVG <strong>und</strong> Art. 162<br />

Abs. 1SSG. Der Unterschied liegt darin, dass Art. 97 Abs. 1VVG («Folgende Vorschriften<br />

dieses Gesetzes dürfen durch Vertragsabrede nicht geändert werden: […])<br />

<strong>und</strong> Art. 162 Abs. 1SSG («Durch Vertragsabrede dürfen nicht geändert werden<br />

[…]») Best<strong>im</strong>mungen des jeweiligen Erlasses aufführen, welche durch vertragliche<br />

Abrede gar nicht geändert (d.h. weder eingeschränkt oder erweitert noch verschärft<br />

oder gemildert) werden dürfen. Es handelt sich dabei folglich umabsolut zwingende<br />

Vorschriften, die der Parteidisposition zur Gänze entzogen sind. Gemäss Wortlaut von<br />

Art. 361 Abs. 1ORfindet sich diese Kategorie von absolut zwingenden Best<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>im</strong> Arbeitsvertragsrecht nicht.<br />

Art. 98 Abs. 1VVG <strong>und</strong> Art. 162 Abs. 2SSG entsprechen der Struktur von Art. 362<br />

Abs. 2OR.<br />

Alle diese Best<strong>im</strong>mungen enthalten Vorschriften, welche ein auf vertraglicher Abrede<br />

beruhendes Abweichen von best<strong>im</strong>mten Gesetzesvorschriften zuungunsten der geschützten<br />

Vertragspartei unterbinden (der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte<br />

gemäss Art. 98 Abs. 1VVG oder der Seemann, der Inhaber einer Originalausfertigung<br />

eines Konnossements oder der Passagier gemäss Art. 162 Abs. 2lit. acSSG<br />

sowie der Arbeitnehmer gemäss Art. 362 Abs. 2OR).


§2 GRUNDLAGEN<br />

Umständen ist eine Abweichung möglich. ImVergleich zum jeweiligen Ingress<br />

von Art. 361 Abs. 1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR erscheint die Überschrift vor Art.<br />

361 Abs.1OR –«ZwingendeVorschriften»–insofern als widersprüchlich.<br />

91 Ungeachtet der Revision der Kataloge in Art. 361 Abs. 1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1<br />

OR <strong>im</strong> Rahmen der Revision des Kündigungsrechts dürfte in der Lehre <strong>und</strong><br />

Rechtsprechung unbestritten sein, dass die (heutigen) Kataloge gemäss Art. 361<br />

Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR nicht abschliessend sind. Eskann daher<br />

auch absolut zwingende sowie relativ zwingende Best<strong>im</strong>mungen geben, welche<br />

in der entsprechenden Liste inArt. 361 Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1OR<br />

nichtaufgeführtsind. 190<br />

A. Die Zulässigkeit vertraglicher Abweichungen von Art. 361 OR<br />

92 Die Zulässigkeit eines Abweichens von einer in Art. 361 Abs.1OR aufgeführten<br />

Best<strong>im</strong>mung beurteilt sich gemäss Wortlaut des Ingress von Art. 361 Abs. 1<br />

OR danach, ob die abweichende vertragliche Regelung weder zuungunsten des<br />

Arbeitgebers noch zuungunsten des Arbeitnehmers geht. Im Ergebnis macht<br />

dies einen wertenden Vergleich zwischen dem Regelungsgehalt der einzelnen,<br />

in Art. 361 Abs.1OR aufgeführten, gesetzlichen Norm <strong>und</strong> der davon abweichenden<br />

vertraglichen Parteivereinbarung erforderlich.<br />

93 Unter Hinweis auf die b<strong>und</strong>esgerichtliche Rechtsprechung 191 wurde in der Botschaft<br />

1984 erklärt, eine Best<strong>im</strong>mung des Arbeitsvertragsrechts sollte nur dann<br />

in den Katalog von Art. 361 Abs.1OR Eingang finden, wenn deren Regelungsgehalt<br />

beide Parteien schützt. 192 Diese Aussage ist durch den Wortlaut des<br />

Ingress‘ von Art. 361Abs.1OR gedeckt.<br />

94 Klassifizierend wurde in der Botschaft 1984 weiter ausgeführt, dass sich die <strong>im</strong><br />

Katalog von Art. 361 Abs.1OR einzureihenden Best<strong>im</strong>mungen gliedern lassen.<br />

In der Botschaft wurden zwei Kategorien mit wiederum zwei Untergruppen gebildet.<br />

Wird auf diese Gliederung inder Botschaft 1984 abgestellt, können somit<br />

vier Gruppen von andersartigen Normtypen unterschieden werden, welche<br />

in Art. 361Abs.1OR Eingang gef<strong>und</strong>en haben:<br />

190<br />

191<br />

192<br />

(1) Gemäss der Botschaft 1984 besteht die erste dieser vier Gruppen von<br />

zweiseitig zwingenden Best<strong>im</strong>mungen aus «Normen, die zwar nicht direkt<br />

das Verhältnis zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer betreffen,<br />

Vgl. BGE 132 III 32 (E.4.2.2.2, 40); BGE 126 III 337 (E. 7b, 344); BGE 124 III 469<br />

(E. 2a, 271); BGE 124 III 305 (E. 3, 309); Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 361/362 N1f.; Streiff/von Kaenel, Art. 361 N3<strong>und</strong> Art. 362 N6;Wyler,S.83f.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 27. Oktober 1981, SJ 104 (1982), S.229–232<br />

(E. 2/4, S.231 f.).<br />

BBl 1984 II, S. 617.<br />

47


§2 GRUNDLAGEN<br />

193<br />

194<br />

195<br />

48<br />

welche dennoch indas Arbeitsverhältnis hineinspielen <strong>und</strong> inBerücksichtigungöffentlicher<br />

Interessen erlassen wurden». 193<br />

(2) Indie zweite Gruppe gehören diejenigen «Vorschriften, mit welchen der<br />

Gesetzgeber nach Abwägung der gegensätzlichen Interessen der Parteien<br />

einedefinitive Lösunggetroffen hat». 194<br />

(3) Zur dritten Gruppe zählen gemäss Botschaft 1984 diejenigen «Best<strong>im</strong>mungen,<br />

welche beiden Parteien einen Mindestschutz gewähren. Laufen<br />

die von der Norm geschützten Parteiinteressen parallel, kann von der<br />

gesetzlichen Regelung abgewichen werden, dass die vertraglich günstigere<br />

Regelung beiden Parteien <strong>im</strong> gleichen Ausmass zugutekommt<br />

[…].». 195<br />

(4) Indie vierte <strong>und</strong> letzte Gruppe sind gemäss Botschaft 1984 schliesslich<br />

diejenigen Best<strong>im</strong>mungen einzureihen, «in denen der Schutz der einen<br />

Partei unabhängig vom Schutz der anderen bestehen kann.». Unter diesen<br />

Voraussetzungen «darfvon der gesetzlichen Regelung auch so abgewichen<br />

werden, dass die günstigere vertragliche Regelung nur einer<br />

Partei zugutekommt; ausgeschlossen sind aber Vereinbarungen, die den<br />

In BBl 1984 II, S. 617, werden folgende Beispiele genannt: Art. 325 Abs. 2OR(Abtretung<br />

<strong>und</strong> Verpfändung von <strong>Lohn</strong>forderungen), Art. 331 Abs. 1<strong>und</strong> 2OR(Zuwendungen<br />

für die Personalvorsorge) <strong>und</strong> Art. 342 Abs. 2OR(Zivilrechtliche Wirkungen des<br />

öffentlichen Rechts).<br />

In BBl 1984 II, S. 617, werden folgende Beispiele genannt: Art. 321c Abs. 1OR<br />

(Überst<strong>und</strong>enarbeit), Art. 329d Abs. 2 <strong>und</strong> 3 OR (Ferienlohn), Art. 337 Abs. 2OR<br />

(Fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen), Art. 337b Abs. 1OR (Folgen bei gerechtfertigter<br />

[fristloser] Auflösung), Art. 337d OR (Folgen bei ungerechtfertigtem<br />

Nichtantritt oder Verlassen der Stelle; Abs. 4des damaligen Art. 337d OR wurde per<br />

1. Januar 1989 gestrichen; vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 337d N1), Art. 339 Abs. 1OR<br />

(Fälligkeit der Forderungen), Art. 339a OR (Rückgabepflichten), Art. 340b Abs. 1<strong>und</strong><br />

2OR(Folgen der Übertretung des Konkurrenzverbotes) sowie, gemäss damaliger Vorlage,<br />

die Art. 335a Abs. 1(E-)OR (Kündigungsfristen; BBl 1984 II, S. 632 f., diese<br />

Norm trat unverändert in Kraft, fand aber keinen Eingang in den Katalog inArt. 361<br />

Abs. 1OR) <strong>und</strong> Art. 336d (E-)OR (Kündigung zur Unzeit durch den Arbeitnehmer;<br />

BBl 1984 II, S. 635, diese Normtrat unverändert in Kraft).<br />

In BBl 1984 II, S. 617, werden folgende Beispiele genannt: Art. 336 aOR (Kündigung<br />

<strong>im</strong> Allgemeinen bei unbest<strong>im</strong>mter Vertragszeit; vgl. BBl 1971 I, S. 1435; Art. 336<br />

Abs. 1aOR entspricht heute weitgehend Art. 335 Abs. 1OR; Art. 336 Abs. 2aOR<br />

entspricht dem heutigen Art. 335a Abs. 1OR; vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 335 N1<br />

sowie Art. 335a N1), Art. 336b Abs. 2aOR (Kündigung be<strong>im</strong> überjährigen Arbeitsverhältnis;<br />

vgl. BBl 1971 I, S. 1436; Art. 336b Abs. 2ORfloss in den heutigen<br />

Art. 335c Abs. 2ORein, vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 335c N1), Art. 336c aOR<br />

(Kündigung be<strong>im</strong> landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis; vgl. BBl 1971 I, S. 1436; auf<br />

Art. 336c aOR wurde verzichtet <strong>und</strong> die Norm wurde aufgehoben; vgl. BBl 1984 II,<br />

S. 591 sowie AS 1988 II, S. 1472 ff.) sowie Art. 350 OR (Besondere Kündigung be<strong>im</strong><br />

Handelsreisenden).


§2 GRUNDLAGEN<br />

gesetzlichen Mindestschutz der einen oder anderen Partei verletzen<br />

[…].». 196<br />

95 DieAusführungen in der Botschaft 1984 lassen aufdie gesetzgeberischen Intentionen<br />

schliessen, welche bei der Überarbeitung des Katalogs von Art. 361<br />

Abs.1OR verfolgt wurden. Sie sind deswegen <strong>im</strong> Sinne des historischen Auslegungselements<br />

197 zu berücksichtigen. Werden die Erläuterungen inder Botschaft<br />

1984 zu den vier Gruppen von Best<strong>im</strong>mungen kritisch gewürdigt, ist den<br />

Ausführungen in der Botschaft 1984 zur ersten <strong>und</strong> vierten Gruppe 198 <strong>im</strong> Ergebnis<br />

zuzust<strong>im</strong>men.<br />

96 Die Unabänderlichkeit derjenigen Vorschriften gemäss der ersten Gruppe, welche<br />

–obwohl innerhalb des Privatrechts –einem öffentlichen Interesse 199 dienen<br />

<strong>und</strong> überdies nur indirekt das Verhältnis zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

betreffen, ist ins<strong>besondere</strong> aufgr<strong>und</strong> der jeweiligen ratio legis nachvoll-<br />

196<br />

197<br />

198<br />

199<br />

In BBl 1984 II, S. 617, werden folgende Beispiele genannt: Art. 323b Abs. 2OR(Verrechnung<br />

mit Gegenforderungen), Art. 336e aOR (Kündigung zur Unzeit durch Arbeitgeber;<br />

vgl. BBl 1971 I, S. 1436 f.; Art. 336e aOR wurde aufgehoben [vgl.<br />

AS 1988 II, S. 1474 f.], ist jedoch weitgehend identisch mit dem heutigen Art. 336c<br />

OR, der sich <strong>im</strong> Katalog von Art. 362 Abs. 1ORbefindet); vgl. Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 336c N1), Art. 336f aOR (Kündigung zur Unzeit durch Arbeitnehmer, vgl.<br />

BBl 1971 I, S. 1437; Art. 336f aOR wurde aufgehoben [vgl. AS1988 II, S.1474 f.],<br />

entspricht indes fast wörtlich dem heutigen Art. 336d OR; vgl. Streiff/von Kaenel, Art.<br />

336d N 1), Art. 336g aOR (Kündigung wegen Militärdienstes; vgl. BBl 1971 I,<br />

S. 1437; Art. 336g aOR wurde aufgehoben [AS 1998, S. 1472], Teile davon wurden in<br />

die heutigen Art. 336a <strong>und</strong> 336b OR verschoben; vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 336a<br />

N1<strong>und</strong> Art. 336b N1)sowie, gemäss damaliger Vorlage, die Art. 335 Abs. 2E-OR<br />

(Begründung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses; vgl. BBl 1984 II, S. 632; bis<br />

auf eine sprachliche Anpassung entspricht Art. 335 Abs. 2 E-OR dem heutigen<br />

Art. 335 Abs. 2OR), Art. 336 E-OR (Missbräuchliche Kündigung <strong>im</strong> Allgemeinen;<br />

vgl. 1984 II, S.633; Art. 336 Abs. 1E-OR wurde überarbeitet, mit Art. 336a E-OR<br />

kombiniert <strong>und</strong> findet sich <strong>im</strong> Wesentlichen <strong>im</strong> heutigen Art. 336 OR; Art. 336 Abs. 2<br />

E-OR entspricht dem heutigen Art. 336a Abs. 1OR; Art. 336 Abs. 3E-OR wurde<br />

überarbeitet <strong>und</strong> findet sich heute teilweise in Art. 336a Abs. 2OR), Art. 336b E-OR<br />

(Kündigung wegen Militärdienstes oder Erfüllung gesetzlicher Pflichten; vgl. 1984 II,<br />

S. 634; Art. 336b Abs. 1E-OR entspricht <strong>im</strong> Wesentlichen dem heutigen Art. 336<br />

Abs. 1lit. eOR; Art. 336b Abs. 2E-OR wurde überarbeitet <strong>und</strong> findet sich heute teilweise<br />

in Art. 336a Abs. 2OR), Art. 337 Abs. 1(E-)OR (Fristlose Auflösung aus wichtigen<br />

Gründen; vgl. BBl 1984 II, S. 636, trat unverändert inKraft).<br />

Zum historischen Auslegungselement mit seinen unterschiedlichen Spielarten vgl.<br />

Kramer, S. 116 ff.; BE-Komm.-Meier-Hayoz, Art. 1ZGB N151 ff. sowie N214 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 94(1) <strong>und</strong> Rz. 94(4).<br />

Diese «öffentlichen Interessen» werden in der Botschaft 1984 nicht explizit genannt.<br />

Nach Daxelhoffer, S. 28 ff., bezweckte der Gesetzgeber ins<strong>besondere</strong> die Vermögens<strong>und</strong><br />

Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers zu schützen. Be<strong>im</strong> Arbeitgeber steht der<br />

Vermögensschutz <strong>im</strong>Vordergr<strong>und</strong>.<br />

49


§2 GRUNDLAGEN<br />

50<br />

ziehbar <strong>und</strong> sachlich begründet. Als Beispiel mag das Abtretungs- <strong>und</strong> Pfändungsverbot<br />

gemäss Art. 325 OR 200 zugunsten von Dritten dienen. Danach sind<br />

–nach herrschender Lehre 201 –die Abtretung <strong>und</strong> die Verpfändung von künftigen<br />

<strong>Lohn</strong>forderungen gemäss Art. 325 Abs.2OR (zur Sicherung bzw.) zur Begleichung<br />

anderer Verbindlichkeiten als Unterhalts- <strong>und</strong> Unterstützungspflichten<br />

des Arbeitnehmers gemäss Art. 325 Abs.1OR nichtig. 202 Der Arbeitnehmer<br />

soll davor geschützt werden, wegen einer <strong>Lohn</strong>zession seinen Lebensunterhalt<br />

nicht mehr bestreiten zu können. Trotz der gesetzgeberischen Intention, die Best<strong>im</strong>mungen<br />

dieser Gruppe für die Parteien eines Arbeitsvertrags unabänderlich<br />

auszugestalten, erscheint die dogmatische Einordnung unter Art. 361 Abs.1OR<br />

aus zwei Gründen wenig glücklich. Der erste Gr<strong>und</strong> liegt darin, dass die Unabänderlichkeit<br />

der Best<strong>im</strong>mungen dieser ersten Gruppe sich mit dem (klaren)<br />

Wortlaut des Ingress von Art. 361 Abs.1OR nicht inEinklang bringen lässt.<br />

Der zweite Gr<strong>und</strong> liegt darin, dass sich die <strong>im</strong>öffentlichen Interesse aufgestellten<br />

Regeln nicht nur auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

beziehen. Wenn vom Gedanken ausgegangen wird, dass die Regeln des<br />

Arbeitsvertragsrechts sich (nur) auf die Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen<br />

Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer als Vertragsparteien beziehen (sollten),<br />

erscheinen diese absolut zwingenden Regelungen <strong>im</strong>Arbeitsrecht als Fremdkörper.<br />

97 Bei der vierten Gruppe von Best<strong>im</strong>mungen gemäss Art. 361 Abs.1OR sind die<br />

Parteiinteressen gestützt auf die Erläuterungen in der Botschaft 1984 voneinander<br />

unabhängig. Daher wird erklärt, es dürfe von diesen Best<strong>im</strong>mungen auch<br />

zugunsten von nur einer Partei abgewichen werden. Allerdings darf der Mindestschutz<br />

der anderen Partei dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.<br />

Als Beispiel sei hier Art. 335 Abs. 2ORangeführt. 203 Danach muss die den Arbeitsvertrag<br />

kündigende Partei auf Verlangen der anderen Partei die Kündigung<br />

schriftlich begründen. In Abweichung von der gesetzlichen Gr<strong>und</strong>regel könnte<br />

in diesem Fall etwa vereinbart werden, dass der Arbeitgeber seine Kündigung<br />

200<br />

201<br />

202<br />

203<br />

Zur wenig glücklichen Formulierung von Art. 325 Abs. 2OR, welche dem Wortlaut<br />

nach nur die Zession künftiger <strong>Lohn</strong>forderungen «zur Sicherung» von Verbindlichkeiten<br />

des Arbeitnehmers, nicht aber andere Formen der Zession erfasst werden, ins<strong>besondere</strong><br />

die Zession zahlungshalber, vgl. statt mehrerer: BSK OR-I, Portmann, Art.<br />

325 N1;Bucher, <strong>Lohn</strong>zession, S. 112; Mang, S. 53 ff. Zur Zession <strong>im</strong> Allgemeinen<br />

sowie zur Zession zahlungshalber vgl. statt mehrerer: Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3398 ff. sowie N3413 <strong>und</strong> N3512 f.; Koller, §84N1ff. sowie §84N186 ff.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 325 N2;CHK-Emmel, Art. 325 N2;CRCOI-<br />

Aubert, Art. 325 N1;Mang, S. 53 ff.; KUKO OR-Pietruszak, Art. 325 N5; Rehbinder,<br />

N216; Vischer, S. 119; Wyler, S. 267; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 325 N2 <strong>und</strong><br />

N6;zurückhaltend: BSK OR I-Portmann, Art. 325 N1.<br />

Vgl. BGE 120 III 18 (E.4,20); BGE 117 III 52 (E. 3a, 55 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom19. Januar 2004, 7B.4/2004, E. 1.<br />

BBl 1984 II, S. 617; vgl. auch Fn. 196.


§2 GRUNDLAGEN<br />

ohne entsprechende Aufforderung des Arbeitnehmers begründen muss. 204 Ein<br />

Konflikt mit dem Wortlaut von Art.361 Abs. 1ORist bei dieser Gruppe nicht<br />

auszumachen.<br />

98 Bei der zweiten Gruppe von Best<strong>im</strong>mungen lag, sodie Botschaft 1984, die gesetzgeberische<br />

Intention vor, eine definitive Interessenabwägung zwischen sich<br />

widerstrebenden Parteiinteressen zu treffen. Diese Gruppe von Best<strong>im</strong>mungen<br />

sowie der dieser Gruppe zugr<strong>und</strong>e liegende Begründungsansatz erscheint aus<br />

zwei Gründen problematisch. Zum einen hat sich die wirtschaftliche Realität in<br />

den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gewandelt. Die damaligen Intentionen<br />

des Gesetzgebers mögen der heutigen wirtschaftlichen Realität womöglich<br />

nicht mehr inallen Aspekten gerecht zuwerden. Über den Wandel der wirtschaftlichen<br />

Realität hinaus ist zum anderen kaum mehr erkennbar, auf welcher<br />

dogmatischen Gr<strong>und</strong>lage dem historischen Auslegungselement gegenüber der<br />

grammatikalischen Auslegung von Art. 361 Abs.1OR per seein Vorrang eingeräumt<br />

werden sollte <strong>und</strong> müsste. Es sollte daher eine differenzierende Betrachtungsweise<br />

erfolgen, welche zu flexibleren Lösungen führen kann, ohne<br />

dass dabei wohlverstandene Schutzinteressen beider Parteien vernachlässigt<br />

odergar geopfert werden müssten.<br />

99 Fällt eine vertragliche Vereinbarung in den Anwendungsbereich einer in<br />

Art. 361 Abs.1OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mung, erscheint essachgerecht, in einem<br />

ersten Schritt die abstrakten Parteiinteressen zu ermitteln, welche durch die<br />

entsprechende Best<strong>im</strong>mung berührt werden. Stellt sich dabei heraus, dass diese<br />

abstrakten Interessen der Parteien sich <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz widerstreben, wäre in einem<br />

zweiten Schritt zu prüfen, obessich <strong>im</strong> Sinne einer geltungszeitlichen<br />

Auslegung 205 der infrage stehenden Sachnorm auf objektiv-sachlicher Basis 206<br />

in der Tat (noch) rechtfertigt, den Parteien jeglichen vertraglichen Gestaltungsspielraum<br />

abzusprechen. Wäre dies zu bejahen, läge (nach wie vor) ein Fall einerdefinitiven,gesetzgeberischen<br />

Interessenabwägungvor,welche es zu beachten<br />

gilt. Eine abweichende Vereinbarung wäre unzulässig.<br />

100 Sollten jedoch Zweifel angebracht sein, obes(nach wie vor) sachgerecht ist,<br />

den Parteien bei prinzipiell gegensätzlichen Interessen jeglichen Gestaltungsspielraum<br />

abzusprechen, wären der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mung die vertraglichen<br />

Vereinbarungen gegenüberzustellen. Dabei sollte das Augenmerk nicht auf eine<br />

einzelne vertragliche Vereinbarung <strong>und</strong> eine einzige inArt. 361 Abs.1OR genannte<br />

gesetzliche Best<strong>im</strong>mung gelegt werden. Vielmehr sollten alle vertraglichen<br />

Vereinbarungen <strong>und</strong> gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen berücksichtigt werden,<br />

204<br />

205<br />

206<br />

Ebenso: Streiff/von Kaenel, Art. 361 N4.<br />

Vgl. Kramer, S.116 ff.<br />

Daxelhoffer, S. 28 ff., ins<strong>besondere</strong> S.31f.; Streiff/von Kaenel, Art. 362 N3;ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 362 N3.<br />

51


§2 GRUNDLAGEN<br />

52<br />

die demselben sachlichen Themenkomplex zugeordnet werden können. 207 Sämtliche<br />

Regelungen <strong>im</strong>Vertrag zum relevanten Themenkomplex sind danach am<br />

Regelungskomplex zu messen, zuwelchem auch eine inArt. 361 Abs.1OR<br />

aufgeführte Best<strong>im</strong>mung gehört. Erst aufgr<strong>und</strong> eines solchen Vergleichs sollte<br />

beurteilt werden, obsich ein Festhalten aneiner definitiven, gesetzgeberischen<br />

Interessenabwägung noch rechtfertigt. Bleiben aufgr<strong>und</strong> eines solchen Gesamtvergleichs<br />

Zweifel an einer definitiven, gesetzgeberischen Interessenabwägung<br />

bestehen, wäre danach für den Arbeitgeber <strong>und</strong> den Arbeitnehmer jeeinzeln zu<br />

prüfen, ob<strong>und</strong> inwiefern der Komplex der zusammenhängenden, vertraglichen<br />

Abreden <strong>im</strong> wertenden Vergleich zur gesetzlichen Gesamtregelung <strong>im</strong> Ergebnis<br />

eine Schlechterstellung der einen oder anderen Partei bedeutet. Wäre <strong>im</strong> Ergebnis<br />

eine Schlechterstellung einer Partei zu bejahen, wäre die abweichende vertragliche<br />

Regelung unzulässig. Ergäbe der wertende Vergleich jedoch eine Besserstellung<br />

einer Partei, ohne dass die andere Partei dadurch <strong>im</strong> Ergebnis objektiv<br />

schlechter gestellt wird, oder werden sogar beide Parteien objektiv besser<br />

gestellt, sollte eine solche vertragliche Vereinbarung nicht von vornherein an<br />

einer schematischen <strong>und</strong> damit (allzu) einschränkenden Auslegung von Art. 361<br />

Abs.1OR scheitern.<br />

101 Als Beispiel für eine Norm, bei welcher der Gesetzgeber gemäss Botschaft<br />

1984 eine definitive Interessenabwägung hat treffen wollen, kann auf Art. 339<br />

Abs.1OR hingewiesen werden. Gemäss dieser Best<strong>im</strong>mung werden –soweit<br />

keine gesetzliche Ausnahme vorgesehen ist 208 –alle gegenseitigen Forderungen<br />

zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

209 fällig. Der wesentliche Zweck dieser Best<strong>im</strong>mung dürfte darin liegen,<br />

die Folgen der Beendigung des Arbeitsvertrags möglichst rasch abzuwickeln.<br />

Diese gesetzgeberische Intention ist zwar nachvollziehbar. Weshalb deswegen<br />

jedoch sämtliche Forderungen <strong>und</strong> Gegenforderungen zwischen den Parteien<br />

ungeachtet der Art <strong>und</strong> des Ursprungs der einzelnen Forderung sofort fällig<br />

werden müssten, wenn den Parteien aus sachlichen Gründen eine andere Lösung<br />

günstiger <strong>und</strong> ausgewogenererscheint, istdurchausfragwürdig. 210<br />

207<br />

208<br />

209<br />

210<br />

In der Lehre wird dafür auch der Begriff des «Gruppenvergleichs» verwendet: BSK<br />

OR I-Rehbinder/Portmann, Art. 362 N 1; Streiff/von Kaenel, Art. 362 N3; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 362 N3.<br />

Vgl. Art. 339 Abs. 2<strong>und</strong> 3OR.<br />

In der deutschen <strong>und</strong> italienischen Fassung von Art. 339 Abs. 1ORspricht das Gesetz<br />

von «Beendigung des Arbeitsverhältnisses» bzw. «con la fine del rapporto dilavoro».<br />

Die französische Fassung, «à la fin ducontrat»,erscheint präziser gefasst.<br />

Vgl. ZH-Komm.-Staehelin, Art. 339 N13, welcher zu Recht darauf hinweist, dass es<br />

keinen triftigen Gr<strong>und</strong> gibt, weshalb, z.B. bei der Rückzahlung des Arbeitnehmers von<br />

<strong>im</strong> Voraus zuviel bezahltem Auslagenvorschuss (Art. 327c Abs. 2OR), keine andere<br />

vertragliche Lösung möglich sein soll.


§2 GRUNDLAGEN<br />

102 Als dritte Gruppe der inArt. 361 Abs.1OR enthaltenen Best<strong>im</strong>mungen erwähnt<br />

die Botschaft 1984 diejenigen, bei welchen die Interessen der Parteien<br />

parallel verlaufen. Indiesen Fällen ist gemäss Botschaft 1984 eine besserstellende<br />

Abweichung von der fraglichen, inArt.361 Abs. 1ORenthaltenen Best<strong>im</strong>mung<br />

zulässig. Verlangt wird dabei weiter, dass beide Parteien <strong>im</strong> gleichen<br />

Ausmass bessergestellt werden. Vom Gesetzestext von Art. 361 Abs.1OR erscheint<br />

dieses Postulat indes nicht gedeckt. 211 Die formelhafte Forderung, bei<br />

einer Abweichung von einer in Art. 361 Abs. 1ORaufgeführten Best<strong>im</strong>mungen<br />

müssten beide Parteien in gleichem Ausmass begünstigt werden, vermag daher<br />

nicht vollends zu überzeugen. Auch in solchen Konstellationen sollte, wiederum<br />

ohne wohlverstandene Schutzbedürfnisse zu vernachlässigen, eine differenzierende<br />

Betrachtungsweise Platz greifen. Ins<strong>besondere</strong> wenn eine einseitige<br />

(Mehr-)Begünstigung zwischen den Parteien thematisiert wurde <strong>und</strong> die<br />

(Mehr-)Begünstigung auf einer für die Parteien relevanten, objektiv-sachlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage steht, wäre unter dem Aspekt der Abweichung von einer in Art. 361<br />

Abs.1OR aufgeführten Best<strong>im</strong>mung nur zugunsten einer Partei <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz<br />

nichts einzuwenden. Allenfalls problematisch könnte eine einseitige<br />

(Mehr-)Begünstigung wohl nur dann werden, wenn diese einseitige (Mehr-)<br />

Begünstigung andere, (einseitig oder zweiseitig) zwingende Mindestschutzrechte<br />

der minderbegünstigten Partei auszuhöhlen droht. Ein solches Szenario müsste<br />

<strong>im</strong> Einzelfall untersucht werden. Keine solchen Schwierigkeiten dürften allerdings<br />

dann zu erwarten sein, wenn z.B. eine Erweiterung der Fälle der missbräuchlichen<br />

Kündigung gemäss Art. 336 Abs. 1OR nur zugunsten der einen<br />

oder anderen Partei vereinbart wird. 212 Ebenso wenig würde eine solche Gefahr<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Frist von Art. 336b Abs. 1OR für das schriftliche Opponieren<br />

bestehen, umeine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung geltend<br />

machen zu können. Zwarwird in allen Fassungen von Art. 336b Abs.1OR von<br />

einem <strong>im</strong>perativen «müssen» («devoir»; «dovere») gesprochen. Gleichwohl ist<br />

schwerlich einzusehen, weshalb –vor allem bei kurzen Kündigungsfristen –ei-<br />

211<br />

212<br />

Vgl. auch oben Rz. 17f.Anhand der Beispiele, welche inder Botschaft 1984 für diese<br />

Gruppe von unter Art. 361 Abs. 1ORfallenden Best<strong>im</strong>mungen angeführt werden (vgl.<br />

oben Fn. 195), dürfte indieser Aussage teilweise auch der Gedanke der Kündigungsparität<br />

innewohnen, welcher die Revision des Kündigungsrechts massgeblich prägte.<br />

Kritisch zum Paritätsgedanken äussern sich etwa Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 336 N12; vgl. auch Streiff/von Kaenel, Art. 336 N10.<br />

Vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 336 N1, wo die einseitige Verbesserung zugunsten<br />

des Arbeitnehmers bejaht wird; KUKO OR-Schwaibold, Art. 336 N 5 f.; anders:<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 336 N12, welche –trotz Kritik ander Berechtigung<br />

des Paritätsgedankens <strong>im</strong> Rahmen von Art. 336 OR –nur eine paritätische Abweichung<br />

von Art. 336 Abs. 1ORzulassen; <strong>im</strong> Ergebnis wohl gleicher Ansicht: ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 336 N39; vgl. auch Streiff/von Kaenel, Art. 336 N10, welche<br />

die Parität zugunsten des Arbeitgebers <strong>im</strong>Rahmen von Art. 336 ORmangels Relevanz<br />

in der Praxisals «Fiktion» bezeichnen.<br />

53


§2 GRUNDLAGEN<br />

54<br />

ne einseitige (Mehr-)Begünstigung der einen oder anderen Partei 213 zur Erhebung<br />

einer Einsprache unstatthaft sein soll, wenn sich die Parteien gestützt auf<br />

sachliche Gründe darauf verständigt haben. 214 Eine weitere Stütze fände die Zulässigkeit<br />

der einseitigen (Mehr-)Begünstigung schliesslich auch <strong>im</strong> Umstand,<br />

dass die Verwirkung des Rechts auf eine Entschädigung gemäss Art. 336b<br />

Abs.2OR in Kombination mit der Klagefrist von 180 Tagen nach Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses beiden Parteien einen hinreichenden Mindestschutz<br />

gewährt. 215<br />

103 Gegen eine einseitige (Mehr-)Begünstigung wird teilweise auch eingewendet,<br />

verfahrensrechtliche 216 Best<strong>im</strong>mungen seien der Parteidisposition entzogen. 217<br />

Dieser Auffassung kann indessen nur beschränkte Überzeugungskraft zuerkannt<br />

werden, dadas nationale ebenso wie das internationale Zivilprozessrecht den<br />

Parteien eines Arbeitsvertrags, wenn auch beschränkte, Gestaltungsmöglichkeiten<br />

eröffnet. 218<br />

B. Die Zulässigkeit vertraglicher Abweichungen von Art. 362 OR<br />

104 ImRahmen von Art. 362 Abs.1OR ist nach dem Wortlaut dieser Best<strong>im</strong>mung<br />

ein Abweichen zuungunsten des Arbeitnehmers unzulässig. ImUmkehrschluss<br />

ergibt sich daraus das sogenannte Günstigkeitsprinzip. 219 Danach kann für den<br />

Arbeitnehmer eine vertragliche Vereinbarung getroffen werden, welche –in<br />

Abweichung von der infrage stehenden Norm des Arbeitsvertragsrechts –für<br />

213<br />

214<br />

215<br />

216<br />

217<br />

218<br />

219<br />

Vgl. ZH-Komm.-Staehelin, Art. 336b N10; beispielsweise könnte vereinbart werden,<br />

dass der Arbeitnehmer innert einem Monat <strong>und</strong> der Arbeitgeber innert zweier Monate<br />

nach Ende der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache jeweils mit eingeschriebenem<br />

Brief erheben kann.<br />

Anders: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 336b N10, welcher eine paritätische Verbesse-<br />

rung des Mindestschutzes verlangt.<br />

Die inArt. 336b Abs. 2ORstatuierte Verwirkungsfrist für die Entschädigungsklage<br />

erscheint als Best<strong>im</strong>mung, welche definitionsgemäss der Parteidisposition entzogen<br />

ist; BGE 119 II 434 (E. 2a; 435); BGE115 V22(E. 3a, 24); hingegen wurde die Möglichkeit<br />

einer Wiederherstellung einer Verwirkungsfrist gemäss Art. 139 aOR bejaht,<br />

vgl. BGE 100 II 278 (E.3,284 f.); BGE 93 II 367 (E. 3, 367f.); wohl anders inBezug<br />

auf die Verwirkungsfrist: Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,Art. 336b N4.<br />

Vgl. die Marginalie zu Art. 336b OR.<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 336b N6.<br />

Art. 18 ff. LugÜ, insb. Art. 21 LugÜ (Art. 5Ziff. 1<strong>und</strong> Art. 17 Ziff. 5aLugÜ); Art. 34<br />

<strong>und</strong> 35 ZPO (vgl. auch die früheren Art. 21 <strong>und</strong> 24 GestG).<br />

Brand/Dürr et al., Überschrift vor Art. 362 N2;BSK OR I-Portmann, Art. 362 N1.<br />

Zum Günstigkeitsprinzip bei Gesamtarbeitsverträgen, vgl. Art. 357 Abs. 2ORsowie<br />

aus der Literatur: Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 357 N16; CR CO I-Aubert,<br />

Art. 357 N5;Portmann/Stöckli, N1121 <strong>und</strong> N1149; Streiff/von Kaenel, Art. 356 N7<br />

<strong>und</strong> Art. 357 N3.


§2 GRUNDLAGEN<br />

den Arbeitnehmer günstiger ist. Art. 362 Abs.1OR stellt damit einseitige Mindestschutzvorschriften<br />

zugunsten desArbeitnehmers auf.<br />

105 Indenjenigen Konstellationen, in welchen der Arbeitgeber eine über das gesetzlich<br />

statuierte Min<strong>im</strong>um hinausgehende, positive Leistung zuhanden des Arbeitnehmers<br />

erbringt, stellt sich die Frage, ob damit der Arbeitnehmer besser<br />

gestellt wird, nicht. Beispielsweise dürfte nicht inAbrede gestellt werden können,<br />

dass <strong>im</strong> Vergleich zum gesetzlichen Min<strong>im</strong>umvon vier Wochen Ferien pro<br />

Jahr gemäss Art. 329a Abs. 1ORsich eine fünfte Woche bezahlte Ferien zugunsten<br />

desArbeitnehmers auswirkt.<br />

106 Die von der gesetzlichen Mindestschutzvorschrift abweichende Vereinbarung<br />

zugunsten des Arbeitnehmers kann auch in anderer Form als einer zusätzlichen,<br />

positiven Leistung des Arbeitgebers bestehen, welche über das gesetzliche Min<strong>im</strong>um<br />

hinausgeht. So könnte der Arbeitgeber sich in Abweichung von<br />

Art. 321e Abs.1OR gegenüber dem Arbeitnehmer auch dazu verpflichten, den<br />

Arbeitnehmer für einen, dem Arbeitgeber mit leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit<br />

zugefügten Schaden nicht zu belangen. Eine weitergehende Freizeichnungsvereinbarung<br />

zugunsten des Arbeitnehmers würde hingegen am zwingenden<br />

220 Art. 100 Abs.1OR scheitern. Denn nach der letztgenannten Best<strong>im</strong>mung<br />

sind <strong>im</strong> Voraus getroffene Abreden, welche eine Haftung für rechtswidrige Absicht<br />

<strong>und</strong> grobe Fahrlässigkeit ausschliessen, nichtig. 221 Es läge ineinem solchen<br />

Fall eine einseitige Einschränkung einer dem Arbeitgeber zustehenden<br />

Rechtspositionvor,welchesich zugunsten desArbeitnehmers auswirkt.<br />

107 Eine weitere Art der Besserstellung des Arbeitnehmers könnte darin bestehen,<br />

dass vertraglich vereinbart wird, den Schutz vor einer missbräuchlichen Kündigung<br />

gemäss Art. 336 Abs.2OR zugunsten des Arbeitnehmers zu erweitern. So<br />

kann sich ein Arbeitgeber verpflichten, den Schutz von Art. 336 Abs.2<br />

lit. bORauch auf nicht gewählte Vertreter der Arbeitnehmer 222 <strong>und</strong> auf andere<br />

Arbeitnehmer auszudehnen, welche z.B. die Funktion einer innerbetrieblichen<br />

Ansprech- <strong>und</strong> Vertrauensperson für andere Arbeitnehmer ausüben. 223 Ebenfalls<br />

möglich wäre es, eine solche arbeitgeberseitige Zusage mit einem zeitlichen<br />

Element, 224 das Art. 336b Abs.2lit. bORebenfalls innewohnt, 225 zu verknüp-<br />

220<br />

221<br />

222<br />

223<br />

224<br />

BSK OR I-Wiegand, Art.100 N1.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 321e N13; Brühwiler, Art. 321e N5c; BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 321e N19; Duc/Subilia, Art. 321e N15; Streiff/von Kaenel, Art. 321e N5;ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 321e N41.<br />

Zum gewählten Arbeitnehmervertreter vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 336 N12; Troxler,<br />

S. 112.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 27. März 1992, JAR 1993, S. 203 ff. (E. 2,<br />

204 f.).<br />

Dieses zeitliche Element darf nicht mit dem zeitlichen Kündigungsschutz gemäss<br />

Art. 336c OR verwechselt werden;BGE 133 III 512 (E. 6.1, 513 f.).<br />

55


§2 GRUNDLAGEN<br />

56<br />

fen. Die vertragliche Zusage des Arbeitgebers könnte folglich darin bestehen,<br />

einer innerbetrieblichen Vertrauensperson nicht nur während der Ausübung dieser<br />

Funktion, sondern auch während einer best<strong>im</strong>mten Zeit nach Aufgabe dieser<br />

Funktion 226 einen erweiterten sachlichen Kündigungsschutz zu gewähren. 227 Die<br />

Position eines solchen Arbeitnehmers dürfte sich damit –über die gesetzlich<br />

vorgesehene Beweislastumkehrhinaus–weiter verbessern. 228<br />

C. DieRechtsfolgen beiVerletzung von Art. 361<strong>und</strong> 362OR<br />

108 Die Rechtsfolgen einer Verletzung von Art. 361 Abs.1<strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR<br />

sind <strong>im</strong>jeweiligen Absatz 2einheitlich geregelt. Wenn eine vertragliche Abrede<br />

in einem Arbeitsvertrag Art. 361 Abs.1OR oder Art. 362 Abs.1OR verletzt,<br />

ist dieentsprechendevertraglicheAbredenichtig.<br />

109 Nach unbestrittener Ansicht wird die nichtige Vereinbarung durch die zwingende<br />

gesetzliche Best<strong>im</strong>mung ersetzt. Es tritt daher keine Nichtigkeit des ganzen<br />

Arbeitsvertrags ein. Art. 361 Abs. 2<strong>und</strong> Art. 362 Abs. 2ORsind <strong>besondere</strong><br />

Vorschriften, welche der allgemeinen Norm inArt. 20 OR vorgehen, sodass die<br />

Frage nach dem hypothetischen Willen der Parteien, obder Vertrag auch ohne<br />

dienichtigeAbredeabgeschlossen worden wäre, keineBedeutungzukommt. 229<br />

225<br />

226<br />

227<br />

228<br />

229<br />

Troxler, S. 110.<br />

Vgl. auch Art. 12Abs. 2Mitwirkungsgesetz, wonach Mitglieder der Arbeitnehmervertretung<br />

von der Arbeitgeberseite während des Mandats <strong>und</strong> nach dessen Beendigung<br />

wegen Ausübung dieser Tätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen. Gleiches gilt für<br />

Kandidaten, welche sichzur Wahl stellen.<br />

Weitergehend Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 336 N10, die unabhängig vom<br />

zeitlichen Element in Art. 366b Abs. 2lit. aORjede Kündigung aufgr<strong>und</strong> der Position<br />

als Arbeitnehmervertreter als missbräuchlich betrachten.<br />

Zur Beweislast <strong>und</strong> den Beweisthemen vgl. BGE 133 III 512 (E. 6.1, 513 f.); Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 12. August 1997, JAR 1998, S. 199 ff. (E. 2a/3b,<br />

199 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. November 1994, JAR 1995, S. 154 ff.<br />

(E. 1b, 154 ff.).<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 361/362 N5;BSK OR I-Portmann, Art. 361<br />

N3<strong>und</strong> Art. 362 N1;CRCOI-Aubert, Art. 361/362 N3;Streiff/von Kaenel, Art. 361<br />

N6<strong>und</strong> Art. 362 N7;ZH-Komm.-Staehelin, Art.361 N12<strong>und</strong> Art. 362 N5.


§3 Die Entstehung des Arbeitsvertrags als notwendige Voraussetzung<br />

von <strong>Lohn</strong><br />

IV. Die Entstehung des Arbeitsvertrags nach den allgemeinen Regeln<br />

des OR<br />

110 Für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags gelten –wie für alle Verträge –<br />

die allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen des OR. Der Abschluss des Arbeitsvertrags<br />

setzt somit voraus, dass die Parteien handlungsfähig sind oder bei minderjährigen<br />

oder entmündigten Personen die Zust<strong>im</strong>mung des gesetzlichen Vertreters<br />

vorliegt. 230 Nach Art. 1ORist weiter erforderlich, dass für die Entstehung eines<br />

(Einzelarbeits-)Vertrags zwischen den Parteien inhaltlich übereinst<strong>im</strong>mende,<br />

gegenseitige oder aufeinander bezogene Willenserklärungen ausgetauscht werden.<br />

Der Austausch der Willenserklärungen kann dabei ausdrücklich (schriftlich,mündlich,telefonisch<br />

231 )oderkonkludent 232 erfolgen.<br />

111 Schriftlichkeit ist für den Abschluss eines Arbeitsvertrags gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />

erforderlich. Gemäss Art. 320 Abs.1OR kann ein Arbeitsvertrag formfrei abgeschlossen<br />

werden,soweit dasGesetz keineandere Best<strong>im</strong>mungen enthält. 233<br />

112 Den Parteien steht esaber ohne Weiteres frei, selbst eine best<strong>im</strong>mte Form zu<br />

vereinbaren. 234 Darüber hinaus verlangen verschiedene gesetzliche Best<strong>im</strong>mun-<br />

230<br />

231<br />

232<br />

233<br />

234<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N1;Brühwiler, Art. 320 N6f.; Duc/<br />

Subilia, Art.320 N7;Rehbinder, N55; Wyler, S. 79.<br />

Vgl. Art. 4Abs. 2OR.<br />

Vgl. Gauch/Schluep/Schmid, N188 ff., N382 <strong>und</strong> N445; Koller, §3 N114 ff. <strong>und</strong><br />

§12N3f.; Schwenzer,N26.26 <strong>und</strong> N27.08 ff.<br />

Ausnahmen vom Gr<strong>und</strong>satz der Formfreiheit bestehen für die «<strong>besondere</strong>n Einzelarbeitsverträge»<br />

(siehe die Überschrift des Zweiten Abschnitts des Zehnten Titels des<br />

OR) sowie für den Heuervertrag für Schiffsbesatzungen. Diese Formvorschriften sind<br />

indessen von unterschiedlichem Gehalt. Für den Lehrvertrag gemäss Art. 344a<br />

Abs. 1OR<strong>und</strong> den Heuervertrag in Art. 69 Abs. 2SSG ist die schriftliche Form Gültigkeitsvoraussetzung.<br />

Für den Handelsreisendenvertrag gilt gemäss Art. 347a<br />

Abs. 1lit. cOR, dass u.a. das Entgelt <strong>und</strong> der Auslagenersatz in einem schriftlichen<br />

Vertrag festzuhalten sind. Geschieht dies nicht, gelten die gesetzlichen Vorschriften<br />

<strong>und</strong> die üblichen Arbeitsbedingungen. Für den He<strong>im</strong>arbeitsvertrag gilt für <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong><br />

Entschädigung für zubeschaffendes Material gemäss Art. 347a Abs. 1<strong>und</strong> 2ORAnaloges,<br />

vgl. auch Art. 3HArG. Für Gesamtarbeitsverträge vgl. Art. 356c OR; für Normalarbeitsverträge<br />

vgl. Art. 360 Abs. 2OR; für die Arbeitsvermittlung <strong>und</strong> den Personalverleih<br />

vgl. Art. 8AVG, Art. 19 Abs. 1–3 AVG <strong>und</strong> Art. 48 AVV.<br />

Art. 16 OR.<br />

57


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

58<br />

gen 235 dispositiver Natur, dass eine Parteiabrede, welche von einer gesetzlichen<br />

Regelung abweicht, schriftlich getroffen werden muss. 236 In diesem Fällen handelt<br />

es sich beider SchriftformumGültigkeitsvoraussetzungen. 237<br />

113 Von Bedeutung <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Schriftlichkeit des Arbeitsvertrags<br />

ist auch Art. 330b OR. Diese Best<strong>im</strong>mung auferlegt dem Arbeitgeber die<br />

Pflicht, den Arbeitnehmer über die bedeutsamsten Vertragspunkte 238 schriftlich<br />

zu informieren, sofern das Arbeitsverhältnis auf unbest<strong>im</strong>mte Zeit oder für<br />

mehr als einen Monat eingegangen wurde. 239 Aufgr<strong>und</strong> des Wortlauts sowie der<br />

systematischen Stellung von Art. 330b OR ergibt sich, dass die Möglichkeit des<br />

formlosen Abschlusses eines Arbeitsvertrags durch diese Best<strong>im</strong>mung nicht<br />

tangiert wird. 240<br />

114 Die Vereinbarung zwischen den Parteien muss sich zumindest auf die wesentlichen<br />

Vertragspunkte beziehen, damit der Vertrag zustande kommt. 241 Die Willenserklärungen<br />

der Parteien müssen be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag die in Art. 319<br />

Abs.1OR genannten, wesentlichen Punkte umfassen. 242 Dies bedeutet, dass die<br />

beiden best<strong>im</strong>mten Parteien sich einig sein müssen, dass der Arbeitnehmer auf<br />

235<br />

236<br />

237<br />

238<br />

239<br />

240<br />

241<br />

242<br />

Für eine Zusammenstellung der Best<strong>im</strong>mungen, welche für ihre Gültigkeit einer<br />

schriftlichen Vereinbarung bedürfen, siehe: Gauch, OR-Textausgabe, S.107 (nach<br />

Art. 320 OR); Wyler,S.82f.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320 N5.<br />

Vgl. beispielsweise Art.321c Abs. 3ORfür den vertraglichen Ausschluss der Entschädigung<br />

für Überst<strong>und</strong>enarbeit; Art. 323 Abs. 2OR, wonach die Fälligkeit für die<br />

Provision bei Geschäften, für deren Durchführung mehr als sechs Monate erforderlich<br />

sind, mittels schriftlicher Vereinbarung hinausgeschoben werden kann; Art. 324a Abs.<br />

4 OR, welcher es den Parteien bei schriftlicher Vereinbarung erlaubt, eine von<br />

Art. 324a Abs. 1–3 ORabweichende Regelung für die <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers<br />

<strong>im</strong> Falle einer unverschuldeten Verhinderung des Arbeitnehmers am Erbringen der<br />

Arbeitsleistung zu treffen, sofern diese für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig<br />

ist.<br />

Vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 320 N33; Wyler, S. 82 f.; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 320 N5.<br />

Dies sind, in abschliessender Aufzählung –vgl. KUKO OR-Pietruszak, Art. 330b<br />

N2–, die Namen der Vertragsparteien (Art. 330b Abs. 1lit. aOR), das Datum des<br />

Beginns des Arbeitsverhältnisses (Art. 330b Abs. 1lit. bOR), die Funktion des Arbeitnehmers<br />

(Art. 330b Abs. 1lit. cOR), der <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> allfällige <strong>Lohn</strong>zuschläge<br />

(Art. 330b Abs. 1lit. dOR) sowie die wöchentliche Arbeitszeit (Art. 330b Abs. 1<br />

lit. eOR).<br />

Art. 330b Abs. 1OR.<br />

Vgl. BSK OR-I-Portmann, Art. 320 N 32 sowie Art. 330b N 9; CHK-Emmel,<br />

Art. 330b N1;KUKO OR-Pietruszak, Art. 330b N6.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N330; Koller, vor §6N1; Schwenzer, N28.05 <strong>und</strong> N29.03.<br />

Portmann/Stöckli, N88f.; vgl. auch Gauch/Schluep/Schmid, N329 ff.; Guhl/Koller,<br />

§13N8; Schwenzer, N29.03 ff.; zuden Ausnahmen von diesem Prinzip vgl. sogleich<br />

unten Rz. 117 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

Zeit eine Arbeitsleistung unter Eingliederung ineine fremde Arbeitsorganisation<br />

erbringt, fürwelcheder Arbeitgeber<strong>Lohn</strong>entrichtet.<br />

115 Mit der Entstehung des Arbeitsvertrags wird die obligationenrechtliche Basis<br />

für die Erfüllung des Inhalts des Arbeitsvertrags gelegt. Der Vertrag ist das<br />

Verpflichtungsgeschäft, worin vom Arbeitnehmer Arbeit gegen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> vom<br />

Arbeitgeber <strong>Lohn</strong> gegen Arbeit versprochen wird. Gestützt auf das Verpflichtungsgeschäft<br />

werden die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht <strong>und</strong> damit<br />

die auf Vertrag beruhenden Verpflichtungen erfüllt. 243 Der Arbeitsvertrag<br />

ist damit ein kausales Geschäft, da «der Rechtsgr<strong>und</strong> der Zuwendung zum Inhalt<br />

des Geschäfts gehört» 244 <strong>und</strong> die Forderungen vom Rechts- oder Schuldgr<strong>und</strong><br />

abhängen. 245<br />

116 Der Inhalt <strong>und</strong> Umfang der Arbeit, zu welcher sich der Arbeitnehmer verpflichtet,<br />

muss dem Gr<strong>und</strong>satz nach festgelegt sein. 246 Hingegen ist es gemäss<br />

Art. 322 Abs.1OR nicht notwendig, dass die Parteien –abgesehen von der<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Einigung darüber, dass der Vertrag entgeltlich sein soll –eine<br />

best<strong>im</strong>mte <strong>Lohn</strong>höhe festlegen. Das Gesetz sieht inArt. 322 Abs. 1ORvor,<br />

dass bei fehlender Verabredung der <strong>Lohn</strong>höhe derjenige <strong>Lohn</strong> zubezahlen ist,<br />

der üblich oder durch Normalarbeitsvertrag 247 oder Gesamtarbeitsvertrag best<strong>im</strong>mt<br />

ist. Lässt sich kein üblicher <strong>Lohn</strong> feststellen, so kann (<strong>und</strong> muss) das<br />

Gerichtden <strong>Lohn</strong> nach billigem Ermessen best<strong>im</strong>men. 248<br />

V. DieEntstehung des Arbeitsvertrags nach Art. 320 Abs. 2OR<br />

117 Art. 320 Abs.2OR sieht für die Entstehung 249 des Arbeitsvertrags vor, dass der<br />

Arbeitsvertrag «auch dann als abgeschlossen [gilt], wenn der Arbeitgeber Arbeit<br />

in seinem Dienst auf Zeit entgegenn<strong>im</strong>mt, deren Leistung nach den Umständen<br />

nurgegen <strong>Lohn</strong> zu erwarten ist».<br />

118 Die Einordnung dieser Best<strong>im</strong>mung zu Beginn des Titels zum Arbeitsvertrag<br />

lässt sich darauf zurückführen, dass <strong>im</strong>schweizerischen Vertragsrecht die Ab-<br />

243<br />

244<br />

245<br />

246<br />

247<br />

248<br />

249<br />

Vgl. Gauch/Schluep/Schmid, N136 ff.; Schwenzer, N3.30 ff.<br />

Schwenzer, N3.42.<br />

von Tuhr/Peter, S. 203 <strong>und</strong> 266 f.; vgl. auch Guhl/Koller, §12N23 f.<br />

Portmann/Stöckli, N89.<br />

Vgl. als Beispiele für die Anwendung eines Normalarbeitsvertrags den Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. April 2004, 4P.277/2003; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

17. Oktober 1996, JAR 1997, S. 116 ff. (E. 4a/aa, 116).<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322 N7mit Hinweis auf den Entscheid des Tribunale<br />

d’appello del cantone Ticino vom 1.Dezember 2000, JAR 2001, S. 188 ff. (E. 3,<br />

189 f.), für die Entschädigung von Pikettdienst; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N1;Streiff/von Kaenel, Art. 322 N7.<br />

Vgl. die Marginalie zu Art. 320 OR.<br />

59


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

60<br />

rede, ob ein Vertrag entgeltlich oder unentgeltlich sein soll, <strong>im</strong> Allgemeinen als<br />

objektiv wesentlicher Vertragspunkt zubetrachten ist. 250 Wollen die Parteien<br />

einen Vertrag schliessen, wird nach den allgemeinen Regeln des ORvon ihnen<br />

verlangt, dass sie sich mindestens über die wesentlichen Vertragspunkte einigen.<br />

Anderslautende gesetzliche Regel vorbehalten, kommt daher aus umgekehrter<br />

Perspektive kein Vertrag zustande, wenn sich aus den Willenserklärungen<br />

der Beteiligten keine Hinweise darauf ergeben, obihr Rechtsverhältnis entgeltlich<br />

oder unentgeltlich sein soll. 251 Wäre diese allgemeine Regel auch für<br />

den Arbeitsvertrag unverändert anwendbar, käme bei fehlender Regelung der<br />

Entgeltlichkeit kein Arbeitsvertrag zustande.<br />

119 Für den Arbeitsvertrag gilt die allgemeine schuldrechtliche Regel in dieser absoluten<br />

Form indes nicht. Zu präzisieren ist zum einen, dass das Zustandekommen<br />

eines Arbeitsvertrags nicht ausschliesslich damit steht <strong>und</strong> fällt, ob sich die<br />

Parteien betreffend die Entgeltlichkeit geeinigt haben. Denn mit Art. 320<br />

Abs.2OR liegt eine spezielle gesetzliche Regel vor, welche den Arbeitsvertrag<br />

unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen trotz fehlender Abrede betreffend die Entgeltlichkeit<br />

der Arbeitsleistung entstehen lassen kann. Die allgemeine Regel<br />

wird durch Art. 320 Abs.2OR modifiziert, aber nicht vollständig verdrängt.<br />

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Abrede, es werde für die Arbeit<br />

<strong>Lohn</strong> gezahlt, für die Qualifikation einer Vereinbarung als Arbeitsvertrag nach<br />

Art. 319 Abs.1OR begriffsnotwendig ist. Einen «unentgeltlichen Arbeitsvertrag»<br />

kann es deswegen nicht geben. 252 Wenn Arbeit unentgeltlich geleistet<br />

wird, liegt entweder ein Vertrag über eine Arbeitsleistung vor, der als einfacher<br />

Auftrag, als gemischter Vertrag oder als Innominatvertrag zu qualifizieren ist, 253<br />

250<br />

251<br />

252<br />

253<br />

Vgl. Koller, §6N31ff.; zum Begriff <strong>und</strong> Inhalt der objektiv bzw. subjektiv wesentlichen<br />

Vertragspunkte vgl. BE-Komm.-Kramer, Art. 1N122 f. sowie Art. 2N5ff.;<br />

Bucher, S. 117 ff.; CRCOI-Dessemontet, Art. 2N1ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N<br />

329 ff.; Koller, §6N17ff. sowie §6N26ff.; Schwenzer, N29.03 ff. Be<strong>im</strong> einfachen<br />

Auftrag gemäss Art. 394 Abs. 3ORist die Frage der Entgeltlichkeit des Vertrags nach<br />

Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts keine Essentiale für den Vertragsschluss; vgl.<br />

BGE 116 II 695 (E. 2b/bb, 697 f.).<br />

Bucher, S. 117 f.; Gauch/Schluep/Schmid, N330.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. November 2004, 4P.194/2004, E. 2.3; BBl<br />

1967 II, S. 295 <strong>und</strong> S. 313; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N 12; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 319 N5; CRCOI-Aubert, Art. 319 N14; Duc/<br />

Subilia, Art.319 N10; Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. 319 N 1.6; Geiser,<br />

Treuepflicht, S. 10; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N2; Vischer, S. 4f.; Wyler, S. 58;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 319 N23f.<br />

Vgl. Art. 394 Abs. 2OR, BGE 64II9(E. 2,10) sowie BSK OR I-Weber, Art. 394<br />

N22ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

oder die Arbeitsleistung ist als reine Gefälligkeit 254 zu betrachten. Die reine Gefälligkeit<br />

begründet keine gerichtlich durchsetzbaren Rechte <strong>und</strong> Pflichten, da<br />

denParteien derGeschäfts- oderRechtsfolgewille fehlt. 255<br />

120 Dass Art. 320 Abs. 2ORinüberwiegender Weise eine Schutzfunktion zugunsten<br />

von arbeitnehmenden Personen zukommt, dürfte in der Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung<br />

unbestritten sein. 256 Die Schutzfunktion liegt einerseits darin, dass<br />

bei verschiedenen schuldrechtlichen Aspekten vertragliche (<strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

ausservertraglichen) Rechtsbehelfe einen weiter gefassten <strong>und</strong> umfassenderen<br />

Schutz bieten. 257 Andererseits ergibt sich aus der Anordnung in Art. 320<br />

Abs.2OR, wonach der Arbeitsvertrag bei gegebenen Voraussetzungen als abgeschlossen<br />

gilt, dass die Schutzbest<strong>im</strong>mungen des Arbeitsvertragsrechts zugunsten<br />

derArbeitnehmerzur Anwendung gelangen.<br />

121 ImFolgenden soll Art. 320 Abs.2OR einer eingehenderen Prüfung unterzogen<br />

werden. Dabei ist das Augenmerk zuerst auf den Anwendungsbereich (A.) <strong>und</strong><br />

die Voraussetzungen dieser Best<strong>im</strong>mung (B.) zu richten. Anschliessend wird<br />

versucht, die Funktionen <strong>und</strong> die Rechtsnatur (C.) dieser Best<strong>im</strong>mung näher zu<br />

fassen.<br />

A. DerAnwendungsbereich von Art. 320 Abs. 2OR<br />

122 Obwohl der Gesetzestext nur <strong>im</strong>plizit darauf hinweist, befasst sich Art. 320<br />

Abs.2OR mit einem Sonderproblem bei der Entstehung eines Arbeitsvertrags.<br />

Wie dargelegt 258 ist gestützt auf Art. 319 Abs. 1ORdie Entgeltlichkeit für ei-<br />

254<br />

255<br />

256<br />

257<br />

258<br />

Zum Begriff der Gefälligkeit sowie zur Abgrenzung zwischen Vertrag bzw. rechtlicher<br />

Bindung <strong>und</strong> Gefälligkeit vgl. Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N4ff. <strong>und</strong> N108 ff.; Kost, S.21<br />

f. <strong>und</strong> S. 28 ff.<br />

Zum Rechtsfolgewillen siehe Gauch/Schluep/Schmid, N171a <strong>und</strong> 353a f.; Koller, §3<br />

N2ff. sowie §3N18; Schwenzer, N27.01 ff.; Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N110, spricht, um<br />

terminologische Missverständnisse zu vermeiden, von «Vertragswille».<br />

CR CO I-Aubert, Art. 320 N8;Portmann/Stöckli, N101; Streiff/von Kaenel, Art. 320<br />

N6,S.108; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320 N8<strong>und</strong> N11. Mit Schuler, S. 133 f., ist<br />

darauf hinzuweisen, dass die Entstehung eines Arbeitsvertrags gestützt auf Art. 320<br />

Abs. 2ORauch für den Arbeitgeber vorteilhaft sein kann. Der Arbeitgeber kann sich<br />

bei der Entstehung des Arbeitsvertrags nach Art. 320 Abs. 2ORebenfalls auf (arbeits-)vertragliche<br />

Rechtsbehelfe berufen, was sich beispielsweise bei der Wahrung<br />

von Geschäftsgehe<strong>im</strong>nissen oder bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen<br />

gegenüber demArbeitnehmer als vorteilhaft erweisen kann.<br />

Beispielsweise sei auf die Verjährungsfristen <strong>im</strong>ORhingewiesen, die für auf Vertrag<br />

beruhenden Obligationen inder Regel fünf bis zehn Jahre dauern (vgl. Art. 127 ff.<br />

OR), während bei ausservertraglichen Obligationen eine relative Verjährungsfrist von<br />

einem Jahr <strong>und</strong> eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt (vgl. Art. 60 <strong>und</strong><br />

67 OR).<br />

Vgl. oben Rz. 119.<br />

61


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

62<br />

nen Arbeitsvertrag ein begriffsnotwendiges Element. Daraus folgt, dass die<br />

Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung eine unabdingbare Voraussetzung für das<br />

Zustandekommen eines Arbeitsvertragsdarstellt.<br />

123 Art. 320 Abs.2OR bezieht sich nun spezifisch auf diejenigen Fallkonstellationen,<br />

in welchen feststeht, dass die Frage der Entgeltlichkeit von den Parteien<br />

gar nicht behandelt wurde, oder aus anderen Gründen unklar ist, ob überhaupt<br />

ein Entgelt gezahlt werden soll oder nicht. Es geht um den Konsens betreffend<br />

dieEntgeltlichkeit derArbeitsleistung <strong>im</strong>Arbeitsvertrag. 259<br />

124 Zusätzlich wird von Art. 320 Abs.2OR <strong>im</strong>plizit vorausgesetzt, dass die anderen<br />

Begriffsmerkmale des Arbeitsvertrags erfüllt sind. Ins<strong>besondere</strong> ist es notwendig,<br />

dass eine Arbeitsleistung zugunsten des Arbeitgebers erbracht worden<br />

ist. Fehlt esnebst der Gr<strong>und</strong>satzvereinbarung, ob ein <strong>Lohn</strong> für die Arbeitsleistung<br />

geschuldet sein soll, an einem weiteren Begriffsmerkmal des Arbeitsvertrags,<br />

ist Art. 320 Abs.2OR nicht anwendbar. Mangeln könnte esetwa am<br />

Subordinationsverhältnis, 260 oder es könnte sich herausstellen, dass das Element<br />

des Leistens von Arbeit auf Zeit nicht erfüllt ist. So etwa, wenn ein Werk, 261<br />

d.h. ein Arbeitserfolg, geschuldet ist <strong>und</strong> damit mehr als ein erfolgsgeneigtes<br />

<strong>und</strong> erfolgsgeeignetes 262 Tätigwerden des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber,<br />

wieesbe<strong>im</strong> Arbeitsvertrag derFall ist. 263<br />

125 Liegen –mit Ausnahme einer erkennbaren Abrede über die Entgeltlichkeit der<br />

Arbeitsleistung –sämtliche Begriffsmerkmale eines Arbeitsvertrags vor, bedeutet<br />

dies noch nicht zwangsläufig, dass Art. 320 Abs.2OR einschlägig ist. Trotz<br />

des zwingenden Charakters von Art. 320 Abs.2OR 264 kann ineiner Gesamtbetrachtung<br />

auch ein Innominatvertrag (in der Regel wohl in gemischter Ver-<br />

259<br />

260<br />

261<br />

262<br />

263<br />

264<br />

Vgl. Biedert, S.74f.mit Hinweis auf das Votum Hug <strong>im</strong> Protokoll der Expertenkommission:<br />

«Art. 320 Abs. 2ORdeckt den mangelnden Konsens,nicht aber die nachträg-<br />

liche Ungültigkeit.» (zitiert nach Biedert, S.75, Fn. 135).<br />

So beispielsweise, wenn aufgr<strong>und</strong> einer vorbestehenden Beziehung von einer (wirtschaftlich<br />

betrachtet) einfachen Gesellschaft auszugehen ist; vgl. BGE 109 II 228<br />

(E. 2b, 230 f.); BGE 108 II 204 (E. 4a, 208 f.) zur Auflösung eines Konkubinats; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Januar 2008, 4A_441/2007, E. 3/4.<br />

Vgl. Art. 363 ff. OR.<br />

Geiser, Treuepflicht, S. 60.<br />

Zur zuweilen schwierigen Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderen Verträgen auf<br />

selbstständige <strong>und</strong> unselbstständige Arbeitsleistung <strong>im</strong>Gesamten vgl. BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N42ff.; Brand/Dürr et al., Art. 319 N16ff.; Brühwiler,<br />

Art. 319 N9ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N6;Duc/Subilia, Art. 319<br />

N17ff.; Gerber, S. 62 ff.; Portmann/Stöckli, N15ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 319<br />

N4ff.; Vischer, S. 19 ff.; Wyler,S.59ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 319 N30ff.<br />

Zumzwingenden Charakter von Art. 320 Abs. 2ORvgl. unten Rz. 228 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

trag) 265 vorliegen. Mit Ausnahme der fehlenden Regelung zur Entgeltlichkeit<br />

kommen insolchen Situationen zuden Begriffsmerkmalen des Arbeitsvertrags<br />

weitere rechtserhebliche Umstände hinzu, die sich nicht (oder nur bedingt)<br />

dem Arbeitsvertragsrecht zuordnen lassen, sondern an andere (<strong>im</strong> Gesetz geregelte<br />

oder ungeregelte) Vertragstypen anknüpfen. Bei derartigen Konstrukten<br />

kann die Arbeitsleistung als eine von mehreren, sich gegenüberstehenden<br />

(Haupt-)Leistungen erscheinen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzbedürfnisse<br />

der Beteiligten stellt die (nicht unumstrittene) Rechtsprechung für<br />

die Ermittlung der anwendbaren Rechtsnormen auf das Prinzip des Regelungsschwerpunktes<br />

ab. 266 Gestützt auf die höchstrichterliche Rechtsprechung wäre<br />

bei einem Regelungsschwerpunkt ausserhalb des Arbeitsrechts Art. 320<br />

Abs.2OR nicht unmittelbar anwendbar. Im Rahmen einer Interessenabwägung<br />

unter Berücksichtigung des jeweiligen Schutzbedürfnisses der beteiligten Parteien<br />

könnte der Schutzgedanke von Art. 320 Abs. 2ORallenfalls modo legislatoris<br />

gestützt aufArt. 1Abs.2ZGB Berücksichtigung finden. 267<br />

126 Art. 320 Abs.2OR kommt auch indenjenigen Fällen nicht zur Anwendung, in<br />

welchen die Parteien ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart haben. 268 Die<br />

265<br />

266<br />

267<br />

268<br />

Zur Terminologie der verschiedenen Arten <strong>und</strong> Formen von Innominatverträgen sowie<br />

zu den zusammengesetzten Verträgen vgl. statt mehrerer: BSK OR I-Amstutz/<br />

Schluep, Einl. vor Art. 184 N5ff.; Schluep, S.771 ff.<br />

Vgl. BGE 131 III 566 (E. 3.1, 569); BGE 118 II 157 (E. 3a, 161 f.); BGE 115 II 452<br />

(E.3a, 454 f.); BGE 109 II 462 (E.3d, 466); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 11. Juni<br />

2002, 4C.66/2002, E. 2.1; BSK OR-I-Portmann, Art. 319 N 42; ZK-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 319 N42; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N2,S.69, welche zuRecht<br />

darauf hinweisen, dass damit Rechtsunsicherheiten inKauf genommen werden; ablehnend:<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N6.<br />

BSK OR I-Amstutz/Schluep, Einl. vor Art. 184 ff. N79; Schluep, S. 780 ff., insbeson-<br />

dere S.795 ff.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N18; Brand/Dürr et al., Art. 320 N11;<br />

BSK OR I- Portmann, Art. 320 N19; Geiser/Müller, N262; Portmann/Stöckli, N102,<br />

die darauf hinweisen, dass Unentgeltlichkeitsvereinbarungen auf einem legit<strong>im</strong>en<br />

praktischen Bedürfnis beruhen; Streiff/von Kaenel, Art. 320 N6; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 320 N10. Anders: Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom<br />

3. März 2004, ARV 2004, S. 170 ff. (E. 5.2c, S. 171). Das Arbeitsgericht Zürich kam<br />

in diesem Entscheid vorab zum Ergebnis, es lägen gestützt auf Art. 320 Abs. 2OR<br />

zwischen den Klägern (Arbeitnehmer) <strong>und</strong> der Beklagten (Arbeitgeberin) Arbeitsverträge<br />

vor. Anschliessend führte das Arbeitsgericht aus (Bemerkung in eckiger Klammer<br />

hinzugefügt):<br />

«[…] An der Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag vermöchte<br />

nichts zu ändern, wenn die Beklagte den Klägern schon zu Beginn der Anstellung ausdrücklich<br />

erklärt hätte, sie würden für ihre Tätigkeit nicht entschädigt <strong>und</strong> die Kläger<br />

dies so akzeptiert hätten (so sinngemäss die Beklagte). Ein solcher vor oder bei Arbeitsaufnahme<br />

erklärter Verzicht [auf <strong>Lohn</strong>], der die Qualifikation des Vertragsverhältnisses<br />

als Arbeitsvertrag in Frage stellen würde, ist aufgr<strong>und</strong> von<br />

63


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

64<br />

Zulässigkeit einer unentgeltlichen Arbeitsleistung, die vom Arbeitsempfänger<br />

nötigenfalls eingefordert werden könnte, ergibt sich sowohl aus dem Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Vertragsfreiheit als auch aus dem Umstand, dass ein unentgeltlicher Auftrag<br />

zulässig ist. 269 Für die Anwendung von Art. 320 Abs.2OR ist es demgegenüber<br />

unerheblich, ob die Parteien überhaupt einen Vertrag eingehen wollten oder<br />

nicht. 270<br />

127 Das Fehlen einer Einigung oder zumindest die Unklarheit darüber, ob eine Vergütung<br />

für eine Arbeitsleistung geschuldet sein soll, kann sich aus verschiedenen<br />

Situationen ergeben. 271 Folgende Situationen können unterschieden werden:<br />

Beide Parteien haben sich zur Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung gar nicht geäussert;<br />

272 beide Parteien haben sich zur Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung geäussert,<br />

wobei keine Einigung erzielt wurde oder die Erklärungen unklar<br />

sind; 273 nur eine Partei hat sich zur Entgeltlichkeit geäussert, worauf die andere<br />

Partei keinehinreichend interpretierbare Gegenerklärung abgegeben hat. 274<br />

128 Das Fehlen einer Abrede zur Entgeltlichkeit der Arbeit kann ihren Ursprung<br />

darin haben, dass sich beide Parteien entweder keine oder nur unvollständige<br />

Gedanken über die Entgeltlichkeit gemacht haben <strong>und</strong> sich etwaige Überlegungen<br />

nach aussen hin inkeiner erkennbaren Art <strong>und</strong> Weise manifestiert haben. 275<br />

Retrospektiv steht einzig fest, dass eine Arbeitsleistung erbracht wurde. Insolchen<br />

Fällen liegen in Bezug auf die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung keine<br />

verwertbaren Willenserklärungen vor. Ist eine solche Situation gegeben, fehlt es<br />

an einem Konsens betreffend die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung. Wenn unter<br />

Dissens die Negation bzw. das Nichtvorhandensein eines Konsens verstan-<br />

269<br />

270<br />

271<br />

272<br />

273<br />

274<br />

275<br />

Art. 320 Abs. 2ORnur in einem sehr begrenzten Rahmen möglich <strong>und</strong> ausgeschlossen,<br />

soweit es –wie vorliegend –umeine Tätigkeit geht, die üblicherweise nur gegen<br />

Entgelt erbracht wird […].»<br />

Diese Ansicht ist abzulehnen. Obwohl Art. 320 Abs. 2ORinnerhalb seines Anwendungsbereichs<br />

als zwingend zu betrachten ist (vgl. dazu unten Rz. 228 ff.), beschränkt<br />

sich der zwingende Charakter der Best<strong>im</strong>mungen auch auf ihren Anwendungsbereich.<br />

Also auf Fälle, in denen unklar ist, ob für eine Arbeitsleistung ein <strong>Lohn</strong> geschuldet<br />

sein soll oder nicht. Liegt bezüglich der Frage der Entgeltlichkeit keine Unklarheit vor,<br />

besteht kein Anlass dazu, Art. 320 Abs. 2ORanzuwenden. Zu den diesbezüglichen<br />

Problemfällen vgl. unten Rz. 135 f.<br />

Vgl. Art. 394 Abs. 3ORsowie stattmehrerer BSK OR I-Weber, Art. 394 N16ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. März 2002, 4C.307/2001, E. 2a; vgl. auch den<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 4. Februar 2000, JAR 2001, S. 135 ff.; Brühwiler,<br />

Art. 320 N12a m.w.H.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320 N7.<br />

Vgl. Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N116 ff.<br />

Siehe unten Rz. 128.<br />

Siehe unten Rz. 129 ff.<br />

Siehe unten Rz. 132 ff.<br />

Brühwiler, Art. 320 N 12a zweiter Absatz; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320 N 8;<br />

vgl. auch Müller, Abschluss, S. 51 f.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

den wird, liegt folglich Dissens vor. 276 Nach der von KOLLER verwendeten<br />

Terminologie ist dann, wenn sich die Parteien zu einem zuregelnden (vertragswesentlichen)<br />

Punkt überhaupt nicht geäussert haben, ein uneigentlicher (<strong>und</strong><br />

wesentlicher) Dissens gegeben. 277<br />

129 Denkbar wäre es andererseits auch, dass die Parteien den Punkt der Entgeltlichkeit<br />

zwar einmal aufgeworfen haben, sich aber nicht einig geworden sind, ob <strong>im</strong><br />

Gr<strong>und</strong>satz ein Entgelt entrichtet werden soll oder nicht. Die Parteien haben sich<br />

über die Frage der Entgeltlichkeit also geäussert, ihre Willenserklärungen<br />

st<strong>im</strong>men aber nicht überein. Unter solchen Voraussetzungen liegt kein natürlicher<br />

Konsens vor, welcher verlangen würde, dass die wirklichen Willen der<br />

Parteien unabhängig von allfälligen Erklärungsfehlern übereinst<strong>im</strong>men. Ebenso<br />

ist esmöglich, dass auch kein mittels Vertrauensprinzip 278 ermittelter, d.h., kein<br />

normativer Konsens gegeben ist, weil etwa die Erklärungen der Parteien unklar<br />

276<br />

277<br />

278<br />

BE-Komm.-Kramer, Art. 1N137; Bucher, S. 143; Gauch/Schluep/Schmid, N325;<br />

Koller, §6N7;Künzle, S. 56; Schwenzer, N29.07.<br />

Koller, §6N8f. Die Terminologie in der Lehre zuden verschiedenen Ausprägungen<br />

eines Dissens ist uneinheitlich. Koller spricht bei gänzlich fehlenden Willenserklärungen<br />

von einem «uneigentlichen» Dissens; bei vorhandenen, aber nicht übereinst<strong>im</strong>menden<br />

Willenserklärungen von einem «eigentlichen» Dissens. Das Begriffspaar «uneigentlich/eigentlich»<br />

bezieht sich auf das Vorhandensein von Willenserklärungen.<br />

Bei fehlenden oder vorhandenen, aber nicht übereinst<strong>im</strong>menden Willenserklärungen<br />

zu einem wesentlichen Vertragspunkt verwendet Koller, §6 N12, den Begriff des<br />

«wesentlichen» Dissens, währenddessen ein «unwesentlicher» Dissens vorliegt, wenn<br />

sich die fehlenden oder vorhandenen, aber nicht übereinst<strong>im</strong>menden Willenserklärungen<br />

auf einen unwesentlichen Vertragspunkt beziehen. Das Begriffspaar «wesentlich/unwesentlich»<br />

bezieht sich auf einen Vertragspunkt. Sowohl be<strong>im</strong> wesentlichen<br />

<strong>und</strong> unwesentlichen Dissens kann dieser somit «eigentlich» oder «uneigentlich» sein.<br />

Anders als Koller sprechen Bucher, S. 145, <strong>und</strong> Gauch/Schluep/Schmid, N326, dann<br />

von einem «uneigentlichen» Dissens, wenn sich der Dissens auf einen unwesentlichen<br />

Vertragspunkt bezieht <strong>und</strong> deshalb das Zustandekommen des Vertrags nicht hindert.<br />

Umgekehrt liegt nach diesen Autoren dann ein «eigentlicher» Dissens vor, wenn bezüglich<br />

eines wesentlichen Vertragspunktes keine Einigung vorliegt <strong>und</strong> der Vertrag<br />

daher nicht entsteht.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der klareren Begriffsverwendung wird hier die Terminologie von Koller<br />

verwendet.<br />

Obwohl das Vertrauensprinzip gesetzlich nicht explizit geregelt ist, wird esvon der<br />

Lehre <strong>und</strong> der Rechtsprechung einhellig anerkannt; vgl. statt mehrerer: Gauch/<br />

Schluep/Schmid N207 ff.; Koller, §3 N154 ff. sowie §3N175 ff.; Schwenzer,<br />

N27.40 ff. Nach BGE 129 III 118 (E. 2.5, 122) hat der Richter nach dem Vertrauensprinzip<br />

eine Willenserklärung so auszulegen, wie sie vom jeweiligen Empfänger unter<br />

Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände inguten Treuen verstanden werden<br />

konnte bzw. durfte <strong>und</strong> musste («Il [le juge] doit donc rechercher comment une déclaration<br />

ou une attitude pouvait être comprise de bonne foi en fonction del'ensemble des<br />

circonstances.»; a.a.O., Einschub hinzugefügt).<br />

65


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

66<br />

<strong>und</strong> mehrdeutig sind. 279 Haben die Parteien versucht, die Frage der Entgeltlichkeit<br />

zu regeln, ist dies aber nicht gelungen, spricht KOLLER von einem eigentlichen<br />

(<strong>und</strong> wesentlichen) Dissens. 280 Wenn sich die Parteien ihrer Nichteinigung<br />

bewusst sind, liegt zusätzlich ein offener Dissens vor. Ist hingegen einer oder<br />

beiden Parteien nicht bewusst, dass die Erklärungen der Parteien zur Entgeltlichkeit<br />

der Arbeitsleistung nicht übereinst<strong>im</strong>men, wird von einem einseitig<br />

oderbeidseitig versteckten Dissens gesprochen. 281<br />

130 Dass trotz eines beidseitig offenen Dissens zwischen den Parteien zur Frage der<br />

Entgeltlichkeit eine Arbeitsleistung erbracht wird, ist zwar wenig wahrscheinlich,<br />

aber trotzdem möglich. Eskönnte etwa der Fall eintreffen, inwelchem ein<br />

Arbeitgeber in einen Personalengpass gerät <strong>und</strong> unbedingt eine zusätzliche Arbeitskraft<br />

braucht. Ein pragmatischer Arbeitgeber könnte folglich Unklarheiten<br />

oder das vorangegangene Scheitern bezüglich der Abrede, ob <strong>Lohn</strong> gezahlt<br />

werden soll, bewusst ausser Acht lassen. Die Regelung der <strong>Lohn</strong>frage wird auf<br />

«später» verschoben. Der Arbeitnehmer könnte das Gleiche denken <strong>und</strong> erst die<br />

dringend anstehende Arbeit in Angriff nehmen. Ineiner solchen Situation greift<br />

Art. 320 Abs.2OR.<br />

131 Liegt bei einer oder beiden Parteien hingegen ein versteckter Dissens vor <strong>und</strong><br />

wird eine Arbeitsleistung erbracht, aktualisiert sich der mangelhafte Vertragsschluss<br />

zumeist dann, wenn der Arbeitnehmer eine <strong>Lohn</strong>forderung geltend<br />

macht, der Arbeitgeber sich jedoch auf den Standpunkt stellt, ein <strong>Lohn</strong> sei<br />

mangels Vertrag nicht geschuldet. Der umgekehrte Fall, dass der Arbeitgeber<br />

einen <strong>Lohn</strong> zahlen will, der Arbeitnehmer diesen jedoch unter Berufung auf einen<br />

Dissens ablehnt <strong>und</strong> die Parteien darüber inStreit geraten, dürfte praktisch<br />

kaum vorkommen. Bei beiden Varianten liegt ein Anwendungsfall von Art. 320<br />

Abs.2OR vor. 282<br />

132 Als dritte Konstellation wäre es möglich, dass nur von einer Partei eine auf die<br />

Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung bezogene ausdrückliche oder konkludente<br />

Willenserklärung abgegeben wurde, woraufdie andere Partei nichts hinreichend<br />

Verwertbares entgegnet hat. Ist eine solche Konstellation gegeben, sind verschiedene<br />

Ausgangslagen vorstellbar, die zu unterschiedlichen Ergebnissen<br />

279<br />

280<br />

281<br />

282<br />

Koller, §3N179 f. mit Beispielen <strong>und</strong> §6N3f.; vgl. auch das Beispiel bei Schulin/Vogt,<br />

Tafel 23, Fn. 5. Zur Frage, ob für eine Arbeitsleistung <strong>Lohn</strong> geschuldet sei,<br />

wären die Antworten «vielleicht.», «Wir werden sehen.» oder aber ein Schulterzucken<br />

unklar <strong>und</strong>/oder mehrdeutig.<br />

Koller, §6N9.<br />

BE-Komm.-Kramer, Art. 1N138 ff. <strong>und</strong> N141 ff.; Bucher, S. 144; Koller, §6N9;<br />

Künzle, S. 56 f.; Schwenzer, N29.08.<br />

Wenn in den in Rz. 130 <strong>und</strong> Rz. 131 genannten Fällen sich eine der Parteien (zumeist<br />

wohl der Arbeitgeber) darauf beruft, es sei kein Vertrag entstanden, könnte ein Fall<br />

von Art. 320 Abs. 3ORvorliegen.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

betreffend die Anwendbarkeit von Art. 320 Abs.2OR führen können. Versucht<br />

man, die möglichen Ausgangslagen zu gliedern, kann einmal davon ausgegangen<br />

werden, der Arbeitsempfänger habe sich zur Entgeltlichkeit geäussert, während<br />

die Arbeit leistende Person nichts entgegnet hat. 283 Im umgekehrten Fall<br />

hat die Arbeit leistende Partei zur Entgeltlichkeit eine Erklärung abgegeben,<br />

während derArbeitsempfängereineErklärung schuldig blieb. 284<br />

133 Wird angenommen, der Empfänger der Arbeitsleistung habe erklärt, das Verhältnis<br />

zwischen den Parteien solle entgeltlich sein, <strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt die Arbeit leistende<br />

Person, welche die Erklärung des Arbeitsempfängers richtig verstanden,<br />

sich dazu aber in keiner erkennbaren Weise geäussert hat, die Arbeit mit Wissen<br />

des Arbeitsempfängers auf, darf die Arbeitsaufnahme inder Regel als konkludente,<br />

zust<strong>im</strong>mende Willenserklärung der Arbeit leistenden Person aufgefasst<br />

werden. Esist ein (entgeltlicher) Arbeitsvertrag zustande gekommen. Das<br />

Fehlen einer Vereinbarung der <strong>Lohn</strong>höhe hindert das Zustandekommen des<br />

Vertrags nicht, sondern ist nach Art. 322 Abs.1OR zu lösen. 285 Ein Rückgriff<br />

aufArt. 320 Abs.2OR erscheintunter solchen Voraussetzungen entbehrlich.<br />

134 Der ebenfalls mögliche Fall, dass der Arbeitgeber einen <strong>Lohn</strong> zahlen will, die<br />

Arbeit leistende Partei die Arbeit erbringt, aber vorher mitzuteilen vergisst, sie<br />

wolle keinen <strong>Lohn</strong>, dürfte selten vorkommen. Unter Vorbehalt von <strong>besondere</strong>n<br />

Umständen, die deutlich auf einen unentgeltlichen Vertrag bzw. eine Gefälligkeit<br />

hinweisen, sowie unter Vorbehalt einer vorangehenden Übung zwischen<br />

den Parteien wäre in diesem Fall davon auszugehen, es liege ein Arbeitsvertrag<br />

vor, wenn sich der Arbeitgeber auf das Zustandekommen des Arbeitsvertrags<br />

verlässt.EineAnwendungvon Art. 320 Abs. 2ORerscheintnichterforderlich.<br />

135 Geht man hingegen davon aus, der Arbeitsempfänger habe erklärt, die Arbeitsleistung<br />

solle unentgeltlich erbracht werden, <strong>und</strong> wird von der betreffenden Person<br />

Arbeit geleistet, ohne dass sie sich zudieser, von ihr richtig verstandenen<br />

Erklärung geäussert hat, ergäbe sich aufgr<strong>und</strong> des Vertrauensprinzips, die Arbeit<br />

sei nicht zu vergüten.<br />

136 ImEinzelfall könnte sich der Richter jedoch einem nicht einfach zu lösenden<br />

Problem gegenübersehen. Soz.B., wenn Arbeit inbedeutendem Ausmass über<br />

längere Zeit hinweg geleistet wurde <strong>und</strong> die Arbeit leistende Person möglicherweise<br />

damit rechnen konnte, später für ihre Arbeit entschädigt zuwerden, sich<br />

diese Erwartung aber nicht erfüllt. Insolchen Fällen sollte mit der herrschenden<br />

Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung Art. 320Abs.2OR zur Anwendung gelangen. Aus<br />

dem blossen Stillschweigen der Arbeit leistenden Person sollte weder eine Zust<strong>im</strong>mung<br />

zur vom Arbeitsempfänger erklärten Unentgeltlichkeit der Arbeits-<br />

283<br />

284<br />

285<br />

Vgl. gleich anschliessend Rz. 133.<br />

Vgl. unten Rz. 137 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 119.<br />

67


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

68<br />

leistung noch ein <strong>Lohn</strong>verzicht abgeleitet werden. 286 Wenn Arbeit unentgeltlich<br />

erbracht werden soll, verlangt der Schutzzweck von Art.320 Abs. 2OR, dass<br />

entweder die Umstände eindeutig auf einen unentgeltlichen Vertrag, auf eine<br />

Arbeitsleistung bzw. auf eine Gefälligkeit hinweisen, oder dass die Unentgeltlichkeit<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf eine inihrer Art <strong>und</strong> ihrem zeitlichen Umfang hinreichend<br />

umrisseneArbeitsleistung ausdrücklich vereinbart wird. 287<br />

137 Betrachtet man die umkehrte Ausgangslage, kann eine Arbeit leistende Person<br />

anbieten, unentgeltlich arbeiten zu wollen. Sie kann von vornherein einen <strong>Lohn</strong><br />

explizit ablehnen. Wird unter solchen Begebenheiten vonseiten des Arbeitsempfängers,<br />

der die Erklärung der leistenden Partei korrekt verstanden hat, keine<br />

Erklärung abgegeben <strong>und</strong> wird die Arbeitsleistung mit Wissen <strong>und</strong> Dulden des<br />

Arbeitsempfängers erbracht, ist nach dem Vertrauensprinzip von einem unentgeltlichen<br />

Vertrag auf eine Arbeitsleistung oder von einer Gefälligkeit auszugehen.<br />

288 Verstärkt würde dieses Ergebnis dann, wenn zusätzlich Umstände vorliegen,<br />

welche auf Unentgeltlichkeit hindeuten. 289 Auch indiesem Fall erscheint<br />

ein Abstellen aufArt. 320 Abs.2OR gr<strong>und</strong>sätzlich nichtnotwendig.<br />

138 Indes ist zu beachten, dass sich <strong>im</strong> Laufe der Zeit die Umstände derart verändern<br />

können, dass die ursprüngliche Erklärung der Arbeit leistenden Person,<br />

unentgeltlich tätig sein zu wollen, sich als zu wenig tragfähig erweisen kann. Es<br />

wäre möglich, dass sich eine einfach scheinende Arbeit als wesentlich komplizierter<br />

<strong>und</strong> zeitaufwendiger erweist, als die Beteiligten ursprünglich angenommen<br />

haben. Wird über längere Zeit in erheblichem Umfang Arbeit geleistet,<br />

kann diese Tatsache dazu führen, dass sich <strong>im</strong>Nachhinein beide Parteien bei<br />

objektiver Betrachtungsweise sagen müssen, das ursprüngliche Verständnis der<br />

ohne <strong>Lohn</strong> arbeitenden Partei könne sich nicht auf eine solche Situation bezo-<br />

286<br />

287<br />

288<br />

289<br />

Vgl. BGE 95 II 126 (E. 4,131 f.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N17u.a.<br />

m.H. auf BGE 90 II 443 (E. 1, 445 f.); Entscheid der Chambre d’appel des<br />

prud’hommes duCanton de Genève vom 17. Mai 2004, JAR 2005, S. 370 ff. (E. 3,<br />

371 f.); Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom 23. Oktober<br />

1980, JAR 1981, S. 221 f.; Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 3. Juni 1980,<br />

JAR 1981, S. 222 f.; Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom<br />

1. Februar 1979, JAR 1981, S. 218 f.<br />

Vgl. auch Portmann/Stöckli, N106.<br />

Heute ist in der Regel davon auszugehen, Arbeit werde gegen <strong>Lohn</strong> geleistet; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 320 N11. Im Fall, dass die Arbeit unentgeltlich erbracht wird,<br />

erscheint daher eine Gefälligkeit wahrscheinlicher als ein unentgeltlicher Vertrag auf<br />

eine Arbeitsleistung.<br />

Zu den Umständen, welche auf Unentgeltlichkeit hinweisen können, vgl. unten<br />

Rz. 177 ff. Wenn unklar ist, ob ein unentgeltlicher Vertrag auf eine Arbeitsleistung<br />

oder eine Gefälligkeit vorliegt, können sich ins<strong>besondere</strong> dann Probleme ergeben,<br />

wenn <strong>im</strong> Zusammenhang mit der unentgeltlich erbrachten Arbeitsleistung Schäden<br />

entstanden sind <strong>und</strong> dafür Ersatz gefordert wird. Vgl. dazu etwa BGE116 II 695 (E.2,<br />

696 ff.) sowie ausführlich Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N108 ff. <strong>und</strong> N319 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

gen haben, wie sie sich nun ergeben hat. Dass die Beteiligten nicht von sich aus<br />

auf die eigentlich vereinbarte Unentgeltlichkeit zurückkommen, ist zwar zu berücksichtigen,<br />

aber dürfte nicht entscheidend sein. Als Gegenstück zum Fall, in<br />

welchem der Arbeitsempfänger erklärte, die Arbeit solle unentgeltlich erbracht<br />

werden <strong>und</strong> die Arbeit leistende Person nichts entgegnete, 290 kann der Schutzzweck<br />

von Art. 320 Abs.2OR die Anwendung der Norm auch dann gebieten,<br />

wenn die arbeitende Person einmal erklärte, ohne <strong>Lohn</strong> arbeiten zu wollen, diese<br />

Erklärung aber ohne Gegenerklärung blieb. Die Anwendung von<br />

Art. 320 Abs.2OR in der letzteren Konstellation rechtfertigt sich ins<strong>besondere</strong><br />

in denjenigen Fällen, inwelchen die tatsächlich geleistete Arbeit so weit von<br />

dem Mass an Arbeit entfernt ist, das beide Beteiligten vernünftigerweise voraussehen<br />

konnten, dass es selbst bei Berücksichtigung der Erklärung der arbeitenden<br />

Person, sie wolle keinen <strong>Lohn</strong>, unbillig erscheinen würde, ihr ein Entgelt<br />

zurGänze abzusprechen. 291<br />

139 Wenn hingegen die arbeitende Person auf irgendeine hinreichende Art <strong>und</strong><br />

Weise ihren Willen geäussert hat, für <strong>Lohn</strong> arbeiten zu wollen, <strong>und</strong> der Arbeitsempfänger<br />

darauf inkeiner mit ausreichender Sicherheit interpretierbaren Art<br />

<strong>und</strong> Weise reagiert hat, ergibt sich eine weitere Situation, in welcher eine Arbeitsleistung<br />

erbracht wurde, esaber aneinem Konsens bezüglich der Entgeltlichkeit<br />

fehlt. Art. 320 Abs.2OR ist in dieser Konstellation anwendbar.<br />

140 Was die Frage anbelangt, von welchem Beteiligten die Initiative zueinem,<br />

nachmalig bezüglich der Entgeltlichkeit als mangelhaft erkannten Vertragsschluss<br />

ausgegangen ist, vertrat das Arbeitsgericht Bern in einem Entscheid<br />

vom 14.Juli 1987 292 die Ansicht, die erste <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Voraussetzung<br />

von Art. 320 Abs.2OR sei, dass die Leistungsbeanspruchung auf die Initiative<br />

des Leistungsempfängers zurückgehe. 293 Anders ausgedrückt bedeute dies, dass<br />

290<br />

291<br />

292<br />

293<br />

Siehe oben Rz. 135.<br />

Vgl. BGE 113 II414 (E. 2b/bb, 417); BGE 67 II 200 (203); was die Best<strong>im</strong>mung eines<br />

Zeitpunktes anbelangt, abwelchem eine Entlöhnung geschuldet sein dürfte, wäre auf<br />

den Zeitpunkt abzustellen, in welchem beiden Parteien bewusst war bzw. hätte bewusst<br />

sein müssen, dass ihre ursprüngliche Annahme bezüglich der unentgeltlich zu<br />

leistenden Arbeit unrealistisch ist. Lässt sich dem Sachverhalt keine zeitliche Zäsur<br />

entnehmen, die einen sachlichen Anknüpfungspunkt für ein Entgelt für die danach geleistete<br />

Arbeit bietet, so dürfte sich der Richter ander ganzen Dauer der Arbeitsleistung<br />

sowie am üblichen <strong>Lohn</strong> inSinne von Art. 322 Abs. 1ORorientieren müssen.<br />

Der <strong>Lohn</strong> pro Zeitabschnitt wäre wegen der ursprünglichen Erklärung der Arbeit leistenden<br />

Person, unentgeltlich tätig sein zu wollen, indessen nach Billigkeit zu reduzieren.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Bern vom 14. Juli 1987, JAR 1989, S. 106 ff.; bestätigt<br />

durch den Appellationshof mit Entscheid vom 25. November 1987.<br />

Diese Ansicht dürfte von Bucher, 1. Aufl., S. 241 f.(S. 273 f.inder 2. Aufl.), beeinflusst<br />

worden sein.<br />

69


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

70<br />

der Arbeitsempfänger das Tätigwerden der Arbeit leistenden Person gewünscht<br />

<strong>und</strong> auch akzeptiert haben müsse. Eine Entschädigung sei dann nicht geschuldet,<br />

wenn die Arbeit leistende Person die Arbeitsleistung dem Leistungsempfänger<br />

unaufgefordert aufgedrängt habe, obwohl der Leistungsempfänger eine<br />

solche Leistung zuseinen Gunsten ausdrücklich nicht wollte. Dieser <strong>im</strong> Urteil<br />

des Arbeitsgerichts Bern dargelegten Auffassung ist insofern zuzust<strong>im</strong>men, als<br />

dass sich ein Leistungsempfänger keine von ihm abgelehnte Arbeitsleistung<br />

aufdrängen lassen muss. Im Weiteren ist diesbezüglich eine differenziertere Betrachtungsweise<br />

angezeigt. 294 Zweifelhaft erscheint hingegen die Aussage, <strong>im</strong><br />

Rahmen von Art. 320 Abs. 2ORmüsse ein Leistungsempfänger die Arbeitsleistung<br />

der Arbeit leistenden Person akzeptiert haben. 295 Abzulehnen ist<br />

schliesslich die Auffassung, dass der Leistungsempfänger die Arbeitsleistung<br />

gewünscht haben <strong>und</strong> die Leistungsbeanspruchung auf seine Initiative zurückgehen<br />

müsse.<br />

141 Der Aussage, die Arbeitsleistung müsse auf die Initiative des Leistungsempfängers<br />

zurückgehen, ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich dem Gesetzestext<br />

nicht entnehmen lässt, Art. 320 Abs.2OR sei nur dann anwendbar, wenn der<br />

Arbeitsempfänger die Initiative ergriffen habe –hingegen nicht, wenn die Initiative<br />

von der Arbeit leistenden Person ausging. Zwar ist es richtig, dass der<br />

Leistungsempfänger bzw. der Arbeitgeber die Arbeitsleistung entgegennehmen<br />

muss. Aus der Voraussetzung der Entgegennahme der Arbeitsleistung durch<br />

den Arbeitgeberkann jedoch nicht gefolgert werden,der Arbeitgeber müsse den<br />

ersten Schritt in Richtung eines möglichen Vertragsschlusses getan haben. 296 In<br />

Bezug auf die Frage, wer Initiator für den (nachmalig als mangelhaft erkannten)<br />

Versuch war, einen Arbeitsvertrag abzuschliessen, 297 ist der Gesetzestext neutral.<br />

Die vom Arbeitsgericht Bern aufgestellte Voraussetzung, der Arbeitgeber<br />

müsse als erster Beteiligter aktiv geworden sein, würde zudem den Anwendungsbereich<br />

von Art. 320 Abs.2OR ohne ersichtlichen Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> in Abweichung<br />

von den allgemeinen Regeln des OR 298 einschränken. Nach den allgemeinen<br />

Regeln des ORspielt esfür die Entstehung eines Vertrags gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

keine Rolle, 299 von welcher Partei die Initiative oder die erste, auf einen mögli-<br />

294<br />

295<br />

296<br />

297<br />

298<br />

299<br />

Vgl. dazu unten Rz. 144 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> Rz. 151 ff.<br />

Vgl. Näheres dazu Rz. 144 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong>Rz. 147 ff.<br />

Zur Bedeutung der Wendung «Entgegennahme der Arbeitsleistung» durch den Arbeitgeber<br />

siehe unten Rz. 144 ff.<br />

Sollte überhaupt ein solcher Versuch, etwa in Form von nicht zu Ende geführten oder<br />

ergebnislosen Vertragsverhandlungen, stattgef<strong>und</strong>en haben.<br />

Zu erinnern ist daran, dass durch Art. 320 Abs. 2ORdie allgemeinen Regeln für das<br />

Zustandekommen eines Vertrags ergänzt, aber nicht vollständig verdrängt werden;<br />

vgl. oben. Rz. 118 ff.<br />

Anders ist die Rechtslage bei der Zusendung unbestellter Sachen, vgl. Art. 6a OR.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

chen Vertragsschluss gerichtete Erklärung ausgeht. 300 Von rechtlicher Bedeutung<br />

ist vielmehr, wie eine Erklärung der die Initiative ergreifenden Partei zu<br />

verstehen ist. Relevant ist, ob es sich bei einer auf einen möglichen Vertragsschluss<br />

gerichteten Erklärung etwa umeine unverbindliche erste Anfrage, eine<br />

Einladung zur Offertstellung an das Gegenüber oder umeine genügend best<strong>im</strong>mte<br />

Offerte handelt, die von der anderen Partei angenommen, offengelassen<br />

oder abgelehnt werden kann. Wesentlich ist der Erklärungsinhalt –nicht<br />

aber, ob die zubeurteilende Erklärung die erste, zweite oder gar zehnte Erklärung<br />

war<strong>und</strong> vonwelcher Partei dieursprünglicheInitiativeausgegangen ist.<br />

142 Somit sind für all diejenigen Konstellationen, aus denen sich ergibt, dass bezüglich<br />

der Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung kein natürlicher oder normativer<br />

Konsens vorliegt <strong>und</strong> dennoch Arbeit zugunsten einer Partei geleistet wird, die<br />

in Art. 320Abs.2OR festgehaltenen Voraussetzungennäher zu prüfen.<br />

B. DieVoraussetzungenvon Art. 320Abs.2OR<br />

143 Aufgr<strong>und</strong> des konditionalen Aufbaus von Art. 320 Abs.2OR müssen zwei,<br />

jeweils zweigliedrige Voraussetzungen erfüllt sein, damit die statuierte Rechtsfolge,<br />

dieEntstehung einesArbeitsvertrags,eintritt: 301<br />

(1) Jemand erbringt (a) eine Arbeitsleistung auf Zeit, die (b) vom Arbeitgeberentgegengenommen<br />

wird,<br />

(2) wobei diese, vom Arbeitgeber entgegengenommene Arbeitsleistung (a)<br />

denUmständen nach (b) nurgegen <strong>Lohn</strong> zuerwarten ist.<br />

1. DieEntgegennahmeder Arbeitsleistung auf Zeit<br />

144 Betrachtet man die Voraussetzung (1), sobesteht ihr erstes Unterelement (1)(a)<br />

–das Leisten von Arbeit auf Zeit –ineiner üblicherweise äusserlich feststellbaren<br />

Tatsachenvoraussetzung.Inder Regeldürfte dieses Elementkeinegrösseren<br />

Probleme bereiten; denn objemand eine Arbeitsleistung 302 auf Zeit erbracht hat,<br />

300<br />

301<br />

302<br />

Aus verhandlungsstrategischen <strong>und</strong> -taktischen Überlegungen mag dies unter Umständen<br />

anders zu beurteilen sein.<br />

In Anlehnung anMüller, Abschluss, S. 52 ff. (noch zu Art. 320 Abs. 2aOR, für den<br />

Text von Art. 320 Abs. 2aOR siehe unten Fn. 384).<br />

Allgemein ausgedrückt ist unter Arbeit eine Leistung des Arbeitnehmers zu verstehen,<br />

welche ein Bedürfnis des Arbeitgebers erfüllt <strong>und</strong> deshalb für den Arbeitgeber einen<br />

Wert besitzt. Ob die Arbeitsleistung etwas stofflich Greifbares hervorbringt oder nicht,<br />

ist nicht von Bedeutung. Auch geistige Arbeit ist Arbeit <strong>im</strong>Rechtssinne. Die Arbeitsleistung<br />

muss jedoch positiv sein. Dies bedeutet, dass ein reines Unterlassen einer<br />

Handlung keine Arbeitsleistung darstellt. Vgl. auch die Umschreibungen bei BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N2; Brand/Dürr et al., Art. 319 N6f.; Brun-<br />

71


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

72<br />

wird sich in den meisten Fällen ohne grössere Schwierigkeiten ermitteln <strong>und</strong><br />

beweisen lassen. 303<br />

145 Das zweite Unterelement (1)(b) –die Entgegennahme der Arbeitsleistung durch<br />

den Arbeitgeber –erscheint ebenfalls als eine Tatsachenvoraussetzung, die jedoch<br />

ein möglicherweise schwieriger darzulegendes <strong>und</strong> schwieriger zu beurteilendesWissenselementbeinhaltet.<br />

146 Das Fehlen einer Einigung zur Entgeltlichkeit einer Arbeitsleistung kann sich<br />

auf unterschiedliche Art <strong>und</strong> Weise ergeben. 304 Von <strong>besondere</strong>m Interesse sind<br />

nun diejenigen Situationen, in welchen eine verwertbare Erklärung des Arbeitsempfängers<br />

zur Entgeltlichkeit einer erbrachten Arbeitsleistung fehlt. Zum einen<br />

kann dies der Fall sein, wenn zwischen den Parteien gar keine Abrede zur<br />

Entlöhnung der Arbeitsleistung getroffen wurde. Zum anderen auch dann, wenn<br />

die Entgeltlichkeit zwar besprochen wurde, aber keine Einigung erzielt wurde,<br />

oder wenn der Arbeitsempfänger auf die Erklärung der Arbeit leistenden Person,<br />

sie wolle gegen <strong>Lohn</strong> arbeiten, keinerlei Reaktion zeigt. Besonders deutlich<br />

wirft dabei die letztgenannte Situation die Frage auf, obder Arbeitsempfänger<br />

303<br />

304<br />

ner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 319 N2; Geiser/Müller, N101; Portmann/Stöckli,<br />

N5;Vischer, S.2;Wyler, S.58; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 319 N5<strong>und</strong> N8.<br />

Als mittlerweile weitgehend gelöster Problemfall <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer Arbeitsleistung<br />

auf Zeit kann auf die «Arbeit auf Abruf» hingewiesen werden. Unter Arbeit<br />

auf Abruf wird –<strong>im</strong>Gegensatz zur Gelegenheitsarbeit –in der Regel ein unbefristetes<br />

Teilzeitarbeitsverhältnis verstanden, in welchem der Zeitpunkt <strong>und</strong> die Dauer des<br />

einzelnen Arbeitseinsatzes <strong>im</strong> Voraus nicht feststeht. Zur Festlegung eines Einsatzes<br />

können sich die Parteien jeweils einvernehmlich auf einen Einsatz einigen, sodass der<br />

Arbeitnehmer ein Einsatzangebot auch ablehnen könnte. Es wird unter solchen Voraussetzungen<br />

von unechter Arbeit auf Abruf gesprochen. Hat der Arbeitnehmer dem<br />

Ruf des Arbeitgebers hingegen ohne Ablehnungsmöglichkeit zufolgen, wird von echter<br />

Arbeit auf Abruf gesprochen. Streitig war längere Zeit, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang<br />

<strong>Lohn</strong> zubezahlen ist, wenn der Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst leistet bzw. sich auf<br />

Abruf zur Verfügung hält, ohne sich am eigentlichen Arbeits- oder Einsatzort zubefinden,<br />

<strong>und</strong> diese Bereitschaftszeit in beschränktem Umfang auch für andere, arbeitsfremde<br />

Tätigkeiten nutzen kann. Das B<strong>und</strong>esgericht hat diesbezüglich entschieden,<br />

dass gestützt auf Art. 320 Abs. 2ORauch Bereitschaftsdienst ausserhalb des Betriebs<br />

zu entschädigen ist, wenn auch –anderslautende Abrede vorbehalten –zueinem geringeren<br />

<strong>Lohn</strong>; BGE 124 III 249 (E. 3, 251 f.); diese Rechtsprechung wurde in<br />

BGE 125 III 65 (E. 4/5, 68f.) bestätigt <strong>und</strong> konkretisiert; vgl. auch Aubert, travail à<br />

temps partiel irrégulier, S.175 ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, S.409 f. N6;<br />

Geiser, Schranken, Rz. 2.19 ff.; Portmann/Stöckli, N915 ff.; Roncoroni, S.1410 ff.;<br />

Streiff/von Kaenel, Art.319 N18f.sowie Art. 324 N14; Wyler, S. 71 ff.; Entscheid<br />

des Arbeitsgerichts Zürich vom 3.September 1986, JAR 1988, S. 134 ff.; Entscheid<br />

des Arbeitsgerichts Zürich vom 11. Juni 2008, Entscheide des Arbeitsgericht Zürich<br />

2008, Nr. 1,S.5f.<br />

Vgl. oben Rz. 127 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

von der erbrachten Arbeitsleistung bis zum Zeitpunkt, inwelchem er mit einer<br />

<strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers konfrontiert wird, überhaupt etwas gewusst<br />

hat. Es geht folglich um den arbeitgeberseitigen Empfang der ausdrücklichen<br />

oder konkludenten Willenserklärung der Arbeit leistenden Person, gegen Entgelt<br />

arbeiten zu wollen.<br />

147 Damit von einer «Entgegennahme» <strong>im</strong> Sinne von Art. 320 Abs.2OR gesprochen<br />

werden kann, muss erstellt sein, dass der Arbeitsempfänger von der Arbeitsleistung<br />

wusste oder davon hätte wissen können <strong>und</strong> müssen. Das gemäss<br />

Art. 320 Abs.2OR <strong>im</strong> Begriff «Entgegennahme der Arbeitsleistung» enthaltene<br />

Wissenselement besteht darin, dass der Arbeitsempfänger davon Kenntnis<br />

hat, dass zu seinen Gunsten Arbeit geleistet wird. Zuergänzen ist dies mit der<br />

Aussage von MÜLLER, dass es zur Erfüllung der Voraussetzung der Entgegennahme<br />

der Arbeitsleistung nach Art. 320 Abs.2OR zusätzlich notwendig ist,<br />

dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung duldet 305 bzw. die mit Wissen des Arbeitsempfängers<br />

erbrachte Arbeitsleistung nichtablehnt.<br />

148 Dass es notwendig ist, dass der Arbeitgeber von der Arbeitsleistung Kenntnis<br />

hat oder zumindest davon Kenntnis haben könnte <strong>und</strong> müsste, <strong>und</strong> es durchaus<br />

möglich ist, dass der Arbeitgeber von der Arbeitsleistung gerade nichts weiss<br />

<strong>und</strong> davon weder hätte wissen können noch müssen, ergibt sich etwa aus dem<br />

B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid 4C.307/2001 vom 14. März 2002. Indiesem Fall kam<br />

das BUNDESGERICHT zum Ergebnis, dass der einzige Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft,<br />

die als Auffanggesellschaft für die verbleibenden Aktiven eines<br />

sanierungsbedürftigen Handwerksbetriebs gegründet wurde, von den Arbeitsleistungen<br />

des Handwerkerehepaars für die Gesellschaft nichts gewusst hat<br />

<strong>und</strong> davon auch nichts hätte wissen müssen. Dass offenbar ein Berater <strong>und</strong> der<br />

Revisor der Gesellschaft um die fraglichen Arbeitsleistungen wussten, änderte<br />

nichts, weil diese Personen weder formelle noch faktische Organe der Gesellschaft<br />

waren <strong>und</strong> über keine Ermächtigung verfügten, für die Gesellschaft Verträgeabzuschliessen.<br />

306<br />

149 Wenn der Arbeitsempfänger von der Arbeitsleistung folglich keine Kenntnis<br />

hat, von der Arbeitsleistung zu seinen Gunsten ebenso wenig hätte wissen kön-<br />

305<br />

306<br />

Müller, Abschluss, S. 52 f. (noch zu Art. 320 Abs. 2aOR; für den Text von Art. 320<br />

Abs. 2aOR siehe unten Fn. 384) mit Hinweis auf den Entscheid des Gewerbegerichts<br />

Bern vom 13. September 1938, in: Arbeitsrechtliches Mitteilungsblatt, VI. Jg. (1938),<br />

Heft 4, Nr. 77.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. März 2002, 4C.307/2001, E. 2b/c; vgl. auch<br />

den Entscheid des Arbeitsgerichts der Stadt Bern vom 7. Juni 1994, JAR 1997,<br />

S. 100 ff. (102 f.), in welchem das Gericht zum Schluss kam, die Person, welche mit<br />

dem klagenden Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte, habe über eine<br />

Duldungsvollmacht des beklagten Arbeitgebers verfügt. Deshalb wurde die Entstehung<br />

eines Arbeitsvertrags vomGericht bejaht.<br />

73


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

74<br />

nen <strong>und</strong> müssen <strong>und</strong> überdies kein Stellvertretungsverhältnis vorliegt, aufgr<strong>und</strong><br />

dessen das Wissen des Stellvertreters dem Arbeitsempfänger zuzurechnen ist,<br />

hat der Arbeitsempfänger <strong>im</strong>Sinne von Art. 320 Abs.2OR nichts entgegengenommen.<br />

Die Voraussetzung der Entgegennahme der Arbeitsleistung ist nicht<br />

erfüllt, <strong>und</strong> ein Arbeitsvertrag nach Art. 320 Abs.2 OR kann deswegen nicht<br />

zustande kommen.<br />

150 ImZusammenhang mit den Situationen, in welchen zur Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung<br />

keine verwertbare Erklärung des Arbeitsempfängers vorliegt, 307<br />

aber dennoch eine Arbeitsleistung zu seinen Gunsten erbracht wurde, erscheint<br />

überdies eine Differenzierung notwendig. Diese Differenzierung setzt be<strong>im</strong><br />

Stand der Arbeitsleistung indem Zeitpunkt an, inwelchem der Arbeitsempfängervon<br />

derArbeitsleistung Kenntnis erhält.<br />

151 Inder Konstellation, in welcher nur von der Arbeit leistenden Person eine Erklärung<br />

vorliegt, sie wolle gegen <strong>Lohn</strong> arbeiten, <strong>und</strong> der Arbeitsempfänger darauf<br />

nichts entgegnet, liegt erst ein Arbeitsangebot vor. Erfährt der Arbeitsempfänger<br />

von diesem Angebot, braucht erdarauf gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zureagieren,<br />

obwohl eine Reaktion der Klarheit halber zweifelsohne vorteilhaft wäre. Das<br />

Ausbleiben einer Reaktion auf eine angebotene, noch nicht begonnene Arbeitsleistung<br />

kann nicht als stillschweigende Entgegennahme betrachtet werden, da<br />

Schweigen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht als Annahmeerklärung für eine Vertragsofferte<br />

gilt. Wenn ohne anderslautende gesetzliche Anordnung bzw. ohne <strong>besondere</strong><br />

Umstände, die eine Annahmeerklärung nach den Umständen nicht erwarten lassen,<br />

308 oder ohne andere Vereinbarung zwischen den Parteien «niemand auf unberufene<br />

Anfragen zuantworten» braucht, 309 hat dies auch für eine Entgegennahmenach<br />

Art. 320Abs.2OR zu gelten. 310<br />

152 Reagiert also ein potenzieller Arbeitsempfänger auf eine ihm angebotene Arbeitsleistung<br />

nicht <strong>und</strong> beginnt <strong>und</strong> beendet 311 der Arbeitnehmer nichtsdestotrotz<br />

eine Arbeitsleistung, welche dem Arbeitsempfänger nur in Form eines Arbeitsangebotes<br />

einmal zur Kenntnis gebracht wurde, ist die erste Voraussetzung<br />

von Art. 320 Abs.2OR nicht erfüllt. Das Wissen des Arbeitgebers um ein von<br />

ihm –gewollt oder ungewollt –nicht beachtetes <strong>und</strong> unbeantwortet gebliebenes<br />

307<br />

308<br />

309<br />

310<br />

311<br />

Vgl. oben Rz. 145.<br />

Vgl. Art. 6<strong>und</strong> 6a OR.<br />

von Tuhr/Peter, S.188 f.; vgl. auch Engel, S.131 mit Hinweis auf BGE 38 II 623<br />

(E. 2,625 f.); Gauch/Schluep/Schmid, N450 f. mit Hinweis auf BGE 123 III 53<br />

(E. 5a, 59 f.); Koller, §3 N124 <strong>und</strong> §7 N97ff.; Mathys, S. 26 ff.; Schwenzer,<br />

N27.11 <strong>und</strong> N28.33 ff.<br />

Vgl. auch den Entscheid des Arbeitsgerichts Bern vom 14. Juli 1987, JAR 1989,<br />

S. 106 ff. (107), bestätigt durch den Appellationshof mit Entscheid vom 25. November<br />

1987.<br />

Vgl. dazu auch unten Rz.154 sowie Rz. 156 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

Arbeitsangebot reicht nicht aus, umdas Erfordernis der Entgegennahme der<br />

Arbeitsleistung <strong>im</strong>Sinne von Art. 320 Abs.2OR zu erfüllen. Keine Bedeutung<br />

hat esdabei, dass es sich um eine Arbeitsleistung handeln könnte, welche die<br />

zweite Voraussetzung –das Vorliegen von Umständen, welche die Arbeitsleistung<br />

nur gegen <strong>Lohn</strong> erwarten lassen 312 –von Art. 320 Abs.2OR erfüllen würde.<br />

Ebenfalls unerheblich ist es, mit welchen Absichten die Arbeit leistende<br />

Person gehandelt hat. Dem Arbeitnehmer, der einem Arbeitgeber eine Arbeitsleistung<br />

–irrtümlich oder absichtlich –aufdrängt, <strong>und</strong> nach dem Leisten der<br />

Arbeit vorbringt, der Arbeitgeber habe die vorgängig angebotene Arbeitsleistung<br />

nicht abgelehnt, wäre eine Berufung auf Art. 320 Abs.2OR zu versagen.<br />

313<br />

153 Die Begründung für dieses Ergebnis liegt <strong>im</strong> Schutz des privaten Rechtsverkehrs.<br />

Dieses Ordnungsprinzip gebietet, dass sich jemand darauf verlassen können<br />

darf <strong>und</strong> muss, dass für ihn ohne sein Wissen <strong>und</strong> Zutun gr<strong>und</strong>sätzlich keine<br />

rechtlich durchsetzbaren Verpflichtungen entstehen. Eine Person, zu deren<br />

Gunsten eine Arbeitsleistung erbracht wurde, muss sich –wie jede andere am<br />

privaten Rechtsverkehr teilnehmende Person auch –aufgr<strong>und</strong> der von der Vertragsfreiheit<br />

abgeleiteten Abschlussfreiheit eine (Arbeits-)Leistung, <strong>und</strong> damit<br />

einen Vertrag, nicht aufdrängen lassen. 314 Dies auch dann nicht, wenn diese<br />

Leistung bzw. der in Aussicht stehende Vertrag für diese Person nützlich <strong>und</strong><br />

günstig oder möglicherweise sogargeboten wäre.<br />

154 Für Arbeitsleistungen, von denen der Arbeitsempfänger zum ersten Mal erst<br />

nach deren Abschluss oder Beendigung erfährt, also nicht einmal von einem<br />

Arbeitsangebot wusste, muss das für Arbeitsangebote soeben dargelegte Prinzip<br />

312<br />

313<br />

314<br />

Vgl. unten Rz. 177 ff.<br />

Zu prüfen wäre jedoch, ob dem Arbeitsempfänger als begünstigter Partei ein Vermögensvorteil<br />

erwächst. Wäre dies der Fall, könnten sich allenfalls Ansprüche gestützt<br />

auf die culpa in contrahendo oder die Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

(Art. 419 ff. OR) ergeben, woauch die Absichten der Arbeit leistenden Person zum<br />

Tragen kommen könnten. Ansprüche könnten sich auch gestützt auf die ungerechtfertigte<br />

Bereicherung ergeben (Art. 62 ff. OR, Ersparniskondiktion), wobei die Mehrheit<br />

der Lehre davon ausgeht, dass Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Bereicherungsansprüche<br />

ausschliessen, vgl. BSK OR I-Schulin, Art. 62 N40m.w.H. Allfällige<br />

Schadenersatzansprüche wären nach den Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

oder nach den Best<strong>im</strong>mungen zur unerlaubten Handlung (Art. 41 ff. OR) zu beurteilen,<br />

wobei die herrschende Lehre bei diesen Instituten von Anspruchskonkurrenz<br />

ausgeht; vgl. BSK OR I-Weber, vor Art. 419 N20m.w.H.; differenzierend: Schmid,<br />

N1277 ff.<br />

Auf die Fälle des <strong>privatrechtlichen</strong> Kontrahierungszwangs soll hier nicht eingetreten<br />

werden. Vgl. zum Kontrahierungszwang: BE-Komm.-Kramer, Art. 19 N92ff. <strong>und</strong><br />

N108 ff.; Bucher, S. 89 f.; Engel, S.99ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N1102 ff.; Koller,<br />

§22N1ff.; Schwenzer, N26.10 ff.; ZH-Komm.-Schönenberger/Jäggi, Art. 1<br />

N527 ff.<br />

75


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

76<br />

afortiori gelten. Eskann gestützt auf Art. 320 Abs.2OR kein Arbeitsvertrag<br />

entstehen, dadie Voraussetzung der Entgegennahme der Arbeitsleistung nicht<br />

erfüllt ist.<br />

155 Ausnahmen vom eben geschilderten Gr<strong>und</strong>satz könnten sich jedoch dann ergeben,<br />

wenn der Arbeitsempfänger bei früheren Gelegenheiten für Arbeitsleistungen<br />

<strong>im</strong>Nachhinein ein Entgelt bezahlt hat. Falls sich in einer Gesamtbetrachtung<br />

eine Übung oder ein Muster ableiten lässt, könnte daraus gefolgert werden,<br />

die betroffenen Parteien hätten sich <strong>im</strong> Sinne von Art. 6ORstillschweigend<br />

darauf geeinigt, das Schweigen des Arbeitgebers bedeute jeweils die Annahme<br />

einer Offerte <strong>und</strong> führe zu einem Vertragsschluss. 315 Um den Gr<strong>und</strong>satz, dass<br />

ein Schweigen keine rechtlichen Wirkungen zeitigt, nicht übermässig aufzuweichen,<br />

ist ein solches Ergebnis mit Vorsicht anzunehmen. 316 Zu verlangen wäre<br />

etwa, dass der Arbeitgeber mehrere Male nachträglich <strong>Lohn</strong> für eine weder ausdrücklich<br />

noch konkludent angenommene Arbeitsleistung bezahlt hat <strong>und</strong> dass<br />

für den Arbeitnehmer keine Indizien erkennbar waren, welche darauf hindeuteten,<br />

der Arbeitgeber habe seine Ansicht geändert. 317 Andererseits können die<br />

Parteien in Abweichung vom gesetzlichen Gr<strong>und</strong>satz vereinbaren, das Schweigen<br />

des Arbeitgebers auf ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers solle als Annahmegelten.<br />

318<br />

156 Verglichen mit den Situationen, in denen der Arbeitsempfänger nur von einem<br />

unbeantwortet gebliebenen Arbeitsangebot wusste oder überhaupt erst von einer<br />

schon abgeschlossenen Arbeitsleistung erfährt, sind die Fälle gesondert zu prüfen,<br />

inwelchen der Arbeitsempfänger –nach einem eventuellen Arbeitsangebot<br />

–von der Arbeitsleistung Kenntnis erhält, während die Arbeitsleistung erbracht<br />

wird. Dass sich eine gesonderte Prüfung solcher Situationen rechtfertigt, lässt<br />

sich aufunterschiedlicheÜberlegungen stützen.<br />

315<br />

316<br />

317<br />

318<br />

Abhängig von der Häufigkeit <strong>und</strong> Regelmässigkeit der Arbeitseinsätze könnten einzelne,<br />

befristete Arbeitsverträge vorliegen. Wegen der Unzulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen<br />

ist indessen jeweils zu berücksichtigen, dass auch bereits ein sogenannt<br />

uneigentliches Teilzeitarbeitsverhältnis <strong>und</strong> damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis<br />

vorliegen könnte. Vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art.334 N5f. <strong>und</strong> S. 408 f.,<br />

N5;ZH-Komm.-Schönenberger/Staehelin, Art. 319 N71ff.; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 319 N50ff.<br />

Vgl. Koller, §7N98.<br />

Wollte man –<strong>im</strong> Bewusstsein, dass einer Ziffer eine <strong>im</strong>manente «Willkür» zukommt<br />

<strong>und</strong> sich nicht abschliessend begründen lässt sowie dass überdies die konkreten Umstände<br />

des Einzelfalls anderes nahelegen können –eine Anzahl der nachträglichen<br />

<strong>Lohn</strong>zahlungen angeben, wäre nach drei nachträglichen <strong>Lohn</strong>zahlungen wohl eine<br />

Übung oder ein Muster zu bejahen.<br />

Koller, §7N99.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

157 Einmal kann darauf hingewiesen werden, dass der Arbeitsempfänger bei einer<br />

gegenwärtig erbrachten Arbeitsleistung mit einer aktuellen <strong>und</strong> andauernden Situation<br />

konfrontiert wird, inwelche erüblicherweise unmittelbar aktiv eingreifen<br />

kann. ImGegensatz zu einer bereits abgeschlossenen Arbeitsleistung sieht<br />

sich der Arbeitsempfänger somit nicht nur mit einer vollendeten Tatsache konfrontiert.<br />

Verglichen mit einem Arbeitsangebot stellt sich die Lage für den Arbeitsempfänger<br />

bei einer gegenwärtig erbrachten Arbeitsleistung auch anders<br />

dar, weil er be<strong>im</strong> Ersteren annehmen kann <strong>und</strong> darf, dass ein rationaler 319 Arbeitnehmer<br />

üblicherweise nicht das Risiko eingeht, ohne vorgängige <strong>Lohn</strong>vereinbarung<br />

zu arbeiten. Mit anderen Worten muss der Arbeitsempfänger bei einem<br />

blossen Arbeitsangebot nicht damit rechnen, dass ihm eine Leistung aufgedrängt<br />

wird. Erweist sich diese vernünftige Annahme des Arbeitgebers, dass<br />

ein rationaler Arbeitnehmer ohne <strong>Lohn</strong>zusage nicht arbeitet, indessen als falsch,<br />

verliert die rational-ökonomisch motivierte Überlegung ihren hypothetischen<br />

Charakter <strong>und</strong>damit ihre Gr<strong>und</strong>lage.<br />

158 Esist daher zubeurteilen, obder Arbeitsempfänger <strong>im</strong>Fall, in welchem er von<br />

einer gegenwärtigen <strong>und</strong> andauernden Arbeitsleistung erfährt, nichts zu unternehmen<br />

braucht <strong>und</strong> daraus das gleiche Ergebnis –d.h. keine Entgegennahme<br />

der Arbeitsleistung nach Art. 320 Abs.2OR –resultiert wie bei einem Arbeitsangebot<br />

bzw. einer bereits abgeschlossenen Arbeitsleistung oder obanden Arbeitsempfänger<br />

indiesem Fall erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Dies<br />

würde bedeuten,dass derArbeitsempfängertätig werden müsste.<br />

159 Gründe, die für ein Tätigwerden des Arbeitsempfängers sprechen, können vorerst<br />

in den gleichen Überlegungen gef<strong>und</strong>en werden, die schon genannt wurden,<br />

um eine gesonderte Prüfung dieser Fallvariante zu rechtfertigen. 320 Als weiteres<br />

Argument liesse sich anführen, dass es unbillig erscheinen könnte, wenn der<br />

Arbeitsempfänger davon erfährt, dass ihm eine nutzenstiftende Leistung erbracht<br />

wird, von ihm aber nicht verlangt würde, auf die ihm nun bekannte, aber<br />

unklare Situation bezüglich der Entgeltlichkeit zu reagieren. Selbst wenn man<br />

berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer sich ohne (sicheren) Rechtsgr<strong>und</strong> in die<br />

Rechtssphäre des Arbeitgebers vorgewagt hat, könnte sich eine solche Lösung<br />

am Schutzcharakter von Art. 320Abs.2OR zugunsten des Arbeitnehmers stossen.<br />

Dies ins<strong>besondere</strong> dann, wenn der Arbeitnehmer irrtümlich glaubte, es sei<br />

bereits ein Arbeitsvertrag entstanden, <strong>und</strong> der Arbeitgeber einmal den Rechtsschein<br />

hataufkommen lassen, der Arbeitnehmer könntebei ihmeine Anstellung<br />

finden. Würde vom Arbeitgeber nicht verlangt, dass er auf die gegenwärtig erbrachte<br />

Arbeitsleistung reagiert, würde für den Arbeitgeber zudem der fragwürdige<br />

Anreiz geschaffen, die Arbeit leistende Person vorerst weiterarbeiten zu<br />

319<br />

320<br />

Gemäss Duden, Fremdwörterbuch, S. 880, bedeutet der Begriff «rational» so viel wie<br />

«vernünftig» oder «von der Vernunft» best<strong>im</strong>mt.<br />

Siehe oben Rz. 157.<br />

77


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

78<br />

lassen, umsich, wenn er mit einer <strong>Lohn</strong>forderung konfrontiert wird, darauf zu<br />

berufen, esliege kein Vertrag vor. Der Arbeitgeber könnte somit versuchen, es<br />

einfach darauf ankommen zulassen. Erkönnte abwarten, ob der Arbeitnehmer<br />

dazu bereit <strong>und</strong> inder Lage ist, seine nicht ohne Schwierigkeiten zu begründende<br />

<strong>Lohn</strong>forderung allenfalls gerichtlich einzufordern.<br />

160 Als Einwand gegen die Ansicht, der Arbeitgeber müsse tätig werden, wenn er<br />

von einer gegenwärtig erbrachten <strong>und</strong> vernünftigen Arbeitsleistung 321 erfährt,<br />

die ernicht veranlasst hat, ist wiederum anden auf dem Schutz der Verkehrssicherheit<br />

beruhenden Gr<strong>und</strong>satz zu denken, dass sich niemand eine Leistung<br />

aufdrängen lassen muss. Verstärkt würde dieser Gr<strong>und</strong>satz, wenn sich ergäbe,<br />

der Arbeitnehmer versuche absichtlich, dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung<br />

gegen Entgeltaufzudrängen.<br />

161 Werden die angeführten Argumente einander gegenübergestellt <strong>und</strong> gegeneinander<br />

abgewogen, spricht mehr dafür, dass der Arbeitgeber tätig werden muss,<br />

als dagegen. Wenn der Arbeitgeber von einer gegenwärtig erbrachten Arbeitsleistung<br />

zu seinen Gunsten erfährt, ohne dass er diese veranlasst hätte, kann <strong>und</strong><br />

darf von ihm nach Treu <strong>und</strong> Glauben (Art. 2Abs.1ZGB) erwartet werden, dass<br />

er innert nützlicher Frist tätig wird <strong>und</strong> versucht, die Situation auf eine klare<br />

Basis zu stellen. Beizufügen ist, dass mit dieser gr<strong>und</strong>sätzlichen Aussage, ein<br />

Arbeitgeber müsse in einer solchen Situation tätig werden, noch nichts darüber<br />

gesagt ist, welcher Arbeitgeber gegenüber welchem Arbeitnehmer innert welcher<br />

Frist wiegrosseAnstrengungen aufsich nehmenmuss.<br />

162 Was den Zeitpunkt, das Mass <strong>und</strong> die konkrete Art der Anstrengungen betrifft,<br />

die von einem Arbeitgeber erwartet werden können <strong>und</strong> dürfen, wenn er von einer<br />

gegenwärtigen <strong>und</strong> rechtsgr<strong>und</strong>losen Arbeitsleistung zu seinen Gunsten<br />

erstmals erfährt, lässt sich losgelöst vom Einzelfall kaum inallgemeiner Weise<br />

umschreiben. ImSinne einer generell-abstrakten Umschreibung wäre zu verlangen,<br />

dass der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Umstände innert nützlicher<br />

Frist in einem ihm zumutbaren Umfang Anstrengungen untern<strong>im</strong>mt. Abgesehen<br />

von aussergewöhnlichen Begebenheiten, welche esdem Arbeitgeber<br />

verunmöglichen, tätig zu werden, oder ihm unverhältnismässig grossen Aufwand<br />

verursachen, dürfte es <strong>im</strong> Allgemeinen zumutbar sein, dass der Arbeitgeber<br />

oder ein von ihm best<strong>im</strong>mter Vertreter innert nützlicher Frist 322 ernsthaft<br />

321<br />

322<br />

In den Fällen, in welchen der Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit dem Arbeitgeber ein<br />

unvorteilhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet oder Risiken aufbürdet, welche dem<br />

Arbeitgeber <strong>im</strong> Verhältnis zum zuerwartenden Nutzen zuhoch erscheinen oder dem<br />

Arbeitgeber gar Schaden zufügen, ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber aus Ei-<br />

geninteresseeinschreitet.<br />

Eine starre Frist zu postulieren würde zwar der Rechtssicherheit dienen, aber die Umstände<br />

des Einzelfalls unberücksichtigt lassen. In Analogie zur Mängelrügefrist <strong>im</strong><br />

Kaufrecht gemäss Art. 201 Abs. 1ORsollte innert nützlicher Frist bedeuten, dass der


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

versucht, mit dem Arbeitnehmer Kontakt aufzunehmen –sei es persönlich,<br />

schriftlich, per E-Mail oder per Telefon –<strong>und</strong> ihm mitteilt, dass nach seiner Ansicht<br />

die Arbeitsleistung ohne Rechtsgr<strong>und</strong> erbracht wird. Unterlässt der Arbeitgeber<br />

innert nützlicher Frist <strong>und</strong> ohne hinreichenden Gr<strong>und</strong> jeglichen Versuch<br />

der Kontaktaufnahme, wäre zu folgern, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung<br />

unter wissentlichem Dulden <strong>und</strong> damit <strong>im</strong> Sinne von Art. 320<br />

Abs.2OR entgegengenommen hat. Die erste Voraussetzung für die Entstehung<br />

eines Arbeitsvertragsnach Art. 320 Abs.2OR wäre damiterfüllt.<br />

163 Gelingt dem Arbeitgeber die Kontaktaufnahme mit dem Arbeitnehmer, ist es<br />

ihm selbstverständlich unbenommen, die Arbeit leistende Person davon in<br />

Kenntnis zu setzen, dass er die Arbeitsleistung ablehne <strong>und</strong> sie die Arbeit unverzüglich<br />

einstellen solle. In diesem Fall lägekeine«Entgegennahme» vor.Ein<br />

Arbeitsvertrag gestützt aufArt. 320 Abs.2OR entstehtnicht. 323<br />

164 Einer Aufforderung, die Arbeit einzustellen, hat die Arbeit leistende Person<br />

Folge zu leisten, weil sie ohne Rechtsgr<strong>und</strong> indie Sphäre des Arbeitgebers eingedrungen<br />

ist. Die Einstellung der Arbeitsleistung hat dabei so zu erfolgen, dass<br />

dem vermeintlichen Arbeitgeber aus dem Abbruch der Arbeit kein Schaden entsteht.<br />

165 Andererseits könnte der Arbeitgeber zur gegenwärtig geleisteten Arbeit auch<br />

eine zust<strong>im</strong>mende Willenserklärung abgeben <strong>und</strong> das bereits in Vollzug gesetzte<br />

Angebot annehmen. Selbst wenn keine weiteren Absprachen getroffen würden,<br />

ins<strong>besondere</strong> zur <strong>Lohn</strong>höhe, käme bei Vorliegen der übrigen Begriffsmerkmale<br />

mittels Genehmigung ein Arbeitsvertrag zustande. Ein Abstellen auf<br />

Art. 320 Abs.2OR erscheintnichtmehrnotwendig.<br />

166 Möglich wäre zudem, dass die Beteiligten nach geglückter Kontaktaufnahme<br />

durch den Arbeitgeber versuchen, sich über die Konditionen der Arbeitsleistung<br />

<strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> den dafür zuentrichtenden <strong>Lohn</strong> zu einigen. Gelingt die<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Einigung, die Arbeitsleistung sei zu vergüten, kommt ein Arbeitsvertrag<br />

zustande. Wiederum erübrigt sich aus dogmatischer Sicht ein Abstellen<br />

auf Art. 320 Abs.2OR.<br />

167 Gelingt es den Parteien hingegen nicht, zu einer Einigung zu gelangen, <strong>und</strong><br />

fährt der Arbeitnehmer fort, unter wissentlichem Dulden des Arbeitgebers die<br />

betreffende Arbeit zu verrichten, kann <strong>und</strong> darf das Wissen des Arbeitgebers<br />

323<br />

Mitteilungsversuch erfolgen soll, sobald esnach dem Geschäftsgang angezeigt erscheint;<br />

zur Mängelrügefrist nach Art. 201 Abs. 1ORvgl. statt mehrerer: BSK OR I-<br />

Honsell, Art. 201 N9.<br />

Wiederum wären etwaige Ansprüche der einen oder anderen Partei aus culpa in<br />

contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder<br />

aus unerlaubter Handlung zuprüfen; vgl. oben Fn. 313.<br />

79


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

80<br />

um die Arbeitsleistung als Entgegennahme gewertet werden. Fährt der Arbeitnehmer<br />

indessen mit der Arbeitsleistung fort, obwohl der Arbeitgeber nach ergebnislosen<br />

Verhandlungen ihm mitgeteilt hat, er wolle die Arbeitsleistung<br />

nicht, wäre dem Arbeitnehmer ein Anrufen von Art. 320 Abs.2OR zu versagen.<br />

168 Für die oben erwähnten Konstellationen, 324 in denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung<br />

ann<strong>im</strong>mt, ist zusätzlich zu prüfen, obeine Genehmigung der in<br />

Vollzug gesetzten Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber für die gesamte Dauer<br />

der Arbeitsleistung gilt <strong>und</strong> folglich ex tunc wirkt oder erst ab dem Zeitpunkt<br />

derGenehmigung für dieZukunft–ex nunc.<br />

169 Dasich der Arbeitnehmer ohne Rechtsgr<strong>und</strong> in die Sphäre des Arbeitgebers<br />

vorgewagt hat <strong>und</strong> in der vorliegenden Fallkonstellation vorausgesetzt ist, dass<br />

der Arbeitgeber umgehend nach Kenntnis auf die bis zu diesem Zeitpunkt<br />

vertragslos zu seinen Gunsten erbrachte Arbeitsleistung reagiert, kommt dem<br />

Arbeitgeber gestützt auf die der Vertragsfreiheit <strong>im</strong>manente Abschlussfreiheit<br />

eine Wahlmöglichkeit zu. Der Arbeitgeber kann einerseits die Dauer dergesamten<br />

Arbeitsleistung ex tunc genehmigen. Damit wird der Rechtsgr<strong>und</strong> für ein<br />

Entgelt für die gesamte Arbeitsleistung geschaffen. Andererseits steht esdem<br />

Arbeitgeber frei, seineAnnahme nur fürdie Zukunftwirken zulassen.<br />

170 Ein Nachteil einer Annahme der Arbeitsleistung ex nunc wäre darin zu erblicken,<br />

dass der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung vor der Annahme ex nunc<br />

Ansprüche gestützt auf eine andere Rechtsgr<strong>und</strong>lage geltend machen könnte.<br />

Dies würde die rechtliche Beurteilung komplizieren. Aus Sicht des Arbeitgebers,<br />

der gewillt ist, mit dem Arbeitnehmer einen Vertrag zu schliessen, erscheint<br />

daher eine Genehmigung ex tunc einfacher. Bei der <strong>Lohn</strong>höhe könnte<br />

entsprechend berücksichtigt werden, dass der Vertrag auf ungewöhnliche Weise<br />

zustande kam. 325<br />

171 ImSinne eines Zwischenfazits kann festgehalten werden, dass die erste Voraussetzung<br />

von Art. 320 Abs.2OR –die Entgegennahme der Arbeitsleistung auf<br />

Zeit durch den Arbeitgeber –dann erfüllt ist, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers zumindest unter wissentlichem Dulden entgegenn<strong>im</strong>mt,<br />

obwohl betreffend die Frage, ob die Arbeitsleistung entgeltlich oder unentgeltlich<br />

erbracht werden soll, kein (natürlicher oder normativer) Konsens<br />

324<br />

325<br />

Vgl. oben Rz. 165 <strong>und</strong> Rz. 167.<br />

In der Praxis dürfte sich der Arbeitgeber, der gewillt ist, mit dem Arbeitnehmer einen<br />

Arbeitsvertrag einzugehen, obwohl ihm die Arbeitsleistung bis anhin aufgedrängt<br />

wurde <strong>und</strong> obwohl er die Arbeitsleistung mit sofortiger Wirkung ablehnen könnte, in<br />

einer verhältnismässig starken Verhandlungsposition befinden. Für den Zeitabschnitt<br />

vor der Genehmigung könnte etwa ein geringeres Entgelt vereinbart oder der <strong>Lohn</strong><br />

könnte für eine best<strong>im</strong>mte Periodereduziert werden.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

vorliegt. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber selbst bzw. ein bevollmächtigter<br />

Stellvertreter um die Arbeitsleistung weiss oder zumindest darum wissen könnte<br />

<strong>und</strong> müsste.<br />

172 Weiss der Arbeitgeber von Beginn an, dass die Arbeitsleistung erbracht wird,<br />

<strong>und</strong> untern<strong>im</strong>mt er nichts, um die Arbeitsleistung zu beenden, stellen sich bezüglich<br />

derEntgegennahmeder Arbeitsleistung keineweiteren Schwierigkeiten.<br />

Die Voraussetzung ist erfüllt, weil der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht abgelehnt<br />

hat, obwohl er dies hätte tun können <strong>und</strong>hätte tun müssen.<br />

173 Weiss der Arbeitgeber hingegen vorerst nicht, dass der Arbeitnehmer eine ihm<br />

nützliche Arbeitsleistung erbringt, sind inAbhängigkeit vom Zeitpunkt, inwelchem<br />

der Arbeitgeber von der Arbeitsleistung erfährt, verschiedene Konstellationen<br />

zuunterscheiden.<br />

174 Erfährt der Arbeitgeber von einem blossen Arbeitsangebot, welches vom Arbeitnehmer<br />

ausgeht, braucht er darauf gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu reagieren. Erbringt<br />

der Arbeitnehmer trotz fehlender Stellungnahme des Arbeitgebers auf das Arbeitsangebot<br />

eine Arbeitsleistung, oder erfährt der Arbeitgeber gar zum ersten<br />

Mal von der Arbeitsleistung, nachdem diese bereits abgeschlossen ist, ist das<br />

Erfordernis der Entgegennahme der Arbeitsleistung nicht erfüllt. Der Arbeitnehmer<br />

kann sich nicht auf Art. 320 Abs.2OR berufen, weil er einem Arbeitgeber<br />

seine Arbeitsleistung ohne dessen Wissen <strong>und</strong> Zutun nicht aufdrängen<br />

kann.<br />

175 Erfährt der Arbeitgeber von der Arbeitsleistung, während sie erbracht wird, darf<br />

von ihm nach Treu <strong>und</strong> Glauben erwartet werden,dass er versucht, dieSituation<br />

zu bereinigen. N<strong>im</strong>mt der Arbeitgeber die sich schon in Vollzug befindliche<br />

Arbeitsleistung an, kommt ein Arbeitsvertrag zustande. Dabei steht dem Arbeitgeber<br />

die Wahl zu, die gesamte Arbeitsleistung rückwirkend zugenehmigen<br />

odernur fürdie Zukunftein Arbeitsverhältnis zu begründen.<br />

176 Unterlässt es der Arbeitgeber hingegen, die unklare Situation betreffend die von<br />

ihm nicht veranlasste, nun aber bekannte Situation zubereinigen, obwohl es<br />

ihm hätte zugemutet werden können, ist davon auszugehen, erhabe die Arbeitsleistung<br />

unter wissentlichem Dulden <strong>im</strong>Sinne von Art. 320 Abs.2OR entgegengenommen.<br />

Unter solchen Umständen ist die Voraussetzung (1) 326 der Entgegennahmeder<br />

Arbeitsleistung erfüllt.<br />

326<br />

Vgl. oben Rz. 143.<br />

81


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

2. DieUmstände,welchedie Leistung der Arbeit nur gegen <strong>Lohn</strong> erwarten<br />

lassen<br />

177 ImVerhältnis zur Voraussetzung (1) 327 –dem Leisten von Arbeit auf Zeit, welche<br />

vom Arbeitgeber entgegengenommen wird –sind die Elemente der Voraussetzung<br />

(2)–das Vorliegen von Umständen (2)(a), welche erwarten lassen, dass<br />

die Arbeitsleistung nur gegen <strong>Lohn</strong> geleistet wurde (2)(b) –als zusätzlich zu erfüllende<br />

Faktoren zu betrachten, welche die Entgegennahme der Arbeit qualifizieren.<br />

Die Voraussetzung (2) ist folglich mit Voraussetzung (1) verknüpft <strong>und</strong><br />

braucht nur geprüft zuwerden, falls sich ergibt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung<br />

entgegengenommen hat.<br />

178 Die Voraussetzung (2)(a) besteht aus einem unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriff, der<br />

durch die Voraussetzung (2)(b) konkretisiert wird, wobei Voraussetzung (2)(b)<br />

ihrerseits in einem auszulegenden, unbest<strong>im</strong>mten Rechts- oder Wertbegriff besteht.<br />

328<br />

179 Umdie <strong>im</strong> Sinne von Art. 320 Abs.2OR massgeblichen Umstände näher zu<br />

best<strong>im</strong>men, ist zu ermitteln, welche Umstände für bzw. dagegen sprechen, dass<br />

die Arbeitsleistung nur gegen <strong>Lohn</strong> zuerwarten sei. Zu ergänzen ist dies mit der<br />

Anmerkung, dass der deutsche <strong>und</strong> französische Gesetzestext, wonach der Arbeitsvertrag<br />

bloss zustande kommt, wenn die Arbeitsleistung «nur» gegen <strong>Lohn</strong><br />

erbracht wird, zu eng ist. Die b<strong>und</strong>esgerichtliche Praxis hält zu Recht fest, dass<br />

der <strong>Lohn</strong> nicht der einzige <strong>und</strong> ausschliessliche Gr<strong>und</strong> für die Arbeitsleistung<br />

sein darf <strong>und</strong> muss. 329 Es reicht aus, wenn der <strong>Lohn</strong> ein wichtiges Motiv für die<br />

Arbeitsleistung darstellt, was ins<strong>besondere</strong> <strong>im</strong> italienischen Gesetzestext 330 seinen<br />

Ausdruck findet. Der italienische Gesetzestext hält fest, dass der Arbeits-<br />

327<br />

328<br />

329<br />

330<br />

82<br />

Vgl. oben Rz. 143.<br />

Zu den unbest<strong>im</strong>mten Rechts- bzw. Wertbegriffen vgl. Kramer, S. 59 f., sowie Koch/<br />

Rüssmann, S. 201 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 23. August 1999, JAR 2000, S. 109 ff., wo in E. 2b<br />

ausgeführt wird, dass es «[…] zur Annahme eines Arbeitsvertrags nach Art. 320<br />

Abs. 2ORentgegen der Ansicht der Beklagten genügen [muss], wenn das Entgelt als<br />

eines unter mehreren Motiven für die erbrachte Arbeitsleistung angesehen werden<br />

kann. Auch ausserhalb familienrechtlicher Beziehungen <strong>im</strong> weitesten Sinn ist für die<br />

Arbeitsleistung häufig das Entgelt nicht einziges Motiv. Viele Menschen suchen in der<br />

Arbeit vielmehr auch eine persönliche Befriedigung <strong>und</strong> eine gesellschaftliche Anerkennung.<br />

Es wäre wirklichkeitsfremd, würde ein Arbeitsvertrag nur dann angenommen,<br />

wenn der Erwerb als einziges Motiv für die Arbeitsleistung erscheint»; zurückhaltender:<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N17; Brand/Dürr et al., Art. 320<br />

N9;Brühwiler, Art. 320 N12a letzter Absatz; Vischer, S. 48.<br />

Für den Text von Art. 320 Abs. 2aOR <strong>und</strong> Art. 320 Abs. 2ORinder geltenden Fassung<br />

inallen drei Sprachen siehe unten Fn. 384.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

vertrag auch zustande kommt, wenn die Arbeitsleistung den Umständen nach<br />

nichtohne <strong>Lohn</strong> erwartet werden kann. 331<br />

180 Betrachtet man die Kasuistik 332 zu den Umständen, welche eine <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

als angezeigt erscheinen lassen, <strong>und</strong> wird der Versuch unternommen, die inder<br />

Rechtsprechung untersuchten Kriterien gemäss ihren Eigenarten zu erfassen,<br />

lassen sich drei Merkmale oder Kategorien von Kriterien bilden. Diesen Merkmalen<br />

oder Kategorien von Kriterien kommen bei der Beurteilung, ob die Arbeitsleistung<br />

nur gegen <strong>Lohn</strong> zu erwarten ist, jeweils für sich allein <strong>und</strong> durch<br />

ihrZusammenwirken Gewichtzu. 333<br />

181 Das erste Merkmal liegt inder Nähe der persönlichen Beziehung zwischen den<br />

betroffenen Parteien. Dabei stellt eine familienrechtliche Beziehung –etwa in<br />

Form einer Ehe, einer eingetragenen Partnerschaft oder eines Kindsverhältnisses<br />

–oder ein Konkubinatsverhältnis den einen Extrempunkt des Spektrums<br />

dar. 334 Der Fall von zwei sich vorgängig unbekannten Beteiligten n<strong>im</strong>mt den<br />

anderen Extrempunkt desSpektrumsein.<br />

331<br />

332<br />

333<br />

334<br />

Der italienische Gesetzestext von Art. 320 Abs. 2ORlautet: «Esso èconsiderato conchiuso<br />

anche quando il datore di lavoro accetta, per un certo tempo, l’esecuzione d’un<br />

lavoro, lacui prestazione secondo lecircostanze non può attendersi senza salario.»<br />

(Hervorhebung hinzugefügt).<br />

Siehe etwa BGE 113 II 414 (E. 2,415 ff.); BGE109 II 228 (E. 2, 229 f.) m.w.H.;<br />

BGE 107 Ia 107 (E. 2,109 ff.); BGE 95 II 126 (E. 2/3/4, 129 f.); BGE 90 II 443 (E.1,<br />

445 ff.); BGE87II164 (E. 2/3, 165 ff.); BGE 67 II 200 (203 ff.); BGE 66 II 227 (E. 3,<br />

232 f.); BGE 50 II 441 (E: 3,447 f.); BGE 49 II 1(E. 2, 2ff.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 23. August 1999, JAR 2000, S. 109 ff.; Aubert, quatre cents arrêts,<br />

Nr. 56–60, S. 55 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 15. Oktober 1986,<br />

JAR 1988, S. 136 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts Bern vom 14. Juli 1987,<br />

JAR 1989, S. 106 ff.; Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 20. November 1987,<br />

JAR 1988, S. 109 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts der Stadt Bern vom 7.Juni 1994,<br />

JAR 1997, S. 100 ff.; Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes deGenève<br />

vom 3.Juli 1996, JAR 1997, S. 97 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom<br />

2. März 2004, ARV 2004, S. 170 ff. (E. 5.2a, S. 171).<br />

Vgl. auch Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N138 ff.<br />

Auf die in der Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung nicht restlos geklärte Frage, ob <strong>und</strong> unter<br />

welchen Umständen Art. 320 Abs. 2ORzwischen Eheleuten, Konkubinatspartnern<br />

oder eingetragenen Partnern zur Anwendung gelangen kann, wenn die Parteien von<br />

sich keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, soll hier nicht weiter eingegangen<br />

werden. Zum Meinungsstand vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 320 N14;<br />

Geiser/Müller, N223 ff.; Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. 320 N2.24 ff.; Wyler,<br />

S. 73 ff.; sowie Isabelle Augsburger-Bucheli, La collaboration entre époux au sens de<br />

l’article 165 alinéa 1 er du code civil, in: Le travail et le droit, Enseignement de 3 e cycle<br />

dedroit 1993, Jean-Louis Duc (Hrsg.), Freiburg <strong>im</strong>Üechtland 1994, S.209–221;<br />

Suzette Sandoz, Présomption decontrat detravail entre époux ou contribution extraordinaire?,<br />

in: Droit dutravail, droit des assurances sociales, Questions choisies, Col-<br />

83


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

182 Für sich allein betrachtet kann aus dem Merkmal der Beziehungsnähe gefolgert<br />

werden, dass jenäher bzw. enger die persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten<br />

ist, desto zurückhaltender darauf geschlossen werden sollte, dass das<br />

Leisten von Arbeit «nur gegen <strong>Lohn</strong>» zuerwarten ist. Als Begründung dafür<br />

kann angeführt werden, dass je näher die beteiligten Personen einander stehen,<br />

desto eher auch aus objektiver Warte angenommen werden darf, die Arbeit<br />

würde aus persönlicher Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> Wohlwollen, reiner Gefälligkeit,<br />

familienrechtlicher Verpflichtung oder einer Kombination dieser Motive erbracht.<br />

Es liegt deswegen nahe, dass die Beziehungsnähe <strong>und</strong> die Erwartung einer<strong>Lohn</strong>zahlung<br />

ineinem umgekehrt proportionalen Verhältnis stehen. 335<br />

183 Als zweite Kategorie von Merkmalen können die Charakteristika der fraglichen<br />

Arbeitsleistung genannt werden. Die Charakteristika der Arbeitsleistung umfassen<br />

als Sammelausdruck die sachlich-qualitativen, zeitlichen <strong>und</strong> örtlichen<br />

Merkmale der Arbeitsleistung. Die sachlich-qualitativen Merkmale beziehen<br />

sich auf die Art <strong>und</strong> Intensität der Arbeitsleistung. In der zeitlichen D<strong>im</strong>ension<br />

ist der Zeitpunkt, der Umfang <strong>und</strong> die Dauer der Arbeitsleistung zu nennen. Zusätzlich<br />

können auch die Häufigkeit <strong>und</strong> die Regelmässigkeit der Arbeitsleistung<br />

der zeitlichen D<strong>im</strong>ension zugeordnet werden, selbst wenn die Häufigkeit<br />

<strong>und</strong> Regelmässigkeit auch sachlich-qualitative Aspekte aufweisen. Inörtlicher<br />

Hinsicht kann berücksichtigt werden, wodie Arbeitsleistung erbracht wird <strong>und</strong><br />

eventuell auch die Distanz zwischen dem Wohnort des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dem<br />

Ortder Arbeitsleistung.<br />

184 Betrachtet man diese Charakteristika der Arbeitsleistung, kann umso eher gefolgert<br />

werden, die Arbeitsleistung sei nicht ohne Entgelt zu erwarten, jeintensiver<br />

sie ist, je länger sie dauert <strong>und</strong> jehäufiger <strong>und</strong> regelmässiger sie erbracht<br />

wird. 336 Ebenso darf angenommen werden, essei eine Gegenleistung für die<br />

Arbeit umso eher verlangt, jelänger der Weg ist, den der Arbeitnehmer auf sich<br />

n<strong>im</strong>mt. Der Gr<strong>und</strong> für diese positive, wenn auch je nach Kriterium unterschiedlich<br />

starke Korrelation zwischen den Charakteristika der Arbeitsleistung <strong>und</strong><br />

deren Entgeltlichkeit liegt darin, dass je mehr Zeit, Energie <strong>und</strong> Kosten eine<br />

Person zugunsten einer anderen aufwendet, desto dringender das Gebot der<br />

Fairness <strong>und</strong> Billigkeit nach einer Gegenleistung ruft. Je grösser die Bemühungen<br />

<strong>und</strong> der Aufwand der arbeitenden Person in der zubetrachtenden Zeitspan-<br />

335<br />

336<br />

84<br />

loque de Lausanne 1994, IRAL, Lausanne 1994, S. 29–41; Andrea Prospero, Rapport<br />

entre l’art. 165 CC et l’art. 320 al. 2CO,in: Droit dutravail, droit des assurances sociales,<br />

Questions choisies, Colloque de Lausanne 1994, IRAL, Lausanne 1994, S.45–<br />

98. ZumLidlohn siehe Art. 334 <strong>und</strong> Art. 334 bis ZGB.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N18; Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N 140; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 320 N14f.<br />

Vgl. auch Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N140; ZH-Komm.-Staehelin, Art.320 N14f.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

ne sind, desto wahrscheinlicher wird auch, dass es sich umkeine Gefälligkeit<br />

(mehr) handelt.<br />

185 Die dritte Kategorie von Merkmalen bezieht sich auf die Eigenschaften des jeweils<br />

involvierten Arbeitnehmers <strong>und</strong> Arbeitgebers. Unter den Eigenschaften<br />

des Arbeitnehmers können seine Fähigkeiten, seine Ausbildung <strong>und</strong> die von<br />

ihm aufgr<strong>und</strong> seiner Fähigkeiten <strong>und</strong> Ausbildung üblicherweise gegen <strong>Lohn</strong> erbrachten<br />

Tätigkeiten verstanden werden. Bei den Eigenschaften des Arbeitgebers<br />

steht <strong>im</strong>Vordergr<strong>und</strong>, obessich um eine Privatperson, einen Einzelunternehmer,<br />

eine Personengesellschaft oder umeine juristische Person mit entweder<br />

ideellem oderwirtschaftlichem Zweck handelt.<br />

186 Mit Blick auf den Arbeitnehmer kann umso eher darauf geschlossen werden,<br />

dass die Arbeitsleistung nur gegen <strong>Lohn</strong> geleistet wird, jegenauer die fragliche<br />

Arbeitsleistung mit derjenigen Tätigkeit übereinst<strong>im</strong>mt, welche der Arbeitnehmer<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Fähigkeiten <strong>und</strong> Ausbildung ausübt, umseinen Lebensunterhalt<br />

zuverdienen. 337 Die Gr<strong>und</strong>lage für diese Schlussfolgerung liegt darin,<br />

dass der Arbeitnehmer seine Fähigkeiten formt, weiterentwickelt <strong>und</strong> inbest<strong>im</strong>mten<br />

Bereichen mittels einer (Berufs-)Ausbildung in solchem Masse spezialisiert,<br />

dass erdie Anforderungen der Arbeitswelt <strong>im</strong> Hinblick auf eine best<strong>im</strong>mte,<br />

bezahlte Erwerbstätigkeit erfüllt. Auf der anderen Seite ist anzumerken,<br />

dass eine Person nicht selten gerade deswegen um eine ausserrechtliche<br />

Gefälligkeit gebeten wird, weil sie über best<strong>im</strong>mte Fähigkeiten oder über eine<br />

best<strong>im</strong>mte Ausbildung verfügt.<br />

187 Betreffend die Eigenschaften des Arbeitgebers kann angenommen werden, dass<br />

die Zahlung eines <strong>Lohn</strong>s bei juristischen Personen oder Personengesellschaften<br />

mit jeweils wirtschaftlichem Zweck kaum wegzudenken ist, während es bei<br />

Einzelunternehmern, juristischen Personen mit ideellem Zweck <strong>und</strong> Privatpersonen<br />

tendenziell unwahrscheinlicher erscheinen kann, dass die Arbeitsleistung<br />

nur unter der Voraussetzung einer <strong>Lohn</strong>zahlung geleistet wird. Die Basis für<br />

diese Schlussfolgerung ist darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber ins<strong>besondere</strong><br />

für die Teilnahme am gewinnorientierten Wirtschaftsverkehr <strong>besondere</strong> Gesellschaftsformen<br />

zur Verfügung stellt. Je mehr ein Arbeitgeber von den <strong>besondere</strong>n<br />

Vorteilen profitiert, welche solche Gesellschaftsformen <strong>im</strong> Geschäftsverkehr<br />

gewähren,desto begründeter erscheintes, von Entgeltlichkeit auszugehen.<br />

188 Umdas Zusammenspiel dieser Kriterien darzustellen, mögen zwei Beispiele<br />

nützlich sein. N<strong>im</strong>mt man beispielsweise an, die Eltern einer kinderreichen Familie<br />

richten ein Mal jährlich in ihrer Garage eine Tauschbörse für Kinderkleider<br />

<strong>und</strong> Spielsachen ein <strong>und</strong> helfen dabei auf Anfrage der Eltern die Grosseltern<br />

mit, dürfte kaum jemand ernsthaft inBetracht ziehen, dass es sich bei der Mit-<br />

337<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N18; Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N139.<br />

85


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

86<br />

arbeit der Grosseltern um etwas anderes als eine Gefälligkeit handelt. Diese Gefälligkeit<br />

hat nichts mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrags zutun. Das gleiche<br />

Resultat, wenn auch schon ein etwas weniger deutlich, dürfte sich ergeben,<br />

wenn anstelle der Grosseltern ein in der Nachbarschaft wohnendes, älteres Paar<br />

von den Eltern, die <strong>im</strong> Vorstand des örtlichen Elternvereins sind, gebeten wird,<br />

bei der vom Verein mit ideellem Zweck zwei Mal jährlich organisierten<br />

Tauschbörse mitzuhelfen. Ineiner anderen Situation könnte etwa die Mutter der<br />

kinderreichen Familie ihre als Raumpflegerin tätige Nachbarin fragen, obsie<br />

bereit wäre, die Wohnung der Familie nach den jeweiligen Geburtstagsfeiern<br />

der Kinder zu reinigen. Dadie Nachbarin ihren Lebensunterhalt mit Reinigungsarbeiten<br />

verdient, kann man sich durchaus fragen, obdie Nachbarin dies<br />

entgeltlich oder unentgeltlich tun wolle. Auch die Mutter müsste sich bewusst<br />

sein, dass sich diese Frage stellen könnte. Liegen keine weiteren qualifizierenden<br />

Umstände vor, dürfte in einem solchen Fall <strong>im</strong> Zweifel wohl auf Entgeltlichkeit<br />

zu schliessen sein. Wenn hingegen bekannt ist, dass sich die beiden<br />

Frauen bestens verstehen <strong>und</strong> dass der Sohn der Raumpflegerin an die Geburtstagfeiern<br />

jeweils eingeladen ist, könnte auch der plausible Schluss gezogen<br />

werden, die Raumpflegerin erweise ihrer Nachbarin einen Fre<strong>und</strong>schafts- oder<br />

Nachbarschaftsdienst, der sich mit der Zeit durch einen künftigen Fre<strong>und</strong>schafts-<br />

oder Nachbarschaftsdienst der Mutter ausgleichen wird. Wäre jedoch<br />

bekannt, dass sich die beiden Frauen nicht sehr mögen <strong>und</strong> sich die kinderlose<br />

Raumpflegerin jeweils über den Lärm wegen der Geburtstagsfeiern beklagt, erscheint<br />

eswesentlich weniger wahrscheinlich, dass sie bereit ist, die Wohnung<br />

der Nachbarsfamilie nach den sie störenden Feiern unentgeltlich zu reinigen.<br />

Fragt schliesslich die Mutter der kinderreichen Familie in ihrer Eigenschaft als<br />

Managerin einer Aktiengesellschaft ihre Nachbarin, ob diese bereit wäre, fürdie<br />

nächsten zwei Jahre jeweils am Dienstag- <strong>und</strong> Freitagnachmittag die Büros der<br />

Unternehmung zu reinigen, legen diese Umstände nahe, dass es sich in keiner<br />

Art <strong>und</strong> Weise um eine Gefälligkeit handeln kann. Beide Parteien müssten davon<br />

ausgehen, esgehe umentgeltliche Arbeitsleistungen, selbst wenn sie die<br />

Frage der Entgeltlichkeit mit keinem Wort ansprechen <strong>und</strong> die Mutter mit diesem<br />

Arbeitsangebot inerster Linie versuchen möchte, das belastete Verhältnis<br />

zurNachbarin zu verbessern.<br />

189 Aufgr<strong>und</strong> dieser Bespiele ergibt sich, dass alle oben genannten Merkmale oder<br />

Kategorien von Kriterien relativ sind. Sie sprechen jeweils nur tendenziell für<br />

oder tendenziell gegen die Annahme der Entgeltlichkeit. Wegen der Unsicherheit,<br />

welche diesen Kriterien aufgr<strong>und</strong> ihrer Relativität zukommt, hat <strong>im</strong> Einzelfall<br />

jeweils eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Kriterien stattzufinden, um<br />

beurteilen zu können, obdie Arbeitsleistung nur gegen <strong>Lohn</strong> zuerwarten ist<br />

oder nicht. Andererseits bedeutet eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Kriterien<br />

nicht, dass allen Einzelkriterien gleiche Bedeutung <strong>und</strong> gleiches Gewicht<br />

zukommt. Vielmehr sind die Einzelkriterien auch jeweils unter Berücksichti-


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

gung der gesamten Umstände einzeln zu gewichten <strong>und</strong> zuden anderen Kriterien<br />

in Beziehung zusetzen.<br />

190 Wollte man einzelnen Kriterien ein <strong>besondere</strong>s Gewicht zusprechen, wäre ein<br />

solch <strong>besondere</strong>s Gewicht wohl den Kriterien der Beziehungsnähe, der Dauer,<br />

während der die Arbeitsleistungen erbracht wurden, sowie den Eigenschaften<br />

des Arbeitnehmers zuzusprechen. Bei der Beziehungsnähe kann das <strong>besondere</strong><br />

Gewicht damit begründet werden, dass dieses Kriterium sich wohl ambesten<br />

dazu eignet, die reine Gefälligkeit von einer rechtlich bindenden Beziehung abzugrenzen.<br />

Bei der Dauer der Arbeitsleistung <strong>und</strong> den Eigenschaften des Arbeitnehmers<br />

geht die Begründung dahin, dass diese Kriterien dem Schutzgedanken<br />

von Art. 320 Abs. 2OR am besten gerecht werden. Der Schutzgedanke<br />

von Art. 320 Abs.2OR ist darin zu erblicken, dass fehlende oder unvollständige<br />

Abreden betreffend die Entgeltlichkeit von Arbeit einen Vertragsschluss<br />

nicht verhindern <strong>und</strong> den Arbeitnehmer nicht um einen vertraglichen <strong>Lohn</strong>anspruch<br />

bringen sollen.<br />

3. DerBeurteilungszeitraum fürdie massgeblichen Umstände<br />

191 Der Wortlaut von Art. 320 Abs. 2OR enthält weder einen Anhaltspunkt darauf,<br />

von welchem Zeitpunkt aus die massgeblichen Umstände zu betrachten sind,<br />

noch spricht die Best<strong>im</strong>mung an, welcher Zeitraum für die Ermittlung der<br />

massgeblichenUmstände entscheidend sein soll.<br />

192 Noch zuArt. 320 Abs. 2aOR 338 sprach sich MÜLLER dafür aus, dass gestützt<br />

auf eine historische <strong>und</strong> systematische Interpretation nur auf die Umstände abgestellt<br />

werden sollte, die für den Arbeitsempfänger <strong>im</strong>Zeitpunkt der Arbeitsleistung<br />

aus objektiver Warte erkennbar waren. 339 Diese Auffassung erscheint<br />

zu Recht überholt. In der Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur erscheint heute anerkannt,<br />

dass alle Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind. Auch diejenigen,<br />

welche <strong>im</strong> Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsleistung noch nicht bekannt<br />

oder erkennbar waren. 340 Die Begründung dafür liegt einerseits <strong>im</strong> Schutzzweck<br />

der Norm, andererseits in der Relativität der Faktoren, welche die massgeblichen<br />

Umstände ausmachen <strong>und</strong> für die Entstehung eines Arbeitsvertrags nach<br />

Art. 320 Abs.2OR relevant sein können, <strong>und</strong> schliesslich <strong>im</strong>Charakter des Arbeitsvertragsals<br />

Dauerschuldverhältnis.<br />

338<br />

339<br />

340<br />

Vgl. für den Text von Art. 320 aOR unten Fn. 384 .<br />

Müller, Abschluss, S. 53 ff.; vgl. auch Messerli,S.47ff.<br />

BGE 113 II 414 (E. 2/b/bb, 417); BGE 107 Ia 107 (E. 2b, 109 f.); BGE 95II126<br />

(E. 3d, 130 f.); BGE 90 II 443 (E. 1;445); BGE 67 II 200 (203); Brühwiler, Art. 320<br />

N12a; Hürl<strong>im</strong>ann-Kaup, N137; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320 N11.<br />

87


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

C. DieFunktionen <strong>und</strong> dieRechtsnatur vonArt. 320 Abs.2OR<br />

193 Das BUNDESGERICHT sowie ein Teil der Lehre 341 bezeichnen Art. 320<br />

Abs.2OR als eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung (sog. praesumptio<br />

iure et de iure), welche zur Folge hat, «[…] dass auch unabhängig von einem<br />

übereinst<strong>im</strong>menden Willen über alle wesentlichen Punkte ein Arbeitsvertrag zustande<br />

kommt» 342 . Andere St<strong>im</strong>men inder Lehre sehen in der Best<strong>im</strong>mung von<br />

Art. 320 Abs.2OR indessen nicht (nur) eine unwiderlegbare Vermutung oder<br />

nicht (nur) die gesetzliche Anordnung eines stillschweigenden oder konkludenten<br />

Vertragsabschlusses, sondern (auch) einen Anwendungsfall der faktischen<br />

Vertragsverhältnisse 343 oder die gesetzliche Begründung eines faktischen Vertragsverhältnisses.<br />

344<br />

194 Diese Meinungsunterschiede dürften ihren Ursprung in der weiten, rechtsmethodisch<br />

nicht leicht zufassenden Formulierung von Art. 320 Abs. 2ORhaben.<br />

Die methodischen Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang könnten darauf<br />

zurückführen sein, dass sowohl die faktischen Vertragsverhältnisse als auch die<br />

unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutungen nah verwandte Fiktionen 345 sind,<br />

wobei für die unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutungen anzufügen ist, dass<br />

sie, wenn man sie nicht als Fiktionen anerkennen will, wohl als fiktionsähnliches<br />

Institutzubetrachten sind.<br />

195 Umsich der Tragweite <strong>und</strong> der Rechtsnatur von Art. 320 Abs.2OR anzunähern,<br />

sollen zuerst die Gr<strong>und</strong>lagen der unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutungen<br />

<strong>und</strong>der faktischen Vertragsverhältnissedargestelltwerden.<br />

341<br />

342<br />

343<br />

344<br />

345<br />

88<br />

BBl 1967 II, S. 297; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N17; Brand/Dürr et al.,<br />

Art. 320 N9;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 320 N13; Duc/Subilia, Art. 320<br />

N11; Keller/Schöbi, S.37f.<strong>und</strong> S. 58; Meier-Schatz, S. 17 f.; Müller, Abschluss,<br />

S. 58; Streiff/von Kaenel, Art. 320 N6;Vischer, S. 48; Würsch/Dallafior, S. 275; Wyler,<br />

S. 70 f.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. März 2002, 4C.307/2001, E. 2a.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 320 N19; Brühwiler, Art. 320 N11f.; CR CO I-Aubert,<br />

Art. 320 N8ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N1184 ff., ins<strong>besondere</strong> N1188;<br />

Guhl/Koller, §46N46 (mit Verweis auf BGE 107 Ia 107); ZH-Komm.-Staehelin, Art.<br />

320 N6f. ins<strong>besondere</strong> N7a.E.; a.M.: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N17;<br />

Keller/Schöbi, S. 58; Syz, S. 37.<br />

Portmann/Stöckli, N100.<br />

So finden sich bei Metzger, S.208, für den Begriff «Fiktion» u.a. die folgenden Definitionen:<br />

«(1) [G]esetzlich fingierte Sachumstände werden als eingetreten betrachtet,<br />

sobald die gesetzlichen Voraussetzungen der Fiktion (Fiktionsbasis) bewiesen sind<br />

(S. praesumptio iuris et de iure, unwiderlegbare Vermutung), (2) Es werden zwei ungleiche<br />

Tatbestände bewusst gleich behandelt, indem etwas angenommen wird, das effektiv<br />

gar nicht besteht […].»


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

1. Diegesetzlichen Vermutungen<br />

196 Ausgehend von der Wortbedeutung sind unter Vermutungen <strong>im</strong>juristischen<br />

Kontext Schlüsse «von Bekanntem auf Unbekanntes» 346 oder «Wahrscheinlichkeitsschlüsse»<br />

347 zu verstehen. Die Vermutungen weisen folglich eine Struktur<br />

auf, bei der etwas Bekanntes gegeben bzw. bewiesen ist (die sog. Vermutungsbasis,<br />

Prämisse oder factum probans) <strong>und</strong> dieses Bekannte als Gr<strong>und</strong>lage für<br />

den Schluss auf das Unbekannte bzw. Unsichere dient (factum probandum oder<br />

ius probandum). In der Literatur wird diese Struktur mit dem Begriff «Voraussetzungsgeb<strong>und</strong>enheit<br />

der Vermutung» umschrieben <strong>und</strong> als best<strong>im</strong>mendes Wesensmerkmalvon<br />

Vermutungenbezeichnet. 348<br />

197 ImRahmen einer systematischen Betrachtung können Vermutungen in tatsächliche<br />

<strong>und</strong> gesetzliche Vermutungen gegliedert werden. Bei der tatsächlichen<br />

Vermutung (sog. praesumptio hominis) zieht der Richter aufgr<strong>und</strong> der Lebenserfahrung<br />

eine Schlussfolgerung von bewiesenen Tatsachen auf zusätzliche,<br />

nicht bewiesene Tatsachen. 349 Wenn hingegen das Gesetz einen Wahrscheinlichkeitsschluss<br />

vorsieht, liegt eine gesetzliche Vermutung vor (sog. praesumptio<br />

iuris). 350 Diese Unterscheidung gewinnt ihre Bedeutung aufgr<strong>und</strong> der<br />

verschiedenen prozessualen Wirkungen dieser Vermutungsarten. Inprozessualer<br />

Hinsicht unterscheiden sich tatsächliche <strong>und</strong> gesetzliche Vermutungen dadurch,<br />

dass tatsächliche Vermutungen inden Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung<br />

gehören <strong>und</strong> keine Umkehrung der Beweislast bewirken, 351<br />

während das prozessual best<strong>im</strong>mende Merkmal von gesetzlichen Vermutungen<br />

ist, dass sie dieBeweislast umkehren. 352<br />

198 Mit dem Begriff der Beweislast wird die Antwort auf die Frage bezeichnet, wer<br />

die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. 353 Nach der Gr<strong>und</strong>regel in<br />

Art. 8ZGB hat, «wo das Gesetz es nicht anders best<strong>im</strong>mt, derjenige das Vorhandensein<br />

einer behaupteten Tatsache zubeweisen, der aus ihr Rechte ableitet».<br />

Daraus folgt, dass wer die relevanten Tatsachen nicht beweisen kann, <strong>im</strong><br />

Prozess unterliegen soll. Allgemein ausgedrückt ist mit Beweislastumkehr folglich<br />

der prozessuale Vorteil zugunsten der Partei gemeint, der dieser Partei in<br />

346<br />

347<br />

348<br />

349<br />

350<br />

351<br />

352<br />

353<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N317; Deschenaux, S. 264; Guggenbühl, S. 3.<br />

ZH-Komm.-Egger, Art. 8ZGB N22.<br />

Guggenbühl, S.13f.; anders: Rüegg,S.16<strong>und</strong> S. 35 ff.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N362 f.; Deschenaux, S.264; Habscheid, §53<br />

N646; Hohl, N937 f.; Vogel/Spühler, §45N50.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N364 ff.; Deschenaux, S.264 f.; Guggenbühl, S.8;<br />

Habscheid, §53N646; Hohl, N935; Kummer, S. 140; Vogel/Spühler, §45 N45.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N363; Deschenaux, S.266; Kuhn, S. 100 f.; Vogel/Spühler,§45<br />

N51.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N336; Hohl, N936; Vogel/Spühler, §45 N48.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N20; Hohl, N1163; Vogel/Spühler, §45 N27.<br />

89


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

90<br />

Abweichung von der Gr<strong>und</strong>regel in Art. 8ZGB gewährt wird. 354 Im Falle von<br />

Vermutungen kann diejenige Partei, der dieser prozessuale Vorteil zukommt,<br />

als Vermutungsträger bezeichnet werden, während die andere Partei, welche einen<br />

prozessualen Nachteil erleiden könnte, die Position des Vermutungsgegners<br />

einn<strong>im</strong>mt. 355<br />

199 Bei gesetzlichen Vermutungen ergibt sich der prozessuale Vorteil für den Vermutungsträger<br />

daraus, dass er nicht das Unbekannte oder Unsichere belegen<br />

muss, sondern sich damit begnügen kann, die Vermutungsbasis zu beweisen.<br />

Wenn es dem Vermutungsträger (mittels Hauptbeweis) gelingt, die Vermutungsbasis<br />

zu beweisen, wird der «Mechanismus der rechtlichen Vermutung» in<br />

Gang gesetzt. Aufgr<strong>und</strong> der gesetzlichen Anordnung wird von der bewiesenen<br />

Vermutungsbasis vorläufig 356 auf das Unbekannte bzw. Unsichere geschlossen.<br />

Bei genauerer Betrachtung bewirkt die gesetzliche Vermutung somit eine Änderung<br />

des Beweisthemas für den Vermutungsträger, weil er nicht den Vermutungsgegenstand,<br />

357 d.h. das Unbekannte, worauf geschlossen wird, sondern die<br />

Vermutungsbasis zu beweisen hat. Für den Vermutungsgegner erfolgt die Beweislastumkehr,<br />

sobald dieVermutungsbasis bewiesen ist. 358<br />

200 Der Vermutungsgegner hat die Möglichkeit, sich gegen den prozessualen Nachteil<br />

der Beweislastumkehr auf zwei Arten zur Wehr zusetzen. Einerseits kann<br />

der Vermutungsgegner (mittels Gegenbeweis) versuchen, derart erhebliche<br />

Zweifel bezüglich der Vermutungsbasis aufkommen zulassen, dass der Richter<br />

zum Schluss kommt, der Vermutungsträger habe die Vermutungsbasis nicht<br />

bewiesen. Diesfalls setzt die Gegenwehr des Vermutungsgegners auf der Vorstufe<br />

der Vermutung an; denn wenn es dem Vermutungsgegner gelingt, den<br />

Beweis derVermutungsbasis zu verunmöglichen,verhindert er damit auch, dass<br />

der Vermutungsmechanismus in Gang gesetzt wird. 359 Unter solchen Voraussetzungen<br />

kommt der prozessuale Vorteil der Vermutung nicht zum Tragen. Der<br />

Vermutungsträger trägt die Folgen der Beweislosigkeit. Andererseits kann der<br />

Vermutungsgegner (mittels Beweis des Gegenteils) zu zeigen versuchen, dass<br />

trotz bewiesener Vermutungsbasis die vom Gesetz angestellte Vermutung bzw.<br />

354<br />

355<br />

356<br />

357<br />

358<br />

359<br />

Hohl, N1192; Kummer, S. 139 mit Beispiel.<br />

Es wird hier auf die von Kummer verwendete Terminologie zurückgegriffen, BE-<br />

Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N319, N329 sowie N333 ff.<br />

von Canstein, S. 32.<br />

Vgl. dazu auch Rz. 201 f.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N333 <strong>und</strong> N352; Siegrist, S. 228; ähnlich Deschenaux,<br />

S. 266; vgl. auch für das deutsche Recht: Habscheid, Vermutungen, S. 363<br />

m.w.H.<br />

Vgl. Guggenbühl, S.83, sowie den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. März 2002,<br />

4C.307/2001, E. 2, worin das B<strong>und</strong>esgericht zum Schluss kam, Art. 320 Abs. 2OR<br />

führe i.c. nicht zur Entstehung eines Arbeitsvertrags, da die vermeintliche Arbeitgeberin<br />

die Arbeitsleistung nicht wissentlich entgegengenommen habe.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

der gesetzlich angeordnete Wahrscheinlichkeitsschluss nicht korrekt ist. 360 Die<br />

Umkehr der Beweislast ist darin zu erblicken, dass der Vermutungsgegner (<strong>und</strong><br />

nicht der Vermutungsträger) darlegen muss, dass die Vermutung, d.h. der vom<br />

Gesetz angeordnete Wahrscheinlichkeitsschluss, in concreto nicht richtig ist.<br />

Bei Misslingen des Beweises des Gegenteils bezüglich des Vermutungsgegenstands<br />

trägtder Vermutungsgegner dieFolgender Beweislosigkeit. 361<br />

201 Die gesetzlichen Vermutungen können weiter unterteilt werden. Sie lassen sich<br />

in Rechts- <strong>und</strong> Tatsachenvermutungen sowie in widerlegbare <strong>und</strong> unwiderlegbare<br />

Vermutungengliedern.<br />

202 Be<strong>im</strong> Begriffspaar der Tatsachen- <strong>und</strong> Rechtsvermutungen wird nach dem<br />

«Vermutungsgegenstand» 362 differenziert, also nach dem unterschiedlichen Objekt<br />

oder Ergebnis (das «Was»), worauf der in der Vermutung niedergelegte<br />

Wahrscheinlichkeitsschluss abzielt. Dies bedeutet, dass bei «Tatsachenvermutungen<br />

aus einem vorgegebenen <strong>und</strong> sachfremden, nicht unmittelbar rechtserheblichen<br />

Sachumstand auf das Bestehen oder ausnahmsweise auf das Nichtbestehen<br />

eines anderen, nunmehr tatbestandseigenen Sachumstandes [geschlossen<br />

wird]». Demgegenüber «[knüpfen] die Rechtsvermutungen aneinen best<strong>im</strong>mten<br />

<strong>und</strong> vorgegebenen, meist sachfremden <strong>und</strong> nicht unmittelbar rechtserheblichen<br />

Sachumstand an. Weitergehend als Tatsachenvermutungen schliessen<br />

sie daraus unmittelbar auf das Bestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses».<br />

363<br />

203 Die Unterscheidung zwischen widerlegbaren <strong>und</strong> unwiderlegbaren Vermutungen<br />

beruht auf der unterschiedlichen «Vermutungsanordnung», 364 also auf unterschiedlichen<br />

Eigenschaften (das «Wie»), die dem Vermutungsgegenstand<br />

zugemessen werden. Dies heisst, dass «eine gesetzliche Vermutung widerlegbar<br />

ist, wenn ihre Unrichtigkeit <strong>im</strong> Einzelfall mit Hilfe eines Widerlegungsbeweises<br />

festgestellt werden darf. Unwiderlegbare Vermutungen erheben die vom Gesetz<br />

getroffenen Anordnungen zur definitiven Rechtsfolge. Einem Widerlegungsbe-<br />

360<br />

361<br />

362<br />

363<br />

364<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N337 f.; Deschenaux, S. 266 f.; Habscheid, §53<br />

N646; Kummer, S. 140 f.; Vogel/Spühler, §44 N23; ZH-Komm.-Egger, Art. 8ZGB<br />

N28f.<br />

Vgl. Hohl, N1192 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> N1197 f., wodie Wirkungsweise der gesetzlichen<br />

Vermutung als «teilweise» Umkehr der Beweislast bezeichnet wird, da der Beweis<br />

der Vermutungsbasis dem Vermutungsträger, der Beweis des Gegenteils (zumeist<br />

also der Beweis des Nichtbestehens der präsumierten Tatsache oder des präsumierten<br />

Rechts) jedoch dem Vermutungsgegner auferlegt wird.<br />

Guggenbühl, S.11; ZH-Komm.-Egger, Art. 8ZGB N24; zu den (widerlegbaren) Tatsachen-<br />

bzw. Rechtsvermutungen insgesamt siehe Guggenbühl, S.22ff. <strong>und</strong> S. 40 ff.<br />

Guggenbühl, S.11; vgl.auch BE-Komm.-Kummer,Art. 8ZGB N322 ff.<br />

Guggenbühl, S.12.<br />

91


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

92<br />

weis sind sie nicht zugänglich.» 365 Ob es sich bei einer gesetzlichen Vermutung<br />

um eine widerlegbare oder unwiderlegbare Vermutung handelt, ist durch Auslegungder<br />

entsprechenden Normzuermitteln. 366<br />

204 Erneut ist darauf hinzuweisen, dass es selbst bei einer unwiderlegbaren Vermutung<br />

dem Vermutungsgegner nicht verwehrt wird, den Beweis der Vermutungsbasis<br />

durch den Vermutungsträger mittels Gegenbeweis zuvereiteln. Da<br />

dies möglich bleibt, beschränkt sich die Unwiderlegbarkeit selbst bei «unwiderlegbaren»<br />

Vermutungen auf die präsumierte Tatsache oder das präsumierte<br />

Recht.<br />

205 Die unwiderlegbaren Vermutungen werden von zahlreichen Autoren nicht als<br />

echte, auf einem Wahrscheinlichkeitsschluss beruhende Vermutungen anerkannt,<br />

da die Vermutungsanordnung bei bewiesener Vermutungsbasis nicht<br />

mehr durch den Beweis des Gegenteils umgestossen werden kann. Von diesen<br />

Autoren werden die unwiderlegbaren Vermutungen als Fiktion 367 bezeichnet. 368<br />

Nach KUMMER, der zwischen unwiderlegbaren Vermutungen <strong>und</strong> Fiktionen<br />

keinen Unterschied sieht, 369 ist folglich die relevante Abgrenzung zwischen den<br />

widerlegbaren Vermutungen <strong>und</strong> den Fiktionen vorzunehmen. Die Zuordnung<br />

zur einen oder anderen Kategorie hat durch Auslegung der betreffenden Gesetzesnorm<br />

zuerfolgen, wobei gefragt werden muss, ob der Beweis des Gegenteils<br />

offenstehe. 370<br />

206 Andere Autoren grenzen die unwiderlegbaren Vermutungen von den Fiktionen<br />

ab. Als Unterschied wird angeführt, dass bei einer Fiktion bewusst Tatbestände<br />

gleichgesetzt werden, die unmöglich gleich sein können, während bei einer<br />

Vermutung der vermutete Tatbestand oder das vermutete Rechtsverhältnis tatsächlich<br />

vorliegen kann, selbst wenn dies unsicher <strong>und</strong> nur mit mehr oder weni-<br />

365<br />

366<br />

367<br />

368<br />

369<br />

370<br />

Guggenbühl, S.12; vgl. auch Habscheid, §53 N646; Hohl, N936; Vogel/Spühler,<br />

§45N49.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N346; Deschenaux, S. 267 f.; Guggenbühl, S.84.<br />

Nach Forstmoser/Vogt, §6N172, liegt eine Fiktion vor, wenn «der Gesetzgeber einen<br />

Sachverhalt gewissen Rechtsfolgen unterwirft, obwohl nicht alle Tatbestandselemente<br />

erfüllt sind, oder zumindest ungewiss ist <strong>und</strong> offen bleibt, obsie erfüllt sind».<br />

Vgl. auch die Definitionen bei Metzger, S.208 (vgl. Fn. 345 oben), sowie Guggenbühl,<br />

S.87.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N350; BSK ZGB I-Schmid, Art. 8N70; Deschenaux,<br />

S. 267; Forstmoser/Vogt, §N177; Guggenbühl, S.88ff.; Hohl, N936; Kuhn,<br />

S. 101; Rüegg, S.35; von Tuhr/Peter, S.165; ZH-Komm.-Egger, Art. 8ZGB N26;<br />

vgl. auch Guggenbühl, S.86m.w.H. Für das deutsche Recht siehe Habscheid, Vermutungen,<br />

S. 364 ff. m.w.H.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N350.<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N344 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

ger hoher Wahrscheinlichkeit der Fall ist. 371 Der Unterschied zwischen diesen<br />

beiden Positionen liegt folglich in der unterschiedlichen Realitätsnähe. Erbezieht<br />

sich auf die Divergenz zwischen den realen Begebenheiten <strong>und</strong> der Vermutungsanordnung.<br />

Denjenigen Autoren, welche auf diesen, in den tatsächlichen<br />

Verhältnissen gründenden Unterschied zwischen unwiderlegbaren Vermutungen<br />

<strong>und</strong> Fiktionen hinweisen, ist darin zuzust<strong>im</strong>men, dass diese Unterscheidung<br />

getroffen werden kann. Unklar bleibt bei diesen Autoren indessen, inwiefern<br />

dieser Differenzierungsmöglichkeit rechtlicheRelevanzzukommt.<br />

207 Unabhängig von der Tragweite dieser unterschiedlichen Auffassungen ergibt<br />

sich jedoch, dass die rechtlichen Wirkungen der Fiktion <strong>und</strong> der unwiderlegbaren<br />

Vermutung insofern gleich sind, als sie beide Rechtsfolgen anordnen; entweder<br />

direkt als Rechtsvermutung bzw. auf das Bestehen oder Nichtbestehen<br />

eines Rechtsverhältnisses gerichtete Fiktion oder indirekt mittels einer Tatsachenvermutung<br />

oder Tatsachenfiktion, welchen eine Durchgangsfunktion <strong>im</strong><br />

Hinblick auf ein Rechtsverhältnis zukommt. Beide Institute erweisen sich somit<br />

<strong>im</strong> Kern als materiell-rechtliche Normen. Bei bewiesener Vermutungsbasis<br />

bzw. Fiktionsbasis tritt die vorgesehene Rechtsfolge exlege ein. Nach GUG-<br />

GENBÜHL <strong>und</strong> HABSCHEID lässt sich ein Unterschied zwischen Fiktionen <strong>und</strong><br />

unwiderlegbaren Vermutungen nur nach dem gesetzgeberischen Motiv ausmachen,ansonsten<br />

st<strong>im</strong>men sie nach Ansicht dieser Autoren überein. 372<br />

2. Diefaktischen Vertragsverhältnisse<br />

208 Bei den sogenannten «faktischen Vertragsverhältnissen» oder «faktischen Verträgen»<br />

handelt es sich um eine von HAUPT in Deutschland begründete Lehre, 373<br />

die indie schweizerische Doktrin <strong>und</strong> Rechtsprechung Eingang gef<strong>und</strong>en hat. 374<br />

371<br />

372<br />

373<br />

374<br />

Habscheid, §53N646 a.E., ins<strong>besondere</strong> Fn. 12; Keller/Schöbi, S.37f.<strong>und</strong> S. 58;<br />

Siegrist, S. 238 ff.; vgl. auch Guggenbühl, S.86m.w.H.<br />

Guggenbühl, S.90f.; Habscheid, Vermutungen, S. 366 m.w.H.; vgl. zur unwiderlegbaren<br />

Vermutung <strong>und</strong> deren Rechtsnatur <strong>im</strong> deutschen Recht: §292 ZPO; Stein/Jonas/<br />

Leipold, §292 N4f. m.w.H.<br />

Haupt, S.5ff.; vgl. dazu auch Gauch/Schluep/Schmid, N 1185; Syz, S. 11 ff.;<br />

Würsch/Dallafior, S. 273 f.<br />

In Deutschland ist die Lehre von faktischen Vertragsverhältnissen mittlerweile wieder<br />

aufgegeben worden; vgl. Staudinger/Dilcher, Einl. zu§104–185 N27ff.; ins<strong>besondere</strong><br />

N28.<br />

Obwohl die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen inder Schweiz in der Literatur<br />

<strong>und</strong> Gerichtspraxis seit vielen Jahren diskutiert wird, erscheint deren Tragweite<br />

nach wie vor unklar.<br />

Vom B<strong>und</strong>esgericht wurde die Lehre inneuerer Zeit in BGE 108 II 112 (E. 4, 113)<br />

betreffend ein Mietverhältnis erwähnt, deren Anwendung indessen offengelassen, <strong>und</strong><br />

danach in BGE 110 II 244 (E. 2d, 248 f.) für einen nichtigen Leasingvertrag anerkannt.<br />

InBGE 119 II 437 (E. 3b/bb, 441) wurde die Lehre für ein Mietverhältnis i.c.<br />

93


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

94<br />

Die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen betrifft Fallkonstellationen,<br />

375 in denen die Prüfung der Rechtsbeziehung zwischen zwei Parteien ergibt,dass<br />

nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln kein Vertrag zustande<br />

gekommen ist, aber dennoch das rechtspolitische Bedürfnis besteht, die gerade<br />

nicht auf einem Vertrag beruhende Rechtsbeziehung sozubehandeln, wie wenn<br />

ein gültiger Vertrag entstanden wäre. 376 Es geht somit umdie Frage, ob, wann<br />

<strong>und</strong> inwieweit sich unter Berufung auf die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen<br />

eine Ergänzung, eine Abweichung oder eine Durchbrechung 377<br />

derRegeln <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze zurEntstehung von Verträgen rechtfertigen lässt. 378<br />

209 Das Bedürfnis, einen vertragslosen Zustand so zu behandeln, wie wenn ein Vertrag<br />

vorläge, akzentuiert sich dann, wenn zwischen den Beteiligten eine Beziehung<br />

besteht, die üblicherweise mittels eines Vertrags geregelt würde, <strong>und</strong> die<br />

erste Partei ihre Leistung schon erbracht hat, danach die dafür vorgesehene Gegenleistung<br />

aber nicht erhält, obschon die zweite Partei von der (Vor-)Leistung<br />

375<br />

376<br />

377<br />

378<br />

anerkannt (vgl. auch den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 21. August 2007,<br />

4A_207/2007, E. 5.1), <strong>im</strong> Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 23. Januar 2002,<br />

4C.284/2000, E. 2c, geprüft <strong>und</strong> für nicht anwendbar bef<strong>und</strong>en sowie in<br />

BGE 129 III 320 (E. 7.1.3, 329) für einen fünfjährigen Vertrag betreffend die Entsorgung<br />

von Klärschlamm angesprochen, jedoch nicht angewendet («Damit erübrigt sich<br />

die Annahme eines sogenannt faktischen Vertragsverhältnisses, […]. Dies gilt jedenfalls<br />

dort, wo–wie bei der Irrtumsanfechtung –die Invalidierung des Vertrags nicht<br />

von Amtes wegen festgestellt, sondern durch Ausübung eines Gestaltungsrechts herbeigeführt<br />

wird. […]»;a.a.O., 329 m.w.H.).<br />

Zur Doktrin siehe: BE-Komm.-Kramer, Art. 1N21 ff. <strong>und</strong> 238 ff.; BSK OR I-Bucher,<br />

Art. 1N70 ff., woinN70 «[…] die Lehre seit BGE 110 II 249 inder schweizerischen<br />

Gerichtspraxis als explizit anerkannt […]» bezeichnet wird; Bucher, S. 270 ff.; von<br />

Büren, S.211 f.; Engel, S.192 f.; Gauch/Schluep/Schmid, N1184 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong><br />

N1193 f.; Jeanprêtre, S. 14 ff.; Keller/Schöbi, S. 57 ff.; Koller, §2N128 f., §3<br />

N223 f. sowie §6N39; Merz, N12 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> N13, wo ausgeführt wird,<br />

dass sich diese Sachverhalte mit herkömmlichen <strong>privatrechtlichen</strong> Begriffen erfassen<br />

lassen; Portmann/Stöckli, N98 ff.; Schmid, N1842 ff.; Schwenzer, N28.58 ff., ins<strong>besondere</strong><br />

N28.61 f., bezeichnet die Lehre in dem Sinne als überflüssig, als dass die sich<br />

stellenden Probleme mit anderen Ansätzen gelöst werden können; Syz, S.89f., welche<br />

die Lehre, mit Ausnahme der Anwendung auf nichtige Dauerschuldverhältnisse,<br />

ablehnt.<br />

Haupt, S.9 ff., anerkennt, dass es unmöglich sein dürfte, für faktische Vertragsverhältnisse<br />

einen einheitlichen <strong>und</strong> eindeutigen Tatbestand zu normieren. Daher gliedert<br />

er die Erscheinung der faktischen Vertragsverhältnisse in drei typische Fallgruppen:<br />

(1) die faktischen Vertragsverhältnisse kraft sozialen Kontakts, (2) kraft Einordnung in<br />

ein Gemeinschaftsverhältnis <strong>und</strong> (3) kraft sozialer Leistungsverpflichtung; vgl. auch<br />

Syz, S. 52 f.<br />

Schwenzer, N28.58; Syz, S. 7f.<strong>und</strong> S. 11 ff.<br />

Syz, S.72ff.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N1193; Schmid, N1853.


379<br />

§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

zweifellos profitiert hat. 379 Wegen Fehlens eines gültigen Vertrags kann die erste<br />

Partei, welche schon geleistet hat <strong>und</strong> nun die Gegenleistung verlangt, nicht<br />

die für Verträge zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nutzen, sondern muss<br />

sich auf eine andere Anspruchsgr<strong>und</strong>lage abstützen (z.B. auf die unerlaubte<br />

Handlung nach Art. 41 ff. OR oder auf die ungerechtfertigte Bereicherung nach<br />

Art. 62 ff. OR). Dies birgt indes die Gefahr, dass die Partei, die schon geleistet<br />

hat, leer ausgehen könnte, weil nicht alle Anspruchsvoraussetzungen der ausservertraglichen<br />

Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen erfüllt sind oder bewiesen werden können.<br />

Im Rahmen der unerlaubten Handlung ist etwa denkbar, dass sich ein<br />

Als häufig erwähnte Beispiele aus Deutschland können exemplarisch einer der «Flugplatzfälle»<br />

(angeführt bei Haupt, S.7)<strong>und</strong> der «Parkplatzfall» genannt werden. Dabei<br />

ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Fälle jeweils öffentlich-rechtliche Aspekte<br />

aufwiesen. Nach Bucher, S. 271, Fn. 1, <strong>und</strong> Syz, S. 5, Fn. 5, ist damit vorauszusetzen,<br />

dass die Rechtsbeziehungen rein privatrechtlich beurteilt werden:<br />

Im 1933 entschiedenen «Flugplatzfall» (Archiv für Luftrecht, IV. Band, Heft 2, 1934,<br />

S. 105 f.) wurde der Eigentümer eines Flugzeugs, das auf dem Flugplatz der Klägerin<br />

gelandet ist, verpflichtet, die Gebühren für die auf Anordnung der Polizei eingeschaltete<br />

Landebeleuchtung zu bezahlen. Die Einwendungen des Eigentümers des Flugzeugs,<br />

er habe die Gebührenordnung nicht gekannt, er habe die Beleuchtung nicht angefordert,<br />

<strong>und</strong> essei noch hell genug gewesen, sind mit der Begründung abgewiesen<br />

worden, dass «[…] es allgemein bekannt [ist], dass derartige, dem Verkehr dienende<br />

Unternehmungen nur gegen Erstattung von durch Gebührenordnung festgelegten Gebühren<br />

zur Verfügung stehen. Wer derartige Einrichtungen benutzt, unterwirft sich<br />

stillschweigend diesen einseitig auferlegten Bedingungen <strong>und</strong> muss es sich gefallen<br />

lassen, dass sein Verhalten als Vertragsantrag oder Annahme eines Vertragsantrages<br />

zu den Bedingungen des Vertragsgegners aufgefasst wird.»<br />

Im 1956 entschiedenen «Parkplatzfall» (BGHZ 21, S. 319 ff) wurde festgehalten, dass<br />

«[W]er während der Bewachungszeiten die besonders kenntlich gemachte Parkfläche<br />

zum Parken benutzt, führt schon dadurch, dass er das tut, ein vertragliches Rechtsverhältnis<br />

herbei, das ihn zur Bezahlung eines Entgelts entsprechend dem Parkgeldtarif<br />

verpflichtet. Auf seine etwaige abweichende innere Einstellung –mag sie auch von<br />

dem parklustigen Kraftfahrer bei Beginn des Parkens dem Ordner der Klägerin gegenüber<br />

zum Ausdruck gebracht worden sein –kommt es nicht an. (a.a.O., S.334 f.).<br />

«Dazu kommt noch folgendes: Gegenüber demjenigen, der während der Bewachungszeit<br />

auf der Parkfläche parkt […], esaber von vornherein ablehnt, das tarifmässige<br />

Entgelt zu entrichten, stehen der Klägerin zwar die aus ihrem Besitz ander Parkfläche<br />

folgenden Schutzrechte zu. Indessen haben ihre Ansprüche wegen Besitzentziehung<br />

[…] <strong>und</strong> wegen Besitzstörung […] offensichtlich kaum praktische Bedeutung. Und ob<br />

die Klägerin […] von ihrer Selbsthilfebefugnis […] mit Erfolg Gebrauch zu machen<br />

vermag, erscheint recht zweifelhaft. Nur die Auffassung, dass die Klägerin einen vertragsmässigen<br />

Anspruch auf Zahlung des Entgelts unabhängig davon hat, obder parkende<br />

Kraftfahrzeugführer eine auf Vertragsschluss abzielende rechtsgeschäftliche<br />

Erklärung abgibt, wird nach Lage der Umstände einige Gewähr dafür bieten, dass er<br />

sich der Regelung fügt, die bezüglich der Benutzung der Parkfläche wirksam getroffen<br />

ist.» (a.a.O., S. 336). Zur in Deutschland geübten Kritik an dieser Entscheidung siehe<br />

Lambrecht, S.97ff. m.w.H.<br />

95


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

96<br />

Schaden nicht rechtsgenügend nachweisen lässt oder die Begründung der Widerrechtlichkeit<br />

Probleme bereitet. Im Bereich der ungerechtfertigten Bereicherung<br />

könnte die Fussangel darin bestehen, dass keine Bereicherung (mehr) vorliegt.<br />

Im Ergebnis dürfte es daher oft der Fall sein, dass die Partei, die schon geleistet<br />

hat, schlechter gestellt wird, wenn sie sich auf eine ausservertragliche<br />

Anspruchsgr<strong>und</strong>lage berufen muss, als wenn die vertraglichen Behelfe zur Anwendung<br />

gelangenwürden.<br />

210 Umdiese als unbefriedigend empf<strong>und</strong>ene Situation zubeseitigen, greift die<br />

Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen <strong>im</strong> Sinne der Füllung einer Gesetzeslücke<br />

(Art. 1Abs. 2ZGB) ein, sodass das aufgr<strong>und</strong> der gegebenen Fakten<br />

als vertragsgleich oder vertragsähnlich zu bezeichnende Rechtsverhältnis nach<br />

denRegeln desVertragsrechts zu behandeln ist. 380<br />

211 Indiesem Zusammenhang weisen ins<strong>besondere</strong> KELLER/SCHÖBI darauf hin,<br />

dass sich die faktischen Vertragsverhältnisse als Fiktionen erweisen, wenn der<br />

Rechtsbeziehung zwischen den Parteien vertragliche Wirkungen beigemessen<br />

werden, obwohl gerade kein Vertrag zustande gekommen ist. 381 Es werden<br />

Rechtsbeziehungen, die festgestelltermassen nicht auf einem nach den allgemeinen<br />

Regeln zustande gekommenen Vertrag beruhen, dennoch vertragliche<br />

oder vertragsähnliche Wirkungen zuerkannt. Im Ergebnis wird ein Nicht-<br />

Vertrag behandelt, wiewenn erdoch ein Vertrag wäre.<br />

3. DieDoppelfunktionvon Art. 320 Abs.2OR<br />

212 Inder deutschen <strong>und</strong> der italienischen Fassung des Gesetzestexts von Art. 320<br />

Abs.2OR fällt auf, dass einleitend erwähnt wird, der Arbeitsvertrag gelte «[…]<br />

auch dann als abgeschlossen […]» bzw. «[…] èconsiderato conchiuso anche<br />

quando […]», während der französische Text davon spricht, dass der Arbeitsvertrag<br />

«[…] est réputé conclu lorsque […]». Ein explizites Äquivalent des<br />

«auch» bzw. des «anche» des deutschen <strong>und</strong> italienischen Gesetzestexts ist in<br />

derfranzösischen Versionnichtenthalten. 382<br />

213 Dem «auch» in der deutschen <strong>und</strong> italienischen Fassung können auf der semantischen<br />

Ebene verschiedene Bedeutungen zukommen. So kann dem «auch» die<br />

Bedeutung zukommen, dass sich eine Situation ähnlich wie eine andere verhalte<br />

oder dass zusätzlich zu etwas noch etwas anderes hinzukommt. Damit kann das<br />

«auch» als Synonym von «gleichermassen» oder «genauso wie» bzw. «ausser-<br />

380<br />

381<br />

382<br />

Bucher, S. 271; Gauch/Schluep/Schmid, N1185; Syz, S. 83 ff.<br />

Keller/Schöbi, S. 37 f. <strong>und</strong> S.57f.; vgl. auch oben die Definitionen <strong>und</strong> Hinweise zur<br />

FiktioninFn. 345 <strong>und</strong> Fn. 367.<br />

Vgl. auch Montavon, S. 5f.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

dem» oder «überdies» angesehen werden. 383 Die deutsche <strong>und</strong> die italienische<br />

Fassung des Gesetzestexts erscheinen deshalb präziser gefasst <strong>und</strong> <strong>im</strong>Zusammenhang<br />

mitden allgemeinen Best<strong>im</strong>mungendes OR als aussagekräftiger.<br />

214 Nach VON BÜREN, wenn auch noch zu Art. 320 Abs. 2aOR, 384 will die Best<strong>im</strong>mung<br />

«nicht den Gr<strong>und</strong>satz wiederholen, dass auch stillschweigend ein<br />

Vertrag abgeschlossen werden könne», sondern «weitergehend <strong>Lohn</strong>ansprüche<br />

vermitteln, woselbst bei ausgedehntester Behandlung des Vertragsbegriffs sich<br />

von dem Abschluss eines Dienstverhältnisses nicht ernsthaft sprechen lässt». 385<br />

Den Gedanken VON BÜRENS aufgreifend kann Art. 320 Abs.2OR eine Doppelfunktion<br />

zugeschrieben werden, die ihren Ausdruck ins<strong>besondere</strong> in der zwei<br />

Alternativen eröffnenden Verwendung des Wortes «auch» bzw. «anche» des<br />

deutschen <strong>und</strong>des italienischen Gesetzestextsfindet.<br />

215 Der erste Aspekt der Doppelfunktion besteht darin, wiederholend zuverdeutlichen,<br />

dass der Abschluss eines Arbeitsvertrags («auch» <strong>im</strong> Sinne von «genauso<br />

wie» alle anderen Verträge) den allgemeinen Regeln des OR untersteht. Der<br />

zweite <strong>und</strong> aussergewöhnlichere Aspekt der Doppelfunktion von Art. 320<br />

383<br />

384<br />

385<br />

Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 119 f.<br />

Art. 320 Abs. 2aOR (Kursivschrift) lautete wie folgt (der leichteren Vergleichbarkeit<br />

wegen wird der geltende Wortlaut von Abs. 2inNormalschrift dem Wortlaut von<br />

Abs. 2aOR gegenübergestellt):<br />

Art. 320<br />

B. Entstehung<br />

I. Im allgemeinen<br />

B. Forme du<br />

contrat<br />

IEngénérale<br />

B. Formazione<br />

I. In genere<br />

2 Er gilt auch dann als vereinbart, wenn Dienste auf Zeit entgegengenommen<br />

werden, deren Leistung nach den Umständen nur<br />

gegen <strong>Lohn</strong> zu erwarten ist.<br />

2 Er gilt auch dann als abgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Arbeit<br />

inseinem Dienst auf Zeit entgegenn<strong>im</strong>mt, deren Leistung<br />

nach den Umständen nur gegen <strong>Lohn</strong> zuerwarten ist.<br />

2 Il est notamment présumé conclu dès que dutravail aété accepté<br />

pour un temps donné et que, d’après les circonstances, ce travail<br />

ne devait être fournique contre un salaire.<br />

2 Il est réputé conclu lorsque l’employeur accepte pour un temps<br />

donné l’exécution d’un travail qui, d’après les circonstances, ne<br />

doit être fourni que contre unsalaire.<br />

2 Si ritiene concluso anche se siano accettati per un dato tempo<br />

dei servici, la cui prestazione secondo le circostanze non può attendersi<br />

senza mercede.<br />

2 Esso èconsiderato conchiuso anche quando il datore dilavoro<br />

accetta, per uncerto tempo, l’esecuzione d’un lavoro, la cui prestazione<br />

secondo le circostanze non può attendersi senza salario.<br />

von Büren, S.212; zust<strong>im</strong>mend: Bucher, S. 274.<br />

97


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

98<br />

Abs.2OR liegt darin, dass die Norm für die Entstehung eines Arbeitsvertrags<br />

(«auch» <strong>im</strong>Sinne von «ausserdem» oder «überdies») eine zusätzliche, zu den<br />

allgemeinen Regeln des OR hinzutretende oder die allgemeinen Regeln des OR<br />

ergänzende Gr<strong>und</strong>lage für einen Vertragsschluss schafft. Die Aussage VON BÜ-<br />

RENS wäre daher sozuergänzen, dass die Best<strong>im</strong>mung «nicht nur den Gr<strong>und</strong>satz<br />

wiederholen will, dass auch stillschweigend ein Vertrag abgeschlossen<br />

werden könne», sondern «weitergehend <strong>Lohn</strong>ansprüche vermitteln [will], wo<br />

selbst bei ausgedehntester Behandlung des Vertragsbegriffs sich von dem Abschluss<br />

eines Dienstverhältnisses nicht ernsthaft sprechen lässt». 386 Ein stillschweigender<br />

oder konkludenter Vertragsschluss ist <strong>und</strong> bleibt selbstverständlich<br />

möglich, wobei es unerheblich ist, ob der Konsens, welcher den Vertrag<br />

begründet, ein natürlicher oder ein normativer ist. 387<br />

216 Ineinem neueren Entscheid hat das BUNDESGERICHT unter Hinweis auf SCHÖ-<br />

NENBERGER/STAEHELIN 388 festgehalten, dass gemäss Art. 320 Abs.2OR «[…]<br />

auch unabhängig von einem übereinst<strong>im</strong>menden Willen über alle wesentlichen<br />

Punkte ein Arbeitsvertrag zustande kommt […]. Was sich die Parteien vorgestellt<br />

<strong>und</strong> was sie gewollt haben, ist dabei belanglos. Massgebend ist nur der<br />

objektive Tatbestand.» 389 Im Rahmen einer zusätzlichen Entstehungsmöglichkeit<br />

eines Arbeitsvertrags ist in Anbetracht der Formulierung der Best<strong>im</strong>mung<br />

in Art. 320 Abs.2OR sowie der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung kennzeichnend,<br />

dass die allgemeinen Regeln für die Entstehung von Verträgen –die<br />

vom durch das Vertrauensprinzip 390 modifizierten Austausch von Willenserklärungen<br />

geprägt werden –zwar die Gr<strong>und</strong>lage für das von Art. 320 Abs.2OR<br />

behandelte Problem bilden, aber für die Lösung dieses Problems nicht (mehr)<br />

entscheidend sind.<br />

217 Unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen Entstehungsmöglichkeit für einen<br />

Arbeitsvertrag ist es weitestgehend unerheblich, ob<strong>und</strong> allenfalls wie die Beteiligten<br />

ihren Willen nach aussen hin k<strong>und</strong>getan haben. Ebenso gleichgültig ist<br />

386<br />

387<br />

388<br />

389<br />

390<br />

von Büren, S.212 (Hervorhebung <strong>und</strong> Einschub in eckigerKlammer hinzugefügt).<br />

Zum natürlichen <strong>und</strong> normativen Konsens <strong>im</strong> Allgemeinen siehe: BE-Komm.-Kramer,<br />

Art. 1N121 ff.; Bucher, S. 122; Gauch/Schluep/Schmid, N309 ff.; Koller, §2N3ff.;<br />

Schwenzer, N29.02.<br />

ZH-Komm.-Schönenberger/Staehelin, Art. 320 N7;vgl. auch ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 320 N7.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. März 2002, 4C.307/2001, E. 2a m.w.H. Da das<br />

B<strong>und</strong>esgericht in diesem Entscheid zur Auffassung gelangte, die Arbeitsleistung sei<br />

vom Arbeitgeber nicht entgegengenommen worden, erübrigte sich die Prüfung der<br />

Frage, ob Umstände vorlagen, welche erwarten liessen, die Arbeitsleistung sei nur gegen<br />

<strong>Lohn</strong> zuerwarten, was i.c. wohl der Fall gewesen wäre.<br />

Auch Vertrauensgr<strong>und</strong>satz genannt, vgl. dazu BE-Komm.-Merz, Art. 2ZGB N121<br />

<strong>und</strong> N124 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N206 ff.; Koller §3 N175 ff.; Schwenzer<br />

N27.33 ff.; sowie ausführlich Meier-Hayoz, S. 41 ff. sowie S. 67 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

es, ob <strong>und</strong> wie der jeweilige Erklärungsempfänger diesen Willen verstanden hat<br />

bzw. hat verstehen dürfen <strong>und</strong> müssen. Davon zusprechen, die Willen der Parteien<br />

seien indes vollständig belanglos, erscheint jedoch nicht korrekt. Dies ergibt<br />

sich aus dem Erfordernis, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung entgegengenommen<br />

haben muss. Das Erfordernis der «Entgegennahme der Arbeitsleistung»<br />

kann einmal dann erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber um die Arbeitsleistung<br />

wusste <strong>und</strong> sie duldete. Da ein Dulden –gleich wie ein Tun oder ein<br />

Unterlassen –ein Willenselement enthält, ist es von Bedeutung, dass der Arbeitgeber<br />

gerade nichts getan hat, um die ihm bekannte Arbeitsleistung abzulehnen.<br />

In anderen Konstellationen kann das Erfordernis der «Entgegennahme<br />

der Arbeitsleistung» erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber um die Arbeitsleistung<br />

hätte wissen können <strong>und</strong> müssen.Ineinem solchen Fall hat sich der Arbeitgeber<br />

zuzuschreiben, dass er nichtdie Sorgfalt an den Taggelegthat, dievon ihmverlangt<br />

werden kann. Indiesem Fall handelt es sich um ein Unterlassen mit mehr<br />

oder minder stark ausgeprägtem Willenselement, das sich zum Nachteil des Arbeitgebers<br />

auswirkt, weil er (bewusst oder unbewusst) nicht die erforderliche<br />

Sorgfalt an denTag legte.<br />

218 Darüber hinaus ist der Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung aber darin zuzust<strong>im</strong>men, dass<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Art. 320 Abs.2OR vom Willen der Parteien abstrahiert wird.<br />

Die gesetzlichen Voraussetzungen stellen einzig auf die Entgegennahme der<br />

Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber sowie auf die Umstände ab, die sich so<br />

darstellen müssen, dass die Arbeitsleistung nicht ohne Entrichtung von <strong>Lohn</strong> zu<br />

erwarten war. Unter dem Begriff «Umstände» sind nur äussere Umstände zu<br />

verstehen. Diese äusseren Umstände müssen derart sein, dass der Richter aus<br />

objektiver Warte zum Schluss kommt, die untersuchten <strong>und</strong> gewichteten Umstände<br />

erfüllen die gesetzliche Anforderung, dass die Arbeit nicht ohne <strong>Lohn</strong> zu<br />

erwarten gewesen sei.<br />

219 Umzubegründen, weshalb es sinnvoll ist, von einer zusätzlichen Gr<strong>und</strong>lage für<br />

einen Vertragsschluss zu sprechen, kann wiederum auf die durch die Verwendung<br />

des «auch» bzw. «anche» indizierte Alternativität abgestellt werden. Von<br />

einer «Durchbrechung» 391 der allgemeinen Regeln des ORzusprechen, lässt<br />

sich indessen nur schwer rechtfertigen, denn Art. 320 Abs.2OR erscheint nicht<br />

als lex specialis, welche die Anwendung der allgemeinen Regeln als lex generalis<br />

vollumfänglich ausschliesst. Art. 320 Abs.2OR erscheint vielmehr als <strong>besondere</strong><br />

Norm, die aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes in spezifischen<br />

Konstellation von den allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss ergänzend abweicht.<br />

392<br />

391<br />

392<br />

Syz, S.72ff.; vgl. auch oben Rz. 208.<br />

Vgl. auch Brühwiler, Art. 320 N12a.<br />

99


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

4. DieDoppelnatur vonArt. 320 Abs.2OR<br />

220 Für die Qualifikation von Art. 320 Abs. 2OR als gesetzliche Rechtsvermutung<br />

können <strong>im</strong> Wortlaut <strong>und</strong> der grammatikalischen Struktur dieser Best<strong>im</strong>mung<br />

vorderhand zwei Stützen gef<strong>und</strong>en werden. Die Basis für die erste Stütze liegt<br />

in der Verwendung des Wortes «gelten», selbst wenn das Verb «gelten» bloss<br />

als Indiz für das Vorliegen einer gesetzlichen Vermutung gewertet werden<br />

kann. 393 Die zweite Stütze ist darin zu erblicken, dass die Best<strong>im</strong>mung wegen<br />

ihres konditionalen Aufbaus («wenn-dann»-Struktur 394 )eine vom Gesetzgeber<br />

angeordneteSchlussfolgerung enthält, dievom Richter vorzunehmen ist.<br />

221 Dass Art. 320 Abs. 2OR ein unwiderlegbarer Charakter zukommen soll, lässt<br />

sich zum einen durch historische Auslegung aufzeigen. 395 So wurde schon in<br />

der 1967 veröffentlichten Botschaft des B<strong>und</strong>esrats zur Revision des Arbeitsvertragsrechts<br />

der damalige Entwurf von Art. 320 Abs.2OR, der unverändert<br />

Gesetz wurde, als unwiderlegbare Vermutung bezeichnet. 396 Andererseits lässt<br />

sich die Unwiderlegbarkeit von Art. 320 Abs. 2ORauch mittels teleologischer<br />

Auslegung 397 derBest<strong>im</strong>mung ermitteln.<br />

222 In der Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung dürfte unbestritten sein, dass Art. 320<br />

Abs.2OR eine Schutzfunktion zugunsten des Arbeitnehmers zukommt. Die<br />

Best<strong>im</strong>mung will verhindern, dass der Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber eine<br />

nutzenstiftende Arbeitsleistung erbringt, aufgr<strong>und</strong> eines fehlenden Konsens<br />

oder aufgr<strong>und</strong> von Beweisschwierigkeiten betreffend den Vertragsschluss sich<br />

ohne vertraglichen <strong>Lohn</strong>anspruch wiederfindet. 398 Art. 320 Abs.2OR hat daher<br />

auch den Zweck <strong>und</strong> die Aufgabe, die entgeltliche von der unentgeltlichen Arbeitsleistung<br />

abzugrenzen. 399<br />

223 Dass die Best<strong>im</strong>mung als unwiderlegbar zubetrachten ist, ergibt sich aus diesem<br />

Schutzzweck. Denn eswäre dem Arbeitnehmer wenig geholfen, wenn er<br />

<strong>im</strong> Streitfall einen Vertragsschluss beweisen müsste, der möglicherweise schon<br />

längere Zeit zurückliegt <strong>und</strong> der sich nur aufgr<strong>und</strong> von schwer erkennbaren,<br />

393<br />

394<br />

395<br />

396<br />

397<br />

398<br />

399<br />

100<br />

BE-Komm.-Kummer, Art. 8ZGB N349; Forstmoser/Vogt, §6N174; Habscheid,<br />

§53N646.<br />

Guggenbühl, S.8mit Hinweis.<br />

Vgl. zur historischen Auslegungsmethode: BE-Komm.-Meier-Hayoz, Art. 1ZGB<br />

N151 ff. <strong>und</strong> N214 ff.; Kramer, S. 116 ff.<br />

BBl 1967 II, S. 297.<br />

Vgl. zur teleologischen Auslegungsmethode: BE-Komm.-Meier-Hayoz, Art. 1ZGB<br />

N192 ff.; Kramer, S. 146 ff.; sowie für das öffentliche Recht: Häfelin/Haller/Keller,<br />

N120 ff.<br />

BGE 113 II 414 (E. 2b/bb, 417); BGE 67 II 200 (203); ZH-Komm.-Staehelin, Art. 320<br />

N8.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 320 N17.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

konkludenten Willenserklärungen des Arbeitnehmers <strong>und</strong> des Arbeitgebers<br />

nachweisen liesse. Die Beweislast, die dem Arbeitnehmer nach Art. 8ZGB aufgebürdet<br />

würde, wäre nach der Wertung des Gesetzgebers wohl häufig zu hoch.<br />

Ohne die Best<strong>im</strong>mung in Art. 320 Abs.2OR müsste der Richter <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Beweiswürdigung, worin auch allfällige Gegenbeweise des Arbeitgebers<br />

einzubeziehen sind, wohl meist zum Schluss gelangen, der Vertragsschluss sei<br />

nicht rechtsgenügend bewiesen worden. Die inder Norm angelegte Vermutung<br />

führt dazu, dass nicht die schwer darzulegenden Willenserklärungen zu beweisen<br />

sind. Der Arbeitnehmer hat (bloss) rechtsgenügend darzulegen <strong>und</strong> zubeweisen,<br />

dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung entgegengenommen hat <strong>und</strong><br />

dass die Würdigung der Umstände des Einzelfalls ergeben, dass die Arbeitsleistung<br />

nicht ohne <strong>Lohn</strong> erwartet werden konnte. Darin findet sich die Verschiebung<br />

desBeweisthemas,wie es fürVermutungen typisch ist.<br />

224 Als weitere Konsequenz der Unwiderlegbarkeit der Vermutung ergibt sich, dass<br />

es dem Arbeitgeber darzulegen verwehrt wird, essei kein Vertrag zustande gekommen,<br />

weil die Anforderungen der allgemeinen Regeln des ORfür einen<br />

Vertragsschluss (Konsens) nicht erfüllt worden sind. Hingegen kann <strong>und</strong> darf<br />

der Arbeitgeber Umstände darlegen, die sich zum Beweis eignen, die Voraussetzung<br />

der Entgegennahme der Arbeitsleistung seien nicht erfüllt oder die Arbeitsleistung<br />

sei nichtnur gegen<strong>Lohn</strong> zu erwarten gewesen.<br />

225 Mit Recht kann daher Art. 320 Abs.2OR als unwiderlegbare Vermutung bezeichnet<br />

werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zwischen den Parteien<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags inirgendeiner Art<br />

<strong>und</strong> Weise Willenserklärungen ausgetauscht wurden. Ein Wahrscheinlichkeitsschluss<br />

auf einen nur schwer beweisbaren, weil höchstens konkludent geäusserten<br />

Vertragswillen der Parteien ist naheliegend. 400 Wenn die Voraussetzungen<br />

von Art. 320 Abs.2OR erfüllt sind, wird ein nach der Lebenserfahrung wohl<br />

häufig bestehender, aber kaum beweisbarer Konsens durch die gesetzliche Anordnung<br />

desVertragsschlussesersetzt.<br />

226 Unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen kann Art. 320 Abs.2OR aber<br />

auch als Anwendungsfall der faktischen Vertragsverhältnisse <strong>und</strong> als Fiktion<br />

bezeichnet werden. Diese Bezeichnung rechtfertigt sich dann, wenn aus den tatsächlichen<br />

Umständen hervorgeht, dass zwischen den Parteien nicht einmal versucht<br />

wurde, die Frage der Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung zu regeln, oder<br />

sich die Parteien anerkanntermassen diesbezüglich nichtgeeinigthaben.<br />

227 Wenn die Voraussetzungen von Art. 320 Abs.2OR bei solchen Ausgangslagen<br />

erfüllt sind, entsteht der Vertrag aufgr<strong>und</strong> der gesetzlichen Rechtsfolgeanordnung<br />

trotzdem. Von einer auf einem Wahrscheinlichkeitsschluss beruhenden<br />

400<br />

Guggenbühl, S.89.<br />

101


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

102<br />

Vermutung oder einem stillschweigenden Vertragsschluss kann unter solchen<br />

Verhältnissen indessen nicht mehr die Rede sein. Der Vertragsschluss wird<br />

vielmehr fingiert, indem trotz der Feststellung, dass nach den allgemeinen Regeln<br />

kein Vertrag entstanden ist, ein Vertragsschluss vom Gesetz angeordnet<br />

wird.<br />

D. Derzwingende Charakter von Art. 320 Abs.2OR<br />

228 Umzubeantworten, obder Best<strong>im</strong>mung in Art. 320 Abs.2OR ein zwingender<br />

Charakter zukommt, helfen Art. 361 Abs.1OR <strong>und</strong> Art.362 Abs.1OR nicht<br />

weiter. Art. 320 Abs.2OR wird weder inArt. 361 Abs.1OR noch in Art. 362<br />

Abs.1OR erwähnt.<br />

229 Inden arbeitsrechtlichen Materialien, inder arbeitsrechtlichen Literatur sowie<br />

in der Rechtsprechung ist unbestritten, dass durch das Fehlen einer Best<strong>im</strong>mung<br />

in den Katalogen von Art. 361 Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 362 Abs.1OR nicht ohne<br />

Weiteres darauf geschlossen werden darf, eine Norm sei deswegen dispositiver<br />

Natur. So kann eine arbeitsvertragliche Best<strong>im</strong>mung des ORbeispielsweise in<br />

Art. 361 Abs.1OR bzw. Art. 362 Abs.1OR nicht aufgeführt sein, weil sich<br />

der zwingende Charakter einer Norm bereits aus ihrem Wortlaut erschliesst 401<br />

oder weil sich deren Inhalt nicht auf die Ausgestaltung des Vertragsinhaltes bezieht,<br />

sondern sich an eine Behörde richtet. 402 Dies hat zur Folge, dass–wenn<br />

eine Best<strong>im</strong>mung in den Katalogen von Art. 361 Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 362<br />

Abs.1OR nicht aufgeführt ist –auf dem Wege der Auslegung zuermitteln ist,<br />

ob <strong>und</strong> in welchem Umfang der infrage stehenden Best<strong>im</strong>mung ein dispositiver<br />

oder aber ein (relativ oder absolut) zwingender Charakter beizumessen ist. Im<br />

Folgenden soll daherder Charaktervon Art. 320Abs.2OR untersucht werden.<br />

230 Aus dem Wortlaut <strong>und</strong> den Materialien zu Art. 320 Abs.2OR ergeben sich die<br />

ersten Hinweise, dass dieser Norm zwingender Charakter zukommt. In der<br />

Formulierung, dass der Arbeitsvertrag bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen<br />

«als abgeschlossen gilt», ist eine Anordnung enthalten, die einem<br />

gesetzgeberischen Befehl entspricht. Der Befehl findet seinen Niederschlag ins<strong>besondere</strong><br />

in der Verwendung des Verbs «gelten», dem die Bedeutung zukommt,<br />

dass dem gestützt auf Art. 320 Abs.2OR entstehenden Arbeitsvertrag<br />

401<br />

402<br />

Vgl. etwa den ersten Teilsatz von Art. 325 Abs. 1OR oder Art. 327a Abs. 3OR;<br />

BBl 1984 II, S. 616.<br />

Vgl. etwa den zweiten Teilsatz von Art. 325a Abs. 1OR; vgl. auch BBl 1984 II,<br />

S. 616 f.; BGE 124 III 469 (E. 2a, 471 m.w.H.), worin die Kataloge von<br />

Art. 361 Abs. 1OR<strong>und</strong> Art. 362 Abs. 1ORals nicht abschliessend bezeichnet werden;<br />

vgl. ebenfalls Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 361/362 N2ff.; Duc/<br />

Subilia, Art.361/362 N6; Streiff/von Kaenel, Art. 361 N3; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 361 N3ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

rechtlicher Bestand verliehen wird. Der Vertrag ist gültig <strong>und</strong> inKraft. Dass der<br />

Gesetzgeber die Best<strong>im</strong>mung umgekehrt nicht als nachgiebiges Recht verstanden<br />

wissen wollte, wird indirekt auch durch die Botschaft 1967 bestätigt. Inden<br />

Ausführungen in der Botschaft 1967 zu Art.320 Abs.2OR ist kein Anhaltspunkt<br />

dafür zu finden, dass den Parteien <strong>im</strong> Fall eines fehlenden Konsens<br />

betreffend die Entlöhnung der Arbeitsleistung ein Dispositionsspielraum <strong>im</strong>Zusammenhang<br />

mitder Entstehung eines Arbeitsvertrags verbleiben sollte.<br />

231 Auch anhand einer teleologischen Auslegung von Art. 320 Abs. 2ORist zu<br />

schliessen, dass die Best<strong>im</strong>mung innerhalb ihres Anwendungsbereichs als<br />

zwingend zu betrachten ist. Im Vorangegangenen wurde schon darauf hingewiesen,<br />

403 dass der Art. 320 Abs.2OR zugr<strong>und</strong>e liegende Zweck <strong>und</strong> damit<br />

dessen Funktion <strong>im</strong> Schutz des Arbeitnehmers besteht. Essoll verhindert werden,<br />

dass ein Arbeitnehmer bei unklarer oder fehlender Regelung, ob ein <strong>Lohn</strong><br />

für seine Arbeitsleistung bezahlt werden soll oder nicht, sich ohne vertraglichen<br />

<strong>Lohn</strong>anspruch wiederfindet, sollten die objektiven Umstände genügend deutlich<br />

darauf hinweisen, dass die Arbeitsleistung nicht ohne <strong>Lohn</strong>zahlung zu erwarten<br />

war. Wäre Art. 320 Abs.2OR nicht als zwingende Best<strong>im</strong>mung zu betrachten,<br />

würde das Erreichen des mit der Best<strong>im</strong>mung verfolgten Zwecks regelmässig<br />

vereitelt. 404<br />

232 Der zwingende Charakter von Art.320 Abs. 2ORlässt sich des Weiteren auch<br />

durch die Überlegung verdeutlichen, dass es den Parteien durch Art. 320<br />

Abs.2OR nicht verwehrt wird, eine unentgeltliche, vertraglich geschuldete Arbeitsleistung<br />

zu vereinbaren, oder es bei einer Arbeitsleistung <strong>im</strong> Sinne einer<br />

Gefälligkeit zu belassen. Die Best<strong>im</strong>mung schränkt die aus der Vertragsfreiheit<br />

abgeleitete Abschlussfreiheit der Parteien nur <strong>im</strong> Anwendungsbereich von<br />

Art. 320 Abs.2OR ein. 405 Wollen die Parteien indessen einen auf eine unentgeltliche<br />

Arbeitsleistung gerichteten Vertrag abschliessen oder es bei einer Gefälligkeit<br />

bewenden lassen, ist aus der Existenz von Art. 320 Abs. 2ORabzuleiten,<br />

dass sie dies mit hinreichender Klarheit tun müssen. 406 Liegen keine hinreichend<br />

klaren Parteiabreden vor, haben sich die Parteien die von ihnen <strong>im</strong>Er-<br />

403<br />

404<br />

405<br />

406<br />

Vgl. z.B. oben Rz. 222 f.<br />

Ebenso wohl ZH-Komm.-Staehelin, Art. 361 N3a.E., wo ausgeführt wird, die gesetzlichen<br />

Vermutungen <strong>im</strong> Sinne von Fiktionen könnten nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen<br />

werden, denn sonst läge keine Fiktion, sondern eine widerlegbare Vermutung<br />

vor, welche nur fürdie Verteilung der Beweislast von Bedeutung sei.<br />

Vgl. oben Rz. 122 ff. <strong>und</strong> dort ins<strong>besondere</strong> Rz. 124; a.M. Arbeitsgericht Zürich vom<br />

3. März 2004, ARV 2004, S. 170 ff. Vgl. dazu auch oben Rz. 126 <strong>und</strong> Fn. 268.<br />

Anders als bei Portmann/Stöckli, N102, geht mit der Zulässigkeit von Abreden auf<br />

unentgeltliche Arbeitsleistungen jedoch keine (eigentliche) Relativierung des zwingenden<br />

Charakterseinher.<br />

Ebenso Portmann/Stöckli, N102, welche ferner zu Recht darauf hinweisen, dass Unentgeltlichkeitsvereinbarungen<br />

auf einem legit<strong>im</strong>en Bedürfnis beruhen.<br />

103


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

104<br />

gebnis gemeinsam zu vertretende Unklarheit entgegenhalten zu lassen. Die Parteien<br />

geraten demnach nur dann in den Anwendungsbereich von Art. 320<br />

Abs.2OR, wenn ihnen keine hinreichend klare <strong>und</strong> beweisbare Regelung ihrer<br />

Beziehunggelingt.<br />

233 Aus den nicht existenten oder nichthinreichend aufschlussreichen Willenserklärungen<br />

der Parteien bzw. aus damit zusammenhängenden Beweisproblemen<br />

hinsichtlich der Frage, obfür die Arbeit ein <strong>Lohn</strong> geschuldet sein soll oder<br />

nicht, ergibt sich die Gr<strong>und</strong>lage für den Umstand, dass bei der Prüfung der tatsächlichen<br />

Begebenheiten <strong>im</strong>Rahmen von Art. 320 Abs.2OR <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz<br />

nur auf objektive Kriterien abzustellen ist. Diese (je nach Situation ganz oder<br />

teilweise) Abstraktion von den Parteiwillen <strong>im</strong> Hinblick auf den Abschluss eines<br />

Arbeitsvertrags ebnet wiederum den Weg für die Schlussfolgerung, dass die<br />

Best<strong>im</strong>mung insofern zwingend ist, als dass Art. 320 Abs.2OR angewendet<br />

werden muss, wenn es den Parteien nicht gelungen ist oder sie es sonst wie versäumt<br />

haben, die Frage der Entlöhnung derArbeitsleistung klar (<strong>und</strong> beweisbar)<br />

zu regeln.<br />

234 Vergleicht man diese Eigenart von Art. 320Abs.2OR mit den in der Botschaft<br />

des B<strong>und</strong>esrats zur Revision der Normen des Kündigungsschutzes von 1984<br />

erwähnten verschiedenen Gruppen von zwingenden Normen, die in<br />

Art. 361 Abs.1OR enthalten sind, kann Art. 320 Abs.2OR ebenfalls einer<br />

bzw. mehrerer solcher Gruppen zugeordnet werden. 407 Daraus ergibt sich ein<br />

weiterer Pfeiler, auf welchen sich der zwingende Charakter von Art. 320<br />

Abs.2OR abstützen lässt.<br />

235 Zum einen enthält Art. 320 Abs. 2OReine definitive gesetzgeberische Wertung.<br />

Diese gesetzgeberische Wertung besteht darin, dass der ansich mangelhafte,<br />

fehlende oder nicht beweisbare Abschluss eines zwingend entgeltlichen<br />

Arbeitsvertrags durch die gesetzliche Anordnung eines Vertragsschlusses ersetzt<br />

wird, wenn der Richter zur Auffassung gelangt, die Arbeitsleistung habe<br />

nicht ohne <strong>Lohn</strong>zahlung erwartet werden können. 408 Diese definitive gesetzgeberische<br />

Wertung ist zwar nicht «eindeutig», dadem Richter bei der Beurteilung<br />

der Umstände des Einzelfalls ein gewisser Ermessenspielraum zuerkannt<br />

wird <strong>und</strong> werden muss. Ein Aufweichen des zwingenden Charakters von<br />

Art. 320 Abs.2OR ist darin aber nicht zuerblicken. Vielmehr lässt sich das<br />

Eröffnen eines richterlichen Ermessensspielraums durch den Gesetzgeber damit<br />

erklären, dass Art. 320 Abs. 2ORgenügend Raum für eine den Umständen des<br />

Einzelfalls angepasste, richterliche Abwägung belassen soll, die ihrerseits durch<br />

die Formulierung der Best<strong>im</strong>mung insoweit gelenkt wird, dass die Arbeits-<br />

407<br />

408<br />

BBl 1984 II, S. 616 f.<br />

Was aufgr<strong>und</strong> der <strong>im</strong> Einzelfall vorliegenden Umstände zu ermitteln ist; vgl. dazu<br />

oben Rz. 177 ff.


§3 ENTSTEHUNG DES ARBEITSVERTRAGS ALS NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG VON LOHN<br />

leistung nicht ohne <strong>Lohn</strong> zuerwarten war. Zum anderen kann der gesetzgeberischen<br />

Wertung, welche die Entstehung eines Arbeitsvertrags inAbweichung<br />

von der Gr<strong>und</strong>norm zur Beweislast in Art. 8ZGB <strong>und</strong> <strong>im</strong> Zweifel über die allgemeinen<br />

Regeln des ORhinaus fördert, ein öffentliches Interesse zugeschrieben<br />

werden. Das öffentliche Interesse ander Förderung der Entstehung eines<br />

Arbeitsvertrags beruht auf der Erkenntnis, dass ein Arbeitnehmer wegen seiner<br />

(wirtschaftlichen) Abhängigkeit von einem regelmässigen Arbeitseinkommen<br />

<strong>und</strong> seiner Eingliederung inden Betrieb des Arbeitgebers <strong>im</strong> allgemeinen als<br />

die schwächere <strong>und</strong> daher schutzbedürftigere Partei zu bezeichnen ist. Damit ist<br />

Art. 320 Abs.2OR in seinem skizzierten Anwendungsbereich 409 als zwingende<br />

Normzubetrachten.<br />

236 Ist Art. 320 Abs. 2ORdamit als zwingende Norm zubetrachten, fällt der zu<br />

behandelnde Einzelfall in den Anwendungsbereich der Best<strong>im</strong>mung <strong>und</strong> sind<br />

die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, besteht die Rechtsfolge darin, dass ein<br />

Arbeitsvertrag entsteht.<br />

409<br />

Vgl. oben Rz. 122 ff.<br />

105


§4 Der <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Arbeitsrecht <strong>und</strong> in anderen Disziplinen<br />

VI. Der arbeitsrechtliche <strong>Lohn</strong>begriff<br />

237 Das Obligationenrecht enthält keine Legaldefinition des Begriffs «<strong>Lohn</strong>» («salaire»;<br />

«salario»). Art. 319 Abs.1OR hält nur –aber <strong>im</strong>merhin –fest, dass der<br />

«<strong>Lohn</strong>» die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeit des Arbeitnehmers<br />

darstellt <strong>und</strong> nach Zeiteinheiten oder nach der geleisteten Arbeit bemessen wird.<br />

Art. 319 Abs.2OR stellt weiter klar, dass auch Teilzeitarbeit von den Regelungen<br />

des Einzelarbeitsvertrags erfasst wird. Teilzeitarbeit kann in verschiedenen<br />

Varianten <strong>und</strong> Ausprägungen vorkommen. 410 Sie zeichnet sich dadurch aus,<br />

dass die Arbeitszeit <strong>im</strong> Vergleich zu einer Vollzeitstelle ineinem Betrieb oder<br />

in einer Branche reduziert ist. 411 Anstoss für den Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrags<br />

ist das Bedürfnis von Arbeitgebern <strong>und</strong>/oder Arbeitnehmern nach<br />

einer Reduktion des zeitlichen Arbeitsumfangs <strong>und</strong> einer damit einhergehenden<br />

Flexibilisierung desArbeitsverhältnisses.<br />

238 Das Fehlen einer Legaldefinition des Begriffs «<strong>Lohn</strong>» <strong>im</strong> OR könnte Anlass zur<br />

Vermutung geben, der Gesetzgeber habe angenommen, es sei allgemein bekannt,<br />

was der Begriff «<strong>Lohn</strong>» bedeutet <strong>und</strong> beinhaltet. Diese Annahme hat<br />

durchaus ihre Berechtigung, denn der Begriff «<strong>Lohn</strong>» dürfte in der Alltagssprache<br />

praktisch <strong>im</strong>mer mit abhängiger Arbeit mit Erwerbszweck inVerbindung<br />

gebracht werden. 412 <strong>Lohn</strong> bezeichnet auch umgangssprachlich das Entgelt für<br />

die Arbeitsleistung <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis. Was aus allgemein schuldrechtlicher<br />

sowie aus spezifisch arbeitsrechtlicher Perspektive als «<strong>Lohn</strong>» zu bezeichnen<br />

ist, deckt sich indessen nicht mit dem allgemeinen Gehalt, der dem Ausdruck<br />

«<strong>Lohn</strong>» in derUmgangsspracheüblicherweise zugemessen wird.<br />

239 Inden Art. 319–362ORwird der Begriff «<strong>Lohn</strong>» in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen<br />

gebraucht. Daraus kann der Schluss gezogen werden,<br />

dass der Gesetzgeber den Ausdruck «<strong>Lohn</strong>» als Oberbegriff versteht <strong>und</strong> verwendet.<br />

413 Unter dem Schirm dieses Oberbegriffs können verschiedene Teilas-<br />

410<br />

411<br />

412<br />

413<br />

Vgl. die grafische Übersicht bei Streiff/von Kaenel, Art. 319 N18.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art.319 N25; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

S. 407 N1; Byrne-Sutton, S. 35; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N18; Wyler, S. 132;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 319 N51.<br />

Als Synonyme für «<strong>Lohn</strong>» werden auch die Begriffe «Gehalt», «Entgelt», «Entlöhnung/Entlohnung»,<br />

«Salär», «Verdienst» oder, bei künstlerischen Tätigkeiten, «Gage»<br />

verwendet.<br />

Im Vergleich zu anderen Nominatverträgen kann die Verwendung des Begriffs<br />

«<strong>Lohn</strong>» <strong>im</strong> Gesetz als Oberbegriff für die Vergütung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers<br />

als sehr konsequent bezeichnet werden. Einzig in Art. 349a Abs. 1OR,<br />

Art. 349c Abs. 1OR<strong>und</strong> Art. 349d Abs. 2ORwird für den Handelsreisenden auch<br />

107


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

108<br />

pekte des <strong>Lohn</strong>s unterschieden werden. Hierin werden ins<strong>besondere</strong> die <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen,<br />

die <strong>Lohn</strong>kategorien sowie die <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel<br />

unterschieden, die nachfolgend untertsucht werden. 414 Bevor jedoch auf diese<br />

spezifisch arbeitsrechtlichen Teilaspekte des <strong>Lohn</strong>s näher eingegangen wird, erscheint<br />

essinnvoll, den allgemeineren, schuldrechtlichen Aspekten des <strong>Lohn</strong>s<br />

nachzugehen, welche sich aufgr<strong>und</strong> der Eigenheiten des Arbeitsvertrags als besonders<br />

geregeltem Vertragstyp ergeben.<br />

240 Wird das Arbeitsverhältnis als ein Netz von Rechten <strong>und</strong> Pflichten beider Parteien<br />

verstanden 415 <strong>und</strong> danach die Perspektive auf die Leistungspflichten des<br />

Arbeitgebers verengt, könnte unter <strong>Lohn</strong> in einem weiten Sinne all das verstanden<br />

werden, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer irgendwann, irgendwo, in<br />

irgendeiner Form, unter irgendeiner Bezeichnung <strong>und</strong> inirgendeiner Art <strong>und</strong><br />

Weise zukommen lässt oder erspart. Einzige Voraussetzung wäre, dass ein (hinreichender)<br />

Zusammenhang zwischen der fraglichen Leistung des Arbeitgebers<br />

<strong>und</strong> dem Arbeitsverhältnis hergestellt werden kann. Umdas Feld noch weiter<br />

zu öffnen <strong>und</strong> ohne den Anspruch zuerheben, jeden vorstellbaren persönlichen,<br />

örtlichen, zeitlichen, sachlichen <strong>und</strong> funktionalen Faktor <strong>und</strong> etwaige Variationen<br />

<strong>und</strong> Kombinationen davon aufzugreifen, könnte bei Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses<br />

unter <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> weitesten Sinne etwa Folgendes verstanden<br />

werden:<br />

414<br />

415<br />

vom «festen Gehalt» gesprochen. Diesem «festen Gehalt» («traitement fixe»; «stipendio<br />

fisso») oder Fixlohn des Handelsreisenden steht die Provision als variable Vergütungskomponente<br />

gegenüber. Beide Vergütungskomponenten ergeben den (Gesamt-)<br />

<strong>Lohn</strong> des Handelsreisenden.<br />

Im ZGB wird in Art. 197 Abs. 1Ziff. 1,Art. 224, Art 276 Abs. 3, Art. 323 Abs. 1<strong>und</strong><br />

Art. 414 ZGB jeweils vom «Arbeitserwerb» eines Ehegatten, eines Kindes oder einer<br />

bevorm<strong>und</strong>eten Person gesprochen. Der Begriff des «Arbeitserwerbs» erfasst auch den<br />

<strong>Lohn</strong> aus abhängiger Arbeit, muss aber nicht auf diesen beschränkt sein. Auch das<br />

Einkommen aus selbstständiger Tätigkeitist «Arbeitserwerb».<br />

Vgl. dazu unten Rz. 322 ff. sowie Rz. 426 ff.<br />

Obwohl das Arbeitsverhältnis in rechtlicher Hinsicht inder Regel ein Zweiparteienverhältnis<br />

ist, erscheint die Bezeichnung des Arbeitsverhältnisses als «Netz» insofern<br />

zutreffend, als dass die Wirkungen eines Arbeitsvertrags bzw. des Arbeitsverhältnisses<br />

nicht auf die Beziehung zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer während der Dauer<br />

des Arbeitsvertrags beschränkt sind. Der Arbeitsvertrag sowie das Arbeitsverhältnis<br />

bilden –jenach Stadium, d.h. vor, während <strong>und</strong> nach der Dauer des Arbeitsvertrags –<br />

auch die Gr<strong>und</strong>lage für verschiedene, in Art <strong>und</strong> Intensität unterschiedliche Verhaltenspflichten<br />

beider Parteien <strong>im</strong> Verhältnis zu Drittpersonen (z.B. ehemalige, bestehende<br />

<strong>und</strong> potenzielle Vertragspartner des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers [K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Lieferanten des Arbeitgebers; ehemalige oder künftige Arbeitgeber des Arbeitnehmers],<br />

<strong>und</strong>, falls die arbeitgebende Gesellschaft ineine Konzernstruktur eingeb<strong>und</strong>en<br />

ist, mitGruppengesellschaften,deren K<strong>und</strong>en, Lieferanten <strong>und</strong> Arbeitnehmern).


<strong>Lohn</strong> istdas, wasdem<br />

§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

(1) Arbeitnehmerodereinem Dritten namensdes Arbeitnehmers,<br />

(2) gestützt aufoder<strong>im</strong>Zusammenhang mit<br />

(3) dem Arbeitsvertrag oder demArbeitsverhältnis,<br />

(4) vom Arbeitgeber oder von einem Dritten namens desArbeitgebers,<br />

(5) direktoderindirekt,<br />

(6) inirgendeiner Form,<br />

(7) mit keinem oder irgendeinem best<strong>im</strong>mten, best<strong>im</strong>mbaren oder aber unsicheren<br />

materiellen Wert,<br />

(8) zuirgendeinem früheren oderspäteren Zeitpunkt,<br />

(9) anirgendeinem Ort,<br />

(10) in exklusiver oderpartizipativer Zuteilung,<br />

(11) mitkeinen oderirgendwelchen arbeitgeberseitigen Motiven,<br />

(12) mit keinen oder irgendwelchen weiteren, von etwaigen Motiven des Arbeitgebers<br />

abhängenden, für den Arbeitnehmer erkennbaren oder nicht<br />

erkennbaren arbeitgeberseitigen Absichten oderZwecken,<br />

(13) unter keinen oder irgendwelchen Nebenabreden, Voraussetzungen oder<br />

Bedingungen,<br />

(14) zugewendet odererspart wird.<br />

241 Esist offensichtlich, dass eine derart umfassende Umschreibung von «<strong>Lohn</strong>»<br />

nicht sinnvoll ist. Abgesehen davon, dass sie unpraktisch ist, wäre eine Umschreibung<br />

von <strong>Lohn</strong> in solch ausufernder Form aus allgemein schuldrechtlicher<br />

sowie spezifisch arbeitsrechtlicher Perspektive zuweit, unpräzise <strong>und</strong> teilweise<br />

sogar falsch. Falsch wäre eine solche Umschreibung einmal deswegen,<br />

weil nicht jede Leistung des Arbeitgebers zuhanden des Arbeitnehmers auch<br />

von ihrer arbeitsrechtlichen Verbindung erfasst <strong>und</strong> beherrscht sein muss. Nicht<br />

jede Zuwendung des Arbeitgebers anden Arbeitnehmer –oder umgekehrt –<br />

kann als «<strong>Lohn</strong>» oder «lohnrelevant» bezeichnet werden. Zu weit wäre eine<br />

solche Begriffsbest<strong>im</strong>mung auch deswegen, weil das Arbeitsrecht, als Teil des<br />

Schuldrechts, zwischen verschiedenen Formen des Leistungsinhalts –d.h. einem<br />

Tun, Dulden oder Unterlassen –unterscheidet, was für den arbeitsrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriff ebenfalls von Bedeutung ist. Ebenso würde eine derart weite<br />

Umschreibung die <strong>im</strong> Obligationenrecht wesentliche Unterscheidung zwischen<br />

Haupt- <strong>und</strong> Neben(leistungs)pflichten aufheben <strong>und</strong> den Unterschied zwischen<br />

materiellen <strong>und</strong> <strong>im</strong>materiellen Leistungenbis zurUnkenntlichkeit verwischen.<br />

242 Gestützt auf die soeben angeführten sowie weitere rechtliche Differenzierungskriterien<br />

soll nachfolgend dem schuldrechtlichen Bedeutungsgehalt von «<strong>Lohn</strong>»<br />

<strong>im</strong> Obligationenrecht nachgegangen werden. Umdie Konturen des schuldrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs klarer hervortreten zu lassen, ist es auch angezeigt, dem<br />

109


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

110<br />

schuldrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff den «<strong>Lohn</strong>begriff» in anderen Rechtsgebieten<br />

gegenüberzustellen. 416 Ins<strong>besondere</strong> um <strong>besondere</strong> <strong>Vergütungsformen</strong> <strong>im</strong>Arbeitsverhältnis<br />

besser erfassen zu können, erscheint esweiter auch notwendig,<br />

den schuldrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff vor dem Hintergr<strong>und</strong> ökonomischer Gesichtspunkte<br />

zubetrachten. Damit soll auch die Basis dafür gelegt werden, um<br />

untersuchen zu können, ob, <strong>und</strong>, falls ja, inwiefern sich ökonomische Gesichtspunkte<br />

in arbeitsrechtlicher Hinsicht auswirken könn(t)en <strong>und</strong>/oder soll(t)en. 417<br />

Aus dem Versuch, den schuldrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff näher zufassen, durch die<br />

Betrachtung der Behandlung des «<strong>Lohn</strong>s» inanderen Rechtsgebieten sowie gestützt<br />

auf ökonomische Überlegungen wird ersichtlich werden, dass es sich<br />

be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> um einen facettenreichen Begriff handelt. Zwar kann <strong>und</strong> muss dem<br />

<strong>Lohn</strong> zweifelsohne ein arbeitsrechtlicher Kerngehalt zuerkannt werden. Über<br />

diesen Kerngehalt hinaus ist der <strong>Lohn</strong> in der Rechtswirklichkeit aber äusserst<br />

vielfältig <strong>und</strong> wandelbar.<br />

A. DieElemente desarbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriffs<br />

1. Der<strong>Lohn</strong>als Hauptleistung desArbeitgebers fürdie Arbeitsleistung des<br />

Arbeitnehmers <strong>im</strong> gesetzlich moderierten Synallagma<br />

243 Inseiner abstrakten, schuldrechtlichen Gr<strong>und</strong>bedeutung beschreibt der Begriff<br />

«<strong>Lohn</strong>» eine der beiden Hauptleistungen <strong>im</strong> Arbeitsvertrag. Der Begriff<br />

«Hauptleistung» seinerseits kann inverschiedener Hinsicht verwendet werden.<br />

Wird von Hauptleistung gesprochen, kann damit beabsichtigt sein, eine Obligation<br />

zubezeichnen, welche einen (Nominat- oder Innominat-)Vertrag charakterisiert.<br />

418 Zusammen mit weiteren Wesenselementen ist meist eine der zwei<br />

Hauptleistungen eines (vollkommen synallagmatischen) Vertrags dahingehend<br />

wesentlich, dass sich diese Hauptleistung besonders eignet, einen best<strong>im</strong>mten<br />

Vertrag begrifflich <strong>und</strong> inhaltlich von anderen (Nominat- <strong>und</strong> Innominat-)Verträgen<br />

zu unterscheiden. Die Unterscheidung von verschiedenen Vertragstypen<br />

ist aus rechtlicher Sicht bedeutungsvoll, umdie auf ein Vertragsverhältnis anwendbaren<br />

Rechtsnormen zu ermitteln. Gelegentlich wird der Begriff der<br />

Hauptleistung aber auch als Synonym für ein essenzielles Element eines Vertrags<br />

verwendet. Im allgemeinen Schuldrecht sind die essentialia negotii diejenigen<br />

Elemente, worüber sich die Parteien in einem Mindestmass austauschen<br />

<strong>und</strong> einigen müssen, umüberhaupt einen Vertrag abzuschliessen. Für das Ausloten<br />

des schuldrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriffs sind diese beiden Bedeutungsvarianten<br />

desBegriffs Hauptleistung nichtvon <strong>besondere</strong>r Bedeutung.<br />

416<br />

417<br />

418<br />

Vgl. dazu unten Rz. 284 ff.<br />

Vgl. dazu auch unten Rz.294 ff.<br />

Schwenzer, N4.21.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

244 Umdie schuldrechtliche Bedeutung des <strong>Lohn</strong>s näher zufassen, erscheint hingegen<br />

bedeutsam, dass der <strong>Lohn</strong> deshalb Hauptleistung ist, weil darin nicht nur<br />

die gr<strong>und</strong>legende, sondern die vom Gesetz gemäss Art. 319 Abs.1OR be<strong>im</strong><br />

Arbeitsvertrag sogar zwingend vorgesehene Gegenleistung des Arbeitgebers für<br />

die Arbeitsleistung bzw. das zur Verfügung stellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers<br />

zu erblicken ist. <strong>Lohn</strong> ist der gesetzlich zwingend vorgesehene Hauptgr<strong>und</strong><br />

für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers – das do ut des aus dem<br />

Blickwinkel des Arbeitnehmers. Für das Aufleben dieser Hauptleistungspflicht<br />

des Arbeitnehmers ist vorauszusetzen, dass das Arbeitsverhältnis effektiv in<br />

Vollzug gesetzt wurde oder eine Konstellation vorliegt, welche aufgr<strong>und</strong> einer<br />

gesetzlichen Anordnung demeffektiven Vollzug gleichgestellt wird, obwohldie<br />

Arbeitsaufnahme (noch) nichterfolgtist.<br />

245 Das für den Arbeitsvertrag gesetzlich zwingend statuierte Austauschverhältnis<br />

zwischen Arbeit <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> wird –beruhend auf einem Umkehrschluss –zuweilen<br />

<strong>im</strong> prägnanten, negativ formulierten Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>»<br />

zusammengefasst. 419 Die Wendung «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» könnte suggerieren,<br />

das Synallagma zwischen Arbeitsleistung <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Arbeitsvertrag sei<br />

ein unumstössliches oder unzerbrechliches Prinzip. Wenn dieses Prinzip mit der<br />

Dauer eines Arbeitsverhältnisses in Beziehung gesetzt wird, könnte weiter gefolgert<br />

werden, jedem <strong>Lohn</strong>franken oder jeder anderen Leistung des Arbeitgebers<br />

an den Arbeitnehmer müsse in zeitlicher <strong>und</strong>/oder sachlicher Hinsicht eine<br />

eingrenzbare Arbeitsleistung zugeordnet werden können. Würde die Wendung<br />

«ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» insolch engem Sinne verstanden, würde das Austauschverhältnis<br />

zwischen Arbeitsleistung <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> indessen in verfälschter<br />

Weise wiedergegeben. Eine Verfälschung läge vor, weil das Gesetz Ausnahmen<br />

vom Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» vorsieht. Das zwingend statuierte<br />

Austauschverhältnis zwischen Arbeitsleistung <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> wird in einem gesetzlich<br />

moderierten Ausmass gelockert, ohne dass das Prinzip «ohne Arbeit kein<br />

<strong>Lohn</strong>» indessen ausgehöhlt würde. 420<br />

246 Eine wichtige Ausnahme vom Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» liegt einmal<br />

<strong>im</strong> Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Ferien gemäss Art. 329a<br />

Abs.1OR i.V.m. Art. 329d Abs. 1OR. Der Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen<br />

verpflichtet, dem Arbeitnehmer pro volles Dienstjahr wenigstens vier Wo-<br />

419<br />

420<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N22<strong>und</strong> Art. 324 N38; Meier-Schatz,<br />

S. 38.<br />

Vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. Dezember 2008, 4A_291/2008, E. 3.2.;<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 12. März 2009, 4A_559/2008, E. 4. In letzterem<br />

Entscheid hielt das B<strong>und</strong>esgericht für ein befristetes Arbeitsverhältnis fest, dass, falls<br />

der Arbeitnehmer über längere Zeit keine ersichtliche Arbeitsleistung zugunsten des<br />

Arbeitgebers erbringt, sich auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis eine fristlose<br />

Kündigung rechtfertigt, womit die <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht des Arbeitgebers für die<br />

verbleibende Zeit des befristeten Arbeitsvertragsentfällt.<br />

111


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

421<br />

422<br />

423<br />

112<br />

chen Ferien zu gewähren <strong>und</strong> ihm den darauf entfallenden <strong>Lohn</strong> zuentrichten.<br />

Dabei gilt gemäss Art. 329d Abs.1OR, dass der Arbeitnehmer während der Ferien<br />

lohnmässig so zu stellen ist, wie wenn er gearbeitet hätte. Im Vergleich zu<br />

Zeitabschnitten, während derer vom Arbeitnehmer Arbeit geleistet wird, soll<br />

der Arbeitnehmer während der Ferien gemäss dem Lebensstandardprinzip 421<br />

weder eine <strong>Lohn</strong>steigerung noch eine <strong>Lohn</strong>reduktion hinnehmen müssen. 422<br />

Weitere Ausnahmen vom Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» ergeben sich beispielsweise<br />

auch aus der Regelung zum Annahmeverzug des Arbeitgebers gemäss<br />

Art. 324 OR, der <strong>Lohn</strong>fortzahlungspflicht bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung<br />

des Arbeitnehmers gemäss Art. 324a OR <strong>und</strong> in der Regel auch aus<br />

den vertraglichen Regelungen zur ausserordentlichen Freizeit nach Art. 329<br />

Abs.3OR. 423<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 329d N1.<br />

BGE 132 III 172 (E. 3.1, 174); BGE 129 III 664 (E. 7.3, 673); BGE 129 III 493<br />

(E. 3.1, 495); BGE 118 II 136 (E. 3b, 137); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 329d<br />

N 1; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 329d N1; Wyler, S. 352; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 329d N1.<br />

Im Gesetz ist nicht geregelt, ob ordentliche <strong>und</strong> ausserordentliche Freizeit (zu den<br />

Begriffen vgl. statt mehrerer: Streiff/von Kaenel, Art. 329 N2 <strong>und</strong> N6) gemäss<br />

Art. 329 Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 3ORzuentschädigen ist. Ohne vertragliche Vereinbarung<br />

oder Übung (vgl. Art. 322 Abs. 1OR) lehnt das B<strong>und</strong>esgericht eine <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht<br />

mangels gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage ab; vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

3. Januar 2006, 4C.298/2005, E. 5.2.2.<br />

Mit Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 329 N1a.E., ist festzuhalten, dass sich die<br />

Frage nach der <strong>Lohn</strong>zahlung –unabhängig vom vereinbarten <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

(Akkord-, St<strong>und</strong>en-, Wochen-, Monats- oder Jahreslohn) –bei ordentlicher<br />

Freizeit gemäss Art. 329 Abs. 1ORgar nicht stellt. Für die «üblichen freien St<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Tage» gemäss Art. 329 Abs. 3ORdürfte, sofern keine explizite vertragliche Vereinbarung<br />

<strong>und</strong> kein Fall von unverschuldeter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers<br />

gemäss Art. 324a OR vorliegt, für die meisten «üblichen» Ereignisse (vgl. z.B. die<br />

Liste bei ZH-Komm.-Staehelin, Art. 329 N15) gestützt auf eine Übung gemäss<br />

Art. 322 Abs. 1ORein <strong>Lohn</strong>anspruch zubejahen sein. Dies dürfte ins<strong>besondere</strong> auch<br />

für die Stellensuche gelten, welche in Art. 329 Abs. 3ORspeziell erwähnt wird.<br />

Ohne entsprechende vertragliche Gr<strong>und</strong>lage ist eine Pflicht zur Kompensation, also<br />

zum Nachleisten von (bezahlter oder unbezahlter) ausserordentlicher Freizeit durch<br />

den Arbeitnehmer, mangels gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage zu verneinen. Eine vertragliche<br />

Vereinbarung zur Kompensation bei (bezahlter oder unbezahlter) ausserordentlicher<br />

Freizeit, die sich wohl auch konkludent oder aus einer Betriebsübung ergeben kann,<br />

wäre hingegen als zulässig zubetrachten. Sie scheitert nicht ander relativ zwingenden<br />

Ausgestaltung von Art. 329 Abs. 3OR(vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 329 N20; anders:<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 329 N11; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 329 N19). Eine<br />

vertragliche Vereinbarung, ausserordentliche Freizeit sei zukompensieren, wäre jedoch<br />

den Voraussetzungen von Art. 321c Abs. 1ORzuunterstellen. Für den Arbeitgeber<br />

müsste die Kompensation somit betrieblich notwendig <strong>und</strong> für den betroffenen<br />

Arbeitnehmer zumutbar sein (vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 329 N21). Die


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

247 Inall diesen Konstellationen hat der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf<br />

<strong>Lohn</strong>, ohne dass jedem <strong>Lohn</strong>franken inzeitlicher <strong>und</strong>/oder sachlicher Hinsicht<br />

eins zueins eine best<strong>im</strong>mte Arbeitsleistung zugeordnet werden könnte. Da jedoch<br />

die Regelungen desORinverschiedenen Best<strong>im</strong>mungen auf die Dauer eines<br />

(Dienst-, Geschäfts- oder Kalender-)Jahres abstellen, 424 lässt sich trotz der<br />

Ausnahmen vom Gr<strong>und</strong>satz «ohne Arbeit kein <strong>Lohn</strong>» retrospektiv meist sehr<br />

genau errechnen, welcher <strong>Lohn</strong> bzw. wie viele <strong>Lohn</strong>franken auf eine best<strong>im</strong>mte<br />

Zeitspanne entfallen, inwelcher der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber effektiv<br />

tätig gewesen ist.<br />

248 Wird der <strong>Lohn</strong> als «Hauptleistung» des Arbeitgebers bezeichnet, ergibt sich aus<br />

der Begriffsverwendung sowie der (Rechts-) Logik weiter, dass –nebst der essenziellen<br />

Leistung von <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>Arbeitsvertrag –auch andere, zusätzliche<br />

Rechte <strong>und</strong> Pflichten zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrags bestehen. Es<br />

handelt sich um Nebenpflichten <strong>und</strong> Nebenleistungspflichten. 425 Die Neben(leistungs)pflichten<br />

der Parteien haben für den Arbeitsvertrag ebenfalls charakterisierende<br />

Funktion. 426 Sie sind vom Gr<strong>und</strong>satz her inihrer schuldrecht-<br />

424<br />

425<br />

426<br />

Kompensation von unbezahlter ausserordentlicher Freizeit wäre zu vergüten. Bei bezahlter<br />

ausserordentlicher Freizeit rechtfertigt sich dies nicht, da ansonsten eine Doppelzahlung<br />

vorläge. Eine Überst<strong>und</strong>enentschädigung bei der Kompensation von (bezahlter)<br />

ausserordentlicher Freizeit dürfte nicht geschuldet sein, weil (<strong>und</strong> solange) es<br />

sich (tatsächlich) umKompensation von ausserordentlicher Freizeit handelt. Über die<br />

Kompensation hinaus geleistete Arbeit wäre indessen zusätzlich mit Überst<strong>und</strong>enzuschlag<br />

von 25% zu vergüten, sofern der Zuschlag nicht gültig ausgeschlossen wurde<br />

(vgl. Art. 321c OR).<br />

So etwa inArt. 322a Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 3, Art. 322d Abs. 1, Art. 323 Abs. 3, Art. 324a<br />

Abs. 2, Art. 328a Abs. 2, Art. 329a Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 3, Art. 329b Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 2,<br />

Art. 329c Abs. 1, Art. 329e Abs. 3, Art. 331 Abs. 3, Art. 335c Abs. 1<strong>und</strong> 2, Art. 336c<br />

Abs. 1lit. bOR.<br />

Nebenpflichten (teilweise auch als «nicht leistungsbezogene Nebenpflichten» oder<br />

«unselbständige Nebenpflichten» bezeichnet) sind von Nebenleistungspflichten (teilweise<br />

auch als «leistungsbezogene Nebenpflichten» oder «pr<strong>im</strong>äre» oder «selbstständige<br />

Nebenpflichten» bezeichnet) abzugrenzen. Der prinzipielle Unterschied zwischen<br />

Nebenpflichten <strong>und</strong> Nebenleistungspflichten liegt darin, dass die Ersteren <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zu den Letzteren nicht selbständig einklagbar sind. Wird eine Nebenleistungspflicht<br />

verletzt, kann der Gläubiger somit (auch) auf Erfüllung dieser Pflicht klagen.<br />

Wird eine Nebenpflicht verletzt (z.B. eine Schutzpflicht), steht die Erfüllungsklage<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zur Verfügung. Als Rechtsfolge entsteht ein Schadenersatzanspruch,<br />

sofern die weiteren Voraussetzungen dafür erfüllt sind; vgl. BSK OR I-<br />

Wiegand, Art. 97N32ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N2638 ff.; Koller, §2N76<br />

ff. sowie §58N2ff.; Schwenzer, N4.24 sowie N67.07 ff.<br />

Zu den Neben(leistungs)pflichten des Arbeitgebers gehören etwa die Fürsorgepflicht<br />

des Arbeitgebers zum Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach Art. 328<br />

ff. OR sowie die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer gemäss Art. 327a OR<br />

die notwendigerweise entstandenen Geschäftsauslagen zu ersetzen. Zu den Ne-<br />

113


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

114<br />

lichen Bedeutung indessen hinter der <strong>Lohn</strong>zahlung einzuordnen. Für die Umschreibung<br />

des Begriffs «<strong>Lohn</strong>» sind die Neben(leistungs)pflichten des Arbeitgebers<br />

damit ein kontrastierendes Gegenstück zum <strong>Lohn</strong> als Hauptleistung des<br />

Arbeitgebers <strong>im</strong>Arbeitsvertrag. Sie bleiben aber für die nähere inhaltliche Best<strong>im</strong>mung<br />

desBegriffs«<strong>Lohn</strong>» <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne unerheblich.<br />

249 Die mit dem <strong>Lohn</strong> aus tatsächlichem Blickwinkel wohl amnächsten verwandte<br />

–<strong>und</strong> deswegen vom <strong>Lohn</strong> klar zu trennende –Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers<br />

besteht darin, dem Arbeitnehmer gemäss Art. 327a Abs.1OR alle<br />

mit der Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen ersetzen zu<br />

müssen. Aus wirtschaftlicher Perspektive haben der <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> der Auslagenersatz<br />

gemeinsam, dass für den Arbeitgeber Kosten entstehen. Sobald diese Kosten<br />

für den Arbeitgeber entstanden <strong>und</strong> beglichen wurden, werden sie als sogenannt<br />

«versunkene Kosten» 427 für den rationalen Arbeitgeber irrelevant. Diese<br />

wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten zwischen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Auslagenersatz für den<br />

Arbeitgeber vermögen am gr<strong>und</strong>legenden rechtlichen Unterschied zwischen<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Auslagenersatz indes nichts zu ändern. 428 Der Ersatz von notwendigen<br />

Geschäftsauslagen ist nicht <strong>Lohn</strong>, weil damit nicht die Arbeitsleistung des<br />

Arbeitnehmers abgegolten wird. <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Auslagenersatz schliessen sich aus<br />

arbeitsrechtlicher Warte gegenseitig aus. Was <strong>Lohn</strong> ist, kann nicht gleichzeitig<br />

Auslagenersatzsein (<strong>und</strong> umgekehrt).<br />

250 Die rechtliche Beurteilung des <strong>im</strong> Prinzip klaren Unterschieds zwischen <strong>Lohn</strong><br />

<strong>und</strong> Auslagenersatz kann indes in einen Graubereich geraten. Ein Arbeitgeber<br />

könnte einem Arbeitnehmer –beispielsweise mittels einer festen Entschädigung<br />

als Auslagenersatz gemäss Art. 327a Abs.2OR oder einer <strong>im</strong> Voraus ausgerichteten<br />

Spesenpauschale nach Art. 327c Abs.2OR –einen Betrag zukommen<br />

lassen, von dem der Arbeitgeber <strong>im</strong> Voraus weiss oder mindestens vermuten<br />

könnte, dass dieser Betrag die effektiv notwendigen Auslagen übersteigt oder<br />

übersteigen könnte. Verzichtet der Arbeitgeber explizit oder <strong>im</strong>plizit auf die zulässige<br />

Anweisung, dass ein allenfalls verbleibender Betrag einer Spesenpauschale<br />

für künftige Auslagen verwendet oder der Überschuss dem Arbeitgeber<br />

427<br />

428<br />

ben(leistungs)pflichten des Arbeitnehmers gehören z.B. dessen Sorgfalts-, Treue- <strong>und</strong><br />

Rechenschafts- <strong>und</strong> Herausgabepflichten gemäss Art. 321a ff. OR. Vgl. auch BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N23f.; Vischer, S. 156ff. <strong>und</strong> S. 168 ff.<br />

Zum Begriff der «versunkenen Kosten» oder «sunk costs» vgl. statt mehrerer: Brühl,<br />

S. 166 f.; Pindyck/Rubinfeld, S. 303 f.<br />

Vgl. dazu z.B. Entscheid des B<strong>und</strong>egerichts vom 17. Februar 2010, 4A_631/2009,<br />

E. 2.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

erstattet werden muss, könnte dieser Überschuss als verdeckter oder verkappter<br />

<strong>Lohn</strong> betrachtet werden. 429<br />

251 Als verdeckter oder verkappter <strong>Lohn</strong> könnte ein verbleibender Überschuss aber<br />

nur unter zwei, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen betrachtet werden.<br />

Erstens wäre zuverlangen, dass die Vorgehensweise dem echten oder dem ihnen<br />

normativ zurechenbaren Willen beider Parteien entspricht, <strong>und</strong> zweitens der<br />

Zweck 430 dieser, über den Ersatz von notwendigen Auslagen hinausgehenden<br />

Zahlung(en) in der Entlöhnung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers besteht.<br />

431 Nur unter solchen Voraussetzungen könnte davon ausgegangen werden,<br />

dass dem Arbeitgeber zum einen kein Anspruch auf Rückerstattung der Differenz<br />

zwischen der ausgerichteten Summe <strong>und</strong> den effektiven Auslagen mehr<br />

zusteht, <strong>und</strong> essich zum anderen auch dem Zweck nach um <strong>Lohn</strong> handelt, nämlich<br />

um eineVergütung für dieArbeitsleistung desArbeitnehmers. 432<br />

2. Der<strong>Lohn</strong>als zum Zweck der Vergütungder Arbeitsleistung erbrachte<br />

Leistung desArbeitgebers<br />

252 Indem die Arbeitsleistung <strong>und</strong> der zuzahlende <strong>Lohn</strong> sich <strong>im</strong> Arbeitsvertrag synallagmatisch<br />

gegenüberstehen, kann inder Verbindung dieser beiden Hauptleistungspflichten<br />

die Gr<strong>und</strong>lage für eine finale Schlussfolgerung erblickt werden.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des arbeitsvertraglichen Synallagmas kann geschlossen<br />

werden, dass nur diejenigen Leistungen des Arbeitgebers als <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen<br />

Sinne betrachtet werden können, welche entweder ausschliesslich<br />

oder wenigstens ineinem überwiegenden Masse vom Gedanken <strong>und</strong> vom<br />

Zweck derVergütungder Arbeitsleistung desArbeitnehmers getragen sind.<br />

253 Demgegenüber können Leistungen des Arbeitgebers, welche zwar gestützt auf<br />

den Arbeitsvertrag oder <strong>im</strong> Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht werden<br />

oder erbracht werden müssen, aber aus anderem (Haupt-)Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit wenigstens<br />

teilweise anderem Zweck als der Abgeltung der Arbeitsleistung ge-<br />

429<br />

430<br />

431<br />

432<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 327b N5; CR CO I-Aubert, Art. 327a N5;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 327a N2<strong>und</strong> N3;Wyler, S.284; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 327a N17; anders:Brühwiler, Art. 327a N4.<br />

Vgl. dazu sogleich näher Rz. 252 ff.<br />

Vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 10. Juni 1993, SJ 117 (1995), S.781 ff.<br />

(E. a/b, 782 f.); Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 23. Dezember 1998,<br />

JAR1999 S. 137 f. (E. 3b, 138); Entscheid des Tribunal cantonal de l'État de Fribourg<br />

vom 24. Juni 1997, JAR 1998, S. 119 ff. (E. 2,119 f.); Entscheid des Tribunal Canto-<br />

nal du Valais vom 25. Januar 1995, JAR1996, S. 166 ff. (E. 8,167 ff.).<br />

Am Zweck der eigentlichen Vergütung der Arbeitsleistung dürfte es etwa dann fehlen,<br />

wenn der Arbeitgeber –sei es auch mehr oder weniger regelmässig –dem Arbeitnehmer<br />

mitteilt, er könne Wechselgeld ingeringer Höhe nach einer Besorgung für den<br />

Arbeitgeber behalten.<br />

115


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

116<br />

währt werden, nicht als <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen Sinne betrachtet werden.<br />

Ohne Bedeutung ist dabei, dass Leistungen des Arbeitgebers, deren Zweck<br />

nicht (oder nicht inüberwiegendem Mass) der Abgeltung der Arbeitsleistung<br />

dienen,teilweise dennoch sobehandelt werden,wie wenn sie<strong>Lohn</strong>wären.<br />

254 Als Beispiel für Leistungen, welche zwar <strong>im</strong>Rahmen eines Arbeitsverhältnisses,<br />

aber nicht –oder zumindest nicht unmittelbar <strong>und</strong> überwiegend –zum<br />

Zweck der Abgeltung der Arbeitsleistungen erbracht werden, kann auf Familienzulagen<br />

hingewiesen werden. 433 Gleiches gilt auch für Sozialleistungen bei<br />

Entlassungen aus betrieblichen Gründen oder Umstrukturierungen <strong>im</strong>Rahmen<br />

von sogenannten Sozialplänen. 434 Ausserhalb des für den <strong>Lohn</strong> gr<strong>und</strong>legenden<br />

Zwecks der Vergütung der Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers liegen<br />

auch die sogenannten Mitarbeitervergünstigungen, etwa für den Bezug von Waren<br />

oder Dienstleistungen des Arbeitgebers. Gleiches gilt für weitere, unentgeltlicheoder<br />

vergünstigte Leistungen des Arbeitgebers, die inkeinem unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers<br />

stehen <strong>und</strong> die bei Verfügbarkeit gr<strong>und</strong>sätzlich allen Arbeitnehmern zugänglich<br />

sind, sofern ein Arbeitnehmer diese Leistungen auch in Anspruch nehmen<br />

möchte. 435<br />

255 Obschon sich die individuelle Familienzulage inder Regel auf der <strong>Lohn</strong>abrechnung<br />

eines Arbeitnehmers 436 wiederfindet, handelt essich bei Familienzulagen<br />

nicht um<strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne. Abgesehen von der gesetzlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage ausserhalb des Arbeitsrechts, der anderen Art der Finanzierung, 437<br />

433<br />

434<br />

435<br />

436<br />

437<br />

Anders: Brühwiler, Art. 322 N1b/kk sowie ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N17, welche<br />

alle Sozialzulagen ohne Begründung zu <strong>Lohn</strong>bestandteilen erklären; nach Portmann/Stöckli,<br />

N291, dürften Sozialzulagen wohl ebenfalls als <strong>Lohn</strong>bestandteil zubetrachten<br />

sein; Duc/Subilia, Art. 322 N13, bezeichnen Familienzulagen als «anderes<br />

<strong>Lohn</strong>element», welches zum <strong>Lohn</strong> hinzukommt; Streiff/von Kaenel, Art.322 N9,bezeichnen<br />

Kinder- <strong>und</strong> Familienzulagen, obwohl sie meist, aber nicht nur auf öffent-<br />

lichem Recht basieren, «de facto als <strong>Lohn</strong>bestandteile».<br />

Zu Sozialplänen, welche <strong>im</strong>ORkeine Regelung erfahren haben <strong>und</strong> worauf hierin<br />

nicht weiter eingegangen wird, vgl. etwa: Martin Müller, Sozialpläne bei Umstrukturierungen,<br />

AJP 2009, S. 939–953; Christine Sattiva Spring, Quelle nature juridique<br />

pour le plan social?, in: Panorama dudroit du travail, Rémy Wyler (Hrsg.), Bern<br />

2009, S.247–274; Streiff/von Kaenel, Art. 335f N12ff.; Wyler,S.739 ff.<br />

Z.B. betriebseigene, vom Arbeitgeber subventionierte Personalrestaurants, unentgeltliche<br />

Nutzung von Sport- <strong>und</strong> Freizeitanlagen des Arbeitgebers, Ferienlager für Kinder<br />

von Arbeitnehmern oder vergünstigte Vermietung von betriebseigenen Ferienwohnungen<br />

etc.<br />

Nach Art. 15 Abs. 2FamZG werden Familienzulagen in der Regel durch den Arbeit-<br />

geber ausbezahlt.<br />

Gemäss Art. 16 Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 2FamZG wird die Finanzierung der Familienzulagen<br />

durch die Kantone geregelt, wobei die Beiträge inProzenten des AHV-pflichtigen<br />

Einkommens berechnet werden. Die meisten Kantone sehen vor, dass die Beiträge von


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

Verwaltung 438 <strong>und</strong> Best<strong>im</strong>mung der Höhe, 439 liegt die Begründung darin, dass<br />

der Zweck der Zahlung von Familienzulagen seine Gr<strong>und</strong>lage nicht <strong>im</strong>synallagmatischen<br />

Austauschverhältnis «Arbeit gegen <strong>Lohn</strong>» findet. Das Motiv zur<br />

Schaffung der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen auf Familienzulagen liegt in(berechtigten)<br />

rechtspolitischen Überlegungen. Der Zweck der Ausrichtung von Familienzulagen<br />

liegt inder Förderung von Familien durch eine finanzielle Beihilfe bzw.<br />

Entlastung.<br />

256 Nach Art. 13 Abs. 1FamZG entsteht <strong>und</strong> erlischt der Anspruch auf Familienzulagen<br />

der inder AHV obligatorisch versicherten Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer,<br />

die von einem dem FamZG unterstellten Arbeitgeber beschäftigt<br />

werden, mit dem <strong>Lohn</strong>anspruch. Damit wird zwar der Anspruch auf Familienzulagen<br />

in die Nähe des <strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne gerückt, weil der<br />

generell-abstrakte Anspruch auf Familienzulagen auf ein Arbeitsverhältnis Bezug<br />

n<strong>im</strong>mt, 440 in dessen Rahmen definitionsgemäss Arbeit gegen <strong>Lohn</strong> geleistet<br />

werden muss. Diese gesetzliche Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis bzw. den<br />

<strong>Lohn</strong>anspruch ist jedoch nichtausschlaggebend. AusarbeitsrechtlicherPerspektive<br />

ist vielmehr entscheidend, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Familienangehörige<br />

hat, welche den Anspruch auf Familienzulagen (mit-)begründen. 441<br />

Wird diese tatsächliche Voraussetzung berücksichtigt, zeigt sich, dass die Zah-<br />

438<br />

439<br />

440<br />

441<br />

Arbeitgebern sowie von Arbeitnehmern von nicht beitragspflichtigen Arbeitgebern<br />

(vgl. Art. 12 Abs. 2<strong>und</strong> 3AHVGsowie WBB, Rz. 1025 ff.) aufzubringen sind.<br />

Art. 14 FamZG bezeichnet die Familienausgleichskassen als Durchführungsorgane<br />

<strong>und</strong> legtinArt. 15 FamZG die wesentlichen Aufgaben fest.<br />

Mit Inkrafttreten des FamZG per 1. Januar 2009 wurde gesamtschweizerisch eine<br />

Mindesthöhe der Kinder- <strong>und</strong> Ausbildungszulagen von CHF 200.- bzw. CHF 250.eingeführt(Art.<br />

5Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 2FamZG).<br />

Allerdings haben gemäss Art. 19 FamZG unter gewissen Voraussetzungen auch in der<br />

AHV obligatorisch versicherte Personen, die bei der AHV als nichterwerbstätige Personen<br />

erfasst sind, Anspruch auf Familienzulagen.<br />

Vgl. Art. 4Abs. 1lit. a–d i.V.m. Art. 3Abs. 1FamZG, wonach Kinder, Stiefkinder,<br />

Pflegekinder sowie Geschwister <strong>und</strong> Enkelkinder der bezugsberechtigten Person Anknüpfungspunkt<br />

für den Anspruch auf Familienzulagen in Form von Kinder-, Ausbildungs-,<br />

Geburts- <strong>und</strong> Adoptionszulagen sind. Dem FamZG unterstehen dabei Arbeitgeber,<br />

welche gemäss Art. 12 AHVG beitragspflichtig sind, <strong>und</strong> Arbeitnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber gemäss Art. 6AHVG (Art. 11<br />

Abs. 1FamZG), wobei für die Beurteilung, ob eine Person als Arbeitnehmerin oder<br />

Arbeitnehmer gilt, auf die B<strong>und</strong>esgesetzgebung zur AHV abgestellt wird. Für die Familienzulagen<br />

in der Landwirtschaft vgl. das FLG, wo zusätzlich zum Anspruch auf<br />

Familienzulagen auch ein Anspruch auf eine Haushaltungszulage bestehen kann<br />

(Art. 2 <strong>und</strong> 4FLG). Der Anspruch auf Familienzulagen gemäss Art. 1a Abs. 1FLG<br />

steht denjenigen Personen zu, die ineinem landwirtschaftlichen Betrieb gegen Entgelt<br />

in unselbstständiger Stellung tätig sind. Anspruchsberechtigt sind, unter best<strong>im</strong>mten<br />

Voraussetzungen, auch die Familienangehörigen eines Betriebsleiters (Art. 1a<br />

Abs. 2FLG).<br />

117


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

118<br />

lung von Familienzulagen mit derArbeitsleistung einesArbeitnehmers <strong>und</strong> dem<br />

dafür zuzahlenden <strong>Lohn</strong> inkeinem direkten Zusammenhang steht. Denn es<br />

dürfte kaum vertreten werden können, der wirtschaftliche Wert der Arbeitsleistung<br />

442 eines Arbeitnehmers verändere sich in einem für den Arbeitgeber relevanten<br />

Ausmass in Abhängigkeit davon, ob der Arbeitnehmer über Familienangehörige<br />

<strong>im</strong>Sinne des Familienzulagengesetzes verfügt oder nicht. Das Arbeitsverhältnis<br />

ist somit zwar der vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfungspunkt<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig das Instrument, über welches die Zahlung von Familienzulagen<br />

abgewickelt wird. Mit dem in Art. 319 Abs.1OR statuierten Austausch<br />

von Arbeit gegen <strong>Lohn</strong> stehen Familienzulagen aber in keinem hinreichend engen<br />

Zusammenhang. Von <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen Sinne kann bei Familienzulagen<br />

nichtgesprochen werden.<br />

257 Vergünstigungen be<strong>im</strong> Bezug von Waren oder Dienstleistungen sowie anderer<br />

Leistungen des Arbeitgebers, welche von Arbeitnehmern bei Verfügbarkeit in<br />

Anspruch genommen werden können, werden regelmässig der gesamten Belegschaft<br />

eines Arbeitgebers oder eines best<strong>im</strong>mten Betriebes gewährt. Zuweilen<br />

finden sich –z.B. wenn best<strong>im</strong>mte Waren oder Dienstleistungen nach prioritärer<br />

Erfüllung aller K<strong>und</strong>enbedürfnisse mengenmässig nur noch beschränkt verfügbar<br />

sind –gewisse Differenzierungen nach Dienstalter oder der hierarchischen<br />

Stufe eines Arbeitnehmers <strong>im</strong> Unternehmen. Dass es sich bei solchen<br />

Leistungen des Arbeitgebers nicht um<strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne handeln<br />

kann, ergibt sich vorab einmal daraus, dass der Arbeitnehmer keiner<br />

Pflicht unterliegt, diese Vergünstigung inAnspruch zunehmen, selbst wenn der<br />

Arbeitgeber sich verpflichtet haben sollte, solche Vergünstigungen anzubieten.<br />

Wären die Mitarbeitervergünstigungen <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>schuldrechtlichen Sinne, müsste<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich seitens des Arbeitnehmers auch eine Annahmepflicht bestehen.<br />

443<br />

258 Abgesehen von etwaigen ökonomischen Überlegungen bei der Vergünstigung<br />

von eigenen Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen, welche Arbeitgeber auch ihren Arbeitnehmern<br />

anbieten, 444 werden solche Vergünstigungen vom Arbeitgeber regelmässig<br />

deshalb gewährt, weil sie einem guten Betriebskl<strong>im</strong>a förderlich sind.<br />

442<br />

443<br />

444<br />

Auch die Beiträge, welche die Arbeitgeber zur Finanzierung von Familienzulagen zu<br />

bezahlen haben, ändern sich nicht, da die Beiträge in der Regel auf der AHVpflichtigen<br />

<strong>Lohn</strong>summe erhoben werden. Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber einen<br />

Arbeitnehmer mit oder ohne Familienangehörige <strong>im</strong>Sinne des Familienzulagengesetzes<br />

einstellt, ist für den Arbeitgeber die Kostensituation bei der Finanzierung von Familienzulagen<br />

dieselbe. Ebenso wenig tritt für den Arbeitgeber bei Vaterschaft eines<br />

bestehen Arbeitnehmers eine Veränderung auf der Kostenseite ein.<br />

Vgl. auch unten Rz. 274 ff. In der Praxis ist dies jedoch nicht der Fall, weil sich damit<br />

auch arbeitsrechtliche Probleme auf der Ebene des <strong>Lohn</strong>schutzes ergeben würden.<br />

Angesprochen ist hier das sogenannte «Truckverbot», vgl. dazu unten Rz. 436 ff.<br />

Arbeitnehmer werden damit auch zu K<strong>und</strong>en des eigenen Arbeitgebers.


445<br />

446<br />

§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für die Gewährung von best<strong>im</strong>mten Vorteilen zugunsten<br />

der gesamten Belegschaft liegt somit auf einer höheren, gesamtbetrieblichen<br />

Ebene. Damit erscheint das Bestehen bzw. Vorliegen des (abstrakten) Arbeitsverhältnisses,<br />

welches für sich eine charakteristische Beziehungsnähe entstehen<br />

lässt, als wesentlicher Anknüpfungspunkt. Es ist diese, auf dem Arbeitsverhältnis<br />

445 beruhende Beziehungsnähe, welche gleichzeitig genügenden Anlass <strong>und</strong><br />

hinreichende Rechtfertigung darstellt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> allenfalls ihm nahestehenden Personen <strong>im</strong>Vergleich zuDritten einen Vorteil<br />

einräumt, sofern diese Personen die Vergünstigung in Anspruch nehmen<br />

wollen. Mit der eigentlichen Arbeitsleistung eines einzelnen Arbeitnehmers<br />

können die meist allen Arbeitnehmern unter gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen<br />

zugänglichen Vergünstigungen hingegen in keinen so engen Zusammenhang<br />

gebracht werden, dass sie als effektive Gegenleistung für die Arbeit<br />

des individuellen Arbeitnehmers gewertet werden könnten. Es handelt sich bei<br />

Mitarbeitervergünstigungen umfakultative, zusätzliche Leistungen, welche der<br />

in ihren Konturen unklaren (Auffang-)Kategorie der sogenannten «fringe benefits»<br />

zugeordnetwerden können. 446<br />

Bei BSK OR I-Portmann, Art. 322 N24, wird als Gr<strong>und</strong> für die Gewährung von Vergünstigungen<br />

be<strong>im</strong> Bezug von Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen des Arbeitgebers sowie<br />

der Möglichkeit eines Arbeitnehmers, weitere betriebliche Sozialeinrichtungen zu nutzen,<br />

die Betriebszugehörigkeit betrachtet. Diese Betriebszugehörigkeit eines Arbeit-<br />

nehmers basiert ihrerseits wiederum auf einem Arbeitsverhältnis.<br />

Der Ausdruck «fringe benefits» («fringe» wörtlich: «Fransen» oder «Rand[-zone]»)<br />

kann als Zusatz- oder Nebenleistung übersetzt werden. Roost, S.28, verwendet als<br />

Übersetzung für «fringe benefits» «Vergünstigungswesen» oder «freiwillige Sozialleistungen»,<br />

wobei Roost den freiwilligen Sozialleistungen den Charakter eines <strong>Lohn</strong>bestandteils<br />

zuschreibt, die einzig mit dem Ziel erfolgen, vom Arbeitnehmer nicht versteuert<br />

werden zu müssen <strong>und</strong> deswegen in die Form von Sachleistungen oder Nutzungsrechten<br />

gekleidet werden. Im Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. August<br />

2006, 4C.406/2005, E. 2.2.2, werden «fringe benefits» als Vergütungen <strong>und</strong> geldwerte<br />

Vorteile bezeichnet, welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer neben dem <strong>im</strong>Geld<br />

ausgerichteten <strong>Lohn</strong> in natura oder als Rückvergütung gewährt. Leciejewski/Dahlems,<br />

S. 9, verstehen unter «fringe benefits» demgegenüber alle Elemente der Gesamtvergütung,<br />

welche nicht zum Festgehalt gehören. Gemäss Black’s Law Dictionary, S. 151,<br />

Stichwort «fringe benefit», sind unter diesem Begriff (indirekte) Vorteile zu verstehen,<br />

die nicht <strong>Lohn</strong> oder eine direkte Vergütung darstellen. Als Beispiele werden Versicherungen,<br />

ein Geschäftswagen oder ein Betrag an die Kosten einer Weiterbildung genannt,<br />

welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährt.<br />

119


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

3. Der<strong>Lohn</strong>als Pflichtdes Arbeitgebers zu mindestens einer, unabdingbar<br />

geldwerten <strong>und</strong> unbedingten Leistung<br />

259 ImGegensatz zu anderen Verträgen, z.B. einem einfachen Auftrag 447 oder einem<br />

Darlehen, 448 kann es gemäss zwingender Legaldefinition des Arbeitsvertrags<br />

keinen unentgeltlichen Arbeitsvertrag geben. 449 Das Vorliegen eines Arbeitsvertrags<br />

hat damit die unumgängliche Folge, dass mindestens eine, definitiv<br />

geldwerte <strong>und</strong>, abgesehen vom Eintritt der Fälligkeit der <strong>Lohn</strong>forderung sowie<br />

von Sonderfällen, 450 unbedingte <strong>Lohn</strong>zahlung vom Arbeitgeber geleistet<br />

werden muss, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entweder erbracht<br />

hat oder die Arbeitsleistung gestützt auf eine gesetzliche Anordnung als erbrachtzugelten<br />

hat.<br />

260 Diese, für die Best<strong>im</strong>mung des Kerns des arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriffs erforderlichen<br />

Teilaspekte sollten jedoch nicht zuFehlschlüssen Anlass geben. Sie<br />

sind inder Praxis regelmässig von untergeordneter Bedeutung. Das Erfordernis<br />

von mindestens einer <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers, obschon eszum unabdingbaren<br />

Kerngehalt des arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriffs gehört, spielt in der<br />

Rechtswirklichkeit keine herausragende Rolle. Denn die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse<br />

sind wirkliche Dauerschuldverhältnisse, die sich über Monate, Jahre<br />

bis Jahrzehnte erstrecken, sodass regelmässig wiederkehrende <strong>Lohn</strong>zahlungen<br />

geleistet werden müssen. Die praktische, nicht aber die rechtliche Relevanz<br />

des zwingenden Erfordernisses von mindestens einer <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers<br />

wird somiterheblich relativiert.<br />

261 Der Teilaspektdes definitiven Geldwerts der(mindestenseinmaligen) <strong>Lohn</strong>zahlung(en)<br />

bedeutet, dass die <strong>Lohn</strong>zahlung nach der Verkehrsauffassung einen<br />

positiven, wirtschaftlich bestehenden <strong>und</strong> verwertbaren Geldwert aufweisen<br />

muss. Der <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen Sinne begriffsnotwendige Aspekt des Geldwerts<br />

von <strong>Lohn</strong> besagt aber nicht, wie hoch der inGeldeinheiten gemessene<br />

<strong>Lohn</strong> ausfällt. Ebenso wenig sagt das Erfordernis des Geldwerts von <strong>Lohn</strong> etwas<br />

darüber aus, mit welchen <strong>Lohn</strong>zahlungsmitteln die <strong>Lohn</strong>forderung getilgt<br />

447<br />

448<br />

449<br />

450<br />

120<br />

Vgl. Art. 394 Abs. 3OR, wonach <strong>im</strong>Rahmen eines einfachen Auftrags eine Vergütung<br />

(nur) zuleisten ist, wenn sie entweder verabredet oder üblich ist.<br />

Vgl. Art. 313 Abs. 1OR, wonach ein Darlehen <strong>im</strong>gewöhnlichen Verkehr nur dann<br />

verzinslich <strong>und</strong> damit entgeltlich ist, wenn Zins verabredetist.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. November 2004, 4P.194/2004, E. 2.3; BBl<br />

1967 II, S. 295 <strong>und</strong> S. 313; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N 12; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 319 N5; CR CO I-Aubert, Art. 319 N14; Duc/<br />

Subilia, Art.319 N10; Geiser, Treuepflicht, S. 10; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N2;<br />

Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. 319 N1.6; Vischer, S. 4f.; Wyler, S. 58; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 319 N23f.<br />

Z.B. eine vollständige Verrechnung der <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers wegen eines<br />

dem Arbeitgeber absichtlich zugefügten Schadens; vgl. Art. 323b Abs. 2OR.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

werden kann <strong>und</strong> darf. Worin der <strong>Lohn</strong> effektiv besteht, ist für den Aspekt des<br />

Geldwerts bzw. der Entgeltlichkeit somit sek<strong>und</strong>är. Entgeltlichkeit bedeutet<br />

ins<strong>besondere</strong> auch nicht, dass die <strong>Lohn</strong>forderung <strong>im</strong>mer ineiner Geldforderung<br />

bestehen <strong>und</strong> folglich mit Geld erfüllt werden muss. Geldwerter <strong>Lohn</strong> bedeutet<br />

bloss, dass der <strong>Lohn</strong> ineiner objektiv in Geld messbaren bzw. aufgr<strong>und</strong> objektiver<br />

Kriterien in Geld schätzbaren Leistung des Arbeitgebers bestehen muss.<br />

Unter Vorbehalt von Sonderfällen 451 folgt daraus umgekehrt für den Arbeitgeber,<br />

dass die <strong>Lohn</strong>zahlung in wirtschaftlicher Perspektive für den Arbeitgeber<br />

nicht «gratis» bzw. nicht kostenlos ist. Nicht als <strong>Lohn</strong>zahlung zubetrachten wäre<br />

etwa eine Konstellation, in welcher die Vergütung des Arbeitnehmers für die<br />

Arbeitsleistung ausschliesslich in der Übertragung eines Liebhaberobjekts zu<br />

Eigentum besteht. Das Liebhaberobjekt kann für den Arbeitnehmer wohl einen,<br />

in subjektiver Hinsicht allenfalls sogar sehr hohen Affektionswert aufweisen.<br />

Lässt sich nach objektiven Gesichtspunkten dem Liebhaberobjekt aber kein objektiv<br />

nachvollziehbarer Schätzwert in Geld zuordnen, wäre der Gegenstand des<br />

<strong>Lohn</strong>s für den Arbeitgeber <strong>im</strong> Ergebnis kostenlos. Esläge kein <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen<br />

Sinnevor.<br />

262 Das Element des definitiven Geldwerts von <strong>Lohn</strong> wird dahingehend relativiert,<br />

dass auch andere (Neben-)Leistungen des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers<br />

als die <strong>Lohn</strong>zahlung für den Arbeitgeber zum einen nicht kostenlos<br />

sein müssen, <strong>und</strong> zum anderen für den Arbeitnehmer trotz fehlendem Geldwert<br />

nicht wertlos sind. Immaterielle oder indirekt dem Arbeitnehmer zugutekommende<br />

Leistungen 452 können für einen Arbeitnehmer, ex ante oder ex post, in<br />

451<br />

452<br />

Ein Sonderfall könnte in der Ausrichtung von <strong>Lohn</strong>bestandteilen in Aktien oder Aktienoptionen<br />

gesehen werden. Wenn die Aktien mittels einer Kapitalerhöhung unter<br />

Ausschluss der bisherigen Aktionäre geschaffen wurden, wird der Preis der Aktien<br />

letztlich von den Aktionären bezahlt, indem der Wert ihrer Aktien verwässert wird.<br />

Wenn das arbeitgebende Unternehmen den Wert dieser Aktien oder Aktienoptionen<br />

nicht als Aufwand verbuchen muss, könnte gesagt werden, dass dieser <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

be<strong>im</strong>Arbeitgeber nur Transaktions- bzw. Administrationskosten verursacht.<br />

Was die Verbuchung von Aktien- <strong>und</strong> Aktienoptionen anbelangt, ist indessen darauf<br />

hinzuweisen, dass 2004 unter den internationalen Rechnungslegungsstandards<br />

IAS/IFRS (IFRS 2) <strong>und</strong> US GAAP (SFAS 123 (R)) Standards eingeführt wurden, wonach<br />

Aktien- <strong>und</strong> Aktienoptionspläne in der Rechnungslegung berücksichtigt werden<br />

müssen. In den Swiss GAAP FER finden sich –soweit ersichtlich –bislang keine expliziten<br />

Regelungen für die Rechnungslegung bezüglich Mitarbeiteraktien <strong>und</strong><br />

-optionen. Dieser Umstand dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Zielgruppe der<br />

Swiss GAAP FER auf KMU liegt, bei welchen Mitarbeiterbeteiligungspläne weniger<br />

häufig vorkommen als bei Grossunternehmen.<br />

Z.B. vom Arbeitgeber gezollte Anerkennung für die fachlichen, persönlichen <strong>und</strong> zwischenmenschlichen<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Eigenschaften des Arbeitnehmers oder Massnahmen<br />

des Arbeitgebers, welche dem Schutz der physischen <strong>und</strong> psychischen Integrität<br />

des Arbeitnehmers dienen.<br />

121


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

122<br />

subjektiver Hinsicht einen hohen, je nach Konstellation sogar höher eingeschätzten<br />

Wert als eine <strong>Lohn</strong>zahlung einnehmen.<br />

263 Ein weiterer, für den <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne wesentlicher Aspekt besteht<br />

darin, dass mindestens eine «unbedingte» <strong>Lohn</strong>zahlung geleistet werden<br />

muss. Dieses Erfordernis ist dahingehend zu verstehen, dass die <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht<br />

des Arbeitgebers nicht vollständig von solchen Voraussetzungen oder<br />

Bedingungen abhängig sein darf, dass dem <strong>Lohn</strong> ex ante kein sicher bestehender<br />

<strong>und</strong> dem Arbeitnehmer zugehender Geldwert oder –<strong>im</strong>Falle des Naturallohns<br />

–inGeld schätzbarer Sach-, Gebrauchs- oder Nutzwert zugeordnet werden<br />

kann, der dem Arbeitnehmer auch verbleibt. Wie hoch ein etwaiger Erwartungswert<br />

des dem Arbeitnehmer definitiv zugehenden <strong>Lohn</strong>s unter Berücksichtigung<br />

von etwaigen Bedingungen wäre, spielt gr<strong>und</strong>sätzlich keine Rolle. Solange<br />

die Möglichkeit besteht, dass für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers<br />

letztlich gar kein geldwerter <strong>Lohn</strong> entrichtet wird, wären die entsprechenden<br />

Voraussetzungen, Bedingungen oder Vereinbarungen als unzulässig zu betrachten.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage für dieses schuldrechtliche Element des arbeitsrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs ist wiederum die zwingende Entgeltlichkeit des Arbeitsvertrags.<br />

Eine weitere, damit verknüpfte Rechtsgr<strong>und</strong>lage liegt inder Unzulässigkeit der<br />

vollständigen Abwälzung des Risikos der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers<br />

aufden Arbeitnehmer. 453<br />

264 Umwelche Art von Voraussetzungen oder Bedingungen 454 es sich handelt, welche<br />

dazu führen, dass dem <strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers ex ante kein definitiv dem<br />

Arbeitnehmer zugehender <strong>und</strong> verbleibender Geld-, Sach-, Gebrauchs- oder<br />

Nutzwert zugeordnet werden kann, ist dabei unerheblich. Eskann sich umsuspensive<br />

oder resolutive Bedingungen 455 handeln, umBedingungen, welche vom<br />

453<br />

454<br />

455<br />

Vgl. Art. 324 OR, woraus dieses Prinzip abgeleitet wird, selbst wenn der Gesetzestext<br />

dies nicht direkt zum Ausdruck bringt; vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

16. März 2007, 4C.417/2006, E. 3.3; BGE 125 III 65 (E. 5,69); BGE 124 III 346<br />

(E. 2a, 348f.); Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 30. Mai<br />

1988, JAR 1989, S. 257 ff. (E. 5,260 f.) für einen Personalverleiher; BGE 114 II 274<br />

(E. 4/5, 276 ff.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 324 N38 ff.; BSK OR<br />

I-Portmann, Art. 324 N4;Brühwiler, Art. 324 N2;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 324 N3;Carruzzo, Art. 324 N1;CRCOI-Aubert, Art. 324 N1;Duc/Subilia,<br />

Art. 324 N3ff.; Dünner, S. 66 ff., S.120 sowie S. 166 f.; Geiser/Müller, N423; Geiser,<br />

Leistungslohn, Rz. 1.2; Schnüriger, S. 39 f. <strong>und</strong> S. 58; Senti, Abgrenzung, S. 671;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 324 N5;Vischer, S. 121 ff.; Wyler, S.199 ff.; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 324 N12ff.<br />

Vgl. Art. 151 ff. ORzuden allgemeinen gesetzlichen Regelungen von Bedingungen<br />

sowie zu den Bedingungen <strong>im</strong> Allgemeinen: BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157<br />

N1ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N3947 ff.; Koller §§ 77–79; Schwenzer,<br />

N11.01 ff.<br />

Vgl. BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157 N6;Gauch/Schluep/Emmenegger, N3958<br />

ff.; Koller, §77N11 ff.; Schwenzer,N11.05 f.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

Willen einer der Parteien des Arbeitsvertrags abhängen (Potestativbedingungen<br />

456 ), oder umBedingungen, deren Eintritt von Umständen abhängt, die von<br />

der einen oder anderen Partei des Arbeitsvertrags gar nicht oder nicht abschliessend<br />

kontrolliert werden können (kasuelle oder Zufallsbedingungen sowie gemischte<br />

Bedingungen). 457 Aufgr<strong>und</strong> dieses zwingenden Erfordernisses wäre es<br />

folglich unzulässig,eine reineLeistungs-oder Erfolgsvergütung zuvereinbaren,<br />

solange ex ante nicht definitiv feststeht, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber<br />

inder Tat einen positiven, geldwerten <strong>Lohn</strong> erhält, welcher zudem als angemessen<br />

zu bezeichnen ist. 458<br />

265 Selbst wenn es aus logischen <strong>und</strong> ökonomischen Gesichtspunkten als Systembruch<br />

betrachtet werden könnte, ist weiter zu präzisieren, dass nicht jede geldwerte<br />

Leistung des Arbeitgebers als <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> arbeitsrechtlichen Sinne gilt, obschon<br />

sie indas Arbeitsverhältnis eingebettet ist <strong>und</strong> von ihrem Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Zweck her zumindest auch als Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

betrachtet werden könnte. Angesprochen sind hier ins<strong>besondere</strong> Leistungen,<br />

welche unter denTitel der Gratifikation gemäss Art. 322d OR fallen, sowie<br />

andere, gratifikationsähnliche (Sonder-) Vergütungen, welche nach Rechtsprechung<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts zumindest auch von einem gewissen Ermessen des<br />

Arbeitgebersabhängig sind. 459<br />

456<br />

457<br />

458<br />

459<br />

Vgl. BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157 N8;Gauch/Schluep/Emmenegger, N3965 f.;<br />

Koller, §77N15 f.; Schwenzer, N11.05 f.<br />

Vgl. BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157 N8; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3967 ff.; Koller, §77N15 f.; Schwenzer, N11.07 f.<br />

Im Prinzip wohl anders: Entscheid der Chambre d'appel des prud'hommes de Genève<br />

vom 12. Oktober 1984, JAR 1985, S. 91 ff. (91 f.), wobei in diesem Fall der Arbeitnehmer<br />

eine Akontozahlung auf Kommissionen von monatlich CHF 4000.- beziehen<br />

konnte.<br />

Vgl. auch BGE 129 III 664 (E. 6.1, 670) für den Handelsreisenden; BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N5 sowie Art. 322b N2;BSK OR I-Portmann, Art.<br />

322a N5sowie Art. 322b N1; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322a N1sowie<br />

Art. 322b N3;Carruzzo, Art. 322a N1sowie Art. 322b N1;Geiser, Leistungslohn,<br />

Rz. 3.25 sowie Rz. 3.40; KUKO OR-Pietruszak, Art. 322a N4sowie Art. 322b N5;<br />

Senti, Abgrenzung, S. 675; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N2sowie Art. 322b N5;Vischer,<br />

S. 102 sowie S. 108; Wyler, S. 161; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N1sowie<br />

Art. 322b N1.Bei den angeführten Literaturmeinungen wird indessen (fast ausnahmslos)<br />

angefügt, dass <strong>im</strong>Ergebnis be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> in Form einer ausschliesslichen Beteiligung<br />

am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) oder einem reinen Provisionslohn ohne<br />

Fixum (Art. 322b OR) in (analoger) Anwendung von Art. 349a Abs. 2OReine angemessene<br />

Entschädigung resultieren muss. Dem Erfordernis, dass der Arbeitnehmer definitiv<br />

einen geldwerten <strong>Lohn</strong> erhält, wird –zumindest ex post –Genüge getan. Anders<br />

wohl nur noch Brand/Dürr et al., Art. 322a N8;Brühwiler, Art. 322a Ziff. II.<br />

Zur Gratifikation <strong>und</strong> weiteren Sondervergütungen vgl. unten Rz. 587 ff.<br />

123


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

4. Der<strong>Lohn</strong>als eine, aufein aktives Tun gerichtete Leistung desArbeitgebers<br />

266 Gestützt auf Art. 319 Abs.1OR, Art. 322 Abs.1OR sowie Art. 323b Abs. 1<br />

OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, <strong>Lohn</strong> zu «entrichten» bzw. den Geldlohn<br />

«auszurichten». Deutlicher als der Wortlaut des deutschen Gesetzestexts ist jeweils<br />

die französische <strong>und</strong> die italienische Fassung von Art. 319 Abs.1OR,<br />

Art. 322 Abs.1OR <strong>und</strong> Art. 323b Abs. 1OR. Eswird inder französischen <strong>und</strong><br />

italienischen Fassung dieser Best<strong>im</strong>mungen jeweils von «payer lesalaire» bzw.<br />

«pagare il salario» gesprochen.<br />

267 Diese gesetzlichen Formulierungen zeigen ein weiteres, gr<strong>und</strong>legendes <strong>und</strong> dem<br />

arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff <strong>im</strong>manentes Merkmal auf. Das Merkmal besteht<br />

darin, dass die Pflicht, dem Arbeitnehmer <strong>Lohn</strong> zuentrichten, <strong>im</strong>Gr<strong>und</strong>satz eine,<br />

ineinem aktiven Tun bestehende Leistungspflichtdes Arbeitgebers darstellt.<br />

Denn hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht oder liegt ein Fall<br />

vor, inwelchem <strong>Lohn</strong> trotz Fehlens einer unmittelbar zurechenbaren Arbeitsleistung<br />

geschuldet wird, ist der Arbeitgeber bei Eintritt der Fälligkeit der<br />

<strong>Lohn</strong>forderung verpflichtet, von sich aus tätig zu werden. Andernfalls könnte<br />

nicht von einem Entrichten, Ausrichten oder Zahlen gesprochen werden. Dass<br />

der Arbeitgeber dieser Pflicht unter Umständen nicht freiwillig nachkommt,<br />

vermag am Charakter der Rechtspflichtnichts zu ändern.<br />

268 Obwohl die gesetzlichen Regelungen zur <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht des Arbeitgebers<br />

einen Kernaspekt des <strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen Sinne aufzeigen, ergibt sich<br />

daraus nicht, dass der Arbeitgeber die <strong>Lohn</strong>zahlung <strong>im</strong>mer persönlich zu<br />

erbringen hat. Gemäss Art. 68 OR ist eine Leistung des Schuldners nur dann<br />

vom Schuldner persönlich zu erfüllen, wenn es auf die Persönlichkeit des<br />

Schuldners ankommt. Ins<strong>besondere</strong> be<strong>im</strong> Geldlohn ist eine persönliche Erfüllung<br />

nicht notwendig, 460 sodass etwa eine Stellvertretung zulässig ist. Aufgr<strong>und</strong><br />

der allgemeinen Regeln zur Stellvertretung 461 erfolgen Zahlungen durch einen<br />

ermächtigten Dritten mit Wirkungfür denvertretenen Arbeitgeber.<br />

269 Nach allgemeinen schuldrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen kann der Anspruch des Gläubigers<br />

in einem Tun, Dulden oder Unterlassen des Forderungsschuldners bestehen.<br />

462 Insofern stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber seiner <strong>im</strong> Arbeitsvertrag<br />

begriffswesentlichen <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht auch auf andere Weise als durch<br />

ein Leisten <strong>im</strong> Sinne eines auf Tilgung der <strong>Lohn</strong>forderung gerichteten, aktiven<br />

Tuns nachkommen kann.<br />

460<br />

461<br />

462<br />

124<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 14. April 2005, 4C.69/2005, E. 3; BE-Komm.-<br />

Weber, Art. 68 N35 <strong>und</strong> N40; BSK OR I-Leu, Art. 68 N4; Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N2042; Koller, §36N4; Schwenzer, N7.28.<br />

Art. 32 ff. OR.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N 35; teilweise anders <strong>und</strong> differenzierend: BSK OR I-<br />

Bucher, vorArt. 1–40 N31ff.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

270 Inder Lehre <strong>und</strong> der älteren Rechtsprechung finden sich Meinungsäusserungen,<br />

wonach der Arbeitgeber seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht auch dadurch nachkommen<br />

könne, indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Erwerbsmöglichkeit gewährt.<br />

463 Die Auffassung, die <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht des Arbeitgebers könne<br />

durch die Gewährung einer Erwerbsmöglichkeit erfüllt werden, welche esdem<br />

Arbeitnehmer allenfalls erlaubt, etwas zu verdienen –<strong>im</strong>Wesentlichen wohl<br />

durch Trink- oder Bedienungsgelder, 464 welche von K<strong>und</strong>en oder Gästen des<br />

Arbeitgebers freiwillig in Sinne von sogenannten «overtips» 465 geleistet werden–,überzeugt<br />

angesichts der klaren gesetzlichen Statuierung der <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht<br />

des Arbeitgebers nicht. Denn mit der Gewährung einer blossen<br />

Möglichkeit oder Chance auf einen Verdienst lässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer<br />

in direkter <strong>und</strong> aktiverWeise nichts zukommen. Beiblosser Gewährung<br />

einer Verdienstchance entrichtet oder bezahlt der Arbeitgeber für die Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers nichts. Vielmehr hat das Gewähren einer Erwerbsmöglichkeit<br />

den Charakter eines Duldens <strong>und</strong> Mitwirkens des Arbeitgebers,<br />

welches mit der Aussicht verb<strong>und</strong>en ist, dass Dritte dem Arbeitnehmer eine<br />

geldwerte Leistung zukommen lassen, ohne dass der Dritte gegenüber dem Arbeitnehmeroderdem<br />

Arbeitgeber dazu rechtlich verpflichtet wäre.<br />

271 Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber regelmässig<br />

<strong>und</strong> eventuell sogar kapitalintensive Vorarbeiten <strong>im</strong> Hinblick auf das Schaffen<br />

einer möglichst reellen Verdienstmöglichkeit für den Arbeitnehmer erbringen<br />

muss. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber während der Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

gehalten ist, mit dem Arbeitnehmer zusammenzuwirken. Solche Vorarbeiten,<br />

Investitionen <strong>und</strong>/oder Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers,<br />

welche notwendige Voraussetzung für das Gewähren einer echten Chance auf<br />

Verdienst bilden, sind weder ein gesetzeskonformes noch ein adäquates Surrogatfür<br />

dessen <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht.<br />

272 Die seitens des Arbeitgebers unter Umständen notwendigen Vorarbeiten, Investitionen<br />

<strong>und</strong>/oder Mitwirkungshandlungen sowie die sich daraus allenfalls erge-<br />

463<br />

464<br />

465<br />

BGE 41 II 105 (E. 2,110 f.); ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N15unter dem Titel<br />

«Trinkgeld»; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N23.<br />

Eine entsprechende Vertragsklausel könnte etwa folgendermassen lauten: «Der Arbeitgeber<br />

kommt seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht dadurch nach, dass dem Arbeitnehmer<br />

<strong>im</strong> Betrieb des Arbeitsgebers <strong>und</strong> unter unentgeltlicher Nutzung der vom Arbeitgeber<br />

bezahlten Infrastruktur <strong>und</strong> Betriebsmittel eineVerdienstmöglichkeit gegeben wird.»<br />

Gemäss Art. 9Abs. 3des am 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen Landes-Gesamtarbeitsvertrags<br />

des Gastgewerbes (Stand 1. Januar 2009) ist der Einbezug freiwilliger<br />

K<strong>und</strong>engelder (z.B. Trinkgelder) indas <strong>Lohn</strong>system des Arbeitgebers unzulässig (abrufbar<br />

unter: http://www.l-gav.ch/deutsch/L-GAV.pdf, besucht am 3. Juli 2011). Diese<br />

Best<strong>im</strong>mung wurde vom B<strong>und</strong>esrat allgemeinverbindlich erklärt, vgl. BBl 1998,<br />

S. 5535 f., sowie BBl 2008, S. 3094 ff.<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322 N2.<br />

125


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

126<br />

benden Verdienstmöglichkeiten für den Arbeitnehmer <strong>im</strong>Betrieb 466 oder ausserhalb<br />

des Betriebs mit Betriebsmitteln des Arbeitgebers 467 können ferner auch<br />

keine Form von Naturallohn darstellen. Die auf den Vorbereitungen des Arbeitgebers<br />

beruhende Verdienstchance kann keinen Naturallohn 468 darstellen, denn<br />

der Umstand, dass eine Leistung nicht inGeld, sondern in natura zu erfüllen ist,<br />

entbindet den Arbeitgeber nicht davon, aktiv eine geldwerte Leistung zu erbringen,<br />

welche dem Arbeitnehmer auch effektiv zukommt. Esist ein weiteres,<br />

nachfolgend erörtertes Kernelement des <strong>Lohn</strong>s, nämlich eine direkte <strong>und</strong> exklusive<br />

Vermögensverschiebung vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer, nicht erfüllt.<br />

469<br />

5. Der<strong>Lohn</strong>als vomArbeitgeber mitTilgungswille zu erbringende, mit<br />

Annahmepflichtdes Arbeitnehmers ausgestattete Leistung<br />

273 Selbst wenn es der Gesetzestext von Art. 319 Abs.1OR sowie Art. 322<br />

Abs.1OR nicht anspricht, muss der Arbeitgeber seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht<br />

mit dem richtigen Rechtsbewusstsein, dem Erfüllungs- oder Tilgungswillen,<br />

nachkommen. 470 Der Ausdruck «Erfüllungs- oder Tilgungswille» zeigt dabei<br />

auf, dass das erforderliche Bewusstsein seitens des Arbeitgebers beschränkt ist.<br />

Der Arbeitgeber muss zwar die <strong>Lohn</strong>forderungen tilgen wollen, weil erdies tun<br />

muss, um seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht nachzukommen. Erforderlich ist aber<br />

nicht, dass der Arbeitgeber dies in einem wohlwollenden Sinne tut. Das Vorliegen<br />

des entsprechenden Erfüllungswillens des Arbeitgebers lässt sich dabei als<br />

Begleiterscheinung aus der <strong>Lohn</strong>abrechnung ableiten, welche der Arbeitgeber<br />

demArbeitnehmerauszustellen hat. 471<br />

274 Der für die abhängige Arbeit bezahlte <strong>Lohn</strong> dürfte für die weit überwiegende<br />

Mehrzahl der erwerbstätigen Bevölkerung die wichtigste, wenn nicht gar die<br />

einzige, regelmässige Einkommensquelle sein. Weil der <strong>Lohn</strong> wohl der gewichtigste,<br />

wenn auch nicht der einzige Motivator für das Leisten von abhängiger<br />

Arbeit ist, mag die Aussage beinahe überflüssig erscheinen, dass dem Arbeitnehmer<br />

<strong>im</strong> Arbeitsrecht nicht nur ein Recht auf <strong>Lohn</strong> zukommt, sondern ihm<br />

auch die Pflicht auferlegt wird, die korrekt angebotene <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers<br />

anzunehmen. Aus juristischer Sicht hat die Annahmepflicht des Arbeitnehmers<br />

für den Arbeitgeber indes eine nicht zuunterschätzende Funktion.<br />

466<br />

467<br />

468<br />

469<br />

470<br />

471<br />

Z.B. in einem Restaurant.<br />

Z.B. durch das vorübergehende Überlassen eines durch den Arbeitgeber konzessionierten<br />

Taxis.<br />

Vgl. zumNaturallohn auch unten Rz. 399 ff.<br />

Vgl. unten Rz. 275 ff.<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2018; anders: BE-Komm.-Weber, Einleitung <strong>und</strong><br />

Vorbemerkungen zu Art. 68–96 N77m.w.H.; differenzierend: Koller, §35N11 ff.<br />

Vgl. Art. 323b Abs. 1OR.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

Denn die <strong>Lohn</strong>zahlung ist für den Arbeitgeber die einzige ordentliche Möglichkeit,<br />

die <strong>Lohn</strong>forderung endgültig <strong>und</strong> mit befreiender Wirkung zu erfüllen. Ein<br />

Arbeitgeber hat daher ein schützenswertes Interesse daran, dass der Arbeitnehmer<br />

die <strong>Lohn</strong>zahlung auch ann<strong>im</strong>mt, wenn der Arbeitgeber die <strong>Lohn</strong>zahlung in<br />

örtlicher, zeitlicher <strong>und</strong> sachlicher Hinsicht korrekt anbietet <strong>und</strong> erbringen will.<br />

Sollte der Arbeitnehmer die Annahme einer korrekt angebotenen <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

des Arbeitgebers verweigern oder auf andere Weise verunmöglichen, bleibt<br />

dem Arbeitgeber –der seine <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht erfüllen will, diese aber trotz<br />

zumutbaren Anstrengungen <strong>und</strong> Nachforschungen nicht sicher erfüllen kann, 472<br />

ohne sich einem Doppelzahlungsrisiko auszusetzen –schliesslich wohl nur die<br />

Möglichkeit dergerichtlichen Hinterlegung gemäss Art. 91 ff. OR.<br />

6. Der<strong>Lohn</strong>als unmittelbar dieAktiven desArbeitnehmers vermehrende,<br />

exklusive<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich freiverfügbare Leistung desArbeitgebers<br />

275 Ähnlich wie bei der <strong>Lohn</strong>annahmepflicht des Arbeitnehmers könnte eswiederum<br />

als Feststellung einer eigentlich offenk<strong>und</strong>igen Tatsache angesehen werden,<br />

dass die <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers gr<strong>und</strong>sätzlich zu einer unmittelbaren,<br />

exklusiven <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich frei verfügbaren Vermehrung des Vermögens des<br />

Arbeitnehmers führen muss.<br />

276 InAnlehnung andie Differenztheorie für die Ermittlung eines Vermögensschadens<br />

473 kann eine Vermehrung des Vermögens einer Person zwei Formen annehmen.<br />

Geht man vom Gesamtvermögen als einer neutralen Bezeichnung aus,<br />

die sowohl ein positives oder ein negatives Gesamtvermögen bezeichnen kann<br />

<strong>und</strong> sich unabhängig vom Vorzeichen des Gesamtvermögens aus einzelnen positiven<br />

<strong>und</strong> negativen Posten zusammensetzt, kann eine Vermehrung des Gesamtvermögens<br />

sowohl ineiner Erhöhung der Aktiven als auch in einer Verminderung<br />

der Passiven bestehen. Ein Sonderfall liegt <strong>im</strong>entgangenen Gewinn<br />

durch ein Drittgeschäft (bzw. ineiner Nichtvermehrung der Aktiven oder einer<br />

Nichtverminderung der Passiven), dajeweils zubeurteilen ist, ob dieser Gewinn<br />

(bzw. das Vermeiden eines Verlusts) mit hinreichender Sicherheit hätte<br />

realisiert werden können <strong>und</strong> auch realisiert worden wäre. Ansonsten läge wohl<br />

ein Verlust einer blossen Chance auf Gewinn oder auf das Vermeiden von Verlust<br />

vor. 474 Für den arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff erscheint diese Gesamtbe-<br />

472<br />

473<br />

474<br />

Z.B. weil der Arbeitnehmer ohne Angabe einer neuen Bankverbindung das Konto aufgelöst<br />

hat, auf welches die <strong>Lohn</strong>zahlung bis anhin erfolgte, <strong>und</strong> nach unbekannt verzogen<br />

ist.<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2848 ff.; Koller, §46 N57 ff.; Schwenzer,<br />

N14.03 ff.<br />

Nach Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts –vgl. z.B. BGE 132 III 359 (E. 4,366);<br />

BGE 129 III 331 (E. 2.1, 332); BGE 90 II 417 (E. 3,424) –besteht ein Schaden <strong>im</strong><br />

Rechtssinne ineiner ungewollten bzw. unfreiwilligen Vermögensverminderung, die in<br />

127


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

128<br />

trachtung entbehrlich <strong>und</strong> auch ungeeignet; denn unter Vorbehalt von <strong>besondere</strong>n<br />

Konstellationen 475 muss der <strong>Lohn</strong> nach der gesetzlichen Konzeption ineiner<br />

geldwerten Leistung bestehen, welche das Vermögen des Arbeitnehmers –<strong>im</strong><br />

Sinne einer Vermehrung der Aktiven –erhöht. Obdamit aus Perspektive des<br />

Gesamtvermögens des Arbeitnehmers per Saldo eine Verminderung der Passiven<br />

oder aber eine Erhöhung der Aktiven resultiert, ist für den <strong>Lohn</strong>begriff ohne<br />

Belang.<br />

277 Die <strong>Lohn</strong>zahlung als Vermögensverschiebung vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer<br />

muss gr<strong>und</strong>sätzlich auch exklusiv sein. Der <strong>Lohn</strong> muss dem Arbeitnehmer<br />

in einer Weise zugehen, dass er den <strong>Lohn</strong> nicht mit Dritten zuteilen<br />

hat. Diese Exklusivität des <strong>Lohn</strong>s ist an sich keine Besonderheit des Arbeitsvertrags,<br />

sondern ist jeder vertraglichen Vereinbarung eigen, anwelcher in der Regel<br />

nur zwei Parteien beteiligt sind. Leistet der Schuldner nicht anden Gläubiger,<br />

liegt keine korrekte Erfüllung vor. 476 Im Vergleich zu anderen Verträgen<br />

erscheint das Element der Exklusivität <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis aber insofern von<br />

<strong>besondere</strong>r Relevanz, als dass damit nicht nur Umgehungsgeschäfte 477 verhindert<br />

werden, sondern auch die Gr<strong>und</strong>lage fürdie <strong>Lohn</strong>sicherung gelegt wird,die<br />

in verschiedenen Best<strong>im</strong>mungen des OR konkretisiert wird. 478 Folglich trägt das<br />

Gesetz damit dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitserwerb für die überwiegende<br />

Mehrzahl der Arbeitnehmer für die Bestreitung des laufenden Lebensunterhalts<br />

notwendig ist.<br />

278 Für den arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff ist der Umstand der unmittelbaren <strong>und</strong><br />

exklusiven Vermehrung der Aktiven des Arbeitnehmers aufgr<strong>und</strong> der <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

ferner auch deshalb wesentlich, weil sich daran die Bedeutung der freien<br />

Verfügbarkeit des <strong>Lohn</strong>s für den Arbeitnehmer erkennen lässt. Eine unmittelbare<br />

<strong>und</strong> exklusive, aber für den Arbeitnehmer nicht frei verwendbare Leistung<br />

des Arbeitgebers würde z.B. dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer<br />

bei einem Dritten eine private Versicherungspolice abschliesst <strong>und</strong><br />

für den Arbeitnehmer die Prämien bezahlt. Der Arbeitnehmer erwirbt dadurch<br />

475<br />

476<br />

477<br />

478<br />

einer Vermehrung der Passiven, einer Verminderung der Aktiven oder in entgangenem<br />

Gewinn bestehen kann. Ob der Verlust einer Chance («la perte d’une chance») als ersatzfähiger<br />

Schadensposten inBetracht gezogen werden kann, soll <strong>und</strong> darf, erscheint<br />

umstritten; vgl. BGE 133 III 462 (E.4,467 ff., m.w.H.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom26. September 2007, 4A_227/2007, E. 3.5.<br />

Vgl. etwa Art. 323b Abs. 2OR.<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2033 <strong>und</strong> N2072; Koller, §35N2<strong>und</strong> N7;Schwen-<br />

zer, N73.01 f.<br />

Vgl. das Beispiel bei Schwenzer, N30.12, wonach be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag ein Umgehungsgeschäft<br />

vorliegt, wenn der Arbeitnehmer <strong>und</strong> der Arbeitgeber vereinbaren, der<br />

<strong>Lohn</strong>anspruch stehe der Frau des Arbeitnehmers zu, um sich vor einer <strong>Lohn</strong>pfändung<br />

durch Gläubiger des Arbeitnehmers zu schützen.<br />

Vgl. Art. 323–323b OR <strong>und</strong> Art. 325 OR sowie unten Rz. 426 ff.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

einen Versicherungsschutz <strong>und</strong> bei Eintritt des Schadensfalls (in der Regel) einen<br />

unmittelbaren <strong>und</strong> exklusiven Anspruch gegenüber der Versicherung. Obwohl<br />

der Versicherungsschutz vor Eintritt des Schadenfalls einen materiellen<br />

Wert in Höhe der bezahlten Prämie hat <strong>und</strong> die Leistung des Arbeitgebers aufgr<strong>und</strong><br />

des direkten Forderungsrechts des Arbeitnehmers <strong>im</strong> Schadenfall gegenüber<br />

der Versicherung auch als unmittelbare <strong>und</strong> exklusive Leistung bezeichnet<br />

werden kann, kann der Arbeitnehmer über den Wert der Versicherungspolice<br />

anderweitig nichtverfügen.<br />

279 Solche Leistungen des Arbeitgebers, welche (bedingte) Ansprüche des Arbeitnehmers<br />

gegenüber Dritten begründen, sind als <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Arbeitsvertrag weder<br />

ausgeschlossen noch unzulässig. Sie entziehen sich aber dem Kerngehalt des<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs. Denn es darf nicht übersehen werden, dass eine solche Ausrichtung<br />

von <strong>Lohn</strong> mit dem vom Arbeitnehmer regelmässig verfolgten Zweck kollidiert,<br />

mit dem <strong>Lohn</strong> seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ein Arbeitnehmer<br />

dürfte daher eine solche, indirekte <strong>Lohn</strong>zahlung nur dann für sinnvoll<br />

halten <strong>und</strong> dieser zust<strong>im</strong>men, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitnehmer<br />

muss entweder über weiteren, ausreichenden <strong>und</strong> frei verwendbaren<br />

(Geld-)<strong>Lohn</strong> verfügen oder aber seine regelmässig nur mit Geld begleichbaren<br />

Verpflichtungen –seien dies z.B. direkte Lebenshaltungskosten oder andere<br />

Ausgaben –mit anderweitig verfügbaren Mitteln decken können. Zudem muss<br />

die mittelbare Leistung des Arbeitgebers auch den Bedürfnissen des Arbeitnehmers<br />

entsprechen,die sich je nach Lebenslagewandeln können.<br />

B. DieSynthesedes <strong>Lohn</strong>begriffs <strong>und</strong> dessen Relativierung<br />

280 Gestützt auf die obigen Ausführungen kann der Kern des arbeitsrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs wiefolgt zusammengefasst werden:<br />

Der <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>Arbeitsverhältnis ist die vom Arbeitgeber zwingend zugunsten des<br />

Arbeitnehmers zu erbringende Hauptleistung, welche vom Gedanken <strong>und</strong> dem<br />

Zweck der Vergütung oder Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers<br />

zugunsten des Arbeitgebers getragen sein muss. Unabhängig von der Dauer <strong>und</strong><br />

der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsverhältnisses <strong>und</strong> unter der Voraussetzung,<br />

dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich in Vollzug gesetzt<br />

wurde, verlangt das Gesetz zwingend, dass in jedem Arbeitsverhältnis mindestens<br />

eine, unabdingbar geldwerte <strong>und</strong> unbedingte <strong>Lohn</strong>forderung entsteht. Unter<br />

dem Vorbehalt von Sonderfällen ist der <strong>Lohn</strong> vom Arbeitgeber dabei mit dem<br />

Willen auszurichten, die <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers erfüllen zu wollen.<br />

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den örtlich, zeitlich <strong>und</strong> sachlich vom Arbeitgeber<br />

korrekt angebotenen <strong>Lohn</strong> anzunehmen. Der <strong>Lohn</strong> bzw. die <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

besteht darüber hinaus gr<strong>und</strong>sätzlich in einem aktiven Tun des Arbeitgebers<br />

odereinem demArbeitgeber zurechenbaren,aktiven Tun eines Dritten.<br />

129


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

281 Über diesen Kern des <strong>Lohn</strong>begriffs hinaus zeichnet sich der <strong>Lohn</strong> regelmässig,<br />

aber nicht zwingend durch folgende Elemente aus, die einem erweiterten <strong>Lohn</strong>begriff<br />

zugeordnet werden können:<br />

130<br />

Prinzipiell muss der <strong>Lohn</strong> bzw. die <strong>Lohn</strong>zahlung unmittelbar zu einer Erhöhung<br />

der Aktiven des Arbeitnehmers führen, welche dem Arbeitnehmer inder Regel<br />

exklusiv zustehen <strong>und</strong> über die der Arbeitnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich frei soll verfügenkönnen.<br />

282 Die Trennung zwischen den Kernelementen des <strong>Lohn</strong>begriffs <strong>und</strong> denjenigen<br />

Elementen, welche einem erweiterten <strong>Lohn</strong>begriff zugeordnet wurden, beruht<br />

auf der Möglichkeit, dass <strong>im</strong>Rahmen eines sich <strong>im</strong> Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnisses<br />

zusätzliche, <strong>besondere</strong> Umstände vorliegen können, welche<br />

den <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die <strong>Lohn</strong>zahlung massgeblich beeinflussen können. Diese, den<br />

<strong>Lohn</strong> bzw. die <strong>Lohn</strong>zahlung beeinflussenden Umstände können sich aus unterschiedlichen<br />

Gründen ergeben, die ihren Ursprung <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis haben<br />

können, aber nicht zwangsläufig haben müssen. Diese Umstände sind jedoch<br />

<strong>im</strong>mer dergestalt, dass sie den eigentlichen Kern des <strong>Lohn</strong>begriffs nicht tangieren,<br />

aber die Elemente des erweiterten <strong>Lohn</strong>begriffs relativieren können. Es<br />

rechtfertigt sich daher, von relativierenden Einflussfaktoren auf den <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong><br />

die<strong>Lohn</strong>zahlungspflichtdes Arbeitgebers zu sprechen.<br />

283 Solche zusätzlichen, <strong>besondere</strong>n Umstände, welche geeignet sind, den <strong>Lohn</strong><br />

<strong>und</strong> die <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht zubeeinflussen, könnten darin bestehen, dass zwischen<br />

dem Arbeitnehmer <strong>und</strong> dem Arbeitgeber weitere, vom Arbeitsvertrag zu<br />

unterscheidende, aber auf das Arbeitsverhältnis einwirkende Rechtsbeziehungen<br />

existieren. Zum Beispiel könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor<br />

oder nach Antritt der Arbeitsstelle ein Darlehen gewährt haben. Zudem könnten<br />

die Parteien übereingekommen sein, dass der Arbeitnehmer das Darlehen durch<br />

Arbeit tilgt. Aufgr<strong>und</strong> einer solchen Vereinbarung kann <strong>und</strong> darf der Arbeitgeber<br />

die <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers mit der Gegenforderung verrechnen,<br />

sofern gestützt auf Art.323b Abs. 2OR 479 der Umfang der Verrechnung die<br />

gemäss Art. 93 SchKG pfändbare <strong>Lohn</strong>quote respektiert. Ebenfalls möglich ist,<br />

dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch ein absichtliches Fehlverhalten<br />

einen finanziellen Schaden zufügt. Gemäss Art. 323b Abs.2OR darf der Arbeitgeber<br />

unter solchen Voraussetzungen seine Schadenersatzforderung vollumfänglich<br />

mit dem <strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers verrechnen. Diese beiden Beispiele<br />

zeigen, dass der Begriff des <strong>Lohn</strong>s insofern relativiert wird, als dass der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer <strong>im</strong> Ergebnis keine oder nur noch eine beschränkte, effektive<strong>Lohn</strong>zahlung<br />

erbringen muss.<br />

479<br />

Zur Verrechnung <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis vgl. auch unten Rz. 429 ff.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

VII. DieErfassung des «<strong>Lohn</strong>s» als Einkommeninanderen Rechtsgebieten<br />

284 Arbeitnehmern in der Schweiz wird bei Erhalt der <strong>Lohn</strong>abrechnung bewusst,<br />

dass der <strong>Lohn</strong>, der für die Arbeitsleistung gestützt auf den Arbeitsvertrag geschuldetist,<br />

nichtgleich hoch ist, wieder Betrag,welcher tatsächlich ausbezahlt<br />

wird. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die vom Arbeitnehmer zubezahlenden<br />

Sozialversicherungsbeiträge vom arbeitsvertraglich geschuldeten <strong>Lohn</strong> abzuziehen.<br />

Zusammen mit dem vom Arbeitgeber in der Regel paritätisch zu tragenden<br />

Anteil sind die Sozialversicherungsbeiträge den Sozialversicherungsträgern<br />

abzuliefern. 480<br />

285 Ebenso ist den inder Schweiz steuerpflichtigen Personen bekannt, dass der<br />

<strong>Lohn</strong> als Einkommen bzw. als Einkünfte aus dem (privat- oder öffentlichrechtlichen)<br />

Arbeitsverhältnis zu versteuern ist. 481 Der Arbeitgeber ist gestützt<br />

aufdie Vorschriften desSteuerrechtsweiter verpflichtet, demArbeitnehmerden<br />

sogenannten <strong>Lohn</strong>ausweis («certificat de salaire»; «certificato di salario») auszustellen,<br />

482 welcher eine wesentliche Basis für die Ermittlung des steuerbaren<br />

Einkommens darstellt.<br />

286 Umden arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff plastischer hervortreten zu lassen, soll<br />

dem arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff der sozialversicherungsrechtliche <strong>und</strong> der<br />

steuerrechtliche <strong>Lohn</strong>- bzw. Einkommensbegriff gegenübergestellt werden.<br />

Vorauszuschicken ist dabei, dass das Sozialversicherungsrecht <strong>und</strong> das Steuerrecht<br />

dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Anders als <strong>im</strong> Privatrecht, wo<br />

zwei private Wirtschaftsakteure <strong>im</strong> Rahmen der Privatautonomie frei darüber<br />

entscheiden können, ob <strong>und</strong> welche rechtlichen Verbindungen sie eingehen<br />

wollen, stehen dem Arbeitnehmer <strong>und</strong> dem Arbeitgeber, die in der Regel private<br />

Wirtschaftssubjekte sind, <strong>im</strong> Sozialversicherungs- <strong>und</strong> Steuerrecht staatliche<br />

Institutionen gegenüber.<br />

480<br />

481<br />

482<br />

Siehe z.B. Art. 14 Abs. 1AHVG; Art. 3Abs. 1<strong>und</strong> 2IVG; Art. 27Abs. 1<strong>und</strong> 2EOG;<br />

Art. 5Abs. 1AVIG.<br />

Siehe Art. 17 Abs. 1DBG sowie aus der kantonalen Gesetzgebung stattmehrerer: §17<br />

Abs. 1StG ZH sowie Art. 30 Abs. 1StG SG, sofern nicht eine Quellenbesteuerung erfolgt,<br />

vgl. Art. 83 ff. DBGsowie Art. 87 ff. StG ZH.<br />

Vgl. Art. 127 Abs. 1lit. aDBG sowie aus der kantonalen Gesetzgebung statt mehrerer:<br />

§136 Abs. 1lit. aStG ZH sowie Art. 172 Abs. 1lit. aStG SG. Per 1.Januar 2007,<br />

in einigen Kantonen erst per 1. Januar 2008, wurde zudem ein neu gestalteter <strong>Lohn</strong>ausweis<br />

eingeführt. Vgl. dazu die Webseiten der Schweizerischen Steuerkonferenz<br />

(http://www.steuerkonferenz.ch/d/lohnausweis.htm) sowie der ESTV (http://www.<br />

estv.admin.ch/b<strong>und</strong>essteuer/dienstleistungen/00666/00852/index.html?lang=de), jeweils<br />

besucht am 3. Juli 2011.<br />

131


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

A. Dersozialversicherungsrechtliche Begriff desmassgebenden <strong>Lohn</strong>s<br />

287 Als Gr<strong>und</strong>pfeiler für die Bemessung der Beiträge für mehrere Zweige des Sozialversicherungsrechts<br />

kann der massgebende <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Sinne der AHV-<br />

Gesetzgebung betrachtet werden. 483 Gemäss Art. 5Abs.2AHVG gilt als massgebender<br />

<strong>Lohn</strong>, der die Gr<strong>und</strong>lage für die Berechnung der Beiträge an die AHV<br />

gemäss Art. 5Abs.1AHVG darstellt, jedes Entgelt für inunselbstständiger<br />

Stellung auf best<strong>im</strong>mte oder unbest<strong>im</strong>mte Zeit geleistete Arbeit. Mit anderen<br />

Worten kann gesagt werden, dass alle Bezüge eines Arbeitnehmers, die aus einer<br />

wirtschaftlichen Betrachtungsweise mit dem Arbeitsverhältnis verb<strong>und</strong>en<br />

sind, als massgeblicher <strong>Lohn</strong> zu bezeichnen sind. 484 Nicht nur eine unmittelbare<br />

Vergütung für geleistete Arbeit, sondern auch andere Leistungen <strong>und</strong> Zuwendungen,<br />

die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen, gehören dazu, solange sie<br />

aufgr<strong>und</strong> gesetzlicher Vorschrift nicht explizit ausgenommen sind. 485 In Art. 5<br />

Abs.2AHVG wird so festgehalten, dass der massgebende <strong>Lohn</strong> auch Teuerungs-<br />

<strong>und</strong> andere <strong>Lohn</strong>zulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen,<br />

Ferien- <strong>und</strong> Feiertagsentschädigungen <strong>und</strong> ähnliche Bezüge sowie Trinkgelder<br />

umfasst, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes<br />

darstellen. Konkretisiert wird Art. 5Abs. 2AHVG in Art. 7ff. AHVV, worin<br />

sich detaillierte Vorschriften für die Ermittlung des massgebenden <strong>Lohn</strong>s<br />

finden. 486<br />

288 Ins<strong>besondere</strong> aufgr<strong>und</strong> der Vorschriften in Art. 7ff. AHVV wird ersichtlich,<br />

dass der massgebende <strong>Lohn</strong> gemäss der AHV-Gesetzgebung teilweise weiter<br />

gefasst ist als der arbeitsrechtliche <strong>Lohn</strong>begriff. Deutlich wird dies beispielsweise<br />

gestützt auf Art. 5Abs.2AHVG, worin eine Gratifikation zum Bestandteil<br />

des massgeblichen <strong>Lohn</strong>s erklärt wird. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive ist<br />

eine Gratifikation indessen (gr<strong>und</strong>sätzlich) nicht zum <strong>Lohn</strong> zu zählen. 487 Andererseits<br />

gibt es auch Parallelen zwischen dem sozialversicherungsrechtlichen<br />

<strong>und</strong> dem arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff. Sosind etwa Leistungen aus einem<br />

483<br />

484<br />

485<br />

486<br />

487<br />

132<br />

Der massgebende <strong>Lohn</strong> gemäss Art. 5AHVG ist ins<strong>besondere</strong> für die AHV, die IV,<br />

die EO, die ALV sowie <strong>im</strong> FLG von Bedeutung; vgl. Art. 3Abs. 1IVG, Art. 27 Abs.<br />

2EOG, Art. 3<strong>und</strong> Art. 23 AVIG, Art.18Abs. 1FLG. Aber auch <strong>im</strong> obligatorischen<br />

Bereich des BVG, vgl. Art. 7<strong>und</strong> Art. 8BVG, sowie <strong>im</strong>UVG, vgl. Art. 22 Abs. 2<strong>und</strong><br />

Art. 115 UVV, ist der massgebliche <strong>Lohn</strong> gemäss AHVGvon Relevanz.<br />

Kieser, Kap. 5N18 mit Hinweis auf BGE 124 V100 (E.2,101 f.); Locher, §62<br />

N10; Maurer/Scartazzini/Hürzeler, §11N1412; vgl. auch WML, Rz. 1001 f.<br />

BGE 131 V444 (E. 1.1; 446 f.).<br />

Vgl. dazu auch WML, Rz. 2001 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 265 <strong>und</strong> unten Rz. 587 ff.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

Sozialplan weder aus arbeitsrechtlicher Sicht als <strong>Lohn</strong> zubetrachten, 488 noch<br />

aussozialversicherungsrechtlicher Sichtzum massgebenden<strong>Lohn</strong> zu zählen. 489<br />

B. Dersteuerrechtliche Einkommensbegriff<br />

289 Unter der Überschrift «Einkommenssteuer» hält Art. 16 Abs. 1DBG fest, dass<br />

der Einkommenssteuer alle wiederkehrenden <strong>und</strong> einmaligen Einkünfte unterliegen.<br />

Art. 16 Abs. 2DBG präzisiert den inAbs. 1derselben Best<strong>im</strong>mung<br />

festgehaltenen Gr<strong>und</strong>satz, indem auch Naturalbezüge jeder Art, ins<strong>besondere</strong><br />

freie Verpflegung <strong>und</strong> Unterkunft als Einkommen gelten. Diese Naturalbezüge<br />

werden nach ihrem Marktwert bemessen.<br />

290 Unter dem Untertitel «Unselbständige Erwerbstätigkeit» sind gemäss Art. 17<br />

Abs.1DBG sodann alle Einkünfte aus privatrechtlichem <strong>und</strong> öffentlichrechtlichem<br />

Arbeitsverhältnis steuerbar. Dies schliesst nach Art. 17 Abs. 1<br />

DBG auch Nebeneinkünfte wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Provisionen,<br />

Zulagen, Dienstalters- <strong>und</strong> Jubiläumsgeschenke, Gratifikationen, Trinkgelder,<br />

Tantiemen <strong>und</strong> andere geldwerte Vorteile in Form von Naturalleistungen<br />

mit ein. 490 Hingegen sieht Art. 17 Abs. 2DBG für Kapitalabfindungen aus<br />

einer mit dem Arbeitsverhältnis verb<strong>und</strong>enen Vorsorgeeinrichtung oder gleichartige<br />

Kapitalabfindungen des Arbeitgebers vor, dass diese Kapitalabfindungen<br />

nach Art. 38 DBG besteuert werden. Ergänzend zu Art. 17 DBG wird in Art. 23<br />

lit. aDBG festgehalten, dass auch alle anderen Einkünfte steuerbar sind, die an<br />

die Stelle des Erwerbseinkommens aus Erwerbstätigkeit treten. Demgegenüber<br />

sind gemäss Art. 24 lit. cDBG Kapitalzahlungen, die bei Stellenwechsel vom<br />

Arbeitgeber oder von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge ausgerichtet werden,<br />

steuerfrei, wenn sie der Empfänger innert Jahresfrist zum Einkauf in eine<br />

Einrichtung der beruflichen Vorsorge oder zum Erwerb einer Freizügigkeitspolice<br />

verwendet. Ebenfalls steuerfrei sind Zahlungen von Genugtuungssummen<br />

(Art. 24 lit. gDBG).<br />

291 Als Berufskosten werden gemäss Art. 26 Abs. 1lit. a–d DBG von den Einkünften<br />

aus privatrechtlichem Arbeitsverhältnis vier Arten von Kostenblöcken zum<br />

Abzug zugelassen. Es handelt sich dabei um die notwendigen Kosten für Fahrten<br />

zwischen der Wohn- <strong>und</strong> der Arbeitsstätte (Art. 26 Abs. 1lit. aDBG), die<br />

notwendigen Mehrkosten für Verpflegung ausserhalb der Wohnstätte <strong>und</strong> bei<br />

Schichtarbeit (Art. 26 Abs. 1lit. bDBG), die übrigen für die Ausübung des Berufs<br />

notwendigen Kosten (Art. 26 Abs.1 lit. cDBG) <strong>und</strong> schliesslich die mit<br />

dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungs- <strong>und</strong> Umschulungskosten<br />

(Art.26Abs. 1lit. dDBG).<br />

488<br />

489<br />

490<br />

Vgl. oben Rz. 254.<br />

Vgl. Art. 8 ter AHVV.<br />

Blumenstein/Locher, S. 175 f.; Höhn/Waldburger,§14 N34.<br />

133


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

292 Das schweizerische Einkommenssteuerrecht beruht gestützt auf Art. 16 DBG<br />

auf dem Gr<strong>und</strong>satz der Gesamtreineinkommenssteuer, 491 welches in verschiedene<br />

Teilaspekte gegliedert werden kann. Gemäss REICH lassen sich die folgenden<br />

Teilaspekte unterscheiden: das Prinzip der Totalität, das Prinzip der Realität,<br />

das Nettoprinzip sowie das Prinzip der Unmassgeblichkeit der Einkommensverwendung.<br />

492<br />

293 Ähnlich wie bei der Ermittlung der Gr<strong>und</strong>lagen für die Beitragsermittlung <strong>im</strong><br />

Sozialversicherungsrecht zeigt sich, dass der steuerrechtliche Begriff des Einkommens<br />

aus unselbstständiger Tätigkeit nicht mit dem arbeitsrechtlichen<br />

<strong>Lohn</strong>begriff identisch ist. Parallel zum Vergleich zwischen dem massgeblichen<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Sinne der AHV-Gesetzgebung werden auch <strong>im</strong>Einkommenssteuerrecht<br />

Vergütungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die <strong>im</strong>Arbeitsrecht<br />

keinen <strong>Lohn</strong> darstellen, aus steuerlicher Sicht dem <strong>Lohn</strong> gleichgestellt. InAbweichung<br />

von der Rechtslage <strong>im</strong>Sozialversicherungsrecht werden <strong>im</strong> Steuerrecht<br />

allerdings Abzüge vom Gesamteinkommen aus unselbstständiger Tätigkeit<br />

zugelassen, umdas sogenannt steuerbare Einkommen zuermitteln. Diese<br />

Abzüge können generell als Gewinnungskosten oder Berufskosten bezeichnet<br />

werden. 493<br />

VIII. Derökonomische «<strong>Lohn</strong>begriff»<br />

294 Die meisten Arbeitgeber sind private Unternehmen, welche eine gewinnstrebige<br />

Geschäftstätigkeit verfolgen. Neben gewinnstrebigen Unternehmen der Privatwirtschaft<br />

sind auch die Gemeinwesen (B<strong>und</strong>, Kantone <strong>und</strong> Gemeinden) sowie<br />

Organisationen ohne gewinnstrebige Ziele (sog. «[international] non-profit/notfor-profit<br />

organizations» oder «[I]NGO’s») wichtige Nachfrager auf dem Markt<br />

nach Arbeitskräften.Unabhängig davon,obder Arbeitgeber privatrechtlich oder<br />

öffentlich-rechtlich organisiert ist <strong>und</strong> einen gewinnstrebigen Zweck verfolgt<br />

oder nicht, hat der Abschluss eines Arbeitsvertrags für jeden Arbeitgeber aus<br />

ökonomischer Sichteines zurFolge:Kosten. Arbeit hateinen Preis.<br />

295 Der Preis für Arbeit in seinem Dienst, den der Arbeitgeber gestützt auf einen<br />

Arbeitsvertrag (<strong>und</strong> die Sozialversicherungsgesetzgebung) zu zahlen verpflichtet<br />

ist, dürfte in Industriestaaten bei jedem Arbeitgeber einen gewichtigen Teil<br />

der Betriebskosten darstellen. Ins<strong>besondere</strong> bei Dienstleistungsunternehmen,<br />

welche für das Erbringen ihrer auf dem Markt angebotenen Leistungen in <strong>besondere</strong>m<br />

Mass auf ihre Arbeitnehmer –das Humankapital –angewiesen sind,<br />

dürfte der Personalaufwand einen substanziellen, wenn nicht gar den grössten<br />

Teil der Betriebskosten darstellen. In Anbetracht des häufig scharfen Konkur-<br />

491<br />

492<br />

493<br />

134<br />

DBG-Komm.-Reich, Art. 16 N18.<br />

DBG-Komm.-Reich, Art. 16 N19ff.<br />

Vgl. statt mehrerer: Höhn/Waldburger, §14N10 ff. <strong>und</strong> N110 ff.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

renzkampfs zwischen Anbietern von substituierbaren Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

ist es aus unternehmerischer Sicht unumgänglich, die Personalkosten kontinuierlich<br />

zu überwachen <strong>und</strong> zuevaluieren. Unabhängig von seiner Grösse wird<br />

jedes langfristig orientierte Unternehmen zudem gut daran tun, die Personalkosten<br />

unter Berücksichtigung der aktuellen <strong>und</strong> prognostizierten Marktlage zuopt<strong>im</strong>ieren.<br />

296 Der arbeitsrechtliche <strong>Lohn</strong>begriff, wie eroben umrissen wurde, deckt sich nicht<br />

mit dem «ökonomischen <strong>Lohn</strong>begriff». Der «ökonomische <strong>Lohn</strong>begriff» –der<br />

als wirtschaftlicher Gesamtpreis verstanden werden kann, den ein Arbeitgeber<br />

für die Arbeit eines Arbeitnehmers zahlt –ist weiter <strong>und</strong> von anderer Natur als<br />

der arbeitsrechtliche <strong>Lohn</strong>begriff. Der «ökonomische <strong>Lohn</strong>begriff», als wirtschaftlicher<br />

Gesamtpreis für die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers, lässt sich<br />

in verschiedene Teilaspektegliedern.<br />

297 DaArbeit einen Preis hat, schliesst der wirtschaftliche <strong>Lohn</strong>begriff in einem<br />

weiten Sinne den Aspekt mit ein, obein Arbeitgeber überhaupt einen (weiteren)<br />

Arbeitnehmer benötigt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht steht der Arbeitgeber<br />

vor der Entscheidung, oberfür die Erledigung best<strong>im</strong>mter Aufgaben einen oder<br />

mehrere (weitere) Arbeitnehmer kurz-, mittel- <strong>und</strong> langfristig anstellen soll. Ein<br />

umsichtiger Arbeitgeber wird daher in der einen oder anderen Form eine qualitative<br />

<strong>und</strong> quantitative Personalbedarfsanalyse durchführen, welche auch örtliche<br />

<strong>und</strong> zeitliche Aspekte einschliesst. 494 Eine solche Bedarfsanalyse wird regelmässig<br />

auch berücksichtigen, obdie Aufgaben, welche einem prospektiven<br />

Arbeitnehmer zugewiesen werden sollen, nicht auch auf andere Weise –z.B.<br />

durch die Mandatierung eines Dritten gestützt auf einen einfachen Auftrag –<br />

(mindestens) ebenso sach-, kosten- <strong>und</strong> nutzengerecht erledigt werden könnten.<br />

Anders ausgedrückt wird sich ein Arbeitgeber überlegen, welche Opportunitätskosten<br />

ihm durch die Anstellung eines (weiteren) Arbeitnehmers entstehen.<br />

Er wird aufgr<strong>und</strong> seiner (definitionsgemäss) beschränkten Ressourcen prüfen,<br />

wie erdiese inopt<strong>im</strong>aler Weise alloziert. 495 Die Anstellung eines (weiteren) Arbeitnehmers<br />

kann für einen Arbeitgeber dabei eine bzw. die ökonomisch sinnvoll(st)e<br />

Lösung darstellen, wenn damit ein effektiver <strong>und</strong> effizienter Einsatz<br />

derRessourcen desArbeitgebers zu erwarten ist.<br />

298 Schliessen ein Arbeitnehmer <strong>und</strong> ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag ab, sind<br />

sie sich <strong>im</strong>Regelfall über die essentialia des Arbeitsvertrags –d.h. welche Art<br />

<strong>und</strong> welches Ausmass von Arbeit gegen welche Art <strong>und</strong> welche Höhe von <strong>Lohn</strong><br />

–einig geworden. Verhandeln die Parteien <strong>im</strong> Hinblick auf den Abschluss eines<br />

494<br />

495<br />

Vgl. dazu statt mehrerer: Thommen/Achleitner, S. 677 ff.<br />

Zu den ökonomischen Prinzipien der Knappheit, der Allokation <strong>und</strong> der Opportunitätskosten<br />

vgl. statt vieler: Beck, S. 9f.; Opportunitätskosten (auch Alternativ- oder<br />

Schattenkosten genannt) bestehen <strong>im</strong> entgangenen Nutzen, der mit der nächstbesten,<br />

aber nicht gewählten alternativen Allokation einer Ressource erzielt worden wäre.<br />

135


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

496<br />

497<br />

136<br />

Arbeitsvertrags über die Art <strong>und</strong> den Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung<br />

<strong>und</strong> die Art <strong>und</strong> die Höhe des dafür vom Arbeitgeber zu entrichtenden<br />

<strong>Lohn</strong>s, dürfte ein jedenfalls teilweise dem ökonomischen Gr<strong>und</strong>modell des homo<br />

oeconomicus 496 nachlebender Arbeitgeber regelmässig für möglichst viel<br />

Arbeitsleistung möglichst wenig <strong>Lohn</strong> zahlen wollen. Das Interesse des Arbeitnehmers<br />

ist <strong>im</strong>Regelfall gerade entgegengesetzt. Der Arbeitnehmer möchte<br />

meist einen möglichst hohen <strong>Lohn</strong> für eine möglichst geringe Arbeitsleistung.<br />

Was die Hauptleistungen beider Parteien anbelangt, streben die Interessen der<br />

Parteien –wie bei jedem, vollkommen synallagmatischen Vertrag –auseinander.<br />

Insofern kann nicht inAbrede gestellt werden, dass bei einer mikroökonomischen<br />

497 Betrachtungsweise auch der Arbeitsvertrag das Element der Interessendivergenz<br />

einschliesst. Aus ökonomischer Sicht rechtfertigt essich, von einem<br />

«Interessengegensatzvertrag» zu sprechen. Hervorzuheben ist indessen,<br />

dass diese Interessendivergenz –<strong>im</strong> Sinne eines ökonomischen Konflikts –mit<br />

gültigem Abschluss des Arbeitsvertrags <strong>im</strong>Regelfall <strong>und</strong> zumindest für eine<br />

gewisse Zeitspanne überw<strong>und</strong>en ist. Für welche Zeitdauer die Interessendiver-<br />

Nach einer klassischen bzw. neoklassischen ökonomischen Begriffsumschreibung<br />

verhält sich ein Wirtschaftssubjekt dann rational (homo oeconomicus), wenn es eigeninteressiert<br />

ist, auf Restriktionen (d.h. Knappheit von Gütern <strong>und</strong> Zeit <strong>im</strong>Gegensatz zu<br />

unbeschränkter Verfügbarkeit) reagiert, feststehende Präferenzen hat, über vollständige<br />

<strong>und</strong> ausgewertete Information verfügt <strong>und</strong> emotionslos bestrebt ist, seinen eigenen<br />

Nutzen unter gegebenen Umständen nicht nur zuopt<strong>im</strong>ieren, sondern zu max<strong>im</strong>ieren.<br />

Trotz dieser Begriffsumschreibung ist darauf hinzuweisen, dass sich eine allgemeine<br />

Begriffsbest<strong>im</strong>mung oder Definition für den homo oeconomicus bis heute wohl nicht<br />

herausgebildet hat; vgl.Kirchgässner, S. 12 ff. <strong>und</strong> S.63ff.; Raab, S. 108 ff.<br />

Ein sich andie vorstehende Begriffsumschreibung des homo oeconomicus anlehnendes<br />

Konzept ist etwa das sogenannte RREEMM-Modell (Resourceful-Restricted-<br />

Expecting-Evaluating-Max<strong>im</strong>izing-Man) von Lindenberg. InAbweichung vom klassischen<br />

<strong>und</strong> neoklassischen Modell des homo oeconomicus berücksichtigt das<br />

RREEMM-Modell, dass ein Wirtschaftssubjekt inder Lage ist, seine Handlungsmöglichkeiten<br />

zu erforschen. Ebenso kann das Wirtschaftssubjekt durch Lernen <strong>und</strong> findige<br />

Einfälle seine Handlungsmöglichkeiten erweitern. Das Wirtschaftssubjekt ist lernfähig,<br />

einfallsreich <strong>und</strong> findig (resourceful). Da die Handlungsmöglichkeiten aufgr<strong>und</strong><br />

von Zeit- <strong>und</strong> Güterknappheit dennoch beschränkt bleiben, muss das Wirtschaftssubjekt<br />

regelmässig eine substituierende Wahl treffen. Insofern ist es eingeschränkt<br />

(restricted). ImVergleich zum klassischen <strong>und</strong> neoklassischen Modell des homo oeconomicus<br />

erscheint das RREEMM-Modell auch insofern wirklichkeitsnäher, als dass<br />

das Wirtschaftssubjekt von subjektiven Erwartungswerten (expecting) ausgeht, gestützt<br />

darauf seine Präferenzen ordnet <strong>und</strong> (künftige) Ereignisse beurteilt (evaluating).<br />

Diese Beurteilung bildet die Basis, um diejenige Handlungsvariante zu wählen, welche<br />

den Erwartungswert seines (Gesamt-)Nutzens max<strong>im</strong>iert (max<strong>im</strong>izing). Zum Ganzen<br />

vgl. Lindenberg, S. 100 ff.<br />

D.h. aus der Betrachtungsweise der einzelnen Wirtschaftssubjekte oder -akteure <strong>im</strong><br />

Gegensatz zueiner Globalbetrachtung, in welcher von der Gesamtheit der Arbeitgeber<br />

einerseits <strong>und</strong> der Gesamtheit der Arbeitnehmer andererseits ausgegangen wird.


§4 DER LOHN IM ARBEITSRECHT UND IN ANDEREN DISZIPLINEN<br />

genz zwischen den Parteien durch einen Arbeitsvertrag überw<strong>und</strong>en ist, hängt<br />

aus arbeitsrechtlicher Sicht häufig davon ab, ob es sich umeinen befristeten<br />

oder unbefristeten Arbeitsvertrag handelt. Ebenso ist zu berücksichtigen, inwiefern<br />

beiden Parteien in Anbetracht ihres jeweiligen persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Umfelds, in welchem sie sich bewegen können <strong>und</strong> wollen, alternative<br />

Handlungsmöglichkeiten zum abzuschliessenden oder abgeschlossenen Arbeitsvertrag<br />

bieten.<br />

299 Ein weiterer Aspekt des ökonomischen <strong>Lohn</strong>begriffs, wie erhierin verstanden<br />

wird, besteht darin, dass sich der Begriff nicht auf die (Gesamt-)Höhe des<br />

<strong>Lohn</strong>s <strong>und</strong> die <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel sowie die dafür zuerbringende Arbeitsleistung<br />

beschränkt. Der ökonomische <strong>Lohn</strong>begriff ist weiter <strong>und</strong> bezieht sich auch<br />

auf die komplexen Fragestellungen, welche <strong>Lohn</strong>- bzw. Entgeltvereinbarungen<br />

–aus einer ex ante-Betrachtung –für beide Parteien des Arbeitsvertrags sowie<br />

für indirekt betroffene Dritte ein möglichst ausgewogenes <strong>und</strong> marktgerechtes<br />

Vergütungspaket ergeben. Beeinflusst wird dieser Teilaspekt des ökonomischen<br />

<strong>Lohn</strong>begriffs zudem durch arbeits- bzw. motivationspsychologische Aspekte,<br />

dieeinen seit längerer Zeit regelmässig diskutierten Themenkomplex darstellen.<br />

300 Getragen werden die ökonomischen Theorien zur bestmöglichen Vergütungsvereinbarung<br />

<strong>im</strong> Wesentlichen von zwei Zielen. Zum einen soll eine für den<br />

Arbeitnehmer als subopt<strong>im</strong>al empf<strong>und</strong>ene Anreizstruktur verbessert werden, die<br />

mit einer fixen, d.h. <strong>im</strong> Voraus vollständig best<strong>im</strong>mten Vergütung einhergehen<br />

kann.Zum anderen sollen geeignete Vergütungssystemedie <strong>im</strong> Kern gegensätzlichen<br />

Interessen von Arbeitnehmer, Arbeitgeber <strong>und</strong> Aktionariat (möglichst<br />

umfassend) in Einklang bringen. Ohne auf diese Theorien hier weiter einzugehen,<br />

können als Beispiele die «principal-agent»-Theorie 498 sowie die Theorien<br />

zumShareholder-Value <strong>und</strong> zum Stakeholder-Value 499 genanntwerden.<br />

498<br />

499<br />

Vgl. dazu statt mehrerer: Achleitner/Wichels, S. 5f.; Engelsing, S. 26 ff.; Leu,<br />

S. 10 ff.; Walti, S. 19 ff.<br />

Vgl. dazu statt mehrerer: Leu, S. 4ff.; Risi, S. 35 ff.; Skrzipek, S. 9ff. <strong>und</strong> S.47ff.<br />

137


§5 Das obligationenrechtliche <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> Vergütungssystem<br />

301 Imschuldrechtlichen Bedeutungszusammenhang ist der <strong>Lohn</strong> eine Obligation.<br />

Der <strong>Lohn</strong> als Obligation bezeichnet dasjenige arbeitsvertragliche Rechts- oder<br />

Schuldverhältnis, welches den Arbeitnehmer als meist vorleistungspflichtigen<br />

<strong>Lohn</strong>gläubiger berechtigt, vom Arbeitgeber als <strong>Lohn</strong>schuldner die Schuldverpflichtung<br />

tilgende Leistung zu verlangen <strong>und</strong> allenfalls gerichtlich einzufordern.<br />

500 Da es sich be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt,<br />

ist es typisch, aber nicht zwingend erforderlich, dass in dessen Verlauf mehrfach<br />

<strong>Lohn</strong>zahlungen vorgenommen werden.<br />

302 Wie bei jeder Obligation sollte deren Inhalt best<strong>im</strong>mt oder wenigstens best<strong>im</strong>mbar<br />

sein, umdie <strong>Lohn</strong>zahlung <strong>im</strong> Hinblick auf die vertrags- <strong>und</strong> gesetzeskonforme<br />

oder, <strong>im</strong> pathologischen Fall, das Ausmass der mangelhaften Erfüllung<br />

überprüfen zu können. Wird vorausgesetzt, dass der <strong>Lohn</strong>anspruch als solcher<br />

rechtsgültig besteht, geht es somit inerster Linie um die Frage, was <strong>und</strong> allenfalls<br />

wie viel der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber fordern kann. Steht das Ergebnis<br />

auf diese Frage fest, ist in zweiter Linie zu ermitteln, wann <strong>und</strong> wo der<br />

<strong>Lohn</strong>anspruch zu erfüllen ist. Zuletzt ist sodann zu prüfen, obdie konkrete Art<br />

<strong>und</strong> Weise der Erfüllung des <strong>Lohn</strong>anspruchs vor den Regeln des <strong>Lohn</strong>schutzes<br />

zugunsten desArbeitnehmers standhält.<br />

303 Die Zahlung von <strong>Lohn</strong> stellt die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers <strong>im</strong> Arbeitsvertrag<br />

dar. Es erscheint deswegen folgerichtig, dass inder Systematik des<br />

Gesetzes die meisten Best<strong>im</strong>mungen, welche sich auf den Inhalt <strong>und</strong> die Höhe<br />

des <strong>Lohn</strong>s sowie dessen effektive Ausrichtung beziehen, als Erstes unter der<br />

Überschrift «C.Pflichten des Arbeitgebers» (Art. 322–330b OR) eingeordnet<br />

worden sind. 501 Die Reihenfolge der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen zum <strong>Lohn</strong><br />

folgt dabei dem natürlichen Ablauf, welchem die meisten Arbeitsverhältnisse<br />

folgen. Vorab ist der <strong>Lohn</strong> zuvereinbaren <strong>und</strong> zuberechnen (Art. 322–322c OR<br />

sowie Art. 326 <strong>und</strong> Art. 326a OR) <strong>und</strong> danach effektiv auszurichten (Art. 323<br />

OR). Anschliessend bleibt zuprüfen, obdie effektive <strong>Lohn</strong>zahlung den <strong>Lohn</strong>sicherungsregeln<br />

zugunsten des Arbeitnehmers entspricht (Art. 323a <strong>und</strong><br />

Art. 323b OR). Alle diese Phasen oder Etappen, welche den <strong>Lohn</strong> betreffen,<br />

können in ihrer Gesamtheit als ein vom OR vorgezeichnetes System aufgefasst<br />

werden.<br />

500<br />

501<br />

Zum Begriff der Obligation <strong>im</strong>Allgemeinen vgl. Gauch/Schluep/Schmid, N25; Koller,<br />

§2N1ff.; Merz, OR AT, S. 47 ff.; Schwenzer, N4.01 ff.<br />

Aus gesetzessystematischer Perspektive könnten die Best<strong>im</strong>mungen zum Akkordlohn<br />

in Art. 326 OR <strong>und</strong> Art. 326a OR insofern aus «Ausreisser» bezeichnet werden. Obwohl<br />

der Akkordlohn eine <strong>besondere</strong> Regelung erfordert, ist nicht ersichtlich, weshalb<br />

diese Best<strong>im</strong>mungen nicht auch unter der Marginalie «C.Pflichten des Arbeitgebers,<br />

I. <strong>Lohn</strong>.» bei Art. 322 ff. OR eingeordnet wurden.<br />

139


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

304 Nicht übersehen werden darf indessen, dass sich auch ausserhalb der Art. 319–<br />

362 OR<strong>und</strong> des allgemeinen Teils des ORf<strong>und</strong>amentale Rechtsnormen finden,<br />

welche sich direkt oder indirekt mit verschiedenen Aspekten des Regelungsgegenstands<br />

«<strong>Lohn</strong>» befassen. Das obligationenrechtliche <strong>Lohn</strong>system –d.h. die<br />

Gesamtheit derjenigen Regelungen <strong>im</strong> OR, welche sich direkt oder indirekt sowie<br />

indispositiver oder zwingender Weise mit dem Inhalt <strong>und</strong> der Höhe des<br />

<strong>Lohn</strong>s sowie mit dessen Ausrichtung durch den Arbeitgeber <strong>und</strong> dessen Schutz<br />

zugunsten des Arbeitnehmers befassen –wird durch ein weiteres Normgefüge<br />

überlagert.<br />

305 Dieses zweite, das obligationenrechtliche <strong>Lohn</strong>system überlagernde Normgefüge<br />

ist häufig öffentlich-rechtlicher Natur. Da das öffentliche Recht inder Regel<br />

zwingend ausgestaltet ist, 502 um den darin konkretisierten öffentlichen Interessen<br />

Nachachtung zuverschaffen, wurde in Art. 342 Abs.1OR ein genereller<br />

Vorbehalt dieser öffentlich-rechtlichen Normen statuiert. Eine wesentliche Folge<br />

von Art.342 Abs.1OR ist es, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisse<br />

nach denjenigen Normen richten, welche für das entsprechende<br />

Gemeinwesen oder die entsprechende öffentlich-rechtliche Organisationseinheit<br />

gelten. 503<br />

306 InArt. 342 Abs.2OR findet sich sodann eine transformatorische oder rezipierende<br />

504 Vorschrift. Art. 342 Abs.2OR erklärt die Regeln des öffentlichen<br />

Rechts insofern zum unmittelbaren Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses, indem<br />

der Arbeitgeber <strong>und</strong> der Arbeitnehmer sich direkt auf die öffentlichrechtlichen<br />

Normen berufen können, wenn eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die<br />

der einen oder anderen Partei auferlegt wird, auch Inhalt des Arbeitsvertrags<br />

sein könnte. Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, gelten die öffentlichrechtlichen<br />

Normen als in das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber aufgenommen. Sie werden zu Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen, auf<br />

welchesich beideParteien vor demZivilrichter direktberufen können. 505<br />

502<br />

503<br />

504<br />

505<br />

140<br />

Es sei denn, es werde den Parteien ein best<strong>im</strong>mter Gestaltungsspielraum eingeräumt,<br />

was anden zwingenden Grenzen derjenigen Normen, welche den Parteien einen ge-<br />

wissen Gestaltungsspielraum erst eröffnen, jedoch nichts ändert.<br />

BE-Komm.-Rehbinder, Art. 342 N1ff.; BSK OR I-Portmann, Art. 342 N1;Brunner/<br />

Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 342 N1;CRCOI-Aubert, Art. 342 N2;Geiser/Müller,<br />

N925; Streiff/von Kaenel, Art. 342 N2.<br />

BE-Komm.-Rehbinder, Art. 342 N9;BSK OR I-Portmann, Art. 342 N5;Brunner/<br />

Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 324 N3;CR COI-Aubert, Art. 342 N4;Geiser/Müller,<br />

N926; Streiff/von Kaenel, Art. 342 N6.<br />

Als Anwendungsfälle vgl. etwa BGE 135 III 162 (E. 3.2, 165 f.); BGE 129 III 618<br />

(E. 5.1, 621 f.); BGE 122 III 110 (E. 4c, 112 ff.).


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

IX. Die <strong>Lohn</strong>höhe <strong>und</strong> dieGesamtvergütung<br />

A. DieGesamtvergütung<br />

307 Häufig erhält der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung vom Arbeitgeber einen<br />

inseiner Höhe festgelegten Monats- oder Jahreslohn, wobei ein Jahreslohn<br />

anteilsmässig jeden Monat inGeld ausbezahlt wird. Indieser einfachsten Konstellation<br />

deckt sich der Fix- oder Basislohn des Arbeitnehmers mit seiner Gesamtvergütung.<br />

308 Die Gesamtvergütung eines Arbeitnehmers kann sich indessen auch aus mehreren<br />

Komponenten zusammensetzen. Eswerden zuweilen eigentliche Vergütungspakete<br />

geschnürt, die verschiedene <strong>Lohn</strong>kategorien, <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen<br />

<strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel kombinieren. InAnlehnung anden massgeblichen<br />

<strong>Lohn</strong> gemäss der AHV-Gesetzgebung sowie anden steuerrechtlichen<br />

Einkommensbegriff 506 kann damit unter dem Begriff der Gesamtvergütung all<br />

das verstanden werden, was dem Arbeitnehmer gestützt auf oder <strong>im</strong>Zusammenhang<br />

mit dem Arbeitsverhältnis zukommt oder erspart wird. Wie oben gezeigt<br />

wurde, deckt sich der Begriff der Gesamtvergütung allerdings nicht mit<br />

demarbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriff. 507<br />

B. DiePrivatautonomie<strong>und</strong> dieVertragsfreiheit<br />

309 Aus der inder Verfassung verankerten Wirtschaftsfreiheit 508 wird der Gr<strong>und</strong>satz<br />

Privatautonomie abgeleitet. Zentraler Bestandteil der Privatautonomie ist die<br />

Vertragsfreiheit. 509 Die Vertragsfreiheit beinhaltet das Recht der Wirtschaftsakteure,<br />

mittels privater Rechtsgeschäfte sich in ihrer wirtschaftlichen Betätigung<br />

zu binden. 510 Die Vertragsfreiheit wird in der Lehre ins<strong>besondere</strong> in die Abschlussfreiheit,<br />

die Partnerwahlfreiheit, die Aufhebungsfreiheit, die Formfreiheit<br />

<strong>und</strong> die Inhaltsfreiheit gegliedert. 511<br />

310 ImORwird die Geltung des Gr<strong>und</strong>satzes der Vertragsfreiheit insofern vorausgesetzt,<br />

als dass Art. 19 Abs. 1ORfesthält, der Inhalt eines Vertrags könne innerhalb<br />

der Schranken des Gesetzes beliebig festgelegt werden. Der in Art. 19<br />

Abs.1OR indirekt zum Ausdruck kommende Gr<strong>und</strong>satz der Privatautonomie<br />

gilt auch für das Arbeitsvertragsrecht. Die Folge der Privatautonomie <strong>und</strong> der<br />

506<br />

507<br />

508<br />

509<br />

510<br />

511<br />

Vgl. oben Rz. 287 f. sowie Rz. 289 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 237 ff.<br />

Art. 27 BV; vgl. auch Häfelin/Haller/Keller,N630.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Juli 2001, 4C.119/2001, E. 3c; BE-Komm.-<br />

Kramer, Art. 19–20 N18.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. September 2003, 4C.137/2003, E. 1.4.<br />

BE-Komm.-Kramer, Art. 19–20 N17 sowie N42ff.; Gauch/Schluep/Schmid,<br />

N612 ff.; Koller, §13N2ff.; Schwenzer, N25.01 ff. sowie N26.01 ff.<br />

141


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

142<br />

Vertragsfreiheit ist es, dass das Festlegen der <strong>Lohn</strong>höhe einen –wenn nicht gar<br />

den typischen –Verhandlungsgegenstand zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

darstellt, 512 soweit sich aus gesetzlichen Vorschriften keine Einschränkungen<br />

ergeben. 513<br />

311 Obschon das Festlegen bzw. Aushandeln der <strong>Lohn</strong>höhe einen typischen Bestandteil<br />

der Vertragsverhandlungen darstellt, ist es –wie gesehen 514 –für die<br />

Entstehung eines Arbeitsvertrags nicht zwingend notwendig, dass die Parteien<br />

eines Arbeitsvertrags sich über die <strong>Lohn</strong>höhe aussprechen <strong>und</strong> sich dahingehend<br />

einigen. Fehlt esaneiner <strong>Lohn</strong>abrede zwischen den Parteien sowie aneinem<br />

anwendbaren Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag, soist gemäss Art. 322<br />

Abs.1OR der übliche <strong>Lohn</strong> zu bezahlen. Kann kein üblicher <strong>Lohn</strong> ermittelt<br />

werden, ist es die Aufgabe des Richters, den <strong>Lohn</strong> nach billigem Ermessen zu<br />

best<strong>im</strong>men. 515<br />

C. DieEinschränkungender Privatautonomie bezüglich des<strong>Lohn</strong>s<br />

312 InAnbetracht der auch für den Arbeitsvertrag geltenden Vertragsfreiheit ist es<br />

folgerichtig, dass das Gesetz keine Mindestlöhne vorschreibt. In der Schweiz<br />

gibt es keinen staatlich fixierten Mindestlohn 516 oder allgemeine, gesetzlich verankerte<br />

Mindestlohnvorschriften, wie sie zahlreiche Länder inder einen oder<br />

anderen Form kennen. 517 Ebenso wenig gibt es Normen, die einen Arbeitgeber<br />

verpflichten würden, einem Arbeitnehmer mit Vollzeitarbeitspensum einen<br />

existenzsichernden (Mindest-) <strong>Lohn</strong> zu bezahlen. 518 Auch aus dem in Art. 41<br />

512<br />

513<br />

514<br />

515<br />

516<br />

517<br />

518<br />

BGE 129 III 276 (E. 3.1, 281 f.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N3;Geiser/Müller,<br />

N378; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N3;Wyler,S.155.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322 N1ff.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N31.<br />

Vgl. oben Rz. 116.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322 N7mit Hinweis auf den Entscheid des Tribunale<br />

d’appello del cantone Ticino vom 1.Dezember 2000, JAR 2001, S. 188 ff. (E. 3,<br />

189 f.), für die Entschädigung von Pikettdienst; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N1;Streiff/von Kaenel, Art. 322 N7.<br />

Lepori Tavoli, N80, definiert den Begriff des Mindestlohns als «jeden ziffernmässig<br />

definierten <strong>Lohn</strong> […], der in einer generell-abstrakten, gesetzlichen oder kollektivrechtlichen<br />

Vorschrift als unterste Grenze der <strong>Lohn</strong>höhe für alle oder best<strong>im</strong>mte, privatrechtliche<br />

Arbeitsverträge festgesetzt wird.».<br />

Nicht unter diese Definition fallen gemäss derselben Autorin somit ein Paritätslohn,<br />

ein gestützt auf eine Verfügung oder einen Einzelarbeitsvertrag garantierter <strong>Lohn</strong> für<br />

einen best<strong>im</strong>mten Arbeitnehmer.<br />

OECD, S. 32 ff.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N6; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N1;Cramer, N175; Geiser/Müller, N382; KUKO OR-Pietruszak, Art. 322<br />

N8.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

Abs.1lit. dBVverankerten Sozialziel, dass erwerbsfähige Personen ihren Lebensunterhalt<br />

durch Arbeit (bzw. durch den <strong>Lohn</strong> für geleistete Arbeit) zu angemessenen<br />

Bedingungen sollen bestreiten können, lassen sich gemäss Art. 41<br />

Abs.4BV keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen ableiten.<br />

Die Sozialziele in der B<strong>und</strong>esverfassung sind keine Sozialrechte <strong>und</strong> nicht justiziabel.<br />

519<br />

313 Das Fehlen von allgemeinen Mindestlohnvorschriften sowie eines verfassungsmässigen<br />

Anspruchs auf einen Mindestlohn bedeutet allerdings nicht, dass<br />

es <strong>im</strong> schweizerischen Recht keine Regeln oder Instrumente gibt, welche der<br />

freien <strong>Lohn</strong>vereinbarung zwischen den Parteien Schranken setzen würden. Einerseits<br />

kommen die allgemeinen Regeln des OR zur Anwendung, sodass ein<br />

Arbeitsvertrag weder widerrechtlich noch sittenwidrig 520 sein darf. Ebenso kann<br />

Art. 21 OR zur Übervorteilung anwendbar sein. 521 Andererseits finden sich in<br />

weiteren, ins<strong>besondere</strong> auch öffentlich-rechtlichen Erlassen Normen, welche<br />

diefreie <strong>Lohn</strong>vereinbarung beschränken.<br />

1. Mindestlöhne gestützt auf Gesamtarbeitsverträge <strong>und</strong><br />

Normalarbeitsverträge<br />

314 Der Gr<strong>und</strong>satz, dass die Vereinbarung der <strong>Lohn</strong>höhe zwischen den Parteien<br />

Verhandlungssache ist, 522 kann einmal durch Gesamtarbeitsverträge eingeschränkt<br />

werden. Sostellen <strong>Lohn</strong>tarife in einem Gesamtarbeitsvertrag für die<br />

diesem unterstellten Parteien in der Regel Mindestlöhne dar. 523 Darüber hinaus<br />

519<br />

520<br />

521<br />

522<br />

523<br />

Vgl. auch Geiser, Mindestlohn, Rz. 3.7 ff., der vor Inkrafttreten der heutigen B<strong>und</strong>esverfassung<br />

ins<strong>besondere</strong> aus Art. 27 ZGB, Art. 328 OR, Art. 19 OR sowie<br />

Art. 349a OR folgert, dass bei einem Arbeitsvertrag mit Vollzeitpensum ein mindestens<br />

existenzsichernder <strong>Lohn</strong> bezahlt werden müsste. Wäre dies nicht der Fall, sollte<br />

der Arbeitnehmer unter Beschränkung der Ungültigkeit des Arbeitsvertrags auf die<br />

<strong>Lohn</strong>abrede berechtigt sein, einen existenzsichernden, üblichen <strong>Lohn</strong> gemäss Art. 320<br />

Abs. 2OR zu fordern. Kritisch: Vischer, S. 86 f. Ablehnend: Wyler, S. 43; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 322 N19.<br />

Aubert/Mahon, Art. 41 N9f.; Auer/Malinverni/Hottelier, N945; SG BV-Komm.-<br />

Bigler Eggenberger, Art. 41 N94.<br />

Zur Sittenwidrigkeit von <strong>Lohn</strong>abreden <strong>im</strong> Arbeitsvertrag vgl. eingehend: Schmid,<br />

S. 115 ff.<br />

Zur Übervorteilung vgl.eingehend:Cramer, N184 ff.<br />

Lepori Tavoli, N29, sieht inder Möglichkeit, dass die Parteien des Arbeitsvertrags<br />

den <strong>Lohn</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich frei aushandeln können, eine wesentliche Ursache für Tieflöhne,<br />

da der Arbeitgeber in der Regel über die stärkere Verhandlungsposition verfügt als<br />

der Arbeitnehmer. Ausnahmen bestehen dort, wofür Arbeitnehmer mit best<strong>im</strong>mten<br />

Qualifikationen ein Nachfrageüberhang besteht.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N4;Carruzzo, Art. 322 N5;Geiser/Müller,<br />

N378; KUKO OR-Pietruszak, Art. 322 N9;Wyler,S.155.<br />

143


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

144<br />

können Gesamtarbeitsverträge, 524 sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 2<br />

<strong>und</strong> 3AVEG erfüllt sind, auch allgemeinverbindlich erklärt werden. Gemäss<br />

Art. 1Abs.1 AVEG hat dies zur Folge, dass der Geltungsbereich eines Gesamtarbeitsvertrags<br />

auch auf diejenigen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer eines<br />

Wirtschaftszweigs oder eines Berufes ausgedehnt wird, welche amGesamtarbeitsvertrag<br />

nicht beteiligt sind (sog. Aussenseiter). 525 Gemäss Art. 4AVEG<br />

gelten die <strong>Lohn</strong>vorschriften eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertragsals<br />

objektives Zivilrechtsodann auch fürdie Aussenseiter. 526<br />

315 Normalarbeitsverträge 527 können ebenfalls Mindestlohnvorschriften enthalten.<br />

Anders als bei Gesamtarbeitsverträgen kann gestützt auf Art. 360 OR allerdings<br />

aufgr<strong>und</strong> einer mündlich oder allenfalls nur bei Vorliegen einer schriftlichen<br />

Abrede von Mindestlohnvorschriften in einem Normalarbeitsvertrag abgewichen<br />

werden. Insofern enthalten Normalarbeitsverträge gr<strong>und</strong>sätzlich dispositives<br />

Recht. 528 Im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit<br />

mit der EU wurden die Art. 360a ff. OR eingeführt. Zum<br />

Schutz des schweizerischen Arbeitsmarkts 529 erlauben esdiese Best<strong>im</strong>mungen<br />

unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen, auch in Normalarbeitsverträgen relativ<br />

zwingende Mindestlöhne aufzustellen. 530 Diese zwingenden Mindestlöhne gelten<br />

sowohl fürschweizerischeals auch ausländische Arbeitnehmer. 531<br />

2. Paritätslohnvorschriften<br />

316 Eine weitere Schranke der freien <strong>Lohn</strong>festsetzung stellen die sogenannten Paritätslohnvorschriften<br />

dar. Dabei handelt es sich um Normen, die best<strong>im</strong>mten<br />

Gruppen von Arbeitnehmern den Anspruch einräumen, den gleich hohen <strong>Lohn</strong><br />

zu erhalten, der anderen Arbeitnehmern für gleichwertige Arbeit entrichtet<br />

wird. Zur Ermittlung des Paritätslohns wird auf die aktuellen, ineinem best<strong>im</strong>mten<br />

Wirtschaftszweig bezahlten Löhne abgestellt. Der Paritätslohn ist damit<br />

kein eigentlicher Mindestlohn, sondern ein marktüblicher <strong>Lohn</strong>, 532 was mit<br />

524<br />

525<br />

526<br />

527<br />

528<br />

529<br />

530<br />

531<br />

532<br />

Vgl. Art. 110 Abs. 1lit. d<strong>und</strong> Abs. 2BV.<br />

Eine Liste der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge ist abrufbar unter:<br />

http://www.seco.admin.ch/, besuchtam3.Juli 2011.<br />

BE-Komm.-Stöckli, Art.356b N88.<br />

Entgegen seiner Bezeichnung handelt es sich bei einem Normalarbeitsvertrag nicht um<br />

einen Vertrag, sondern um ein Gesetz <strong>im</strong> materiellen Sinne; vgl. BE-Komm.-Stöckli,<br />

Art. 359 N1.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Oktober 1996, JAR 1997, S. 116 ff. (E. 4a/aa,<br />

116).<br />

Vgl. Tiefenthal, N11.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N5;Lepori Tavoli, N184 ff.; eingehend:<br />

Tiefenthal, N236 ff.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N23.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N6; Lepori Tavoli,N31.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

dem Gr<strong>und</strong>gedanken inArt. 322 Abs.1OR harmoniert, wonach bei fehlender<br />

<strong>Lohn</strong>abrede derübliche <strong>Lohn</strong> zu zahlen ist.<br />

(a) Gleicher <strong>Lohn</strong> für Mann <strong>und</strong>Frau<br />

317 Das <strong>Lohn</strong>gleichheitsprinzip ist in Art. 8Abs.3Satz 3BVverankert <strong>und</strong> sieht<br />

vor, dass Mann <strong>und</strong> Frau Anspruch auf gleichen <strong>Lohn</strong> für gleichwertige Arbeit<br />

haben. Dabei handelt es sich um ein Gr<strong>und</strong>recht mit direkter Drittwirkung, welches<br />

unmittelbar anwendbar ist <strong>und</strong> unmittelbar gerichtlich durchgesetzt werden<br />

kann. 533 Der Anspruch auf gleichen <strong>Lohn</strong> für gleichwertige Arbeit stützt sich<br />

ebenfalls auf Art. 3GlG. Untersagt werden in Art. 3Abs. 1<strong>und</strong> Abs.2 GlG<br />

ins<strong>besondere</strong> direkte <strong>und</strong> indirekte Diskr<strong>im</strong>inierungen. 534 Eine direkte Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

liegt dabei vor, wenn ein Umstand (z.B. ein geringerer <strong>Lohn</strong>) direkt<br />

auf die Geschlechtszugehörigkeit abstellt oder sich auf ein Merkmal bezieht,<br />

das meist nur von einem Geschlecht erfüllt wird. Von einer indirekten Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

ist dann auszugehen, wenn zwar das Geschlecht nicht direkter Anknüpfungspunkt<br />

für eine Massnahme oder Verhaltensweise ist, die formal geschlechtsneutrale<br />

Massnahme oder Verhaltensweise aber ein Geschlecht<br />

schlechter stellt, indem die ausschlaggebenden Kriterien so gewählt werden,<br />

dass sie <strong>im</strong> Ergebnis ohne sachliche Rechtfertigung überwiegend Angehörige<br />

deseinen Geschlechts gegenüberdem anderen benachteiligen. 535<br />

(b) Paritätslohn fürHe<strong>im</strong>arbeitnehmer<strong>und</strong> ausländischeArbeitnehmer<br />

318 Gemäss Art. 4Abs.1Satz 1<strong>und</strong> 2HArG haben He<strong>im</strong>arbeitnehmer das Recht,<br />

den gleichen <strong>Lohn</strong> zu erhalten, wie die Arbeitnehmer <strong>im</strong>Betrieb des Arbeitgebers<br />

oder Arbeitnehmer <strong>im</strong>fraglichen Wirtschaftszweig. 536 Unterschiedlichen<br />

Arbeitsbedingungen aufgr<strong>und</strong> der He<strong>im</strong>arbeit sowie den damit allenfalls verb<strong>und</strong>enen<br />

Mehr- oder Minderaufwendungen ist gemäss Art. 4Abs. 1Satz ArG<br />

angemessen Rechnung zutragen.<br />

533<br />

534<br />

535<br />

536<br />

BGE 125 III 368 (E.2/3, 370 ff.); BGE 118 Ia 35 (E. 2b, 37); BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N7;GlG-Komm.-Freivogel, Art. 3N74; Häfelin/Haller/<br />

Keller, N793; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N27.<br />

ZumBegriff der Diskr<strong>im</strong>inierung vgl.statt mehrerer: Pärli, N25 ff.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N7;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N10; Geiser/Müller, N385; GlG-Komm.-Freivogel, Art. 3N5<strong>und</strong> N8;Pär-<br />

li, N33 ff.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N8;Geiser/Müller, N389; Lepori Tavoli,<br />

N33.<br />

145


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

319 Gestützt auf Art. 22 AuG 537 können ausländische Staatsangehörige, auf welche<br />

das AuG anwendbar ist, 538 nur dann zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der<br />

Schweiz zugelassen werden, wenn die orts-, berufs- <strong>und</strong> branchenüblichen Arbeitsbedingungen<br />

<strong>im</strong>Arbeitsvertrag eingehalten werden. 539 Für die Best<strong>im</strong>mung<br />

des orts-, berufs- <strong>und</strong> branchenüblichen <strong>Lohn</strong>s wird dabei auf das Gesetz, Gesamt-<br />

<strong>und</strong> Normalarbeitsverträge sowie die Löhne aufgr<strong>und</strong> von statistischen<br />

<strong>Lohn</strong>erhebungen abgestellt. 540<br />

320 Die Ansprüche des He<strong>im</strong>arbeitnehmers sowie von ausländischen Arbeitskräften<br />

können jeweilsdirektgegenüberdem Arbeitgeber eingeklagt werden. 541<br />

3. Submissionsgesetzgebung<br />

321 Eine wenigstens indirekte (Ein-)Wirkung auf den <strong>Lohn</strong> kann auch von Vorschriften<br />

der Submissionsgesetzgebung für die Vergabe von Staatsaufträgen<br />

ausgehen. Sosieht auf B<strong>und</strong>esebene Art. 8Abs.1BöB vor, dass bei der Vergabe<br />

von öffentlichen Aufträgen verschiedene Gr<strong>und</strong>sätze zu beachten sind. Dazu<br />

gehören gemäss Art. 8Abs.1lit. bBöB, dass der Anbieter diejenigen Arbeitsschutzbest<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>und</strong> Arbeitsbedingungen einhält, die amOrt der Leistung<br />

massgeblich sind. Ferner hat der Anbieter gestützt auf Art. 8Abs.1lit. bBöB<br />

auch die <strong>Lohn</strong>gleichheit für Mann <strong>und</strong> Frau zubeachten, wenn Leistungen in<br />

derSchweiz erbrachtwerden. 542<br />

X. Die<strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen<strong>und</strong> die<strong>Lohn</strong>kategorien<br />

322 Art. 319 Abs.1OR hält fest, dass sich der <strong>Lohn</strong> entweder nach Zeitabschnitten<br />

odernach der geleisteten Arbeit bemisst. Für die Methoden oder Mechanismen<br />

537<br />

538<br />

539<br />

540<br />

541<br />

542<br />

146<br />

Das AuG ersetzte mit Inkraftreten per 1.bzw. 12. Dezember 2008 das ANAG <strong>und</strong> die<br />

BVO.<br />

Vgl. Art. 2AuG.<br />

Für Arbeitnehmer, die von einem Arbeitgeber mit Sitz oder Wohnsitz <strong>im</strong> Ausland für<br />

die Verrichtung einer Arbeitstätigkeit entsandt werden, sieht Art. 2Abs. 1Entsendegesetz<br />

vor, dass die Arbeitgeber von entsandten Arbeitnehmern mindestens diejenigen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>bedingungen garantieren, die in B<strong>und</strong>esgesetzen, Verordnungen des<br />

B<strong>und</strong>esrates, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen <strong>und</strong> Normalarbeitsverträgen<br />

vorgesehen sind. Dazu gehört gemäss Art. 2Abs. 1lit. aEntsendegesetz<br />

u.a. diemin<strong>im</strong>ale Entlöhnung.<br />

Art. 22 Abs. 1VZAE.<br />

Art. 4Abs. 1HArGi.V.m.Art. 342 Abs. 2OR; für den Paritätslohn von ausländischen<br />

Arbeitnehmern vgl. BGE 129 III 618 (E. 5.1, 621 f.); BGE 122 III 110 (E. 4d, 114 f.).<br />

Vgl. ferner Rémy Wyler, Les conditions de travail, la libre circulation et le détachement<br />

des travailleurs, in: Aktuelles Vergaberecht 2008, Jean-Baptiste Zufferey/Hubert<br />

Stöckli(Hrsg.), Bd. 17, Zürich 2008, S.247–283.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

der Best<strong>im</strong>mung 543 bzw. Berechnung des <strong>Lohn</strong>s wird zu Beginn des Titels zum<br />

Arbeitsvertrag <strong>im</strong> OR eine Zweiteilung vorgenommen. Der <strong>Lohn</strong> wird entweder<br />

aufgr<strong>und</strong> einer gleich langen oder aufgr<strong>und</strong> mehrerer, unterschiedlich langer<br />

Zeitperioden («Zeitlohn»; «salaire fixé d'après le temps»; «salario stabilito a<br />

tempo») oder gestützt auf die geleistete Arbeit ermittelt («Akkordlohn»; «salaire<br />

aux pièces ou àlatâche»; «salario stabilito acott<strong>im</strong>o» 544 ). Beiden dieser<br />

<strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen ist gemein, dass sie unmittelbar bei der Person<br />

des einzelnen Arbeitnehmers <strong>und</strong> den von ihm individuell zuerfüllenden Leistungspflichten<br />

<strong>im</strong> Arbeitsverhältnis ansetzen.<br />

323 ImGesetz sind neben dem Zeitlohn <strong>und</strong> dem Akkordlohn weitere Möglichkeiten<br />

zur Berechnung des <strong>Lohn</strong>s zu finden. So enthält Art. 322a OR eine Gr<strong>und</strong>regel,<br />

welche sich mit dem Anteil des Arbeitnehmers am Geschäftserfolg des<br />

Arbeitgebers bzw. des arbeitgebenden Unternehmens befasst. Art. 322b <strong>und</strong><br />

Art. 322c OR regeln die Provision. Aus den gesetzlichen Regelungen zum Anteil<br />

am Geschäftsergebnis sowie zur Provision kann, neben dem Zeitlohn <strong>und</strong><br />

dem Akkordlohn, ein dritter <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus abgeleitet werden,<br />

welcher sich der inArt.319 Abs.1OR vorgenommenen Zweiteilung in«Zeitlohn»<br />

oder «Akkordlohn» entzieht. Dieser <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

könnte als «Beteiligungs-oderProzentlohn» bezeichnetwerden.<br />

324 Inder Literatur finden sich <strong>im</strong>Zusammenhang mit der Erörterung des <strong>Lohn</strong>s<br />

verschiedene Ausdrücke <strong>und</strong> Begriffe, um die verschiedenen Erscheinungsformen<br />

von <strong>Lohn</strong> systematisch zu gliedern. Aufgr<strong>und</strong> der Marginalie zu<br />

Art. 322 ORkönnte geschlossen werden, dass der Gesetzgeber mit «<strong>Lohn</strong>arten»<br />

die verschiedenen <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel 545 meinte, da in Art. 322 Abs. 2OR festgehalten<br />

wird, Kost <strong>und</strong> Logis eines mit dem Arbeitgeber in Hausgemeinschaft<br />

lebenden Arbeitnehmers bilde einen Teil des <strong>Lohn</strong>s, sofern nichts anderes verabredet<br />

oder üblich ist. Den «<strong>Lohn</strong>arten» <strong>im</strong>Sinne von «<strong>Lohn</strong>zahlungsmitteln»<br />

könnten die «<strong>Lohn</strong>formen» gegenübergestellt werden. 546 Was mit «<strong>Lohn</strong>formen»<br />

jedoch genau gemeint ist, bleibt inder Literatur nicht selten unklar; die<br />

Terminologie ist uneinheitlich. 547 Um unklare Begriffe zu vermeiden, wird hier-<br />

543<br />

544<br />

545<br />

546<br />

547<br />

Die Begriffe der «<strong>Lohn</strong>bemessung» oder «<strong>Lohn</strong>best<strong>im</strong>mung» sollten vermieden werden,<br />

da damit (fälschlicherweise) der Eindruck erweckt werden könnte, der <strong>Lohn</strong> (inkl.<br />

<strong>Lohn</strong>höhe <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel) könne vom Ermessen einer Partei abhängen. Dies<br />

ist nicht oder aber nur in beschränktem Ausmass der Fall. Denn entweder beruht der<br />

<strong>Lohn</strong> auf einer vertraglichen Vereinbarung, welche diesen fixiert oder berechenbar<br />

macht, oder unterliegt einer richterlichen Kontrolle.<br />

Art. 326 f. OR.<br />

Vgl. dazu unten Rz. 355 ff.<br />

So z.B. die Begriffsverwendung bei BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 vor N21<br />

<strong>und</strong> vor N30.<br />

Vgl. z.B. Senti, Abgrenzung, S. 670, wo als «<strong>Lohn</strong>arten» der«Zeit- <strong>und</strong> der Leistungslohn»<br />

genannt werden, oder BSK OR I-Portmann, Art. 322 N22 ff., wounter der<br />

147


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

148<br />

in anstelle von «<strong>Lohn</strong>arten» 548 von «<strong>Lohn</strong>zahlungsmitteln» gesprochen. Für die<br />

«<strong>Lohn</strong>formen», 549 werden hierin zwei Begriffe verwendet. Zum einen wird der<br />

Ausdruck «<strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen oder -methoden» gebraucht. Zum<br />

anderen werden den «<strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen oder -methoden» die<br />

«<strong>Lohn</strong>kategorien» gegenübergestellt.<br />

325 Die Unterscheidung zwischen <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>kategorien<br />

beruht darauf, dass jeweils ein qualitativ anderes Gliederungskriterium<br />

verwendet wird. Der Fokus liegt bei den verschiedenen <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen<br />

darauf, dass der <strong>Lohn</strong> eines individuellen Arbeitnehmers aufgr<strong>und</strong><br />

von einem oder mehreren, charakteristischen Berechnungsfaktoren (Zeiteinheit,<br />

quantitative Einheit oder ein best<strong>im</strong>mter Betrag oder Prozentsatz einer Basissumme<br />

oder inAbhängigkeit einer best<strong>im</strong>mten Grösse) kalkuliert wird. Bei den<br />

<strong>Lohn</strong>kategorien wird als Systematisierungskriterium demgegenüber entweder<br />

auf (ein oder mehrere) beschreibende Charakteristika <strong>und</strong>/oder auf einen Wirkungszusammenhang<br />

abgestellt. 550 Da sich die verschiedenen <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen<br />

weitgehend den verschiedenen <strong>Lohn</strong>kategorien zuordnen<br />

lassen <strong>und</strong> auch das umgekehrte Vorgehen, d.h., eine Zuordnung von <strong>Lohn</strong>kategorien<br />

unter die <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen möglich ist, erscheinen<br />

beide Gruppen in ihrem jeweiligen Erklärungsgehalt weitgehend gleichwertig.<br />

Die Unterscheidung trägt jedoch zueiner klareren Systematisierung der qualitativ<br />

unterschiedlichen Gliederungskriterien bei.<br />

326 Bei der Unterscheidung zwischen <strong>Lohn</strong>berechnungsmethoden <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>kategorien<br />

ist hervorzuheben, dass der «Zeitlohn» eine Doppelstellung einn<strong>im</strong>mt.<br />

Wenn von «Zeitlohn» gesprochen wird, kann damit entweder ein <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

oder eine <strong>Lohn</strong>kategorie gemeint sein. Der Gr<strong>und</strong> für die<br />

Doppelstellung liegt darin, dass einerseits eine «Zeitlohneinheit» als <strong>Lohn</strong>be-<br />

548<br />

549<br />

550<br />

Überschrift «<strong>Lohn</strong>arten» die Begriffspaare «Geldlohn <strong>und</strong> Naturallohn» <strong>und</strong> «Zeitlohn<br />

<strong>und</strong> Leistungslohn» einander gegenüber gestelltwerden.<br />

Im Sinne von BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 vor N21.<br />

Im Sinne von BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 vor N30.<br />

Z.B. auf die «Leistung» be<strong>im</strong> sogenannten «Leistungslohn», auf den «Erfolg» be<strong>im</strong><br />

sogenannten «Erfolgslohn», auf die «Einzelleistung gegenüber der Gruppen- oder Kollektivleistung»<br />

be<strong>im</strong> echten bzw. unechten Leistungslohn. Von «echtem Leistungslohn»<br />

wird dann gesprochen, wenn der Leistungslohn ausschliesslich von der Leistung<br />

eines einzelnen Arbeitnehmers abhängt. Unechter Leistungslohn liegt dann vor, wenn<br />

neben der Leistung eines einzelnen Arbeitnehmers weitere Faktoren hinzukommen,<br />

welche die <strong>Lohn</strong>höhe beeinflussen. Diese Faktoren sind unterschiedlich <strong>und</strong> könnten<br />

wiederum dahingehend unterteilt werden, obder Arbeitnehmer auf diese Faktoren einen<br />

–mehr oder weniger best<strong>im</strong>menden –Einfluss ausüben kann (z.B. die Einflussnahme<br />

auf Arbeitskollegen be<strong>im</strong> Gruppenakkord) oder nicht (z.B. technischer Fortschritt<br />

bei einem Konkurrenzunternehmen oder allgemeine konjunkturelle Einflüsse<br />

auf das Geschäftsergebnis des arbeitgebenden Unternehmens).


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

rechnungsfaktor ineinem Arbeitsverhältnis relevant sein kann. Andererseits<br />

schliesst jedes Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis definitionsgemäss<br />

das Element der zeitlichen Dauer ein. Jeder <strong>Lohn</strong> –unabhängig davon, welche<br />

<strong>Lohn</strong>berechnungsmethode <strong>im</strong>Einzelfall zur Anwendung gelangt –könnte somit<br />

als «Zeitlohn» bezeichnet werden, wenn der (aufgr<strong>und</strong> irgendeiner Methode berechnete)<br />

<strong>Lohn</strong> auf eine Zeitperiode in einem Arbeitsverhältnis bezogen oder<br />

umgelegtwird.<br />

327 Indem hierin von <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen gesprochen wird, wird <strong>im</strong>pliziert,<br />

dass der Zweck der <strong>Lohn</strong>berechnung in der Regel darin besteht, die Höhe<br />

eines inGeld ausgedrückten <strong>Lohn</strong>s zu ermitteln. Dader <strong>Lohn</strong> aber nicht nur in<br />

Geld ausgerichtet werden kann – <strong>im</strong> Arbeitsrecht mithin also auch andere<br />

<strong>Lohn</strong>zahlungsmittel zum Einsatz kommen können, um eine <strong>Lohn</strong>forderung des<br />

Arbeitnehmers zu tilgen –,muss nicht injedem Arbeitsvertrag ein «Geldlohnberechnungsmechanismus»<br />

zum Einsatz kommen. Dennoch ist es leicht verständlich,<br />

dass eine <strong>Lohn</strong>zahlung, die nicht inGeld erfolgt, regelmässig von den<br />

Parteien nichtsdestotrotz in Geld bewertet bzw. inGeld umgerechnet wird. Der<br />

Gr<strong>und</strong> dafür liegt ineiner Hauptfunktion des Geldes, nämlich der Funktion, den<br />

Wert von Sachen <strong>und</strong>anderen Leistungen vergleichbarzumachen.<br />

A. Der Zeitlohn<br />

328 Die charakteristische Eigenheit des Zeitlohns besteht darin, dass die Berechnung<br />

des <strong>Lohn</strong>s in irgendeiner Weise vom Zeitablauf abhängig ist. Genauer betrachtet<br />

hängt der Zeitlohn ausschliesslich vom Verstreichen einer Zeiteinheit<br />

ab. Die Zeiteinheit, in welcher der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig ist<br />

oder dem Arbeitgeber wenigstens seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, ist<br />

somitein Massstab fürdie Berechnungdes <strong>Lohn</strong>s. 551<br />

329 Die Umstände, dass der Arbeitsvertrag aufgr<strong>und</strong> seiner Legaldefinition ein<br />

Dauerschuldverhältnis 552 ist <strong>und</strong> dass jede positive Arbeitsleistung naturgemäss<br />

eine gewisse Zeit benötigt, haben für den Zeitlohn als <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

keine direkte Bedeutung. Da aber jedes Arbeitsverhältnis eine zeitliche<br />

D<strong>im</strong>ension aufweist, kann der Zeitlohn als diejenige <strong>Lohn</strong>berechnungsmethode<br />

betrachtet werden, welche injedem Arbeitsverhältnis, unabhängig von seiner<br />

Dauer <strong>und</strong> seiner Ausgestaltung, <strong>im</strong>mer angewendet werden kann. Der Zeitlohn<br />

erscheint daher als ein universeller <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus. Zudem bietet<br />

sich der Zeitlohn deswegen auch als subsidiärer <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

an. Denn falls die Ermittlung der Höhe des <strong>Lohn</strong>s mit einem anderen,<br />

eigentlich anzuwendenden <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus aus irgendwelchen<br />

551<br />

552<br />

Birchmeier, S. 48.<br />

Vgl. oben Rz. 7ff.<br />

149


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

150<br />

Gründen nicht mehr möglich ist, kann auf den Zeitlohn als <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

zurückgegriffen werden. 553<br />

330 Die Möglichkeit, den Zeitlohn als universellen <strong>und</strong> subsidiären <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

zu bezeichnen, beruht auf einer dafür notwendigen Eigenart<br />

des Zeitlohns. Diese, dem Zeitlohn inhärente Eigenart besteht darin, dass es unerheblich<br />

ist, obder Arbeitnehmer während der Arbeitszeit tatsächlich Arbeit zu<br />

verrichten hat <strong>und</strong> somit die Arbeitszeit <strong>im</strong> Sinne des Arbeitgebers nutzt oder<br />

nicht. Selbstverständlich ist, dass der Arbeitnehmer <strong>im</strong> Rahmen der vereinbarten<br />

Tätigkeit für den Arbeitgeber einer Arbeitspflicht untersteht. Andernfalls<br />

würde die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers ausgehöhlt oder <strong>im</strong>Extremfall<br />

gar negiert. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeit zuteilt, welche<br />

dem Pflichtenheft des Letzteren entspricht, hat der Arbeitnehmer die ihm zugewiesene<br />

Arbeit sorgfältig <strong>und</strong> gewissenhaft zu erledigen. 554 Ist der Arbeitgeber<br />

aber nicht inder Lage, dem Arbeitnehmer Arbeit zuzuweisen <strong>und</strong> diesen somit<br />

tatsächlich wie beabsichtigt zubeschäftigen, vergeht die Arbeitszeit ungeachtet<br />

der Tatsache, dass der Arbeitnehmer die Arbeit, für deren Verrichtung der Arbeitgeber<br />

ihn eigentlich eingestellthat, garnichtverrichten kann.<br />

331 Die Zeit, welche der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber aufwendet, ist allein<br />

noch nicht ausreichend, umden Zeitlohn ermitteln zu können. Wird der <strong>Lohn</strong> in<br />

Geld ausgerichtet, muss zusätzlich zur Best<strong>im</strong>mung einer Zeiteinheit, welche<br />

als ein Parameter für die Berechnung des Zeitlohns unabdingbar ist, auch ein in<br />

Geldeinheiten ausgedrückter <strong>Lohn</strong>satz 555 pro Zeiteinheit gegeben sein. Zeiteinheit<br />

<strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>satz pro Zeiteinheit ergeben durch einfache Multiplikation den<br />

Zeitlohn, den der Arbeitgeber zu bezahlen hat. Veränderungen bei einem oder<br />

bei beiden Faktoren müssen prinzipiell zu einem anderen (<strong>Lohn</strong>-)Ergebnis führen,<br />

essei denn, die Veränderung eines Faktors werde durch die gleichzeitige<br />

<strong>und</strong> entgegengesetzteVeränderung desanderen Faktorsexakt kompensiert. 556<br />

332 Welche Zeiteinheit für den Zeitlohn von Bedeutung ist –seien es Minuten,<br />

St<strong>und</strong>en, ein Tag, eine Woche, ein Monat, ein Jahr oder gar mehrere Jahre 557 –,<br />

553<br />

554<br />

555<br />

556<br />

557<br />

Das Gesetz macht sich diese Eigenart des Zeitlohns <strong>im</strong> Zusammenhang mit Art. 326<br />

Abs. 2ORzunutze. Nach dieser Best<strong>im</strong>mung kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer<br />

<strong>im</strong>Akkordlohn vorübergehend Zeitlohnarbeit zuweisen, falls der Arbeitgeber keine<br />

Akkordarbeit zuweisen kann oder die betrieblichen Verhältnisse vorübergehend<br />

Zeitlohnarbeit erfordern.<br />

Vgl. Art. 321a OR.<br />

Vgl. Brühwiler, Art. 322 N1b; Schmid, S. 57; ZH-Komm.-Staehelin, Art.322 N4.<br />

Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer (etwa nach Abschluss einer<br />

Weiterbildung) be<strong>im</strong> selben Arbeitgeber eine besser bezahlte Tätigkeit ausübt (Beförderung)<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig sein Arbeitspensum reduziert, sodass der höhere <strong>Lohn</strong>satz der<br />

besser bezahlten Tätigkeit die Reduktion des Arbeitspensums auffängt.<br />

Vgl. statt mehrerer: Bernard, S. 12;BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N30.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

wird <strong>im</strong> Gesetz richtigerweise nicht geregelt. Da die Art. 319 Abs.1OR <strong>und</strong><br />

Art. 322 Abs.1OR für die Wahl der Zeiteinheit keine zwingenden Regeln enthalten,<br />

sind die Parteien be<strong>im</strong> Zeitlohn frei, eine für das relevante Arbeitsverhältnis<br />

sinnvoll <strong>und</strong> praktisch erscheinende Zeiteinheit zu wählen. Zumeist wird<br />

be<strong>im</strong> Zeitlohn nur eine relevante Zeiteinheit vereinbart <strong>und</strong> nur ein dazugehöriger,<br />

für eine best<strong>im</strong>mte Dauer konstant bleibender <strong>Lohn</strong>satz fixiert. Der <strong>Lohn</strong>satz<br />

kann aber für die gleiche Zeiteinheit auch unterschiedlich sein, wenn qualifizierende<br />

Umstände hinzutreten. Als qualifizierende Umstände gelten nach<br />

Gesetz zeitliche Mehrbelastungen über die vereinbarte <strong>und</strong>/oder zulässige<br />

(Höchst-)Arbeitszeit hinaus (Überst<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Überzeit) sowie die zeitliche Lage<br />

derArbeitszeit. 558<br />

333 Der Zeitlohn eignet sich ins<strong>besondere</strong> für solche Tätigkeiten, bei welchen das<br />

Arbeitsergebnis schwer zumessen <strong>und</strong>/oder zubewerten ist, 559 weil die Arbeit<br />

z.B. ineiner vorwiegend geistigen Tätigkeit besteht. Wenn berücksichtigt wird,<br />

dass sich Arbeitsverhältnisse in ihrem zeitlichen Umfang <strong>und</strong> der zeitlichen Regelmässigkeit<br />

der Erbringung der Arbeitsleistung unterscheiden können, wird<br />

weiter ersichtlich, dass nicht für jedes Arbeitsverhältnis alle Zeiteinheiten für<br />

die Bemessung des Zeitlohns gleichermassen passend sind. Für ein unbefristetes<br />

oder für ein auf eine längere Zeitdauer befristetes Vollzeitarbeitsverhältnis<br />

wäre es zwar ohne Weiteres möglich, den Zeitlohn auf St<strong>und</strong>enbasis zu berechnen.<br />

Eine Berechnung des Zeitlohns auf Basis von St<strong>und</strong>en könnte, ins<strong>besondere</strong><br />

für unbefristete Vollzeitstellen, jedoch als umständlich <strong>und</strong> ineffizient bezeichnet<br />

werden. Längere Zeiteinheiten –üblicherweise der Monatslohn <strong>und</strong>,<br />

seltener, der Wochenlohn –erweisen sich als praktischer <strong>und</strong> sinnvoller. Umgekehrt<br />

wäre für ein unregelmässiges Teilzeitarbeitsverhältnis mit jeweils kurzen<br />

Arbeitsperioden (z.B. bei Arbeit auf Abruf 560 )oder bei der Gelegenheitsarbeit 561<br />

ein Abstellen auf einen Monatslohn meist wenig zweckmässig. Die Berechnung<br />

desZeitlohnsauf St<strong>und</strong>enbasis ist einfacher, klarer <strong>und</strong> transparenter.<br />

558<br />

559<br />

560<br />

561<br />

Z.B. für Nacht- <strong>und</strong> Sonntagsarbeit; vgl. Art. 17b Abs. 1ArG (<strong>Lohn</strong>zuschlag von<br />

mindestens 25 %bei vorübergehender Nachtarbeit) <strong>und</strong> Art. 19 Abs. 3ArG (<strong>Lohn</strong>zuschlag<br />

von 50 %bei vorübergehender Sonntagsarbeit).<br />

Schmid, S.57.<br />

Für die Arbeit auf Abruf vgl. auch Fn. 303 sowie Aubert, travail àtemps partiel irrégulier,<br />

S. 175 ff.; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, S.409 f. N6; Geiser, Schranken,<br />

Rz. 2.19 ff.; Portmann/Stöckli, N915 ff.; Roncoroni, S.1410 ff.; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 319 N18f.sowie Art. 324 N14; Wyler, S. 71 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts<br />

Zürich vom 3. September 1986, JAR1988, S. 134 ff.; Entscheid des Arbeitsgerichts<br />

Zürich vom 11. Juni 2008, Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich 2008, Nr. 1,S.5f.<br />

Für die Gelegenheitsarbeit vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, S. 408 N4; Roncoroni,<br />

S.1410 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N18f.; Wyler, S. 133 <strong>und</strong> S. 454.<br />

151


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

334 Überst<strong>und</strong>en, 562 Überzeit, 563 andere Zulagen <strong>und</strong> Zuschläge vorbehalten, hat der<br />

Zeitlohn für die Parteien eines Arbeitsverhältnisses mit zeitlich festgelegtem<br />

Umfang innert einer Referenzperiode ferner auch den Vorteil, dass diese Form<br />

der <strong>Lohn</strong>berechnung <strong>im</strong> Regelfall für eine best<strong>im</strong>mte Dauer in der Höhe gleich<br />

bleibt. Treten keine <strong>besondere</strong>n Umstände ein, 564 wird der auf eine best<strong>im</strong>mte<br />

Zeitspanne entfallende <strong>Lohn</strong> damit weitgehend vorhersehbar. Der Arbeitnehmer<br />

weiss <strong>im</strong> Voraus, worin der <strong>Lohn</strong> besteht <strong>und</strong> wie hoch dieser ausfallen wird,<br />

sodass er gestützt auf eine Zeitlohnabrede eine hinreichend sichere Budgetplanung<br />

vornehmen kann. Analoges gilt umgekehrt auch für den Arbeitgeber, der<br />

die ineiner Periode auszuschüttende (Gesamt-)<strong>Lohn</strong>summe berechnen <strong>und</strong> in<br />

seineFinanz- <strong>und</strong> Liquiditätsplanung einbeziehen kann.<br />

335 Aus gesellschaftlicher Konvention, aus praktischen Gründen, gestützt auf die<br />

Fälligkeitsregeln 565 sowie aufgr<strong>und</strong> von Kündigungsfristen, welche nach Ablauf<br />

der Probezeit zumeist inMonaten ausgedrückt werden, 566 dürfte bei unbefristeten<br />

Arbeitsverhältnissen der Monatslohn, gefolgt vom Jahreslohn, amhäufigsten<br />

vorkommen. Ist ein Jahreslohn vereinbart, wird dabei inArbeitsverträgen<br />

fast ausnahmslos festgehalten, dass dieser Jahreslohn in zwölf (oder dreizehn),<br />

monatlich auszurichtende Betreffnisse aufgeteilt wird. 567 Unter Vorbehalt des<br />

häufig anzutreffenden 13. Monatslohns ist der Unterschied zwischen der vertraglichen<br />

Vereinbarung eines Monatslohns bzw. eines Jahreslohns, welcher in<br />

zwölf gleiche, monatlich zu zahlende Teile gegliedert wird, rein rechnerisch.<br />

Auf ein volles (Kalender- oder Dienst-)Jahr bezogen <strong>und</strong> unabhängig davon, ob<br />

der Arbeitsvertrag vor Ablauf eines Jahres endet, macht es weder für den Arbeitnehmer<br />

noch den Arbeitgeber <strong>im</strong> Ergebnis einen Unterschied, ob <strong>im</strong> Arbeitsvertrag<br />

ein Monatslohn, oder aber der Jahreslohn genannt wird, wenn der<br />

Jahreslohn anteilsmässig jeden Monatbezahltwird.<br />

336 Unter der Voraussetzung, dass eine kleinere Zeiteinheit bei einer best<strong>im</strong>mten<br />

Vervielfachung restlos ineiner längeren Zeiteinheit aufgeht, erweisen sich die<br />

beiden fraglichen Zeiteinheiten für die Berechnung des Zeitlohns als durchlässig<br />

<strong>und</strong> äquivalent. Keine vollständige Durchlässigkeit <strong>und</strong> Äquivalenz liegt indessen<br />

zwischen einem Wochen- <strong>und</strong> einem Monatslohn vor, weil definitionsgemäss<br />

nicht jeder Monat gleich viele, volle (Arbeits-)Wochen enthält. Gleiches<br />

gilt be<strong>im</strong> Vergleich zwischen dem Tageslohn <strong>und</strong> dem Monatslohn, wenn<br />

562<br />

563<br />

564<br />

565<br />

566<br />

567<br />

152<br />

Art. 321c OR.<br />

Art. 13 ArG.<br />

Z.B. eine weitere Krankheit oder weiterer Unfall eines Arbeitnehmers, sodass keine<br />

<strong>Lohn</strong>fortzahlung mehr geschuldet ist.<br />

Art. 323 OR.<br />

Art. 335b <strong>und</strong> Art. 335c OR.<br />

Die Ursache dafür liegt inder Regel zur Fälligkeit des <strong>Lohn</strong>s nach Art. 323 OR.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

der Tageslohn zueinem Gesamtlohn pro Monat aufaddiert wird, dadie Anzahl<br />

derArbeitstagepro Monatschwankt. 568<br />

337 ImHinblick auf die für den Zeitlohn relevante Zeiteinheit erweist sich auch ein<br />

Unterschied zwischen dem St<strong>und</strong>enlohn <strong>und</strong> längeren Zeitabschnitten als besonders<br />

beachtenswert. Be<strong>im</strong> St<strong>und</strong>enlohn könnte ein Arbeitnehmer, der einen<br />

möglichst hohen <strong>Lohn</strong> erzielen will, versucht sein, die Anzahl Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />

für die Erledigung eines ihm vom Arbeitgeber zugewiesenen, quantitativen Arbeitspensums<br />

innerhalb eines Tages auszudehnen, 569 sofern die max<strong>im</strong>ale Anzahl<br />

Arbeitsst<strong>und</strong>en pro Tag vertraglich nicht fixiert ist. Bei einem Tages-, Wochen-<br />

oder Monatslohn entfällt dieser Anreiz weitgehend, da –wiederum unter<br />

Vorbehalt von etwaigen Überst<strong>und</strong>en- oder Überzeitzuschlägen –eine zusätzliche<br />

St<strong>und</strong>e Arbeit <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz weder den Tages-, Wochen- noch den Monatslohn<br />

verändert. 570 Analoges könnte auch für den Vergleich zwischen einem<br />

Tages- <strong>und</strong> einem Wochenlohn gelten, wenn die Anzahl Arbeitstage pro Woche<br />

vertraglich nichtfestgelegtist.<br />

338 Keine vollständige Durchlässigkeit <strong>und</strong> Äquivalenz zwischen den verschiedenen<br />

Zeitlohnformen kann sich ferner aufgr<strong>und</strong> von Freizeit <strong>und</strong> Feiertagen einstellen.<br />

Be<strong>im</strong> St<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Tageslohn ist mangels Arbeitsleistung an einem<br />

freien Tag oder einem Feiertag kein <strong>Lohn</strong> geschuldet («ohne Arbeit kein<br />

<strong>Lohn</strong>»). Obwohl das Gesetz dies nicht explizit festhält, 571 werden freie Tage<br />

<strong>und</strong> Feiertage üblicherweise be<strong>im</strong> Wochen-, Monats- oder Jahreslohn nicht explizit<br />

berücksichtigt. Es könnte dementsprechend gesagt werden, der <strong>Lohn</strong>anspruch<br />

wachse –aus einer ex ante-Betrachtung –mit derZeit kontinuierlich <strong>und</strong><br />

zwar unabhängig davon, an wie vielen Tagen tatsächlich gearbeitet wird <strong>und</strong><br />

wie viele Arbeitsst<strong>und</strong>en an einem Arbeitstag zu erbringen sind. Da sich der<br />

Wochen-, Monats- oder Jahreslohn trotz zeitlich unterschiedlichem Ausmass an<br />

Freizeit <strong>und</strong> Feiertagen nicht verändert, wird insofern nicht mehr auf die effektive<br />

Arbeitszeit, sondern auf die Kalenderzeit abgestellt. 572 Wenn der Wochen-,<br />

Monats- oder Jahreslohn trotz unterschiedlicher Anzahl anfreien Tagen sowie<br />

Feiertagen gleich bleibt, bedeutet dies allerdings nicht, dass ein Arbeitgeber bei<br />

einem Wochen-, Monats- oder Jahreslohn die aufgr<strong>und</strong> von Freizeit <strong>und</strong> Feiertagen<br />

vorhersehbar ausfallende Arbeitszeit nicht schon in den Wochen-, Mo-<br />

568<br />

569<br />

570<br />

571<br />

572<br />

In der Praxis wird, umdie Durchlässigkeit des Monatslohns zu erhöhen bzw. den Monatslohn<br />

auf einen <strong>Lohn</strong> pro Tag hinunter zu brechen, häufig von einer durchschnittlichen<br />

Anzahl von 21.7 (vgl. Art. 40a AVIV) oder 21.75 Arbeitstagen pro Monat ausgegangen.<br />

Z.B. durch «Bummeln».<br />

Birchmeier, S. 49; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N4.<br />

Vgl. aber Art. 329 OR.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N30; Portmann/Stöckli, N248 f.; Vischer,<br />

S. 96; Wyler, S.159; vgl. auch Duc/Subilia, Art. 322 N21; Schweingruber, Art. 329<br />

Ziff. 8; anders wohl Birchmeier, S.49.<br />

153


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

154<br />

nats- oder Jahreslohn einkalkuliert haben könnte. Liegen keine, in ihrem Ausmass<br />

stark verzerrende Umstände vor, 573 lässt sich –zumindest <strong>im</strong> Nachhinein –<br />

überdies auch relativ genau berechnen, wie hoch be<strong>im</strong> Wochen-, Monats- oder<br />

Jahreslohn der <strong>Lohn</strong> pro effektiv geleistetem Arbeitstag oder pro effektiv geleisteter<br />

Arbeitsst<strong>und</strong>e ausfällt. 574<br />

339 Wenn die Parteien einen Wochen-, Monats- oder Jahreslohn vereinbaren, der<br />

Arbeitsvertrag gleichzeitig aber auch festhält, dass pro Arbeitstag oder pro voller<br />

Arbeitswoche eine best<strong>im</strong>mte Anzahl St<strong>und</strong>en 575 zu arbeiten ist, kann die<br />

zuweilen anzutreffende Aussage, die tatsächlich geleistete Anzahl Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />

sei be<strong>im</strong> Wochen-, Monats- oder Jahreslohn für die <strong>Lohn</strong>berechnung irrelevant,<br />

ineiner solch absoluten Form nicht mehr richtig sein. Schwierigkeiten ergeben<br />

sich ins<strong>besondere</strong> dann, wenn etwa sogenannte Gleitzeitregelungen 576<br />

573<br />

574<br />

575<br />

576<br />

Wie z.B. überdurchschnittlich lange, vom Arbeitnehmer unverschuldete Abwesenheit<br />

wegen Krankheit, Unfall oder Militärdienst, welche trotz ausbleibender Arbeitsleis-<br />

tung für einebeschränkte Zeit eine <strong>Lohn</strong>fortzahlung zur Folge haben.<br />

Dies setzt eine hinreichend genaue Erfassung der Arbeitszeit voraus. Ins<strong>besondere</strong> bei<br />

Arbeitnehmern in höherer Hierarchiestufe, welche gestützt auf eine schriftliche, vertragliche<br />

Vereinbarung keine Überst<strong>und</strong>enzuschläge geltend machen können, vgl. Art.<br />

321c Abs. 3OR, oder eine sog. Vertrauensarbeitszeit vereinbart haben, wird jedoch<br />

die Arbeitszeit inder Praxis häufig nicht hinreichend genau erfasst. Eine ungenügende<br />

Erfassung der Arbeitszeit kann Konfliktpotenzial mit Vorschriften des ArG schaffen;<br />

vgl. insb. Art. 46 ArG <strong>und</strong> Art. 73 ArGV 1. Zur Vertrauensarbeitszeit, welche <strong>im</strong>OR<br />

keine Erwähnung findet, vgl. Art. 17 ArG <strong>und</strong> Art. 64a BPV. Zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung<br />

vgl. Roland Müller/Thomas Oechsle, Die Pflicht zur Arbeitszeiterfas-<br />

sung, AJP/PJA 2007, S.847–855.<br />

Üblich erscheinen in der Schweiz für regelmässige Vollzeitarbeitsverhältnisse 40–<br />

43 St<strong>und</strong>en pro Woche bei fünf Arbeitstagen; zuden täglichen <strong>und</strong> wöchentlichen<br />

Höchstarbeitszeiten gemäss Arbeitsgesetz vgl. insb. Art. 9–12 ArG sowie Art. 22–24<br />

ArGV 1.<br />

Für Gleitzeit oder gleitende Arbeitszeit gibt eskeine gesetzliche Definition. In der<br />

Praxis finden sich deshalb vielfältige Formen <strong>und</strong> Ausprägungen der Gleitzeit. Üblicherweise<br />

wird dann von Gleitzeit gesprochen, wenn der Arbeitgeber die (tägliche)<br />

Arbeitszeit des Arbeitnehmers nicht fix regelt, sondern z.B. nur best<strong>im</strong>mte Blockzeiten<br />

(z.B. 9.00–11.30h sowie 14.00–16.30h) mit Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz<br />

belegt. ImÜbrigen steht esdem Arbeitnehmer weitgehend frei, wie ersich seine umfangmässig<br />

best<strong>im</strong>mte oder nur in einer Bandbreite festgehaltene Arbeitszeit einteilt,<br />

vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 321 N9 sowie Art. 329 N23; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 321c N13; Carruzzo, Art. 321c N8;Duc/Subilia,<br />

Art. 321 N7;Geiser/Müller, N311; Portmann/Stöckli, N159; ausführlich: Roger Wyler,<br />

S. XXVIII, S. 1<strong>und</strong> S. 5ff. Dem Arbeitgeber kommt weitgehende Zeitautonomie,<br />

vgl. BGE 123 III 469 (E. 3b, 471), oder Zeitsouveränität zu, vgl. Geiser, Flexibilisierung,<br />

Rz. 4.1 ff. Ergänzt werden Gleitzeitregelungen häufig durch Weisungen des Arbeitgebers,<br />

wonach positive oder negative Gleitzeitsaldi innert best<strong>im</strong>mter Fristen auszugleichen<br />

sind. Zur Frage der Entschädigung eines Gleitzeitüberhangs vgl. BGE 123<br />

III 469 sowie den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 3. Mai 2007, 4C.76/2007, E. 4,


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

missachtet werden oder bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer<br />

auf seinem Arbeitszeitkonto einen Plus- oder Minussaldo 577 aufweist<br />

oder bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu viele oder zuwenige Ferientage<br />

bezogen hat. In solchen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob<strong>und</strong> inwiefern<br />

dereinen oder anderenPartei ein Ausgleich zusteht.<br />

340 Eine weitere Eigenart des Zeitlohns besteht darin, dass nach einhelliger Ansicht<br />

die qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Aspekte der Arbeitsleistung für den Zeitlohn<br />

unerheblich sind. 578 Eine qualitativ <strong>und</strong>/oder quantitativ unzureichende Arbeitsleistung<br />

während einer best<strong>im</strong>mten Zeitperiode berechtigt den Arbeitgeber damit<br />

nicht zueiner <strong>Lohn</strong>kürzung, während eine qualitativ <strong>und</strong>/oder quantitativ<br />

hervorragende Arbeitsleistung innert einer best<strong>im</strong>mten Zeitperiode den Arbeitnehmer<br />

ebenso wenig berechtigt, einen höheren <strong>Lohn</strong> als den vereinbarten Zeitlohn<br />

zu verlangen.<br />

341 Falls die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber in qualitativer<br />

oder quantitativer Hinsicht nicht zufriedenstellend ist <strong>und</strong> Ermahnungen keine<br />

Verbesserung zeitigen, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, mittels einer Änderungskündigung<br />

zu versuchen, einen niedrigeren Zeitlohn zuvereinbaren. Als<br />

letztes Mittel bleibt dem Arbeitgeber sodann die Option, den Arbeitsvertrag ordentlich<br />

zu kündigen, sofern kein befristeter Arbeitsvertrag vorliegt. Die gleichen<br />

Möglichkeiten stehen – mutatis mutandis –auch dem Arbeitnehmer offen.<br />

Verursacht der Arbeitnehmer indessen durch eine qualitativ oder quantitativ unzureichende<br />

Arbeitsleistung dem Arbeitgeber einen (Vermögens-)Schaden, so<br />

kann der Arbeitgeber diesen Schaden <strong>im</strong>Rahmen von Art. 321e OR geltend<br />

machen <strong>und</strong>, unter Berücksichtigung der Grenzen nach Art. 323b Abs.2 OR,<br />

diesen Schaden mitdem <strong>Lohn</strong> verrechnen.<br />

577<br />

578<br />

zur Kompensation von Überst<strong>und</strong>en durch Freizeit bei einer Arbeitnehmerin mit weitgehender<br />

Zeitsouveränität.<br />

Vgl. dazu den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. Dezember 2008, 4A_291/2008,<br />

E. 3, sowie die Urteilsbesprechung bei Pietruszak, <strong>Lohn</strong>abzug, S.125 ff.; Entscheid<br />

des Arbeitsgerichts Zürich vom 8. Oktober 2001, Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich<br />

2001, Nr. 1,S.1;Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden vom 20. Juni<br />

2005, JAR 2006, S. 475 ff. (E. 8b, 484), Entscheid des Obergerichts Basel-Landschaft<br />

vom 27. Oktober 1998, JAR 1999, S. 161 ff. (E. 2/3, 162 f.); vgl. auch Roger Wyler,<br />

S. 43 ff. <strong>und</strong> S. 73 ff., welcher von Unterzeit <strong>und</strong> Überzeit spricht.<br />

Vgl. BGE 97 II 142 (E. 4b; 150); Entscheid des Arbeitsgerichts Bern vom8.Juli 1986,<br />

JAR 1988, S. 144 f.; Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom<br />

14. November 1977 <strong>und</strong> des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 6.Dezember 1977,<br />

JAR1980, S. 191 f.; Entscheid des Gewerbegerichts Zürich vom 19. Februar 1970,<br />

ZR 70 (1971), Nr. 48, S. 129; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N30; Birchmeier,<br />

S. 50; Brühwiler, Art. 322 N1b/aa; BSK OR I-Portmann, Art. 322 N32;<br />

Duc/Subilia, Art. 322 N21; Geiser/Müller, N393; Streiff/von Kaenel, Art. 322 N2;<br />

Vischer, S. 96; Wyler,S.159; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N5.<br />

155


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

B. DerAkkordlohn<br />

342 Die charakteristische Eigenheit des Akkordlohns besteht darin, dass der <strong>Lohn</strong> in<br />

irgendeiner Weise vom Ergebnis der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängt.<br />

Genauer betrachtet ist der Akkordlohn ein <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus,<br />

bei welchem der <strong>Lohn</strong> durch das vom Arbeitnehmer während der Arbeitszeit<br />

tatsächlich erzielte, quantitativ messbare Arbeitsresultat («Output») determiniert<br />

wird. Die Zeitspanne, die für das Hervorbringen des Arbeitsresultats<br />

benötigt wurde, ist zwar nicht unerheblich, aber von sek<strong>und</strong>ärer Bedeutung. 579<br />

Die real aufgewendete Arbeitszeit ist nur indirekt für die <strong>Lohn</strong>berechnung ausschlaggebend.<br />

Massgeblich ist eine zumeist nach arbeitswissenschaftlichen Methoden<br />

best<strong>im</strong>mte«Vorgabezeit». 580<br />

343 ImUmstand, dass der <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus «Akkordlohn» ein konkretes<br />

Arbeitsresultat voraussetzt, liegt der wesentliche Unterschied zum Zeitlohn.<br />

Be<strong>im</strong> Zeitlohn ist es ausreichend, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber<br />

seine Arbeitskraft <strong>im</strong> vertraglich vereinbarten, zeitlichen Rahmen zur Verfügung<br />

stellt, umden <strong>Lohn</strong>anspruch wachsen zu lassen. Be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

«Akkordlohn» ist eshingegen notwendig, dass der Arbeitnehmer<br />

vom Arbeitgeber erstens (Akkord-)Arbeit zugewiesen erhält, 581 <strong>und</strong> zweitens<br />

durch seine Arbeit ein quantitativ messbares Arbeitsresultat hervorbringt. Es<br />

gilt, dass ohne ein vom Arbeitnehmer erzieltes, quantitativ messbares Arbeitsergebnis<br />

der Akkordlohn als <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus nicht funktioniert<br />

bzw. kein <strong>Lohn</strong>betrag ermittelt werden kann, weil es an einer notwendigen<br />

Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

mangelt.<br />

344 Analog zum Zeitlohn wird vom Gesetz richtigerweise nicht definiert, worin das<br />

quantitativ messbare Arbeitsergebnis des Arbeitnehmers besteht <strong>und</strong> nach welcher<br />

Grösse oder Einheit das Arbeitsergebnis zu messen ist. Denn unter Berücksichtigung<br />

der konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers können verschiedene<br />

Arbeitsleistungen auf unterschiedliche Art <strong>und</strong> Weise gemessen werden. Die<br />

Bezugsgrösse 582 für das Quantitativ kann eine Stückzahl oder eine vom Arbeitnehmer<br />

bearbeitete Fläche sein, vom Gewicht oder vom (Volumen-)Mass ab-<br />

579<br />

580<br />

581<br />

582<br />

156<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326 N1f.; Birchmeier, S. 55; BSK OR<br />

I-Portmann, Art. 326 N3;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 326 N1;Carruzzo,<br />

Art. 326 S. 251; Geiser/Müller, N394; Schmid, S.58; Wyler, S. 160; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 326 N1f.<br />

Vgl. unten Rz. 345 sowie BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326a N1;Schoof, §51<br />

N13ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 326 N3; Vischer, S. 98; vgl. ferner den Entscheid<br />

des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom 4. November 1982 sowie des Appellationsgerichts<br />

Basel-Stadt vom 13. Dezember 1982, JAR 1983, S. 107.<br />

Art. 326 Abs. 1OR.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326a N2.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

hängig sein, sodass z.B. zwischen Stück-, Flächen-, Gewichts- oder Massakkord<br />

unterschieden werden kann. 583<br />

345 Ähnlich wie be<strong>im</strong> Zeitlohn kann die Ermittlung des <strong>Lohn</strong>s bei einer Akkordlohnvereinbarung<br />

wiederum als Ergebnis einer Multiplikation verstanden werden.<br />

Je nachdem, wie die Faktoren dieser Rechnung gestaltet werden, lassen<br />

sich unterschiedliche Akkordlohnformen unterscheiden. Be<strong>im</strong> sogenannten<br />

«Geld- oder Stückakkord» wird einer quantitativen Einheit (z.B. pro Stück, pro<br />

Tonne, pro Quadratmeter, pro Kubikmeter) direkt ein «<strong>Lohn</strong>satz» zugeordnet.<br />

Der Akkordlohn lässt sich dann durch einfache Multiplikation berechnen. Die<br />

Zeit, welche der Arbeitnehmer für die Produktion einer quantitativen Einheit<br />

benötigt, ist dabei <strong>im</strong><strong>Lohn</strong>satz indirekt schon berücksichtigt, ohne dass diese<br />

aber ausgewiesen würde. Insofern weiss der Arbeitnehmer nicht, wie eine<br />

durchschnittliche Normalleistung bei best<strong>im</strong>mter Arbeitszeit aussieht <strong>und</strong> wie<br />

hoch der damiterzielbare Normallohn ausfällt.<br />

346 Be<strong>im</strong> «Zeitakkord» wird demgegenüber vorab ermittelt, wie viel Zeit von einem<br />

normalen Arbeitnehmer <strong>im</strong>Durchschnitt benötigt wird, umeine oder mehrere<br />

quantitative Einheiten fertigzustellen. Diese Zeit wird als Vorgabezeit bezeichnet.<br />

Jeder Minute (oder St<strong>und</strong>e) dieser Vorgabezeit wird ein Geldbetrag,<br />

der Geldfaktor, zugeordnet, welcher vom vorgesehenen <strong>Lohn</strong> (z.B. pro Stück,<br />

pro Tonne, pro Quadratmeter), der Akkordbasis, abhängt. Nachdem eine best<strong>im</strong>mte<br />

Zeit effektiv gearbeitet worden ist, wird der Akkordlohn schliesslich<br />

dadurch best<strong>im</strong>mt, dass das effektive Arbeitsergebnis (z.B. die Stückzahl) mit<br />

der Vorgabezeit pro Einheit (nicht aber der effektiv für die Herstellung oder<br />

Bearbeitung einer quantitativen Einheit benötigten Arbeitszeit) <strong>und</strong> dem Geldfaktor<br />

pro Vorgabeminute (oder -st<strong>und</strong>e) multipliziert wird. 584 Selbst wenn der<br />

583<br />

584<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326a N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art.326 N2.<br />

Zeitakkord-Beispiel: Die Vorgabezeit pro Stück liege bei 60 Minuten, der <strong>Lohn</strong> pro<br />

Stück betrage CHF 36.- (Akkordbasis) <strong>und</strong> der Geldfaktor pro Minute liege folglich<br />

bei CHF 0.60 (CHF 36.- :60Minuten). Die Arbeitnehmer 1,2<strong>und</strong> 3arbeiten effektiv<br />

je 8St<strong>und</strong>en.<br />

Arbeitnehmer 1 fertigt innert 8 St<strong>und</strong>en effektiver Arbeitszeit 8 Stück. Für diese<br />

8Stück werden ihm pro Stück je 60 Vorgabeminuten gutgeschrieben <strong>und</strong> mit dem<br />

Geldfaktor von CHF 0.60 pro Vorgabeminute multipliziert. Die Akkordlohnrechnung<br />

lautet: 8x60x0.6 =CHF 288.- pro Tag, woraus sich ein St<strong>und</strong>enlohn von CHF 36.ergibt.<br />

Arbeitnehmer 1erbringt die Normalleistung, da die effektiv benötigte Zeit für<br />

die Herstellung eines Stücks der Vorgabezeit pro Stück entspricht.<br />

Arbeitnehmer 2fertigt 10Stück innert 8St<strong>und</strong>en effektiver Arbeit. Arbeitnehmer 2<br />

erhält damit 600 Vorgabeminuten, obwohl er nur 480 Minuten effektiv gearbeitet hat.<br />

Die Akkordlohnrechnung lautet: 10x60 x0.6 =CHF 360.- pro Tag. Der St<strong>und</strong>enlohn<br />

beläuft sich auf CHF 45.-, da Arbeitnehmer 2schneller gearbeitet <strong>und</strong> mehr produziert<br />

hat. Die Arbeitsleistung von Arbeitnehmer 2liegt über der Normalleistung gemäss<br />

Vorgabezeit.<br />

157


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

158<br />

Zeitakkord intuitiv nicht soleicht nachvollziehbar ist wie der Stückakkord, wird<br />

heute ingrösseren Betrieben meist der Zeitakkord bevorzugt, dadieser sich<br />

leichter <strong>und</strong> differenzierter an veränderte Verhältnisse 585 anpassen lässt. 586<br />

347 Allen reinen Akkordlohnformen ist gemeinsam, dass sich der <strong>Lohn</strong> bei steigender<br />

quantitativer Arbeitsleistung erhöht. Aus Perspektive des Arbeitnehmers<br />

kann der reine Akkordlohn auf die einfache Formel «je höher die quantitative<br />

Leistung, desto höher der <strong>Lohn</strong>» gebracht werden. Damit der Akkordlohn sinnvoll<br />

eingesetzt werden kann, ist es allerdings erforderlich, dass der Arbeitnehmer<br />

das quantitative Arbeitsergebnis durch Einsatzwille, Fleiss <strong>und</strong> Geschick<br />

beeinflussen kann. Ist dies nicht der Fall, ist eine Akkordlohnvereinbarung ungeeignet.<br />

Die <strong>Lohn</strong>steigerung auf einer Akkordlohnkurve ist dabei meist linear.<br />

Mischformen sind indessen möglich, sodass sich auf einer Akkordlohnkurve lineare<br />

Abschnitte mit progressiven <strong>und</strong> degressiven Abschnitten abwechseln<br />

können. 587<br />

348 Dadie Anreizstruktur be<strong>im</strong> Akkordlohn inverschiedener Hinsicht auch negative<br />

Auswirkungen mit sich bringen kann, 588 kommt ein reiner Akkordlohn, der<br />

über längere Zeit beibehalten wird, nur selten vor. Häufiger sind Mischformen<br />

zwischen Zeit- <strong>und</strong> Akkordlohn anzutreffen. 589 So kommen etwa Vereinbarungen<br />

vor, indenen ein gewisser (Mindest-)Zeitlohn garantiert wird. Zum Zeitlohn<br />

kann –abeiner quantitativen Leistungsschwelle –ein zusätzliches Akkordlohnelement<br />

hinzutreten, das bei guter Leistung den <strong>Lohn</strong> erhöht, allerdingsauchdurch<br />

ein Akkordmax<strong>im</strong>umbegrenzt werden kann.<br />

349 Eine Gemeinsamkeit des Zeitlohns <strong>und</strong> des Akkordlohns besteht darin, dass es<br />

auch be<strong>im</strong> Akkordlohn nicht auf einen «Erfolg» ankommt. Solange der Arbeit-<br />

585<br />

586<br />

587<br />

588<br />

589<br />

Arbeitnehmer 3fertigt innert 8St<strong>und</strong>en effektiver Arbeit 6Stück. Er erhält dafür 360<br />

Vorgabeminuten gutgeschrieben, obwohl er effektiv 480 Minuten gearbeitet hat. Die<br />

Akkordlohnrechnung lautet: 6x60x0.6 =CHF 216.- pro Tag, woraus sich ein St<strong>und</strong>enlohn<br />

von CHF 27.- ergibt. Die Arbeitsleistung von Arbeitnehmer 3liegt unter der<br />

Normalleistung gemäss Vorgabezeit.<br />

Z.B. wenn neue Maschinen angeschafft werden <strong>und</strong> dadurch schneller produziert werden<br />

kann, kann be<strong>im</strong> Zeitakkord z.B. sowohl die Vorgabezeit als auch der Geldfaktor<br />

angepasst werden, was die Transparenz erhöht.<br />

Vgl. zum Ganzen: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326a N1ff., Schmid, S. 58 ff.;<br />

Schoof, § 53 N12ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 326a N2; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 326 N1ff.<br />

Vischer, S. 99; vgl. auch Schmid, S. 60 f.<br />

Z.B. in Form von erhöhtem Verschleiss an Maschinen <strong>und</strong> Verbrauchsmaterial oder<br />

einer höheren Ausschussquote, weil ein Arbeitnehmer versucht, möglichst schnell<br />

möglichst viel an Arbeitsleistung zu erbringen, oder weil der Leistungsdruck be<strong>im</strong> Ar-<br />

beitnehmer ges<strong>und</strong>heitsschädigendeFolgen zeitigen könnte.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326 N4; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 326 N1;Schmid, S. 60; Schweingruber, Art. 326 Ziff. 2.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

nehmer seine Sorgfaltspflichten bei der Ausübung seiner Akkordlohntätigkeit<br />

nicht verletzt, sodass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen<br />

Schadenersatzanspruch geltend machen könnte, ist der Arbeitgeber verpflichtet,<br />

den vereinbarten Akkordlohn zuzahlen. 590 Kann dem Arbeitnehmer keine Verletzung<br />

seiner Pflichten zur Last gelegt werden, ist es unerheblich, ob das <strong>im</strong><br />

Akkord geschaffene Arbeitsergebnis z.B. nachgebessert werden muss oder für<br />

den Arbeitgeber allenfalls ganz oder teilweise unbrauchbar ist. Da dies allerdings<br />

für den Arbeitgeber wiederum unbefriedigend sein kann, ist es möglich<br />

<strong>und</strong> zulässig, einen höheren Akkordlohn für ein qualitativ hochwertigeres Arbeitsergebnis<br />

vorzusehen. 591<br />

C. DerBeteiligungs- oderProzentlohn<br />

350 Die charakteristische Eigenheit des «Beteiligungs- oder Prozentlohns» besteht<br />

darin, dass die Berechnung des <strong>Lohn</strong>s inirgendeiner Weise von einer Grösse<br />

abhängt, welche von den Parteien aus wirtschaftlicher Sicht von (positiver) Bedeutung<br />

ist. Genauer betrachtet kann der Beteiligungs- oder Prozentlohn von<br />

einem Geldbetrag, einer anderen, wirtschaftlich relevanten Masszahl oder aber<br />

auf einer Kombination von wirtschaftlich relevanten Faktoren beruhen, die einengewünschten<br />

Geschäftsvorgang <strong>im</strong> Unternehmenbeschreiben.<br />

590<br />

591<br />

Darin besteht auch ein Abgrenzungskriterium zum Werkvertrag, woder Unternehmer<br />

einen Erfolg schuldet; vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326 N10; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 326 N1; Streiff/von Kaenel, Art. 319 N4; Vischer,<br />

S. 98; Wyler, S.160; ZH-Komm.-Staehelin, Art.326 N1.<br />

Das Zeitakkord-Beispiel gemäss Fn. 584 könnte unter Berücksichtigung einer Qualitätskomponente<br />

wie folgt ergänzt werden: Jedes produzierte Stück wird in eine Qualitätsklasse<br />

A,Boder Ceingeteilt. Für ein Stück der Qualitätsklasse Aerhält der Arbeitnehmer<br />

einen Zuschlag von 30 Vorgabeminuten (oder +CHF 18.-), für ein Stück<br />

der Qualitätsklasse Bgibt eskeinen Zuschlag, für ein Stück der Qualitätsklasse Cgibt<br />

es einen Abschlag von 15 Vorgabeminuten (oder –CHF 9.-).<br />

Arbeitnehmer 1fertigt innert 8St<strong>und</strong>en effektiver Arbeit 3Stück der Qualitätsklasse<br />

A, 3Stück der Qualitätsklasse B<strong>und</strong> 2Stück der Qualitätsklasse C. Die Qualitätskomponente<br />

führt zufolgenden Zuschlägen <strong>und</strong> Abschlägen: 3x30–2x15=60<br />

Vorgabeminuten. Die Akkordlohnrechnung lautet: (8 x60+60) x0.6 =CHF 324.pro<br />

Tag, woraus sich ein St<strong>und</strong>enlohn von CHF 40.50 ergibt.<br />

Arbeitnehmer 2fertigt innert 8St<strong>und</strong>en effektiver Arbeit 1Stück der Qualitätsklasse<br />

A, 3Stück der Qualitätsklasse B<strong>und</strong> 6Stück der Qualitätsklasse C. Die Qualitätskomponente<br />

führt zufolgenden Zuschlägen <strong>und</strong> Abschlägen: 1x30–6x15=–60<br />

Vorgabeminuten. Die Akkordlohnrechnung lautet: (10 x60-60) x0.6 =CHF 324.pro<br />

Tag, woraus sich ein St<strong>und</strong>enlohn von CHF 40.50 ergibt.<br />

Arbeitnehmer 3 fertigt innert 8 St<strong>und</strong>en effektiver Arbeit 6 Stück der Qualitätsklasse<br />

A. Die Qualitätskomponente führt zufolgenden Zuschlägen: 6x30=180 Vorgabeminuten.<br />

Die Akkordlohnrechnung lautet: (6 x60+180) x0.6 =CHF 324.- pro<br />

Tag, woraus sich ein St<strong>und</strong>enlohn von CHF 40.50 ergibt.<br />

159


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

351 Für die inGeld bestehenden Grössen, welche für den Beteiligungs- oder Prozentlohn<br />

infrage kommen können, nennt das Gesetz verschiedene Beispiele.<br />

Art. 322a Abs.1OR erwähnt z.B. den Gewinn sowie den Umsatz sowie andere<br />

Grössen, welche ein Ergebnis der Geschäftstätigkeit des arbeitgebenden Unternehmens,<br />

eines Geschäftszweigs oder einer Abteilung zum Ausdruck bringen.<br />

Art. 322c Abs.1OR hält fest, dass sich die Provision nach best<strong>im</strong>mten Geschäften<br />

bzw.einzelnen Transaktionen oderGeschäftsvorgängen berechnet.<br />

D. DerLeistungslohn<strong>und</strong> derErfolgslohn<br />

352 Der Leistungslohn <strong>und</strong> der Erfolgslohn bezeichnen nach der hierin verwendeten<br />

Terminologie keine <strong>Lohn</strong>berechnungsmethoden, sondern <strong>Lohn</strong>kategorien. 592<br />

Der Leistungslohn <strong>und</strong> der Erfolgslohn sind sich dahingehend ähnlich, als dass<br />

beide <strong>im</strong>Prinzip auf einer positiven Korrelation zwischen Leistung bzw. Erfolg<br />

einerseits <strong>und</strong> der <strong>Lohn</strong>höhe andererseits beruhen. Je besser die Leistung bzw.<br />

je grösser derErfolg,umso höher der<strong>Lohn</strong>.<br />

353 Aus neutralem Blickwinkel beschreibt der Begriff des «Leistungslohns» den<br />

Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dem<br />

<strong>Lohn</strong>. Der <strong>Lohn</strong> ist von der Arbeitsleistung abhängig. Ineiner leistungsorientierten<br />

Gesellschaft sowie unter meritokratischen Gesichtspunkten dürfte gelten,<br />

dass es wertungsmässig akzeptiert ist, wenn eine «bessere» Leistung zu einem<br />

«besseren», sprich höheren,<strong>Lohn</strong>führtals eine schlechtereLeistung. 593 AlsKriterien<br />

für die Messung der Leistung können gr<strong>und</strong>sätzlich qualitative <strong>und</strong>/oder<br />

quantitative Elemente in variabler Gewichtung <strong>und</strong> diese wiederum jeweils mit<br />

oderohneBerücksichtigung einer zeitlichen Komponente infragekommen.<br />

354 Unter Erfolgslohn wird hierin eine Vergütung verstanden, bei welcher der <strong>Lohn</strong><br />

einzig in Abhängigkeit von einem erzielten, als positiv bewerteten wirtschaftlichen<br />

Ergebnis best<strong>im</strong>mt wird. Das wirtschaftliche Ergebnis kann dabei aus einem<br />

oder mehreren Faktoren bestehen, die in verschiedener Weise miteinander<br />

verknüpft werden können. Zwar ist auch be<strong>im</strong> Erfolgslohn eine Arbeitsleistung<br />

592<br />

593<br />

160<br />

Senti, Gratifikation, S. 8, bezeichnet den Leistungslohn –<strong>im</strong>Gegensatz zum Zeitlohn<br />

–als Zahlung, auf die ein Anspruch entsteht, wenn das vereinbarte Ziel erreicht<br />

wird.<br />

Vischer, S. 98, erwähnt <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Akkordlohn, dass dieser dem<br />

Prinzip der Leistungsgerechtigkeit entspricht <strong>und</strong> andie Tendenz des Menschen zum<br />

Wettbewerb appelliert. Wertungskonflikte dürften sich be<strong>im</strong> Leistungslohn am ehesten<br />

dann einstellen, wenn die Proportionalität zwischen Leistung <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> kaum mehr ersichtlich<br />

ist bzw. aufgegeben wird. Z.B. dürfte eswesentlich von den persönlichen<br />

Wertmassstäben einer Person abhängen, ob es (gerade noch) als fair oder recht <strong>und</strong><br />

billig betrachtet werden kann, wenn eine nur wenig bessere Leistung zu einem überproportional<br />

höheren <strong>Lohn</strong> bzw. eine nur wenig schlechtere Leistung zueinem überproportional<br />

geringeren <strong>Lohn</strong> führt.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

eines (oder mehrerer) Arbeitnehmer vorausgesetzt. Die Qualität <strong>und</strong>/oder Quantität<br />

der Arbeitsleistung ist aber –nach der allgemeinen Lebenserfahrung –häufig<br />

nicht allein ausschlaggebend für den Erfolg. 594 Der Erfolgslohn, der teilweise<br />

auch als unechter Leistungslohn bezeichnet wird, zeichnet sich somit dadurch<br />

aus, dass neben der Arbeitsleistung weitere, vom Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber<br />

nicht oder nur beschränkt beeinflussbare, unternehmensinterne <strong>und</strong> -<br />

externeUmstände aufden fürden <strong>Lohn</strong> relevanten Faktor «Erfolg» einwirken.<br />

XI. Die <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel<br />

A. DerGeldlohn<br />

1. Allgemeines<br />

355 Inden meisten Arbeitsverträgen vereinbaren die Parteien, dass der <strong>Lohn</strong> ausschliesslich<br />

inGeld bezahlt werden soll. Der Gr<strong>und</strong> dafür dürfte in den Funktionen<br />

des Geldes liegen. InAbhängigkeit vom Zusammenhang, in welchem der<br />

Begriff «Geld» verwendet wird, hat «Geld» eine Zahlungs- oder Tauschfunktion,<br />

eine Wertaufbewahrungs- <strong>und</strong> Investitionsfunktion, die Funktion einer Recheneinheit<br />

sowie die Funktion eines Wertmassstabs, welcher die Vergleichbarkeit<br />

des Werts von Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen ermöglicht bzw. erhöht. In<br />

ökonomischer Hinsicht sind auch der Zeitwert sowie die Kaufkraft von Geld<br />

von Bedeutung. Obwohl der Begriff «Geld» alltäglich ist, fehlt dennoch eine<br />

allgemeine <strong>und</strong> klare Begriffsbest<strong>im</strong>mung. 595<br />

356 Bei den Erscheinungsformen von Geld wird zumeist zwischen Bargeld <strong>und</strong> Giralgeld<br />

unterschieden. Bargeld bezeichnet die von staatlichen Stellen ausgegebenen<br />

Banknoten <strong>und</strong> Münzen, die kraft gesetzlicher Anordnung als gesetzliches<br />

Zahlungsmittel gelten. Gesetzliche Zahlungsmittel der geschuldeten Währung<br />

müssen vom Gläubiger als Zahlung gr<strong>und</strong>sätzlich angenommen werden,<br />

andernfalls der Gläubiger inAnnahmeverzug gerät. 596 Demgegenüber bezeichnet<br />

Giralgeld (teilweise auch Sichtguthaben oder Buchgeld genannt) ein Guthaben<br />

auf einem Konto (in der Regel bei einer Bank oder bei der Post), welches<br />

gemäss den vertraglich vereinbarten Kontobedingungen sofort verfügbar ist.<br />

Der Kontoinhaber kann das sofort verfügbare Sichtguthaben, welches gr<strong>und</strong>-<br />

594<br />

595<br />

596<br />

Z.B. kann die objektiv bessere Leistung oder das objektiv bessere Produkt mit dem<br />

besten Preis-Leistungs-Verhältnis auf dem Markt trotzdem nicht ankommen. Ebenso<br />

ist es möglich, dass ein objektiv an sich schlechtes Produkt oder eine objektiv ansich<br />

schlechte Leistung am Markt dennoch sehr erfolgreichist.<br />

Vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N9ff.; BSK OR I-Leu, Art. 84 N2;Vischer, Geld<strong>und</strong><br />

Währung, N9;ZH-Komm.-Schraner, Art. 84N4f.m.w.H., kommt daher in einer<br />

funktionalen Betrachtungsweise zum Schluss, dass «Geld ist, was als Geld funktioniert».<br />

Vgl. Art. 84 Abs. 1ORi.V.m. Art. 91 OR.<br />

161


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

162<br />

sätzlich eine Forderung auf Bargeld gegenüber dem kontoführenden Institut<br />

darstellt, 597 entweder in bar abheben oder zum bargeldlosen Zahlungsverkehr<br />

verwenden. Giralgeld bildet somit die Gr<strong>und</strong>lage für den bargeldlosen <strong>und</strong> heute<br />

überwiegend elektronisch abgewickelten Zahlungsverkehr. Giralgeld, das<br />

mittels Überweisung transferiert wird, ist –mit Ausnahme eines hier nicht relevanten<br />

Spezialfalls –gemäss Art. 2lit. cWZG i.V.m. Art. 3Abs.3WZG aber<br />

kein gesetzliches Zahlungsmittel. 598<br />

357 Die Funktionen des Geldes sowie die Annahmepflicht von gesetzlichen Zahlungsmitteln,<br />

welche die gesetzlichen Zahlungsmittel <strong>im</strong> Rahmen von<br />

Art. 3WZG vollständig fungibel machen, führen dazu, dass der Geldlohn sowohl<br />

für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber in den meisten Fällen zum<br />

geeignetsten Zahlungsmittel zur Tilgung der <strong>Lohn</strong>forderung wird. Wird die<br />

<strong>Lohn</strong>forderung zudem –wie esheute meist der Fall ist –bargeldlos mittels eines<br />

elektronischen Transfers von einem Konto des Arbeitgebers auf ein Konto<br />

des Arbeitnehmers überwiesen, ist die bargeldlose Überweisung des <strong>Lohn</strong>s<br />

wohl auch die günstigste Form der Zahlung von Geldlohn. Die Ausrichtung von<br />

Geldlohn ist effektiv <strong>und</strong> effizient.<br />

358 Die Vorteile des Geldlohns können aber nicht vollumfänglich darüber hinwegtäuschen,<br />

dass sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Geldlohn auch rechtliche<br />

Schwierigkeiten ergeben können. Inrechtlicher Hinsicht geht es ins<strong>besondere</strong><br />

um die richtige Erfüllung einer Geldschuld. Sobald eine Schuld mit Geld 599 getilgt<br />

werden soll, eröffnen sich zudem nebst etwaigen rechtlichen Schwierigkeiten<br />

bei der Erfüllung auch drei ökonomische Problemkreise, welche das Recht<br />

in unterschiedlicher Tiefe behandelt. Diese drei ökonomischen Problemkreise<br />

sind der Zeitwert des Geldes, 600 die Kaufkraft des Geldes 601 <strong>und</strong> die Existenz<br />

597<br />

598<br />

599<br />

600<br />

601<br />

Vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, N2312.<br />

Koller, §41N20, Fn. 9<strong>und</strong> N26; KUKO OR-Gross/Sprecher, Art. 84 N8;teilweise<br />

anders <strong>und</strong>/oder differenzierend: BE-Komm.-Weber, Art. 84 N40ff.; Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N2315 f.; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N12ff.<br />

Unabhängig von der Währung wird hier unter «Geldschuld» eine gewöhnliche Geldsummenschuld<br />

<strong>im</strong> Sinne einer «<strong>besondere</strong>n Gattungsschuld» verstanden. Die<br />

Gattungsschuld ist deshalb besonders, weil die «mittlere Qualität» (vgl. Art. 71<br />

Abs. 2OR) des Geldes keine Rolle spielt; vgl. Koller, §41N6sowie BE-Komm.-<br />

Weber, Art. 84 N130 ff.<br />

Der Zeitwert von Geld kann wie folgt umschrieben werden: «Ein Franken heute ist<br />

mehr wert als ein Franken morgen.» Gemeint ist Folgendes: Existiert ein Markt, der<br />

die Anlage von Geld zu einem (risikolosen) Zinssatz ermöglicht, führt dies dazu, dass<br />

ein Franken, der heute angelegt wird, mehr Wert besitzt als ein Franken, welchen man<br />

erst morgen erhält. Der Wertunterschied liegt <strong>im</strong> (risikolosen) Zins, der für die Anlage<br />

des Frankens bezahlt wird.<br />

Mit der Kaufkraft des Geldes ist ein Massstab für den Geldwert gemeint. Umeinen<br />

Massstab für den Wert des Geldes zu erhalten, wird ein möglichst repräsentativer Warenkorb<br />

zusammengestellt <strong>und</strong> danach ermittelt, wie viel für die Güter dieses Waren-


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

von verschiedenen Währungen, 602 denen aufgr<strong>und</strong> von sich verändernden WertrelationenWechselkursrisiken<br />

anhaften.<br />

359 Unabhängig von der Währung einer Geldforderung sind der Zeitwert <strong>und</strong> die<br />

Kaufkraft von Geld gr<strong>und</strong>sätzlich bei jeder Geldforderung von mehr oder minder<br />

grosser Bedeutung. Die Währungsproblematik hingegen kommt meist nur<br />

in Verhältnissen mit internationalem Bezug zum Tragen. Ist –aus schweizerischer<br />

Perspektive –in einem Rechtsverhältnis eine Fremdwährung relevant<br />

(z.B. weil die Zahlung inEuro, Pf<strong>und</strong> oder US-Dollar erfolgen soll), ist <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf das Zusammenspiel der drei ökonomischen Problemkreise des Geldes<br />

auch darauf hinzuweisen, dass der Zeitwert <strong>und</strong> die Kaufkraft von Geld, welche<br />

sich beide <strong>im</strong>Wirtschaftsgeschehen täglich ändern können, bei jeder Währung<br />

unterschiedlich sind.<br />

360 Daessich be<strong>im</strong> Arbeitsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis 603 handelt, haben<br />

der Zeitwert <strong>und</strong> die Kaufkraft des Geldes tendenziell eine grössere Bedeutung<br />

als bei Vertragsverhältnissen, deren Abschluss <strong>und</strong> Erfüllung zeitlich praktisch<br />

zusammenfallen. 604 Aufgr<strong>und</strong> der eminenten Bedeutung des Geldlohns rechtfertigt<br />

essich daher, diese beiden Problemkreise aus arbeitsrechtlicher Sicht näher<br />

zu betrachten. 605 Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Mobilität der Arbeitnehmer, die nicht<br />

zuletzt auf den Abbau von Schranken <strong>im</strong>Ausländerrecht zurückzuführen ist, 606<br />

soll nachfolgend auch die Zahlung des Geldlohns inin- <strong>und</strong> ausländischer Währung<br />

betrachtet werden. 607<br />

602<br />

603<br />

604<br />

605<br />

606<br />

607<br />

korbs über alle Anbieter hinweg durchschnittlich bezahlt werden muss. Steigt der Preis<br />

für die Güter des Warenkorbs <strong>im</strong> Inland, n<strong>im</strong>mt die Kaufkraft des Geldes <strong>im</strong> Inland<br />

ab; eswird von Inflation gesprochen. Sinkt der Preis für die Güter des Warenkorbs,<br />

n<strong>im</strong>mt die Kaufkraft des Geldes <strong>im</strong> Inland zu; es wird von Deflation gesprochen. Im<br />

internationalen Verhältnis ermöglichen es die Wechselkurse zwischen Währungen, das<br />

Preis- <strong>und</strong> Kaufkraftniveau inverschiedenen Ländern zu vergleichen.<br />

Nachfolgend wird hier davon ausgegangen, dass die infrage stehenden Währungen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich keinen Devisenbeschränkungen unterworfen <strong>und</strong> untereinander frei handelbar<br />

sind.<br />

Vgl. oben Rz. 8ff.<br />

Be<strong>im</strong> sogenannten Handkauf (z.B. dem Kauf einer Zeitschrift amKiosk) spielt der<br />

Zeitwert von Geld in der Praxis keine Rolle. Im Vordergr<strong>und</strong> steht vielmehr der Preis<br />

der Zeitschrift; also die Frage, wie viel für die Zeitschrift bezahlt werden muss. Die<br />

Frage nach dem «wie viel» gehört zumProblemkreis der Kaufkraft des Geldes.<br />

Vgl. unten Rz. 361 ff.<br />

Abgesehen vom Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes (AuG) per 1. Januar 2008,<br />

welches das ANAG ablöste, dürfte das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der<br />

Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits <strong>und</strong> der Europäischen Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit von grösster Bedeutung<br />

sein (SR0.142.112.681; FZA).<br />

Vgl. unten Rz. 377 ff.<br />

163


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

2. Der Zeitwert von Geld <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis<br />

361 Unabhängig vom rechtlichen Kontext wird der Zeitwert von Geld <strong>im</strong>Allgemeinen<br />

durch den Zinssatz für eine (praktisch) risikolose Investition oder Anlage 608<br />

ausgedrückt. In Abhängigkeit von der Marktlage kann dieser Zinssatz unterschiedlich<br />

hoch sein. In der Schweiz darf die Angabe eines Jahreszinssatzes mit<br />

jährlicher Zinszahlung wohl als vorherrschend bezeichnet werden, 609 selbst<br />

wenn dies keineswegszwingend ist. 610<br />

362 Aus juristischer Perspektive ist der Zeitwert von Geld in Form von Zins in verschiedener<br />

Hinsicht von Bedeutung. So kann die Zahlung von Zins als Ausdruck<br />

des Zeitwerts von Geld ineinem Rechtsverhältnis eine (von eventuell<br />

mehreren) Hauptleistungspflicht(en) einer Partei sein. Dies trifft für die meisten<br />

Geschäfte <strong>im</strong> Bank- <strong>und</strong> Kreditwesen zu, indenen Bargeld, eine Forderung auf<br />

Geld oder Wertpapiere gegen die Zahlung von Zins ausgeliehen werden 611 <strong>und</strong><br />

der Kreditnehmer sich verpflichtet, das Kapital oder die Kreditsumme mit Zins<br />

nach vertraglicher Vereinbarung zurückzuzahlen. Instrafrechtlicher Hinsicht<br />

kann auf die Best<strong>im</strong>mung zum Wucher gemäss Art. 157 StGB hingewiesen<br />

werden, welche auf wucherische Zinssätze Anwendung finden könnte. 612 Mit<br />

Ausnahme von speziell gelagerten Konstellationen 613 ist <strong>im</strong> Arbeitsrecht die<br />

Zahlung von Zins <strong>im</strong> Sinne einer Hauptleistung nicht Gegenstand des Vertrags.<br />

Nicht die Zahlung von Zins, sondern die Zahlung von <strong>Lohn</strong> ist die Hauptleistungspflicht<br />

des Arbeitgebers. 614 Daher wird auf den Zins <strong>im</strong> Sinne eines Ent-<br />

608<br />

609<br />

610<br />

611<br />

612<br />

613<br />

614<br />

164<br />

Für den (praktisch) risikolosen Zinssatz wird regelmässig entweder der Zinssatz herangezogen,<br />

den erstklassige Banken für eine kurzfristige Geldmarktanlage bezahlen,<br />

oder es wird auf die Rendite abgestellt, welche Staatsanleihen von erstklassigen<br />

Schuldnerländern abwerfen.<br />

Vgl. auch Art. 314 Abs. 2OR.<br />

Möglich sind auch kürzere Zinsintervalle (z.B. monatlich, täglich bis hin zur kontinuierlichen<br />

Verzinsung). Die wirtschaftliche Bedeutung der Dauer des Zinsintervalls<br />

liegt <strong>im</strong>sogenannten Zinseszinseffekt. Zinseszins ist derjenige Zins, welcher auf einem<br />

bereits aufgelaufenen Zinsbetrag anwächst («Zins auf dem schon bezahlten<br />

Zins»). Zinseszins entsteht damit durch die «Mitverzinsung» von Zinsbeträgen, was zu<br />

einem exponentiellen Wachstum des ursprünglichen Anlagebetrages führt.<br />

Aus rechtlicher Perspektive kann es sich dabei z.B. umein Darlehen (Art. 312 ff. OR),<br />

den Verleih von Wertschriften, umeinen Konsumkredit nach KKG, wovon auch best<strong>im</strong>mte<br />

Leasingverträge sowie Kredit- <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enkarten mit Ratenzahlungsoption<br />

erfasst werden, umeinen Krediteröffnungsvertrag oder um einen Sparkassenvertrag<br />

handeln.<br />

Vgl. BGE 111 IV139 (E. 3c; 142); BGE 80 II 327 (E. 3b, 333).<br />

Z.B. bei einem <strong>Lohn</strong>rückbehalt (vgl. Art. 323a OR) oder falls der Arbeitnehmer dem<br />

Arbeitgeber (freiwillig) ineinem separaten, aber mit dem Arbeitsverhältnis verb<strong>und</strong>e-<br />

nen Vertrag ein Darlehen gewährt.<br />

Umgangssprachlich wird die Zahlung einer Geldschuld zuweilen auch als «Zins» bezeichnet<br />

(«Mietzins» oder «Pachtzins» für das Entgelt bei Gebrauchsüberlassungsver-


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

gelts für eine inder Regel vertragliche (Gegen-)Leistung hier nicht weiter eingegangen.<br />

363 Abgesehen von den gesetzlich geregelten Rechtsverhältnissen, indenen die<br />

Zahlung von Zins eine Hauptleistung einer Partei darstellen kann, 615 findet sich<br />

weder inden Art. 319–362 OR noch andernorts <strong>im</strong> OR eine Regel, welche sich<br />

in allgemeiner <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlicher Art mit der rechtlichen Behandlung<br />

des Zeitwerts des Geldes befasst. Trotz fehlender Gr<strong>und</strong>lage <strong>im</strong>Gesetz ist in<br />

Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung anerkannt, dass für Geldschulden das sogenannte<br />

Nennwertprinzip 616 gilt. 617 Das Nennwertprinzip besagt, dass eine bezifferte<br />

Geld(summen)schuld sich nicht verändert <strong>und</strong> getilgt ist, wenn die zur Zahlung<br />

verwendeten gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Zahlungsmittel <strong>im</strong> Zeitpunktder<br />

Fälligkeit zusammengezählt derGeld(summen)schuld entsprechen. 618<br />

364 Vom Zeitwert des Geldes <strong>im</strong>Allgemeinen, der aufgr<strong>und</strong> des Nennwertprinzips<br />

vom Gesetz bei vertraglichen Beziehungen nicht berücksichtigt wird, sind diejenigen<br />

Fälle zuunterscheiden, indenen einevertraglich begründete Geldschuld<br />

trotz Fälligkeit nicht pünktlich geleistet wird. Bei unpünktlicher Zahlung einer<br />

Geldschuld liegt aufseiten des Schuldners eine Leistungsstörung vor. Für die<br />

verspätete Erfüllung 619 bzw. für den Verzug 620 hält das Gesetz <strong>im</strong> allgemeinen<br />

615<br />

616<br />

617<br />

618<br />

619<br />

620<br />

trägen), obwohl es dabei nicht um Zins als Vergütung für das Überlassen von Geld<br />

geht.<br />

Vgl. z.B. Art. 313 OR für das Darlehen.<br />

BGE 134 III 151 (153 f.; E.2.1); BGE 57 II 368 (370, E. 3); BGE 51 II 303 (306 ff.,<br />

E. 3); BE-Komm.-Weber, Art. 84 N179; BSK OR I-Leu, Art. 84 N5;Vischer, Geld<strong>und</strong><br />

Währung, N91 ff.; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N73. Das Nennwertprinzip<br />

wird teilweise auch als Nennwerttheorie, Gr<strong>und</strong>satz des Nominalismus, nominalistisches<br />

Prinzip oder als Nominalismus bezeichnet <strong>und</strong> <strong>im</strong> Sinnspruch «Ein Franken (ist<br />

<strong>und</strong>) bleibt ein Franken» zusammengefasst.<br />

Das Nennwertprinzip gilt nicht absolut, sondern wird verschiedentlich durchbrochen.<br />

Die wichtigsten Fälle, in denen das Nennwertprinzip keine Anwendung findet, sind<br />

die sogenannten Geldwertschulden (<strong>im</strong> Gegensatz zu Geldsummenschulden). Die<br />

wichtigsten Geldwertschulden sind z.B. Schadenersatzforderungen (Schadenersatz für<br />

einen Versorgerschaden gemäss Art. 45 Abs. 3ORoder bei ganzer oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit<br />

wegen Körperverletzung gemäss Art. 46 OR), Bereicherungsansprüche<br />

<strong>und</strong> Unterhaltsforderungen; vgl. dazu BE-Komm.-Weber, Art. 84 N196 ff.; ZH-<br />

Komm.-Schraner, Art. 84 N81ff. Bei einem Versorgerschaden oder Schadenersatzansprüchen<br />

wegen Körperverletzung wird inder Praxis meist eine einmalige Kapitalzahlung<br />

vorgenommen. Im Rahmen der Berechnung der einmaligen Kapitalzahlung wird<br />

der Zeitwert des Geldes berücksichtigt, indem künftiges Einkommen auf den Urteilsoder<br />

Zahlungszeitpunkt mit einem kalkulatorischen Zinssatz abdiskontiert wird.<br />

Vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N179; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N80ff.<br />

Vgl. Art. 103 Abs. 1OR.<br />

Vgl. Art. 102 Abs. 1OR.<br />

165


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

166<br />

Teil des ORRegeln bereit. 621 In Verzugsfällen wird der Zeitwert von Geld somit<br />

von Gesetzes wegen berücksichtigt. Der Gläubiger kann bei Vorliegen von<br />

best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen Verzugszinsvon 5Prozent 622 pro Jahrfordern.<br />

365 Vorausgesetzt, dass zwischen Entstehung der Geldschuld <strong>und</strong> dem Zeitpunkt<br />

ihrer Fälligkeit eine gewisse Zeitspanne vergeht –womit der Zeitwert des Geldes,<br />

abgesehen von den Fällen der Zinszahlung als Hauptleistung <strong>und</strong> des Verzugs,<br />

erst seine Bedeutung erlangt –, hat das Nennwertprinzip zur Folge, dass<br />

der Zeitwert des Geldes bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit einer betragsmässig<br />

festgelegten Geldschuld ohne Bedeutung ist. Wohl nicht zuletzt deshalb gehen<br />

die Begründungen für die Geltung des Nennwertprinzips teilweise recht weit<br />

auseinander. Der überzeugendste Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> für die Geltung des<br />

Nennwertprinzips bei vertraglich begründeten Geldschulden dürfte wohl<br />

schlicht inseiner Einfachheit <strong>und</strong> Praktikabilität <strong>im</strong> täglichen Geschäftsleben<br />

liegen. 623<br />

366 Obwohl somit der Zeitwert des Geldes aufgr<strong>und</strong> des Nennwertprinzips gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht berücksichtigt wird, bedeutet dies nicht, dass der Zeitwert des<br />

Geldes von den Parteien nicht aus Eigeninitiative berücksichtigt <strong>und</strong> vertraglich<br />

geregelt werden könnte. Esist den Parteien unbenommen, den Zeitwert des<br />

Geldes <strong>im</strong> Rahmen eines Geschäfts einzukalkulieren. Soll der Zeitwert des Geldes<br />

berücksichtigt werden, ist indes der Gläubiger der Geldschuld gehalten, den<br />

Zeitwert des Geldes mittels eines kalkulatorischen Zinssatzes bei der Best<strong>im</strong>mung<br />

der Höhe der Geldschuld einzuberechnen. Ob <strong>und</strong> inwieweit dies einem<br />

(potenziellen) Gläubiger in einem für seinen Kontrahenten ersichtlichen Ausmass<br />

gelingen wird, ist zum einen eine Frage der Transparenz <strong>und</strong> zum anderen<br />

abhängig von der Marktsituation <strong>und</strong> der jeweiligen Verhandlungsstärke der<br />

Parteien.<br />

367 Eine Konstellation, in welcher eine Leistung <strong>und</strong> die dafür geschuldete Gegenleistung<br />

in Geld nicht zum gleichen Zeitpunkt erbracht werden, liegt auch <strong>im</strong><br />

Arbeitsverhältnis vor. Der Arbeitnehmer ist regelmässig vorleistungspflichtig,<br />

624 da mangels anderer Übung, Abrede oder Vorschrift in einem Gesamtoder<br />

Normalarbeitsvertrag der Geldlohn gemäss Art. 323 Abs.1OR Ende jeden<br />

Monats auszurichten ist. 625 Der nachschüssig entrichtete Monatslohn ist die häu-<br />

621<br />

622<br />

623<br />

624<br />

625<br />

Vgl. Art. 104 <strong>und</strong> 105 OR, welche die Frage der Verzugszinsen für Geldschulden einerseits<br />

<strong>und</strong> Verzugszins auf (Kapital-)Zinsen, Renten <strong>und</strong> Geldschenkungen andererseits<br />

regeln.<br />

Vgl. Art. 104 Abs. 1OR.<br />

Für weitere Gründe vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N182; Vischer, Geld- <strong>und</strong> Währung,<br />

N101 ff. sowie die Hinweise bei ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N77.<br />

Brand/Dürr et al., Art.323 N1; Duc/Subilia, Art. 323 N3; Vischer, S. 94; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 323 N2.<br />

Zur Fälligkeit des <strong>Lohn</strong>s vgl. auch unten Rz. 412 ff.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

figste Form der Zahlung des regelmässig auszuzahlenden Geldlohns. Dajedoch<br />

ein Monateine relativ kurze Zeitspanne ist, kommt demZeitwert des Geldes bei<br />

Vereinbarung der Zahlung des Geldlohns <strong>im</strong>Monatsrhythmus in finanzieller<br />

Hinsicht –ins<strong>besondere</strong> in Zeiten mit einem tiefen, risikolosen Zinssatz –keine<br />

sehr grosse Bedeutung zu. 626 Anders kann die Sache jedoch liegen, wenn zwischen<br />

der Entstehung des Anspruchs auf eine Geldlohnsumme <strong>und</strong> deren Fälligkeit<br />

ein wesentlich längerer Zeitraum –wie dies bei einigen <strong>Vergütungsformen</strong><br />

der Fall sein kann –liegt.<br />

3. DieKaufkraft von Geld <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis<br />

368 Für die rechtliche Behandlung der Kaufkraft des Geldes kann auf die Ausführungen<br />

zum Zeitwert des Geldes zurückgegriffen werden. Von Gesetzes wegen<br />

werden Veränderungen der Kaufkraft von vertraglich begründeten Geldschulden<br />

zwischen dem Zeitpunkt ihrer Entstehung <strong>und</strong> ihrer Fälligkeit weder <strong>im</strong><br />

Allgemeinen noch in den Art. 31–362 OR für das Arbeitsverhältnis <strong>im</strong> Besonderen<br />

berücksichtigt. 627 Es gilt erneut das Nennwertprinzip. Die sich daraus ergebende<br />

Folge besteht darin, dass eine sich verändernde Kaufkraft des Geldes<br />

auf die ziffernmässige Höhe einer Geldschuld keine Auswirkungen hat. Es<br />

bleibt damit wiederum den Parteien überlassen, ob<strong>und</strong> wie sie Veränderungen<br />

derKaufkraft desGeldes <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis berücksichtigen wollen.<br />

369 Treffen die Parteien eines Arbeitsvertrags keine Abrede, bleiben Veränderungen<br />

der Kaufkraft des Geldes für die nominelle Höhe des geschuldeten Geldlohns<br />

ohne Folge. Aufgr<strong>und</strong> des Nennwertprinzips liegen somit die Chancen<br />

<strong>und</strong> Risiken einer Veränderung der Kaufkraft des Geldlohns be<strong>im</strong> Arbeitnehmer<br />

als Geldlohngläubiger. Sinkt die Kaufkraft des Geldes, erleidet der Arbeitnehmer<br />

einen sogenannten Reallohnrückgang, weil er aufgr<strong>und</strong> des Anstiegs<br />

der Preise mit dem betragsmässig gleichen <strong>Lohn</strong> weniger Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

kaufen kann. Steigt hingegen die Kaufkraft des Geldes, erfährt der Arbeitnehmer<br />

eine Reallohnerhöhung, weil er mit dem betragsmässig unveränderten<br />

Geldlohn mehrGüter <strong>und</strong> Dienstleistungen erwerben kann.<br />

370 Über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet, spielt <strong>im</strong> Wirtschaftsalltag die<br />

Verminderung der Kaufkraft des Geldes (Teuerung oder Inflation) die wesent-<br />

626<br />

627<br />

Geht man von einem Monat mit 30 Kalendertagen, 22 Arbeitstagen <strong>und</strong> einem Monatslohn<br />

von CHF 8800.00 bzw. CHF 400.00 pro Arbeitstag aus, würdesich bei einem<br />

risikolosen Zinssatz von 3 % p.a. eine monatliche Zinssumme von ger<strong>und</strong>et<br />

CHF 11.60 ergeben. Der Betrag von CHF 11.60 entspricht 0.132 %des Monatslohns.<br />

Bei einem risikolosen Zinssatz von 1% p.a. reduziert sich der Zins auf ger<strong>und</strong>et<br />

CHF 3.85. Der Betrag von CHF 3.85 entspricht 0.044 %des Monatslohns.<br />

Demgegenüber findet sich z.B. <strong>im</strong> Mietrecht die sogenannte Indexmiete, vgl.<br />

Art. 269d <strong>und</strong> 270c OR.<br />

167


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

168<br />

lich grössere Rolle als die Erhöhung der Kaufkraft (Deflation). 628 Daher hat der<br />

Arbeitnehmer inder Regel das grössere Interesse daran, dass der Geldlohn an<br />

die Verminderung der Kaufkraft angepasst wird. Soll die Kaufkraft des Geldlohns<br />

auf einem best<strong>im</strong>mten Niveau gehalten werden, somuss theoretisch eine<br />

Verminderung der Kaufkraft des Geldes zu einer Erhöhung des nominellen<br />

Geldlohns führen. Umgekehrt müsste eine steigende Kaufkraft des Geldes sich<br />

in einer Reduktion desnominellen Geldlohnsniederschlagen.<br />

371 Inder Praxis wird der Zeitwert des Geldes in Arbeitsverhältnissen unterschiedlich<br />

behandelt. Eine erste Gliederung der verschiedenen Konstellationen kann<br />

anhand der Tatsache getroffen werden, obVeränderungen der Kaufkraft überhauptals<br />

Einflussfaktor erkannt <strong>und</strong> explizit berücksichtigtwerden odernicht.<br />

372 Indenjenigen Fallkonstellationen, in denen die Kaufkraft des Geldes <strong>im</strong> Arbeitsvertrag<br />

keine explizite Regelung erfährt, finden sich meist zwei Arten der<br />

<strong>im</strong>pliziten Problembehandlung. Zuweilen werden Veränderungen der Kaufkraft<br />

des Geldes gar nicht berücksichtigt. Ob dies wissentlich <strong>und</strong> willentlich geschieht<br />

oder nicht, ist dabei ohne Bedeutung. Daraus folgt, dass der nominelle<br />

Geldlohn des Arbeitnehmers über längere Zeit –teilweise mehrere Jahre lang –<br />

unverändert bleibt. Eine Verminderung der Kaufkraft wird demnach allein vom<br />

Arbeitnehmergetragen.Einezweite Gruppe von Fällen ohne explizite Regelung<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass sich meist eine betriebliche Übung ermitteln<br />

lässt, in deren Rahmen eine Verminderung der Kaufkraft des Geldlohns ganz<br />

oder teilweise <strong>im</strong> Rahmen von meist jährlichen stattfindenden «<strong>Lohn</strong>r<strong>und</strong>en»<br />

durch eine nominelle <strong>Lohn</strong>erhöhung ganz oder teilweise ausgeglichen werden.<br />

Obwohl es als unausgewogen erscheinen mag, wenn Verminderungen der<br />

Kaufkraft –vor allem in langjährigen Arbeitsverhältnissen –ohne explizite Regelung<br />

bleiben, ist dies rechtlich nicht zubeanstanden. Es gibt <strong>im</strong> Arbeitsrecht<br />

keine gesetzliche Anspruchsgr<strong>und</strong>lage für einen Teuerungsausgleich. Das Gesetz<br />

überlässt es den Parteien, eine vertragliche Regelung für Veränderungen<br />

derKaufkraft zu vereinbaren.<br />

373 Indenjenigen Fällen, indenen die Kaufkraft von Geld als relevanter Faktor für<br />

die Bemessung des Geldlohns explizit Berücksichtigung findet, lassen sich<br />

wiederum zwei Gr<strong>und</strong>typen von Vertragsklauseln ausmachen. Bei beiden<br />

Gr<strong>und</strong>typen wird entweder <strong>im</strong> Arbeitsvertrag oder in einem Betriebsreglement<br />

eine Referenzgrösse zur Best<strong>im</strong>mung der Veränderungen der Kaufkraft des<br />

628<br />

Vgl. oben Fn. 601.<br />

Gemäss der vom B<strong>und</strong>esamt für Statistik veröffentlichten Indexentwicklung des Landesindex<br />

für Konsumentenpreise gab es seit 1980 ein Jahr mit einer negativen Teuerung.<br />

Die Teuerung (bzw. die Verminderung der Kaufkraft) lag seit 1980 zwischen<br />

0.0 % <strong>im</strong> Jahr 1998 bzw. -0.5 % <strong>im</strong> Jahr 2009 <strong>und</strong> 6.5 % <strong>im</strong> Jahr 1981. Siehe<br />

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/02/blank/key/jahresdurchschn<br />

itte.html; besucht am3.Juli 2011.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

Geldes best<strong>im</strong>mt. Als Referenzgrösse wird in der Praxis fast ausschliesslich auf<br />

den vom B<strong>und</strong>esamt für Statistik errechneten Landesindex der Konsumentenpreise<br />

abgestellt. 629 Es könnten jedoch auch andere Gradmesser zur Best<strong>im</strong>mung<br />

derVeränderung derKaufkraft zurAnwendunggelangen.<br />

374 Der erste Gr<strong>und</strong>typ von Vertragsklauseln, welche der Anpassung des Geldlohns<br />

an Kaufkraftveränderungen dienen, sind sogenannte Wertanpassungs- oder<br />

Wertsicherungsklauseln. 630 Wertanpassungsklauseln sind seltener anzutreffen<br />

als die Wertsicherungsklauseln. Basierend auf einem vertraglich vereinbarten<br />

Gradmesser sehen Wertsicherungsklauseln vor, dass der nominelle Geldlohn<br />

dann erhöht wird, wenn die Kaufkraft des Geldes eine Verminderung erfahren<br />

hat <strong>und</strong> ein Schwellenwert überschritten worden ist. Ein Schwellenwert (z.B.<br />

eine Veränderung des Gradmessers der Teuerung von 1%)wird häufig aus<br />

Gründen der Praktikabilität vereinbart, um nicht bei jeder noch sogeringen<br />

Veränderung der Kaufkraft des Geldes den Geldlohn neu berechnen zu müssen.<br />

631 Wird ein solcher Schwellenwert überschritten, steht dem Arbeitnehmer<br />

eine Erhöhung des nominellen Geldlohns zu. Diese Erhöhung kann dabei die<br />

Verminderung der Kaufkraft entweder ganz oder aber nur teilweise auffangen.<br />

Im Unterschied zu Wertsicherungsklauseln sehen Wertanpassungsklauseln vor,<br />

dass eine Veränderung der Kaufkraft des Geldes sowohl nach oben wie auch<br />

nach unten sich <strong>im</strong> zu zahlenden Geldlohn reflektieren soll. Steigt die Kaufkraft<br />

des Geldes in einer deflationären Periode, sinkt der nominelle Geldlohn; sinkt<br />

die Kaufkraft des Geldes ineiner inflationären Periode, steigt der nominelle<br />

629<br />

630<br />

631<br />

Im Dezember 2005 <strong>und</strong> <strong>im</strong>Dezember 2010 wurde der Landesindex für Konsumentenpreise<br />

letztmals auf die Basis von 100 Punkten gestellt. Im Dezember 2008 lag der Index<br />

bei 103.4 Punkten; <strong>im</strong> März 2009 bei 102.4 Punkten. Dies bedeutet, dass die Preise<br />

für die Güter des dem Index zugr<strong>und</strong>e liegenden Warenkorbs zwischen Dezember<br />

2005 <strong>und</strong> Dezember 2008 um 3.4 %teurer geworden sind. Zwischen Dezember 2008<br />

<strong>und</strong> März 2009 sind indessen die Preise für die Güter des Warenkorbs gesamthaft um<br />

1% billiger geworden. Siehe http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/<br />

05/02/blank/key/aktuell.html; besucht am 3. Juli 2011.<br />

Zu den Arten <strong>und</strong> Formen von Wertsicherungsklauseln <strong>im</strong> Allgemeinen, den Bereichen,<br />

in denen der Gesetzgeber Wertsicherungsklauseln nicht erlaubt, sowie der<br />

sonstigen Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84<br />

N233 ff.; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N94ff.<br />

Vischer, Geld- <strong>und</strong> Währung, N130, unterscheidet Gleitklauseln einerseits <strong>und</strong> Spannungsklauseln<br />

andererseits. Mit dem Begriff Gleitklausel ist <strong>im</strong> Prinzip eine vertragliche<br />

Best<strong>im</strong>mung gemeint, welche die geschuldete Geldsumme an einen (Preis-)Index<br />

bindet. Unter einer Spannungsklausel ist eine Vereinbarung zu verstehen, welche die<br />

Höhe der zu zahlenden Geldschuld vom künftigen Wert von Gütern oder Leistungen<br />

abhängig macht, die mit der geschuldeten Nichtgeldleistungvergleichbar sind.<br />

Nicht übersehen werden sollte jedoch, dass auch eine monatliche Neuberechnung des<br />

Geldlohns mithilfe der heutigen technischen Hilfsmittel der <strong>Lohn</strong>buchhaltung ohne<br />

Probleme möglich ist <strong>und</strong> das Argument der Praktikabilität für die Vereinbarung eines<br />

Schwellenwerts an Gewicht verloren hat.<br />

169


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

170<br />

Geldlohn. Die Höhe des Geldlohns folgt somit den Veränderungen der Kaufkraft<br />

desGeldes gemäss demgewählten Gradmesser<strong>und</strong> ist insofern variabel.<br />

375 ImZusammenhang mit dem <strong>im</strong> Arbeitsrecht geltenden Gr<strong>und</strong>satz, dass das Betriebs-<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko gr<strong>und</strong>sätzlich vom Arbeitgeber zu tragen ist, 632<br />

könnte die Frage gestellt werden, obeine Wertanpassungsklausel, welche bei<br />

einem Anstieg der Kaufkraft des Geldes zu einer Reduktion der nominellen<br />

Höhe des Geldlohns führt, gültig vereinbart werden kann. Die Frage ist zu bejahen.<br />

Denn eine Wertanpassungsklausel ist nichts anderes als die Umkehrung<br />

bzw. das Gegenstück des Nennwertprinzips. Das Gegenstück des Nennwertprinzips<br />

wird als Valorismus oder Kurswerttheorie bezeichnet. 633 Anstatt die<br />

Chancen <strong>und</strong> Risiken von Veränderungen der Kaufkraft aufgr<strong>und</strong> des Nennwertprinzips<br />

dem Arbeitnehmer als Geldlohngläubiger aufzuerlegen, werden<br />

aus wirtschaftlicher Perspektive die Chancen <strong>und</strong> Risiken der Veränderungen<br />

der Kaufkraft vom Arbeitgeber übernommen. Eine dem Valorismus folgende<br />

Wertanpassungsklausel führt folglich dazu, dass der Reallohn des Arbeitnehmers<br />

unverändert bleibt. Wenn zudem unterstellt wird, dass mittel- <strong>und</strong> langfristig<br />

in der Regel von einer Teuerung auszugehen ist, führt eine Wertanpassungsklausel<br />

zueinem garantierten Teuerungsausgleich zugunsten des Arbeitnehmers.<br />

Im Normalfall ergibt sich damit eine Besserstellung des Arbeitnehmers.<br />

Der «Preis», den der Arbeitnehmer dafür bezahlt, liegt darin, dass er bei<br />

steigender Kaufkraft des Geldes eine nominelle Geldlohnreduktion hinnehmen<br />

muss <strong>und</strong> der nominelle Geldlohn einer mehr oder minder grossen Schwankung<br />

unterliegt.<br />

376 Der zweite, in der Praxis anzutreffende Gr<strong>und</strong>typ von Klauseln zur Anpassung<br />

des Geldlohns an Veränderungen der Kaufkraft des Geldes sind, <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu Wertanpassungs- <strong>und</strong> Wertsicherungsklauseln, allgemeiner gehaltene Vereinbarungen.<br />

Diese Vereinbarungen sehen meist vor, dass einmal jährlich die<br />

Höhe des nominellen Geldlohnes überprüft <strong>und</strong> angepasst wird. 634 Im Rahmen<br />

632<br />

633<br />

634<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz, dass der Arbeitgeber das Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko zutragen hat,<br />

wird aus der Regel von Art. 324 OR zum Annahmeverzug abgeleitet. Zum Betriebs<strong>und</strong><br />

Wirtschaftsrisiko vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 324 N38ff.; Dünner,<br />

S. 20 ff. sowie S.66ff.; Schnüriger, S. 83 ff.; Wyler, S.199 ff.; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 324 N12ff.<br />

BE-Komm.-Weber, Art. 84 N181; Vischer, Geld-<strong>und</strong> Währung, N93f.; ZH-Komm.-<br />

Schraner, Art. 84N79.<br />

Beispielsweise sieht die Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen der kaufmännischen<br />

Angestellten <strong>und</strong> der juristischen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter <strong>im</strong> Kanton<br />

Zürich, abgeschlossen zwischen dem Zürcher Anwaltsverband <strong>und</strong> dem Kantonalverband<br />

Zürcherischer Kaufmännischer Verbände (Ausgabe 2009), inZiff. 20 u.a. Folgendes<br />

vor: «Der <strong>Lohn</strong> wird zwischen Arbeitgeberin oder Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmerin<br />

oder Arbeitnehmer individuell festgelegt <strong>und</strong> periodisch entsprechend den Verhältnissen<br />

überprüft.»


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

dieser Überprüfung der Höhe des nominellen Geldlohns sind auch Veränderungen<br />

der Kaufkraft zu berücksichtigen. Zuweilen werden solche Vereinbarungen<br />

auch als «<strong>Lohn</strong>r<strong>und</strong>enklauseln» bezeichnet. Ob <strong>und</strong> inwieweit <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

<strong>Lohn</strong>r<strong>und</strong>e somit eine ganze oder teilweise Anpassung an die Teuerung stattfindet,<br />

ist indessen ungewiss <strong>und</strong> dürfte regelmässig von der finanziellen Lage des<br />

Arbeitgebers <strong>und</strong> der jeweiligen Verhandlungspositionen <strong>und</strong> Verhandlungsstärkeder<br />

Parteien abhängen.<br />

4. Die Zahlungdes Geldlohns in in-<strong>und</strong> ausländischer Währung<br />

377 Die zunehmende Mobilität von Arbeitnehmern hat inden letzten Jahren dazu<br />

geführt, dass die Anzahl der schweizerischem Recht 635 unterstehenden Arbeitsverträge,<br />

welche die Zahlung von Geldlohn nicht oder nicht nur in Schweizer<br />

Franken vorsehen, zugenommen hat. Gefördert wurde diese Entwicklung ins<strong>besondere</strong><br />

auch durch die Einführung des Euro. 636 Die Einführung der europäischen<br />

Einheitswährung zog teilweise auch Rationalisierungs- bzw. Opt<strong>im</strong>ierungsbestrebungen<br />

in international tätigen Konzernen nach sich, indem etwa<br />

Personalabteilungen sowie die dazugehörige <strong>Lohn</strong>buchhaltung für Tochterfirmen<br />

inverschiedenen LändernEuropasaneinem Ortzentralisiert wurden.<br />

378 Für die Zahlung des Geldlohns <strong>im</strong> Arbeitsvertrag sieht Art. 323b Abs.1OR<br />

vor, dass der Geldlohn mangels anderer Abrede oder Übung in gesetzlicher<br />

Währung entrichtet werden muss. Wird Art. 323b Abs. 1ORinVerbindung mit<br />

der allgemeinen Regel inArt. 84 Abs.1OR zur Zahlung einer Geldschuld betrachtet,<br />

wird Art. 323b Abs. 1ORinsofern von Art. 84 Abs. 1OR präzisiert,<br />

indem eine Geldschuld mit gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten<br />

Währung zubezahlen ist. Gemäss Art. 362 Abs.1OR ist der erste Satz von<br />

Art. 323b Abs.1OR dispositiver Natur. 637<br />

379 DaArt. 323b Abs. 1ORkeine best<strong>im</strong>mte Währung vorschreibt, sondern nur die<br />

Zahlung des Geldlohns mit gesetzlichen Zahlungsmitteln vorsieht, können die<br />

Parteien gestützt auf Art. 84 Abs.1OR vereinbaren, dass der Geldlohn durch<br />

irgendwelche gesetzlichen Zahlungsmittel irgendeiner Währung bezahlt werden<br />

kann. Die Parteien eines schweizerischem Recht unterliegenden Arbeitsvertrags<br />

sind somit frei, für die Zahlung des Geldlohns eine andere Währung als den<br />

Schweizer Franken als geschuldete Währung zubezeichnen, solange die <strong>Lohn</strong>-<br />

635<br />

636<br />

637<br />

Vgl. Art. 121 IPRG.<br />

Als Buchgeld wurde der Euro per 1. Januar 1999 <strong>und</strong> als Bargeld per 1. Januar 2002<br />

eingeführt.<br />

Im Gegensatz dazu erklärt Art. 362 Abs. 1OR den zweiten Satz von Art. 323b<br />

Abs. 1ORals halbzwingend. Damit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

bei jeder <strong>Lohn</strong>zahlung eine detaillierte <strong>und</strong> nachvollziehbare <strong>Lohn</strong>abrechnung<br />

übergeben.<br />

171


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

172<br />

forderung mit gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten Währung beglichen<br />

wird. 638 Beispielsweise können die Parteien den Geldlohn ganz in Euro<br />

oderganzinUS-Dollar beziffern.<br />

380 Ist es gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig, die Zahlung von Geldlohn inirgendeiner Währung<br />

zu vereinbaren, kann – amaiore adminus –der gesamte Geldlohn auch inBeträge<br />

unterschiedlicher Währungen aufgeteilt werden (z.B. monatlich je<br />

CHF 2000.- plus EUR 2000.- plus USD 2000.-). Ebenso ist es möglich, den in<br />

einer Basiswährung festgelegten Gesamtgeldlohn ineinem best<strong>im</strong>mten Verhältnis<br />

zwischen Währungen aufzuteilen (z.B. 80%in Schweizer Franken sowie<br />

je10% in Euro <strong>und</strong> 10% inUS-Dollar). Noch weitergehend ist es auch zulässig,<br />

der einen oder anderen Partei vertraglich die Wahl einzuräumen, in welcher<br />

bzw. in welchen Währungen der Geldlohn zubegleichen ist. Solange der<br />

Geldlohn inder einen, der anderen oder inmehreren Währungen gestützt auf<br />

den Arbeitsvertrag best<strong>im</strong>mbar ist, sind die Parteien frei, eine ihren Bedürfnissen<br />

entsprechendeLösung zufinden.<br />

381 Wird die Währung des Geldlohns weder mündlich noch schriftlich explizit vereinbart,<br />

dürfte es zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrags ohne internationalen<br />

Bezug wohl selten zum Streit über die Währung des Geldlohns kommen.<br />

Haben der Arbeitgeber <strong>und</strong> der Arbeitnehmer ihren Sitz oder Wohnsitz jeweils<br />

in der Schweiz <strong>und</strong> liegt auch der Arbeitsort in der Schweiz, ist von einer stillschweigenden<br />

Übereinkunft auszugehen, dass der Geldlohn in der gesetzlichen<br />

Währung der Schweiz, dem Schweizer Franken, 639 zu bezahlen ist; zumal es<br />

sich be<strong>im</strong> Schweizer Franken umeine verhältnismässig «harte» Währung handelt,<br />

welche –historisch betrachtet –nicht von überdurchschnittlicher Inflation<br />

betroffen ist <strong>und</strong> gegenüber anderen Währungen auf lange Sicht eher Aufwertungspotenzial<br />

besitzen dürfte.<br />

382 Ineinem Arbeitsvertrag, inwelchem die Zahlung von Geldlohn in einer –aus<br />

schweizerischer Perspektive –Fremdwährung oder inmehreren Währungen<br />

vorgesehen ist, empfiehlt essich indessen, für die Zahlung des Geldlohns spezi-<br />

638<br />

639<br />

Vgl. BBl 1967 II, S. 328; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N1;Brühwiler,<br />

Art. 323b N 1; Streiff/von Kaenel, Art. 323b N 2, S.252; Vischer, S. 117; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 323b N3.Die Zahlung des Geldlohns ineiner ausländischen<br />

Währung oder in verschiedenen Währungen ist zum einen in grenznahen Gebieten anzutreffen.<br />

Zum anderen finden sich solche Fälle auch in Arbeitsverhältnissen, in denen<br />

ein Arbeitnehmer zwar von einem «Basisarbeitsort» aus tätig ist, aber regelmässig für<br />

eine best<strong>im</strong>mte Zeit, welche nicht mehr als Geschäftsreise betrachtet werden kann, an<br />

einen anderen Arbeitsort <strong>im</strong> Ausland transferiert bzw. vorübergehend stationiert wird,<br />

sodass eine Rückkehr an den Wohnort des Arbeitnehmers nicht mehr möglich ist. In<br />

solchen Fällen bleibt der Basisarbeitsort meist bestehen <strong>und</strong> der Arbeitnehmer behält<br />

seinen Wohnsitz<strong>im</strong>Land des Basisarbeitsorts bei.<br />

Vgl. Art. 1WZG.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

fische Regelungen zutreffen. Unabhängig davon, wie komplex die vertragliche<br />

Regelung zur Zahlung des Geldlohns in einer oder mehreren Fremdwährungen<br />

ist, sollten drei Aspekte berücksichtigt werden, welche indiesem Zusammenhang<br />

von Bedeutung sein könnten.<br />

383 Der erste Aspekt betrifft Währungsschwankungen oder Wechselkursveränderungen.<br />

640 Der zweite Aspekt bezieht sich auf den Zeitwert <strong>und</strong> die Kaufkraft<br />

von verschiedenen Währungen, die regelmässig unterschiedlich sind. Auf diesen<br />

Aspekt wird unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen 641 nachfolgend<br />

nichtmehr weiter eingegangen. Der dritte Aspekt,der beider Vertragsgestaltung<br />

von den Parteien berücksichtigt werden sollte <strong>und</strong> der ins<strong>besondere</strong> mit<br />

Wechselkursveränderungen verknüpft ist, hat seine Gr<strong>und</strong>lage in Art. 84<br />

Abs.2OR. Art. 84 Abs. 2OReröffnet dem Geldschuldner die Möglichkeit, bei<br />

gegebenen Voraussetzungen eine Geldschuld nicht inder vertraglich vereinbarten<br />

<strong>und</strong> somit der geschuldeten, sondern in der Landeswährung des Zahlungsorts<br />

zu begleichen.<br />

384 Für die Problematik der Wechselkursschwankungen enthalten weder die<br />

Art. 319–362ORnoch der allgemeine Teil des ORspezifische Regeln. Esgilt<br />

wiederum das Nennwertprinzip, 642 welches auch für Fremdwährungen angewendet<br />

wird. 643 Wenn <strong>im</strong> Vertrag die Zahlung von Geldlohn ineiner –aus<br />

schweizerischer Perspektive –Fremdwährung vorgesehen ist <strong>und</strong> der Vertrag<br />

keine andere Regelung enthält, wird in der Literatur gestützt auf das Nennwertprinzip<br />

übereinst<strong>im</strong>mend davon ausgegangen, dass der Gläubiger der Fremdwährungsforderung<br />

die Risiken von Wechselkursschwankungen trägt. 644 Somit<br />

640<br />

641<br />

642<br />

643<br />

644<br />

Die jeweils aktuellen Wechselkurse der gängigen Währungen, welche täglich in den<br />

Massenmedien publiziert werden, dürfen heute gemäss BGE 135 III 88 (E. 4.1, 89 f.)<br />

als notorische Tatsachen betrachtet werden. Der gängige Wechselkurs muss somit<br />

nicht mehr behauptet <strong>und</strong> bewiesen werden.<br />

Zur Umrechnung einer Forderungssumme in ausländischer Währung <strong>im</strong>Rahmen einer<br />

Betreibung vgl. Art. 67 Abs. 1Ziff. 3<strong>und</strong> Art. 88 Abs. 4SchKG.<br />

Vgl. oben Rz. 361 ff. <strong>und</strong> Rz. 368 ff.<br />

Vgl. dazu oben Rz. 363.<br />

BE-Komm.-Weber, Art. 84 N184; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N78.<br />

Vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N182; KUKO OR-Gross/Sprecher, Art. 84 N10;<br />

Schwenzer, Rz. 10.03; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84N73. Wenn in der Literatur gesagt<br />

wird, der Gläubiger trage das Risiko der Verminderung des Kurswertes, werden<br />

stillschweigend zwei Annahmen getroffen. Die erste Annahme besteht darin, dass eine<br />

Referenzgrösse bzw. ein best<strong>im</strong>mter Wechselkurs <strong>im</strong> Zeitablauf fixiert worden ist <strong>und</strong><br />

somit ein Vergleichsmassstab herangezogen werden kann, umeine positive oder negative<br />

Wert- oder Kursveränderung überhaupt ermitteln zu können. Die zweite Annahme<br />

besteht darin, dass die Parteien währungssensitiv sind. Dass die Parteien währungssensitiv<br />

sind, dürfte wohl häufig zutreffen, braucht aber nicht <strong>im</strong>mer der Fall zu sein. Im<br />

hier verwendeten Sinne bedeutet Währungssensitivität, dass der Arbeitgeber, um die<br />

Geldforderung in einer Fremdwährung zahlen zu können, Währungstransaktionen<br />

173


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

174<br />

liegen bei einer Fremdwährungsschuld die Risiken, aber auch die Chancen aus<br />

Veränderungen der Wertrelation zwischen zwei Währungen gr<strong>und</strong>sätzlich be<strong>im</strong><br />

Arbeitnehmerals Geldlohngläubiger.<br />

385 Indiese, auf dem Nennwertprinzip basierende Verteilung von Chancen <strong>und</strong> Risiken<br />

aus Wechselkursschwankungen kann gestützt auf Art. 84 Abs.2OR eingegriffen<br />

werden. Nach Art. 84 Abs.2OR steht dem Schuldner einer auf eine<br />

best<strong>im</strong>mte Währung lautenden Geldschuld, die amZahlungsort nicht Landeswährung<br />

ist, die Befugnis zu, den geschuldeten Fremdwährungsbetrag nach<br />

dem Wechselkurs <strong>im</strong>Zeitpunkt der Fälligkeit dennoch inder Landeswährung<br />

des Zahlungsorts zu bezahlen. Die Möglichkeit, nebst der vertraglich geschuldeten<br />

Währung auch inder Landeswährung amZahlungsort zu zahlen, bleibt<br />

dem Geldschuldner nur dann verschlossen, wenn mittels Verwendung des Wortes<br />

«effektiv» oder eines gleichbedeutenden Zusatzes die wortgetreue Erfüllung<br />

derFremdwährungsschuld ausbedungen ist.<br />

386 Als Gründe für die von Art. 84 Abs. 2OReröffnete Möglichkeit, anstatt in der<br />

vertraglich vereinbarten Währung die Geldschuld inder Landeswährung des<br />

Zahlungsorts 645 zu begleichen,werden verschiedene Umstände genannt. Es wird<br />

etwa angeführt, dem Schuldner sollen Beschaffungsschwierigkeiten in Zeiten<br />

der Devisenbewirtschaftung erspart bleiben. Weiter soll die Landeswährung am<br />

Zahlungsort privilegiert werden. Ebenso soll der Schuldner die Möglichkeit haben,<br />

sich etwaige Kurswertveränderungen zunutze zu machen, sowie ininländischer<br />

Währung des Zahlungsorts zu zahlen, weil es der Gläubiger in der Regel<br />

vorzieht, die Landeswährung des Zahlungsorts zu erhalten. 646 Ist Letzteres nicht<br />

der Fall, kann die Möglichkeit gemäss Art. 84 Abs.2OR vertraglich ausgeschlossen<br />

werden.Art. 84 Abs. 2ORist dispositiv. 647<br />

387 Die Möglichkeit, die Geldschuld in der Landeswährung des Zahlungsorts zu<br />

begleichen, wird in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung als gesetzliche Alternativermächtigung<br />

qualifiziert <strong>und</strong> auch als Ersetzungsbefugnis oder «facultas alterna-<br />

645<br />

646<br />

647<br />

durchführen muss <strong>und</strong>/oder einem Handel mit Währung nicht gänzlich abgeneigt ist<br />

(Spekulationsinteresse). Ist weder das eine noch das andere der Fall –beispielsweise<br />

wenn der Arbeitgeber, welcher mit Schweizer Franken als Basiswährung operiert, <strong>im</strong><br />

Rahmen seiner Geschäftstätigkeit eine Fremdwährung einn<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> diese Einnahmen<br />

für die Zahlung des inder Fremdwährung geschuldeten <strong>Lohn</strong>s verwenden will <strong>und</strong><br />

kann –, spielen Wechselkursschwankungen gr<strong>und</strong>sätzlich keine Rolle. Sie wirken sich<br />

nicht aus.<br />

Für den Begriff «Zahlungsort» werden in der Literatur teilweise auch die gleichbedeutenden<br />

Ausdrücke «Leistungsort» oder «Erfüllungsort» verwendet; zum Zahlungsort<br />

vgl. auch unten Rz. 392 ff.<br />

Vgl. Weber, Fremdwährungsschulden, S. 110; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N187 ff.<br />

BE-Komm.-Weber, Art. 84 N8;KUKO OR-Gross/Sprecher, Art. 84 N2;vgl. auch<br />

Koller, §41N13.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

tiva» bezeichnet. 648 Eine gesetzliche Alternativermächtigung liegt vor, wenn der<br />

Schuldner sich zwar verpflichtet hat, eine best<strong>im</strong>mte Vertragsleistung zu<br />

erbringen, indessen vom Gesetz dennoch die Wahl eingeräumt erhält, entweder<br />

die vertraglich geschuldete oder aber eine andere, auf gesetzlicher Vorschrift<br />

beruhende Leistung zu erbringen. Der Gläubiger ist aufgr<strong>und</strong> der gesetzlichen<br />

facultas alternativa gehalten, sowohl die vertraglich vereinbarte als auch die<br />

andere, gesetzlich best<strong>im</strong>mte Leistung anzunehmen. Tut er dies nicht, gerät der<br />

Gläubiger in Annahmeverzug. 649 Unter Vorbehalt von anderweitigen Leistungsstörungen<br />

haben beide Leistungen für den Schuldner befreiende Wirkung. Die<br />

mit der Alternativermächtigung eröffnete Wahlmöglichkeit steht dabei aber nur<br />

dem Schuldner zu. Der Gläubiger kann nur die vertraglich vereinbarte, nicht<br />

aber die andere Leistung einfordern, 650 weshalb die Alternativermächtigung einseitig<br />

zugunsten desSchuldners wirkt.<br />

388 Wie der Text von Art. 84 Abs. 2ORklarstellt, kommt die Alternativermächtigung<br />

nur zum Tragen, wenn keine sogenannte Effektivklausel 651 vereinbart ist.<br />

Nach wohl herrschender Lehre muss eine Effektivklausel «eindeutig» sein, wobei<br />

auch die Usanzen der jeweiligen Branche zuberücksichtigen sind. 652 Im<br />

Zweifel steht dem Schuldner die Alternativermächtigung offen. 653 Diese Auffassung<br />

ist vom Gesetzestext von Art. 84 Abs.2OR gedeckt, worin verlangt<br />

wird, dass die Effektivschuld durch den Gebrauch des Wortes «effektiv» oder<br />

einem ähnlichen Zusatz als solche erkennbar sein muss. Dem Gesetzestext kann<br />

insofern eine (gesetzliche <strong>und</strong> widerlegbare) Vermutung entnommen werden.<br />

Diese Vermutung geht dahin, dass mangels klarer oder eindeutiger Vereinba-<br />

648<br />

649<br />

650<br />

651<br />

652<br />

653<br />

BGE 134 III 151 (E. 2.2, 154 f.); Gauch/Schluep/Emmenegger, N2269 ff. sowie<br />

N2302 ff.; Koller, §41N13 ff. (mit Beispielen) <strong>und</strong> §41N27 ff.; vgl. auch Schulin/Vogt,<br />

Tafel 9A/C.<br />

BGE 134 III 151 (E. 2.2, 154 f.).<br />

BGE 134 III 151 (E. 2.2, 154 f.); Gauch/Schluep/Emmenegger, N2307; Koller §41<br />

N35.<br />

Der Ausdruck «Effektivklausel» kann <strong>im</strong>Arbeitsrecht auch in anderem Bedeutungszusammenhang<br />

vorkommen. So ins<strong>besondere</strong> bei Gesamtarbeitsverträgen, womit einer<br />

sogenannt begrenzten Effektivklausel gemeint ist, dass bei Abschluss eines neuen<br />

Gesamtarbeitsvertrags Reallohnerhöhungen <strong>und</strong> Teuerungszulagen auf dem bislang<br />

effektiv bezahlten <strong>Lohn</strong> zuzuschlagen sind <strong>und</strong> nicht nur auf einem etwaigen, <strong>im</strong> Gesamtarbeitsvertrag<br />

vorgesehenen, tieferen Mindestlohn. Zum Gesamten (<strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong><br />

Zulässigkeit von begrenzten Effektivklauseln bzw. zur teilweise umstrittenen<br />

Unzulässigkeit von Effektivgarantieklauseln) vgl. Geiser/Müller, N811; Port-<br />

mann/Stöckli, N1126 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 357 N7.<br />

BE-Komm.-Weber, Art. 84 N327; KUKO OR-Gross/Sprecher, Art. 84 N16; ZH-<br />

Komm.-Schraner, Art. 84 N209; abweichend: Koller, §41N28, wonach eine eindeutige<br />

Willensäusserung ausreichend ist <strong>und</strong> dieser Anforderung ausnahmsweise auch<br />

mit schlüssigem Verhalten Genüge getan werden kann.<br />

Schwenzer, N75.02 mit Hinweis aufBGE 134 III 151 (E. 2.2, 154).<br />

175


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

176<br />

rung einer Effektivschuld der Schuldner von der Alternativermächtigung<br />

Gebrauch machen kann, aber nichtmuss.<br />

389 Sofern der Arbeitnehmer <strong>und</strong> der Arbeitgeber für die Zahlung des Geldlohns in<br />

einer Währung, welche am Zahlungsort nicht Landeswährung ist, eine oder<br />

mehrere eindeutige Effektivklauseln vereinbaren, bedeutet dies für den Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>schuldner, dass er gr<strong>und</strong>sätzlich nur inder oder den vereinbarten<br />

Fremdwährung(en) befreiend leisten kann. 654 Die Effektivklausel hat bei<br />

Wechselkursschwankungen somit zur Folge, dass sich die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Chancen <strong>und</strong>Risikenauf denArbeitgeber verlagern. 655<br />

654<br />

655<br />

Wird vom Gläubiger jedoch eine Zahlung in anderer Währung widerspruchslos akzeptiert,<br />

ist regelmässig zu prüfen, ob entweder eine stillschweigende Vertragsänderung<br />

zustande gekommen ist oder ob die Zahlung ineiner anderen als der geschuldeten<br />

Währung als Zahlung anErfüllungsstatt («datio in solutum») oder als Zahlung erfüllungshalber<br />

(«datio solvendi causa») zuqualifizieren ist. Nach herrschender Lehre ist<br />

<strong>im</strong> Zweifel auf eine Zahlung erfüllungshalber zu schliessen. Vgl. zum Gesamten:<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2277 ff. <strong>und</strong> N2282 ff.; Koller, §35N19 f. <strong>und</strong> §35<br />

N21ff.; Schulin/Vogt, Tafel 32; Schwenzer, N74.01 ff. <strong>und</strong> N74.05 ff.<br />

Beispiele: 1) Der Monatslohn betrage EUR5000.- <strong>und</strong> der Wechselkurs zu Vergleichszwecken<br />

liege bei EUR 1=CHF 1.5. Liegt eine Effektivschuld vor <strong>und</strong> ist die<br />

Basiswährung des Arbeitgebers der Schweizer Franken, schlägt der Euro-<strong>Lohn</strong> (unter<br />

Vernachlässigung von Transaktionskosten <strong>und</strong> Sozialversicherungsbeiträgen) mit<br />

CHF 7500.- zu Buche. Sofern der Arbeitgeber zur Zahlung des Geldlohns Euro gegen<br />

Franken kaufen muss, kann die in Franken umgerechnete <strong>Lohn</strong>forderung gleich bleiben,<br />

sich verteuern oder sich verbilligen. Verliert der Euro <strong>im</strong> Verhältnis zum Franken<br />

an Wert –z.B. EUR 1=CHF 1.4 statt EUR 1=CHF 1.5 –, so reduziert sich der in Euro<br />

zu zahlende <strong>Lohn</strong> von ursprünglich CHF 7500.- auf CHF7000.-. Gewinnt der Euro<br />

zum Franken an Wert –z.B. EUR 1=CHF 1.6 statt EUR 1=CHF 1.5 –soverteuert<br />

sich der in Euro zu zahlende <strong>Lohn</strong> von ursprünglich CHF 7500.- auf CHF 8000.-.<br />

2) Der Monatslohn betrage EUR 3000.- plus USD 2000.- <strong>und</strong> die Wechselkurse zu<br />

Vergleichszwecken liegen bei EUR 1=CHF 1.5 sowie USD 1=CHF 1.2. Liegen Effektivschulden<br />

vor <strong>und</strong> ist die Basiswährung des Arbeitgebers der Schweizer Franken,<br />

schlägt der Geldlohn (unter Vernachlässigung von Transaktionskosten <strong>und</strong> Sozialversicherungsbeiträgen)<br />

mit CHF 6900.- zu Buche. Sofern der Arbeitgeber die Fremdwährungen<br />

gegen Franken kaufen muss, kann die in Franken umgerechnete <strong>Lohn</strong>forderung<br />

gleich bleiben, sich verteuern oder sich verbilligen. Verlieren der Euro <strong>und</strong> der<br />

US-Dollar <strong>im</strong> Verhältnis zum Franken an Wert –z.B. EUR 1=CHF 1.4 statt EUR 1=<br />

CHF 1.5 sowie USD 1=CHF 1.1 statt USD 1=CHF 1.2 –, so reduziertsich der Geldlohn<br />

auf CHF6400.-. Gewinnen der Euro <strong>und</strong> der US-Dollar <strong>im</strong> Verhältnis zum Franken<br />

an Wert –z.B. EUR 1=CHF 1.6 statt EUR 1=CHF 1.5 sowie USD 1=CHF 1.3<br />

statt USD 1=CHF1.2 –, so erhöht sich der Geldlohn auf CHF 7400.-. Schliesslich<br />

kann der in Fremdwährungen zu zahlende Geldlohn gleich bleiben, wenn sich die gegenläufigen<br />

Wechselkursveränderungen zwischen dem Schweizer Franken <strong>und</strong> dem<br />

Euro bzw. dem US-Dollar gegenseitig aufheben, was z.B. bei EUR 1=CHF1.6 sowie


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

390 Findet sich <strong>im</strong> Arbeitsvertrag indessen keine schriftliche Effektivklausel <strong>und</strong><br />

können <strong>im</strong> Streitfall auch keine ausdrücklichen, auf die Vereinbarung einer Effektivklausel<br />

zielenden Willensäusserungen nachgewiesen werden, 656 müsste<br />

dem Arbeitgeber gr<strong>und</strong>sätzlich die Alternativermächtigung gemäss Art. 84<br />

Abs.2OR zustehen. Dabei ist jedoch zweierlei vorausgesetzt. In Bezug auf internationale<br />

Verhältnisse ist vorab zu prüfen, obArt. 84 Abs.2OR überhaupt<br />

zur Anwendung gelangt. Kommt Art. 84 Abs. 2ORzur Anwendung, setzt diese<br />

Best<strong>im</strong>mung weiter voraus, dass die geschuldete Währung am Zahlungsort<br />

nicht Landeswährung ist. Auf diese beiden Voraussetzungen ist näher einzugehen.<br />

391 Ineinem internationalen Sachverhalt best<strong>im</strong>mt sich nach herrschender Lehre<br />

<strong>und</strong> Rechtsprechung das Vorliegen einer Alternativermächtigung nicht nach<br />

dem auf den Vertrag anwendbaren Recht (Vertragsstatut). Die Unterstellung eines<br />

Arbeitsvertrags unter materielles Schweizer Recht, sofern sie <strong>im</strong> Rahmen<br />

von Art. 121 IPRG für den Arbeitsvertrag zulässig ist, ist nach herrschender<br />

Lehre nicht ausschlaggebend für die Anwendbarkeit von Art. 84 Abs. 2OR.<br />

Nach welchem Recht sich das Vorliegen einer Alternativermächtigung ergibt<br />

(oder eben nicht 657 ), richtet sich nach dem sogenannten Erfüllungs- oder Zahlungsstatut<br />

gemäss Art. 147 Abs. 3IPRG. 658 Im Ergebnis bedeutet dies, dass<br />

656<br />

657<br />

658<br />

USD1=CHF 1.05 oder bei EUR1=CHF 1.4 sowie USD 1=CHF 1.35 der Fall wäre.<br />

Die Beweislast für die Vereinbarung einer Effektivschuld liegt nach Art. 8ZGB bei<br />

derjenigen Partei, welche eine solche behauptet; vgl. ZH-Komm.-Schraner, Art. 84<br />

N211.<br />

Nach BE-Komm.-Weber, Art. 84 N323, finden sich Alternativermächtigungen in den<br />

meisten europäischen Staaten.<br />

Nach der wohl herrschenden Lehre, vgl. BSK IPRG-Dasser, Art. 147 N14ff.; Koller,<br />

§41N15 f.; ZHIPRG-Komm.-Vischer, Art. 147 N16ff., <strong>und</strong> der Rechtsprechung<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts in BGE 125 III 443 (E. 5b, 450 f.) ist das Recht des Staates entscheidend,<br />

inwelchem sich der vertraglich vereinbarte Zahlungsort befindet, oder,<br />

falls vertraglich kein Zahlungsort festgelegt wurde, das Recht des Staates, wosich der<br />

nach dem Vertragsstatut zubest<strong>im</strong>mende, gesetzliche Zahlungsort befindet. Diese Ansicht<br />

ist indes nicht unbestritten, vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N294 ff. m.w.H.<br />

Nach der Minderheitsmeinung soll sich die Möglichkeit, sich auf die <strong>im</strong> materiellen<br />

Recht eines Staates vorgesehene Alternativermächtigung zu berufen, nicht nach dem<br />

Erfüllungs- bzw. Zahlungsstatut, sondern nach dem Vertragsstatut richten. Begründet<br />

wird die Minderheitsmeinung mit mehreren Argumenten. Es wird vorgebracht, Art. 84<br />

Abs. 2ORweise eher den Charakter einer <strong>privatrechtlichen</strong> als kollisionsrechtlichen<br />

Norm auf. Ebenso lasse sich die Frage nach der Höhe der Geldschuld (das «Ob» <strong>und</strong><br />

«Wie viel»), die sich nach herrschender Lehre nach dem Vertragsstatut beantworte,<br />

kaum von der Frage nach der Art <strong>und</strong> Weise der Zahlung (das «Wie» bzw. «Womit»)<br />

trennen, die sich nach herrschender Lehre nach dem Erfüllungs- oder Zahlungsstatut<br />

richte. Die Zahlung inLokalwährung anstatt in der vereinbarten Fremdwährung erscheine<br />

als Erfüllungssurrogat, sodass das Vertragsstatut einschlägig sein sollte. Die<br />

177


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

178<br />

Art. 84 Abs. 2ORininternationalen Verhältnissen nur dann zur Anwendung<br />

gelangen kann, wenn sich der vertraglich festgelegte oder aber –mangels vertraglicher<br />

Vereinbarung –der aufgr<strong>und</strong> des anwendbaren Vertragsstatuts zu ermittelnde,<br />

gesetzliche Zahlungsort inder Schweiz befindet. 659 Damit wird für<br />

einen schweizerischem Recht unterstehenden Arbeitsvertrag die Frage nach<br />

demZahlungsortdes Geldlohns aufgeworfen.<br />

392 Was den Zahlungsort des Geldlohns anbelangt, besteht inLehre <strong>und</strong> Rechtsprechung<br />

insoweit Einigkeit, dass die Parteien vertraglich best<strong>im</strong>men können, wo<br />

sich der Zahlungsort für den Geldlohn befinden soll. Ebenfalls ist es denkbar,<br />

dass eine betriebliche Übung besteht. Beide Konstellationen sind gestützt auf<br />

Art. 323b Abs.1OR beachtlich. Liegt hingegen keine vertragliche Abrede vor<br />

<strong>und</strong> lässt sich auch keine Übung ausmachen, vertreten einige Autoren die Auffassung,<br />

die Gr<strong>und</strong>regel in Art. 74 Abs. 2Ziff. 1OR, wonach Geldschulden sogenannte<br />

Bringschulden sind, gelte auch für den Arbeitsvertrag. 660 Nach dieser<br />

Ansicht hat der Arbeitgeber den Geldlohn somit am Wohnsitz des Arbeitnehmers<br />

zu zahlen. Andere Autoren treten dieser Ansicht entgegen <strong>und</strong> schliessen<br />

aus Art. 323b Abs.1OR, wonach der Geldlohn unter Vorbehalt anderer Abrede<br />

oder Übung innert der Arbeitszeit zu zahlen ist, dass der Erfüllungs- bzw. Zahlungsort<br />

am Arbeitsort liege. 661 Die zweite Ansicht verdient den Vorzug. Denn<br />

es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Best<strong>im</strong>mung des <strong>besondere</strong>n Teils des OR<br />

der allgemeinen Best<strong>im</strong>mung in Art. 74 OR nicht vorgehen sollte, zumal in<br />

Art. 74 Abs.2Ziff. 1OR 662 abweichenden Normen explizit der Vorrang eingeräumt<br />

wird. Ebenso wäre die Best<strong>im</strong>mung, dass der Geldlohn ohne anderweitige<br />

Abrede oder Übung amArbeitsort zu zahlen ist, <strong>im</strong> Ergebnis inhaltsleer,<br />

wenn derErfüllungs- bzw.Zahlungsort nichtamArbeitsortläge.<br />

393 Aus Art. 323b Abs.1OR ergibt sich weiter, dass die Geldschuld, welche gemäss<br />

Art. 74 Abs. 2Ziff. 1ORgr<strong>und</strong>sätzlich eine Bringschuld ist, sich konsequenterweise<br />

in eine Holschuld 663 bzw. in eine Bring- <strong>und</strong> Holschuld wandelt,<br />

wenn der Arbeitnehmer ineinem Betrieb des Arbeitgebers tätig ist. Letzteres ist<br />

der Fall, wenn der Arbeitnehmer nicht amSitz oder Wohnsitz des Arbeitgebers,<br />

sondern in einem räumlich vom Sitz des Arbeitgebers getrennten Betrieb tätig<br />

659<br />

660<br />

661<br />

662<br />

663<br />

Minderheitsmeinung beruht auf beachtlichen Argumenten, würde <strong>im</strong>Ergebnis aber<br />

wohl dazu führen, dass Art. 147 Abs. 3IPRG zum toten Buchstaben würde, was –de<br />

lege lata –kaum haltbar erscheint.<br />

Vgl. BE-Komm.-Weber, Art. 84 N323; ZH-Komm.-Schraner, Art. 84 N192.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N5;Brühwiler, Art. 323b N3amit Verweis<br />

aufArt. 323 N5;Streiff/von Kaenel, Art. 323b N2.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 323b N5;KUKO OR-Pietruszak, Art. 323b N3;Vischer,<br />

S. 116; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N5.<br />

Art. 74 Abs. 2Ziff. 1ORlautet einleitend: «Wo nichts anderes best<strong>im</strong>mt ist, gelten<br />

folgende Gr<strong>und</strong>sätze: […].»<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N2.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

ist. Eine (Gegen-)Ausnahme greift jedoch inden Fällen, indenen die arbeitnehmende<br />

Person berechtigterweise (z.B. wegen Krankheit, Militärdienst, Mutterschaftsurlaub<br />

oder Ferien) amZahltag nicht amArbeitsort zu erscheinen<br />

hat. 664 Unter solchen Umständen liegt, mangels anderer Abrede oder Übung,<br />

ausnahmsweise eine Bringschuld vor. 665 Die (Gegen-)Ausnahme rechtfertigt<br />

sich, dadie pünktlicheLeistung der Geldlohnzahlung inerster Linie eine Pflicht<br />

des Arbeitgebers darstellt, wobei in den Fällen des plötzlichen <strong>und</strong> für den Arbeitgeber<br />

nicht vorhersehbaren, berechtigten Fernbleibens des Arbeitnehmers<br />

vom Arbeitsort dem Arbeitgeber für die <strong>Lohn</strong>zahlung eine angemessene Frist<br />

fürdas Überbringendes Geldlohns einzuräumen ist.<br />

394 Die praktischen Konsequenzen der vorstehend erörterten Kontroverse zum Zahlungsort<br />

des Geldlohns gemäss Art. 323b Abs.1OR sollten nicht überschätzt<br />

werden. Denn inder weit überwiegenden Zahl der Fälle wird der Geldlohn heute<br />

mittels Überweisung auf ein Bank- oder Postkonto des Arbeitnehmers bezahlt.<br />

Im hier bedeutsamen Zusammenhang wirft diese Form der <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

ihrerseits die Frage auf, wo sich der <strong>im</strong>Sinne von Art. 84 Abs.2OR relevante<br />

Zahlungsort bei einer bargeldlosen <strong>Lohn</strong>zahlung befindet. Wesentlich erscheint<br />

hier, dass bei einer Geldlohnzahlung durch Überweisung auf ein Bank- oder<br />

Postkonto regelmässig keine Hol- bzw. Bringschuld mehr vorliegen dürfte,<br />

sondern sich die Geldschuld in eine Schick- oder Versendungsschuld wandelt.<br />

666 Eine Versendungsschuld zeichnet sich dadurch aus, dass der Schuldner<br />

die Nebenleistungspflicht übern<strong>im</strong>mt, den Leistungsgegenstand vom Erfüllungsort<br />

aus an den Gläubiger zuversenden, 667 wobei der Erfolgsort sich nun<br />

vom Erfüllungsort als dem Ort des Tätigwerdens des Schuldners unterscheidet.<br />

Ohne andere Vereinbarung oder Übung liegt gemäss Art. 323b Abs.1OR bei<br />

einer Versendungsschuld der Erfüllungs- bzw. Zahlungsort somit amArbeitsort,<br />

wenn der Arbeitnehmerineinem Betrieb desArbeitgebers tätig ist.<br />

395 Da dem Gesetzgeber bei der Gestaltung des Anwendungsbereichs von<br />

Art. 323b Abs.1OR die Zahlung des Geldlohns mit Bargeld vorschwebte, mag<br />

die dispositive Gesetzesregelung ins<strong>besondere</strong> für die bargeldlose Zahlung des<br />

Geldlohns antiquiert erscheinen. 668 Dies ändert jedoch nichts daran, dass <strong>im</strong><br />

praktisch bedeutsamsten Fall –der Zahlung des Geldlohns mittels Überweisung<br />

–der Zahlungsort des Geldlohns mangels anderer Vereinbarung oder Übung am<br />

664<br />

665<br />

666<br />

667<br />

668<br />

Vgl. Brühwiler, Art. 323 N5;KUKO OR-Pietruszak, Art. 323b N3;Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 323b N2; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N4.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N4.<br />

BGE 124 III 145 (E. 2,147 ff.) für den Fall der rechtzeitigen Einzahlung bei der Post;<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2120; differenzierend: Koller, §38N37 ff.; anders:<br />

Thalmann, S. 258, <strong>und</strong> wohl auch Weber, bargeldlose Erfüllung, S.144.<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2120 m.w.H.<br />

Vgl. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 323b N1,welche Art. 323b Abs. 1ORals<br />

überholt bezeichnen.<br />

179


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

180<br />

(üblichen) Arbeitsort liegt. Liegt der (übliche) Arbeitsort in der Schweiz, ist<br />

folglich Art. 84 Abs. 2ORanwendbar, <strong>und</strong> zwar auch dann, wenn z.B. der Arbeitnehmer<br />

seinen Wohnsitz nicht inder Schweiz hat. Der Arbeitgeber hätte<br />

mangels Vereinbarung einer klaren Effektivklausel somit aufgr<strong>und</strong> der facultas<br />

alternativa dieBefugnis, den Geldlohn in SchweizerFranken zubezahlen.<br />

396 Eserscheint indessen fraglich, obsich die Parteien eines Arbeitsvertrags bei der<br />

Vereinbarung der Zahlung des Geldlohns ineiner oder mehreren Fremdwährungen<br />

bewusst sind, dass ohne Effektivklausel dem Arbeitgeber die Möglichkeit<br />

zusteht, auch den inFremdwährung geschuldeten <strong>Lohn</strong> in Schweizer Franken<br />

zubezahlen. Letzteres dürfte für den Arbeitgeber ins<strong>besondere</strong> dann interessant<br />

sein, wenn Veränderungen der Wechselkursrelation die Zahlung des<br />

Geldlohns in Fremdwährung für den Arbeitgeber verteuern. Für den Arbeitnehmer<br />

kann dies bedeuten, dass er trotz vertraglicher Vereinbarung, der Geldlohn<br />

sei in einer oder mehreren Fremdwährungen zuzahlen, Schweizer Franken<br />

entgegennehmen müsste, wenn keine Effektivschuld vorliegt. Führt man sich<br />

zudem vor Augen, dass ohne nachweisbare Effektivklausel der Arbeitnehmer<br />

sich bei jeder Geldlohnzahlung darüber <strong>im</strong>Ungewissen befinden könnte, obder<br />

Arbeitgeber von der Alternativermächtigung Gebrauch machen wird, wird ersichtlich,<br />

dass Art. 84 Abs.2OR als Regel des allgemeinen Teils des OR nicht<br />

auf ein Dauerschuldverhältnis wie den Arbeitsvertrag ausgelegt ist. Die Regel<br />

von Art. 84 Abs. 2ORführt dazu, die in der Tendenz wirtschaftlich meist stärkere<br />

Vertragspartei, den Arbeitgeber, zu begünstigen.<br />

397 Sofern die Möglichkeit des Arbeitgebers, von der Alternativermächtigung<br />

Gebrauch zu machen, dem Arbeitnehmer vor Vereinbarung der Geldlohnzahlung<br />

in Fremdwährung nicht kommuniziert wurde <strong>und</strong> somit die Möglichkeit<br />

besteht, dass der Arbeitnehmer die Alternativermächtigung <strong>und</strong> deren potenzielle<br />

Folgen nicht sehenden Auges akzeptiert hat, könnte die Alternativermächtigung<br />

den Regelungszweck der Vorschriften zum <strong>Lohn</strong>rückbehalt (ins<strong>besondere</strong><br />

Art. 323a Abs.2OR) <strong>und</strong> zur <strong>Lohn</strong>sicherung (Art. 323b OR) unterwandern.<br />

Diese Regelungen verfolgen den legislatorischen Zweck, dem Arbeitnehmer,<br />

wenn auch in teilweise eingeschränktem Umfang, die freie Verfügbarkeit des<br />

Geldlohns in vereinbarter Währung <strong>und</strong> Höhe zu gewährleisten. Aus diesen<br />

Gründen erscheint essachgerecht, die Alternativermächtigung gemäss Art. 84<br />

Abs.2OR gestützt auf das <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis regelmässig ungleiche Kräfteverhältnis<br />

nur in den Fällen zur Anwendung kommen zulassen, indenen die<br />

Alternativermächtigung zwischen den Parteien erörtert wurde oder der Arbeitgeberdarauf<br />

aufmerksam gemachthat.<br />

398 Wollte man dem als zu weitgehend nicht zust<strong>im</strong>men, wäre es zum Schutz des<br />

Arbeitnehmers jedenfalls sachgerecht, die Schwelle für den regelmässig vom<br />

Arbeitnehmer zuerbringenden Nachweis einer stillschweigend zustande gekommenen<br />

Effektivklausel nicht zuhoch anzusetzen. Ins<strong>besondere</strong> wäre eine


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

stillschweigende Vereinbarung einer Effektivklausel zu prüfen, wenn der Arbeitgeber<br />

während längerer Zeit den Geldlohn <strong>im</strong>mer inder oder den vertraglich<br />

vereinbarten (Fremd-)Währungen zahlte. 669<br />

B. DerNaturallohn<br />

399 Obwohl der <strong>Lohn</strong> in vielen Arbeitsverhältnissen ausschliesslich in Geld besteht,<br />

670 ist Geld nicht das einzige <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel, worauf sich die Parteien<br />

eines Arbeitsvertrags einigen können. ImORwird in Art. 322 Abs.2OR auf<br />

die Möglichkeit hingewiesen, dass <strong>Lohn</strong> auch mit anderen Zahlungsmitteln als<br />

Geld ausgerichtet werden kann. Sosieht Art. 322 Abs. 2ORvor, dass –mangels<br />

anderer Abrede oder Übung –bei einem mit dem Arbeitgeber in Hausgemeinschaft<br />

lebenden Arbeitnehmer die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber<br />

gewährte Unterkunft <strong>und</strong> Verpflegung vermutungsweise einen Teil des <strong>Lohn</strong>s<br />

darstellen. Anstatt eine Geldzahlung vorzunehmen, können die Parteien des Arbeitsvertrags<br />

somit vereinbaren, dass eine andere Leistung des Arbeitgebers<br />

Gegenstand seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht sein soll. Die rechtliche Folge davon<br />

ist, dass die Nichtgeldleistung geschuldet ist. Die Nichtgeldleistung steht in<br />

obligatione.<br />

400 Inder Lehre werden Leistungen zur Abgeltung für die vom Arbeitnehmer zu<br />

erbringende Arbeit, welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestützt auf den<br />

Arbeitsvertrag verspricht <strong>und</strong> die nicht in Geld bestehen, gesamthaft als Naturallohn<br />

(«salaire en nature»; «salario in natura») bezeichnet. 671 Je nachdem,<br />

welche Leistung der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht zu<br />

erbringen hat, erscheint jedoch der Begriff «Sachlohn» passender. Werden unter<br />

dem Begriff des Naturallohns alle Nichtgeldleistungen des Arbeitgebers ver-<br />

669<br />

670<br />

671<br />

Ins<strong>besondere</strong> verstärkte Form- oder Schriftlichkeitsvorbehalte können in der Praxis<br />

eine aus der realen Erfüllung des Vertrags abgeleitete, stillschweigende Vereinbarung<br />

(weitgehend) verhindern. Unter einem verstärkten Schriftlichkeitsvorbehalt wird dabei<br />

eine Klausel verstanden, welche für eine Vertragsänderung nicht nur einen, meist einfachen<br />

Schriftlichkeitsvorbehalt vorsieht, der auch mit einer mündlichen oder stillschweigenden<br />

Übereinkunft aufgehoben werden kann, sondern weitergehend festhält,<br />

dass auch eine Änderung des Schriftlichkeitsvorbehalts schriftlich zu erfolgen hat; vgl.<br />

BSK OR I-Schwenzer, Art. 16 N10f., sowie Koller, §12 N142, jeweils mit Hinweis<br />

auf BGE 125 III 263 (E. 4c, 268). Vgl. auch Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

9. Oktober 2000, 4C.110/2000, E. 3d, worin das B<strong>und</strong>esgericht festhielt, dass das Dulden<br />

einer vom schriftlichen Vertrag abweichenden betrieblichen Praxis eine Vertrags-<br />

änderung zur Folge habe.<br />

Nach Streiff/von Kaenel, Art. 322 N2,ist, sofern keine Hausgemeinschaft gemäss<br />

Art. 331 ff. ZGB vorliegt, mangels anderer Abrede oder Übung nur Geldlohn geschul-<br />

det.<br />

BE-Komm-Rehbinder, Art. 322 N22; Brühwiler, Art. 322 N1b/dd; Brunner/Bühler/<br />

Waeber/Bruchez, Art. 322 N8; Wyler, S. 173 f.; ZH-Komm.-Staehelin,Art. 322 N2.<br />

181


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

182<br />

standen, sind Geld- <strong>und</strong> Naturallohn komplementär. Ebenso ergeben Geld- <strong>und</strong><br />

Naturallohn zusammengenommen den Gesamtlohn.<br />

401 Für den Naturallohn gilt –gleich wie be<strong>im</strong> Geldlohn –,dass es sich dabei auch<br />

um <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong>arbeitsrechtlichen Sinne handelt. Dies bedeutet ins<strong>besondere</strong>, dass<br />

Naturallohn einen Geldwert aufweisen, eine Gegenleistung für die Arbeit darstellen<br />

<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich zu einer direkten Vermehrung der Aktiven <strong>im</strong> Vermögendes<br />

Arbeitnehmers führen muss.<br />

402 Aus dem Erfordernis des Geldwerts von Naturallohn ergibt sich, dass für jede<br />

Form von Naturallohn in einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt ein mehr oder minder<br />

genau best<strong>im</strong>mbarer Geldbetrag ermittelt werden kann.Wie genau der Geldwert<br />

von Naturallohn ermittelt werden kann, wird davon abhängen, ob für die infrage<br />

stehende Form von Naturallohn ein Markt besteht, welcher verlässliche Marktpreise<br />

zur Verfügung stellt. Kann kein Marktwert ermittelt werden, wäre der<br />

Wert des Naturallohns objektiv zu schätzen. 672 Ebenso ergibt sich aus dem<br />

rechtlichen Erfordernis des Geldwerts von Naturallohn, dass Naturallohn in einem<br />

best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt gr<strong>und</strong>sätzlich durch eine gleichwertige, allenfalls<br />

aufAnnahmen <strong>und</strong> Schätzungen beruhendeGeldzahlung ersetztwerden könnte.<br />

403 Dass ein Arbeitsvertrag trotz der Substitutionsmöglichkeit von Naturallohn<br />

durch Geld die Ausrichtung einer best<strong>im</strong>mten Form von Naturallohn vorsieht,<br />

kann verschiedene Gründe haben. Jenach Art des Naturallohns können die<br />

Gründe dafürwirtschaftlicher <strong>und</strong>/oderpraktischer Artsein.<br />

404 Über wirtschaftliche <strong>und</strong> praktische Umstände hinaus kann die Ausrichtung von<br />

Naturallohn einen wesentlichen Gr<strong>und</strong> auch darin haben, mit dem Naturallohn<br />

für den Arbeitnehmer best<strong>im</strong>mte, von einer oder beiden Parteien des Arbeitsvertrags<br />

gewünschte Anreizstrukturen zu schaffen. Diese Anreizstrukturen sind<br />

darauf ausgerichtet, den Arbeitnehmer <strong>im</strong>Rahmen seiner vertraglichen Pflichten<br />

(oder gar über diese Pflichten hinaus) zueinem Verhalten zu motivieren,<br />

welches den Interessen des Arbeitgebers <strong>und</strong> weiteren Anspruchsgruppen (z.B.<br />

Aktionären <strong>und</strong> Fremdkapitalgebern des Arbeitgebers) bestmöglich entspricht.<br />

Mit anderen Worten verfolgen best<strong>im</strong>mte Formen von Naturallohn –namentlich<br />

die Ausrichtung von Aktien- oder Aktienoptionen des Unternehmens oder<br />

einer verb<strong>und</strong>enen Konzerngesellschaft –den Zweck, Interessendivergenzen<br />

zwischen den Parteien zu reduzieren, welche wesensgemäss in einem gewissen<br />

Ausmass be<strong>im</strong> Abschluss <strong>und</strong> der Erfüllung eines jeden vollkommen synallagmatischen<br />

Austauschvertragsexistieren können.<br />

405 Diese Interessendivergenzen hat auch der Gesetzgeber erkannt. Zum Ausdruck<br />

kommt dies ins<strong>besondere</strong> in Art. 321a Abs. 1OR. Gemäss dieser Best<strong>im</strong>mung<br />

672<br />

Handelt essich um ein Gut, welches nur für den Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen<br />

einen subjektiven Wert hat, kann darin kein (Natural-)<strong>Lohn</strong> erblickt werden.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

hat der Arbeitnehmer die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten<br />

Treuen zu wahren. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers sind aber nicht<br />

schrankenlos, sondern finden ihre Grenzen in den ihrerseits berechtigten Eigeninteressen<br />

des Arbeitnehmers. Welches Interesse überwiegt, ist <strong>im</strong> Einzelfall<br />

aufgr<strong>und</strong> einer Interessenabwägung abzuklären. 673 In Bezug auf das Schaffen<br />

von Anreizstrukturen, umdiese Interessendivergenzen zu mildern <strong>und</strong> zukoordinieren,<br />

ist zu beachten, dass es sich dabei aus rechtlicher Sicht nur um den<br />

Versuch des Arbeitgebers handeln kann, eine vom Einzelfall abhängige <strong>und</strong> an<br />

sich unscharfe Grenze in der Wahrnehmung des Arbeitnehmers etwas zugunsten<br />

des Arbeitgebers zuverschieben. Das Aufbauen von Anreizstrukturen kann<br />

ins<strong>besondere</strong> nicht dazu führen, dass sich die objektive Grenze des für den Arbeitnehmer<br />

<strong>im</strong>Einzelfall Zumutbaren verschiebt. Desgleichen kann der Arbeitgeber<br />

seine Fürsorgepflichten weder <strong>im</strong>Allgemeinen einschränken, noch sich<br />

<strong>im</strong> Besonderen darauf berufen, dass sich eine best<strong>im</strong>mte Anreizstruktur für den<br />

Arbeitnehmer letztlich ausbezahlt habe, um eine unzulässige Regelung zurechtfertigen.<br />

406 Bei einer Naturallohnabrede kommt es nicht selten vor, dass der Arbeitgeber<br />

schon über das Gut verfügt, welches Gegenstand des Naturallohns ist (z.B. über<br />

Wohnraum), oder das Gut unabhängig von der Naturallohnabrede vom Arbeitgeber<br />

<strong>im</strong>Rahmen seiner Geschäftstätigkeit her- oder bereitgestellt wird (z.B.<br />

Treibstoff bei einem Treibstoff<strong>im</strong>porteur oder Backwaren in einer Bäckerei). In<br />

solchen Fällen kann der Arbeitgeber den Naturallohn mit geringem (Mehr-)<br />

Aufwand ausrichten. Die Naturallohnabrede kann daher sowohl für den Arbeitnehmer<br />

als auch den Arbeitgeber nicht nur nützlich, sondern auch effizient sein.<br />

Die wirtschaftliche Effizienz wird dabei regelmässig auch aufgr<strong>und</strong> einer Reduktion<br />

von Transaktionskosten erhöht. 674<br />

407 Ebenso ist es möglich, dass sich der Arbeitgeber das Gut, welches Objekt des<br />

Naturallohns ist, bei einem Dritten zu einem Preis beschaffen kann, der unter<br />

dem Marktpreis liegt, den der Arbeitnehmer dafür zahlen müsste, wenn er sich<br />

das Gut selbst beschaffen würde. Zusätzlich zur Ersparnis von Transaktionskos-<br />

673<br />

674<br />

BGE 117 II 72 (E. 4a; 74); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 21. Juni 2007,<br />

4C.69/2007, E. 3.3.1; Brühwiler, Art. 321a N2c; Portmann/Stöckli, N361; Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 321a N2;Wyler,S.107.<br />

Diese Transaktionskosten bestehen <strong>im</strong> finanziellen Aufwand <strong>und</strong> in der zeitlichen Belastung<br />

beider Parteien. Der Arbeitnehmer kann sich die Zeit <strong>und</strong> die Kosten ersparen,<br />

welche eraufwenden müsste, um sich das Gut, das Gegenstand des Naturallohns bildet,<br />

anderweitig zu beschaffen. Sofern es sich be<strong>im</strong> Naturallohn um ein Gut handelt,<br />

über welches der Arbeitgeber aufgr<strong>und</strong> seiner Geschäftstätigkeit (schon) verfügt, kann<br />

der Arbeitgeber mit der Naturallohnabrede zum einen verhindern, dass dieses Gut gar<br />

nicht genutzt oder unternutzt wird, <strong>und</strong> zum anderen kann sich auch be<strong>im</strong> Arbeitgeber<br />

eine Zeit- <strong>und</strong> Kostenersparnis einstellen, indem er sich darum zu kümmern braucht,<br />

das Gut anderweitig nutzbringend einzusetzen.<br />

183


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

184<br />

ten ist der Naturallohn für den Arbeitnehmer insolchen Fällen günstiger als die<br />

private Beschaffung desselben Gutes. Der Preisvorteil, den der Arbeitgeber erzielen<br />

kann, dürfte dabei häufig aus der Marktstellung <strong>und</strong> Reputation des Arbeitgebers<br />

sowie der Bündelung der Arbeitnehmernachfrage be<strong>im</strong> Arbeitgeber<br />

herrühren. Insofern kann es durchaus Konstellationen geben, indenen eine Naturallohnvereinbarung<br />

sowohl <strong>im</strong> Interesse des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers<br />

liegt. Dies muss jedoch nicht <strong>im</strong>mer der Fall sein, weshalb die Einschränkungen<br />

des sogenannten Truckverbots gemäss Art. 323b Abs. 3ORzu<br />

beachten sind. 675<br />

408 Wenn für das Gut, welches als Naturallohn vereinbart wurde, ein Markt existiert,<br />

gehört eszum Wesen des Wirtschaftsgeschehens, dass sich der Wert des<br />

Naturallohns verändern kann. Es stellt sich damit die Frage, wie das Gesetz<br />

be<strong>im</strong> Naturallohn die Chancen <strong>und</strong> Risiken von Wertveränderungen alloziert.<br />

DieAntwort wird vomGesetz aufindirekte Weise gegeben.<br />

409 Mit der Abrede, eine best<strong>im</strong>mte Formvon Naturallohn auszurichten, übern<strong>im</strong>mt<br />

der Arbeitgeber die Pflicht, die Forderung des Arbeitnehmers auf den Naturallohn<br />

auch wie vereinbart zu erfüllen. Der Naturallohn ist Gegenstand der Leistungspflicht<br />

des Arbeitgebers. Veränderungen des Preises des Naturallohngutes<br />

sowie weiterer Kosten, welche mit der Ausrichtung des Naturallohns einhergehen<br />

können, wirken sich be<strong>im</strong> Arbeitgeber aus. Steigt <strong>im</strong>Vergleich zu einem<br />

Referenzpreis oder Kalkulationswert in einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt der Preis<br />

des Naturallohns, verteuert sich der Naturallohn zulasten des Arbeitgebers. Die<br />

Verteuerung des Naturallohns kann sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber<br />

entweder für die Herstellung oder Beschaffung des Naturallohns einen höheren<br />

Preis zahlen muss, oder, falls der Arbeitgeber schon über das Objekt des Naturallohns<br />

verfügt, der Arbeitgeber aufgr<strong>und</strong> der Naturallohnabredeeinen höheren<br />

Preis nicht durch anderweitige Verwendung des Naturallohns realisieren kann.<br />

Umgekehrt ist es der Arbeitgeber, der von Preisreduktionen oder anderen Kostensenkungen<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang mit der Ausrichtung des relevanten Naturallohngutes<br />

profitiert.<br />

410 Werden alle geldwerten Leistungen, die <strong>im</strong> rechtlichen Sinne <strong>Lohn</strong> darstellen<br />

<strong>und</strong> dem Arbeitnehmer inanderer Form als Geld zukommen, als Naturallohn<br />

bezeichnet, ist einfach zuerkennen, dass Naturallohn die unterschiedlichsten<br />

Formen annehmen kann. Das Gesetz enthält in Bezug auf die Form von Naturallohn<br />

keine direkte Einschränkung. 676 Theoretisch könnte somit jedes nach der<br />

Verkehrsanschauung geldwerte Gut –sei es eine Sache, eine Dienstleistung<br />

oder ein Recht –zum Gegenstand einer Naturallohnabrede gemacht werden.<br />

Ebenso wenig enthält das Gesetz eine direkte Vorschrift, welche den Anteil von<br />

675<br />

676<br />

Vgl. dazu unten Rz. 436 ff.<br />

Vgl. aber Art. 323b Abs. 3OR.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

Naturallohn an der Gesamtvergütung unmittelbar einschränkt. Es ist daher<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich möglich, dass der ganze <strong>Lohn</strong> in natura ausgerichtet wird. 677 Ins<strong>besondere</strong><br />

bei unbefristeten Vollzeitstellen wäre eine ausschliessliche Entlöhnung<br />

in Naturalien über längere Zeiträume hinweg jedoch atypisch. Ineiner<br />

wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus Perspektive des Arbeitnehmers müsste<br />

dieser bei ausschliesslicher Entrichtung des <strong>Lohn</strong>s in natura in der Lage sein,<br />

seine laufenden Lebenshaltungskosten aus anderen Mitteln als regelmässigem<br />

<strong>Lohn</strong> zu bestreiten oderaberden Naturallohn teilweise zu veräussern.<br />

411 Versucht man, den Naturallohn zu systematisieren bzw. zu strukturieren, vermag<br />

der Umstand, ob der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

dem Arbeitgeber eine Sache zurückgeben muss oder nicht, gute Dienste zu<br />

leisten. Muss der Arbeitnehmer eine best<strong>im</strong>mte Sache bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

an den Arbeitgeber zurückgeben, liegt die geldwerte Leistung<br />

des Arbeitgebers in der Gebrauchsüberlassung sowie inder Übernahme der mit<br />

dem Gebrauch der Sache verb<strong>und</strong>enen Kosten, welche notwendig sind, um die<br />

Sache ingebrauchsfähigem Zustand zuerhalten. Der Arbeitnehmer profitiert,<br />

weil er die Sache nutzen darf. Als Gegenstück dazu können einmal diejenigen<br />

Arten von Naturallohn zusammengefasst werden, indenen der vom Arbeitgeber<br />

zu erbringende Naturallohn entweder darin besteht, dem Arbeitnehmer das Eigentum<br />

an einer best<strong>im</strong>mten, geldwerten Sache zuverschaffen, oder der Arbeitnehmer<br />

eine vom Arbeitgeber zu erbringende Dienstleistung in Anspruch<br />

n<strong>im</strong>mt. Ebenfalls zu dieser zweiten Gruppe sind diejenigen Fälle zu zählen, in<br />

denen sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, dem Arbeitnehmer eine best<strong>im</strong>mte,<br />

zusätzliche Rechtsposition einzuräumen oder durch eine Leistung an einen Dritten<br />

dem Arbeitnehmer gegenüber dem Dritten zu einer best<strong>im</strong>mten, geldwerten<br />

Rechtsposition zuverhelfen. 678<br />

XII. DieFälligkeitdes <strong>Lohn</strong>s<br />

A. DieFälligkeit des<strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong> ungekündigten Arbeitsverhältnis<br />

1. DieFälligkeit desGeldlohns<br />

412 Für das sich inVollzug befindliche Arbeitsverhältnis sieht Art. 323 Abs.1OR<br />

vor, dass dem Arbeitnehmer –unter Vorbehalt von kürzeren Fristen oder anderen<br />

verabredeten Terminen –der <strong>Lohn</strong> am Ende jeden Monats auszurichten ist.<br />

Gemäss Art. 323b Abs. 1ORist, sofern nichts anderes verabredet oder üblich<br />

677<br />

678<br />

Teilweise anders: Geiser/Müller, N377, wonach der <strong>Lohn</strong> bei einer Teilzeitstelle,<br />

nicht aber bei einer Vollzeitstelle, nur inForm eines Naturallohns soll ausgerichtet<br />

werden dürfen, da gewisse Lebenskosten (z.B. Steuern auf Naturallohn) notwendigerweise<br />

in Geld zu bezahlen sind.<br />

Vgl. ferner unten Rz. 436 ff.<br />

185


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

186<br />

ist, der Geldlohn dem Arbeitnehmer ingesetzlicher Währung innert der Arbeitszeit<br />

auszuzahlen. 679 Ebenso hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine<br />

schriftliche <strong>Lohn</strong>abrechnung zuübergeben.<br />

413 Von der <strong>Lohn</strong>zahlung amMonatsende kann durch Abrede oder gestützt auf eine<br />

betriebliche Übung abgewichen werden. Der <strong>Lohn</strong> kann somit auch jeweils<br />

Mitte Monat ausgerichtet werden. Ein solches Bedürfnis kann etwa bei umsatzabhängigen<br />

Löhnen bestehen, wenn Ende eines Kalendermonats erst die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

für die Berechnung des ganzen <strong>Lohn</strong>s oder von Teilen des Gesamtlohns<br />

vorliegen. 680 Unzulässig ist es hingegen, wenn der Arbeitgeber die <strong>Lohn</strong>zahlung<br />

vom Eingang einer K<strong>und</strong>en- oder Klientenzahlung abhängig machen will. 681 Indem<br />

das Gesetz die <strong>Lohn</strong>zahlung auf den letzten Tag des Monats legt, hat der<br />

<strong>Lohn</strong> dem Arbeitnehmer amEnde dieses Tages zur Verfügung zu stehen. Eine<br />

Verlängerung der Zahlungsfrist auf den nächsten Werktag, wie es Art. 78 OR<br />

vorsieht, wenn der Monatsletzte auf ein Wochenende 682 oder einen Feiertag<br />

fällt, ist abzulehnen. Einerseits aus praktischen Gründen, dadie modernen Zahlungsmethoden<br />

aufein Salärkonto einetermingerechte Gutschrift ohne Weiteres<br />

ermöglichen. Andererseits, da Art. 323 Abs.1OR als speziellere Regel<br />

Art. 78 OR vorzugehen hat. 683 Wird der <strong>Lohn</strong> (noch) mit Bargeld beglichen, ist<br />

derletzte Arbeitstag desMonats massgeblich. 684<br />

414 Die Monatsfrist für die <strong>Lohn</strong>zahlung ist –unabhängig vom Zahlungszeitpunkt<br />

innerhalb eines Monats –eine Max<strong>im</strong>alfrist. 685 Daher sind gestützt auf eine Abrede<br />

oder Übung nur kürzere <strong>Lohn</strong>zahlungsfristen möglich. ImGegensatz dazu<br />

können durch Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag aber <strong>Lohn</strong>zahlungsintervalle<br />

von mehrals einem Monatvereinbart werden. 686<br />

679<br />

680<br />

681<br />

682<br />

683<br />

684<br />

685<br />

686<br />

Für die Besonderheiten, die sich be<strong>im</strong> Akkordlohn ergeben können, vgl. BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N15; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N9; zum alten<br />

Recht vgl. auch Birchmeier, S. 117f.<br />

KUKOOR- Pietruszak, Art. 323 N3.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom2.Juli 2001, ZR 101 (2002),Nr. 64, S. 228.<br />

Vgl. Art. 1des B<strong>und</strong>esgesetzes vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf anSamstagen<br />

(SR 173.110.3).<br />

Wyler, S. 190; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N5;vgl. auch Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 323 N2;anders: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N13; Brühwiler,<br />

Art. 323 N3;Carruzzo, Art. 323 N1;Streiff/von Kaenel, Art. 323 N8.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N5;anders: Brühwiler, Art. 323 N3;Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 323 N8.<br />

BBl 1967 II, S. 322.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N12; Brühwiler, Art. 323 N2; Brunner/<br />

Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 323 N2;Carruzzo, Art. 323 N1;Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 323 N2;ZH-Komm.-Staehelin,Art. 322 N7.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

2. DieFälligkeit derProvision<strong>und</strong> desAnteils am Geschäftsergebnis<br />

415 Für die Ausrichtung der Provision <strong>im</strong> Sinne von Art. 322b <strong>und</strong> Art. 322 cOR<br />

<strong>und</strong> dem Anteil am Geschäftsergebnis gemäss Art. 322a OR liegen in Art. 323<br />

Abs.2<strong>und</strong> Abs.3OR spezielle Vorschriften für die Fälligkeit dieser <strong>besondere</strong>n<br />

<strong>Lohn</strong>formen vor. Auf diese Fälligkeitsregeln für das laufende Arbeitsverhältnis<br />

wird nachstehend eingegangen. 687<br />

3. DieFälligkeit desNaturallohns<br />

416 Selbst wenn dies <strong>im</strong> Gesetz –mit Ausnahme von Art. 323b Abs. 1OR–nicht<br />

direktzum Ausdruck kommt,setzen die erwähnten gesetzlichen Regelungen zur<br />

Fälligkeit des <strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong>plizit voraus, dass es sich dabeiumGeldlohnhandelt.<br />

417 Bei Naturallohn, der aufgr<strong>und</strong> seines Gegenstands laufend zuerbringen ist (z.B.<br />

Unterkunft <strong>und</strong> Verpflegung), ist Art. 323b Abs.1OR unpassend <strong>und</strong> von der<br />

Sache her nicht anwendbar. 688 Der Arbeitgeber hat diese Leistungen in natura<br />

regelmässig zu erbringen. Insofern wird Naturallohn,der zur Nutzung bzw. zum<br />

Verbrauch best<strong>im</strong>mt ist, kontinuierlich fällig.<br />

418 Bei anderen Formen von Naturallohn, die weder kontinuierlich noch monatlich<br />

fällig werden können, dürften die Parteien regelmässig einen Fälligkeitszeitpunkt<br />

vereinbaren oder ein solcher wird sich aus den Umständen ergeben. Besteht<br />

der Naturallohn z.B. ineiner best<strong>im</strong>mten Sache, die der Arbeitgeber dem<br />

Arbeitnehmer als <strong>Lohn</strong> schuldet (etwa eine <strong>im</strong>Betrieb hergestellte Maschine),<br />

tritt dieFälligkeit in demZeitpunkt ein, in welchem dieSachefertiggestelltist.<br />

419 Bei Naturallohn, der von seiner Natur nach regelmässig bezogen werden kann,<br />

ist mangels anderer Regelung durch Parteiabrede indessen <strong>im</strong>Zweifelsfall von<br />

der Anwendbarkeit von Art. 323 Abs.1OR auszugehen. 689 Steht dem Arbeitnehmer<br />

z.B. pro Monat ein best<strong>im</strong>mte Menge Benzin zu, kann der Arbeitnehmer<br />

spätestens zudiesem Zeitpunkt die Erfüllung verlangen. Besteht der Naturallohn<br />

indessen darin, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer z.B. eine<br />

Versicherungsprämie bezahlt, besteht kein eigentlicher Fälligkeitszeitpunkt <strong>im</strong><br />

Verhältnis. Denn der Naturallohn besteht letztlich <strong>im</strong> Versicherungsschutz <strong>und</strong><br />

ist damit indirekter Natur. Der Arbeitgeber ist daher vielmehr verpflichtet, die<br />

Versicherungsprämie gemäss den vertraglichen Vereinbarungen mit der Versicherung<br />

pünktlich zu entrichten, sodass der versprochene Versicherungsschutz<br />

auflebtoderaufrechterhalten bleibt.<br />

687<br />

688<br />

689<br />

Für die Fälligkeit des Anteils am Geschäftsergebnis vgl. unten Rz. 465 ff.; für die Fälligkeit<br />

der Provision vgl. unten Rz. 570 ff.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N4.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N4<strong>und</strong> N22.<br />

187


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

B. DieFälligkeit beiBeendigung desArbeitsverhältnisses<br />

1. Gr<strong>und</strong>regel dersofortigen Fälligkeit aller Forderungen aus dem<br />

Arbeitsverhältnis<br />

420 Art. 339 Abs. 1OR hält fest, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

sämtliche Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig werden. Davon werden<br />

auch <strong>Lohn</strong>forderungen des Arbeitnehmers erfasst, sofern keine Ausnahme gemäss<br />

Art. 339 Abs.2 <strong>und</strong> Abs.3OR für die Provision <strong>und</strong> den <strong>Lohn</strong> in der<br />

Formeines Anteils am Geschäftsergebnis zurAnwendung kommt.<br />

421 Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, welche schon vor dessen Beendigung<br />

fällig waren, bleiben fällig, ohne dass sich der Fälligkeitszeitpunkt gestützt auf<br />

Art. 339 Abs.1OR ändern bzw. nach hinten verschieben würde. 690 Ferner ist es<br />

für die Anwendung von Art. 339 ORohne Belang, aus welchem Gr<strong>und</strong> der Arbeitsvertrag<br />

endet. 691<br />

422 Die ratio legis der Fälligkeit aller Forderungen beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis<br />

besteht darin, neben der tatsächlichen Beendigung der Zusammenarbeit<br />

auch sämtliche anderen Aspekte der Beendigung des Arbeitsvertrags<br />

möglichst rasch zu abzuwickeln. 692 Aufgr<strong>und</strong> dieser Zwecksetzung <strong>und</strong> dadas<br />

Gesetz explizit von sämtlichen Forderungen spricht, werden auch Ferienentschädigungen<br />

(Art. 329d Abs.1OR), Spesenersatz (Art. 327a OR) <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>nachgenuss<br />

(Art. 338 Abs.2 OR) fällig. 693 Gleiches gilt für die Abgangsentschädigung<br />

nach Art. 339b f. OR, wobei gestützt auf Art. 339c Abs. 4OReine<br />

spätere Fälligkeit infragekommen kann.<br />

2. Sonderregelungen für dieProvision <strong>und</strong> den Anteil am Geschäftsergebnis<br />

423 Für die Fälligkeit der Provision <strong>und</strong> des Anteils am Geschäftsergebnis hat der<br />

Gesetzgeber in Art. 339 Abs.2<strong>und</strong> Art. 339 Abs. 3i.V.m. Art. 323 Abs.3OR<br />

Sonderregelungen geschaffen.<br />

424 Der Botschaft 1967 lässt sich entnehmen, dass die Regelungen inArt. 339<br />

Abs.2<strong>und</strong> Abs.3OR den Fälligkeiten während des laufenden Arbeitsverhältnisses<br />

nachempf<strong>und</strong>en sind. 694 Für Provisionen auf Geschäften, die erst nach<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise erfüllt werden, kann<br />

690<br />

691<br />

692<br />

693<br />

694<br />

188<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 339 N1.<br />

BE-Komm.-Rehbinder, Art. 339 N1;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 339 N1;<br />

KUKO OR-Schwaibold, Art. 339 N2; Streiff/von Kaenel, Art. 339 N9; Wyler,<br />

S. 581; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 339 N2.<br />

BBl 1967 II, S. 393.<br />

BE-Komm.-Rehbinder,Art. 339 N1;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,Art. 339 N1.<br />

BBl 1967 II, S. 393.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

der Fälligkeitszeitpunkt gestützt auf eine schriftliche Vereinbarung hinausgeschoben<br />

werden. Das Gesetz trifft dabei drei Fallunterscheidungen. Die Gr<strong>und</strong>regel<br />

ist, dass der Fälligkeitsaufschub nicht mehr als sechs Monate betragen<br />

soll. Für Geschäfte mit gestaffelter Erfüllung soll der Aufschub der Fälligkeit<br />

nicht mehr als ein Jahr dauern. Für Versicherungsverträge sowie Geschäfte, deren<br />

Durchführung mehr als ein halbes Jahr verlangt, soll der Aufschub in der<br />

Regelnichtmehrals zwei Jahre betragen.<br />

425 Für die Fälligkeit eines Anteils am Geschäftsergebnis verweist Art. 339<br />

Abs.3OR aufdie allgemeineFälligkeitsregel in Art. 323Abs.3OR. 695<br />

XIII. Die<strong>Lohn</strong>sicherung<br />

426 Die gesetzlichen Regeln in Art. 323, Art. 323b OR sowie Art. 325 OR 696 verfolgen<br />

mit verschiedenen Mitteln <strong>und</strong> inverschiedener Hinsichtden Zweck,den<br />

<strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers zu sichern <strong>und</strong> zu schützen. Der Arbeitnehmer soll<br />

über seinen <strong>Lohn</strong> verfügen können. Den Regeln zum <strong>Lohn</strong>schutz kann daher<br />

auch ein sozialpolitisches Element zugeschrieben werden. Die Sicherung des<br />

<strong>Lohn</strong>s zugunsten des Arbeitnehmers leistet einen Beitrag dazu, dass Arbeitnehmer<br />

ihren Lebensunterhalt zu angemessenen Bedingungen bestreiten können<br />

697 <strong>und</strong> eine Abhängigkeit von der Sozialhilfe <strong>im</strong> Idealfall verhindert oder so<br />

weit als möglich gemindert wird.<br />

427 Die Best<strong>im</strong>mungen zum <strong>Lohn</strong>schutz werden in der Literatur zuweilen in den<br />

formellen <strong>und</strong> den materiellen <strong>Lohn</strong>schutz gegliedert. Be<strong>im</strong> materiellen <strong>Lohn</strong>schutz<br />

liegt der Fokus auf denjenigen gesetzlichen Vorschriften, welche direkt<br />

oder indirekt die <strong>Lohn</strong>höhe <strong>im</strong>Sinne von Mindestlohnbest<strong>im</strong>mungen betreffen.<br />

Demgegenüber befasst sich der formelle <strong>Lohn</strong>schutz oder die <strong>Lohn</strong>sicherung<br />

mit den gesetzlichen Regeln, welche sicherstellen sollen, dass der Arbeitnehmer<br />

seinen <strong>Lohn</strong> tatsächlich, rechtzeitig <strong>und</strong> –unter Vorbehalt von vertraglich zulässigen<br />

oder gesetzlich vorgesehenen Abzügen –ineffektiv geschuldeter Höhe<br />

ausbezahlt erhält. 698<br />

428 Inpersönlicher Hinsicht können die gesetzlichen Regeln des <strong>Lohn</strong>schutzes nach<br />

denjenigen Personen gegliedert werden, denen sie Beschränkungen auferlegen.<br />

Da der Arbeitgeber in der Regel die stärkere Partei des Arbeitsvertrags ist <strong>und</strong><br />

ihm die <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht obliegt, auferlegen die meisten Regeln des <strong>Lohn</strong>schutzes<br />

dem Arbeitgeber Handlungsbeschränkungen. Dies trifft beispielsweise<br />

für die Fälligkeit des <strong>Lohn</strong>s sowie für die Beschränkung der Verrechnungsmög-<br />

695<br />

696<br />

697<br />

698<br />

Für die Fälligkeit des Anteils am Geschäftsergebnis vgl. unten Rz. 465 ff.<br />

Zu Art. 325 OR vgl. oben Rz. 96.<br />

Art. 41 Abs. 1lit. dBV.<br />

Tschudi, <strong>Lohn</strong>schutz, S. 9.<br />

189


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

190<br />

lichkeiten von Forderungen des Arbeitgebers mit der <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers<br />

zu. Andere Best<strong>im</strong>mungen schützen den <strong>Lohn</strong> vor Eingriffen Dritter<br />

sowie vor allzu unüberlegten Handlungen des Arbeitnehmers selbst. Die<br />

Schutzvorschriften sind allerdings nicht nur auf den Schutz des Arbeitnehmers<br />

bezogen, sondern wirken auch zugunsten von Familienmitgliedern des Arbeitnehmers,<br />

die ebenfalls auf das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers angewiesen<br />

sind.<br />

A. Diequalifizierte Verrechnungsbeschränkung<br />

429 Art. 323b Abs.2OR sieht vor, dass der Arbeitgeber Gegenforderungen, d.h.<br />

eigene Forderungen gegenüber dem Arbeitnehmer, mit der <strong>Lohn</strong>forderung des<br />

Arbeitnehmers nur soweit verrechnen darf, als die <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers<br />

gemäss Art. 92 <strong>und</strong> Art. 93 SchKG pfändbar ist. Eine Ausnahme von<br />

diesem Gr<strong>und</strong>satz greift dann, wenn dem Arbeitgeber Ersatzforderungen gegenüber<br />

dem Arbeitnehmer zustehen, welche auf einen dem Arbeitgeber vom<br />

Arbeitnehmer absichtlich, d.h. mindestens eventualvorsätzlich, 699 zugefügten<br />

Schaden zurückzuführen sind. Unter solchen Voraussetzungen erlaubt der letzte<br />

Teilsatz von Art. 323b Abs.2OR dem Arbeitgeber, seine Ersatzforderung unbeschränkt<br />

mit der <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers zu verrechnen. Für die<br />

Verrechnung von Forderungen des Arbeitgebers mit <strong>Lohn</strong>forderungen des Arbeitnehmers<br />

kommen <strong>im</strong>Übrigen die allgemeinen Regeln zur Verrechnung zur<br />

Anwendung, 700 soweit diese Regeln des allgemeinen Teils des ORnicht durch<br />

dieabsolut zwingende lex specialis in Art. 323b Abs.2OR eingeschränktsind.<br />

430 Nach der Gr<strong>und</strong>regel zur Verrechnung in Art. 120 Abs. 1OR ist inpositiver<br />

Hinsicht für eine gültige Verrechnung vorausgesetzt, dass zwischen denselben<br />

Parteien 701 (mindestens) zwei existierende, gleichartige Forderungen einander<br />

gegenüberstehen. 702 Aus dem Erfordernis der Gleichartigkeit folgt, dass die<br />

Verrechnung sich praktisch auf den Geldlohn beschränkt. Aufgr<strong>und</strong> der Voraussetzung<br />

der Gleichartigkeit dürften Naturallohnforderungen des Arbeitnehmers<br />

nur in seltenen Fällen mit einer Gegenforderung des Arbeitgebers ver-<br />

699<br />

700<br />

701<br />

702<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Basel-Land vom 11. September 2000,<br />

JAR 2001, S. 186 f.; grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers reicht nicht, umdie Verrechnungsbeschränkung<br />

aufzuheben, vgl. BBl 1967 II, S. 328; BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 323b N3;Duc/Subilia, Art. 323b N250; Streiff/von Kaenel, Art. 323b N6;Wyler,<br />

S. 269.<br />

Art. 120 ff. OR.<br />

Jede Partei ist zugleich Gläubigerin <strong>und</strong> Schuldnerin der anderen Partei.<br />

Art. 120 Abs. 1OR; vgl. auch BSK OR I-Peter, Art. 120 N2, N4f. <strong>und</strong> N10;<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N3207 ff.; Koller, §66 N14 <strong>und</strong> N16; Schwenzer,<br />

N77.04 <strong>und</strong> N77.08.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

rechnet werden können. 703 Die Forderung des Arbeitgebers, welche zur Verrechnung<br />

gebracht wird, muss gr<strong>und</strong>sätzlich 704 auch fällig <strong>und</strong> klagbar sein. Für<br />

die <strong>Lohn</strong>forderung des Arbeitnehmers ist deren Erfüllbarkeit ausreichend. 705<br />

Nicht erforderlich ist, dass die bei einer Verrechnung sich gegenüberstehenden<br />

Forderungen unbestritten sind. 706 Im Arbeitsverhältnis dürfte dies meist nur für<br />

die Verrechnungsforderung des Arbeitgebers <strong>und</strong> die etwaigen variablen <strong>Lohn</strong>bestandteile<br />

des Arbeitnehmers von Bedeutung sein. Ferner ist es nicht notwendig,<br />

dass die sich gegenüberstehenden, zu verrechnenden Forderungen aus demselben<br />

Rechtsverhältnis hervorgegangen sind 707 <strong>und</strong> in der Höhe gleichwertig<br />

sind. 708<br />

431 Umihre Rechtswirkung zuentfalten, muss die Verrechnung erklärt werden. Es<br />

handelt sich dabei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung des verrechnenden<br />

Arbeitgebers. 709 Als Gestaltungsrecht ist die Verrechnungserklärung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich bedingungsfeindlich 710 <strong>und</strong> kann ausdrücklich oder stillschweigend<br />

erfolgen. 711 Eine auf der <strong>Lohn</strong>abrechnung des Arbeitnehmers erscheinende<br />

Verrechnungserklärung wird diesem Erfordernis Genüge tun, wenn sich (wenigstens)<br />

aus den Umständen ergibt, welche Forderung des Arbeitgebers mit<br />

dem<strong>Lohn</strong>des Arbeitnehmers verrechnetwird.Stehen dem Arbeitgeber mehrere<br />

Forderungen gegenüber dem Arbeitnehmer zu, muss er eine Wahl treffen, welche<br />

seiner Forderung(en) inwelchem Umfang verrechnet werden. Geschieht<br />

dies nicht, treten keine Verrechnungswirkungen ein. 712 Die Rechtsfolge einer<br />

gültigen Verrechnung besteht darin, dass die Forderungen, soweit sie sich aus-<br />

703<br />

704<br />

705<br />

706<br />

707<br />

708<br />

709<br />

710<br />

711<br />

712<br />

BSK OR I-Peter, Art. 120 N11 f.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N3217; Koller,<br />

§66N16; Schwenzer, N77.10; z.B. wenn es sich um vertretbare Sachen gleicher<br />

Art <strong>und</strong> Qualität handelt, wozu auch vertretbare Wertpapiere (verbriefte Namen- oder<br />

Inhaberaktien) gezählt werden können.<br />

Vgl. aber Art. 120 Abs. 3<strong>und</strong> Art. 123 Abs. 1OR.<br />

BSK OR I-Peter, Art. 120 N4;Gauch/Schluep/Emmenegger, N3232 f.; Koller, §66<br />

N9<strong>und</strong> N17; Schwenzer, N77.12, N77.15 <strong>und</strong> N77.17.<br />

Art. 120 Abs. 2OR; BSK ORI-Peter, Art. 120 N21; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3221; Koller, §66N21; Schwenzer, N77.11 <strong>und</strong> N77.16.<br />

Art. 124 Abs. 2OR; BSK ORI-Peter, Art. 120 N15; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3222; Koller, §66N21; Schwenzer, N77.11.<br />

Art. 124 Abs. 2OR; BSK ORI-Peter, Art. 120 N15; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3220; Koller, §66N21; Schwenzer, N77.11.<br />

Art. 124 Abs. 1OR; BSK ORI-Peter, Art. 124 N1;Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3247 f.; Koller, §66N26; Schwenzer, N78.01 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 22. Juni 2005, 4C.90/2005, E. 4; BSK ORI-Peter,<br />

Art. 124 N3;Koller, §66N26; Schwenzer, N78.03.<br />

BSK OR I-Peter, Art. 124 N4;Gauch/Schluep/Emmenegger, N3249; Schwenzer,<br />

N78.02.<br />

BSK OR I-Peter, Art. 124 N1; Schwenzer, N78.06; teilweise anders: Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N3254; differenzierend: Koller, §66N78 ff.<br />

191


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

192<br />

gleichen, getilgt sind <strong>und</strong> rückwirkend in dem Zeitpunkt erlöschen, inwelchem<br />

sie sich erstmals verrechenbar gegenüberstanden. 713<br />

432 Um den Umfang des Verrechnungssubstrats best<strong>im</strong>men zu können, ist der<br />

pfändbare Teil oder die pfändbare Quote des <strong>Lohn</strong>s des Arbeitnehmers zu<br />

best<strong>im</strong>men. Dem Arbeitnehmer soll, unter Vorbehalt der absichtlichen Schädigung<br />

des Arbeitgebers, das betreibungsrechtliche Existenzmin<strong>im</strong>um verbleiben.<br />

714 Der Gesetzestext lässt indessen offen, von wem die pfändbare Quote zu<br />

best<strong>im</strong>men ist. Ein Teil der Lehre geht davon aus, der Arbeitgeber könne die<br />

pfändbare Quote unter Bezugnahme auf die entsprechenden kantonalen Richtlinien<br />

entweder selbst best<strong>im</strong>men oder sich an das zuständige Betreibungsamt am<br />

Wohnort des Arbeitnehmers wenden, 715 wobei in beiden Konstellationen den<br />

Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist. 716 Die gegenteilige Auffassung<br />

geht dahin, dass das zuständige Betreibungsamt die pfändbare Quote festzulegen<br />

habe. 717 Sodann wird die Ansicht vertreten, der Arbeitgeber habe die<br />

Richtigkeit der pfändbaren Quote zubeweisen, falls der Arbeitnehmer diese bestreitet.<br />

718<br />

433 Weiter scheint nicht abschliessend geklärt zu sein, welcher Instanz <strong>im</strong>Streitfall<br />

die Best<strong>im</strong>mung der pfändbaren Quote obliegt. So wird etwa die Ansicht vertreten,<br />

der Arbeitnehmer könne den Entscheid des Betreibungsamtes mit Beschwerde<br />

gemäss Art. 17 ff. SchKG anfechten oder aber den Zivilweg beschreiten.<br />

Falls die Instanzen gemäss SchKG die pfändbare Quote festgelegt haben,<br />

sei das Zivilgericht dadurch geb<strong>und</strong>en. Falls jedoch kein Entscheid einer nach<br />

SchKG zuständigen Instanz vorliege, habe das angerufene Zivilgericht die<br />

pfändbare Quote festzulegen; zum einen aus Gründen der Prozessökonomie <strong>und</strong><br />

zum anderen auch deshalb, weil aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden könne,<br />

das Betreibungsamt sei ausschliesslich für die Best<strong>im</strong>mung der pfändbaren<br />

713<br />

714<br />

715<br />

716<br />

717<br />

718<br />

Art. 124 Abs. 2OR.<br />

BBl 1967 II, S. 328.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N12f.; Brühwiler, Art. 323b N8;BSK OR<br />

I-Portmann, Art. 323b N3<strong>und</strong> wohl auch ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N13.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N10; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b<br />

N12, z.B. Familienlasten bzw. Beiträge von Familienmitgliedern zum Unterhalt, Zusatzeinkommen<br />

etc.; vgl. dazu aus der Rechtsprechung: BGE 130 III 765 (E. 2.2–2.4,<br />

766 ff.); BGE116 III 75 (E. 2,77f.); BGE 114 III 12 (E. 3,15f.); BGE 109 III 101<br />

(E. 2,101 f.); BGE 106 III 11 (E. 3c/d; 16 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 8.<br />

November 2005, 7B.160/2005, E. 2; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 31. Oktober<br />

2005, 7B.173/2005, E. 2.2; Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 20.<br />

August 1985, JAR 1987, S.173 f.<br />

BBl 1967 II, S.328; Brand/Dürr et al., Art. 323b N12; CR CO I-Aubert, Art. 323b<br />

N1;Streiff/von Kaenel, Art. 323b N5.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 323d N3;anders wohl: ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 323b N14.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

Quote zuständig. 719 Andere St<strong>im</strong>men inder Lehre scheinen davon auszugehen,<br />

der Entscheid sei <strong>im</strong> Streitfall dem Zivilrichter vorbehalten, 720 wobei indessen<br />

nicht vollständig klar wird, ob die Zuständigkeit des Zivilrichters als ausschliessliche<br />

zu verstehen ist.<br />

434 STAEHELIN lehnt für die Best<strong>im</strong>mung der pfändbaren Quote <strong>im</strong> Rahmen<br />

Art. 323b Abs.2OR eine Analogie zuArt. 325 Abs.1OR ab, weil die letztere<br />

Best<strong>im</strong>mung singulär sei <strong>und</strong> nicht auf die anders gelagerte Verrechnungssituation<br />

übertragen werden könne. Bei der Verrechnung stünden sich nur der Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> der Arbeitnehmer gegenüber, während <strong>im</strong> Rahmen von Art. 325<br />

OR der Arbeitgeber die pfändbare Quote aneinen Dritten <strong>und</strong> die unpfändbare<br />

Quote anden Arbeitnehmer zubezahlen habe, sodass die Beteiligten zur raschen<br />

Klärung der Situation die pfändbare Quote durch das Betreibungsamt<br />

feststellen lassen können.<br />

435 Eine Analogie zu Art. 325 Abs.1OR, wo <strong>im</strong> Übrigen auch nur davon gesprochen<br />

wird, dass das Betreibungsamt den unpfändbaren Betrag «auf Ansuchen»<br />

eines Beteiligten festlegt, drängt sich nicht auf. 721 Legt der Arbeitgeber die<br />

pfändbare Quote inEigenregie fest, erscheint es indessen folgerichtig, wenn er<br />

die sich daraus ergebenden Risiken zu tragen hat. Kommt <strong>im</strong> Zivilprozess das<br />

Gericht zum Schluss, die pfändbare Quote sei vom Arbeitgeber zu hoch angesetzt<br />

worden, wäre der Arbeitgeber zu verpflichten, die Differenz zuzüglich<br />

Zins zu erstatten. Ebenfalls in Betracht zuziehen wäre eine weitergehende<br />

Schadenersatzforderung des Arbeitnehmers, falls er einen entsprechenden<br />

Schadennachweisen kann. 722<br />

B. DasTruckverbot<br />

436 Als weiteres Sicherungsmittel zum Schutz des <strong>Lohn</strong>s des Arbeitnehmers hat der<br />

Gesetzgeber in Art. 323b Abs. 3ORdas sogenannte «Truckverbot» 723 veran-<br />

719<br />

720<br />

721<br />

722<br />

723<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N12f.m.w.H.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 18. Juni 1990, JAR 1991, S. 157 f.; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 323b N13; wohl ebenso: Duc/Subilia, Art. 323b N11.<br />

Ähnlich: ZH-Komm.-Staehelin, Art.323b N13.<br />

Z.B. Kosten aus einem Darlehen.<br />

Gemäss Dictionarium Britannicum, unter dem Stichwort «truck», bedeutet das englische<br />

Verb «to truck», ein Gut gegen ein anderes Gut zutauschen. Es leitet sich vom<br />

französischen «troquer» für etwas gegen etwas eintauschen bzw. «le troc» für<br />

«Tauschhandel» ab; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N18;<br />

Duc/Subilia, vor Art. 323b N14(«interdiction dutroc»).<br />

193


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

194<br />

kert. Diese Best<strong>im</strong>mung sieht vor, dass Abreden über die Verwendung des<br />

<strong>Lohn</strong>s<strong>im</strong>Interesse desArbeitgebers nichtig sind. 724<br />

437 Das Truckverbot hat seine historischen Wurzeln in Missständen, welche sich in<br />

der frühindustriellen Zeit ausbreiteten. Das Truckverbot wurde geschaffen, um<br />

die damals gängigen Unsitten zuunterbinden, dass der wirtschaftlich dem Arbeitgeber<br />

weit unterlegene Arbeitnehmer –um überhaupt für eine Arbeitsstelle<br />

berücksichtigt zuwerden oder diese zu behalten –sich genötigt sah bzw. sich<br />

vertraglich verpflichten musste, in der einen oder anderen Form <strong>und</strong> zuungünstigen<br />

Konditionen Waren <strong>und</strong>/oder Dienstleistungen des Arbeitgebers oder einesmit<br />

dem Arbeitgeber verb<strong>und</strong>enen Dritten zu beziehen. 725<br />

438 Eine Form des Trucksystems bestand etwa darin, dass der Arbeitnehmer vertraglich<br />

verpflichtet wurde, direkt Waren des Arbeitgebers als Naturallohn zu<br />

beziehen, welche von minderer (<strong>im</strong> Gegensatz zu wenigstens mittlerer 726 )Qualität<br />

waren. 727 Hinzukommen konnte, dass der Arbeitnehmer diese Waren für<br />

seine eigenen Bedürfnisse entweder gar nicht oder nicht inder abzunehmenden<br />

Menge benötigte. Der Arbeitnehmer konnte sich folglich gezwungen sehen, die<br />

für ihn persönlich nicht nützlichen Güter selbst verkaufen zu müssen, umBargeld<br />

für seine täglichen Bedürfnisse zu erhalten. Für den Arbeitgeber erschloss<br />

sich dadurch eine zusätzliche Absatzmöglichkeit <strong>und</strong> Gewinnquelle. Eine andere,<br />

ähnliche Variante des Trucksystems bestand darin, dass der Arbeitnehmer<br />

verpflichtet wurde, Waren an Zahlungs statt zu beziehen, 728 wobei der Arbeitgeber,<br />

in Abhängigkeit von seinen anderweitigen Absatzmöglichkeiten, häufig<br />

nichtnur das Ausmass des Warenbezugs durch den Arbeitnehmer, sondern auch<br />

den Warenpreis festlegen konnte. 729 Wieder andere Spielarten des «Tauschhandels»<br />

bestanden darin, dass die Arbeitnehmer mit Gutscheinen, Bons oder ineiner<br />

anderen Sek<strong>und</strong>ärwährung bezahlt wurden, welche nur in Geschäften des<br />

Arbeitgebers 730 oder inLäden von mit dem Arbeitgeber verb<strong>und</strong>enen Personen<br />

zum Erwerb von Waren verwendet werden konnten. 731 Dem Arbeitgeber oder<br />

den mit ihm verb<strong>und</strong>enen Dritten stand insofern die Möglichkeit offen, Preise<br />

durchzusetzen, welche über dem Marktpreis lagen. Weiter fanden sich auch<br />

Verpflichtungen des Arbeitnehmers, Waren in Geschäften des Arbeitgebers auf<br />

Kredit zu beziehen, wobei der gewährte Kredit mit der künftig fällig werdenden<br />

724<br />

725<br />

726<br />

727<br />

728<br />

729<br />

730<br />

731<br />

Der Text der französischen <strong>und</strong> der italienischen Fassung von Art. 323b Abs. 3ORist<br />

in Formulierung <strong>und</strong> Gehalt mit der deutschenFassung identisch.<br />

BBl 1967 II, S. 329; Lauchhe<strong>im</strong>er, S. 106 ff.; Steinmetz, S. 131 ff.<br />

Vgl. Art. 71 Abs. 2OR.<br />

Pribram, S.12; vgl. auch Floretta/Spielbüchler/Strasser, S. 197.<br />

BBl 1967 II, S. 329.<br />

Vgl. Lauchhe<strong>im</strong>er, S. 108 f.<br />

In Englandwurden diese Läden als «tommy shops» bezeichnet; Steinmetz, S. 131.<br />

Pribram, S.12; Steinmetz, S. 131.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

<strong>Lohn</strong>forderung verrechnet wurde. 732 Dabei dürfte davon ausgegangen werden,<br />

dass derArbeitgeber dafür auch stattlicheZinsen belastete. 733<br />

439 Diesen Missständen wurde in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>im</strong><br />

Fabrikgesetz entgegengetreten. Art. 25 Abs. 1des schweizerischen Fabrikgesetzes<br />

von 1914 schrieb einerseits vor, dass der <strong>Lohn</strong> als effektive Barzahlung geleistet<br />

werden muss, während Art. 28 Abs. 2des schweizerischen Fabrikgesetzes<br />

von 1914 festhielt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Waren nur zum<br />

Selbstkostenpreis verkaufen durfte. 734<br />

440 Art. 323b Abs.3OR schützt den Arbeitnehmer seinem Wortlaut nach vor einer<br />

Verwendung des <strong>Lohn</strong>s <strong>im</strong> Interesse des Arbeitgebers, welche das Ergebnis einer<br />

übermässigen Verhandlungsmacht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer<br />

darstellen könnte. Die gesetzlich statuierte Rechtsfolge besteht in der<br />

Nichtigkeit solcher Vereinbarungen. Sie sind rechtlich wirkungslos, ohne indessen<br />

den Arbeitsvertrag insgesamt zuFall zu bringen. Ausgehend vom Wortlaut<br />

der Best<strong>im</strong>mung liegt der positive Zweck von Art. 323b Abs.3OR in einer ersten<br />

Stufe darin, dass der Arbeitnehmer denjenigen <strong>Lohn</strong> erhält, der vereinbart<br />

worden ist. Dieses Ergebnis kann als eine Bekräftigung des allgemeinen Gr<strong>und</strong>satzes<br />

verstanden werden, dass der Arbeitgeber die <strong>Lohn</strong>forderung richtig bzw.<br />

in der vereinbarten Form erfüllen muss. Auf einer zweiten, weitergehenden Stufe<br />

besteht der Zweck des Truckverbots darin, dem Arbeitnehmer die freie Verfügbarkeit<br />

des vertraglich geschuldeten <strong>Lohn</strong>s zu gewährleisten. 735 Der verdiente<br />

<strong>Lohn</strong> für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers soll dem Einflussbereich des<br />

Arbeitgebers entzogen sein. Da der <strong>Lohn</strong> sowohl in Geld als auch in natura<br />

ausgerichtet werden kann, werden beide <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel vom Truckverbot<br />

erfasst.<br />

441 Die gr<strong>und</strong>legenden Mechanismen <strong>und</strong> Möglichkeiten, mit welchen der Schutz<br />

der freien Verwendbarkeit des vereinbarten Geldlohns unterwandert werden<br />

könnte, haben sich <strong>im</strong> Laufe der Zeit wenig geändert. Gr<strong>und</strong>sätzlich unzulässig<br />

732<br />

733<br />

734<br />

735<br />

Floretta/Spielbüchler/Strasser, S. 197.<br />

Für weitere Beispiele von missbräuchlichen Praktiken, z.B. den Bussenpraktiken,<br />

<strong>Lohn</strong>abzügen <strong>und</strong> dem Kreditwucher, vgl. Heiz, Truck-Verbot, S.31ff.; Pribram,<br />

S. 12 f., sowie Steinmetz, S. 131 ff.<br />

Art. 25 Abs. 1des schweizerischen Fabrikgesetzes verpflichtete den Fabrikinhaber,<br />

den <strong>Lohn</strong> spätestens alle 14 Tage in bar, ingesetzlicher Währung <strong>und</strong> unter Beifügung<br />

einer Abrechnung in der Fabrik selbst, <strong>und</strong> zwar innert der Arbeitszeit aneinem Werktage,<br />

auszuzahlen. Ergänzt wurde diese Regelung durch die Best<strong>im</strong>mung in Art. 28<br />

Fabrikgesetz, welche vorsah, dass der Fabrikinhaber für Lieferung von Waren oder<br />

Fournitüren nicht mehr als den Betrag der Selbstkosten fordern dürfe; vgl. dazu auch<br />

Eichholzer, Kommentar Fabrikgesetz, zu Art. 25 <strong>und</strong> zu Art. 28; Tschudi, <strong>Lohn</strong>schutz,<br />

S. 10; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N17.<br />

BBl 1967 II, S. 329; Heiz, Truck-Verbot, S.32.<br />

195


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

196<br />

ist es, wenn der Arbeitnehmer anstelle des vereinbarten Geldlohns vom Arbeitgeber<br />

Waren oder Dienstleistungen erhält. Mit welcher juristischen Konstruktion<br />

dies erreicht wird, kann aufgr<strong>und</strong> des Schutzzwecks <strong>und</strong> der breiten Formulierung<br />

des Truckverbots nicht von Bedeutung sein. Es kann etwa eine Lieferung<br />

von Waren an Zahlungs statt vorliegen oder auf Anrechnung auf den künftig<br />

fällig werdenden Geldlohn erfolgen, womit eine Kreditgewährung vorliegen<br />

würde. ImResultat gleichwertig wäre auch eine vorgängige Verpflichtung des<br />

Arbeitnehmers, einen best<strong>im</strong>mten Betrag seines Geldlohns für Einkäufe be<strong>im</strong><br />

Arbeitgeber oder einer mit dem Arbeitgeber verb<strong>und</strong>enen Person einzusetzen, 736<br />

selbst wenn der <strong>Lohn</strong> voll ausbezahlt wird <strong>und</strong> der Arbeitnehmer allenfalls<br />

wählen könnte, welche Produkte des Arbeitnehmers er beziehen will. 737 Unzulässig<br />

wäre auch eine <strong>im</strong>Voraus dem Arbeitnehmer auferlegte Pflicht, bei Fälligkeit<br />

bzw. nach Auszahlung des Geldlohns einen Teil davon dem Arbeitgeber<br />

(wieder) zur Verfügung zu stellen, z.B. als Darlehen. 738 Eine St<strong>und</strong>ung des fälligen<br />

<strong>Lohn</strong>s wird ebenfalls als unzulässig betrachtet, es sei denn, der Arbeitnehmer<br />

erkläre sich ausnahmsweise dazu bereit, um einen Beitrag zur Linderung<br />

von finanziellen Problemen des Arbeitgebers zu leisten <strong>und</strong> seinen Arbeitsplatz<br />

zu erhalten. 739<br />

442 Gestützt auf die vorstehenden Beispiele liegt der Kerngehalt des Truckverbots<br />

für den Geldlohn darin, dass dieser dem Arbeitnehmer erstens vollumfänglich<br />

zukommen muss. Zweitens muss der Arbeitnehmer ohne Einflussnahme des<br />

Arbeitgebers darüber entscheiden können, wie er seinen Geldlohn verwenden<br />

will. Spiegelbildlich ergibt sich daraus, dass das Truckverbot den Arbeitnehmer<br />

736<br />

737<br />

738<br />

739<br />

BBl 1967 II, S. 329; BSK OR I-Portmann, Art. 323b N7f.; Brühwiler, Art. 323b<br />

N10; Duc/Subilia, Art. 323b N16; ZH-Komm.-Staehelin, Art.323 bN18 f.<br />

Aus der Gerichtspraxis vgl. BGE 130 III 19 (E.4,26ff.) betreffend eine nichtige Abrede,<br />

sich be<strong>im</strong> Arbeitgeber verpflegen zu müssen, wofür <strong>Lohn</strong>abzüge vorgenommen<br />

wurden; Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1. Oktober 2004, 4C.237/2004 <strong>und</strong><br />

4C.239/2004, worin die Erfüllung einer variablen Ziellohnforderung in Geld durch gesperrte<br />

Optionen als nichtig betrachtet wurde, weil der Arbeitgeber zu einer Geldleistung<br />

verpflichtet war <strong>und</strong> der Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong> der dreijährigen Ausübungssperre<br />

mit Verfall bei vorzeitiger Kündigung, der Unübertragbarkeit sowie des Fehlens eines<br />

Rückgaberechts den Geldwert der Optionen nicht habe realisieren können; Entscheid<br />

des Arbeitsgerichts Zürich vom 11. Februar 1988, JAR 1990, S. 180 ff., worin<br />

das Gericht eine Verpflichtung, <strong>im</strong>Geschäft des Arbeitgebers ausschliesslich Kleidung<br />

<strong>und</strong> Accessoires des Arbeitgebers zu tragen, welche sie zum Einstandspreis erwerben<br />

konnte, für nichtig erklärte; Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom18. Januar<br />

1985, JAR 1988, S. 230 ff., worin der <strong>Lohn</strong>abzug des «Zehnten» zugunsten des<br />

Arbeitgebers (einer religiösen Organisation) als Verstoss gegen das Truckverbot gewertet<br />

wurde); Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 16. Februar 1990, JAR 1991,<br />

S. 156 f., worin ein genereller Abzug vom <strong>Lohn</strong> für den (hypothetischen) Verzehr von<br />

Süssigkeiten <strong>und</strong> Backwaren des Arbeitgebers fürnichtig erklärt wurde.<br />

BBl 1967 II, S. 329.<br />

Portmann/Stöckli, N344; ZH-Komm.-Staehelin,Art. 323b N22.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

somit nicht hindert, seinem Arbeitgeber Waren abzukaufen oder die Dienstleistungen<br />

des Arbeitgebers inAnspruch zunehmen, sofern erdies tatsächlich aus<br />

freien Stücken tun will. Barkäufe sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen<br />

des Arbeitnehmers sind zulässig, 740 solange der Arbeitgeber keinen<br />

Druck auf den Arbeitnehmer ausübt <strong>und</strong> dem Arbeitnehmer mindestens die<br />

gleichen Konditionen anbietet wie Drittpersonen. 741 Sind diese Voraussetzungen<br />

erfüllt, ist unter dem Aspekt des Truckverbots auch nichts dagegen einzuwenden,<br />

wenn der Arbeitgeber etwaige Warenbezüge dem Arbeitnehmer mit<br />

der nächsten fälligen <strong>Lohn</strong>zahlung verrechnet, solange sich die Verrechnung<br />

innerhalb der pfändbaren <strong>Lohn</strong>quote gemäss Art. 323b Abs.2OR bewegt. 742<br />

443 Einige Autoren in der Lehre vertreten die Ansicht, der Wortlaut von Art. 323b<br />

Abs.3OR sei dahingehend zu weit, als dass nicht jedes Geschäft, an welchem<br />

der Arbeitgeber ein Interesse hat, unzulässig sei. Namentlich dann, wenn der<br />

Arbeitnehmer ein viel grösseres Interesse an dem Geschäft habe, sei die Zulässigkeit<br />

anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zubeurteilen. 743 Dieser<br />

Ansicht ist für Einzelgeschäfte zuzust<strong>im</strong>men. Sie ist indessen kritisch zu hinterfragen,<br />

soweit sich daraus zulasten des Arbeitnehmers ein Kontrahierungszwang<br />

für best<strong>im</strong>mte, sich regelmässig wiederholende Geschäftsarten oder ein<br />

zum Arbeitsvertrag parallel laufendes Dauerschuldverhältnis ergeben könnte.<br />

Wird das Truckverbot dahingehend verstanden, dass der Arbeitnehmer frei über<br />

seinen Geldlohn soll verfügen können, muss ersich selbst für ihn günstige Geschäfte<br />

mit dem Arbeitgeber <strong>im</strong> Voraus nicht mittels Arbeitsvertrag aufzwingen<br />

lassen. Als arbeitsrechtlich unzulässig (<strong>und</strong> wettbewerbsrechtlich bedenklich 744 )<br />

sind daher die zuweilen inBetriebsreglementen anzutreffenden Best<strong>im</strong>mungen,<br />

welche den Arbeitnehmer verpflichten, z.B. exklusiv bei seinem Arbeitgeber<br />

Bank-, Versicherungs- oder sonstige Dienstleistungen inAnspruch zunehmen.<br />

Selbst wenn solche Dienstleistungen dem Arbeitnehmer tatsächlich zu besseren<br />

Konditionen gewährt werden, als der Arbeitnehmer sie von einem Konkurrenten<br />

seines Arbeitgebers erhalten würde, lässt sich ein Kontrahierungszwang vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> des Truckverbots nicht mit dem Argument rechtfertigen, die<br />

740<br />

741<br />

742<br />

743<br />

744<br />

BBl 1967 II, S. 329; BSK OR I-Portmann, Art. 323b N7;Vischer, S. 118.<br />

Zu den vom Arbeitgeber angebotenen Mitarbeitervergünstigungen, welche der Arbeitnehmer<br />

freiwillig inAnspruch nehmen kann, wenn er dies möchte, vgl. auch oben<br />

Rz. 255 <strong>und</strong> Rz. 257 f.<br />

Vgl. auch den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 6. Mai 2003,<br />

JAR 2004, S. 409 f. (E. 4c, 409 f.), das Gericht schützte darin eine einvernehmliche<br />

Vereinbarung, wonach der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindende Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer als Ersatz fürden <strong>Lohn</strong> einen Farblaserdrucker übereignete.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 323b N10 a.E. (ebenso die Vorauflage, BSK OR<br />

I-Rehbinder/Portmann, Art. 323b N6); ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N17<strong>und</strong> vgl.<br />

auch N19.<br />

Art. 2<strong>und</strong> Art. 7UWG.<br />

197


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

198<br />

Interessen des Arbeitnehmers am konkreten Geschäft würden diejenigen des<br />

Arbeitgebersüberwiegen. 745<br />

444 Andererseits wird es richtigerweise als zulässig erachtet, wenn der Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> der Arbeitgeber (<strong>im</strong> Voraus) vereinbaren, dass ein best<strong>im</strong>mter Teil des<br />

fällig werdenden Geldlohns be<strong>im</strong> Arbeitgeber verbleibt. Es wird in diesem Zusammenhang<br />

teilweise auch von Spar- oder Investivlohn gesprochen. 746 Für die<br />

Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ist allerdings zweierlei vorauszusetzen.<br />

Der Arbeitgeber hat diesen, bei ihm verbleibenden Betrag (mindestens) zu<br />

marktüblichen Konditionen zuverzinsen, <strong>und</strong> der Arbeitnehmer muss sein ganzes<br />

Guthaben jederzeit beziehen können. 747 Nur unter solchen Voraussetzungen<br />

lässt sich, nebst der Beachtung des Truckverbots, auch ein unerwünschtes<br />

Klumpenrisiko zulasten des Arbeitnehmers kontrollieren. Ebenfalls zulässig ist<br />

es, wenn –gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung –dem Arbeitnehmer<br />

zur Rückzahlung eines ihm von Arbeitgeber gewährten Darlehens die entsprechenden<br />

Raten direkt vom <strong>Lohn</strong> abgezogen werden. Die Verrechnungsbeschränkunggemäss<br />

Art. 323bAbs.2OR ist indessen einzuhalten. 748<br />

445 Nach der Lehre schliesst das Truckverbot nicht aus,dass die Parteien eineNaturallohnabrede<br />

treffen. 749 Gestützt auf Art. 322 Abs. 2OR ist dies <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz<br />

korrekt. Indessen zeigen die historischen Wurzeln von Art. 323b Abs.3OR auf,<br />

dass Naturallohnabreden zweischneidig sein können. 750 Die von Naturallohnabreden<br />

ausgehende Gefahr für den Arbeitnehmer kann ins<strong>besondere</strong> darin bestehen,<br />

dass der Naturallohn in einem Gut besteht, das für den Arbeitnehmer –sei<br />

es objektiv oder subjektiv –keinen oder nur einen beschränkten Nutzen aufweist.<br />

Ebenso ist esmöglich, dass eine Form von Naturallohn (z.B. Aktien oder<br />

Aktienoptionen) <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Formen von Naturallohn <strong>und</strong> Geld<br />

einem erhöhten Wertschwankungs- <strong>und</strong> Verlustrisiko unterliegen, welches der<br />

745<br />

746<br />

747<br />

748<br />

749<br />

750<br />

Vgl. auch Heiz, Truck-Verbot, S.46<strong>und</strong> S. 58 f.<br />

BBl 1967 II, S.329; Brühwiler, Art. 323b N10; Portmann/Stöckli, N345; Vischer,<br />

S. 118; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N21f.; wohl teilweise anders: BE-Komm.-<br />

Rehbinder, Art. 323b N20, der eine Vereinbarung «<strong>im</strong> Voraus» wohl ablehnt <strong>und</strong> dem<br />

Arbeitnehmer bei Fälligkeit inAnbetracht seiner finanziellen Belastungen wohl die<br />

Wahl einräumen möchte, ob <strong>und</strong>, falls ja, wie hoch der be<strong>im</strong> Arbeitgeber verbleibende<br />

«Sparlohn» sein soll.<br />

In Grossbetrieben haben sich diesbezüglich sogenannte Depositenkassen gebildet, die<br />

jedoch nicht dem Bankengesetz unterstehen. Eine diesbezügliche Aufklärungspflicht<br />

des Arbeitgebers wäre daher zu bejahen.<br />

BBl 1967 II, S. 329; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N20; Brühwiler,<br />

Art. 323b N10.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323b N21; BSK OR I-Portmann, Art. 323b N8;<br />

Duc/Subilia, Art. 323b N16; Portmann/Stöckli, N343; Vischer, S.118; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 323b N24.<br />

ZumNaturallohn vgl.auch oben Rz. 399 ff.


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

Arbeitnehmer nicht oder nur in einem beschränkten Rahmen beeinflussen kann<br />

<strong>und</strong> nicht oder nur in einem beschränkten Mass überhaupt zu tragen gewillt ist.<br />

Deswegen wird richtigerweise verlangt, dass auch Naturallohnabreden nicht zu<br />

einer Umgehung desTruckverbots führen dürfen. 751<br />

446 Gestützt auf die vorstehenden Beispiele liegt der Kerngehalt des Truckverbots<br />

in Bezug auf den Naturallohn darin, dass die Vereinbarung von Naturallohn<br />

dem Truckverbot nicht widerspricht, wenn der Naturallohn vom Arbeitnehmer<br />

gewünscht wurde <strong>und</strong> deshalb ihre Ursache <strong>im</strong>echten Eigeninteresse des Arbeitnehmers<br />

hat. Wurde eine Naturallohnabrede vom Arbeitnehmer nicht direkt<br />

gewünscht, aber <strong>im</strong> Rahmen derGesamtvergütung akzeptiert, <strong>und</strong> liegtdie Ausrichtung<br />

des infrage stehenden Naturallohns sowohl <strong>im</strong>Interesse des Arbeitnehmers<br />

als auch des Arbeitgebers, ist eine wertende Interessenabwägung vorzunehmen.<br />

752 Ergibt sich daraus kein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers<br />

an der Naturallohnabrede, wäre eine solche Naturallohnvereinbarung unzulässig.<br />

447 Inder Lehre nicht explizit angesprochen wird die Problematik, wie sich die<br />

Rechtslage darstellt, wenn sich die ursprünglichen Interessen der Parteien, auf<br />

welche sich die Naturallohnabrede stützte, <strong>im</strong>Zeitablauf verändern. Esist möglich,<br />

dass die Naturallohnabrede den Interessen einer oder beider Parteien aufgr<strong>und</strong><br />

veränderter Umstände nicht mehr entspricht. Halten beide Parteien eine<br />

ursprünglich zweckmässige <strong>und</strong> zulässige Naturallohnabrede nicht mehr für<br />

sinnvoll, dürften die Parteien in der Regel eine einvernehmliche Vertragsänderung<br />

vornehmen. Grössere Schwierigkeiten dürften sich indessen dann ergeben,<br />

wenn die Interessen des Arbeitnehmers <strong>und</strong> des Arbeitgebers mit der Zeit auseinanderdriften.<br />

Der Arbeitgeber könnte beispielsweise nach wie vor ein Interesse<br />

daran haben, Naturallohn auszurichten, 753 während sich die Interessen des<br />

Arbeitnehmers –legit<strong>im</strong>erweise –verändert haben könnten. 754 Da vertragliche<br />

Vereinbarungen <strong>im</strong>Lichte der Umstände zu betrachten sind, unter denen sie abgeschlossen<br />

wurden, 755 sind veränderte Umstände, welche be<strong>im</strong> Arbeitnehmer<br />

oder be<strong>im</strong> Arbeitgeber zwischenzeitlich eingetreten sind, gr<strong>und</strong>sätzlich ohne<br />

rechtliche Bedeutung. Eine Ausnahme wäre zwar unter der clausula rebus sic<br />

stantibus möglich, dadieses Rechtsinstitut eine Anpassung eines Vertrags an<br />

veränderte Umstände ermöglicht. Allerdings sind die Voraussetzungen für die<br />

751<br />

752<br />

753<br />

754<br />

755<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 323b N9;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N24.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 323b N9;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N17<strong>und</strong> N24.<br />

Z.B. in der Form der Überlassung einer Wohnung oder in Form von Aktien des Arbeit<br />

gebenden oder eines anderen Konzernunternehmens.<br />

Der Arbeitnehmer könnte beispielsweise wegen Familiengründung eine andere Wohnung<br />

beziehen oder eine Immobilie erwerben wollen oder könnte, z.B. wegen der<br />

Ausbildungskosten seiner Kinder oder einer grösseren Anschaffung, einen erhöhten<br />

Finanzbedarf haben.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N1212 ff.<br />

199


§5 DAS OBLIGATIONENRECHTLICHE LOHN- UND VERGÜTUNGSSYSTEM<br />

200<br />

Anwendung dieses Rechtsinstituts nach der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

(sehr) streng. 756 Im Regelfall dürfte eine Anwendung dieses Rechtsinstituts auf<br />

eine Naturallohnabrede kaum infrage kommen. Den Parteien bleibt damit bloss<br />

die Möglichkeit, auf eine Vertragsänderung hinzuwirken <strong>und</strong> allenfalls zum<br />

Mittel der Änderungskündigungzugreifen.<br />

448 Ob<strong>und</strong> inwiefern das Truckverbot auch auf eine Gratifikation, 757 welche gerade<br />

nicht <strong>Lohn</strong> ist, 758 Anwendung findet, ist inder Literatur teilweise umstritten.<br />

Gestützt auf den Wortlaut von Art. 323b Abs. 3OR, worin nur vom «<strong>Lohn</strong>» gesprochen<br />

wird, wenden die wohl herrschende Lehre sowie das BUNDESGERICHT<br />

dasTruckverbot aufeine(echte oder unechte)Gratifikationnichtan. 759<br />

449 Zusammenfassend mag die Best<strong>im</strong>mung zum Truckverbot aufgr<strong>und</strong> ihres historischen<br />

Hintergr<strong>und</strong>s zwar etwas altertümlich wirken. Zudem sind die klassischen<br />

Missstände, welche zum Erlass des Truckverbots geführt haben, heute –<br />

erfreulicherweise –relativ selten. Dennoch hat die Best<strong>im</strong>mung nach wie vor<br />

ihre Daseinsberechtigung, wie ins<strong>besondere</strong> die Rechtsprechung <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit Aktien- <strong>und</strong> Aktienoptionsplänen zeigt. Die relativ geringe Anzahl<br />

von Verletzungen dieser Vorschrift erscheint als Zeichen dafür, dass diese<br />

Best<strong>im</strong>mung ihrSchutzziel (nach wievor)erreicht. 760<br />

756<br />

757<br />

758<br />

759<br />

760<br />

Zu den strengen Anwendungsvoraussetzungen der clausula rebus sic stantibus vgl.<br />

BGE 135 III 1(E. 2.4, 9f.); BGE 127 III 300 (E.5.b, 304 f.); BGE 122 III 97(E. 3a,<br />

98 f.).<br />

Zur Gratifikation vgl. unten Rz. 587 ff.<br />

Vgl. auch BGE 136 III 313 (E. 2.4, 321).<br />

BGE 131 III 615 (E. 6.3; 622 f.); BSK OR I-Portmann, Art. 323b N10; Staehelin,<br />

gesperrte Optionen, S. 184 f.; Wyler, S.271; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323b N17;<br />

anders: Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d N8; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

3. Aufl., Art. 323b N17.<br />

Vgl. auch Heiz, Truck-Verbot, S.54.


§6 Besondere <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> <strong>Vergütungsformen</strong><br />

XIV. DerAkkordlohn(Art. 326 <strong>und</strong>Art. 326a OR)<br />

450 Der Akkordlohn ist ein reiner Leistungslohn, indem der Arbeitnehmer ausschliesslich<br />

in Abhängigkeit von der individuell erbrachten Arbeitsleistung entlöhnt<br />

wird. 761 Damit ein Arbeitnehmer, der gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung<br />

für einen Arbeitgeber ausschliesslich Akkordlohnarbeit zu verrichten<br />

hat, einen ausreichenden <strong>Lohn</strong> erzielen kann, sieht Art. 326 Abs.1OR vor, dass<br />

der Arbeitgeber dem reinen Akkordlohnarbeitnehmer auch genügend Arbeit zuzuweisen<br />

hat. Von genügender Arbeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer<br />

während der vereinbarten Arbeitszeit ausgelastet ist. 762 Weist der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer nicht genügend Akkordarbeit zu, gerät ergr<strong>und</strong>sätzlich<br />

in Annahmeverzug. Der Arbeitgeber ist dann zur <strong>Lohn</strong>zahlung verpflichtet,<br />

763 es sei denn, es greife Art. 326 Abs.2 OR. Der Arbeitnehmer hat<br />

Anspruch auf den bislang durchschnittlich verdienten Akkordlohn. 764 Der <strong>im</strong><br />

Betrieb übliche Zeitlohn <strong>im</strong>Sinne von Art. 322 Abs.1OR findet keine Anwendung.<br />

765<br />

451 Ist der Arbeitgeber ohne sein Verschulden nicht in der Lage, entsprechend der<br />

vertraglichen Vereinbarung dem reinen Akkordlohnarbeitnehmer genügend Arbeit<br />

zuzuweisen oder liegen Umstände vor, die esbetrieblich notwendig machen,<br />

darf der Arbeitgeber –ohne eine Vertragsverletzung zubegehen <strong>und</strong> ohne<br />

in Annahmeverzug zugeraten –dem reinen Akkordlohnarbeitnehmer gemäss<br />

Art. 326 Abs.2OR auch Zeitlohnarbeit zuweisen. Die Zeitlohnarbeit darf der<br />

Arbeitnehmer nicht ablehnen. Seine Pflicht zur Leistung von Zeitlohn ergibt<br />

sich kraft Gesetz. 766 Für den Zeitlohn gilt, dass dieser festgelegt sein sollte. Die<br />

Best<strong>im</strong>mung des zuzahlenden Zeitlohns kann sich auf eine Einzelabrede stützen<br />

oder sich aus einem Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag ergeben. Liegt indessen<br />

keine solche Zeitlohnvereinbarung vor, soist subsidiär wiederum der in<br />

früheren Perioden durchschnittlich verdiente Akkordlohn geschuldet <strong>und</strong> nicht<br />

derüblicheZeitlohn <strong>im</strong> Sinnevon Art. 322 Abs.1OR.<br />

761<br />

762<br />

763<br />

764<br />

765<br />

766<br />

Auf den sogenannten Gruppenakkord, bei dem sich der <strong>Lohn</strong> eines einzelnen Arbeitnehmers<br />

nicht oder nur teilweise nach der eigenen Arbeitsleistung best<strong>im</strong>mt, sondern<br />

in der Regel nach einem vorab festgelegten Verteilschlüssel zugeteilt wird, soll hier<br />

nicht weiter eingegangen werden; vgl. dazu Streiff/von Kaenel, Art. 326 N3;Vischer,<br />

S. 99 f.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 326 N4;zum Ganzen vgl. auch Florian Herman,<br />

Die Gruppenarbeit, Diss. BS, Basel 1970.<br />

BBl 1967 II, S. 338.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326 N21; Streiff/von Kaenel, Art. 326 N6.<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 326 N6.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 326 N13.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326 N19.<br />

201


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

452 Falls der Arbeitgeber weder inder Lage ist, dem Akkordlohnarbeitnehmer während<br />

der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mit genügend Akkordlohnarbeit<br />

auszulasten, noch ihm Zeitlohnarbeit zuweisen kann, so ist der Arbeitgeber gemäss<br />

Art. 326 Abs. 4ORdennoch verpflichtet, dem Arbeitnehmer denjenigen<br />

<strong>Lohn</strong> zu bezahlen, den der Arbeitgeber bezahlen müsste, wenn er dem Akkordlohnarbeitnehmer<br />

Zeitlohnarbeit zuweisen könnte. Art. 326 Abs.4 OR stellt<br />

damit –in Analogie zuArt. 324OR–eine Norm dar, welche die Risikoverteilung<br />

<strong>im</strong> Arbeitsverhältnis regelt. 767<br />

453 Eine Gefahr be<strong>im</strong> Akkordlohn liegt darin, dass der Arbeitnehmer –ohne etwaige<br />

Erfahrungswerte oder eine entsprechende betriebliche Übung –nicht weiss,<br />

welchen <strong>Lohn</strong> er mit welcher Arbeitsleistung ungefähr wird erzielen können.<br />

Dieser Problematik widmet sich Art. 326a Abs.1OR. Gemäss Art. 326a Abs. 1<br />

OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Akkordlohnarbeitnehmer vor Beginn<br />

der einzelnen Arbeit den Akkordlohnsatz bekannt zu geben. Der Zweck von<br />

Art. 326a Abs.1OR liegt folglich darin, den sogenannten Blindakkord zuverbieten.<br />

768 Unter Blindakkord ist eine Situation zu verstehen, in welcher der Arbeitgeber<br />

dem Akkordlohnarbeitnehmer den Akkordlohnsatz erst ex post bekannt<br />

gibt. 769 Art. 326a Abs. 1OR hat damit zum Zweck, esdem Arbeitgeber<br />

zu verunmöglichen, inAbhängigkeit <strong>und</strong> insicherer Kenntnis von der vom Akkordlohnarbeitnehmer<br />

tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung den dafür zuentrichtenden<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Nachhinein zu steuern. Zur Absicherung des Verbots des<br />

Blindakkords sieht Art.326a Abs.2OR ergänzend vor, dass der Arbeitgeber,<br />

falls er es unterlässt, dem Akkordlohnarbeitnehmer den Akkordlohnsatz <strong>im</strong><br />

Voraus bekannt zu geben, den <strong>Lohn</strong> nach dem für gleichartige oder ähnliche<br />

Arbeiten festgesetzten Ansatzzubezahlen hat.<br />

454 InBezug auf diese gesetzliche Rechtsfolge ist festzustellen, dass diese kaum in<br />

der Lage sein wird, einen Arbeitgeber von einer Verletzung des Verbots des<br />

Blindakkords abzuhalten. Denn der Arbeitgeber ist, falls erden Akkordlohnsatz<br />

unzulässigerweise nicht bekannt gibt, nur verpflichtet, den <strong>Lohn</strong> zubezahlen,<br />

welcher für die von Akkordlohnarbeitnehmern geleistete Arbeit üblicherweise<br />

zu bezahlen ist. 770<br />

767<br />

768<br />

769<br />

770<br />

202<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 326 N6; Wyler, S.160; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 326<br />

N14f.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 326a N2;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 326a N1;<br />

Duc/Subilia, Art. 326a N2;Streiff/von Kaenel, Art. 326a N2;Wyler,S.160.<br />

BBl 1967 II, S. 339.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 326a N5;Streiff/von Kaenel, Art. 326a N2,welche<br />

einen Zuschlag von z.B. 25% <strong>im</strong> Sinne einer Missbrauchssteuerung für angebracht<br />

halten würden.


XV. DerAnteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR)<br />

§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

455 Eine weitere, <strong>besondere</strong> <strong>Lohn</strong>form –<strong>im</strong> Sinne eines <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus<br />

771 –hat der Gesetzgeber in Art. 322a OR geregelt. 772 Nach dieser<br />

dispositiven Best<strong>im</strong>mung ist es<strong>im</strong>Arbeitsvertrag möglich, dass <strong>Lohn</strong> bzw. ein<br />

Bestandteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers in einem Anteil am Geschäftsergebnis<br />

(«participation aurésultat de l’exploitation»; «partecipazione al<br />

risultato dell’esercizio») besteht. Als mögliche Basisgrössen für die Berechnung<br />

des Anteils am Geschäftsergebnis hält Art. 322a Abs.1OR beispielhaft fest,<br />

dass dafür auf den Gewinn, den Umsatz oder sonst auf das Geschäftsergebnis<br />

abgestelltwerden kann.<br />

456 Aufgr<strong>und</strong> der systematischen Stellung von Art. 322a OR <strong>im</strong> Gesetz ist jede<br />

Vergütung, 773 welche ein Arbeitnehmer gestützt auf eine Vereinbarung betreffend<br />

einen Anteil am Geschäftsergebnis erhält, eine <strong>Lohn</strong>zahlung <strong>im</strong>Sinne des<br />

Gesetzes. 774 Bei einem Arbeitsvertrag, der kein ganzes Geschäftsjahr umfasst,<br />

ist daher der Anteil am Geschäftsergebnis pro rata zu berechnen. 775 Eine weitere<br />

Folge der Qualifikation als <strong>Lohn</strong> ist, dass gr<strong>und</strong>sätzlich sämtliche Regelungen<br />

zum <strong>Lohn</strong>schutz zur Anwendung gelangen, soweit die Parteien keine gültige,<br />

abweichende Vereinbarung getroffen haben. Ebenfalls ist der Anteil am Geschäftsergebnis<br />

auch <strong>im</strong>Rahmen derjenigen Best<strong>im</strong>mungen zubeachten, wel-<br />

771<br />

772<br />

773<br />

774<br />

775<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N6sowie oben Rz. 322 ff.<br />

Art. 322a OR lautet wie folgt:<br />

«2. Anteil am Geschäftsergebnis.<br />

1<br />

Hat der Arbeitnehmer vertraglich Anspruch auf einen Anteil amGewinn oder am<br />

Umsatz oder sonst am Geschäftsergebnis, so ist für die Berechnung des Anteils das<br />

Ergebnis des Geschäftsjahres massgebend, wie esnach den gesetzlichen Vorschriften<br />

<strong>und</strong> allgemein anerkannten kaufmännischenGr<strong>und</strong>sätzen festzustellen ist.<br />

2<br />

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer oder an dessen Stelle einem gemeinsam best<strong>im</strong>mten<br />

oder vom Richter bezeichneten Sachverständigen die nötigen Aufschlüsse zu<br />

geben <strong>und</strong> Einsicht indie Geschäftsbücher zugewähren, soweit dies zur Nachprüfung<br />

erforderlich ist.<br />

3<br />

Ist ein Anteil amGewinn des Unternehmens verabredet, so ist dem Arbeitnehmer<br />

überdies auf Verlangen eine Abschrift der Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung des Geschäftsjahres<br />

zuübergeben.».<br />

Art. 322a OR findet sich unter der Marginalie «C. Pflichten des Arbeitgebers,<br />

I. <strong>Lohn</strong>.».<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N6; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322a N4;Duc/Subilia, Art. 322a N2;Senti, Abgrenzung, S. 673; Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 322a N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N1.<br />

Entscheid des Tribunal des prud’hommes deGenève vom 28. Juli 1986, JAR 1988,<br />

S. 256 ff. (E. B, 257); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N8; Brühwiler,<br />

Art. 322a N4;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322a N4;Senti, Abgrenzung,<br />

S. 674; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N12; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N2.<br />

203


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

204<br />

che für die Ermittlung des Ausmasses von Rechten <strong>und</strong> Pflichten der einen oder<br />

anderen Partei aufden <strong>Lohn</strong> abstellen. 776<br />

457 Zum Begriff des Anteils am Geschäftsergebnis wurde inder Botschaft 1967 zu<br />

Art. 322a OR einleitend ausgeführt, dass damit irgendeine Form der Beteiligung<br />

des Arbeitnehmers am rechnungsmässigen Erfolg des Betriebs oder Unternehmens<br />

gemeint ist. 777 Der Anteil am Geschäftsergebnis <strong>im</strong> Sinne von<br />

Art. 322a OR erweist sich damit als eine wirtschaftliche Erfolgsvergütung <strong>im</strong><br />

eigentlichen Sinne. Die Erfolgsvergütung zeichnet sich dadurch aus, dass deren<br />

Bemessung nicht bzw. nicht allein vom Zeitablauf <strong>und</strong>/oder der Leistung des<br />

Arbeitnehmers abhängt. Bei der Erfolgsvergütung spielen –inAbhängigkeit<br />

von der konkreten vertraglichen Vereinbarung <strong>und</strong> dem wirtschaftlichen Umfeld<br />

–weitere unternehmensinterne <strong>und</strong> unternehmensexterne Faktoren eine<br />

mehr oder weniger grosse Rolle bei der Ermittlung der Bemessungsbasis, welche<br />

inder Regel für die Berechnung der effektiven Höhe des Anteils am Geschäftsergebnismassgeblich<br />

ist.<br />

458 Gemäss einem älteren Entscheid des BUNDESGERICHTS handelt es sich bei der<br />

Gewinnbeteiligung umeine Form des Zeitlohns. 778 Diese Auffassung ist in dieser<br />

Form zuweit. Denn <strong>im</strong> Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses weist jede<br />

<strong>Lohn</strong>kategorie notwendigerweise einen zeitlichen Aspekt auf. 779 Ein (reiner)<br />

Zeitlohn liegt be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> inForm eines Anteils am Geschäftsergebnis deshalb<br />

nicht vor, weil es –<strong>im</strong>Gegensatz zum (reinen) Zeitlohn –be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis<br />

gerade nicht ausreicht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung<br />

innert der vereinbarten oder üblichen Arbeitszeit erbringt. Damit gestützt<br />

auf eine Vereinbarung <strong>im</strong> Sinne von Art. 322a Abs.1OR tatsächlich auch <strong>Lohn</strong><br />

zu entrichten ist, müssen weitere Erfolgsvoraussetzungen erfüllt sein. Sind diese<br />

Erfolgsvoraussetzungen nicht erfüllt, läuft der Anspruch des Arbeitnehmers auf<br />

einen Anteil am Geschäftsergebnisals Erfolgslohn –<strong>im</strong>Gegensatz zum(reinen)<br />

Zeitlohn –<strong>im</strong>Prinzip vollständig ins Leere. Ebenso wenig liegt be<strong>im</strong> Anteil am<br />

Geschäftsergebnis ein (reiner) Leistungslohn vor. Zum einen fehlt be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> in<br />

776<br />

777<br />

778<br />

779<br />

Z.B. Art. 321c Abs. 3, Art. 323a, Art. 323b Abs. 2, Art. 324, Art. 324a <strong>und</strong><br />

Art. 329d OR.<br />

BBl 1967 II, S. 315 f.<br />

BGE 81 II 145 (E. 2d, 151).<br />

Wohl unter Berücksichtigung der Nennung von Zeitlohn <strong>und</strong> Akkordlohn inArt. 319<br />

Abs. 1ORbezeichnen BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N32<strong>und</strong> Art. 322a<br />

N7,<strong>und</strong> Geiser/Müller,N396, den Anteil am Geschäftsergebnis –innicht vollständig<br />

konsistenter Weise –als <strong>Lohn</strong>kategorie, die zwischen dem Zeitlohn <strong>und</strong> dem Leistungslohn<br />

angesiedelt ist. Unter Ausklammerung der Vermittlungs- <strong>und</strong> Abschlussprovision<br />

zählen diese Autoren den Anteil am Geschäftsergebnis letztlich wohl aber<br />

doch wieder zum Zeitlohnsystem; nach Senti, Abgrenzung, S. 673, ist der Erfolgslohn<br />

(bzw. unechte Leistungslohn) eine Mischform aus oder zwischen Zeit- <strong>und</strong> echtem<br />

Leistungslohn.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Form eines Anteils am Geschäftsergebnis die direkte Korrelation zwischen der<br />

(quantitativen) Arbeitsleistung des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dem <strong>Lohn</strong>. Zum anderen<br />

wird der Arbeitnehmer nur in den seltensten Fällen so grossen Einfluss auf<br />

sämtliche beeinflussbaren Berechnungsparameter für den Anteil am Geschäftsergebnis<br />

nehmen können, dass seine Arbeitsleistung für den Erfolg als allein<br />

oderwenigstensinüberwiegenderWeise entscheidend zu betrachten wäre. 780<br />

459 Als Erfolgslohn kann die Vereinbarung eines Anteils am Geschäftsergebnis als<br />

partiarische <strong>Lohn</strong>abrede qualifiziert werden. ImAllgemeinen wird unter einem<br />

partiarischen Rechtsgeschäft ein zweiseitiger Schuldvertrag verstanden, inwelchem<br />

die Vergütung des einen Vertragspartners ganz oder teilweise davon abhängt,<br />

ob der andere Vertragspartner einen positiven, wirtschaftlichen Erfolg<br />

erzielt. 781 Aus dieser Begriffsbest<strong>im</strong>mung folgt, dass bei einer partiarischen<br />

<strong>Lohn</strong>abrede definitionsgemäss der Arbeitnehmer nicht nur dem Solvenzrisiko<br />

des Arbeitgebers 782 ausgesetzt ist. Der Arbeitnehmer trägt auch das allgemeine<br />

wirtschaftliche Risiko der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers mit. Die Vereinbarung<br />

eines Anteils am Geschäftsergebnis bewirkt damit, dass der in<br />

Art. 324 ORverankerte Gr<strong>und</strong>satz eingeschränkt wird, wonach der Arbeitgeber<br />

das Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko zu tragen hat. Ein Arbeitnehmer dürfte –sofern<br />

seine Verhandlungsposition ihm dies erlaubt – einer Erfolgsvergütung<br />

meist nur dann zust<strong>im</strong>men, wenn der zuerwartende <strong>Lohn</strong> aus dem Anteil am<br />

Geschäftsergebnis <strong>im</strong> Verhältnis zu seinem Fix- oder Basislohn, seinen sonstigenFinanzmitteln<br />

sowiemit seinen Risikopräferenzen in Einklang steht.<br />

460 Inwiefern die Vereinbarung einer Form des Anteils am Geschäftsergebnis als<br />

Erfolgsvergütung einen Arbeitnehmer kurz-, mittel- <strong>und</strong> längerfristig motiviert,<br />

<strong>besondere</strong>n Arbeitseinsatz zu zeigen <strong>und</strong> besonders Erfolg versprechende Arbeitsleistungen<br />

zuerbringen, wird erheblich von der Beeinflussbarkeit des oder<br />

der Bemessungsparameter für den Anteil am Geschäftsergebnis abhängen. Die<br />

Bemessungsparameter sind wiederum Faktoren für die eigentliche <strong>Lohn</strong>berechnung.<br />

Inder Literatur wird daher regelmässig <strong>und</strong> zu Recht darauf hingewiesen,<br />

780<br />

781<br />

782<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N7.<br />

Meier-Hayoz/Forstmoser, §1 N91ff., sowie Aubert, contrat de travail partiaire,<br />

S. 169; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 319 N55; Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 319 N9 <strong>und</strong> Art. 322a N2; Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. 319<br />

N2.12; ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N1; vgl. auch BGE 106 II 45 (E. 3; 46)<br />

m.w.H.<br />

Zur Milderung des Solvenzrisikos, welches der Arbeitnehmer als <strong>Lohn</strong>gläubiger stets<br />

trägt, werden gemäss Art. 219 Abs. 4lit. aSchKG (welcher per 1. Dezember 2010 revidiert<br />

wurde) best<strong>im</strong>mte Forderungen von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis<br />

in der ersten Klasse kolloziert. Dies jedoch nur bis zum max<strong>im</strong>al versicherten Jahresverdienst<br />

gemäss der obligatorischen Unfallversicherung (derzeit CHF 126 000.- pro<br />

Jahr bzw. CHF346.- pro Tag; Art. 22 Abs. 1UVV); vgl. ferner auch den Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 31. August 2000, 5C.155/2000.<br />

205


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

206<br />

dass die Vereinbarung eines Anteils am Geschäftsergebnis nur dann sinnvoll ist,<br />

wenn ein einzelner Arbeitnehmer auf die relevanten Bemessungsgrösse(n) wenigstens<br />

teilweise Einfluss nehmen kann. 783 Andernfalls wäre schwerlich einzusehen,<br />

inwiefern ein (zusätzlicher) Anreiz zu besonders guter persönlicher <strong>und</strong><br />

erfolgsorientierter Leistung vorliegen könnte. Dies schliesst aber keineswegs<br />

aus, dass auch eine grössere Gruppe von Arbeitnehmern in den Genuss eines<br />

Anteils am Geschäftsergebnis gelangen kann. Der Einfluss des Einzelnen auf<br />

die relevanten Bemessungsgrösse(n) wird dabei häufig marginal sein, sodass<br />

eine einzelne Arbeitsleistung weder direkt noch indirekt einem Erfolg dürfte<br />

zugeordnet werden können. 784 Wie STREIFF/VON KAENEL richtig feststellen,<br />

dürften solche Gruppenvereinbarungen überwiegend aus (arbeits-)psychologisch-sozialpolitischen<br />

Überlegungen erfolgen. Sie sollen die wirtschaftliche<br />

Verb<strong>und</strong>enheit zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> einer grösseren Gruppe von Arbeitnehmern<br />

hervorheben; 785 ins<strong>besondere</strong> dann, wenn die entsprechende <strong>Lohn</strong>komponente<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Gesamtvergütung eines Arbeitnehmers nur einen<br />

geringen Anteil ausmacht.<br />

461 Der Gr<strong>und</strong>satz, dass ein Arbeitsvertrag auch mündlich abgeschlossen werden<br />

kann, schlägt auch auf die Vereinbarung eines Anteils am Geschäftsergebnis<br />

durch. Jede Form eines Anteils am Geschäftsergebnis kann damit auch mündlich<br />

in verbindlicher Weise abgeschlossen werden. 786 Zu beachten ist allerdings,<br />

dass damit <strong>im</strong> Streitfall regelmässig erhebliche Berechnungs- <strong>und</strong> Beweisschwierigkeiten<br />

einhergehen. Esempfiehlt sich deshalb, eine detaillierte vertraglicheRegelung<br />

in schriftlicher Formzutreffen. 787<br />

462 Wie <strong>im</strong> Gesetz festgehalten wird, kann als Basisgrösse für die Ermittlung des<br />

Anteils am Geschäftsergebnis des Arbeitnehmers nebst dem Gewinn oder dem<br />

Umsatz auch auf eine andere Grösse abgestellt werden, inwelcher das Geschäftsergebnis<br />

zum Ausdruck kommt. Das Gesetz spricht –etwas enigmatisch<br />

–vom «sonstigen Geschäftsergebnis». Den Parteien wird damit vom Gesetzgeber<br />

bei der Best<strong>im</strong>mung der Erfolgsfaktoren, auf denen der Anteil am Geschäftsergebnis<br />

des Arbeitnehmers beruhen soll, ein erheblicher Gestaltungsspielraum<br />

eingeräumt. Eine Folgefrage ist es sodann, wie die Erfolgsfaktoren<br />

783<br />

784<br />

785<br />

786<br />

787<br />

Brand/Dürr et. al., Art. 322a N1; Portmann/Stöckli, N272; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322a N6;Vischer, S. 108; Wyler, S. 161.<br />

In BBl 1967 II, S. 316, wird als Beispiel angeführt, dass den Arbeitnehmern eines Betriebs<br />

oder eines Betriebsteils <strong>im</strong>Verhältnis ihres <strong>Lohn</strong>s zur gesamten <strong>Lohn</strong>summe ein<br />

Anteil an einem Teil des Betriebs- oder Geschäftserfolgs (z.B. einem Drittel des Gewinns<br />

nachSteuern) vertraglich zugesagt wird.<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322a N6.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322a N1;Carruzzo,Art. 322a N1.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N5 <strong>und</strong> N10; Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 322a N1;Duc/Subilia, Art. 322a N9;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.37;<br />

Wyler, S. 162.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

bzw. Bemessungsfaktoren verwendet werden, umden Anteil am Geschäftsergebnis<br />

konkret zu berechnen. Die verschiedenen Formen der Beteiligung des<br />

Arbeitnehmers am Geschäftsergebnis, welche <strong>im</strong>Gesetz vorgezeichnet sind,<br />

sollen nachfolgend erläutert werden.<br />

A. DieKategorien desAnteils am Geschäftsergebnis<br />

1. DerAnteil am Gewinn<br />

463 Der Anteil am Gewinn (oder die Gewinnbeteiligung) wird, falls sie aneinen<br />

einzelnen Arbeitnehmer ausgerichtet wird, zuweilen auch als «Tantieme» bezeichnet.<br />

788 Die Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers nach Art. 322a OR ist<br />

indessen klar von der Tantieme des Verwaltungsrats einer AG gemäss<br />

Art. 677 ORzuunterscheiden, 789 selbst wenn es möglich ist, dass ein Arbeitnehmer<br />

gleichzeitig auch Verwaltungsrat ist. 790 Das wesentliche Unterscheidungskriterium<br />

zwischen einer Gewinnbeteiligung <strong>und</strong> einer Tantieme eines<br />

Verwaltungsrats liegt in der Berechnung des Gewinns, welcher als Basis für die<br />

auszurichtende Zahlung massgeblich ist. Die Tantieme als Gewinnbeteiligung<br />

des Verwaltungsrats bedarf einer statutarischen Gr<strong>und</strong>lage 791 <strong>und</strong> ist gemäss<br />

Art. 677 ORdem Bilanzgewinn zu entnehmen. Das Ausrichten von Tantiemen<br />

ist überdies nur zulässig, wenn eine Zuweisung andie gesetzliche Reserve 792<br />

<strong>und</strong> eine Min<strong>im</strong>al- oder Sockeldividende von 5Prozent andie Aktionäre ausgerichtet<br />

wurde. 793 Diese Restriktionen gelten nach der dispositiven gesetzlichen<br />

Regelung für dieGewinnbeteiligung desArbeitnehmers nicht.<br />

464 Eine eigentliche Definition des Begriffs des Gewinns, welcher als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Berechnung eines Anteils am Geschäftsergebnisdienen kann, enthält das<br />

Gesetz <strong>im</strong> dispositiven Art. 322a Abs. 1ORnicht. Indessen grenzt das Gesetz<br />

in zeitlicher <strong>und</strong> sachlicher Hinsicht den Begriff des Gewinns ein. Die Eingrenzung<br />

ergibt sich daraus, dass auf das Geschäftsjahr, die gesetzlichen Best<strong>im</strong>-<br />

788<br />

789<br />

790<br />

791<br />

792<br />

793<br />

BGE 42 II 355 (E. 1, 355 f.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N2; Duc/<br />

Subilia, Art.322a N4,erstes Aufzählungszeichen.<br />

Geiser/Müller, N408 ff.; Polcan/Stengel, S. 232; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a<br />

N5;vgl. auch unten Rz.469 ff.<br />

Zur Zulässigkeit der Doppelstellung Arbeitnehmer/Verwaltungsrat vgl. statt mehrerer:<br />

Müller, S. 203 ff.<br />

Vgl. Art. 627 Ziff. 2OR.<br />

Vgl. Art. 671 ff. OR.<br />

Tantiemen an Verwaltungsräte spielen in der Praxis praktisch keine Rolle mehr, dasie<br />

aus versteuertem Gewinn zu entrichten sind, während andere Honorare eines Verwaltungsrats<br />

für die AGsteuerlich abzugsfähigen Aufwand darstellen; vgl. Daeniker/<br />

Nikitine, S. 110; Meier-Hayoz/Forstmoser, §16N474.<br />

207


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

208<br />

mungen zur kaufmännischen Buchführung 794 <strong>und</strong> die allgemein anerkannten<br />

kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätze 795 verwiesen wird.<br />

(a) Der Gewinn in zeitlicher Hinsicht<br />

465 Inzeitlicher Hinsicht ist, mangels anderer vertraglicher Abrede, für die Ermittlung<br />

des Gewinns das Geschäftsjahr 796 massgeblich. Inder Praxis deckt sich das<br />

Geschäftsjahr häufig mit dem Kalenderjahr, obschon dies von Gesetzes wegen<br />

nicht verlangt ist. Was die Dauer eines Geschäftsjahres anbelangt, wird sich<br />

dieses in aller Regel auf eine Periode von zwölf Monaten beziehen. Ein Geschäftsjahr<br />

kann aber auch kürzer 797 oder länger sein als zwölf Monate. 798 Sofern<br />

dies gewünscht ist, können die Parteien innerhalb eines Geschäftsjahres<br />

kürzere Perioden für die Bemessung des Gewinns <strong>und</strong> die Ausrichtung des Gewinnanteils<br />

vereinbaren (z.B. pro Monat, pro Quartal, pro Tr<strong>im</strong>ester oder halbjährlich).<br />

799<br />

466 Bemessungszeiträume, welche länger als ein Geschäftsjahr sind, werden aufgr<strong>und</strong><br />

der zwingenden Fälligkeitsregel für den Anteil am Geschäftsergebnis in<br />

Art. 323 Abs.3OR von einem Teil der Lehre als unzulässig erachtet. 800 Bei diesen<br />

Lehrmeinungen ist indessen nicht ganz klar, ob die Möglichkeit berücksichtigt<br />

wird, auf ein Geschäftsjahr abzustellen, welches kürzer oder länger ist als<br />

zwölf Monate. Ist <strong>im</strong> konkreten Fall ein Geschäftsjahr relevant, welches kürzer<br />

794<br />

795<br />

796<br />

797<br />

798<br />

799<br />

800<br />

Art. 957 ff. OR; vgl. auch die <strong>besondere</strong>n Best<strong>im</strong>mungen für die AG (Art. 662–670<br />

OR), die Kommanditaktiengesellschaft (Art. 764 Abs. 2OR), die GmbH (Art. 805<br />

OR), die Kreditgenossenschaft <strong>und</strong> die konzessionierte Versicherungsgenossenschaften<br />

(Art. 858 Abs. 2OR); für börsenkotierte Gesellschaften vgl. auch Art. 8BEHG,<br />

Art. 12 <strong>und</strong> Art. 49 des Kotierungsreglements der SIX Swiss Exchange sowie die dazugehörige<br />

Richtlinie Rechnungslegung (Art. 6ff. sowie die Anhänge 1<strong>und</strong> 2), wonach<br />

Gesellschaften, die gemäss dem «Main Standard» an der SIX Swiss Exchange<br />

kotiert sind, gr<strong>und</strong>sätzlich entweder die IFRS oder die US GAAP als Rechnungsle-<br />

gungsstandard verwenden müssen.<br />

Vgl. Art. 959 OR; zu den allgemein anerkannten kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätzen zählen<br />

gemäss BSKORII-Neuhaus/Blättler, Art. 959 N11, der Gr<strong>und</strong>satz der Wahrheit, der<br />

Klarheit, der Wesentlichkeit, der Vorsicht, der Unternehmensfortführung, der Stetigkeit,<br />

des Verrechnungsverbots (Bruttoprinzip), der periodengerechten Abgrenzung, der<br />

Anwendung angemessener Bewertungsprinzipien sowie der Gr<strong>und</strong>satz der Wirtschaftlichkeit;<br />

vgl.auch Boemle/Lutz, S. 119 ff.<br />

Vgl. Art. 958 OR.<br />

Z.B. bei Geschäftsaufnahme.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N9;BSK OR II-Neuhaus/Blättler, Art. 958<br />

N4.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322a N7; Carruzzo, Art. 322a N2; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322a N12; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N6.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322a N7;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N6.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

oder länger als zwölf Monate ist <strong>und</strong> hat der Arbeitnehmer davon Kenntnis, gilt<br />

bei Fehlen einer anderen Abrede auch diese kürzere oder längere Bemessungsdauer.<br />

801 Die Fälligkeitsfrist von max<strong>im</strong>al sechs Monaten nach Abschluss des<br />

Geschäftsjahres gemäss Art. 323 Abs.3OR verlangt nicht, dass das Geschäftsjahr<br />

zwölf Monate dauert. Bei einem verkürzten oder verlängerten Geschäftsjahr<br />

endet die Fälligkeitsfrist allerdings ebenfalls sechs Monate nach Ablauf des<br />

in seiner Daueratypischen Geschäftsjahres.<br />

467 Unabhängig von der Dauer des einschlägigen Geschäftsjahres wird der Anteil<br />

am Geschäftsergebnis dann fällig, wenn er aufgr<strong>und</strong> der notwendigen Unterlagen<br />

feststellbar ist. 802 Sofern das Geschäftsergebnis bei Ablauf der max<strong>im</strong>alen<br />

Fälligkeitsfrist noch nicht feststellbar ist, muss der Arbeitgeber in analoger Anwendung<br />

von Art. 349b Abs. 3OReinen zu schätzenden Anteil am Geschäftsergebnis<br />

ausrichten, 803 was unter Umständen zuNachzahlungen des Arbeitgebers<br />

odereiner Rückerstattung desArbeitnehmers führen kann. 804<br />

468 Die zeitliche Begrenzung auf das Geschäftsjahr ist für die Gewinnbeteiligung in<br />

dreierlei Hinsichtvon <strong>besondere</strong>r Bedeutung. Einerseits, weil sich beieinem aktiv<br />

tätigen Unternehmen erst aufgr<strong>und</strong> einer eingegrenzten Zeitperiode überhaupt<br />

ermitteln lässt, ob<strong>im</strong>relevanten Zeitraum ein Gewinn erzielt worden<br />

ist. 805 Andererseits, weil sich aufgr<strong>und</strong> des Abstellens auf das Geschäftsjahr eine<br />

(meist) regelmässige Periodizität für die Ausrichtung der Gewinnbeteiligung<br />

ergibt. Schliesslich dient die zeitliche Eingrenzung auch dazu, gewinnwirksame<br />

Geschäftsereignisse periodengerecht zu erfassen. Andere Abrede vorbehalten<br />

sind Geschäftsereignisse, welche sich vor Beginn oder nach Ende des infrage<br />

stehenden Geschäftsjahres ereignet oder eingestellt haben, inder relevanten Geschäftsperiode<br />

nicht zuberücksichtigen. Wird der Gewinn (oder gegebenenfalls<br />

ein Verlust) durch periodenfremde Positionen verzerrt, sind diese periodenfremden<br />

Positionen bei der Gewinnermittlung folglich entsprechend zuberücksichtigen.<br />

Eine andere Vorgehensweise würde das inArt. 322a Abs.1OR vorgesehene<br />

Periodizitätsprinzip ausser Kraft setzen. 806 Als periodenfremdes Geschäftsereignis<br />

kann generell jede Verbuchung von Aufwand oder Ertrag oder<br />

auch die Vornahme einer Abschreibung infrage kommen, 807 die zeitlich nicht<br />

801<br />

802<br />

803<br />

804<br />

805<br />

806<br />

807<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N9;Streiff/von Kaenel, Art. 322a N12.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N21; Brühwiler, Art. 323 N8;Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 323 N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art.323 N13.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N21; Brühwiler, Art. 323 N8;Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 323 N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art.323 N13.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N21.<br />

BBl 1967 II, S. 316.<br />

Vgl. Brand/Dürr et al., Art. 322a N5;Streiff/von Kaenel, Art. 322a N5.<br />

BGE 81 II 145 (E. 2, 148 ff.); BGE 42II355 (E. 3;360 f.) betreffend eine «Tantieme»<br />

eines Arbeitnehmers.<br />

209


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

210<br />

oder nicht vollständig indas entsprechende Geschäftsjahr fällt. 808 Falls bei der<br />

zeitlichen Zuordnung von Aufwands- oder Ertragspositionen zu einem Geschäftsjahr<br />

Schwierigkeiten auftreten, kann auf das sogenannte Realisationsprinzip<br />

zurückgegriffen werden. 809 Aus dem gleichem Gr<strong>und</strong> wie bei der periodengerechten<br />

Verbuchung von Aufwands-, Ertrags- bzw. Abschreibungspositionen<br />

ist mangels anderer Vereinbarung oder Übung auch ein eventueller Gewinn-<br />

oder Verlustvortrag in der Bilanz aus früheren Geschäftsjahren ausser<br />

Acht zu lassen. 810<br />

(b) Der Gewinn in sachlicher Hinsicht<br />

469 Insachlicher Hinsicht ist –ohne anderslautende vertragliche Regelung –der<br />

Gewinn massgeblich, der sich aus der Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung bzw.<br />

(gleichbedeutend) der Erfolgsrechnung ergibt. 811 Der bilanzmässige Vermögensgewinn<br />

bzw. derBilanzgewinn ist damitnichtmassgeblich. 812<br />

808<br />

809<br />

810<br />

811<br />

812<br />

Bei der Bilanzierung werden das Geschäftsjahr übergreifende Sachverhalte (z.B. der<br />

Betrag einer Versicherungsprämie für eine Police, deren Laufzeit sich nicht mit dem<br />

Geschäftsjahr deckt) durch die sogenannten transitorischen Aktiven <strong>und</strong> Passiven erfasst.<br />

Zu den Begriffen vgl. Boemle/Lutz, S. 311 f.<strong>und</strong> S. 358 f.mit weiteren Beispie-<br />

len.<br />

Das Realisationsprinzip ist eine Regel, die besagt, inwelchem Zeitpunkt Aufwand <strong>und</strong><br />

Ertrag auszuweisen sind. Gemäss BSK ORII-Neuhaus/Blättler, Art. 960 N24, gilt für<br />

Erträge, dass diese erst ausgewiesen werden dürfen, wenn sie sich inGeld oder in<br />

Form einer Forderung verwirklicht haben. Aufwendungen sind hingegen schon dann<br />

zu verbuchen, wenn sieerkennbar sind.<br />

BGE 81 II 145 (E. 2d, 151 f.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N9;Brand/<br />

Dürr et al., Art. 322a N5;Brühwiler, Art. 322a N1;Carruzzo, Art. 322a N2;CRCO<br />

I-Aubert, Art. 322a N1;Portmann/Stöckli, N274; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N5;<br />

Vischer, S. 109; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N6;Wyler, S.161; anders: Cramer,<br />

N101, der <strong>im</strong> Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür sieht, dass nach jedem Geschäftsjahr<br />

reiner Tisch gemacht werden müsste. Ferner sieht dieser Autor keinen Gr<strong>und</strong>, weshalb<br />

ein Arbeitgeber, welcher einen einmaligen Verlust erwirtschaftet, <strong>im</strong> Vergleich zu einem<br />

Arbeitgeber, der stets an der Verlustgrenze operiert, schlechter gestellt werden<br />

sollte bzw. unter der Gewinnbeteiligung mehr <strong>Lohn</strong> soll bezahlen müssen. Diese Auffassung<br />

vermag inAnbetracht des Abstellens auf das Geschäftsjahr <strong>und</strong> dem damit <strong>im</strong><br />

Gesetz dispositiv verankerten Periodizitätsprinzip nicht zuüberzeugen.<br />

Zur Gliederung <strong>und</strong> den Posten einer Erfolgsrechnung vgl. ausführlich: Boemle/Lutz,<br />

S. 214 ff.; intabellarischer Form zuden Swiss GAAP FER: BSK OR II-Neuhaus/<br />

Blättler, Art.958 N20f.; Feller, S. 30.<br />

BGE 81 II 145 (E. 2d, 151 ff.). Zum Bilanzgewinn einer AG vgl. Art. 660, Art. 663a<br />

Abs. 3sowie Art. 675 Abs. 2OR.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

470 Sofern die Periodizität gewahrt ist, sind sämtliche geschäftsmässig begründeten,<br />

ordentlichen 813 <strong>und</strong> betrieblichen 814 Aufwands- <strong>und</strong> Ertragsposten für die Ermittlung<br />

des Geschäftserfolgs von Bedeutung. Ausserordentliche Geschäftsereignisse<br />

–wie z.B. der Verkauf einer betrieblich nicht notwendigen Renditeliegenschaft<br />

aus dem Anlagevermögen, der Handel mit Wertschriften, der Verkauf<br />

des ganzen Geschäfts oder von Geschäftsteilen –sind bei der Ermittlung des<br />

Gewinns gr<strong>und</strong>sätzlich auszuklammern. Eine andere Beurteilung drängt sich<br />

nur dann auf, wenn best<strong>im</strong>mte Transaktionen aufgr<strong>und</strong> des Geschäftszwecks<br />

desUnternehmens zurüblichen Geschäftstätigkeit zu zählen sind. 815<br />

471 Welche Positionen einer Erfolgsrechnung <strong>im</strong> Einzelnen als ordentliche <strong>und</strong> betriebliche<br />

Posten zubezeichnen sind, lässt sich wegen der geschäftlichen Vielfalt<br />

<strong>und</strong> der deswegen mannigfaltigen Aufwands- <strong>und</strong> Ertragsposten hier nicht<br />

in eingehender Weise darstellen. Auf der Ertragsseite zu erwähnen sind indes<br />

die Erlöse aus Lieferung <strong>und</strong> Leistungen desUnternehmens, wobei auf den Nettoerlös<br />

abzustellen ist, 816 sowie etwaige Zinserträge, welche auf dem liquiden<br />

Umlaufvermögen anfallen. 817 Auf der Aufwandsseite dürfte in der Literatur<br />

weitgehend Einigkeit herrschen, dass neben dem Material- <strong>und</strong> Warenaufwand,<br />

dem Personal- <strong>und</strong> etwaigem Mietaufwand üblicherweise auch Fremdkapitalkosten<br />

(z.B. Darlehens- <strong>und</strong> Hypothekarzinsen), 818 Zins auf den Kapitaleinlagen<br />

der Gesellschafter bei Kollektiv- <strong>und</strong> Kommanditgesellschaften, 819 begründete<br />

Rückstellungen für ordentliche Geschäftsrisiken (z.B. Delcredere, Währungs<strong>und</strong><br />

Prozessrisiken) <strong>und</strong> Abschreibungen 820 auf betriebsnotwendigem Anlage-<br />

813<br />

814<br />

815<br />

816<br />

817<br />

818<br />

819<br />

820<br />

Gemäss Boemle/Lutz, S. 225 <strong>und</strong> S. 240, werden in der schweizerischen Rechnungslegungspraxis<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich alle Aufwands- <strong>und</strong> Ertragsposten als ausserordentlich betrachtet,<br />

die keinen regelmässig wiederkehrenden Charakter haben; vgl. auch BSK OR<br />

II-Neuhaus/Blättler, Art. 663 N19<strong>und</strong> N28, die zudem darauf hinweisen, dass aus-<br />

serordentliche Posten sowohl betrieblich als auch betriebsfremd sein können.<br />

Gemäss Boemle/Lutz, S. 216, S. 224 <strong>und</strong> S. 240, werden in der schweizerischen<br />

Rechnungslegungspraxis diejenigen Positionen als betriebsfremder Aufwand oder Ertrag<br />

betrachtet, die nicht der marktmässigen Leistungserstellung des entsprechenden<br />

Unternehmens dienen; vgl. auch BSK OR II-Neuhaus/Blättler, Art. 663 N18<strong>und</strong><br />

N27.<br />

BGE 81 II 145 (E. 2d, 151 f.); Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.37; Senti, Abgrenzung,<br />

S. 673; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N4;vgl. auch BBl 1967 II, S. 316.<br />

Vgl. Boemle/Lutz, S. 220; Carruzzo, Art. 322a N2.<br />

Anders <strong>im</strong>Fall einer Umsatzbeteiligung: Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 99, S. 99.<br />

Etwaiger Zinsertrag auf kurzfristig angelegter, überschüssiger Liquidität kann ohne<br />

Weiteresals ordentlicher <strong>und</strong> betrieblicher Ertrag betrachtet werden.<br />

Vgl. Art. 663 Abs. 2<strong>und</strong> Abs. 3OR.<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322a N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N8.<br />

Vgl. Art. 959 sowie Art. 669 Abs. 1OR.<br />

211


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

212<br />

vermögen als Aufwand zu verbuchen sind. 821 Diese Aufwandsposten wirken<br />

sich gewinnschmälernd aus. 822 Zust<strong>im</strong>mung verdient zudem die Auffassung,<br />

dass <strong>im</strong> Zweifelsfall bei der Beurteilung eines best<strong>im</strong>mten Postens in der Erfolgsrechnung<br />

auch auf eine Orts- oder Branchenübung abgestellt werden<br />

kann. 823<br />

472 Keine Verminderung des Gewinns als Basisgrösse für die Berechnung einer<br />

Gewinnbeteiligung darf hingegen durch diejenigen Zahlungen des Unternehmens<br />

erfolgen, welche eine Form der Gewinnverwendung darstellen. Erfasst<br />

werden damit etwa Tantiemen von Verwaltungsräten gemäss Art. 677 OR, Dividenden<br />

andie Aktionäre, Gewinnausschüttungen an andere Berechtigte sowie<br />

Einlagen in diegesetzlichen oder statutarischen Reserven. 824<br />

473 Jenach Organisation des Unternehmens ist bei fehlender Parteivereinbarung<br />

auch zu prüfen, obsich der Gewinnanteil nur aufgr<strong>und</strong> des finanziellen Erfolgs<br />

des effektiven Arbeitgebers oder allenfalls auch auf weitere Gesellschaften bezieht,<br />

die mit dem Arbeitgeber konzernmässig verb<strong>und</strong>en sind. 825 Eine parallele<br />

Fragestellung ergibt sich, wenn das Unternehmen rechtlich unselbstständige<br />

Zweigniederlassungen oder Filialen unterhält. Gestützt auf einen Entscheid des<br />

BUNDESGERICHTS aus dem Jahr 1916 ist, falls sich das Problem durch die Auslegung<br />

des Vertrags nicht klären lässt, nur der Gewinn des Betriebs oder Betriebsteils<br />

von Bedeutung, inwelchem der Arbeitnehmer tätig ist. Begründet<br />

wird dies damit, dass es nicht sinnvoll wäre, wenn der Gewinnanteil des Arbeitnehmers<br />

durch einen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens, der mit<br />

der Tätigkeit <strong>und</strong> dem Einflussbereich des Arbeitnehmers in keiner Verbindung<br />

steht, in positiver oder negativer Hinsicht verfälscht würde. 826 Als Entscheidungshilfe<br />

<strong>im</strong> Zweifelsfall haben diese Überlegungen des BUNDESGERICHTS<br />

821<br />

822<br />

823<br />

824<br />

825<br />

826<br />

Vgl. <strong>im</strong> Gesamten: Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 96f., S. 63 ff.; Brand/Dürr et al.,<br />

Art. 322a N6; Brühwiler, Art. 322a N1; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N5; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 322a N4ff.<br />

Im Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 15. März 2006, 4C.419/2005, E. 2.3, hatte das<br />

B<strong>und</strong>esgericht Gelegenheit zu bestätigen, dass gültig vereinbart werden kann, den<br />

Gewinn einer Geschäftseinheit <strong>im</strong>Unternehmen durch Umlagekosten (verhältnismässige<br />

Umlage der Gesamtkosten des Unternehmens in Abhängigkeit des Umsatzes der<br />

Geschäftseinheit <strong>im</strong> Verhältnis zum Gesamtumsatz) zu reduzieren.<br />

Carruzzo, Art. 322a N2.<br />

Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.37; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322 N8;vgl. auch Brühwiler,<br />

Art. 322a N1,der allerdings Einlagen indie gesetzlichen <strong>und</strong> statutarischen Reserven<br />

vom Gewinn abziehen möchte. Dies ist abzulehnen, da die Bildung von gesetzlichen<br />

<strong>und</strong> statutarischen Reserven nicht als «Unkosten» oder Aufwand betrachtet<br />

werden kann. Im Gegensatz zum Aufwand findet kein Mittelabfluss statt. Diesbezüglich<br />

unentschieden: Streiff/von Kaenel, Art. 322a N5.<br />

Vgl. dazu auch Heiz, S. 86 ff.<br />

BGE 42 II 355 (E. 3,459 ff.).


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

nach wie vor ihre Berechtigung. Im Einzelfall sollte bei einer unklaren vertraglichen<br />

Regelung indessen nicht nur auf die juristischen <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Strukturen des Unternehmens abgestellt werden. Umzueinen sachgerechtem<br />

Ergebnis zugelangen, sollte auch die gelebte wirtschaftliche Realität <strong>im</strong> Unternehmen<br />

bzw. <strong>im</strong> Konzern <strong>und</strong> die effektive Reichweite der Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

berücksichtigtwerden. 827<br />

2. DerAnteil am Umsatz<br />

474 Eine weitere, <strong>im</strong> Gesetz explizit erwähnte Form eines Anteils am Geschäftsergebnis<br />

liegt <strong>im</strong>Anteil am Umsatz bzw. der Umsatzbeteiligung. Analog der Gewinnbeteiligung<br />

wird auch der Begriff des Umsatzes <strong>im</strong>Gesetz nicht definiert.<br />

Indessen gelten die gesetzlichen Eingrenzungen inzeitlicher <strong>und</strong> sachlicher<br />

HinsichtinArt. 322a Abs.1OR auch fürden Umsatz.<br />

(a) Der UmsatzinzeitlicherHinsicht<br />

475 Inzeitlicher Hinsicht ist, falls keine andere Abrede getroffen wurde, gemäss<br />

Art. 322a Abs.1OR wiederum das Geschäftsjahr als Bemessungszeitraum<br />

massgeblich. 828 In das Geschäftsjahr fallen dabei diejenigen Umsätze, welche<br />

<strong>im</strong> üblichen Betriebsablauf mit Leistungserfüllung <strong>und</strong> Rechnungsstellung entstehen.<br />

Nach KÄFER ist damit inder Regel weder der Zeitpunkt des Vertragsschlusses<br />

noch der Zeitpunkt der K<strong>und</strong>enzahlung, die früher oder später erfolgenkann,von<br />

Bedeutung. 829<br />

476 Nach zwei kantonalen Entscheiden bedeutet der Begriff des Umsatzes inzeitlicher<br />

Hinsicht, dass nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sprich der Vertragsschluss,<br />

sondern auch das Verfügungsgeschäft erfolgt sein muss. 830 Selbst wenn<br />

die angeführten Entscheide dies nicht näher präzisieren, dürfte mit Verfügungs-<br />

827<br />

828<br />

829<br />

830<br />

Für den Konzern enger: Heiz, S. 86;Schiltknecht, S.63.<br />

Vgl. oben Rz. 465.<br />

BE-Komm.-Käfer, Art. 958 N158; ebenso: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N10.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 27. Januar 1995, ZR 97 (1998), Nr. 61,<br />

S. 171 f.; Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 5.November 1984, JAR 1986,<br />

S. 88 ff., E.2(a.a.O., S.90; Einschübe in eckigen Klammern nur hier): «Es gibt keine<br />

Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien als versierte Kaufleute unter Umsatz etwas anderes<br />

verstanden als was man gemeinhin darunter versteht, nämlich den Gesamtwert<br />

der von einem Unternehmen ineiner best<strong>im</strong>mten Zeitperiode abgesetzten Waren <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen. Der Kl. [Arbeitnehmer] hat daher nur einen Provisionsanspruch auf<br />

Geschäften, die während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses tatsächlich abgewickelt<br />

<strong>und</strong> damit Bestandteil des Umsatzes wurden oder die während dieser Zeit hätten<br />

abgewickelt werden können <strong>und</strong> aus Verschulden der Bekl. [Arbeitgeberin] nicht abgewickelt<br />

wurden.»<br />

213


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

214<br />

geschäft ebenfalls die umsatzgenerierende Leistung des Arbeitgebers gemeint<br />

sein, nicht aber die Zahlung des K<strong>und</strong>en. Wenn indiesem Sinne auf die Umsatzwirksamkeit<br />

abgestellt wird, ist davon auszugehen, dass nur die Lieferung<br />

<strong>und</strong> die Rechnungsstellung indas relevante Geschäftsjahr fallen müssen. Der<br />

Vertragsschluss kann in einer vorhergehenden Bemessungsperiode erfolgt sein.<br />

Fallen indessen die Lieferung <strong>und</strong> die Rechnungsstellung zeitlich auseinander<br />

<strong>und</strong> inverschiedene Bemessungsperioden, wäre bei einer Vorleistungspflicht<br />

des Arbeitgebers <strong>im</strong>Zweifel wohl auf den Zeitpunkt der Lieferung, nicht aber<br />

den Zeitpunkt der Rechnungsstellung abzustellen. Obwohl auch die Rechnungsstellung<br />

rechtliche Relevanz besitzen kann, 831 erscheint die Rechnungsstellung<br />

<strong>im</strong> Vergleich zur eigentlichen Lieferung nicht als das umsatzgenerierende Element.<br />

Der Anspruch des Arbeitgebers auf die Gegenleistung entsteht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

mitder korrektenErfüllung seiner Leistung. 832<br />

477 Fraglich ist demgegenüber, ob die angeführte, allgemeine Regel für die periodengerechte<br />

Zuordnung eines Umsatzpostens auch dann Geltung beanspruchen<br />

kann (<strong>und</strong> soll), falls die K<strong>und</strong>enzahlung <strong>im</strong>Voraus erfolgt, die spätere Erfüllung<br />

durch den Arbeitgeber aber ineiner späteren Bemessungsperiode liegt.<br />

Mangels noch nicht erfolgter Leistung des Arbeitgebers kann (noch) nicht von<br />

voller Umsatzwirksamkeit gesprochen werden. Indessen wirkt sich eine vorgängige<br />

K<strong>und</strong>enzahlung –handle es sich dabei umeine Teilzahlung oder um<br />

die Begleichung des bekannten Gesamtbetrags –positiv auf die Liquidität des<br />

Arbeitgebers aus. Ohne anderslautende Vereinbarung spricht bei einer Vorleistungspflicht<br />

des K<strong>und</strong>en die Liquiditätswirksamkeit be<strong>im</strong> Arbeitgeber dafür,<br />

dass auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Anteil am Umsatz in diejenige<br />

Bemessungsperiode fällt, in welcher die K<strong>und</strong>enzahlung be<strong>im</strong> Arbeitgeber<br />

eingeht. Trotz ihrer Liquiditätswirksamkeit wiederum der Gr<strong>und</strong>regel zu unterstellen<br />

wären indessen blosse K<strong>und</strong>envorschüsse oder Anzahlungen. Dies<br />

rechtfertigt sich ins<strong>besondere</strong> dann, wenn der Arbeitgeber fallspezifisch eine<br />

Anzahlung z.B. für den Einkauf von Material einzusetzen hat oder wenn der<br />

effektive Rechnungsbetrag für die (spätere) Lieferung oder Dienstleistung des<br />

Arbeitgebersnochnichtdeterminiert ist.<br />

(b) Der UmsatzinsachlicherHinsicht<br />

478 Insachlicher Hinsicht ist die Berechnung des Umsatzes meist einfacher als die<br />

Ermittlung des Gewinns. Dessen ungeachtet sollten die Parteien möglichst detailliert<br />

regeln, welche Umsätze für die Umsatzbeteiligung überhaupt inBetracht<br />

kommen sollen (z.B. der Umsatz des Gesamtunternehmens, der Umsatz<br />

für eine definierte Produktegruppe, der Umsatz eines Betriebs oder Betriebs-<br />

831<br />

832<br />

Z.B. mit dem Setzen einer Zahlungsfrist.<br />

Vgl. auch Art. 82 OR.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

teils, der Umsatz einer oder mehrerer Filialen 833 ). Lässt sich der vertraglichen<br />

Vereinbarung auch durch Auslegung nicht entnehmen, welche Umsätze für die<br />

Ermittlung der Umsatzbeteiligung heranzuziehen sind, erscheint essachgerecht,<br />

wiederum auf das effektive Tätigkeitsfeld des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dessen<br />

Reichweite abzustellen. 834 Betrifft das Tätigkeitsfeld des Arbeitnehmers das Gesamtunternehmen,<br />

wäre <strong>im</strong> Zweifel auch auf den Umsatz des Gesamtunternehmens<br />

(inkl. etwaiger Tochtergesellschaften <strong>im</strong> Konzern, Zweigniederlassungen<br />

oderFilialen)abzustellen.<br />

479 Vertraglich vereinbart werden sollte zudem, ob für die Berechnung der Umsatzbeteiligung<br />

der Bruttoumsatz, der Nettoumsatz oder eine Zwischenform relevant<br />

ist. 835 Falls die Parteien keine andere Regelung getroffen haben, ist nach<br />

einem Entscheid des ARBEITSGERICHTS ZÜRICH der Nettoumsatz bzw. der Nettoerlös<br />

massgebend. 836 Begründet wird dies 837 damit, dass «[…] durch Mindereinnahmen<br />

<strong>und</strong> Mehraufwendungen der gebuchte Bruttoerlös auf den eigentlichen<br />

Umsatz ausmachenden Nettoerlös herabgesetzt [werde]». Dieser Auffassung<br />

anzuschliessen scheint sich PORTMANN, der weiter darauf hinweist, dass<br />

auch der Provisionsanspruch gemäss Art. 322b Abs.3OR (nachträglich) dahinfällt,<br />

wenn der Dritte seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt. 838 Anderer Ansicht<br />

sind wohl BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, die auf die Bruttoeinnahmen<br />

abstellen wollen, 839 ihre Stellungnahme indessen nicht näher erläutern. Inder<br />

Botschaft 1967 wird für die Beantwortung der Frage, ob bei fehlender Vereinbarung<br />

der Brutto- oder Nettoumsatz massgeblich sei, auf die massgeblichen<br />

kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätzeverwiesen. 840<br />

833<br />

834<br />

835<br />

836<br />

837<br />

838<br />

839<br />

840<br />

Vgl. dazu auch den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 11. März 2002, 4C.280/2001,<br />

E. 3/4.<br />

Vgl. BGE 42 II 355 (E.3,459 ff.) sowie oben Rz. 473.<br />

Unter Bruttoumsatz wird <strong>im</strong> Allgemeinen die Summe aller Erlöse für Lieferungen <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen ohne Gewährung von Rabatten <strong>und</strong> Skonti verstanden. Enthalten ist<br />

darin in der Regel auch die Mehrwertsteuer. Mit anderen Worten besteht der Bruttoumsatz<br />

in der Summe der den K<strong>und</strong>en inRechnung gestellten <strong>und</strong> verbuchten Beträge.<br />

Der Nettoumsatz ergibt sich daraus, dass von Bruttoumsatz Rabatte, Skonti, Verpackungs-<br />

<strong>und</strong> Versandkosten, Mehrwertsteuer <strong>und</strong> andere gleichwertige Erlösminderungen<br />

abgezogen werden; vgl. BE-Komm.-Käfer, Art. 958 N169 f.; Brühwiler,<br />

Art. 322a N2.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 27. Januar 1995, ZR 97 (1998), Nr. 61,<br />

S. 171 f.(172).<br />

Unter Hinweis auf BE-Komm.-Käfer, Art. 958 N163 ff.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322a N3.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322a N3,«recettes brutes». Unklar bleibt be<strong>im</strong><br />

Begriff der Bruttoeinnahmen, ob Rabatte <strong>und</strong> Skonti zum relevanten Umsatz zu zählen<br />

sind oder nicht. Rabatte <strong>und</strong> Skonti dürften nach diesen Autoren wohl nicht zum relevanten<br />

Umsatz zählen.<br />

BBl 1967 II, S. 316.<br />

215


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

480 Die Auffassung des ARBEITSGERICHTS ZÜRICH, dass der Nettoerlös den «eigentlichen<br />

Umsatz» ausmache, ist deshalb problematisch <strong>und</strong> <strong>im</strong>Ergebnis abzulehnen,<br />

da sich dafür <strong>im</strong>Gesetzestext keine Gr<strong>und</strong>lage findet. Es wird in<br />

Art. 322a Abs.1OR bloss vom «Umsatz» gesprochen. Gleiches gilt allerdings<br />

auch für die von BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ vertretene Ansicht, es<br />

sei auf die Bruttoeinnahmen abzustellen. Ferner erweist sich der Hinweis in der<br />

Botschaft 1967, wonach die kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätze massgeblich sein sollen,<br />

als wenig hilfreich. Denn keiner der an sich konkretisierungsbedürftigen,<br />

allgemein anerkannten kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätze 841 sticht diesbezüglich als<br />

einschlägig ins Auge. Soweit ersichtlich finden sich diesbezüglich denn auch<br />

keine Meinungsäusserungen in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung. Die von PORTMANN<br />

vorgeschlagene Analogie zu Art. 322b Abs.3OR scheint auf den ersten Blick<br />

zur konkretisierenden Auslegung von Art. 322a Abs. 1ORsinnvoll; ins<strong>besondere</strong><br />

wenn berücksichtigt wird, dass die Umsatzbeteiligung, ähnlich der Provision,<br />

auch den Zweck verfolgt, die Interessen der Parteien des Arbeitsvertrags<br />

gleichzuschalten <strong>und</strong> deren wirtschaftliche Verb<strong>und</strong>enheit zu stärken. 842 Ein<br />

analoges Heranziehen von Art. 322b Abs.3OR vermag <strong>im</strong> Ergebnis gleichwohl<br />

nicht zubefriedigen. Gegen eine solche Analogie ist einmal einzuwenden,<br />

dass die Unterscheidung zwischen Brutto- <strong>und</strong> Nettoumsatz 843 wesentlich breiter<br />

gefächert ist als der Regelungsgegenstand von Art. 322b Abs. 3OR. Der<br />

Regelungsgegenstand der letztgenannten Best<strong>im</strong>mung für die Provision bezieht<br />

sich auf die Nichtausführung des Geschäfts durch den Arbeitgeber ohne dessen<br />

Verschulden <strong>und</strong> auf das Drittparteienrisiko. Zudem beruht die Unterscheidung<br />

zwischen Brutto- <strong>und</strong> Nettoumsatz unter anderem auch auf Faktoren, welche<br />

der Arbeitgeber meist einseitig beeinflussen 844 kann <strong>und</strong> in der Preiskalkulation<br />

schon teilweise mitberücksichtigen wird. 845 Im Zweifelsfall sollte daher –nebst<br />

einer dem Arbeitnehmer bekannten Betriebs- oder Branchenübung, wofür der<br />

Arbeitgeber beweispflichtig wäre –auf schuldrechtliche Überlegungen <strong>und</strong> arbeitsrechtlicheGr<strong>und</strong>sätzezurückgegriffen<br />

werden.<br />

841<br />

842<br />

843<br />

844<br />

845<br />

216<br />

Zu den allgemein anerkannten kaufmännischenGr<strong>und</strong>sätzen vgl. Fn. 795.<br />

Wie inder Lehre zuRecht erwähnt wird, vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 322a N3,sollte<br />

nicht übersehen werden, dass für den Arbeitgeber gewöhnlich nicht der Umsatz, sondern<br />

der Gewinn entscheidend ist. Wenn der Arbeitgeber die Preise (inkl. Rabatten<br />

<strong>und</strong> Skonti) nicht fest oder innert einer Bandbreite fixiert, könnte dies den Arbeitnehmer<br />

dazu veranlassen, zu jedem Preis zu verkaufen, bloss um den Umsatz <strong>und</strong> damit<br />

seine Umsatzbeteiligung in die Höhe zu treiben. Falls ein Arbeitnehmer ohne explizite<br />

Befugnis Waren oder Dienstleistungen zu einem offensichtlich extrem niedrigen Preis<br />

(«Dumpingpreis») veräussern würde, wäre hingegen zuprüfen, ob darin nicht eine<br />

schadenersatzbegründende Sorgfaltspflichtverletzung zu erblicken wäre.<br />

Vgl. Fn. 835.<br />

Z.B. die Gewährung von Rabatten <strong>und</strong> Skonti.<br />

Z.B. Verpackungs- <strong>und</strong> Versandkosten, Zölle, Kosten aus der Rücknahme von Waren<br />

sowie etwaige Garantieleistungen, die <strong>im</strong>weiteren Sinne ebenfalls als potenzielle, erlösmindernde<br />

Mehraufwendungen verstanden werden könnten.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

481 Ist die vertragliche Vereinbarung zur Umsatzbeteiligung unklar oder mehrdeutig,<br />

wäre auf die Unklarheitsregel 846 abzustellen. Nach dieser Regel wird eine<br />

Vereinbarung zulasten derjenigen Partei ausgelegt, welche die unklare Regelung<br />

zu vertreten hat. In den meisten Fällen wird dies der Arbeitgeber sein. Im<br />

Zweifel über die Bedeutung einer Vereinbarung wäre somit auf den Bruttoumsatz<br />

oder, falls nur die Berücksichtigung einzelner Posten umstritten ist, auf das<br />

für den Arbeitnehmer günstigere, sprich den Umsatz erhöhende Ergebnis abzustellen.<br />

Sachgerecht erscheint es indessen, die Mehrwertsteuer prinzipiell vom<br />

(Brutto-)Umsatz auszunehmen, sofern die vertragliche Regelung die Mehrwertsteuer<br />

nicht klar zum Umsatz schlägt. Denn eine etwaige Mehrwertsteuer,<br />

die dem K<strong>und</strong>en in Rechnung zu stellen ist, kann vom mehrwertsteuerpflichtigenArbeitgebernicht<br />

beeinflusst werden. 847<br />

482 Möglich ist esauch, dass der Vertrag bezüglich der näheren Best<strong>im</strong>mung des<br />

Umsatzes gar keine Regelung enthält. Hilft eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip<br />

ebenfalls nicht weiter, wäre die Vertragslücke nach dem hypothetischen<br />

Vertragswillen zu schliessen bzw. modo legislatoris eine Regel gemäss<br />

Art. 1Abs.2ZGB zubilden. 848<br />

483 Zuberücksichtigen ist dabei, dass der Arbeitnehmer die Geschäftspolitik des<br />

Arbeitgebers inder Regel gar nicht oder nur bedingt beeinflussen kann. Stehen<br />

dem Arbeitnehmer indessen selbstständige Entscheidungsbefugnisse zu, ist er<br />

gegenüber dem Arbeitgeber rechenschaftspflichtig <strong>und</strong> untersteht damit zumindest<br />

einer gewissen Kontrolle. 849 Der Arbeitnehmer, welcher mit dem Arbeitgeber<br />

eine Umsatzbeteiligung vereinbart hat, kann den Arbeitgeber nach herrschender<br />

Lehre auch nicht dazu verpflichten, sein Geschäft sorgfältig bzw.<br />

möglichst umsatzfördernd zuführen. 850 Daraus folgt, dass ohne anderslautende,<br />

846<br />

847<br />

848<br />

849<br />

850<br />

Vgl. dazu BGE 124 III 155 (E. 1b, 158 f.); BGE 122 III 118 (E. 2a, 121); Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 26. Januar 2010, 4A_453/2009, E. 3; BE-Komm.-Kramer,<br />

Art. 1 N109; Gauch/Schluep/Schmid, Rz. 1231 ff.; Koller, §3 N197 <strong>und</strong> §123<br />

N64ff.<br />

Vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 322b N6.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N1264 f.; vgl. auch BGE 115 II 484 (E. 4b, 488); Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6.Januar 2006, 4C.376/2005, E. 3.2; zur Kontroverse, obeine<br />

Vertragslücke in erster Linie durch dispositives Gesetzesrecht oder, mangels Gewohnheitsrecht,<br />

aufgr<strong>und</strong> der hypothetischen Vertragswillen der Parteien bzw. gestützt<br />

auf Art. 1 Abs. 2 ZGB zu füllen sei, vgl. BE-Komm.-Kramer, Art. 18 N230 ff.;<br />

BSKORI-Bucher, Art. 2N8ff.; BSK OR I-Wiegand, Art. 18 N70ff.<br />

Art. 321b OR.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N6;Vischer, S. 109; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 322a N9;vgl. auch Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.41 f. Indessen wird inzuRecht<br />

zurückhaltender Weise eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers bejaht, wenn dieser<br />

mit Absicht versucht, den <strong>Lohn</strong> aus dem Anteil am Geschäftsergebnis zuvereiteln;<br />

vgl. dazu auch Art. 156 OR.<br />

217


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

851<br />

852<br />

853<br />

854<br />

218<br />

ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Arbeitgeber mittels Erteilung<br />

von Weisungen zur Preisgestaltung auf den Umsatz einseitig Einfluss<br />

nehmen kann. In Bezug auf die Veränderung der Geschäfts- <strong>und</strong> Buchhaltungspraxis<br />

wird in der Lehre teilweise argumentiert, dass einseitige Änderungen<br />

durch den Arbeitgeber nicht angängig seien, falls solche Änderungen der Geschäfts-<br />

<strong>und</strong> Buchhaltungspraxis zur Folge haben, dass sich der Umsatz verringert<br />

<strong>und</strong> sich der <strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers aus dem Anteil am Umsatz entsprechend<br />

reduziert. Solche Änderungen seien ohne Zust<strong>im</strong>mung –oder wenigstens<br />

ohne vorgängige Information des Arbeitnehmers –unzulässig. Unerheblich soll<br />

dabei sein, obdie neue Geschäfts- <strong>und</strong> Buchhaltungspraxis den gesetzlichen<br />

Vorschriften <strong>und</strong> den allgemein anerkannten kaufmännischen Gr<strong>und</strong>sätzen entspricht.<br />

851 Dieser Auffassung ist für die Veränderung der Buchhaltungspraxis<br />

zuzust<strong>im</strong>men. Es wäre schuldrechtlich in der Tat nicht nachvollziehbar, wenn<br />

der Arbeitgeber ohne vorgängige Zust<strong>im</strong>mung des Arbeitnehmers 852 durch blosse<br />

Veränderungen in der Buchführungspraxis den Umsatz einseitig zulasten des<br />

Arbeitnehmers verändern könnte. Bei der Umsetzung einer neuen oder anderen<br />

Geschäftsstrategie dürfte die inder Literatur vertretene Ansicht indessen zu<br />

weit gehen. Trotz einer Umsatzbeteiligung eines Arbeitnehmers kann es dem<br />

Arbeitgeber nicht verwehrt sein, auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren.<br />

Kommt der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen oder geschäftsstrategischen<br />

Gründen zum Schluss, dass eine Anpassung der Geschäfts- <strong>und</strong>/oder Preisstrategie<br />

erforderlich ist, kann eine Vereinbarung einer Beteiligung amUmsatz eine<br />

solche Anpassung gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verhindern. Die unternehmerische Freiheit<br />

(<strong>und</strong> Verantwortung) des Arbeitgebers würde übermässig eingeschränkt.<br />

Dass damit ein Rückgang des Umsatzes einhergehen kann, ist für den Arbeitnehmer<br />

zwar nicht unbedingt erfreulich, 853 doch hat er–wie STAEHELIN zu<br />

Recht hervorhebt –mit der Vereinbarung eines Anteils am Umsatz in Kauf genommen,<br />

das Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko mitzutragen. 854 Umgekehrt bedeu-<br />

Wyler, S. 161 f., spricht von der Veränderung der «pratiques comptables ou commerciales»;<br />

vgl.auch Carruzzo, Art. 322a N2.<br />

Eine blosse Information, dass die Buchhaltungspraxis geändert werde, sollte gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht ausreichen, umauf ein stillschweigendes Akzept des Arbeitnehmers zu<br />

schliessen.<br />

Ob <strong>und</strong> inwiefern Veränderungen der Geschäftsstrategie (z.B. eine Veränderung der<br />

Preise des Arbeitgebers für seine Produkte oder Dienstleistungen) <strong>im</strong> Vergleich zur<br />

früheren Geschäftsstrategie einen positiven oder negativen Einfluss auf den Umsatz<br />

haben, dürfte in den meisten Fällen nicht abschliessend eruierbar sein. Vorausgesetzt,<br />

dass aufgr<strong>und</strong> der Veränderung der Geschäftsstrategie der Umsatz sinkt, könnte sich<br />

ein Arbeitnehmer auf den Standpunkt stellen, der Umsatz wäre bei Beibehalten der<br />

früheren Geschäftsstrategie höher ausgefallen. Der Arbeitgeber dürfte dem entgegenhalten,<br />

dass ohne Änderung der Geschäftsstrategie der Umsatz noch weiter gesunken<br />

wäre. Im Ergebnis sind dabei zwei hypothetische Szenarien auf ihre Wahrscheinlichkeit<br />

bzw. Plausibilität hin zuuntersuchen <strong>und</strong> gegeneinanderabzuwägen.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N9.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

tet diese unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers jedoch auch, dass sich der<br />

Arbeitgeber –mangels anderer klarer Abrede –den höchstmöglichen Umsatz<br />

zugunsten des Arbeitnehmers entgegenhalten lassen muss. Das Mittragen des<br />

unternehmerischen Risikos durch den Arbeitnehmer sollte nur soweit gehen,<br />

wie dies klar vereinbart wurde. ImZweifel wäre daher auf den Bruttoumsatz<br />

(exkl.Mehrwertsteuer) abzustellen.<br />

484 Be<strong>im</strong> Umsatz als Bemessungsgrösse für einen Anteil am Geschäftsergebnis<br />

fehlt <strong>im</strong> Gesetz ein Hinweis darauf, was zu gelten hat, wenn die K<strong>und</strong>enzahlung<br />

für die erfolgte Lieferung oder Dienstleistung des Arbeitgebers ausbleibt. 855 Mit<br />

anderen Worten stellt sich auch bei der Umsatzbeteiligung die Frage der Tragung<br />

des Delkredere- oder Solvenzrisikos des K<strong>und</strong>en. Dader Umsatz gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

dann generiert ist, wenn der Vertrag abgeschlossen wurde <strong>und</strong> der Arbeitgeber<br />

seiner Leistungspflicht nachgekommen ist, hat der Arbeitgeber, mangels<br />

anderer Abrede, das von K<strong>und</strong>en ausgehende Solvenzrisiko zutragen. 856<br />

Will der Arbeitgeber dies ganz oder teilweise verhindern, bedarf es einer speziellen<br />

Vereinbarung.<br />

3. DerAnteil am sonstigen Geschäftsergebnis<br />

485 Als dritte Variante des Anteils am Geschäftsergebnis wird <strong>im</strong> Gesetz der Anteil<br />

am sonstigen Geschäftsergebnis erwähnt. Dabei handelt essich um einen unbest<strong>im</strong>mten<br />

Rechtsbegriff. Gestützt auf die Botschaft 1967 fallen unter das «sonstige<br />

Geschäftsergebnis» z.B. Vereinbarungen, mit welchen ein oder mehrere<br />

Arbeitnehmer daran beteiligt werden, wenn zwischen den budgetierten Kosten<br />

für Material, Löhne oder sonstige Ausgabenposten <strong>und</strong> den effektiven Aufwendung<br />

für einen solchen Posten innert einer Bemessungsperiode Einsparungen<br />

erzielt werden können. Der Zweck einer solchen Beteiligung ist es, Arbeitnehmerzueinem<br />

sparsamen <strong>und</strong> konzentrierten Arbeiten anzuhalten. 857<br />

486 Der <strong>Lohn</strong>, welcher aufgr<strong>und</strong> eines sonstigen Anteils am Geschäftsergebnis ausgerichtet<br />

wird, wird in der Literatur zuweilen als Prämie bezeichnet. 858 Solche<br />

Prämien sind dann unter Art. 322a Abs. 1ORzusubsumieren, wenn sie auf eine<br />

kollektive Leistung des Gesamtunternehmens oder einer Untereinheit abstel-<br />

855<br />

856<br />

857<br />

858<br />

Anders die Regelung in Art. 322b Abs. 3ORfür die Provision.<br />

Wie hier: Brand/Dürr et al., Art. 322a N10; anders: Entscheid des Arbeitsgerichts<br />

Zürich vom 27. Januar 1995, ZR 97 (1998), Nr. 61, S. 171 f. (172) <strong>und</strong> wohl auch<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322a N3.<br />

BBl 1967 II, S. 316; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N4;<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322a N11; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N9.<br />

So etwa BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N4; BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 322a N4;Duc/Subilia, Art. 322a N6; Geiser/Müller, N398; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322a N9;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a N11.<br />

219


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

220<br />

len, die vom Arbeitnehmer ingewissem Ausmass beeinflusst werden kann. Beruht<br />

eine Prämie hingegen ganz auf einer individuellen Leistung eines Arbeitnehmers,<br />

ist diese von einer Prämie gemäss Art. 322a Abs.1OR zu unterscheiden.<br />

Dieletzteren Prämien werden auch als Prämien mitLeistungslohncharakter<br />

bezeichnet. 859 Je nach konkreter Ausgestaltung von solchen Prämien mit Leistungslohncharakter<br />

kann eine solche Vergütung entweder als Gratifikation, als<br />

Form des Akkordlohns oder als gesetzlich nicht geregelte Vergütungsform betrachtet<br />

werden,welche letztlich unter Art. 322 ORzusubsumieren wäre. 860<br />

487 Inder Lehre ist teilweise umstritten, ob <strong>und</strong> inwieweit es den Parteien freisteht,<br />

den Gewinn <strong>im</strong>Rahmen einer Gewinnbeteiligung selbst zu definieren. 861 Angesichts<br />

des sehr breit formulierten Art. 322a Abs.1OR verliert diese Kontroverse<br />

indessen an Bedeutung. Solange die Vereinbarung zwischen den Parteien auf<br />

eine Beteiligung eines Arbeitnehmers am rechnungsmässigen <strong>und</strong> kollektiv erwirtschafteten<br />

Geschäftserfolg anknüpft 862 (sei dies der Gewinn, der «Cash<br />

flow», 863 der «economic value added» bzw. «EVA» 864 oder eine andere betriebswirtschaftliche<br />

Kennzahl, 865 wie etwa der EBIT, 866 der EBITDA, 867 der<br />

ROE, 868 der ROA 869 oder der ROS 870 in Bezug auf das Gesamtunternehmen oder<br />

eine Geschäftssparte), erscheint es von untergeordneter Bedeutung, ob eine Beteiligung<br />

amGewinn, amUmsatz oder eine sonstige Beteiligung amGeschäftserfolg<br />

vorliegt. Alle Konstellationen sind unter Art. 322a Abs.1OR zu subsumieren.<br />

871 Gleiches gilt sodann für Mischformen. Mischformen eines Anteils<br />

859<br />

860<br />

861<br />

862<br />

863<br />

864<br />

865<br />

866<br />

867<br />

868<br />

869<br />

870<br />

871<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N33<strong>und</strong> Art. 322a N4;BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 322 N33<strong>und</strong> Art. 322a N4;Portmann/Stöckli, N261 ff.<br />

Vgl. Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.59 ff.; D.Portmann, N44; Schmid, S.85ff.; Vischer,<br />

S. 100 f.<br />

Vgl. Cramer, N96 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N4.<br />

Vgl. Cramer, N104; Portmann/Stöckli, N272 <strong>und</strong> N276; Senti, Abgrenzung, S. 673.<br />

Der Begriff des «Cashflow» ist nicht einheitlich definiert; nach Boemle/Lutz, S. 502,<br />

wird unter dem operativen Cashflow der durch Geschäftstätigkeit des Unternehmens<br />

erarbeitete Zahlungsmittelüberschuss innert einer Rechnungsperiode verstanden.<br />

Zum«EVA» vgl. Boemle/Lutz, S. 686 ff. m.w.H.<br />

Vgl. Cramer, N98; KUKO-OR Pietruszak, Art. 322a N3;Senti, Abgrenzung, S. 673.<br />

«EBIT» =«earnings before interest and taxes» oder (Betriebs-)Gewinn vor Zinsen <strong>und</strong><br />

Steuern; vgl.Boemle/Lutz, S.212.<br />

«EBITDA» =«earnings before interest, taxes, depreciation and amortization» oder<br />

(Betriebs-)Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen <strong>und</strong> Amortisationen (von<br />

<strong>im</strong>materiellemVermögen); vgl. Boemle/Lutz, S. 482 <strong>und</strong> S. 682.<br />

«ROE» =«return on equity» oder Eigenkapitalrentabilität; vgl. Boemle/Lutz, S. 684.<br />

«ROA» =«return on assets» oder Gesamtkapitalrentabilität; vgl. Boemle/Lutz, S. 686.<br />

«ROS» =«return on sales» oder Reingewinnmarge bzw. Unternehmensgewinnmarge<br />

nach Steuern; vgl. Boemle/Lutz, S. 682.<br />

Unter einen Anteil am sonstigen Geschäftsergebnis sind auch die sogenannt synthetischen<br />

Beteiligungen zu zählen. Synthetische Beteiligungen kommen meist in Form<br />

von «Phantom Stocks» oder unter der Bezeichnung «Performance Units» oder


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

am Geschäftsergebnis liegen dann vor, wenn verschiedene, rechnungsmässige<br />

Erfolgsfaktoren kombiniert werden. Ein Anspruch auf einen Anteil am Geschäftsergebnis<br />

könnte sowohl auf den Gewinn, den Umsatz als auch weitere<br />

rechnungsmässige Erfolgsfaktoren abstellen. Bei derart gemischten Vereinbarungen<br />

bietet sich die Subsumtion unter einen sonstigen Anteil am Geschäftsergebnis<br />

ebenfalls an. 872<br />

488 Dader sonstige Anteil amGeschäftsergebnis gemäss der Botschaft 1967 auf<br />

den rechnungsmässigen Erfolg des Unternehmens abzielt, 873 ist fraglich, ob<br />

auch positive Geschäftsereignisse, welche sich selbst nicht direkt ineinem finanziell<br />

messbaren Resultat niederschlagen, unter Art. 322a OR subsumiert<br />

werden können. Eine Subsumtion unter Art. 322a Abs. 1ORwird teilweise bejaht,<br />

sofern die Bemessungsfaktoren oder Erfolgskriterien, die sich nicht direkt<br />

in einer finanziell messbaren Weise äussern, dennoch mit der unternehmerischen<br />

Tätigkeit zusammenhängen. 874 Der finanziell messbare Geschäftserfolg,<br />

der abstrakt wohl trotzdem vorauszusetzen ist, würde damit zueiner von mehreren<br />

Bedingungen für das Ausrichten eines Anteils am Geschäftsergebnis. Eine<br />

reine Form eines Anteils am Geschäftsergebnis liegt damit nicht mehr vor. Eine<br />

Subsumtion unter Art. 322a Abs. 1ORdürfte daher nur dann sachgerecht sein,<br />

wenn der entsprechende Erfolgsfaktor seiner Natur nach geeignet ist, einen positiven<br />

Geschäftserfolg wenigstens indirekt zu<strong>im</strong>plizieren. Dies dürfte dann der<br />

Fall sein, wenn z.B. für best<strong>im</strong>mte Produkte Marktanteile gewonnen werden<br />

konnten, ohne dass dafür die bestehende Preisstruktur verändert werden musste,<br />

oder wenn die mittels Umfragen ermittelte Zufriedenheit der Hauptk<strong>und</strong>en eines<br />

Unternehmens gesteigert werden konnte. Imersten Beispiel könnten die<br />

sich <strong>im</strong>plizit in finanzieller Hinsicht niederschlagenden Auswirkungen darin<br />

bestehen, dass dem Gewinnen von Marktanteilen eine Umsatzsteigerung <strong>und</strong><br />

ein positiver Werbeeffekt <strong>im</strong> Geschäftsumfeld zugebilligt werden kann. Im<br />

zweiten Beispiel dürfte das indirekte, das finanzielle Ergebnis positiv beeinflussende<br />

Kriterium darin bestehen, dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, die<br />

bestehende K<strong>und</strong>schaft werde dem Arbeitgeber weiterhin treu bleiben. Ist ein<br />

Erfolgsfaktor indessen soweit vom operativen Geschäft entfernt, dass sich keine<br />

872<br />

873<br />

874<br />

«(Special) Stock Appreciation Rights» vor; vgl. statt mehrerer: Knecht, S.64ff.;<br />

D. Portmann, N51f.<br />

Ebensoist es möglich, dass eine Gewinn- <strong>und</strong> eine Umsatzbeteiligung in unabhängiger<br />

Weise nebeneinander vereinbart werden, was in der Praxis indessen relativ selten vorkommen<br />

dürfte.<br />

BBl 1967 II, S. 315.<br />

Cramer, N104 <strong>und</strong> N110; als andere Sachverhalte, welche einen Erfolg darstellen<br />

können, ohne dass sich diese ineiner finanziell messbaren Grösse niederschlagen, erwähnt<br />

Cramer, N104, z.B. die Entwicklung der Marktanteile eines Produkts, die Anzahl<br />

von eröffneten Filialen ineinem definierten Gebiet oder eine Verbesserung der<br />

K<strong>und</strong>enzufriedenheit mit dem Kantinenessen.<br />

221


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

222<br />

plausible Auswirkung auf das finanzielle Ergebnis des Unternehmens ausmachen<br />

lässt, wäre eineSubsumtionunter Art. 322a Abs.1OR abzulehnen.<br />

B. Berechnung <strong>und</strong>Ausrichtung desAnteils am Geschäftsergebnis<br />

489 Abgesehen von den Begrenzungen der zeitlichen <strong>und</strong> sachlichen Berechnungsparameter<br />

eines Anteils am Geschäftsergebnis, welche inArt. 322a Abs.1OR<br />

enthalten sind, hält das Gesetz für die Best<strong>im</strong>mung des Anteils am Geschäftsergebnis<br />

keine weiteren Vorschriften bereit. Gestützt auf die Vertragsfreiheit<br />

können die Parteien folglich für die konkrete Berechnung eines Anteils am Geschäftsergebnis<br />

eine ihnen sinnvoll erscheinende Lösung vertraglich vereinbaren.<br />

490 Bei der Vereinbarung einer Gewinn- oder Umsatzbeteiligung sind diejenigen<br />

Vereinbarungen amhäufigsten, welche dem Arbeitnehmer eine prozentuale Beteiligung<br />

einräumen. Der Arbeitnehmer hat z.B. Anspruch auf 10 Prozent des<br />

Gewinns einer Geschäftseinheit oder kann einen Betrag von 0.5 Prozent des erzielten<br />

Nettoumsatzes für sich beanspruchen. Die Vereinbarung der Parteien<br />

kann indessen auch komplexer ausgestaltet sein. Bei einer prozentualen Beteiligung<br />

muss der Anteil am Geschäftsergebnis keineswegs linear sein. Der Prozentsatz<br />

kann in Abhängigkeit von verschiedenen Gewinn- oder Umsatzspannen,<br />

die häufig tabellarisch zusammengefasst werden, progressiv oder degressiv<br />

zu- oder abnehmen. Die Abrede zur konkreten Berechnung eines Anteils am<br />

Geschäftsergebnis kann zudem vorsehen, dass bei Erarbeitung eines Gewinns,<br />

der einen Schwellenwert übersteigt, der Arbeitnehmer eine pauschale Summe<br />

erhält. Mithin liegt also eine untere Begrenzung eines Erfolgsfaktors in Verbindung<br />

mit einem fixen <strong>Lohn</strong>betrag vor, der geschuldet ist, wenn der Schwellenwert<br />

erreicht oder überschritten wird. Möglich <strong>und</strong> zulässig ist es indessen auch,<br />

dass gestufte, sich erhöhendeZahlungen in Abhängigkeitvon verschiedenen Erfolgsfaktoren<br />

vereinbart sind, die sich gegenseitig beeinflussen. Ebenfalls denkbar<br />

ist es schliesslich, dass die max<strong>im</strong>al unter dem Titel Anteil am Geschäftsergebnis<br />

auszurichtendeSumme nach oben begrenzt ist.<br />

491 Mit welchem Zahlungsmittel ein Anspruch auf einen Anteil am Geschäftsergebnis<br />

beglichen wird, wird vom Gesetz ebenfalls offengelassen. Der Anteil am<br />

Geschäftsergebnis kann damit inGeld (einer oder verschiedener Währungen)<br />

oder als Naturallohn ausgerichtet werden. Wesentlich ist dabei, dass klar geregelt<br />

wird, welches <strong>Lohn</strong>zahlungsmittel in obligatione steht. Falls der einen oder<br />

anderen Partei ein Wahlrecht zukommt, wäre dieses Wahlrecht sopräzise auszugestalten,<br />

dass die andere Partei innert nützlicher Frist diejenigen Informationen<br />

erhält, welche zur vertrags- <strong>und</strong> fristgerechten Zahlung erforderlich sind.<br />

Bei Ausbleiben der Ausübung des Wahlrechts wäre in der Vertragsgestaltung<br />

ferner eine Auffangklausel zweckmässig, die festlegt, mit welchem Zahlungsmittel<br />

die <strong>Lohn</strong>forderung bei nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

ausgeübtem Wahlrecht getilgt werden kann bzw. muss. Wird der Anteil am Geschäftsergebnis<br />

nicht inGeld ausgerichtet, werden heute häufig Gesellschaftsanteile<br />

oder Optionen auf Anteile am Unternehmen oder einer damit verb<strong>und</strong>enenGesellschaft<br />

zurZahlungverwendet.<br />

492 Be<strong>im</strong> Anteil amGeschäftsergebnis geht das Gesetz für den Bemessungszeitraum<br />

vom Geschäftsjahr aus. Entsprechend sieht Art. 323 Abs.3OR vor, dass<br />

der Anteil am Geschäftsergebnis fällig wird, sobald er feststeht. Der späteste<br />

Fälligkeitszeitpunkt tritt sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres ein,<br />

wenn die Parteien keine kürzeren Bemessungsperioden <strong>und</strong> Zahlungsfristen<br />

festlegen,was ohne Weiteres zulässig ist. 875<br />

493 Unbenommen ist es den Parteien zudem, während dem laufenden Geschäftsjahr<br />

Akontozahlungen zuvereinbaren, ohne dass jeweils ein Zwischenabschluss erfolgt.<br />

Akontozahlungen <strong>im</strong> Sinne von Vorauszahlungen zeichnen sich durch<br />

zwei charakteristische Elemente aus. Sie sind definitionsgemäss provisorisch<br />

<strong>und</strong> werden auf die <strong>im</strong> Zeitpunkt ihrer Auszahlung noch nicht definitiv best<strong>im</strong>mbare<br />

Gesamtforderung des Arbeitnehmers aus der Beteiligung amGeschäftsergebnis<br />

angerechnet. Daraus folgt weiter, dass nach definitiver Berechnung<br />

des Anteils am Geschäftsergebnis am Ende der relevanten Geschäftsperiode<br />

der Arbeitgeber eine weitere Zahlung zuleisten hat, wenn die Summe der<br />

bisherigen Akontozahlungen <strong>im</strong> Vergleich zum Gesamtanspruch zu niedrig<br />

war. Demgegenüber kann den Arbeitnehmer eine Rückerstattungspflicht treffen,<br />

wenn die Summe der bereits erfolgten Akontozahlungen den Gesamtanspruch<br />

übersteigt. Bei der Zusatzzahlung des Arbeitgebers bzw. bei der Rückerstattungspflicht<br />

des Arbeitnehmers handelt es sich richtigerweise jeweils um<br />

vertragliche <strong>und</strong> nicht um bereicherungsrechtliche Ansprüche der einen oder<br />

anderen Vertragspartei. 876<br />

494 Bei der Formulierung der vertraglichen Abreden zu Akontozahlungen ist aus<br />

Sicht des Arbeitgebers auf ein sorgfältiges Abfassen <strong>und</strong> bei der Auszahlung<br />

auf eine sorgfältige Deklaration zuachten, umeine etwaige Reinterpretation<br />

von Akontozahlungen inzugesicherte Mindestbeträge <strong>und</strong> damit innicht rückforderbare<br />

Zahlungenzuverhindern. 877<br />

875<br />

876<br />

877<br />

Vgl. oben Rz. 465.<br />

BGE 126 III 119 (E. 3,120 ff.).<br />

Vgl. dazu BGE 129 III 118 (E. 2.6, 123 f.), betreffend eine Beteiligung am Umsatz;<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6. Juni 2005, 4C.53/2005, E. 2.3, betreffend eine<br />

«Kommission» <strong>im</strong> Sinne von Provisionen; Entscheid der Chambre d'appel des prud'hommes<br />

du canton de Genève vom 25. Mai 2005,JAR 2006, S. 441 ff. (E.2.3.1, 443).<br />

223


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

495 Verb<strong>und</strong>en werden können Akontozahlungen schliesslich mit der Leistung einer<br />

Kaution durch den Arbeitnehmer gemäss Art. 330 OR. 878 Nebst einer Kaution<br />

ist (zusätzlich) auch ein <strong>Lohn</strong>rückbehalt gemäss Art. 323a Abs. 2ORmöglich,<br />

sofern dieser vereinbart worden ist. 879 Dieser Best<strong>im</strong>mung zum <strong>Lohn</strong>rückbehalt<br />

kommt indessen in der Praxis keine grosse Bedeutung mehr zu, da der<br />

<strong>Lohn</strong>rückbehalt –unter Vorbehalt eines anderslautenden Normal- oder Gesamtarbeitsvertrags<br />

–auf max<strong>im</strong>al einen Wochenlohn beschränkt ist. 880 Dass Akontozahlungen<br />

einen provisorischen Charakter haben, steht einem <strong>Lohn</strong>rückbehalt<br />

nicht entgegen, solange die Akontozahlungen <strong>im</strong> Zeitpunkt, inwelchem der<br />

Arbeitgeber den Rückbehalt vorn<strong>im</strong>mt, gemäss Vereinbarung der Parteien fällig<br />

war. 881<br />

C. Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechtedes Arbeitnehmers<br />

496 Damit der Arbeitnehmer den Anspruch auf den Anteil am Geschäftsergebnis<br />

nachprüfen kann, enthalten Art. 322a Abs. 2<strong>und</strong> Abs.3OR teilzwingende Best<strong>im</strong>mungen,<br />

welche dem Arbeitnehmer Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechte einräumen.<br />

Bei diesen Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechten handelt essich um materielle<br />

Rechte des Arbeitnehmers, die von den prozessualen (Editions-)Rechten<br />

einer Streitpartei <strong>im</strong> Prozess zu unterscheiden sind. 882<br />

497 Die Best<strong>im</strong>mung zu den Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechten gemäss Art. 322a<br />

Abs.2OR gilt für alle Formen eines Anteils am Geschäftsergebnis. Die Pflicht<br />

des Arbeitgebers nach Art. 322a Abs.3 OR, dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen<br />

ein Exemplar der Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung (bzw. Erfolgsrechnung)<br />

auszuhändigen, gilt hingegen nur bei einer Gewinnbeteiligung. 883 Über den<br />

Wortlaut von Art. 322a Abs.3OR hinaus darf der Arbeitnehmer aber auch<br />

dann ein Exemplar der Erfolgsrechnung verlangen, wenn eine gemischte Form<br />

878<br />

879<br />

880<br />

881<br />

882<br />

883<br />

224<br />

Vgl. auch den Sachverhalt des Entscheids des B<strong>und</strong>esgerichts vom 26. Mai 2008,<br />

4D_30/2008, lit. A.d/e.<br />

Ob ein <strong>Lohn</strong>rückbehalt bei einer Akontozahlung auf einen künftigen Anteil amGeschäftsergebnis<br />

sinnvoll ist, ist eine andere Frage.<br />

Vgl. statt mehrerer: BSK OR I-Portmann, Art. 323a N1.<br />

Anders: Carruzzo, Art. 322a N4.Die Auffassung, wonach Art. 323a Abs. 2ORauf<br />

künftige Ansprüche, die antizipiert ausgerichtet werden, nicht zur Anwendung gelangen<br />

soll, überzeugt nicht. Die Akontozahlung, die gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung<br />

ausgerichtet wird, ist <strong>im</strong> Zeitpunkt ihrer Ausrichtung fälliger <strong>Lohn</strong>. Es ist<br />

denn auch nicht einzusehen, weshalb der Umstand, dass die Höhe des definitiven Anspruchs<br />

erst später ermittelt werden kann <strong>und</strong> den Arbeitnehmer unter Umständen eine<br />

Rückzahlungspflichttrifft, einen <strong>Lohn</strong>rückbehalt sollte ausschliessen können.<br />

Vgl. Art. 160 Abs. 1lit. b ZPO sowie den Entscheid des Obergerichts des Kantons<br />

Luzern vom 21. Juli 2003 (kantonale Nichtigkeitsbeschwerde), JAR 2004, S. 523 ff.<br />

(E. 4/5, 524 f.).<br />

BBl 1967 II, S. 317.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

eines Anteils am Geschäftsergebnis vereinbart wurde, inderen Rahmen teilweise<br />

auch aufden Gewinn abgestellt wird.<br />

498 Nach Art. 322a Abs. 2ORsteht dem Arbeitnehmer ein persönliches Informations-<br />

<strong>und</strong> Einsichtsrecht zu. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer<br />

die nötigen Aufschlüsse zu erteilen <strong>und</strong> ihm ebenfalls Einsicht in die Geschäftsbücher<br />

zu gewähren, soweit dies zur Nachprüfung erforderlich ist. Obwohl<br />

der Wortlaut des Gesetzes anderes suggerieren könnte, kann der Arbeitnehmer<br />

–aufgr<strong>und</strong> der teilzwingenden Ausgestaltung von Art. 322a Abs.2OR<br />

sowie dem Zweck von Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechten –auf dieses persönliche<br />

Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrecht nicht verzichten. Ebenso wenig können<br />

die persönlichen Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechte des Arbeitnehmers vollständig<br />

durch die Kontrolle eines Sachverständigen ersetzt werden. Die gesetzliche<br />

Formulierung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer «oder an dessen Stelle»<br />

884 einem Sachverständigen Einsicht <strong>und</strong> Aufschluss zu erteilen hat, muss eine<br />

alternativ-kumulative, nicht aber eine alternativ-exklusive Natur zugeschrieben<br />

werden. 885 Der Gr<strong>und</strong> liegt darin, dass ein Sachverständiger unter Umständen<br />

zwar über grösseres Sachwissen verfügt als der Arbeitnehmer. Die internen<br />

Abläufe <strong>und</strong> die relevanten Geschäftsvorgänge können einem neutralen, externen<br />

Sachverständigen inder Regel aber nicht bekannt sein. Unter Umständen<br />

vermag somit erst die Kombination der Kenntnisse <strong>und</strong> der Erfahrungen eines<br />

Arbeitnehmers <strong>und</strong> eines Sachverständigen <strong>im</strong>Einzelfall dazu zu führen, dass<br />

die etwaige Unrichtigkeit <strong>und</strong>/oder Unvollständigkeit der Auskunftserteilung<br />

durch denArbeitgeber tatsächlich erkanntwerden kann.<br />

499 Insofern erscheint auch ein Entscheid des OBERGERICHTS LUZERN unzutreffend,<br />

wonach dem Arbeitnehmer zwar die Möglichkeit eingeräumt wurde, dem<br />

auf Ersuchen des Arbeitgebers aus Datenschutzgründen ernannten Sachverständigen<br />

bzw. Fachrichter Fragen zu unterbreiten, ohne aber selbst direkt Einsicht<br />

884<br />

885<br />

Der Wortlaut der drei Versionen desORist identisch.<br />

Wie hier: Streiff/von Kaenel, Art.322a N10; vgl. auch Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 322a N5,sowie den Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn<br />

vom 22. Februar 1991, SOG 1991, Nr. 7, S. 18 ff., E.2;anders: Entscheid des Obergerichts<br />

des Kantons Luzern vom 21. Juli 2003 (kantonale Nichtigkeitsbeschwerde),<br />

JAR 2004, S. 523 ff. (E. 2,524 <strong>und</strong> E. 6, 525 f.); die wohl herrschende Lehre, soweit<br />

sich nähere Äusserungen finden, dürfte dahingehend zu interpretieren sein, dass von<br />

einem alternativ-exklusiven Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrecht ausgegangen wird; vgl.<br />

CR CO I-Aubert, Art. 322a N2,wo–ohne nähere Begründung –die Auffassung vertreten<br />

wird, der Arbeitgeber entscheide, ob dem Arbeitnehmer oder einem Sachverständigen<br />

Einsicht gewährt werde; vgl. ferner BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art.<br />

322a N12; Brand/Dürr et al., Art. 322a N12; BSK OR I-Portmann, Art. 322a N6;<br />

Carruzzo, Art. 322a N2;ZH-Komm.-Staehelin,Art. 322a N13.<br />

225


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

226<br />

in die relevanten Unterlagen nehmen zu können. 886 Würden die Informations<strong>und</strong><br />

Einsichtsrechte des Arbeitnehmers soweit eingeschränkt, müsste der Arbeitnehmer<br />

schon best<strong>im</strong>mte Vermutungen hegen, umgegenüber einem Sachverständigen<br />

überhaupt Fragen bzw. Vermutungen formulieren zu können. Eine<br />

solche Erschwerung der Ausübung der Informations- <strong>und</strong> Kontrollrechte des<br />

Arbeitnehmers lässt sich mit dem Zweck von Art. 322a Abs.2OR nicht vereinbaren.<br />

Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechte sind nur dann sinnvoll, wenn damit<br />

insgesamt eine effektive Kontrolle ermöglicht wird. Weder vor noch <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Prozesses kann daher vom Arbeitnehmer verlangt werden, ermüsse<br />

schon konkrete Anhaltspunkte glaubhaft darlegen können, welche den Verdacht<br />

auf Unregelmässigkeiten begründen oder plausibel machen. Unter Vorbehalt<br />

von berechtigten (Gegen-)Interessen des Arbeitgebers hängen die Informations<strong>und</strong><br />

Einsichtsrechte des Arbeitnehmers einzig davon ab, obeine die Parteien<br />

bindendeVereinbarung über einen Anteil am Geschäftsergebnis vorliegt.<br />

500 Die Forderung nach einer effektiven Kontrolle durch den Arbeitnehmer <strong>und</strong><br />

einen Sachverständigen bedeutet demgegenüber nicht, dass die Informations<strong>und</strong><br />

Einsichtsrechte des Arbeitnehmers uferlos wären. Abgesehen davon, dass<br />

der Arbeitgeber gestützt auf das materielle Recht nicht mehr als die nötigen<br />

Aufschlüsse zu erteilen hat, stellt Art. 322a Abs.2OR <strong>im</strong> letzten Teilsatz zum<br />

Schutz des Arbeitgebers (nochmals) verdeutlichend klar, dass nur diejenigen Informationen<br />

<strong>und</strong> Unterlagen offengelegt werden müssen, die für die Nachprüfung<br />

der Abrechnung über den Anteil am Geschäftsergebnis erforderlich sind.<br />

Wie weit das Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrecht des Arbeitnehmers oder eines<br />

Sachverständigen <strong>im</strong>konkreten Einzelfall damit geht <strong>und</strong> was zuden nötigen<br />

bzw. erforderlichen Aufschlüssen zu zählen ist, best<strong>im</strong>mt sich in erster Linie<br />

aufgr<strong>und</strong> der konkreten Parteivereinbarung. Die Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechte<br />

müssen diejenigen Angaben abdecken, welche die relevanten Erfolgsfaktoren<br />

für den Anteil am Geschäftsergebnis abbilden. Diese erforderlichen Angaben<br />

müssen zudem vollständig <strong>und</strong> insofern aufbereitet sein, dass eine Nachprüfung<br />

erfolgen kann. Der Bereitstellungsaufwand, welcher dem Arbeitgeber<br />

daraus entsteht, spielt dabei gr<strong>und</strong>sätzlich keine Rolle. Der Arbeitgeber kann<br />

sich nicht damit begnügen, den Arbeitnehmer z.B. blosse Monatsübersichten<br />

<strong>und</strong> eine Jahreszusammenstellung vorzulegen. Zumindest stichprobenweise<br />

müssen auch diejenigen geordneten Einzelunterlagen vorgelegt werden, welche<br />

für die Feststellung der Erfolgsfaktoren relevant sind. Der Arbeitnehmer oder<br />

ein Sachverständiger müssen zudem die Möglichkeit haben, konkrete Basisunterlagen,<br />

Unterlagen für einen best<strong>im</strong>mten Geschäftszweig oder Unterlagen für<br />

eine best<strong>im</strong>mte Zeitperiode heraus zu verlangen, wenn diese Unterlagen für die<br />

Berechnung desAnteils am Geschäftsergebnis einen Einfluss habenkönnten.<br />

886<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 21. Juli 2003 (kantonale Nichtigkeitsbeschwerde),<br />

JAR2004, S. 523 ff. (E. 6,525 f.).


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

501 Neben dieser materiellen Beschränkung auf die erforderlichen Informationen<br />

<strong>und</strong> Unterlagen kann ein Arbeitgeber aus zureichenden Gründen auch verlangen,<br />

dass die Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechte des Arbeitnehmers gegenüber<br />

denjenigen eines Sachverständigen eingeschränkt werden. Als zureichende<br />

Gründe können Geschäfts- <strong>und</strong> Fabrikationsgehe<strong>im</strong>nisse sowie gesetzliche<br />

Schutzpflichten zugunsten Dritter (z.B. aus Datenschutzgründen) herrühren.<br />

Dies rechtfertigt es, dass Informationen gegenüber dem Arbeitnehmer (<strong>im</strong> Gegensatz<br />

zum Sachverständigen) teilweise anonymisiert <strong>und</strong>/oder abgedeckt<br />

werden. 887 Im Streitfall kann sich der Arbeitgeber zudem auf den prozessualen<br />

Schutz seiner Geschäftsgehe<strong>im</strong>nisse oder anderer sensitiver Information berufen.<br />

888<br />

D. Sonderfragen<br />

1. Regeln <strong>im</strong> Zweifelsfall beiunvollständigerParteivereinbarung<br />

502 Eine Vereinbarung über einen Anteil am Geschäftsergebnis kann dann unklar<br />

sein, wenn die Parteien den oder die Erfolgsfaktoren nicht klar festgelegt haben.<br />

In der Lehre wird daher die Auffassung geäussert, <strong>im</strong> Zweifel sei von einer<br />

Gewinnbeteiligung auszugehen, weil das Hauptinteresse des Arbeitgebers in<br />

erster Linie in der Erzielung von Gewinn bestehe. Anders soll die Rechtslage<br />

jedoch dann sein, wenn der betreffende Arbeitnehmer etwa <strong>im</strong>Verkauf tätig ist.<br />

Unter solchen Umständen soll <strong>im</strong> Zweifel eine Umsatzbeteiligung angenommen<br />

werden, weil die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers auf einen möglichst hohen<br />

Absatzausgerichtetist. 889<br />

503 Während diese Regeln für den Zweifelsfall als Ausgangspunkt nützliche Dienste<br />

leisten können, erscheint das effektive Tätigkeitsfeld des Arbeitnehmers <strong>und</strong><br />

dessen Reichweite als ausschlaggebendes Kriterium bei der Auslegung von unklaren<br />

Vereinbarungen zu einer Beteiligung amGeschäftsergebnis. Die Argumentation,<br />

dass es dem Arbeitgeber in erster Linie auf die Erzielung von Gewinn<br />

ankommt, mag zwar durchaus richtig sein. Dieser Umstand ist indessen<br />

einseitig auf die Interessen des Arbeitgebers ausgerichtet. Die Ausrichtung auf<br />

die effektive Tätigkeit des Arbeitnehmers dürfte jedoch sachgerechter sein, weil<br />

der Arbeitgeber in der Regel die effektive Tätigkeit des Arbeitnehmers mittels<br />

Weisungen innerhalb des Stellenprofils steuern kann. Ineinem ersten Schritt<br />

wäre somit zuermitteln, auf welche rechnungsmässigen Erfolgsfaktoren der<br />

Arbeitnehmer <strong>im</strong>Rahmen seiner Tätigkeit effektiv einen gewissen Einfluss<br />

887<br />

888<br />

889<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N12; Entscheid des Gewerblichen<br />

Schiedsgerichts Basel-Stadt vom 19. August 2004, JAR 2005, S. 327 ff., betreffend<br />

die Einsichtsrechte bei einer Provision nach Art. 322c OR.<br />

Vgl. Art. 156 ZPO.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322a N3;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N2.<br />

227


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

228<br />

ausüben kann. In Abhängigkeit von diesen Faktoren wäre danach zu ermitteln,<br />

welche Form einer Beteiligung amGeschäftsergebnis vernünftige <strong>und</strong> redliche<br />

Parteien unter diesen Umständen vereinbart hätten. ImErgebnis ist es selbstverständlich<br />

möglich, dass diese Vertragsergänzung zu einer Gewinnbeteiligung<br />

führt. Denkbar <strong>und</strong> unter Umständen sogar vorzuziehen wäre aber auch eine<br />

gemischte Form einer Beteiligung amGeschäftsergebnis, inwelcher eine Prämie<br />

gestützt auf eine Budgetunterschreitung mit einer Beteiligung amUmsatz<br />

kombiniert wird. Eine Vertragsergänzung indiesem Sinne würde sich etwa<br />

dann anbieten, wenn ein Arbeitnehmer sowohl <strong>im</strong> Einkauf als auch <strong>im</strong> Verkauf<br />

einer best<strong>im</strong>mten Produktegruppe tätig ist, welche vom Arbeitgeber gehandelt<br />

wird.<br />

504 Eine Vereinbarung über einen Anteil am Geschäftsergebnis kann nicht nur in<br />

Bezug auf die Erfolgsfaktoren lückenhaft sein. Ebenfalls möglich ist es, dass<br />

die vertragliche Regelung offenlässt, wie ein rechnungsmässiger Geschäftserfolg<br />

in einen <strong>Lohn</strong>anspruch umgerechnet werden soll. Zur Lückenfüllung kann<br />

in solchen Fällen auf Art. 322 Abs.1OR zurückgegriffen werden. Inerster Linie<br />

hat der Arbeitgeber mangels einer hinreichend klaren Vereinbarung einen<br />

Anteil am Geschäftsergebnis zu entrichten, der betriebs- <strong>und</strong>/oder branchenüblich<br />

ist. Zugunsten des Arbeitnehmers rechtfertigt sich diesbezüglich auch die<br />

Forderung, dass –sollten sich eine Betriebs- <strong>und</strong> eine Branchenübung nicht decken<br />

– die jeweils für den Arbeitnehmer günstigere Berechnungsmethode<br />

massgeblich ist. Anders zuentscheiden wäre indessen, wenn dem Arbeitgeber<br />

der Beweis gelingen würde, der Arbeitnehmer habe von der für ihn ungünstigeren<br />

Übung Kenntnis gehabt oder hätte davon wenigstens Kenntnis haben müssen,<br />

während ihm die günstigere Übung gänzlich unbekannt gewesen ist. Lässt<br />

sich indessen auch keine Betriebs- oder Branchenübung feststellen, hätte der<br />

Richter nach Recht<strong>und</strong> Billigkeit zu entscheiden. 890<br />

2. AnteilamGeschäftsergebnisals einzige <strong>Lohn</strong>komponente?<br />

505 Dass eine Vereinbarung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis die einzige<br />

<strong>Lohn</strong>abrede zwischen Parteien darstellt, ist nicht die Regel. 891 So ging auch<br />

schon die Botschaft 1967 davon aus, der Anteil am Geschäftsergebnis werde<br />

neben bzw. zusätzlich zum gewöhnlichen (Basis- oder Fix-)<strong>Lohn</strong> vertraglich<br />

vereinbart. 892 Trotz dieser Stellungnahme in der Botschaft 1967 enthält das Gesetz<br />

keine Präzisierung, welche besagen würde, dass ein Anteil am Geschäftser-<br />

890<br />

891<br />

892<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322 N7mit Hinweis auf den Entscheid des Tribunale<br />

d’appello del cantone Ticino vom 1.Dezember 2000, JAR 2001, S. 188 ff. (E. 3,<br />

189 f.), für die Entschädigung von Pikettdienst; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N1;Streiff/von Kaenel, Art. 322 N7.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N1.<br />

BBl 1967 II, S. 315.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

gebnis nur zusätzlich zueinem (ausreichenden oder angemessenen) Basis- oder<br />

Fixlohn ausgerichtet werden kann <strong>und</strong>darf.<br />

506 Wird auf den Gr<strong>und</strong>satz der Vertragsfreiheit für die <strong>Lohn</strong>vereinbarung abgestellt,<br />

ist daher zuschliessen, dass eine vollständig erfolgsabhängige Entlöhnung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich gültig vereinbart werden kann. Insofern scheint esdas Gesetz<br />

zu billigen, dem Arbeitnehmer eine erhebliche Unsicherheit aufzubürden.<br />

Bei einer vollständig erfolgsabhängigen <strong>Lohn</strong>regelung <strong>im</strong>Arbeitsvertrag weiss<br />

der Arbeitnehmer <strong>im</strong>Voraus nicht oder nicht mit Sicherheit, ob er überhaupt,<br />

<strong>und</strong>, falls ja, wie viel er innert einer best<strong>im</strong>mten Zeitperiode wenigstens verdienen<br />

wird. Bei einer überwiegend erfolgsabhängigen <strong>Lohn</strong>vereinbarung, die begrifflich<br />

einen unbedingt geschuldeten Fixlohn voraussetzt, ist die Position des<br />

Arbeitnehmers <strong>im</strong> Prinzip besser. Wie viel besser die Lage des Arbeitnehmers<br />

aber tatsächlich ist, hängt vom fest vereinbarten Fixlohn ab. Ist der Fixlohn sehr<br />

tief, kann der Unterschied zwischen einer vollständig <strong>und</strong> einer bloss überwiegend<br />

erfolgsabhängigen <strong>Lohn</strong>vereinbarung marginal sein.<br />

507 Diese gesetzliche Konzeption für den Anteil am Geschäftsergebnis bzw. für<br />

jede erfolgsabhängige Vergütungskomponente <strong>im</strong> Einzelarbeitsvertrag gerät mit<br />

zwei anderen Gr<strong>und</strong>prinzipien des Arbeitsrechts inKonflikt. Bei diesen Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />

handelt es sich zum einen um die zwingende Entgeltlichkeit des Arbeitsvertrags,<br />

die ihre Gr<strong>und</strong>lage inArt. 319 Abs.1OR findet; zum anderen um<br />

das Prinzip, dass das Betriebs- <strong>und</strong> Wirtschaftsrisiko bzw. das Geschäfts- oder<br />

Unternehmerrisiko gr<strong>und</strong>sätzlich vom Arbeitgeber zu tragen ist. Die gesetzliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage dafür findet sich in Art. 324 OR. ImRahmen der Untersuchung des<br />

arbeitsrechtlichen <strong>Lohn</strong>begriffs wurde gestützt auf diese Prinzipien der Schluss<br />

gezogen, dass <strong>im</strong> Arbeitsvertrag der Arbeitgeber ex ante mindestens eine, unbedingte<br />

<strong>und</strong> geldwerte <strong>Lohn</strong>zahlung leisten muss. 893 Bei einer vollständig erfolgsabhängigen<br />

<strong>Lohn</strong>vereinbarung besteht die Möglichkeit, dass dies nicht der<br />

Fall ist. Die Vereinbarung, dass der <strong>Lohn</strong> ausschliesslich ineinem Anteil am<br />

Geschäftsergebnis besteht, wäre demnach als unzulässig zu beurteilen, selbst<br />

wenn sich in den meisten Fällen eine <strong>Lohn</strong>zahlung ergeben dürfte. Schon die<br />

Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer bei einer vollständigen Erfolgsabhängigkeit<br />

sich ohne <strong>Lohn</strong> widerfinden könnte, ist <strong>und</strong> bleibtgr<strong>und</strong>satzwidrig.<br />

508 Nach neuerer Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung wird esunter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen<br />

hingegen als zulässig erachtet, dass der <strong>Lohn</strong> vollständig oder überwiegend<br />

aus einem Anteil am Geschäftsergebnis besteht. Einschränkend wird indessen<br />

vorausgesetzt, dass eine schriftliche Vereinbarung vorliegen muss. Die<br />

schriftliche Vereinbarung verfolgt den Zweck, den Arbeitnehmer auf das Risiko<br />

hinzuweisen, welches mit einer vollständig oder überwiegend erfolgsabhängigen<br />

Vergütungsvereinbarung einhergeht. Ebenso wird verlangt, dass dem Ar-<br />

893<br />

Vgl. oben Rz. 259 ff.<br />

229


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

230<br />

beitnehmer für seine Tätigkeit letztlich ein angemessenes Entgelt für seine Tätigkeit<br />

verbleibt. Die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für diese Voraussetzungen wird in<br />

Art. 349a OR 894 für den Handelsreisenden gesehen, welcher analog auch auf einen<br />

Einzelarbeitsvertrag Anwendung finden soll. 895 Im Ergebnis läuft diese, nun<br />

wohl herrschende Ansicht darauf hinaus, dass wenigstens ex ante die Vertragsfreiheit<br />

<strong>im</strong> Einzelarbeitsvertrag vollumfänglich aufrechterhalten wird. Ein Eingriff<br />

in die Vertragsfreiheit kann allerdings <strong>im</strong> Nachhinein erfolgen, falls der<br />

Arbeitnehmerfür seine Tätigkeit kein angemessenesEntgelt erhält.<br />

509 Gemäss Art. 349a Abs. 3ORist es möglich, während einer Probezeit von max<strong>im</strong>al<br />

zwei Monaten Dauer den <strong>Lohn</strong> des Handelsreisenden mittels schriftlicher<br />

Vereinbarung frei festzulegen. Während dieser Probezeit, als Phase des Kennenlernens<br />

<strong>und</strong> der Einarbeitung, kann der <strong>Lohn</strong> des Handelsreisenden somit<br />

auch vollständig erfolgsabhängig ausgestaltet sein. Die den Handelsreisenden<br />

schützende Regel nach Art. 349a Abs. 2ORgilt für diese beschränkte Zeit so-<br />

894<br />

895<br />

Art. 349a OR lautet wie folgt:<br />

«2. <strong>Lohn</strong>. a. <strong>im</strong> allgemeinen<br />

1<br />

Der Arbeitgeber hat dem Handelsreisenden <strong>Lohn</strong> zu entrichten, der aus einem festen<br />

Gehalt mit oder ohne Provision besteht.<br />

2<br />

Eine schriftliche Abrede, dass der <strong>Lohn</strong> ausschliesslich oder vorwiegend ineiner<br />

Provision bestehen soll, ist gültig, wenn die Provision ein angemessenes Entgelt für<br />

die Tätigkeit des Handelsreisenden ergibt.<br />

3<br />

Für eine Probezeit von höchstens zwei Monaten kann durch schriftliche Abrede der<br />

<strong>Lohn</strong> frei best<strong>im</strong>mt werden.».<br />

BGE 129 III 664 (E. 6.1, 670) für den Handelsreisenden; Entscheid des Obergerichts<br />

des Kantons Zürich vom13. Januar 2010, ZR 110 (2011), Nr. 10, S. 15 ff. (E. 4,<br />

15 ff.); Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6.Juni 2005, AGVE<br />

2005, S. 29 ff. (E. 2b, 29 f.); Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes du<br />

canton de Genève vom 25. Mai 2005, JAR 2006, S. 441 ff. (E. 2.3.2, 443 f.); BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N5sowie Art. 322b N2;BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 322a N5 sowie Art. 322b N1;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322a N1<br />

sowie Art. 322b N3;Carruzzo, Art. 322a N1sowie Art. 322b N1; CHK-Emmel, Art.<br />

322b N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.25 sowie Rz. 3.40; KUKO OR-Pietruszak,<br />

Art. 322a N4sowie Art. 322b N5;Portmann/Stöckli, N271 <strong>und</strong> N280; Reinert, Aspekte,<br />

S. 136; Senti, Abgrenzung, S. 675; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N2 sowie<br />

Art. 322b N5;Vischer, S. 102 <strong>und</strong> S. 108; Wyler, S. 161; ZH-Komm.-Staehelin, Art.<br />

322a N1sowie Art. 322b N1; kritisch: Cramer, N230 ff.; Schmid, S.300 ff.<br />

Im Prinzip wohl anders: Entscheid der Chambre d'appel des prud'hommes de Genève<br />

vom 12. Oktober 1984, JAR 1985, S. 91 ff. (91 f.), wobei in diesem Fall der Arbeitnehmer<br />

eine Akontozahlung auf Kommissionen von monatlich CHF 4000.- beziehen<br />

konnte; Brand/Dürr et al., Art. 322a N8;Brühwiler, Art. 322a Ziff. II.<br />

Vgl. ferner BBl 1967 II, S.409, wo <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Handelsreisenden<br />

ausgeführt wird, dass der Richter <strong>im</strong>Streitfall spezielle Regeln für den Handelsreisenden<br />

auch auf andere Arbeitnehmer analog anwenden könne, obschon deren Arbeitsverhältnis<br />

nicht als Handelsreisendenvertrag zu qualifizieren sei.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

mit gr<strong>und</strong>sätzlich nicht. 896 Falls das Arbeitsverhältnis des Handelsreisenden<br />

aber länger als zwei Monate dauert <strong>und</strong> sich ex post zeigen sollte, dass die ausschliesslich<br />

oder überwiegend erfolgsabhängige Entlöhnung zu einem unangemessenen<br />

Verdienst führt, kann der Handelsreisende vom Arbeitgeber einen<br />

angemessenen <strong>Lohn</strong> verlangen. Falls das Arbeitsverhältnis eine max<strong>im</strong>al mögliche<br />

Probezeit von drei Monaten überdauert, 897 muss auch die zwe<strong>im</strong>onatige<br />

Probezeit nach Art. 349a Abs.3 OR ex post von der Regel nach Art. 349a<br />

Abs.2OR erfasst sein. Denn es wäre nicht einzusehen, weshalb die Ausnahme<br />

gemäss Art. 393 Abs. 3ORextensiv ausgelegt werden sollte. 898 Die zeitlich<br />

zwingend auf zwei Monate beschränkte Probezeit kann kein Refugium für den<br />

Arbeitgeber darstellen, in welchem der Arbeitnehmer jeden noch sotiefen <strong>und</strong><br />

unangemessenen <strong>Lohn</strong> zuakzeptieren braucht, sofern das Arbeitsverhältnis gestützt<br />

auf den Willen beider Parteien die vertraglich vereinbarte Probezeit von<br />

max<strong>im</strong>aldreiMonaten überdauert.<br />

510 Für den Anspruch auf einen angemessenen <strong>Lohn</strong> gemäss Art. 349a Abs.2OR<br />

wird in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung allerdings vorausgesetzt, dass der wirtschaftliche<br />

Misserfolg nicht auf eine mangelhafte Arbeitsleistung des Handelsreisenden<br />

zurückgeführt werden kann. Im Gesetz wird dies durch die Wendung «für<br />

die Tätigkeit des Handelsreisenden» 899 ausgedrückt. 900 Die Lehre <strong>und</strong> Recht-<br />

896<br />

897<br />

898<br />

899<br />

Zweck der Regel in Art. 349a Abs. 3ORfür die Probezeit ist ein doppelter. Einerseits<br />

soll der Arbeitgeber innert relativ kurzer Zeit inErfahrung bringen können, ob der<br />

Handelsreisende für seine Tätigkeit geeignet ist. Andererseits soll vermieden werden,<br />

dass der Richter sich mit komplizierten <strong>Lohn</strong>vereinbarungen soll beschäftigen müssen,<br />

wenn die einfache Vertragsbeendigung während der Probezeit die vernünftigere Vorgehensweise<br />

bzw. Sanktion darstellt; vgl. Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern<br />

vom 8. Juni 1998, JAR 1999, S. 346 ff. (E. 5, 347 f.); Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 349a N6; Tobler/Favre/Munoz/Gullo Ehm, Art. 349a N3.1; ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 349a N6.<br />

Die Parteien dürfen auch be<strong>im</strong> Handelsreisendenvertrag eine Probezeit von max<strong>im</strong>al<br />

drei Monaten vereinbaren (vgl. Art. 355 i.V.m. Art. 335b Abs. 2OR). Für den dritten<br />

Monat der Probezeit gilt Art. 349a Abs. 3OR indessen nicht; vgl. BSK OR I-<br />

Portmann, Art. 349a N4;B.Meyer, S. 29 f.; Streiff/von Kaenel, Art. 349a N6;ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 349a N6.<br />

Anders wohl: Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 8.Juni 1998,<br />

JAR 1999, S. 346 ff. (E. 5,347 ), wo u.a. Folgendes ausgeführt wird: «Wenn die Parteien<br />

bei Vertragsschluss durch schriftliche Abrede also eine längere als eine zwe<strong>im</strong>onatige<br />

Probezeit vereinbaren, berührt dies mit anderen Worten die in OR 349a III<br />

vorgesehene Beschränkung der freien Best<strong>im</strong>mbarkeit des <strong>Lohn</strong>es für die Dauer von<br />

zwei Monaten weder positiv noch negativ.»; vgl. auch KUKO OR-Pietruszak,<br />

Art. 349a N5;B.Meyer, S.28ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 349a N6;ZH-Komm.-<br />

Staehelin, Art. 349a N6.<br />

In den romanischen Fassungen des OR wird von «services du voyageur de commerce»<br />

bzw. von «servizi del commesso viaggiatore» gesprochen.<br />

231


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

232<br />

sprechung interpretieren dies dahingehend, dass es nicht auf den effektiv erzielten<br />

Verdienst ankommt, sondern auf den Verdienst, welcher bei üblicher Arbeitsleistung<br />

hätte erzielt werden können. 901<br />

511 Mitentscheidend ist ferner, dass die (Gesamt-)Entschädigung auf ganzer oder<br />

überwiegender Provisionsbasis nicht tiefer zu liegen kommen soll, als bei einem<br />

Fixlohn. 902 Es soll damit verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Handelsreisenden<br />

ausbeutet, indem die in Aussicht gestellten Provisionen sich <strong>im</strong><br />

Nachhinein als ungenügend erweisen. 903 Der angemessene <strong>Lohn</strong>, der bei unzureichenden<br />

Provisionen zu zahlen ist, entspricht dabei nicht dem betreibungsrechtlichen<br />

Existenzmin<strong>im</strong>um. 904 Was indessen als angemessen zu beurteilen<br />

ist, bleibt eine Einzelfallentscheidung. Nach Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung sind die<br />

örtlichen Branchenusanzen, aber auch der persönliche Arbeitseinsatz, die Ausbildung,<br />

das Alter, die Dienstjahre sowie die sozialen Verpflichtungen des Arbeitnehmers<br />

zu berücksichtigen. 905<br />

512 Wem die Beweislast für die (Un-)Angemessenheit des <strong>Lohn</strong>s obliegt, wird in<br />

der Lehre unterschiedlich beantwortet. 906 Die Rechtsprechung spricht die Frage<br />

der Beweislastverteilung in den einschlägigen Entscheiden nicht spezifisch an.<br />

Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Begriff des «angemessenen<br />

Entgelts» einen von Gericht <strong>im</strong> konkreten Einzelfall auszufüllenden, unbe-<br />

900<br />

901<br />

902<br />

903<br />

904<br />

905<br />

906<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 4. Mai 2005, 4C.17/2005, E. 3; Entscheid des<br />

Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. April 1986, JAR 1987, S. 301 ff. (E. II.2,<br />

301 f.).<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 2. November 2005, 4C.265/2005, E. 3.2; Entscheid<br />

des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6.Juni 2005, AGVE 2005, S. 29 ff. (E. 2c,<br />

30); B.Meyer, S.73f.; Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.25; Reinert, S. 4; Senti, Abgren-<br />

zung, S. 672; Streiff/von Kaenel, Art. 349a N4.<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. April 1986, JAR 1987,<br />

S. 301 ff. (E. II.2, 301 f.); bestätigt durch Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

12. November 1986, JAR 1987, S. 307 f.<br />

BGE 129 III 664 (E. 6.1, 670); BGE 83 II 78.<br />

Entscheid des Tribunale d’appello del cantone Ticino vom 25. April 1994, JAR 1995,<br />

S. 233 f. (E. 3.2, 234); Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. April<br />

1986, JAR 1987, S. 301 ff. (E. II.5, 304 f.); BE-Komm.-Rehbinder, Art. 349a N6;<br />

B. Meyer, S. 75 m.w.H.; Streiff/von Kaenel, Art. 349a N4; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 349a N4.<br />

BGE 129 III 664 (E. 6.1, 670); vgl. ferner Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 347 à<br />

350 N3;Streiff/von Kaenel, Art. 349a N4; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 349a N4;kritisch<br />

bezüglich der Kriterien des Alters <strong>und</strong> der sozialen Verpflichtungen: Reinert,<br />

S. 4; vgl. ferner den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 4. Mai 2005, 4C.17/2005,<br />

E. 2.2, worin das B<strong>und</strong>esgericht für die Angemessenheit des <strong>Lohn</strong>s auf eine Einigung<br />

der Parteien vor erster Instanz abstellte.<br />

Für die Beweislast be<strong>im</strong> Arbeitgeber: B. Meyer, S. 74, Fn. 32; für die Beweislast be<strong>im</strong><br />

Arbeitnehmer: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 349a N7m.w.H.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

st<strong>im</strong>mten Rechtsbegriff darstellt <strong>und</strong> die Beurteilung, ob ein angemessenes Entgelt<br />

entrichtet wird,insofern als eine Rechtsfragebetrachtet wird.<br />

513 Bezüglich der Frage, wie die <strong>Lohn</strong>abrede be<strong>im</strong> Handelsreisenden zumodifizieren<br />

ist, wenn ein angemessener <strong>Lohn</strong> verlangt werden kann, sind die Meinungen<br />

ebenfalls geteilt. Nach der einen Auffassung kann dies durch die Erhöhung<br />

des (prozentualen) Provisionssatzes <strong>und</strong>/oder einer zusätzlichen oder erhöhten<br />

Fixzahlung <strong>im</strong> Sinne einer modifizierten Teilnichtigkeit geschehen. 907 Nach einer<br />

anderen Auffassung soll die mangelhafte <strong>Lohn</strong>abrede dahinfallen <strong>und</strong> der<br />

übliche <strong>Lohn</strong>, bestehend aus einem Fixum mit oder ohne Provision, an die Stelle<br />

der vorangehenden <strong>Lohn</strong>vereinbarung treten. 908 Aus präventiven Überlegungenverdient<br />

diezweite Auffassung den Vorzug.<br />

514 Diese, den Arbeitnehmer durch eine analoge Anwendung von Art. 349a OR<br />

schützende Auffassung bei einem Anteil am Geschäftsergebnis ist zu begrüssen<br />

<strong>und</strong> verdient <strong>im</strong> Ergebnis Zust<strong>im</strong>mung. Nichtsdestotrotz bleibt das damit erzielte<br />

Resultat letztlich problematisch. Wird eine vollständig oder überwiegend erfolgsabhängige<br />

Vergütung <strong>im</strong> Sinne eines Anteils am Geschäftsergebnis ohne<br />

vertraglich festgelegten, angemessenen Fixlohn vereinbart, kann der Arbeitgeber<br />

eben dennoch das Unternehmensrisiko ganz oder teilweise in gr<strong>und</strong>satzwidriger<br />

Weise auf den Arbeitnehmer abwälzen. Die analoge Anwendung von<br />

Art. 349a Abs.2OR auf den Einzelarbeitsvertrag vermag zwar Abhilfe zu<br />

schaffen, denn diese Best<strong>im</strong>mung ist konkreter als der Gr<strong>und</strong>satz, dass das Unternehmensrisiko<br />

des Arbeitgebers nicht vollständig auf den Arbeitnehmer<br />

überwälzt werden darf. Diese Abhilfe krankt aber daran, dass die Gr<strong>und</strong>satzwidrigkeit<br />

der vollständigen oder überwiegenden Abwälzung des Geschäftsrisikos<br />

auf den Arbeitnehmer (<strong>und</strong> den Handelsreisenden) nur ex post eingeschränkt<br />

wird. Ebenso wenig vermag die analoge Anwendung von Art. 349a<br />

Abs.2OR zu verhindern, dass der Arbeitnehmer bei einer vollständig oder<br />

überwiegend erfolgsabhängigen <strong>Lohn</strong>vereinbarung <strong>im</strong> Prozess meist in die<br />

(schwierigere) Rolle des Klägers gedrängt wird, wenn der <strong>Lohn</strong>, der gestützt<br />

auf die ex ante vollständig oder überwiegend erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarung<br />

zu zahlen ist, sich als unangemessen tief erweisen sollte. Für den Arbeitnehmer,<br />

als regelmässig schwächere Vertragspartei, ergibt sich somit eine<br />

doppelte Belastung. Er muss den ihm zustehenden, angemessenen <strong>Lohn</strong> gerichtlich<br />

geltend machen, was nicht nur seine Stelle gefährden dürfte, sondern sich<br />

unter Umständen auch für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers als<br />

nachteilig erweisen könnte, wenn der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ge-<br />

907<br />

908<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6.Juni 2005, AGVE 2005,<br />

S. 29 ff. (E. 2c, 30); Schweingruber, Art. 349a N7;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 349a<br />

N5.<br />

BE-Komm.-Rehbinder,Art. 349a N6;B.Meyer,S.75.<br />

233


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

234<br />

richtlich vorgeht. Trotz der Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege 909 <strong>und</strong><br />

dem Fehlen von Gerichtskosten bis zu einem Streitwert von Fr. 30 000.- 910<br />

bleibt diese Doppelbelastung angesichts der angeführten Gr<strong>und</strong>satzwidrigkeit<br />

unbefriedigend. Zumindest de lege ferenda wäre daher zuverlangen, dass der<br />

Gr<strong>und</strong>satz, das Unternehmensrisiko dürfe mittels einer vollständig (ober überwiegend)<br />

erfolgsabhängigen Vergütungsvereinbarung nicht voll auf den Arbeitnehmer<br />

überwälzt werden, schon bei Vertragsschluss berücksichtigt werden<br />

muss. Dem Arbeitnehmer sollte bei Vertragsschluss ein Anspruch auf einen garantierten<br />

angemessenen Fixlohnzugestanden werden.<br />

3. Verlustbeteiligung <strong>im</strong>Rahmenvon Art. 322a OR?<br />

515 Eine inder Literatur aufgeworfene Frage liegt darin, obes<strong>im</strong>Rahmen einer<br />

Beteiligung amGeschäftsergebnis zulässig ist, auch eine Verlustbeteiligung zu<br />

vereinbaren. 911 Zur Beurteilung der (vollen oder beschränkten) Zulässigkeit einer<br />

Verlustbeteiligung ist vorab zu klären, was mit einer «Verlustbeteiligung»<br />

gemeint ist. Ferner ist zu berücksichtigen, wie sich eine Verlustbeteiligung –<br />

sollte eine solche überhaupt zulässig sein –<strong>im</strong>Rahmen des gesamten Arbeitsverhältnisses<br />

auf den <strong>Lohn</strong> bzw. die Gesamtvergütung eines Arbeitnehmers innert<br />

einer Bemessungsperiode auswirken könnte.<br />

516 Um den Begriff der Verlustbeteiligung <strong>im</strong> Anwendungsbereich von<br />

Art. 322a OR sachlich einzugrenzen, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verlustbeteiligung<br />

wohl nur bei Vorliegen einer Vereinbarung sinnvoll ist, die auf einen<br />

Anteil am Gewinn <strong>im</strong> Sinne von Art. 322a Abs.1OR abzielt. Es geht bei<br />

einer Verlustbeteiligung umdas Gegenstück zur Gewinnbeteiligung. Bei einem<br />

Anteil am Umsatz oder einer sonstigen Beteiligung amGeschäftsergebnis, die<br />

keine direkt oder indirekt gewinnabhängige Komponente enthält, ist der Gewinn<br />

des Unternehmens oder eines Betriebsteils prinzipiell unerheblich. Eine<br />

Verlustbeteiligung ist in den letzteren Fällen schon begrifflich nichtmöglich.<br />

517 Einige Autoren dürften den Begriff der Verlustbeteiligung ineinem weiten Sinne<br />

verstehen. Bei einem weiten Verständnis des Begriffs der Verlustbeteiligung<br />

könnte dies dazu führen, dass ein Arbeitnehmer bei schlechtem Geschäftsgang<br />

des Arbeitgebers zwar seine Arbeitsleistung zur Zufriedenheit seines Arbeitgebers<br />

erfüllt hat. Die Verlustbeteiligung könnte indessen <strong>im</strong> Ergebnis zur Folge<br />

909<br />

910<br />

911<br />

Vgl. Art. 117 ff. ZPO.<br />

Vgl. Art. 113 Abs. 2lit. dZPO (Art. 343 aOR wurde mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben;<br />

vgl.BBl 2009 Nr. 1, S. 123 (Anhang 1, Ziff. II.5).<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N5;Brand/Dürr et al., Art. 322a N8;Cramer,<br />

N214 ff.; Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.40; Senti, Abgrenzung, S. 675; Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 322a N8;ZH-Komm.-Staehelin, Art.322a N9.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

haben, dass der Arbeitnehmer gar keinen <strong>Lohn</strong> mehr erhält. 912 Wurden schon<br />

(Akonto-)Zahlungen des Arbeitgebers für den Anteil am Geschäftsergebnis geleistet,<br />

könnte sich der Arbeitnehmer zudem verpflichtet sehen, die schon erhaltenen<br />

Leistungen erstatten zu müssen. Ineiner noch extremeren Lage würde<br />

sich ein Arbeitnehmer befinden, wenn er nicht nur schon erfolgte (Akonto-)<br />

Zahlungen wegen eines Verlusts des Arbeitgebers zurückzahlen müsste, sondern<br />

aufgr<strong>und</strong> der Verlustbeteiligung sogar verpflichtet wäre, eine zusätzliche,<br />

d.h. über die Erstattung von allenfalls bereits erhaltenen Leistungen hinausgehende,<br />

Zahlung zum Ausgleich des Verlustsdes Arbeitgebers zu erbringen.<br />

518 Beide vorstehend skizzierten Formen der Verlustbeteiligungen sind <strong>im</strong> Arbeitsvertragsrecht<br />

nicht zulässig. Gegen eine Verlustbeteiligung, die den Arbeitnehmer<strong>im</strong>Extremfallsogarzueiner<br />

(Netto-)Zahlung anden Arbeitgeberverpflichten<br />

würde, lässt sich mit der zwingenden Entgeltlichkeit des Arbeitsvertrags<br />

nicht vereinbaren. Zwingende Entgeltlichkeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer<br />

für seine Arbeitsleistung trotz ausschliesslicher oder überwiegend partiarischer<br />

<strong>Lohn</strong>abrede einen (min<strong>im</strong>alen bzw. angemessenen) <strong>Lohn</strong> erhalten muss, der<br />

ihm –abgesehen von einem Haftungstatbestand gemäss Art. 321e OR, der eine<br />

Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers auslöst– auch verbleibt. 913 Eine Verlustbeteiligung<br />

<strong>im</strong>Sinne einer Haftung für den Geschäftserfolg wäre nur <strong>im</strong><br />

Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses möglich, 914 weil das Betriebs- <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsrisiko mittels einer partiarischen <strong>Lohn</strong>abrede zwar teilweise, aber<br />

nichtvollständig überwälzt werden darf. 915<br />

519 Eine Verlustbeteiligung anderer Ausprägung würde dann vorliegen, wenn der<br />

Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zwar einen «Basislohn» ausbezahlt, bei Realisierung<br />

eines negativen Geschäftserfolgs indessen eine (Rück-)Forderung gegenüber<br />

dem Arbeitnehmer geltend machen könnte. Je nachdem, wie eine solche<br />

Vereinbarung ausgestaltet ist, sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden.<br />

Eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitgeber <strong>und</strong> einem Arbeitnehmer<br />

könnte etwa vorsehen, dass ein monatlicher Basislohn bezahlt wird, der<br />

jedoch ex post bei Eintreffen eines negativen Geschäftserfolgs zu einer teilweisen<br />

Rückerstattung des schon ausgerichteten Basislohns vom Arbeitnehmer<br />

912<br />

913<br />

914<br />

915<br />

Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.40; Senti, Abgrenzung, S. 675.<br />

Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden vom 20. Juni 2005, JAR 2006,<br />

S. 475 ff. (E. 5,482); vgl. auch Cramer, N218; Streiff/von Kaenel, Art. 322a N8.<br />

Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.40; Senti, Abgrenzung, S. 675; indessen ist es auch bei<br />

einer einfachen Gesellschaft möglich, dass derjenige Gesellschafter, der zur Erreichung<br />

des Gesellschaftszwecks nur seine Arbeitskraft beisteuert, keinen Beitrag zur<br />

Tragung eines Verlusts der Gesellschaft leisten muss (Art. 533 Abs. 3OR); vgl. dazu<br />

statt mehrerer: BSK OR II-Handschin, Art. 533 N7f.<br />

Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden vom 20. Juni 2005, JAR 2006,<br />

S. 475 ff. (E. 5,482); Streiff/von Kaenel, Art. 322a N8;vgl. auch Art. 348a Abs. 1<br />

OR.<br />

235


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

236<br />

zum Arbeitgeber führen soll. In einer solchen Konstellation wäre zum einen zu<br />

prüfen, obdie Parteien eigentlich einen unter dem Basislohn liegenden, tieferen<br />

Fixlohn in Verbindung mit Akontozahlungen <strong>im</strong>Hinblick auf einen Geschäftserfolg<br />

vereinbaren wollten <strong>und</strong> versehentlich den tieferen monatlichen Fixlohn<br />

plus die monatliche Akontozahlung <strong>im</strong>Vertrag als Basislohn bezeichnet haben.<br />

Sofern keine Willensmängel vorliegen, wäre gestützt auf das in Art. 18 OR verankerte<br />

Willensprinzip eine solche Vereinbarung gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig. Eine<br />

andere Interpretationsmöglichkeit läge darin, dass die Parteien eine bedingte,<br />

einseitige <strong>Lohn</strong>kürzungsvereinbarung zugunsten des Arbeitgebers inden Arbeitsvertrag<br />

aufgenommen haben. 916 Die Bedingung läge ineinem negativen<br />

Geschäftserfolg, bei dessen Eintritt dem Arbeitgeber eine Forderung auf Rückleistung<br />

eines Teils des bereits ausgerichteten Basislohns zugestanden wird. Eine<br />

solche Interpretation würde <strong>im</strong> Ergebnis auf das gleiche Resultat hinauslaufen,<br />

wie die Annahme eines tieferen Fixlohns in Verbindung mit einer Akontozahlung.<br />

Bei beiden Auslegungsvarianten wäre allerdings einschränkend zuverlangen,<br />

dass der unter dem Basislohn liegende Fixlohn, der dem Arbeitnehmer<br />

letztlich verbleibt, <strong>im</strong> Sinne von Art. 349a Abs.2OR als angemessen bezeichnetwerden<br />

kann.<br />

520 Eine Verlustbeteiligung erweist sich damit nur insofern als zulässig, als dem<br />

Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des ihm verbleibenden <strong>Lohn</strong>s ein angemessenes<br />

Entgelt fürseineArbeitsleistung verbleibt.<br />

XVI. DieProvision (Art. 322b <strong>und</strong> Art. 322c OR)<br />

521 InArt. 322b OR 917 sieht das Gesetz vor, dass der <strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers in<br />

einer Provision 918 («provision»; «provvigione») bestehen kann. Als Basis für<br />

die <strong>Lohn</strong>berechnung nennt das Gesetz best<strong>im</strong>mte Geschäfte, welche ineiner<br />

vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien näher zu best<strong>im</strong>men sind. In<br />

916<br />

917<br />

918<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N19ff.<br />

Art. 322b OR lautet wie folgt:<br />

«3. Provision. a.Entstehung<br />

1<br />

Ist eine Provision des Arbeitnehmers auf best<strong>im</strong>mten Geschäften verabredet, so entsteht<br />

der Anspruch darauf, wenn das Geschäft mit dem Dritten rechtsgültig abgeschlossenist.<br />

2<br />

Bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung sowie bei Versicherungsverträgen kann<br />

schriftlich verabredet werden, dass der Provisionsanspruch auf jeder Rate mit ihrer<br />

Fälligkeit oder ihrer Leistung entsteht.<br />

3<br />

Der Anspruch auf eine Provision fällt nachträglich dahin, wenn das Geschäft vom<br />

Arbeitgeber ohne sein Verschulden nicht ausgeführt wird oder wenn der Dritte seine<br />

Verbindlichkeiten nicht erfüllt; bei nur teilweiser Erfüllung tritt eine verhältnismässige<br />

Herabsetzung der Provisionein.».<br />

Anstatt von Provision wird teilweise auch von einer «Kommission» gesprochen; vgl.<br />

Art. 425 Abs. 1ORsowie Carruzzo, Art. 322a N1.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung wird die Provision regelmässig als ein, meist in Prozenten<br />

ausgedrückte Beteiligung des Arbeitnehmers am Wert der von ihm vermittelten<br />

oderabgeschlossenen Geschäfte definiert. 919<br />

522 Der Zweck der Provision wird darin gesehen, den Arbeitnehmer dazu zu motivieren,<br />

Geschäftsmöglichkeiten <strong>und</strong> Geschäftsabschlüsse zu erarbeiten, indem<br />

der Arbeitnehmer amErfolg der aufgr<strong>und</strong> seiner Arbeitsleistung herbeigeführten<br />

Geschäfte beteiligt wird. 920 Häufig dürften nur solche Geschäfte von einer<br />

Provisionsvereinbarung erfasst sein, welche den Absatz der Produkte oder<br />

Dienstleistungen des Arbeitgebers betreffen. Der Wortlaut von Art. 322b OR<br />

lässt es hingegen ohne Weiteres zu, dass eine Provision auch auf Geschäften<br />

ausgerichtetwird,welchez.B.die Einkaufsseite desArbeitgebers betreffen. 921<br />

523 Gleich wie der Anteil am Geschäftsergebnis ist eine Provision aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

systematischen Stellung <strong>im</strong>OReine <strong>Lohn</strong>zahlung <strong>im</strong>Sinne des Gesetzes. 922 Die<br />

Folge der Qualifikation als <strong>Lohn</strong> ist wiederum, dass gr<strong>und</strong>sätzlich sämtliche<br />

Regelungen zum <strong>Lohn</strong>schutz zur Anwendung gelangen, soweit die Parteien<br />

keine gültige, abweichende Vereinbarung getroffen haben. Infolgedessen ist der<br />

<strong>Lohn</strong> aus Provisionen auch <strong>im</strong> Rahmen derjenigen Best<strong>im</strong>mungen zubeachten,<br />

welche für das Ausmass von Rechten <strong>und</strong> Pflichten der einen oder anderen Partei<br />

in allgemeiner Weiseauf den<strong>Lohn</strong> abstellen. 923<br />

524 Zum Begriff der Provision wird in der Botschaft 1967 ausgeführt, dass es sich<br />

dabei, ähnlich dem Anteil am Geschäftsergebnis, um eine Art von Erfolgsvergütung<br />

handelt. Der Unterschied zum Anteil am Geschäftsergebnis wird darin<br />

erblickt, dass die Provision von der erfolgsgerichteten, individuellen Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers bei Einzelgeschäften abhängt. Der Anteil am Geschäftsergebnis<br />

ist demgegenüber <strong>im</strong>Prinzip eine Vergütung, die auf eine kollektive<br />

Leistung des Unternehmens oder eines Unternehmensteils abstellt, 924 die<br />

vom Arbeitnehmer zwar sollte beeinflusst werden können, selbst wenn dieser<br />

919<br />

920<br />

921<br />

922<br />

923<br />

924<br />

BGE 128 III 174 (E.2b, 176); BGE 90 II 483 (E. 2, 486 ff.); BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N1; Brand/Dürr et al., Art. 322a N1; Brühwiler,<br />

Art. 322a N1;Carruzzo, Art. 322b N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23; Senti, Abgrenzung,<br />

S. 671; Vischer, S. 101.<br />

BGE 128 III 174 (E. 2b, 176).<br />

Die Provision eines Arbeitnehmers, der für den Arbeitgeber <strong>im</strong> Einkauf beschäftigt ist,<br />

könnte z.B. ineiner Beteiligung am Rabatt gegenüber dem Listenpreis bestehen, den<br />

der Arbeitnehmer zugunsten des Arbeitgebers mit dem Verkäufer aushandelt.<br />

Carruzzo, Art. 322a N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.21; Senti, Abgrenzung, S. 671;<br />

Wyler, S. 162.<br />

Z.B. Art. 321c Abs. 3, Art. 323a, Art. 323b Abs. 2, Art. 324, Art. 324a <strong>und</strong><br />

Art. 329d OR.<br />

BBl 1967 II, S. 317; vgl. statt mehrerer: Brand/Dürr et al., Art. 322b N5;BSK OR I-<br />

Portmann, Art.322a N1;Carruzzo,Art. 322b N1;Streiff/von Kaenel, Art. 322a N13.<br />

237


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

238<br />

beschränkte Einfluss nur einen von mehreren relevanten Erfolgsfaktoren darstellt.<br />

Anders als der Anteil am Geschäftsergebnis erweist sich die Provision<br />

somit als Form einer <strong>Lohn</strong>kategorie, bei welcher die Leistungskomponente direkt<br />

andie Person des Arbeitnehmers geb<strong>und</strong>en ist. Die Leistungskomponente<br />

des individuellen Arbeitnehmers bei der Provision ist nach der gesetzlichen<br />

Konzeption der Provision höher als be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis, was in<br />

derRealität aber nichtzwingend der Fall sein muss.<br />

525 Aufgr<strong>und</strong> der gesetzlichen Konzeption der Best<strong>im</strong>mungen zur Provision wird in<br />

der Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung verlangt, dass die Arbeitsleistung des provisionsberechtigten<br />

Arbeitnehmers eine conditio sine qua non für das die Provision<br />

auslösende Geschäft darstellen muss. Mit anderen Worten muss die Tätigkeit<br />

des Arbeitnehmers natürlich kausal für den Abschluss des provisionsberechtigten<br />

Geschäfts sein. 925 Die zur individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers<br />

hinzutretenden Erfolgskomponenten, welche einer Provision ebenfalls inhärent<br />

sind, hängen von Faktoren ab, welche dem Einflussbereich des Arbeitnehmers<br />

aber ganz oder teilweise entzogen sein können. Gleich wie be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis<br />

können diese zusätzlichen Erfolgsfaktoren dabei unternehmensinterner<br />

926 <strong>und</strong>/oder unternehmensexterner 927 Natursein.<br />

526 Von einem reinen (oder echten) Leistungslohn, 928 einem Akkordlohn bzw. einer<br />

Unterart des Akkordlohns 929 zu sprechen, würde einer Provisionsvereinbarung<br />

in der Regel allerdings nicht gerecht werden. Dies ergibt sich nicht nur aufgr<strong>und</strong><br />

der zur Arbeitsleistung hinzutretenden Erfolgsfaktoren, sondern auch<br />

aufgr<strong>und</strong> der speziellen Regelungen zur Entstehung <strong>und</strong> zum nachträglichen<br />

Wegfall des Provisionsanspruchs in Art. 322b Abs. 2<strong>und</strong> Abs. 3OR. Diese Regelungen<br />

stellen letztlich auf einen tatsächlichen Geschäftserfolg ab, nicht aber<br />

auf das blosse Quantitativ der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Ein reiner<br />

Leistungslohn liegt bei der Provision damit nicht vor. 930 Vielmehr handelt es<br />

sich bei der Provision, ähnlich wie be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis, um Erfolgslohn,<br />

der –<strong>im</strong> Gegensatz zum Anteil am Geschäftsergebnis –in der Regel<br />

925<br />

926<br />

927<br />

928<br />

929<br />

930<br />

BGE 128 III 174 (E.2b/c, 176 ff.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N6;<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322b N2;CRCOI-Aubert, Art. 322b N1;Streiff/von<br />

Kaenel, Art. 322b N2;Wyler,S.163; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N3.<br />

Z.B. die technische <strong>und</strong>preisliche Konkurrenzfähigkeit der Produkte des Arbeitgebers.<br />

Z.B. die allgemeine Konjunkturlage sowie die Konkurrenzsituation auf dem Markt für<br />

die Güter oder Dienstleistungen des Arbeitgebers.<br />

Senti, Abgrenzung, S. 671.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N3,die bei der Provision von einer Unterart<br />

des Akkordlohns sprechen.<br />

Teilweise anders: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N1 <strong>und</strong> N6a.E., wo von einem<br />

Leistungslohn gesprochen wird, dessen Bemessung aber vom Erfolg des Arbeitnehmers<br />

abhängt; Brühwiler, Art. 322a N1, spricht ebenfalls von einem Leistungslohn.<br />

Vgl. auch Vischer, S. 96 <strong>und</strong> S.101.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

aber untrennbar <strong>und</strong> direkt mit einer individuellen Leistungskomponente des<br />

Arbeitnehmers verknüpftist.<br />

527 Wie der Arbeitsvertrag ansich kann die Vereinbarung einer Provision auch<br />

mündlich inverbindlicher Weise abgeschlossen werden. Zubeachten ist allerdings,<br />

dass damit <strong>im</strong>Streitfall regelmässig erhebliche Berechnungs- <strong>und</strong> Beweisschwierigkeiten<br />

einhergehen. Gleich wie be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis<br />

empfiehlt es sich deshalb, eine detaillierte vertragliche Regelung inschriftlicher<br />

Formzutreffen.<br />

528 Eine vertragliche Vereinbarung, welche einem Arbeitnehmer unter best<strong>im</strong>mten<br />

Voraussetzungen einen Provisionsanspruch auf einzelnen Geschäften einräumt,<br />

ist typischerweise als eine Rahmenvereinbarung zu qualifizieren. Die allgemeine<br />

Provisionsvereinbarung beziehtsich auf eine unbekannte Anzahlbest<strong>im</strong>mter,<br />

künftiger Geschäfte des Arbeitgebers, die unter kausaler Mitwirkung des Arbeitnehmers<br />

abgeschlossen werden sollen. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen,<br />

dass eine Provisionsvereinbarung zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrags<br />

sich nur auf ein einzelnes, konkretes Geschäft bezieht, das der Arbeitnehmer<br />

für den Arbeitgeber entweder vermitteln oder abschliessen soll. Eine<br />

singuläre Provisionsabrede für ein spezifisches Geschäft ist damit zweifelsohne<br />

zulässig,dürfte in derPraxis allerdings dieAusnahme bilden.<br />

A. DieKategorien derProvision<br />

1. DieVermittlungs-<strong>und</strong> Abschlussprovision<br />

529 Die verschiedenen Provisionsabreden können danach gegliedert werden, obdie<br />

Aufgabe des Arbeitnehmers in der Vermittlung oder aber dem Abschluss von<br />

provisionsberechtigenden Geschäften fürden Arbeitgeber besteht. 931<br />

530 Bei der Vermittlung von Geschäften besteht die Aufgabe bzw. eine Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers darin, für den Arbeitgeber potenzielle K<strong>und</strong>en zu suchen<br />

<strong>und</strong> zuwerben. Die rechtliche Kompetenz, mit einem K<strong>und</strong>en einen Vertrag<br />

<strong>im</strong> Namen <strong>und</strong> auf Rechnung des Arbeitgebers abzuschliessen, kommt dem<br />

Arbeitnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu. 932 Der Vertragsschluss, wenn es zu einem<br />

solchen kommt, wird durch den Arbeitgeber bzw. durch dazu bevollmächtigte<br />

Arbeitnehmer, Gesellschafter oder durch Organe des Arbeitgebers selbst vorgenommen.<br />

Wenn der vermittelnde Arbeitnehmer den Vertrag dennoch <strong>im</strong> Namen<br />

<strong>und</strong> auf Rechnung des Arbeitgebers abschliessen soll, muss er sich auf eine<br />

931<br />

932<br />

Vgl. dazu auch Art. 348 Abs. 1<strong>und</strong> Abs. 2ORfür den Handelsreisenden.<br />

Vgl. auch Art. 418a Abs. 1ORfür den Agenturvertrag sowie, statt mehrerer: BSK OR<br />

I-Wettenschwiler, Art. 418a N6,wonach eine gesetzliche Vermutung zugunsten der<br />

Vermittlungsagentur besteht (Art. 418e OR), dadiese für beide Parteien <strong>im</strong> Vergleich<br />

zur Abschlussagentur die weniger verpflichtende Form darstellt.<br />

239


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

240<br />

einmalige, <strong>besondere</strong> Ermächtigung des Arbeitgebers stützen können. ImEinzelfall<br />

<strong>und</strong> unter Vorbehalt einer anderslautenden vertraglichen Vereinbarung<br />

kann diese Ermächtigung mündlich oder schriftlich erteilt werden.<br />

531 Bei der Abschlussprovision steht dem Arbeitnehmer –in der Regel gestützt auf<br />

einen schriftlichen Arbeitsvertrag –die Kompetenz zu, <strong>im</strong> Namen <strong>und</strong> auf<br />

Rechnung des Arbeitgebers Geschäfte abzuschliessen. Der Arbeitnehmer handelt<br />

dabei als direkter Stellvertreter des Arbeitgebers. 933 Die Abschlusskompetenzen,<br />

welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erteilt, können umfassend<br />

oder beschränkt sein. Sokönnte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer etwa nur dazu<br />

ermächtigen, selbstständig für den Arbeitgeber Verträge abzuschliessen,<br />

wenn best<strong>im</strong>mte Voraussetzungen erfüllt sind. 934 Für Geschäfte, welche die vertraglich<br />

eingeräumten Abschlusskompetenzen überschreiten, kann der Arbeitnehmer<br />

den Arbeitgeber nicht verpflichten. 935 Der Arbeitnehmer muss deshalb<br />

entweder vorgängig eine <strong>besondere</strong> Ermächtigung einholen oder aber den K<strong>und</strong>en<br />

darauf hinweisen, dass der Vertrag erst dann als abgeschlossen gilt, wenn<br />

der Arbeitgeber den Vertragsschluss genehmigt 936 <strong>und</strong> gegenüber dem K<strong>und</strong>en<br />

bestätigt.<br />

2. DieBezirks-oderRayonprovision<br />

532 Bei der sogenannten Bezirks- oder Rayonprovision 937 ist vorausgesetzt, dass<br />

einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein best<strong>im</strong>mtes Gebiet zur Bearbeitung<br />

zugewiesen wird. Kommen Geschäftsabschlüsse zwischen K<strong>und</strong>en <strong>im</strong>entsprechenden<br />

Bezirk oder Rayon mit dem Arbeitgeber zustande, hat der Arbeitnehmer<br />

einen Anspruch auf eine Provision. Andere Abrede vorbehalten ist dabei<br />

ohne Bedeutung, ob die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für den Vertragsschluss<br />

zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> K<strong>und</strong>e <strong>im</strong> entsprechenden Bezirk ausschlaggebend<br />

oder wenigstens dem Vertragsschluss förderlich war. Im Gegensatz zur<br />

Vermittlungs- oder Abschlussprovision kann der Arbeitnehmer, der mit dem<br />

Arbeitgeber eine Bezirksprovision vereinbart hat, unter Umständen auch von<br />

der Tätigkeit des Arbeitgebers oder von anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers<br />

profitieren, sofern die Zuteilung des Bezirks exklusiv dem betreffenden<br />

Arbeitnehmerübertragen wordenist.<br />

933<br />

934<br />

935<br />

936<br />

937<br />

Vgl. Art. 32 ff. OR.<br />

Z.B. Auftragsvolumen bis max<strong>im</strong>al 10 000 Stück sowie Preise gemäss offizieller<br />

Preisliste des Arbeitgebers.<br />

Im Hinblick auf einen Vertragsschluss durch den Arbeitnehmer können sich die Konstellationen<br />

der Rechtsschein-, der Duldungs- <strong>und</strong> der Anscheinsvollmacht als problematisch<br />

erweisen; vgl. dazu Gauch/Schluep/Schmid, N1409 ff.; Koller, §19N4ff.<br />

Vgl. zum Ganzen statt mehrerer: BSK OR I-Wettenschwiler, Art. 418a N6ff. sowie<br />

Art. 418e N2ff.<br />

Vgl. dazu auch Art. 349b Abs. 1ORfür den Handelsreisenden.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

533 Die Bezirks- oder Rayonprovision kann damit die Züge einer Beteiligung am<br />

Umsatz <strong>im</strong> Sinne von Art. 322a Abs.1 OR gewinnen, welcher in einem best<strong>im</strong>mten<br />

Gebiet erzielt wird. 938 Die Unterscheidung zwischen der Provision<br />

<strong>und</strong> dem Anteil am Umsatz liegt nach der Rechtsprechung darin, dass für den<br />

Provisionsanspruch nur der Vertragsschluss ausschlaggebend ist, während für<br />

den Anspruch auf den Umsatzanteil der Umsatz in der entsprechenden Bemessungsperiodeauch<br />

realisiert worden sein muss. 939<br />

B. Entstehung <strong>und</strong>nachträglicher Wegfalldes Provisionsanspruchs<br />

1. Entstehung deseinzelnen Provisionsanspruchs<br />

(a) Die Entstehung desProvisionsanspruchs in persönlicher Hinsicht<br />

534 Obschon es das Gesetz nicht explizit erwähnt, wird bei der Regelung der Provision<br />

<strong>im</strong>Rahmen des Arbeitsvertrags stillschweigend davon ausgegangen, dass<br />

nur ein Arbeitnehmer be<strong>im</strong> Abschluss eines provisionsberechtigenden Geschäfts<br />

tätig wird. Ist dies tatsächlich der Fall, stellen sich in Bezug auf den persönlichen<br />

Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers auf die Provision gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

keine Probleme.<br />

535 Bei grösseren <strong>und</strong>/oder komplexen Geschäften, welche Arbeitnehmer für ihren<br />

Arbeitgeber vermitteln, aushandeln oder abschliessen, kommt es demgegenüber<br />

regelmässig vor, dass nicht nur ein, sondern mehrere Arbeitnehmer inden ganzen<br />

Prozess bis hin zum Geschäftsabschluss involviert sind. Ebenfalls häufig<br />

sind Konstellationen, in denen ein Arbeitnehmer für einen ferien- oder krankheitshalber<br />

abwesenden Arbeitskollegen ein vom Ersteren bereits kontaktierten,<br />

potenziellen K<strong>und</strong>en dem Arbeitgeber vermittelt oder ein schon indie Wege geleitetes<br />

Geschäft letztlich zumAbschluss bringt.<br />

536 Der Gesetzgeber hat für diejenigen Fallkonstellationen, in denen mehrere provisionsberechtigte<br />

Arbeitnehmer –sei es in zeitlicher Hinsicht miteinander oder<br />

nacheinander –bei einem provisionsberechtigenden Geschäft einen Teil zum<br />

erfolgreichen Vertragsschluss beitragen, keine spezifische Lösung vorgesehen.<br />

In der Lehre finden sich zur Problematik, was zu gelten hat, wenn die vertraglichen<br />

Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber <strong>und</strong> den verschiedenen, mitwirkenden<br />

Arbeitnehmern keine spezifischen Koordinationsregeln enthalten,<br />

mehrere auseinanderdriftende Meinungsäusserungen.<br />

938<br />

939<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N1<strong>und</strong> N3.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 27. Januar 1995, ZR 97 (1998), Nr. 61,<br />

S. 171 f.; Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 5.November 1984, JAR 1986,<br />

S. 88 ff. (E. 2,88ff.); Streiff/von Kaenel, Art. 322a N13; anders wohl: Brand/Dürr et<br />

al., Art. 322b N2, welche bei einer Umsatzprovision von einem Anteil am Geschäftsergebnis<br />

auszugehen scheinen.<br />

241


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

537 Nach BRÜHWILER ist zu verlangen, dass ein Arbeitnehmer amVertragsschluss<br />

wesentlich mitgewirkt haben muss. 940 Diese Stellungnahme dürfte dahingehend<br />

zu verstehen sein, dass nach Auffassung dieses Autors nur einer oder mehrere,<br />

nicht aber alle mitwirkenden <strong>und</strong> an sich provisionsberechtigten Arbeitnehmer<br />

Anspruch auf eine Provision haben können. Abzustellen wäre auf eine Wesentlichkeitsschwelle,<br />

die der jeweils kausale Beitrag eines Arbeitnehmers überschreiten<br />

muss. CARRUZZO vertritt die Ansicht, dass bei Fehlen einer anderweitigen<br />

Abrede nur derjenige Arbeitnehmer eine Provision erhalten sollte, dessen<br />

kausaler Beitrag für den Geschäftsabschluss ausschlaggebend war. 941 Nach<br />

STAEHELIN ist bei Mitwirken von mehreren, provisionsberechtigten Arbeitnehmern,<br />

die alle einen kausalen Beitrag <strong>im</strong> Hinblick auf den Vertragsschluss geleistet<br />

haben, eine anteilige, ihrem kausalen Beitrag entsprechende Provision<br />

auszurichten. 942 Nach VISCHER drängt sich ebenfalls eine anteilmässige Provision<br />

auf, wenn sich nicht ermitteln lässt, welcher Beitrag welches Arbeitnehmers<br />

zum Abschluss des Geschäfts geführt hat. 943 REHBINDER/STÖCKLI erachten es<br />

für den Anspruch auf die (wohl volle) Provision als ausreichend, wenn der kausale<br />

Beitrag eines einzelnen provisionsberechtigten Arbeitnehmers für den Abschluss<br />

desGeschäfts mitverursachend war. 944<br />

538 Die Auffassung von BRÜHWILER erscheint insofern nur bedingt zielführend, als<br />

dass das sich stellende Problem teilweise verlagert <strong>und</strong> nur teilweise gelöst<br />

wird. Diejenigen provisionsberechtigten Arbeitnehmer, welche keinen wesentlichen<br />

kausalen Beitrag geleistet haben, sollen leer ausgehen. Die Schwierigkeit<br />

liegt folglich <strong>im</strong> Festlegen einer Wesentlichkeitsschwelle <strong>und</strong> in der Beurteilung,<br />

welche(r) Arbeitnehmer mit seiner bzw. ihrer konkreten Tätigkeit diese<br />

Wesentlichkeitsschwelle überschritten hat bzw. haben. Eine nähere Best<strong>im</strong>mung<br />

beider Faktoren –d.h. die Wesentlichkeitsschwelle sowie die Beurteilung,<br />

obdiese erreicht worden ist –ist in abstrakter Form mit erheblichen<br />

Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en. Die Umsetzung <strong>im</strong> Einzelfall wird weiter dadurch<br />

erschwert, dass beide Faktoren der beurteilenden Person einen Ermessensspielraum<br />

einräumen. Zudem spricht der angeführte Autor die Frage nicht an, ob jeder<br />

Arbeitnehmer seine volle oder aber bloss eine verhältnismässig reduzierte<br />

Provision erhalten soll. Die arbeitgeberfre<strong>und</strong>liche Ansicht von CARRUZZO beruht<br />

auf der Annahme, dass ein Arbeitnehmer identifiziert werden kann, dessen<br />

940<br />

941<br />

942<br />

943<br />

944<br />

242<br />

Brühwiler, Art. 322b N2.<br />

Carruzzo, Art. 322b N2.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N4mit Hinweis auf BGE 72 II 421 (E. 3,421 ff.) für<br />

ein Geschäft, dessen Abschluss auf mehrere, unabhängig voneinander beauftragte<br />

Mäkler zurückzuführen war.<br />

Vischer, S. 102; zust<strong>im</strong>mend: KUKO OR-Pietruszak, Art. 322b N8.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N6; zust<strong>im</strong>mend: Brand/Dürr et al.,<br />

Art. 322b N4,welche anfügen, dies sei insofern logisch, als der Arbeitgeber den Einsatz<br />

der Arbeitnehmer best<strong>im</strong>me.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Arbeitsleistung für den Vertragsschluss überwiegend entscheidend bzw. ausschlaggebend<br />

war. Dieser Arbeitnehmer dürfte als einziger Arbeitnehmer den<br />

Anspruch auf die ihm vertraglich zugesagte, volle Provision erwerben. Ist es indessen<br />

nicht oder nicht mit Sicherheit möglich, den Beitrag eines Arbeitnehmers<br />

als entscheidend zu qualifizieren, führt dieser Vorschlag zukeiner abschliessenden<br />

Lösung. Ebenso erscheint diese Auffassung aus arbeitspsychologischer<br />

Sicht sowie aus der Warte des Arbeitgebers nur bedingt sinnvoll, wenn<br />

dadurch unter den Arbeitnehmern ein Konkurrenzkampf <strong>im</strong>Hinblick auf den<br />

entscheidenden, den Geschäftsabschluss herbeiführenden Beitrag ausgelöst<br />

wird. Der von STAEHELIN verfolgte Ansatz kann als eine vermittelnde Lösung<br />

bezeichnet werden. Der Ansatz zielt auf einen Ausgleich aller, teilweise divergierenden<br />

Interessen ab, indem sowohl zwischen den Interessen des Arbeitgebers<br />

<strong>und</strong> der Arbeitnehmer einerseits sowie den Interessen unter den Arbeitnehmern<br />

andererseits abgewogen wird. Die Ansicht von STAEHELIN überzeugt<br />

ferner dahingehend, dasie einen vollständigen Lösungsmechanismus aufzeigt.<br />

Problematisch bleibt allerdings, dass auch diese Lehrmeinung eine schwierige<br />

Beurteilung bzw. eine verhältnismässige Gewichtung der verschiedenen, kausalen<br />

Beiträge der einzelnen Arbeitnehmer verlangt. Einen anderen Schwerpunkt<br />

beinhaltet die Ansicht von REHBINDER/STÖCKLI. Die Stärke dieser, für die Arbeitnehmer<br />

günstigsten Meinungsäusserung liegt ins<strong>besondere</strong> darin, dass jeweils<br />

bloss für den einzelnen Arbeitnehmer ermittelt werden muss, ob dessen<br />

Beitrag die in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung verlangte natürliche Kausalitätsschwelle<br />

erreicht. Ein weiteres, schwieriges Abwägen, welche Arbeitsleistung<br />

welches Arbeitnehmers <strong>im</strong> Vergleich zu den anderen Beiträgen wie stark ins<br />

Gewicht gefallen ist, kann unterbleiben. Zudem dürften diese Autoren davon<br />

ausgehen, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf seine volle Provision erheben<br />

kann,obwohldies nicht ausdrücklich erwähntwird.<br />

539 Falls die Parteien keine anderen vertraglichen Vereinbarungen getroffen haben,<br />

verdient von den inder Lehre vertretenen Auffassungen diejenige von REHBIN-<br />

DER/STÖCKLI den Vorzug. Als Begründung dafür kann angeführt werden, dass<br />

der Arbeitgeber, wenn er mehrere, provisionsberechtigte Arbeitnehmer für das<br />

Vermitteln bzw. den Abschluss eines provisionsberechtigenden Geschäfts einsetzt,<br />

als einzige Partei die Problematik der etwaigen Provisionszahlungen an<br />

mehrere Arbeitnehmer mit Sicherheit vollständig überblicken kann bzw. wenigsten<br />

überblicken müsste. Ebenso fällt die potenzielle Pflicht, Provisionszahlungen<br />

an mehrere Arbeitnehmer leisten zumüssen, pr<strong>im</strong>är in die Risikosphäre<br />

des Arbeitgebers. Das Interesse des Arbeitgebers an einer ausgleichenden bzw.<br />

differenzierten Lösung müsste infolgedessen ebenfalls am Grössten sein. Unterlässt<br />

es der Arbeitgeber indessen, entsprechende vertragliche Vorkehrungen zu<br />

treffen, entbindet dieses Versäumnis ihn nicht davon, seine <strong>Lohn</strong>zahlungspflicht<br />

gemäss Arbeitsvertrag des einzelnen Arbeitnehmers vollumfänglich zu<br />

erfüllen. Insofern vermag die von STAEHELIN <strong>und</strong> VISCHER vorgeschlagene,<br />

verhältnismässige Reduktion des einzelnen Provisionsanspruchs gemessen am<br />

243


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

244<br />

kausalen Beitrag zum Erreichen des Gesamterfolgs nicht vollends zuüberzeugen.<br />

Gleiches gilt für die dem «Gewinnerprinzip» («the winner takes all») folgende<br />

Auffassung von CARRUZZO. Denn esist <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz nicht einzusehen,<br />

weshalb der Arbeitgeber unter solchen Voraussetzungen einseitig zulasten von<br />

einem odermehreren Arbeitnehmern privilegiert werden sollte.<br />

540 Ferner sollte der bei STAEHELIN zitierte BGE 72 II 421 aus folgenden Gründen<br />

nicht auf Arbeitsverträge übertragen werden. Imangeführten Entscheid lehnte<br />

es das BUNDESGERICHT ab, jedem Mäkler, 945 der einen teilweise kausalen Beitrag<br />

zum Abschluss eines Vertrags zwischen dem Auftraggeber <strong>und</strong> einem Dritten<br />

geleistet hatte, die volle Provision zuzusprechen. Das BUNDESGERICHT erachtete<br />

dies als unbillig <strong>und</strong> befürchtete be<strong>im</strong> Auftraggeber eine übermässige<br />

Belastung. Der Auftraggeber wurde vielmehr verpflichtet, jeweils eine anteilige<br />

Provision zuentrichten. Jeder Mäkler musste nach höchstrichterlicher Auffassung<br />

zudem prinzipiell damit rechnen, dass auch andere Mäkler beauftragt worden<br />

sein könnten, falls keine Ausschliesslichkeits- oder Exklusivitätsklausel<br />

vereinbart worden sei. Anders als Mäkler haben Arbeitnehmer inder Regel aber<br />

gerade keine Möglichkeit, für sich eine Exklusivitätsklausel zu vereinbaren. Als<br />

wesentlicher Punkt kommt hinzu, dass Arbeitnehmer –<strong>im</strong> Gegensatz zum Mäkler<br />

ohne Ausschliesslichkeitsklausel 946 –einer Arbeitspflicht <strong>und</strong> einer Weisungsgeb<strong>und</strong>enheit<br />

unterstehen. 947 Entgegen einem Mäkler hat der Arbeitnehmer<br />

somit nicht die Möglichkeit, seine Arbeitsleistung erst gar nicht zuerbringenoderdiese<br />

einzustellen.<br />

(b) Die Entstehung deseinzelnen Provisionsanspruchsinsachlicher Hinsicht<br />

541 Für die Entstehung eines einzelnen Provisionsanspruchs sieht Art. 322b<br />

Abs.1OR vor, dass dieser dann auflebt, wenn der provisionsberechtigende<br />

Vertrag zwischen dem Arbeitgeber <strong>und</strong> dem K<strong>und</strong>en rechtsgültig abgeschlossen<br />

worden ist. Sowohl bei der Vermittlungs- als auch bei der Abschlussprovision<br />

muss derArbeitnehmerzum Vertragsschluss seinen nicht wegzudenkenden Beitrag<br />

geleistet haben. 948 Bei der Bezirks- oder Rayonprovision muss das Erfordernis<br />

dernatürlichen Kausalität nichtunbedingt erfüllt sein.<br />

945<br />

946<br />

947<br />

948<br />

Vgl. Art. 412 ff. OR.<br />

Vgl. statt mehrerer: BSK OR I-Ammann, Art. 412 N7<strong>und</strong> N13, wonach der Mäkler<br />

keiner Pflicht unterliegt, für den Auftraggeber effektiv tätig zu werden, solange zugunsten<br />

des Mäklers keine Ausschliesslichkeits- oder Exklusivklausel vereinbart wurde.<br />

In letzterem Fall wird hingegen eine Tätigkeitspflicht des Mäklers angenommen.<br />

Ähnlich: Brand/Dürr et al., Art. 322b N4, die esals logisch bezeichnen, dass be<strong>im</strong><br />

Zusammenwirken mehrerer Arbeitnehmer jeder von ihnen Anspruch auf die volle<br />

Provision hat, dader Einsatz der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber best<strong>im</strong>mt wird.<br />

Vgl. dazu auch den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 15. März 2006, 4C.419/2006,<br />

worin das B<strong>und</strong>esgericht zum Schluss kam, die Tätigkeit des Arbeitnehmers sei nicht


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

542 Welche Geschäfte provisionsberechtigend sein sollen, wird vom Gesetz (richtigerweise)<br />

offengelassen. Essteht den Parteien unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit<br />

des Unternehmens frei, die provisionsberechtigenden Geschäfte<br />

oder kommerziellen Transaktionen vertraglich frei festzulegen. Nebst einer<br />

möglichst genauen Umschreibung derjenigen Geschäfte, welche den Anspruch<br />

auf eine Provision begründen können, empfiehlt sich weiter auch eine explizite<br />

vertragliche Regelung, ob<strong>im</strong>Zweifelsfall eine ganze, allenfalls eine reduzierte<br />

odergar keineProvisiongeschuldetsein soll.<br />

543 Davon Art. 322b Abs. 1ORals einer teilzwingenden Norm nicht zuungunsten<br />

des Arbeitnehmers abgewichen werden kann, stellen die Voraussetzungen dieser<br />

Best<strong>im</strong>mungen die Max<strong>im</strong>alanforderungen für das Entstehen eines Provisionsanspruchs<br />

dar. Dies bedeutet, dass z.B. nicht vereinbart werden kann, das<br />

Geschäft mit dem K<strong>und</strong>en des Arbeitgebers müsse innert eines best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitraums vollständig abgewickelt werden. 949 Zugunsten des Arbeitnehmers<br />

darf mittels vertraglicher Vereinbarung allerdings von Art. 322b Abs.1OR abgewichen<br />

werden, sodass etwa auch Eigengeschäfte des Arbeitnehmers für seinen<br />

Privatbedarf provisionsberechtigt sein können, selbst wenn sie zu Vorzugsbedingungen<br />

getätigt werden. 950 Eine andere Verbesserung zugunsten des Arbeitnehmers<br />

könnte darin liegen, dass schon die Vermittlung eines K<strong>und</strong>en den<br />

Provisionsanspruch aufleben lässt, ohne dass in der Folge effektiv ein Vertragsschluss<br />

erfolgen muss. 951<br />

544 Einige Lehrmeinungen betrachten die Provision, weil es sich dabei um<strong>Lohn</strong><br />

handelt, dann als verdient, wenn vom Arbeitnehmer die entsprechende Arbeitsleistung<br />

erbracht worden ist. Nach dieser Lehrmeinung handelt es sich bei der<br />

Provision daher um einen suspensiv bedingten <strong>Lohn</strong>anspruch. 952 Diese Lehrmeinung,<br />

welche eine Provision in die Nähe des (echten) Zeitlohns rückt, vermag<br />

angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes 953 <strong>und</strong> trotz einer häufig vorliegenden<br />

Rahmenvereinbarung für die Provisionsansprüche eines Arbeitnehmers<br />

letztlich nicht zuüberzeugen. Der Anspruch auf die einzelne Provision<br />

bzw. den <strong>Lohn</strong> aus der Provisionsvereinbarung entsteht erst mit Abschluss des<br />

provisionsberechtigenden Geschäfts zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> dem Dritten.<br />

Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers –zumindest bei der Vermittlungsprovi-<br />

949<br />

950<br />

951<br />

952<br />

953<br />

ausreichend gewesen, um einen Anspruch auf einen variablen <strong>Lohn</strong>anteil zubegründen.<br />

Vgl. auch ZH-Komm.-Staehelin, Art.322b N7.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N8.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N5.<br />

Duc/Subilia, Art. 322b/c N5; Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.21; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 322b N6,welcher auf die Lehre zum Mäklervertrag hinweist, wo ebenfalls von<br />

einer Suspensivbedingung ausgegangen wird; vgl. dazu Art. 413 OR sowie BSK OR I-<br />

Ammann, Art.413 N2f.<br />

Der Wortlaut der drei Versionen desORist identisch.<br />

245


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

246<br />

sion –ist von Gesetzes wegen noch nicht ausreichend, um den einzelnen Provisions-bzw.<strong>Lohn</strong>anspruch<br />

zu begründen. 954<br />

545 Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen K<strong>und</strong>en vermittelt oder einen<br />

Vertrag unter Genehmigungsvorbehalt abgeschlossen, steht es dem Arbeitgeber<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich frei, mit dem K<strong>und</strong>en einen Vertrag abzuschliessen oder nicht.<br />

Meist wird der Arbeitgeber ein ausreichendes Eigeninteresse daran haben, das<br />

Geschäft mit dem K<strong>und</strong>en auch tatsächlich abzuschliessen. Dennoch wird aus<br />

dem Blickwinkel des Arbeitnehmers zu Recht verlangt, dass der Arbeitgeber<br />

sich bei der Entscheidung, einen Vertrag mit einem Dritten abzuschliessen oder<br />

auszuschlagen, nach Treu <strong>und</strong> Glauben verhalten muss. 955 Bloss umden Provisionsanspruch<br />

des Arbeitnehmers –sei es bewusst oder unbewusst –zuschmälern<br />

oder zuvereiteln, darf der Arbeitgeber ein vermitteltes Geschäft nicht ausschlagen.<br />

Ebenso wenig kann der Arbeitgeber einem bereits unter Genehmigungsvorbehalt<br />

abgeschlossenen Vertrag die Zust<strong>im</strong>mung verweigern, solange<br />

dieses Geschäft wirtschaftlich sinnvoll <strong>und</strong> betrieblich ausführbar ist. 956 Bei einem<br />

nicht zurechtfertigenden Nichtabschluss eines Vertrags mit dem K<strong>und</strong>en<br />

läge letztlich ein Anwendungsfall von Art. 156OR 957 vor, essei denn, der Arbeitgeber<br />

könne sich auf stichhaltige Gründe für den Nichtabschluss des Vertragsmit<br />

dem Dritten berufen. 958<br />

546 Unter Umständen kann allerdings schwierig zu beurteilen sein, obder Arbeitgeber<br />

ein vom Arbeitnehmer vermitteltes oder unter Genehmigungsvorbehalt<br />

abgeschlossenes Geschäft zu Recht nicht abschliesst oder intreuwidriger Weise<br />

–<strong>und</strong> damit <strong>im</strong>Hinblick auf die Provision –zuUnrecht ausschlägt. Von einem<br />

treuwidrigen Verhalten des Arbeitgebers <strong>im</strong> Rahmen von Art. 156 OR ist unter<br />

anderem dann auszugehen, wenn das Verhalten einer Vertragspartei dem Inhalt<br />

954<br />

955<br />

956<br />

957<br />

958<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Januar 2006, 4C.352/2005, E. 2.1.2; BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322a N4;Brühwiler, Art. 322b N2;Brunner/Bühler/<br />

Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322a N2.<br />

Art.322b N4; Carruzzo, Art. 322b N2; Streiff/von Kaenel,<br />

BE-Komm.-Rehbinder,Art. 322b N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N7.<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 23. April 2002, JAR 2003,<br />

S. 188 ff. (E. 3.4, 189); ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N7;vgl. auch BGE 26 II 768<br />

(E. 3,774 ff.).<br />

Gemäss Art. 156 OR gilt eine Bedingung als erfüllt, wenn ihr Eintritt (oder Nichtein-<br />

tritt) von demeinen Teile wider Treu <strong>und</strong> Glauben verhindert worden ist.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322b N4:«L’employeur garde la maîtrise générale<br />

dudroit de conclure avec les clients. S'il renonce àconclure ou s'il résilie un<br />

contrat en cours, ilreste tout de même débiteur delaprovision àl'égard du travailleur,<br />

àmoins que le refus deconclure oularésiliation ducontrat nesoit fondé sur un<br />

motif justifié qu'il lui appartient deprouver.»; anders wohl: Carruzzo, Art. 322b N2:<br />

«L’art. 322b al. 1COn’a pas pour effet decontraindre l’employeur àverser une provision<br />

pour les affaires qui lui ont été présentées par letravailleur, mais qu’il arefusé<br />

de conclure,quel que soit le motif pour cerefus.»


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

<strong>und</strong> Zweck eines Vertrags oder einer Vertragsklausel zuwiderläuft. Nach der<br />

Rechtsprechung des BUNDESGERICHTS sind dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls<br />

zuberücksichtigen. Inihrer Gesamtheit müssen diese Umstände ein<br />

Bild ergeben, welches die Vorgehensweise des Arbeitgebers, der die Anspruchsbedingung<br />

des Vertragsschlusses hindert, als unlauter bzw. unredlich erscheinen<br />

lassen. Eine eigentliche Absicht, den Bedingungseintritt verhindern zu<br />

wollen, wird dabei aber nicht verlangt. Überdies darf der Partei, welche den<br />

Bedingungseintritt hindert, nicht zugemutet werden, sämtliche berechtigten Eigeninteressen<br />

denjenigen des Vertragspartners zu opfern. 959 Die Frage, obein<br />

treuwidriges Verhalten den Bedingungseintritt hindert, erweist sich <strong>im</strong> Ergebnis<br />

als eineErmessensfragebzw.eine Frageder Beweiswürdigung. 960<br />

547 Würde etwa der Abschluss eines weiteren Geschäfts den Arbeitgeber andie<br />

Grenze seiner Produktionskapazitäten bringen oder diese gar sprengen, sodass<br />

ein unvorhergesehenes Ereignis 961 nicht nur die vertragskonforme Erfüllung des<br />

fraglichen Geschäfts, sondern auch von vorbestehenden Verpflichtungen gefährden<br />

würde, muss dem Arbeitgeber ein gewisser unternehmerischer Ermessensspielraum<br />

eingeräumt werden. Gleiches sollte gelten, wenn der Arbeitgeber<br />

ein zusätzliches Geschäft nicht abschliessen will, weil dieses nicht nur keinen<br />

Gewinn abwirft, sondern auch keinen Deckungsbeitrag 962 an die Gemeinkosten<br />

des Arbeitgebers zu erwirtschaften vermag. 963 Ferner dürfte einem Arbeitgeber<br />

auch kaum vorgeworfen werden können, wenn ervon einem K<strong>und</strong>en, der sich<br />

mit finanziellen Problemen konfrontiert sieht, eine Vorauszahlung oder zumindest<br />

eine Anzahlung für die zuerbringenden Leistungen verlangt. Falls sich ein<br />

solcher K<strong>und</strong>e weigern würde oder sich ausserstande sähe, die Voraus- oder<br />

Anzahlung zuleisten, dürfte es einem Arbeitgeber ebenfalls nicht angelastet<br />

werden können, wenn er den Vertragsschluss ablehnt. 964 Ist unklar oder besteht<br />

begründeter Anlass für den Arbeitgeber, ein provisionsberechtigendes Geschäft<br />

nicht abzuschliessen, sollte <strong>im</strong>Zweifel daher die unternehmerische Freiheit des<br />

Arbeitgebers vorgehen. Demgegenüber muss dem Arbeitnehmer der Beweis of-<br />

959<br />

960<br />

961<br />

962<br />

963<br />

964<br />

Vgl. BGE 117 II273 (E. 5c, 280 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 15. Dezember<br />

2005, 4C.281/2005, E. 2.5; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. September 2004,<br />

4C.25/2004, E. 3.2.1.<br />

Für Beispiele zum treuwidrig verhinderten oder herbeigeführten Bedingungseintritt<br />

vgl. BSK OR I-Ehrat, Art. 156 N10, sowie Gauch/Schluep/Emmenegger, N4020.<br />

Z.B. der Ausfall einer Maschine oder die Erkrankung von einem oder mehreren Mitar-<br />

beitern.<br />

Zum Deckungsbeitrag bzw. zur Deckungsbeitragsrechnung als einem System der<br />

Teilkostenrechnung vgl. Boemle/Gsell et al., S.289 f., Stichwort «Deckungsbeitragsrechnung».<br />

Vgl. auch BGE 26 II 768 (E. 3,774 ff.).<br />

Für weitere Beispiele, welche das Ausschlagen eines Vertrags durch den Arbeitgeber<br />

rechtfertigen können, vgl. den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom<br />

23. April 2002, JAR 2003, S. 188 ff. (E. 3.4, 190).<br />

247


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

248<br />

fenstehen, dass der Arbeitgeber treuwidrig handelte, sofern der Arbeitnehmer<br />

keine eigentliche Vertragsverletzung durch den Arbeitgeber belegen kann. An<br />

diesen, vom Arbeitnehmer zuerbringenden Beweis sind nach der Rechtsprechung<br />

indessen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Der Nachweis,<br />

dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein treuwidriges Verhalten gegeben war, ist<br />

ausreichend. 965<br />

548 Als Ausgleich zum beschränkten Ablehnungsrecht des Arbeitgebers ist dem<br />

Arbeitnehmer ein vertraglicher Informationsanspruch einzuräumen. Der Arbeitnehmer<br />

darf direkt gestützt auf die vertragliche Provisionsvereinbarung erwarten,<br />

dass der Arbeitgeber ihn über die konkreten Gründe für das Ablehnen eines<br />

vermittelten oder unter Genehmigungsvorbehalt abgeschlossenen Geschäfts informiert.<br />

Dasselbe hat zu gelten, wenn der Arbeitgeber sich gestützt auf eine<br />

vertragliche Vereinbarung einseitig vom Vertrag mit dem K<strong>und</strong>en lossagen<br />

kann, wenn dies den Provisionsanspruch des Arbeitnehmers berührt. Bei Vorliegen<br />

einer Provisionsvereinbarung ist dieses Informationsrecht des Arbeitnehmers<br />

als selbstständige Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers zuqualifizieren<br />

<strong>und</strong>damit auch selbständigklagbar. 966<br />

549 Art. 322b Abs.1OR verlangt weiter, dass das Geschäft zwischen dem Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> dem K<strong>und</strong>en rechtsgültig abgeschlossen worden ist. Kam der Vertrag<br />

etwa wegen Rechts- oder Sittenwidrigkeit, wegen eines Dissens, wegen eines<br />

Formmangels oder wegen der Handlungsunfähigkeit des Vertragspartners<br />

des Arbeitgebers gar nicht zustande oder wird er nachträglich wegen eines Willensmangels<br />

für eine Partei unverbindlich, teilt der Provisionsanspruch das<br />

Schicksal des ungültigen Vertrags. Der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers<br />

steht <strong>und</strong> fällt mit dem rechtsgültigen Vertragsschluss, sofern eine Partei sich<br />

auf den fraglichen Mangel beruft <strong>und</strong> eine etwaige Frist eingehalten wird. 967<br />

Wird indes ein an sich nicht rechtsgültig abgeschlossener Vertrag dennoch vom<br />

Arbeitgeber <strong>und</strong> vom Dritten vollständig erfüllt <strong>und</strong> beruft sich keine Partei auf<br />

den mangelhaften Vertragsschluss, wäre nicht einzusehen, weshalb der Provisionsanspruch<br />

des Arbeitnehmers entfallen sollte. Eine Berufung des Arbeitgebers<br />

auf die Ungültigkeit des Vertrags, obwohl er den wirtschaftlichen Erfolg<br />

realisiert hat, wäre als ein venire contra factum proprium zu beurteilen, das<br />

nach Art. 2Abs.2ZGB keinen Rechtsschutzverdient.<br />

550 Bei einer Teilungültigkeit 968 eines provisionsberechtigenden Geschäfts ist in<br />

analoger Anwendung von Art. 322b Abs. 3OR 969 von einer verhältnismässigen<br />

965<br />

966<br />

967<br />

968<br />

Zur Beweislastverteilung <strong>im</strong> Rahmen von Art. 156 OR vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 15. Dezember 2005, 4C.281/2005, E. 3.5.2; Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom15. Januar 2008, 4A_293/2007 <strong>und</strong> 4A_295/2007, E. 7.1.<br />

ZumBegriff der Neben(leistungs)pflicht vgl. oben Fn. 425 <strong>und</strong> 426.<br />

Vgl. Art. 21 Abs. 1OR<strong>und</strong> Art. 31 OR.<br />

Vgl. Art. 20 Abs. 2OR.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Reduktion der Provision des Arbeitnehmers auszugehen. Bei einer Konstellation<br />

gemäss Art. 25 Abs. 2OR 970 wäre die Provision aufgr<strong>und</strong> der veränderten<br />

vertraglichen Gr<strong>und</strong>lage zu berechnen. Keine Provision ist indessen auf der gesamten<br />

Schadenersatzforderung des Arbeitgebers nach Art. 26 Abs.1 <strong>und</strong><br />

Abs.2OR geschuldet, wenn der K<strong>und</strong>e des Arbeitgebers, der einem fahrlässigen<br />

Irrtum unterlag, den Vertrag mit dem Arbeitgeber nicht mehr gelten lässt. 971<br />

Denn Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers gegenüber einem K<strong>und</strong>en,<br />

obwohl sie unter Umständen auch einen Anspruch auf entgangenen Gewinn<br />

umfassen, beruhen dann inder Regel nicht mehr auf einem Geschäftserfolg, zu<br />

welchem der Arbeitnehmer einen kausalen Beitrag geleistet hat. Der fahrlässige<br />

Irrtum liegt be<strong>im</strong> K<strong>und</strong>en. Ebenfalls ist keine Provision geschuldet, falls die eine<br />

oder andere Partei von einem vertraglichen Rücktrittsrecht Gebrauch<br />

macht, 972 das den Vertrag ex tunc dahinfallen lässt. Bei teilweisem Rücktritt<br />

bleibt aber wiederum ein verhältnismässiger Provisionsanspruch des Arbeitnehmers<br />

bestehen. Eine Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> dem K<strong>und</strong>en berührt den Vertragsschluss demgegenüber nicht. Unter Vorbehalt<br />

einer anderen vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> dem Arbeitgeber bleibt indiesem Fall der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers<br />

ungekürzt bestehen. 973<br />

551 Vom Gesetz nicht explizit geregelt sind die Fälle, in denen der nicht rechtsgültige<br />

Abschluss eines provisionsberechtigenden Geschäfts vom Arbeitnehmer<br />

oder vom Arbeitgeber verschuldet worden ist. Zu denken wäre etwa aneine<br />

Konstellation, in welcher der Arbeitnehmer einen K<strong>und</strong>en falsch oder inerheblichem<br />

Mass unvollständig über die Produkte oder Dienstleistungen des Arbeitgebers<br />

informiert hat. Auch könnte der Arbeitnehmer einen K<strong>und</strong>en fahrlässig<br />

in einem Irrtum bestärkt oder inanderer, unzulässiger Weise auf den Vertragsschluss<br />

hingewirkt haben. Wenn der K<strong>und</strong>e wegen eines derartigen Verhaltens<br />

des Arbeitnehmers den Vertragsschluss mit dem Arbeitgeber anfechten darf,<br />

kann vom Arbeitnehmer kein Provisionsanspruch geltend gemacht werden. Ein<br />

unter Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflichten des Arbeitnehmers abgeschlossenes<br />

Geschäft, welches deshalb dahinfällt, kann keinen Provisionsanspruch<br />

begründen. 974 Ist allerdings umgekehrt dem Arbeitgeber anzulasten, dass<br />

der Vertrag nicht rechtsgültig abgeschlossen wurde, rechtfertigt sich wiederum<br />

969<br />

970<br />

971<br />

972<br />

973<br />

974<br />

Vgl. dazu auch unten Rz.566 ff.<br />

Gemäss Art. 25 Abs. 2ORhat der Irrende den Vertrag gelten zulassen, wie er ihn<br />

verstanden hat, sobald der andere sichhierzu bereit erklärt.<br />

Vgl. B. Meyer, S. 69 f. <strong>und</strong> Fn. 17.<br />

B. Meyer, S. 70.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N5; Brand/Dürr et al., Art. 322b N8;<br />

B. Meyer, S. 70.<br />

Vgl. ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N5, sowie Art. 415 OR für den Mäkler <strong>und</strong><br />

Art. 433 Abs. 1ORfür den Kommissionär.<br />

249


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

250<br />

eine Analogie zur gesetzgeberischen Wertung inArt. 322b Abs. 3OR. 975 Denn<br />

auch der Arbeitgeber hat be<strong>im</strong> Vertragsschluss mit dem Dritten die nötige Sorgfalt<br />

walten zu lassen. Kann der Arbeitgeber gestützt auf Art. 97 Abs.1OR 976<br />

nicht nachweisen, dass ihn am mangelhaften Vertragsschluss keinerlei Verschulden<br />

trifft, steht dem Arbeitnehmerder volle Provisionsanspruch zu.<br />

552 Eine <strong>besondere</strong> Regelungsmöglichkeit für die Entstehung des Provisionsanspruchs<br />

enthält Art. 322b Abs.2OR für Versicherungsverträge sowie diejenigen<br />

Geschäfte, welche eine gestaffelte Erfüllung vorsehen. Gemäss Botschaft<br />

1967 fallen unter die gestaffelten Geschäfte z.B. Sukzessivlieferungsverträge<br />

oder Abzahlungsgeschäfte. 977 Gestützt auf eine schriftliche Vereinbarung 978<br />

können die Parteien bei solchen Verträgen vereinbaren, dass der Provisionsanspruch<br />

–inAbweichung zur Regel in Art. 322b Abs. 1OR–nicht schon mit<br />

Vertragsschluss entsteht. Der Anspruch auf die Provision entsteht erst mit der<br />

Fälligkeit einer vom K<strong>und</strong>en des Arbeitgebers zuleistenden Ratenzahlung oder<br />

gar erst in dem Zeitpunkt, inwelchem der K<strong>und</strong>e eine (Teil-)Zahlung tatsächlich<br />

leistet.<br />

553 Nach einigen Meinungsäusserungen in der Literatur soll es<strong>im</strong>Kontext von<br />

Art. 322b Abs.2OR unerheblich sein, obder Arbeitgeber oder der K<strong>und</strong>e seine<br />

Leistung in gestaffelter Weise zu erbringen hat. 979 Dieser Ansicht, welche <strong>im</strong><br />

Wortlaut des Gesetzes kaum eine hinreichende Gr<strong>und</strong>lage findet, kann nicht<br />

vollumfänglich zugest<strong>im</strong>mt werden. Eswäre schwer verständlich, weshalb der<br />

Arbeitgeber, der z.B. die volle K<strong>und</strong>enzahlung bereits erhalten hat, seine Leistung<br />

aber erst später in Teillieferungen erbringen muss, 980 gegenüberder Gr<strong>und</strong>regel<br />

in Art. 322a Abs. 1ORprivilegiert werden sollte. Gleiches gilt, wenn der<br />

Arbeitgeber als Käufer auftritt <strong>und</strong> die bestellten <strong>und</strong> vertragskonform gelieferten<br />

Waren oder erbrachten Dienstleistungen schon erhalten hat, seine Zahlung<br />

an den Lieferanten oder Dienstleister aber erst später erbringen muss.<br />

975<br />

976<br />

977<br />

978<br />

979<br />

980<br />

Vgl. dazu unten Rz. 566 ff.<br />

Vgl. Duc/Subilia, Art. 322b/c N7; Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.27; anders: BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N10; Brühwiler, Art. 322b N5,welche ohne<br />

nähere Begründung einzig auf Art. 8ZGB abstellen, nicht aber auf Art. 97 Abs. 1OR.<br />

Diese Auffassung überzeugt nicht, denn es ist kein Gr<strong>und</strong> ersichtlich, weshalb die<br />

Gr<strong>und</strong>regel inArt. 97 Abs. 1ORbezüglich der Beweislast für das Verschulden nicht<br />

zur Anwendung gelangten sollte; vgl. dazu auch <strong>im</strong> Allgemeinen Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N2980; Koller, §48N107 ff.<br />

BBl 1967 II, S. 318.<br />

Vgl. Art. 13 OR.<br />

BBl 1967 II, S. 318; Brand/Dürr et al., Art. 322b N7; Brunner/Bühler/Waeber/<br />

Bruchez, Art. 322b N4;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N11.<br />

Z.B. auf Wunsch eines K<strong>und</strong>en, der nur über beschränkte Lagerkapazitäten verfügt.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

(c) Die Entstehung desProvisionsanspruchs in zeitlicher Hinsicht<br />

554 Art. 322b OR dürfte auf der stillschweigenden gesetzgeberischen Annahme beruhen,<br />

dass das provisionsberechtigende Geschäft während der Dauer des Arbeitsvertrags<br />

abgeschlossen wird. Bei der Vermittlungsprovision geschieht dies<br />

durch den Arbeitgeber, bei Abschlussprovision durch den Arbeitnehmer. 981 Ist<br />

dies der Fall <strong>und</strong> sind überdies die weiteren, sachlichen Voraussetzungen erfüllt,<br />

entsteht derProvisionsanspruch desArbeitnehmers. 982<br />

555 Keine klare Regelung enthält das Gesetz für die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer<br />

während der Dauer des Arbeitsvertrags ein Geschäft vermittelt oder unter<br />

Genehmigungsvorbehalt des Arbeitgebers abschliesst, der Vertragsschluss bzw.<br />

die Genehmigung des unter Vorbehalt abgeschlossenen Vertrags aber erst nach<br />

Beendigung des Arbeitsvertrags erfolgt. Vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer<br />

einen kausalen Beitrag zum Abschluss des Vertrags während der Dauer des Arbeitsvertrags<br />

geleistet hat, geht die herrschende Auffassung richtigerweise davon<br />

aus, dass der Provisionsanspruch auch dann entstehen muss, wenn die Vertragsperfektion<br />

durch den Arbeitgeber erst nach Beendigung des Arbeitsvertrags<br />

eintritt. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber (zumindest teilweise) in der<br />

Hand, die Provisionsabrede durch das Hinauszögern der Vertragsperfektion zu<br />

unterwandern. Folglich kann ebenso wenig verlangt werden, dass die Vertragserfüllung<br />

durch den Arbeitgeber <strong>und</strong> den K<strong>und</strong>en während der Dauer des Arbeitsvertragserfolgt.<br />

983<br />

556 Auf einer gleichgerichteten Überlegung beruht die inder Lehre vertretene <strong>und</strong><br />

zutreffende Ansicht, dass Nachfolgegeschäfte 984 zwischen dem Arbeitgeber <strong>und</strong><br />

einem K<strong>und</strong>en, bei denen der ursprüngliche kausale Beitrag des Arbeitnehmers<br />

über das Ende des Arbeitsvertrags nachwirkt, provisionspflichtig sind. 985 Neue<br />

Bestellungen oder Geschäfte desselben K<strong>und</strong>en mit dem Arbeitgeber nach Beendigung<br />

des Arbeitsvertrags sind aber dann nicht mehr provisionspflichtig,<br />

wenn sich in zeitlicher <strong>und</strong>/oder sachlicher Hinsicht kein hinreichender Zu-<br />

981<br />

982<br />

983<br />

984<br />

985<br />

Vgl. statt mehrerer: Streiff/von Kaenel, Art. 322b N2.<br />

Für die Fälligkeit der Provision vgl. unten Rz. 577 ff.<br />

Vgl. BGE 90 II 483 (E. 2d, 488 f.); BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N4;<br />

Brühwiler, Art. 322b N2;Duc/Subilia, Art. 322b/c N5; Streiff/von Kaenel, Art. 322b<br />

N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N6; anders: Brand/Dürr et al., Art. 322b N3,<br />

die bei provisionsberechtigenden Geschäften mit Abschluss nach Beendigung des Arbeitsvertrags<br />

ohne nähere Begründung einen Provisionsanspruch des Arbeitnehmers<br />

verneinen.<br />

Z.B. Nachbestellungen für dasselbe Projekt eines K<strong>und</strong>en.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N6;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N4;<br />

vgl. ferner Birchmeier, S. 45 (zumalten Recht).<br />

251


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

252<br />

sammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers <strong>und</strong> dem Abschluss<br />

desneuen Geschäfts mehr ausmachen lässt. 986<br />

2. Nachträglicher Wegfalldes Provisionsanspruchs<br />

(a) Der nachträglicheWegfall desProvisionsanspruchs in sachlicher Hinsicht<br />

557 Von denjenigen Fällen, in denen der Vertrag vom Arbeitgeber nicht oder nicht<br />

rechtsgültig abgeschlossen wurde, sind diejenigen Konstellationen zuunterscheiden,<br />

auf welche sich Art. 322b Abs.3OR bezieht. 987 Art. 322b Abs.3OR<br />

sieht vor, dass der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers, der gr<strong>und</strong>sätzlich auf<br />

einem rechtsgültig abgeschlossenen Vertrag beruhen muss, nachträglich ganz<br />

oder teilweise dahinfallen kann. 988 Art. 322b Abs.3OR kommt damit bei Leistungsstörungen<br />

inder Phase derVertragserfüllung zur Anwendung.<br />

558 Gestützt auf die dispositive Regel in Art. 322b Abs. 3ORkann der Anspruch<br />

auf die Provision dabei in zwei Konstellationen ganz oder teilweise entfallen.<br />

Der Arbeitnehmer verliert mangels anderer vertraglicher Abrede seinen Provisionsanspruch<br />

einerseits dann, wenn die Nichtausführung des provisionsberechtigenden<br />

Geschäfts zwar in der Sphäre des Arbeitgebers liegt, die Gründe für<br />

die Nichtausführung aber dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden können.<br />

Andererseits entfällt der Provisionsanspruch auch dann, wenn der Vertragspartner<br />

des Arbeitgebers seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Art. 322b<br />

Abs.3OR sieht damit zwei gesetzliche Resolutivbedingungen für den bereits<br />

entstandenen Provisionsanspruch vor, 989 wobei eine verhältnismässige Reduktion<br />

des Provisionsanspruchs des Arbeitnehmers erfolgt, wenn das Geschäft wenigstensteilweise<br />

erfülltwird.<br />

559 Die Rechtfertigung für die Regel in Art. 322b Abs. 3ORliegt gemäss Botschaft<br />

1967 darin, dass es unbillig bzw. dem Arbeitgeber nicht zuzumuten wäre, dem<br />

Arbeitnehmer eine Provision zahlen zu müssen, wenn er ein Geschäft ohne sein<br />

Verschulden nicht erfüllen kann bzw. der K<strong>und</strong>e seinen Verpflichtungen nicht<br />

986<br />

987<br />

988<br />

989<br />

Vgl. BGE 128 III 174 (E. 2b/c, 176 ff.).<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 17. Januar 2006, 4C.352/2005, E. 2.2.2.<br />

In den romanischen Fassungen von Art. 322b Abs. 3ORwird jeweils vom Erlöschen<br />

des Anspruchs auf die Provision gesprochen («Le droit à la provision s'éteint<br />

[…].»;«Il diritto alla provvigione siestingue […].»).<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juni 2008, 4A_163/2008, E. 3.1; Entscheid des<br />

Arbeitsgerichts Zürich von 19. Dezember 2002, JAR 2003, S. 369 ff. (372); BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N8;Streiff/von Kaenel, Art. 322b N2;Vischer,<br />

S. 101; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N14; anders: BGE 90 II 483 (E. 2d; 488), wo<br />

unter altem Recht von einer Suspensivbedingunggesprochen wird.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

nachkommt. 990 Aus der Warte des Arbeitgebers ist diese gesetzliche Anordnung<br />

für den Fall der Nichterfüllung des Geschäfts durch den K<strong>und</strong>en leicht nachvollziehbar.<br />

Der Arbeitgeber ist am wirtschaftlichen Erfolg interessiert <strong>und</strong><br />

dürfte den Arbeitnehmer regelmässig nur be<strong>im</strong> effektiven Eintreffen eines Geschäftserfolgs<br />

an ebendiesem beteiligen wollen. Indessen darf nicht übersehen<br />

werden, dass mit dieser Regel wiederum der Gr<strong>und</strong>satz gemäss Art. 324 OR<br />

durchbrochen wird, wonach gr<strong>und</strong>sätzlich der Arbeitgeber das unternehmerische<br />

Risiko zu tragen hat. Konkret wird durch die dispositive Norm in<br />

Art. 322b Abs.3OR das Drittparteienrisiko inseiner Gänze sowie das unternehmerische<br />

Risiko teilweise auf den provisionsberechtigten Arbeitnehmer<br />

überwälzt. 991<br />

560 Als Beispiele für Konstellationen, in denen den Arbeitgeber kein Verschulden<br />

an der Nicht- oder Schlechterfüllung eines provisionsberechtigenden Geschäftes<br />

trifft, werden in der Literatur der allgemeine Warenmangel oder Lieferschwierigkeiten<br />

wegen kriegerischer Unruhen, Arbeitskämpfe (Streik, Aussperrung),<br />

Einfuhrsperren oder Naturkatastrophen genannt. Esgeht somit um Fälle, der<br />

ganzen oder teilweisen objektiven Unmöglichkeit, 992 die den Arbeitgeber hindern,<br />

seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem K<strong>und</strong>en vollumfänglich<br />

nachzukommen. Beweispflichtig für den Eintritt der objektiven Unmöglichkeit<br />

ist der Arbeitgeber. 993 Econtrario entfällt der Provisionsanspruch somit nicht,<br />

wenn eine bloss subjektive Unmöglichkeit seitens des Arbeitgebers vorliegt.<br />

Gleichermassen bleibt der Provisionsanspruch bestehen, wenn der Arbeitgeber<br />

z.B. mangelhafte Ware lieferte, seine Dienstleistung schlecht oder mit Verspätung<br />

erbrachte oder ihm in anderer Weise eine Verletzung des Vertrags mit dem<br />

K<strong>und</strong>en angelastet werden kann, sodass der K<strong>und</strong>e <strong>im</strong>Resultat nichts oder nicht<br />

den vollen Vertragspreis zahlen muss. Da den Arbeitgeber unter solchen Umständen<br />

regelmässig ein Verschulden treffen wird, bleibt der Provisionsanspruch<br />

vollumfänglich erhalten. Unbenommen bleibt esdem Arbeitgeber aber,<br />

den Nachweis gemäss Art. 97 Abs. 1ORanzutreten, dass ihn keinerlei Verschulden<br />

treffe. Die Provision bleibt schliesslich auch dann geschuldet, wenn<br />

der Arbeitgeber sich zuKulanzleistungen gegenüber dem K<strong>und</strong>en bereit erklärt<br />

990<br />

991<br />

992<br />

993<br />

BBl 1967 II, S. 318; vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juni 2008,<br />

4A_163/2008, E. 3.2.<br />

Vgl. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom3.Juli2008, 4A_498/2007, E. 4.4.<br />

Vgl. Carruzzo, Art. 322b N3; Brand/Dürr et al., Art. 322b N9;Brühwiler, Art. 322b<br />

N5;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N15; wobei anzumerken ist, dass bei einer Aussperrung<br />

durch den Arbeitgeber wohl nur mit Zurückhaltung von einer objektiven<br />

Unmöglichkeit ausgegangen werden kann; vgl. ferner den Entscheid des Tribunale<br />

d'appello del Cantone del Ticino vom5.Oktober 1992, JAR1993, S. 115 f. (E. 5,<br />

116).<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N10; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b<br />

N17; vgl. auch die Hinweise in Fn. 976.<br />

253


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

254<br />

oder seine Leistungen gar nicht oder nur teilweise in Rechnung stellt, ohne dazu<br />

rechtlich verpflichtet gewesen zu sein. 994<br />

561 Der Provisionsanspruch entfällt nach Art. 322b Abs.3 OR ferner dann, wenn<br />

der Vertragspartner des Arbeitgebers seinen Verbindlichkeiten nicht nachkommt.<br />

Der Wortlaut von Art. 322b Abs. 3ORpräzisiert dabei nicht näher, ob<br />

die Nichterfüllung aller oder nur best<strong>im</strong>mter Verbindlichkeiten 995 durch den<br />

Vertragspartner des Arbeitgebers in der Erfüllungsphase den Anspruch auf die<br />

Provision <strong>im</strong>Nachhinein dahinfallen lässt. Aufgr<strong>und</strong> einer teleologischen Auslegung<br />

von Art. 322b Abs.3OR ist davon auszugehen, dass die Nichterfüllung<br />

einer Verbindlichkeit durch den Vertragspartner des Arbeitgebers ein gewisses<br />

Gewicht haben muss. Nicht jede, noch sogeringe Nicht- oder Schlechterfüllung<br />

bzw. nicht jede noch sogeringe Verletzung einer vertraglichen (Neben-)Pflicht<br />

oder Obliegenheit durch den Dritten darf dazu führen, dass der Provisionsanspruch<br />

des Arbeitnehmers nachträglich entfällt. Vielmehr ist zu verlangen, dass<br />

dieNichterfüllung einer Verbindlichkeit desDritten geeignetist, den wirtschaftlichen<br />

Erfolg des Geschäfts, auf welchen eine Provisionsvereinbarung jaabzielt,<br />

ganz oder teilweise zu vereiteln. Eine derart wesentliche Nicht- oder<br />

Schlechterfüllung könnte somit darin liegen, dass die Annahme der korrekt anerbotenen<br />

Lieferung oder Dienstleistung des Arbeitgebers verweigert wird oder<br />

dieZahlung desVertragspartners ausbleibt.<br />

562 Kommt der Dritte einer wesentlichen vertraglichen Pflicht zuUnrecht nicht<br />

nach, wird inder Literatur zuRecht gefordert, dass der Arbeitgeber –auch in<br />

seinem Eigeninteresse –diejenigen wirtschaftlich sinnvollen Massnahmen trifft,<br />

um den Vertragspartner zur korrekten Vertragserfüllung anzuhalten. 996 Am häufigsten<br />

dürften dabei diejenigen Konstellationen sein, in denen der K<strong>und</strong>e des<br />

Arbeitgebers seinen finanziellen Pflichten nicht korrekt nachkommt. Falls die<br />

Zahlungsunfähigkeit des K<strong>und</strong>en des Arbeitgebers bei einer Geldforderung<br />

nicht offenk<strong>und</strong>ig ist, wofür der Arbeitgeber <strong>im</strong> Streitfall beweispflichtig wäre,<br />

kann vom Arbeitgeber verlangt werden, dass dieser den K<strong>und</strong>en mahnt. Dem<br />

Arbeitgeber ist ebenfalls zuzumuten, dass er den K<strong>und</strong>en betreibt <strong>und</strong> bei Vorliegen<br />

eines entsprechenden Titels auch Rechtsöffnung gemäss Art. 80 ff.<br />

SchKG verlangt. Einen ordentlichen Prozess oder ein Konkursverfahren <strong>im</strong> Inoder<br />

Ausland hat der Arbeitgeber aber nur dann anzustrengen, wenn entweder<br />

die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners erstellt ist oder aber eine wirtschaftlich<br />

vertretbare Konkursdividende zu erwarten ist. 997 Ebenso muss sich ein<br />

994<br />

995<br />

996<br />

997<br />

CR CO I-Aubert, Art. 322b N3;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N16.<br />

In den romanischen Fassungen von Art. 322b Abs. 3ORwird von «obligations» bzw.<br />

«obblighi» gesprochen.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N9;BSK OR I-Portmann, Art. 322b N3;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N16.<br />

Vgl. ZH-Komm. Staehelin, Art. 322b N16.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Konkursverfahren oder ein Prozess in Anbetracht des Streitwerts, der Kosten,<br />

der Erfolgschancen sowie einer etwaigen Vollstreckung, die unter Umständen<br />

<strong>im</strong> Ausland zu erfolgen hat, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit lohnen. Mutatis<br />

mutandis muss das Gleiche gelten, wenn der Vertragspartner die korrekt<br />

angebotene Leistung des Arbeitgebers ausschlägt <strong>und</strong> damit inAnnahmeverzug<br />

gerät. Diesfalls hätte der Arbeitgeber den Vertragspartner auf Erfüllung des<br />

Vertragsoder gegebenenfallsauf Schadenersatzzubelangen. 998<br />

563 Ist der Arbeitgeber in einem Forderungsprozess gegen einen K<strong>und</strong>en erfolgreich,<br />

ist für die Ermittlung der Provision das Prozessergebnis massgeblich. In<br />

einem Konkursverfahren wäre auf die Konkursdividende abzustellen. ImGegensatz<br />

zur Variante, in welcher kein rechtsgültiger Vertrag vorliegt, 999 ist in<br />

solchen Konstellationen eine Provision zu entrichten. Denn unter solchen Voraussetzungen<br />

erweist sich das Prozess- oder Konkursergebnis sowohl rechtlich<br />

als auch wirtschaftlich als Surrogat für die nicht korrekte Vertragserfüllung des<br />

Vertragspartners des Arbeitgebers. Zum Prozessergebnis, welche für die Provision<br />

von Bedeutung ist, gehört dabei einmal der Betrag, welchen der Arbeitgeber<br />

nach einer etwaigen Vollstreckung vom K<strong>und</strong>en erhältlich machen konnte.<br />

Sollte sich gestützt auf den Entscheid eines Gerichts allerdings ergeben, dass<br />

auch dem Arbeitgeber <strong>im</strong> Rahmen der Vertragserfüllung Fehler unterlaufen<br />

sind, wären diese Fehler zu bewerten <strong>und</strong> für Ermittlung der Provisionsbasis<br />

zumeingetriebenen Betrag hinzuzuzählen.<br />

564 Falls der Arbeitgeber in einem Konkursverfahren, einem Prozess gegen einen<br />

vertragsbrüchigen K<strong>und</strong>en ganz oder teilweise erfolgreich sein sollte oder einen<br />

Vergleich abschliesst, stellt sich die Frage, wie ungedeckte interne <strong>und</strong> externe<br />

Prozess- <strong>und</strong> etwaige Vollstreckungskosten des Arbeitgebers bezüglich der<br />

Provisionsbasis zuberücksichtigen sind. Auf vertraglicher Ebene können die<br />

Parteien eine passende Regelung vereinbaren. Fehlt esaber einer vertraglichen<br />

Vereinbarung, würde der letzte Teilsatz von Art. 322b Abs.3OR, der bei teilweiser<br />

Erfüllung eine verhältnismässige Reduktion der Provision vorsieht, nahelegen,<br />

dass solche Kosten von der Provisionsbasis abzuziehen sind. Gegen<br />

eine Berücksichtigung von ungedeckten, internen <strong>und</strong> externen Prozess- <strong>und</strong><br />

Vollstreckungskosten des Arbeitgebers spricht demgegenüber, dass essich dabei<br />

umKosten handelt, die mit dem eigentlichen, den Provisionsanspruch begründenden<br />

Geschäft nur in einem indirekten Zusammenhang stehen. Wenn<br />

überdies davon ausgegangen wird, dass eine ansich gr<strong>und</strong>satzwidrige Überwälzung<br />

des unternehmerischen Risikos nicht weiter gehen soll, als das Gesetz dies<br />

explizit vorsieht, wären solche Kosten vom eingebrachten Betrag nicht inAbzug<br />

zubringen. Andere Abrede vorbehalten wäre die Provision auf dem zugesprochenen<br />

Bruttobetrag gemäss Urteil plus dem Wert von etwaigen Verfeh-<br />

998<br />

999<br />

Vgl. Art. 107–109 OR.<br />

Vgl. oben Rz. 550.<br />

255


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

256<br />

lungen des Arbeitgebers (exklusive etwaiger Mehrwertsteuer 1000 )oder auf dem<br />

Ergebnis aus einem Vollstreckungsverfahren zu berechnen. Würde dieser Auffassung<br />

indessen nicht gefolgt, wäre umgekehrt konsequenterweise zu verlangen,<br />

dass der Arbeitgeber, der bei hohem Streitwert <strong>und</strong> effizienter Verfahrenserledigung<br />

unter Umständen seine internen <strong>und</strong> externen Prozess- <strong>und</strong> Verfahrenskosten<br />

mehr als gedeckt sieht, den Arbeitnehmer aneinem derartigen, unverhofften<br />

Gewinn («windfall profit»)ebenfalls partizipieren lässt.<br />

565 Daesdem Arbeitgeber als Vertragspartei obliegt, die zumutbaren <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

sinnvollen Massnahmen zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber<br />

seinem Vertragspartner zuergreifen, hat der Arbeitnehmer keine Handhabe, um<br />

den Arbeitgeber zukonkreten Schritten zu zwingen. Esfehlt an einer hinreichenden<br />

gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage, die auch bei extensiver Auslegung von<br />

Art. 322b Abs.3OR nicht aus dieser Best<strong>im</strong>mung abgeleitet werden kann. Ob<br />

<strong>und</strong> welche Massnahmen der Arbeitgeber gegen einen vertragsbrüchigen Vertragspartner<br />

ergreifen will, ist <strong>und</strong> bleibt ein unternehmerischer Entscheid des<br />

Arbeitgebers. Folglich hat der Arbeitnehmer esprinzipiell auch zu akzeptieren,<br />

wenn der Arbeitgeber nichts untern<strong>im</strong>mt, nach Einleitung eines Prozesses eine<br />

Klage zurückzieht oder einen gerichtlichen oder aussergerichtlichen Vergleich<br />

abschliesst, den der Arbeitnehmer als unbefriedigend betrachtet. Dem Arbeitnehmer<br />

bleibt es indessen anhe<strong>im</strong>gestellt, gegenüber dem Arbeitgeber Schadenersatzansprüche<br />

geltend zumachen. Der Arbeitnehmer könnte beispielsweise<br />

versuchen, den Nachweis zu erbringen, dass es dem Arbeitgeber möglich <strong>und</strong><br />

zumutbar gewesen wäre, gegen seinen Vertragspartner rechtliche Schritte einzuleiten.<br />

Ein Schadenersatzanspruch liesse sich ferner auch auf der Argumentation<br />

aufbauen, der Arbeitgeber sei bei der Geltendmachung seiner Ansprüche<br />

fehlerhaft vorgegangen, sodass bei korrekter Vorgehensweise dem Arbeitnehmerein<br />

höherer Provisionsanspruch zugestandenhätte.<br />

(b) Der nachträglicheWegfall desProvisionsanspruchs in zeitlicher Hinsicht<br />

566 Inzeitlicher Hinsicht kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Provisionsforderung<br />

sowohl während als auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

dahinfallen. Ferner kann in zeitlicher Hinsicht auch dahingehend eine Unterscheidung<br />

getroffen werden, obder Provisionsanspruch des Arbeitnehmers<br />

<strong>im</strong> Zeitpunkt seines Dahinfallens vom Arbeitgeber schon erfüllt worden ist oder<br />

nicht.<br />

567 Fällt eine Provision während oder nach Beendigung des Arbeitsvertrags nachträglich<br />

dahin <strong>und</strong> wurde die Provision vom Arbeitgeber noch nicht ausbezahlt,<br />

dürften sich gr<strong>und</strong>sätzlich keine Probleme stellen, sofern das Dahinfallen der<br />

Provisionsforderung inder Sache unbestritten bleibt. Unter Vorbehalt einer an-<br />

1000<br />

Vgl. auch oben Rz. 481.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

derslautenden vertraglichen Vereinbarung entfällt der Anspruch des Arbeitnehmers<br />

von Gesetzes wegen aufgr<strong>und</strong> der erfüllten, gesetzlichen Resolutivbedingung.<br />

1001<br />

568 Wurde die Provision während eines laufenden Arbeitsverhältnisses allerdings<br />

schon ausbezahlt <strong>und</strong> fällt die Provisionsforderung nachträglich dahin, steht<br />

dem Arbeitgeber die Möglichkeit offen, die schon ausbezahlte Provision mit<br />

neu fällig werdenden Provisionsansprüchen zu verrechnen. Zudem ist auch eine<br />

Verrechnung mit dem Fix- oder Basislohn des Arbeitnehmers gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig.<br />

Bei der Verrechnung ist allerdings die Einschränkung auf den pfändbaren<br />

<strong>Lohn</strong> des Arbeitnehmers gemäss Art. 323b Abs. 2ORzubeachten. Dagemäss<br />

Art. 120 Abs.2OR auch bestrittene Gegenforderungen zur Verrechnung<br />

gebracht werden können, kann die Verrechnung vom Arbeitgeber auch dann erklärt<br />

werden, wenn der Arbeitnehmer das Dahinfallen des Provisionsanspruchs<br />

<strong>und</strong>damit dieGegenforderung des Arbeitgebers bestreitet.<br />

569 Unabhängig davon, obdas Arbeitsverhältnis beendet worden ist oder noch andauert<br />

<strong>und</strong> obdas Dahinfallen der Provision umstritten ist, handelt essich be<strong>im</strong><br />

Anspruch auf Rückzahlung der Provision um einen vertraglichen Erstattungsanspruch<br />

des Arbeitgebers <strong>und</strong> nicht umeinen Anspruch aus ungerechtfertigter<br />

Bereicherung. 1002<br />

C. Berechnung <strong>und</strong>Ausrichtung derProvision<br />

570 Art. 322b <strong>und</strong> Art. 322c OR lassen offen, wie die Provision zugunsten des Arbeitnehmers<br />

konkret zu berechnen ist. Insofern kommt der Gr<strong>und</strong>satz der Vertragsfreiheit<br />

voll zum Tragen. 1003 Die Parteien können die Faktoren, welche für<br />

die Berechnung des Provisionsanspruchs des Arbeitnehmers relevant sein sollen,frei<br />

wählen.<br />

571 Inder Praxis dürften Prozentabreden am häufigsten anzutreffen sein. Dem Arbeitnehmer<br />

steht auf dem oder den provisionsberechtigten Geschäft(en) ein best<strong>im</strong>mter<br />

Prozentsatz zu. Zulässig ist auch, für unterschiedliche Geschäfte unterschiedliche<br />

Provisionssätze zu vereinbaren. Ebenfalls möglich <strong>und</strong> zulässig<br />

ist es, dass dem Arbeitnehmer pro abgeschlossenes Geschäft ein Fixbetrag zusteht,<br />

1004 der vom mengenmässigen (sog. Stückprovision) oder finanziellen Volumen<br />

(Umsatzprovision) oder vom Gewinn (Gewinnprovision) des vermittelten<br />

Geschäfts abhängig sein kann, aber nicht muss. Verschiedentlich kommen<br />

1001<br />

1002<br />

1003<br />

1004<br />

Vgl. oben Rz. 558.<br />

BGE 126 III 119 (E. 3,120 ff.).<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art.322c N1; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322b N3;Carruzzo, Art. 322b N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N9.<br />

257


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

258<br />

in der Praxis auch Provisionsstaffeln oder Provisionstabellen zum Einsatz. 1005<br />

Diese Tabellen können sehr unterschiedlich gestaltet sein. 1006 Einer Provisionstabelle<br />

könnte etwa die budgetierte Gewinnmarge für best<strong>im</strong>mte Produkte oder<br />

Dienstleistungen des Arbeitgebers zugr<strong>und</strong>e liegen. Ebenfalls kann eine Provisionstabelle<br />

auf dem Umsatz, dem Deckungsbeitrag 1007 oder einer anderen,<br />

wirtschaftlich sinnvollen Grösse beruhen. In ihrer Ausgestaltung bezüglich der<br />

Provisionsberechnung kann eine Tabelle sodann vollständig oder abschnittsweise<br />

linear, progressiv <strong>und</strong>/oder degressiv ausgestaltet sein. Weiter können Provisionsvereinbarungen<br />

auch vorsehen, dass Kleingeschäfte 1008 nichtberücksichtigt<br />

werden sollen <strong>und</strong> grössere Einzelgeschäfte einen max<strong>im</strong>alen Provisionsbetrag<br />

nicht überschreiten können. Neben einer unteren <strong>und</strong> oberen L<strong>im</strong>ite für einzelne<br />

provisionsberechtigte Geschäfte kann schliesslich auch eine z.B. monatliche,<br />

halbjährliche oder jährliche Max<strong>im</strong>alprovision vereinbart werden, selbst wenn<br />

damit der mit der Provisionsvereinbarung verfolgte Motivationszweck <strong>und</strong><br />

-effekteingeschränkt wird.<br />

572 Mangels spezifischer vertraglicher Vereinbarung <strong>und</strong> bei Fehlen einer dem Arbeitnehmer<br />

be<strong>im</strong> Vertragsschluss bekannten Betriebs- oder Branchenübung, 1009<br />

wofür der Arbeitgeber beweispflichtig wäre, ist nach vorherrschender Auffassung<br />

als Basis für die Berechnung einer (meist prozentualen) Provision der Netto(rechnungs)betrag<br />

bzw. Nettoumsatz massgeblich. 1010 Welche einzelnen Posten<br />

allerdings vom Brutto(rechnungs)betrag abzuziehen bzw. wieder hinzuzurechnen<br />

sind,ist teilweise umstritten.<br />

573 Von einer Minderheit in der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass vom<br />

Rechnungsendbetrag vom Arbeitgeber übernommene Kosten, die anDritte zu<br />

entrichten sind, 1011 nicht abgezogen werden können. 1012 Nach anderer Auffassung<br />

sollen solche Drittkosten nicht zur Provisionsbasis gehören, weil sie sich<br />

1005<br />

1006<br />

1007<br />

1008<br />

1009<br />

1010<br />

1011<br />

1012<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N2;Brand/Dürr et al., Art. 322b N1.<br />

Vgl. beispielsweise die Tabelle <strong>im</strong> Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 3. Juli 2008,<br />

4A_498/2007, E. 4.2.<br />

Unter einem Deckungsbeitrag wird <strong>im</strong> System der Teilkostenrechnung in der Regel<br />

derjenige Betrag verstanden, der sich aus der Differenz zwischen dem erzielten Erlös<br />

<strong>und</strong> den variablen Kosten für die Leistungserbringung ergibt. Der Deckungsbeitrag<br />

bezeichnet somit die Summe, die ein Geschäft zur Deckung von Fixkosten beiträgt;<br />

vgl. Boemle/Gsell et. al., S. 289 f., Stichwort «Deckungsbeitragsrechnung».<br />

Z.B. für Geschäfte mit einem Warenwert von weniger als CHF 100.-.<br />

Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N10.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322c N1; Brühwiler, Art. 322b N1;<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322b N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322b N6; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N9.<br />

Z.B. für Fracht oder Versand, Zoll, Versicherung, Verpackung, Mess- oder Wägespesen<br />

etc.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322c N1;Brand/Dürr et al., Art. 322c N4.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

für den Arbeitgeber erlösmindernd auswirken. 1013 Weitere Beträge, welche den<br />

vom K<strong>und</strong>en zubegleichenden Betrag in anderer Weise mindern, z.B. Treueprämien<br />

oder Rabatte jeglicher Art, sind nach überwiegender Meinung vom Basisbetrag<br />

für die Berechnung der Provision auszunehmen bzw. sollen nicht wieder<br />

addiert werden. 1014 Nach der Mehrheitsmeinung allerdings nicht abzuziehen<br />

bzw. wieder hinzuzurechnen wäre ein vom Arbeitgeber gewährtes (Barzahlungs-)Skonto,<br />

1015 da dessen Gewährung meist eine vorgezogene K<strong>und</strong>enzahlung<br />

fördern soll. Das Skonto kommt insofern vorrangig der finanziellen Liquidität<br />

des Arbeitgebers zugute. Die Mehrheit der St<strong>im</strong>men inder Literatur dürfte<br />

ebenfalls die Mehrwertsteuer vom Basisbetrag für die Berechnung der prozentualen<br />

Provision ausnehmen. 1016 Eine Lehrmeinung will sodann ausschliesslich<br />

auf den Waren- oder Dienstleistungswert abstellen, weil alle anderen Posten,<br />

wie Rabatte, Zölle, Frachtspesen etc. vom Unternehmerrisiko erfasst sind, das<br />

derArbeitgeber zu tragen hat. 1017<br />

574 Der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht zur Mehrwertsteuer ist<br />

zuzust<strong>im</strong>men. Den separat auszuweisenden Mehrwertsteuerbetrag indie Provisionsbasis<br />

einzubeziehen, ist zwar vertraglich möglich. Fehlt allerdings eine<br />

solche Abrede, wäre dies aus sachlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll, 1018 da<br />

es sich um eine Steuer handelt, die auch der Arbeitgeber nicht beeinflussen<br />

kann. 1019 Bezüglich anderer Kosten, welche anDritte zu bezahlen sind, vermag<br />

die wirtschaftlich geprägte Auffassung der vorherrschenden Lehre indessen<br />

nicht vollständig zuüberzeugen. Vorab findet die Mehrheitsmeinung, wonach<br />

1013<br />

1014<br />

1015<br />

1016<br />

1017<br />

1018<br />

Brühwiler, Art. 322b N1; CHK-Emmel, Art. 322b N4; Geiser, Leistungslohn,<br />

Rz. 3.23; KUKO OR-Pietruszak, Art. 322b N4;Streiff/von Kaenel, Art. 322b N6;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N9;differenzierend: B. Meyer, S. 75 f., wonach diejenigen<br />

Kosten, die <strong>im</strong>Preis einkalkuliert <strong>und</strong> dem K<strong>und</strong>en ohne Ausscheidung in<br />

Rechnung gestellt werden, nicht abzuziehen sind. Werden solche Kosten dem K<strong>und</strong>en<br />

aber separat inRechnung gestellt, sollen diese Kosten nicht zur Provisionsgr<strong>und</strong>lage<br />

gehören.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322c N1;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23; Streiff/<br />

von Kaenel, Art. 322b N6;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N9; anders: Brand/Dürr<br />

et al., Art. 322c N4.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322c N1; Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322b N6,wonach das Skonto nicht vom provisionsberechtigten<br />

Betrag abzuziehen ist, weil der Arbeitgeber damit Fremdzinsen spart (was zwar<br />

möglich ist, aber nicht <strong>im</strong>mer der Fall sein muss); ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b<br />

N9,wonach das Barzahlungsskonto nicht abzuziehen ist, weil die Barzahlung dem<br />

Arbeitgeber zugutekommt; anders: Brand/Dürr et al., Art. 322c N4.<br />

Brühwiler, Art. 322b N1(noch zur WUSt.); Streiff/von Kaenel, Art. 322b N6;ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 322b N9,<strong>und</strong> wohl auch Brand/Dürr et al., Art. 322b N4.<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322c N4.<br />

Vgl. auch oben Rz. 481.<br />

1019 Wobei allerdings <strong>im</strong> Rahmen des Vorsteuerabzugs unter Umständen Opt<strong>im</strong>ierungspotenzial<br />

vorhanden sein kann (vgl. Art. 28ff. MWSTG).<br />

259


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

260<br />

Drittkosten bzw. Erlösminderungen von der Provisionsbasis abzuziehen sind, in<br />

der gesetzlichen Regelung keine hinreichende Gr<strong>und</strong>lage. Diese wirtschaftliche<br />

Betrachtungsweise <strong>und</strong> aus der Perspektive des Arbeitgebers zu favorisierende<br />

Lösung ist auch deswegen kritisch zu hinterfragen, weil der Arbeitgeber etwaige<br />

Drittkosten meist entweder offenlegen oder aber direkt inden zu fakturierenden<br />

Preis einbeziehen kann. Esliegt vorwiegend amArbeitgeber, ob <strong>und</strong><br />

inwiefern diese Drittkosten, welche mit der eigentlichen Leistungserstellung in<br />

keinem direkten Zusammenhang stehen, ganz oder teilweise auf den K<strong>und</strong>en<br />

überwälzt werden können. 1020 Für die Berechnung der Provisionsbasis ist es aus<br />

arbeitsrechtlicher Sichtauch keineswegszwingend,die in derLehre beispielhaft<br />

aufgezählten Drittkosten 1021 von <strong>Lohn</strong>kosten oder sonstigem Waren- <strong>und</strong> Verwaltungsaufwand,<br />

der be<strong>im</strong> Arbeitgeber anfällt, zu unterscheiden. Mangels anderer<br />

Abrede, Betriebs- oder Branchenübung wäre daher <strong>im</strong> Zweifelsfall aufgr<strong>und</strong><br />

des Gr<strong>und</strong>satzes, dass das Unternehmerrisiko vom Arbeitgeber zu tragen<br />

ist, der Bruttorechnungsbetrag (inkl. Drittkosten, exkl. Rabatten <strong>und</strong> Ähnlichem<br />

sowieexkl. Mehrwertsteuer) massgeblich.<br />

575 Anders zubeurteilen wären indessen die Konstellationen, in welchen einem<br />

Arbeitnehmer die Befugnis zukommt, innerhalb einer best<strong>im</strong>mten Bandbreite<br />

die Preis- <strong>und</strong> Lieferkonditionen für den Arbeitgeber auszuhandeln. Dies kann<br />

sowohl bei einer Abschlussprovision als auch bei einer Vermittlungsprovision<br />

der Fall sein, wenn der Arbeitgeber sich einen Genehmigungsvorbehalt ausbedungen<br />

hat. In diesen Fällen sollten Rabatte <strong>und</strong> andere Erlösminderungen, die<br />

der Arbeitnehmer dem K<strong>und</strong>en befugterweise gewährt hat bzw. <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Verhandlungen nicht auf den K<strong>und</strong>en überwälzt werden konnten, nicht inder<br />

Provisionsbasisenthalten sein.<br />

576 Mit welchem Zahlungsmittel der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt<br />

wird, lässt das Gesetz wiederum offen. Die Provision kann damit sowohl in<br />

Geld (einer oder verschiedener Währungen) oder als Naturallohn ausgerichtet<br />

werden. 1022<br />

577 Für die Zusammenstellung der provisionspflichtigen Geschäfte ist nach der teilzwingenden<br />

Vorschrift in Art. 322c Abs. 1OR 1023 gr<strong>und</strong>sätzlich der Arbeitge-<br />

1020<br />

1021<br />

1022<br />

1023<br />

Vgl. B. Meyer, S. 75 f.<br />

Vgl. auch oben Fn. 1012.<br />

Vgl. dazu auch oben Rz. 491.<br />

Art. 322c OR lautet wie folgt:<br />

«b. Abrechnung<br />

1<br />

Ist vertraglich nicht der Arbeitnehmer zur Aufstellung der Provisionsabrechnung<br />

verpflichtet, so hat ihm der Arbeitgeber auf jeden Fälligkeitstermin eine schriftliche<br />

Abrechnung, unter Angabe der provisionspflichtigen Geschäfte, zu übergeben.<br />

2<br />

der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer oder an dessen Stelle einem gemeinsam best<strong>im</strong>mten<br />

oder vom Richter bezeichneten Sachverständigen die nötigen Aufschlüsse zu


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

ber verantwortlich. Eine andere mündliche oder schriftliche 1024 Vereinbarung,<br />

die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt, für die provisionsberechtigenden<br />

Geschäfte eine Abrechnung zuerstellen, ist allerdings trotz der teilzwingenden<br />

Ausgestaltung von Art. 322c Abs.1OR <strong>im</strong> Gesetz explizit vorgesehen. Für die<br />

Abrechnungspflicht des Arbeitnehmers ist <strong>im</strong> Streitfall der Arbeitgeber beweispflichtig.<br />

1025 In zeitlicher Hinsicht verlangt das Gesetz, dass die Abrechnung<br />

über die provisionspflichtigen Geschäfte jeweils auf jeden Fälligkeitstermin hin<br />

zu erfolgen hat. Gemäss Art. 323 Abs.2OR werden Provisionsansprüche des<br />

Arbeitnehmers Ende jeden Monats fällig, sofern keine kürzere Frist vereinbart<br />

oder üblich ist. In Gesamt- oder Normalarbeitsverträgen können nach herrschender<br />

Lehre allerdings auch Fälligkeitstermine vorgesehen werden, die mehr<br />

als einen Monat auseinanderliegen, was ineinem Einzelarbeitsvertrag jedoch<br />

nichtmöglich ist. 1026<br />

578 Eine andere Fälligkeitsregel kann nach Art. 323 Abs.2Teilsatz 2ORfür Geschäfte<br />

greifen, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr benötigt. Gemeint<br />

sind damit ins<strong>besondere</strong> Geschäfte, deren Erfüllungsphase die zeitliche Grenze<br />

eines halben Jahres überschreitet. Bei solchen, provisionsberechtigenden Geschäften<br />

kann die Fälligkeit des Provisionsanspruchs mit einer schriftlichen Abrede<br />

1027 <strong>im</strong> Arbeitsvertrag aufgeschoben werden.<br />

579 Fällig werden derart aufgeschobene Provisionsansprüche amEnde desjenigen<br />

Monats, in welchem der Arbeitgeber die Gegenleistung seines Vertragspartners<br />

vollständig erhalten hat, 1028 obschon das Gesetz keine Max<strong>im</strong>alfrist für den<br />

Aufschub der Fälligkeit vorsieht. 1029 Nicht relevant ist daher der Zeitpunkt, in<br />

welchem der Arbeitgeber seine letzte Leistung für den K<strong>und</strong>en erbringt, sollte<br />

diese vor oder nach vollständiger Zahlung durch den K<strong>und</strong>en erfolgen. Denn<br />

ins<strong>besondere</strong> bei einer Vorleistungspflicht des K<strong>und</strong>en des Arbeitgebers ist<br />

1024<br />

1025<br />

1026<br />

1027<br />

1028<br />

1029<br />

geben <strong>und</strong> Einsicht indie für die Abrechnung massgebenden Bücher <strong>und</strong> Belege zu<br />

gewähren, soweit dies zur Nachprüfung erforderlich ist.»<br />

BBl 1967 II, S. 318 f.<br />

BBl 1967 II, S. 319.<br />

Vgl. statt mehrerer: ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N12.<br />

Vgl. Art. 13 OR.<br />

Anders: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N17, wonach die endgültige Erfüllung<br />

durch beide Parteien relevant sein soll; vgl. auch Streiff/von Kaenel, Art. 322c<br />

N4;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 323 N13.<br />

BBl 1967 II, S.323; insofern ist die Auffassung von Brühwiler, Art. 322c N7,abzulehnen,<br />

wonach die Parteien die Zahlungsfrist unter Berücksichtigung des Einzelfalls<br />

frei vereinbaren können. Die Auffassung von Brühwiler (a.a.O.) wird von der wohl<br />

vorherrschenden Lehre mit dem Argument abgelehnt, dass ein Fälligkeitszeitpunkt<br />

nach vollständiger Abwicklung des Geschäfts rechtsmissbräuchlich wäre; vgl. BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 323 N17; Streiff/von Kaenel, Art. 323 N4; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 323 N13.<br />

261


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

262<br />

nicht einzusehen, weshalb der Arbeitnehmer länger auf den Provisionslohn sollte<br />

warten müssen, wenn der Arbeitgeber die volle Gegenleistung für seine noch<br />

zu erbringenden Leistungen schon erhalten hat. Denn in diesem Zeitpunkt hat<br />

der Arbeitgeber den wirtschaftlichen Erfolg bereits realisiert, selbst wenn dieser<br />

wirtschaftlicheErfolg noch nicht vollständigerarbeitet worden ist.<br />

580 Dadas Gesetz bei der Abrechnung von Provisionsansprüchen gr<strong>und</strong>sätzlich von<br />

einer monatlichen Abrechnung ausgeht, sind Akontozahlungen relativ selten.<br />

Wird allerdings gestützt auf einen Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsvertrag eine<br />

längere Fälligkeitsperiode vorgesehen, können trotzdem Akontozahlungen<br />

vorkommen. 1030<br />

D. Informations- <strong>und</strong> Einsichtsrechtedes Arbeitnehmers<br />

581 Art. 322c Abs.2OR gewährt dem Arbeitnehmer – analog zu Art. 322a<br />

Abs.2OR –Einsichts- <strong>und</strong> Kontrollrechte. Der Zweck dieser Informations<strong>und</strong><br />

Einsichtsrechte liegt darin, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben,<br />

die Richtigkeit der Provisionsabrechnung prüfen zu können. Dadie Regelung in<br />

Art. 322c Abs.2OR inhaltlich mit derjenigen von Art. 322a Abs.2OR übereinst<strong>im</strong>mt,<br />

kann auf die diesbezüglichen Ausführungen be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnisverwiesen<br />

werden. 1031<br />

E. Sonderfragen<br />

1. Regeln <strong>im</strong> Zweifelsfall beiunvollständigerParteivereinbarung<br />

582 Wie jede vertragliche Abrede können auch Provisionsvereinbarungen zwischen<br />

den Parteien des Arbeitsvertrags inverschiedener Hinsicht unvollständig oder<br />

unklar sein. Führt eine Vertragsauslegung zukeiner überzeugenden Lösung des<br />

sich stellenden Problems, wäre bei einer unklaren Vereinbarung auf die Unklarheitsregel<br />

1032 abzustellen. Bei einer unvollständigen Provisionsabrede wäre, unter<br />

Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, für die Ergänzung der<br />

Abredeinerster Linie auf eineBetriebs- oderBranchenübung abzustellen. 1033<br />

583 Die vertragliche Regelung einer Provisionsabrede kann dahingehend unklar<br />

sein, dass die provisionsberechtigenden Geschäfte nicht eindeutig umrissen<br />

sind. Im Streitfall wäre daher, nebst der Unklarheitsregel <strong>und</strong> einer Betriebsoder<br />

Branchenübung, ins<strong>besondere</strong> auf die effektive Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

<strong>im</strong> Unternehmen des Arbeitgebers abzustellen. Zuden provisionspflichti-<br />

1030<br />

1031<br />

1032<br />

1033<br />

Zu Akontozahlungen vgl. auch oben Rz. 493 f.<br />

Vgl. oben Rz. 496 ff.<br />

Zur Unklarheitsregel vgl. die Hinweise in Fn. 846.<br />

Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.23; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N10.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

gen Geschäften wären danach all diejenigen kommerziellen Transaktionen zu<br />

zählen, indenen der Arbeitnehmer einen kausalen Beitrag zu einem positiven<br />

Geschäftsereignis bzw. einem Geschäftserfolg geleistet hat. Dies dürfte mehrheitlich<br />

Geschäfte auf der Absatzseite des Arbeitgebers betreffen. Indessen<br />

können auch Geschäfte auf der Einkaufsseite durchaus als provisionsberechtigend<br />

eingestuft werden. 1034 Zust<strong>im</strong>mung verdient die Auffassung in der Lehre,<br />

dass der Zweck einer Provisionsvereinbarung meist auf die Erhöhung des Umsatzes<br />

(bzw. auf eine Verringerung der Kosten) mittels Einzelgeschäften gerichtet<br />

ist. Andere Vereinbarung vorbehalten ist deswegen nicht der Gewinn oder<br />

Deckungsbeitrag eines einzelnen Geschäfts massgebend, sondern der (UmsatzoderErsparnis-)Wert<br />

desGeschäftsfür den Arbeitgeber. 1035<br />

584 Sollte bei einer Provisionsvereinbarung unklar sein, wie aus den provisionsberechtigenden<br />

Geschäften die effektive Provision des Arbeitnehmers zu berechnen<br />

ist, kann erneut auf Art. 322 Abs.1OR zurückgegriffen werden. Der Arbeitgeber<br />

hat diejenige Provision zubezahlen, welche betriebs- oder branchenüblich<br />

ist. Da die prozentuale Provision gesamtschweizerisch wohl die grösste<br />

Verbreitung erfahren hat, 1036 dürfte diesbezüglich von einer faktischen Vermutung<br />

für einen prozentualen Anteil an den vermittelten oder abgeschlossenen<br />

Geschäften auszugehen sein. Wie schon be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis<br />

rechtfertigt sich auch bei einer unzureichenden Provisionsvereinbarung die Forderung<br />

zugunsten des Arbeitnehmers, dass –sollten sich eine Betriebs- <strong>und</strong> eine<br />

Branchenübung nicht decken –die jeweils für den Arbeitnehmer günstigere Berechnungsmethode<br />

massgeblich ist. Dem Arbeitgeber muss allerdings der Beweis<br />

offenstehen, dass der Arbeitnehmer die eine oder andere Übung gekannt<br />

hat oder wenigstens hätte kennen können <strong>und</strong> müssen. Lässt sich indessen weder<br />

eine Betriebs- oder Branchenübung feststellen, hätte der Richter nach Recht<br />

<strong>und</strong> Billigkeit zu entscheiden. 1037<br />

2. Provisionals einzige <strong>Lohn</strong>komponente?<br />

585 Bei derKonzeption dergesetzlichen Regelung zurProvision ist derGesetzgeber<br />

davon ausgegangen, dass be<strong>im</strong> Handelsreisenden die Provision eine häufige,<br />

1034<br />

1035<br />

1036<br />

1037<br />

Vgl. oben Rz. 521.<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N2<strong>und</strong> N9.<br />

So schon BBl 1967 II, S. 317; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N1;<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322b N1;Geiser, Leistungslohn, Rz.3.23; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322b N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N9.<br />

Vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 322 N7mit Hinweis auf den Entscheid des Tribunale<br />

d’appello del cantone Ticino vom 1.Dezember 2000, JAR 2001, S. 188 ff. (E. 3,<br />

189 f.) für die Entschädigung von Pikettdienst; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322 N1;Streiff/von Kaenel, Art. 322 N7.<br />

263


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

264<br />

normale <strong>und</strong> unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen 1038 sogar die einzige Form des<br />

<strong>Lohn</strong>s sein kann. Bei anderen Arbeitsverhältnissen ging der Gesetzgeber allerdings<br />

davon aus, dass die Provision neben einem Fix- oder Basislohn nur einen<br />

weiteren Bestandteil derGesamtlohnabrededarstellt. 1039<br />

586 Die herrschende Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung gehen gestützt auf die Vertragsfreiheit<br />

<strong>und</strong> inErmangelung einer gesetzlichen Regel, welche eine ausschliesslich<br />

in einer Provision bestehende <strong>Lohn</strong>abrede untersagt, davon aus, dass die Provision<br />

die gesamte Entlöhnung eines Arbeitnehmers ausmachen kann. Praktisch<br />

gleich wie be<strong>im</strong> Anteil am Geschäftsergebnis wird aber von der vorherrschenden<br />

Lehre gefordert, dass dem Arbeitnehmer gestützt auf eine analoge Anwendung<br />

von Art.349a Abs. 2ORein angemessenesEntgelt verbleiben muss. 1040<br />

XVII. DieGratifikation (Art. 322d OR)<br />

587 Der Gratifikation («gratification»; «gratificazione») widmet das Gesetz in<br />

Art. 322d OR 1041 nur eine Best<strong>im</strong>mung. Eingang ins Gesetz fand die Best<strong>im</strong>mung<br />

zur Gratifikation <strong>im</strong> Rahmen der Revision des Arbeitsvertragsrechts, die<br />

am 1. Januar 1972 inKraft trat. Im Expertenentwurf, der die Revision des Arbeitsvertragsrechts<br />

in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre vorbereitete, war zur<br />

Gratifikation noch keine Regel enthalten. ImEnde 1964 eröffneten Vernehmlassungsverfahren<br />

wurde indessen von mehreren Kantonen, verschiedenen politischen<br />

<strong>und</strong> sozialen Organisationen sowie von Arbeitgeber- <strong>und</strong> Arbeitnehmerverbänden<br />

das Fehlen einer gesetzlichen Regelung der Gratifikation als be-<br />

1038<br />

1039<br />

1040<br />

1041<br />

Vgl. Art. 349a Abs. 2OR.<br />

BBl 1967 II, S. 317 f.<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6.Juni 2005, AGVE 2005,<br />

S. 29 ff. (E. 2b, 29 f.); Entscheid der Chambre d'appel des prud'hommes ducanton de<br />

Genève vom 25. Mai 2005, JAR 2006, S. 441 ff. (E. 2.3.2, 443 f.); BGE 129 III 664<br />

(E. 6.1, 670) für den Handelsreisenden; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322b N2;<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322b N1;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322b N3;<br />

Carruzzo, Art. 322b N1; CHK-Emmel, Art. 322b N1; KUKO OR-Pietruszak,<br />

Art. 322b N5;Geiser, Leistungslohn, Rz. 3.25; Portmann/Stöckli, N271; Reinert, Aspekte,<br />

S. 136; Senti, Abgrenzung, S. 675; Streiff/von Kaenel, Art. 322b N5;Vischer,<br />

S. 102; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322b N1; kritisch: Cramer, N230 ff.; Schmid,<br />

S. 300 ff.<br />

Vgl. dazu auch oben Rz. 505 ff.<br />

Art. 322d OR lautet wie folgt:<br />

« 1 Richtet der Arbeitgeber neben dem <strong>Lohn</strong> bei best<strong>im</strong>mten Anlässen, wie Weihnachten<br />

oder Abschluss des Geschäftsjahres, eine Sondervergütung aus, so hat der Arbeitnehmer<br />

einen Anspruch darauf, wenn es verabredet ist.<br />

2<br />

Endigt das Arbeitsverhältnis, bevor der Anlass zur Ausrichtung der Sondervergütung<br />

eingetreten ist, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen verhältnismässigen<br />

Teil davon, wenn es verabredet ist.»


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

dauernswerte Auslassung empf<strong>und</strong>en. 1042 Das Anliegen, die Gratifikation einer<br />

gesetzlichen Regelung zu unterziehen, dürfte ihre Ursache nicht zuletzt darin<br />

gehabt haben, dass Probleme <strong>im</strong>Zusammenhang mit Gratifikationen als einer<br />

(bis dahin) gesetzlich nicht geregelten Erscheinung in der Praxis regelmässig<br />

die Gerichte beschäftigt hatten. 1043 Es liegt somit nahe, dass das Bedürfnis nach<br />

einem Schliessen dieser Gesetzeslücke von mehreren Zielsetzungen getragen<br />

wurde. Essollte die Rechtssicherheit erhöht, eine Vereinheitlichung der teilweise<br />

unterschiedlichen Rechtsprechung der kantonalen Gerichte erreicht <strong>und</strong>,ganz<br />

allgemein, auf eine Min<strong>im</strong>ierung von Streitigkeiten <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

Gratifikationenhingewirktwerden.<br />

588 Auf diesen, von einer breiten Basis getragenen Wunsch hin fand Art. 322d OR<br />

Eingang in den Gesetzesentwurf des B<strong>und</strong>esrates für die Revision des Arbeitsvertragsrechts.<br />

Zur vorgeschlagenen Regelung inArt. 322d OR wurde in der<br />

Botschaft 1967 einleitend ausgeführt, die Vorschrift umschreibe den Begriff der<br />

Gratifikation, regle die Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch <strong>und</strong> befasse<br />

sich schliesslich mit der Frage, ob bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses<br />

vor dem Anlass, bei welchem die Gratifikation ausgerichtet wird, ein pro rata-<br />

Anspruch auf eine Gratifikationsleistung eingeführt werden soll. 1044 Der mit der<br />

Botschaft 1967 veröffentlichte Text von Art. 322d OR blieb, trotz diesbezüglichen<br />

parlamentarischen Erörterungen, 1045 praktisch unverändert. 1046<br />

589 Wie die umfangmässig <strong>und</strong> inhaltlich knappe Fassung der Regelung in<br />

Art. 322d OR zeigt, wurde das Rechtsinstitut der Gratifikation nur sehr zurückhaltend<br />

normiert. 1047 Mit Ausnahme der pro rata-Regelung inAbs.2 ist die<br />

dispositive Best<strong>im</strong>mung in Art. 322d OR mehr beschreibender <strong>und</strong> klassifikatorischer<br />

als normativer Natur. Eine Ursache für die zurückhaltende Regelung der<br />

Gratifikation <strong>im</strong>Gesetz mag einerseits darin liegen, dass ursprünglich von der<br />

Expertenkommission, die den ersten Entwurf für die Revision des Arbeitsvertragsrechts<br />

ausarbeitete, gar keine gesetzliche Regelung der Gratifikation vorgesehen<br />

war. Weshalb die Expertenkommission auf eine Regelung der Gratifikation<br />

verzichtet hatte, wird in der Botschaft 1967 nicht näher erläutert. Eine<br />

mögliche Erklärung dafür könnte darin gesehen werden, dass mit Bedacht Zurückhaltung<br />

geübt wurde, weil eine Überregulierung in der politischen Debatte<br />

womöglich keinen Erfolg gehabt hätte. Die Regulierungsdichte <strong>im</strong> neuen Arbeitsvertragsrecht<br />

sollte nicht höher sein, als es für einen, den gesellschaftlichen<br />

1042<br />

1043<br />

1044<br />

1045<br />

1046<br />

1047<br />

BBl 1967 II, S. 259 f.<br />

BBl 1967 II, S. 319.<br />

BBl 1967 II, S. 320.<br />

Vgl. dazu Delbrück, S. 3; Schweingruber, Art. 322d Ziff. 1; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 322d N1.<br />

Vgl. BBl 1967 II, S. 431, sowie BBl 1971 I, S. 1424 f.<br />

Vgl. Schneiter, S. 243; Streiff/von Kaenel, Art. 322d N2.<br />

265


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

266<br />

<strong>und</strong> sozialen Rahmenbedingungen Rechnung tragenden Interessenausgleich<br />

zwischen Arbeitgeber(n) <strong>und</strong>Arbeitnehmer(n)unumgänglich schien. 1048<br />

590 Andererseits wurde <strong>im</strong> Rahmen der umfassenden Revision des Arbeitsvertragsrechts<br />

–inder Geschichte des Arbeitsrechts vermutlich erstmalig –auch bewusst<br />

ein gewisser Arbeitgeberschutz inBetracht gezogen <strong>und</strong> verwirklicht. 1049<br />

Denn angesichts des beinahe ununterbrochenen wirtschaftlichen Aufschwungs<br />

seit Beginn der 1950er-Jahre, 1050 welcher eine bislang nicht gekannte Knappheit<br />

an Arbeitskräften nach sich gezogen hatte, 1051 schien sich die wirtschaftliche<br />

Abhängigkeit eines Grossteils der Arbeitnehmer von einem oder wenigen Arbeitgebern<br />

reduziert zu haben. Es lag aufgr<strong>und</strong> eines anhaltenden Nachfrageüberhangs<br />

nach Arbeitskräften ein Arbeitnehmermarkt vor. Arbeitnehmer der<br />

meisten Branchen <strong>und</strong> beruflichen Schichten waren umworben. Sie brauchten<br />

sich angesichts der damals beinahe stetig anmutenden Wirtschaftsblüte nur relativ<br />

geringe Sorgen zumachen, keine andere Anstellung zufinden. Über die gewerkschaftliche<br />

Organisation der Arbeitnehmer hinaus wurde das Entstehen eines<br />

Arbeitnehmermarktes zudem dadurch gefördert, dass nebst dem öffentlichen<br />

Verkehr auch die private Mobilität für breite Bevölkerungsschichten mittlerweile<br />

erschwinglich geworden war. Der Radius des Arbeitswegs, den Arbeitnehmer<br />

ohne Umzug <strong>und</strong> ohne übermässige zeitliche <strong>und</strong> finanzielle Mehrbelastung<br />

auf sich nehmen konnten, eröffnete ihnen einen erweiterten Aktionsradius.<br />

Sie konnten Arbeitgeber in Betracht ziehen, die sie ohne private Mobilität<br />

gar nicht oder nur unter erheblicher Mehrbelastung hätten erreichen können.<br />

Arbeitnehmer fanden sich somit tendenziell häufiger in der Situation, zwischen<br />

verschiedenen Stellenangeboten wählen zu können (<strong>und</strong> zu müssen). Die Sorge,<br />

von Arbeitslosigkeit getroffen zu werden, war relativ gering <strong>und</strong> dürfte ebenso<br />

empf<strong>und</strong>enworden sein.<br />

1048<br />

1049<br />

1050<br />

1051<br />

Delbrück, S.3,vermutet, das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Gratifikation <strong>im</strong><br />

Entwurf der Expertenkommission könnte darauf zurückzuführen sein, dass in der dynamischen<br />

Rechtswirklichkeit unter dem Begriff der Gratifikation eine Reihe von verschiedenen<br />

Tatbeständen zusammengefasst wurden, welche aus juristischer Sicht unterschiedlich<br />

zu beurteilen sind.<br />

Vgl. Daxelhoffer, S. 35 ff., der darauf hinweist, dass verschiedene Vorschriften auch<br />

das Ziel verfolgen, die Vermögensrechte der Arbeitgeber zu schützen.<br />

Gemäss SECO, historische Reihen (Tabellenblätter 5<strong>und</strong> 6), lagen die (rückgerechneten)<br />

jährlichen, nominellen Wachstumsraten des schweizerischen Bruttoinlandsproduktes<br />

zwischen 1950–1974 <strong>im</strong> Vergleich zum jeweiligen Vorjahr zwischen 2.8%<br />

(1958) <strong>und</strong> 13.6 %(1971) <strong>und</strong> <strong>im</strong> Durchschnitt bei r<strong>und</strong> 8.5 %. Die (rückgerechneten)<br />

jährlichen, realen Wachstumsraten des schweizerischen Bruttoinlandsproduktes lagen<br />

<strong>im</strong> Vergleich zum jeweiligen Vorjahr zwischen –2.1 %(1958) bis 8.4 %(1961) <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> Durchschnitt bei r<strong>und</strong> 4.5 %.<br />

BBl 1967 II, S. 274; Daxelhoffer, S. 35, spricht von einem «permanenten Mangel an<br />

Arbeitskräften», von dem die ganze schweizerische Volkswirtschaft betroffen war.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

591 Dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt bei einem Konjunkturumschwung<br />

verändern könnte, wurde <strong>im</strong> Rahmen der Revision des Arbeitsvertragsrechts<br />

keineswegs übersehen. 1052 Es wurde nicht ausser Acht gelassen, dass sich aus<br />

einer volkswirtschaftlichen Gesamtschau der Arbeitsmarkt inder Tendenz von<br />

einem Arbeitnehmermarkt ineinen Arbeitgebermarkt wandeln könnte. Ins<strong>besondere</strong><br />

<strong>im</strong>Zusammenhang mit Art. 322d ORkönnte dennoch erwogen werden,<br />

die zurückhaltende Regelung der Gratifikation sei –vergleichbar mit einem<br />

kognitiven Ankereffekt 1053 –in(über-)erhöhtem Masse von einem lange anhaltenden<br />

Wirtschaftswachstum <strong>und</strong>, davon abhängig, von der Vorstellung einer<br />

(zu)reduzierten Abhängigkeit von Arbeitnehmern geprägtworden.<br />

A. DerBegriff Gratifikation<br />

592 Der Begriff der Gratifikation wird <strong>im</strong> Gesetz nicht definiert <strong>und</strong> <strong>im</strong> OR auch<br />

nur an einem einzigen Ort verwendet –in der Marginalie von Art. 322d OR.<br />

Die Herkunft des Begriffs Gratifikation dürfte auf die lateinischen Wörter «gratia»<br />

<strong>und</strong> «gratificatio» zurückgehen. Von den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten<br />

des Substantivs «gratia» erscheinen <strong>im</strong> Kontext eines Arbeitsverhältnisses<br />

diejenigen <strong>im</strong>Sinne von «Gunst», die jemand geniesst oder die jemandem<br />

entgegengebracht wird, <strong>und</strong> <strong>im</strong> Sinne von «Gnade», die jemandem erwiesen<br />

wird, möglich. 1054 Ebenfalls denkbar wäre eine Übersetzung <strong>im</strong> Sinne von<br />

«Dank» oder «gratis», wobei damit «für blossen Dank» gemeint ist <strong>und</strong> nicht<br />

etwa «kostenfrei». «Gratificatio» kann mit «Gefälligkeit» oder «Schenkung»<br />

übersetzt werden. Daessich bei der Gratifikation umeine Leistung des Arbeitgebers<br />

an den Arbeitnehmer handelt, könnte die Gratifikation gestützt auf die<br />

Etymologie des Wortes folglich als eine Leistung verstanden werden, welche<br />

1052<br />

1053<br />

1054<br />

BBl 1967 II, S. 274: «In der heutigen wirtschaftlichen Situation besteht die wirtschaftliche<br />

Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber jedenfalls in grossem Umfang<br />

nicht mehr, auch wenn sie bei einzelnen Arbeitnehmerkategorien, wie z. B. den He<strong>im</strong>arbeitern,<br />

noch keineswegs völlig verschw<strong>und</strong>en ist. Gewiss darf der Gesetzgeber<br />

nicht nur von der heutigen wirtschaftlichen Lage ausgehen, vielmehr hat erdas Arbeitsverhältnis<br />

auch unter dem Gesichtspunkt veränderter Konjunktur- <strong>und</strong> Beschäftigungslagen<br />

zu ordnen. Aber da die Vollbeschäftigung anerkanntes Ziel der staatlichen<br />

Wirtschaftspolitik bleiben dürfte, wird auch in Zukunft der Arbeitnehmer nicht mehr in<br />

die frühere ökonomische Zwangslage <strong>und</strong> die ihr entsprechende wirtschaftliche Ab-<br />

hängigkeit vomArbeitgeber geraten.»<br />

Als sog. «Ankereffekt» wird das Angleichen eines von einer Person zu treffenden, in<br />

der Regel numerischen Urteils an einen vorgegebenen Vergleichsstandard (Vergleichszahl)<br />

bezeichnet. Der vorgegebene Vergleichsstandard wirkt als «Anker», indem<br />

das von einer Person zutreffende numerische Urteil vom «Anker» indessen<br />

Richtung gezogen wird. Vgl. dazu Tversky/Kahneman, S. 1128 ff.; zum Ankereffekt<br />

in juristischem Kontext <strong>im</strong> Allgemeinen vgl. auch Schweizer, N191 ff.<br />

Unpassend erscheint hingegen eine Übersetzung von «gratia» <strong>im</strong>Sinne von «Anmut»<br />

oder «Grazie».<br />

267


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

268<br />

vom Arbeitgeber (ex gratia 1055 )aus Gunst, aus Gefälligkeit, aus Dank, als Geschenkodereiner<br />

Kombinationdieser Beweggründe erbrachtwird.<br />

593 Einige, hingegen nicht alle dieser Bedeutungsmöglichkeiten dürften auch vom<br />

Gesetzgeber dem obligationenrechtlichen Begriff der Gratifikation zugr<strong>und</strong>e<br />

gelegt worden sein. Inder Botschaft 1967 wurde für die Motive <strong>und</strong> das (damalige)<br />

Verständnis des Zwecks einer Gratifikationsleistung ausgeführt, dass die<br />

Gratifikation eine Leistung darstelle, die vom Arbeitgeber aus freien Stücken<br />

gewährt werde. Dennoch sei die Gratifikation nach Auffassung der Vertragsparteien<br />

aber kein ausserrechtliches «Geschenk» <strong>und</strong> keine vom Arbeitsverhältnis<br />

losgelöste Schenkung <strong>im</strong>Sinne der Art. 239 ff. OR. Sie sei eher als eine (zusätzliche)<br />

Belohnung für bereits geleisteten Dienst zu verstehen <strong>und</strong> könne<br />

gleichzeitig Ansporn für die bevorstehende, weitere Tätigkeit des Arbeitnehmers<br />

darstellen. 1056<br />

594 Schon <strong>im</strong>Zeitpunkt, als Art. 322d OR mit der Marginalie «Gratifikation» ins<br />

Gesetz aufgenommen wurde, dürfte die Gratifikation somit als ein ambivalentes<br />

oder gar polyvalentes Instrument betrachtet worden sein. 1057 Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der schuldrechtlichen Dogmatik könnte zudem gesagt werden, dass die<br />

Gratifikation insich nicht vollständig widerspruchsfrei ist. Denn die Gratifikation<br />

kann gemäss Wortlaut von Art. 322dORverabredet sein, muss esaber<br />

nicht. Ein ambivalentes Elementliegtferner darin,dass sowohl retrospektiveals<br />

auch prospektive Aspekte von Bedeutung sein sollen (Belohnung für schon geleistete<br />

Arbeit <strong>und</strong> Ansporn für die künftig zu erbringende Arbeit). Dies obschon<br />

nur die schon geleistete Arbeit <strong>und</strong> die damit erzielten Ergebnisse nicht<br />

mehr zu ändernde Fakten geworden sind, die künftige Erbringung der Arbeitsleistung<br />

<strong>und</strong> deren Resultate hingegen unsicher sowie risikobehaftet sind <strong>und</strong><br />

auf zuweilen unterschiedlichen Erwartungen <strong>und</strong> Hoffnungen der Parteien des<br />

Arbeitsvertrags beruhen. Ein weiterer, gewisser Wertungswiderspruch kann<br />

auch darin gesehen werden, dass mit der Gratifikation <strong>im</strong>Regelfall eine freiwillige,<br />

d.h., nicht <strong>im</strong>Voraus verabredete <strong>und</strong> damit ex ante nicht geschuldete<br />

1055<br />

1056<br />

1057<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N4;Portmann, Arbeitsbedingungen, S. 587;<br />

Delbrück, S.29f., weist auch auf die Wendungen «gratias facere» <strong>im</strong> Sinne von «aus<br />

Dank etwas tun» oder «eine Wohltat gewähren» sowie «gratificationes» <strong>im</strong>Sinne von<br />

«Belohnung» hin, wobei «gratificationes» als Gegenstück zu «condonationes», «largitiones»<br />

oder «remissiones» verstanden wird. Letztere entsprechen nach heutigem Verständnis<br />

einer «Schenkung».<br />

Im angloamerikanischen Rechtskreis werden unter «ex gratia payments» gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

freiwillige Geldzahlungen verstanden. Als freiwillig werden diese Geldzahlung bezeichnet,<br />

weil sie sich weder auf einen Vertrag noch auf eine ausservertragliche Haftungsnorm<br />

stützen können, vgl. Black’s Law Dictionary, S. 594, unter den Stichwort<br />

«ex gratia» <strong>und</strong> «ex gratia payment».<br />

BBl 1967 II, S. 319.<br />

Geiser, Bonus, Rz. 2.11, spricht von einem «Zwitter».


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Leistung gewährt wird, die aber dennoch kein «Geschenk» sein soll. Implizit<br />

bedeutet dies, dass eine geleistete Gratifikation zwar (mindestens teilweise)<br />

«verdient» worden ist <strong>und</strong> –ceteris paribus –deswegen auch künftig wieder<br />

erbracht werden sollte, aber möglicherweise dennoch nicht wieder geleistet<br />

werden wird <strong>und</strong> auch bei <strong>im</strong> Wesentlichen unverändert gebliebenen Umständennicht(odernicht<strong>im</strong>mer<br />

zwangsweise) eingefordert werden kann.<br />

B. DieTatbestandselemente derGratifikation<br />

595 Art. 322d Abs.1OR enthält für die Gratifikation inihrer Substanz vorwiegend<br />

beschreibende sowie klassifikatorische Tatbestandselemente. Die beschreibenden<br />

<strong>und</strong> klassifikatorischen Tatbestandselemente von Art. 322d Abs.1OR bestehen<br />

darin, dass dieGratifikation vomGesetz als<br />

(1) eine«neben dem <strong>Lohn</strong>» angesiedelte<br />

(2) «Sondervergütung» bezeichnetwird,<br />

(3) welchezu«best<strong>im</strong>mten Anlässen» vom Arbeitgeber ausgerichtet wird<br />

<strong>und</strong> auf die der Arbeitnehmer dann einen Anspruch hat, wenn dies zwischen<br />

demArbeitgeber <strong>und</strong> dem Arbeitnehmervereinbart worden ist.<br />

596 Art. 322d Abs.2OR befasst sich mit der partikulären Tatbestandsvariante, dass<br />

ein Arbeitsverhältnis endet, bevor sich der inArt. 322d Abs.1<strong>und</strong> Abs. 2OR<br />

erwähnte «best<strong>im</strong>mte Anlass» zur Ausrichtung oder Gewährung der Sondervergütung<br />

ereignet hat. Daraus ergibt sich die Fragestellung, ob der Arbeitnehmer,<br />

dessen Arbeitsverhältnis vor dem «best<strong>im</strong>mten Anlass» endet, einen verhältnismässigen<br />

Anspruch auf eine Gratifikation hat. Das Gesetz beantwortet diese<br />

Frage insofern abschlägig, als dass ein pro rata-Anspruch nur dann bestehen<br />

soll,wenndies vereinbart worden ist.<br />

1. DieGratifikationals «neben dem <strong>Lohn</strong>»ausgerichtete Leistung des<br />

Arbeitgebers<br />

597 Nach der gesetzlichen Umschreibung in Art. 322d Abs.1OR ist die Gratifikation<br />

eine Sondervergütung, welche vom Arbeitgeber «neben dem <strong>Lohn</strong>» («en<br />

sus dusalaire»; «oltre al salario») ausgerichtet bzw. gewährt wird («accorder»;<br />

«assegnare»). Der Vergleich der deutschen <strong>und</strong> italienischen Fassung von<br />

Art. 322d Abs.1OR mit der französischen Version des Gesetzestexts zeigt auf,<br />

dass die deutsche <strong>und</strong> die italienische Fassung von der französischen Version<br />

jeweils nicht nur bestätigt wird. Vielmehr verdeutlicht die französische Fassung<br />

den deutschen <strong>und</strong> italienischen Gesetzestext. Die Verdeutlichung ergibt sich<br />

daraus, dass nur die französische Fassung von Art. 322d Abs. 1ORklarstellt,<br />

inwiefern eine Gratifikation «neben dem <strong>Lohn</strong>» steht. Im Gegensatz zum deut-<br />

269


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

270<br />

schen <strong>und</strong> italienischen Gesetzestext von Art. 322d Abs.1OR hält die französische<br />

Fassung eindeutig fest, dass die Gratifikation als eine Vergütung zu verstehen<br />

ist, die zum <strong>Lohn</strong> hinzu kommt bzw. hinzu kommen kann («en sus du<br />

salaire»).<br />

598 Ausgehend vom Konzept der Gesamtvergütung <strong>im</strong>Arbeitsverhältnis sind der<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation folglich zusammenzuzählen. Das Verhältnis zwischen<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation ist additiver Natur. Damit wird die Basis für zwei<br />

Folgerungen gelegt: Zum einen kann der Schluss gezogen werden, dass der<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation sich gegenseitig ausschliessen; was <strong>Lohn</strong> ist, kann<br />

nicht gleichzeitig Gratifikation sein (<strong>und</strong> umgekehrt). Zum anderen ergibt sich<br />

daraus der Folgeschluss, dass eine Gratifikation nicht auf den <strong>Lohn</strong> angerechnet<br />

werden kann (<strong>und</strong> umgekehrt). 1058<br />

599 Über dieses additive sowie sich gegenseitig ausschliessende Verhältnis von<br />

Gratifikation <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> hinaus lassen sich allein aus der wort<strong>im</strong>manenten Bedeutung<br />

der Wendung «neben dem <strong>Lohn</strong>» (oder «zusätzlich zum <strong>Lohn</strong>») indessen<br />

keine weiteren, direkt vom Wortlaut von Art. 322 Abs.1OR gedeckten<br />

Schlüsse ziehen. Soergeben sich aus dem Gesetzestext von Art. 322 Abs.1OR<br />

etwa inBezug auf die möglichen Zahlungsmittel für die Ausrichtung einer Gratifikation<br />

<strong>und</strong> deren Fälligkeit keine weiteren, unmittelbaren Anhaltspunkte.<br />

Gleichermassen bietet die Wendung «neben dem <strong>Lohn</strong>» keine Orientierungshilfen<br />

dafür, ob, <strong>und</strong>, falls ja, welche Nebenbedingungen <strong>und</strong> -abreden bei der<br />

Ausrichtung einer Gratifikation inwieweit zulässig oder unzulässig sind <strong>und</strong> ob<br />

der <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation inihrer jeweiligen Höhe ineinem best<strong>im</strong>mten,<br />

quantitativen Verhältnis 1059 stehen müssen. Abgesehen von dergesetzlichen Unterscheidung<br />

zwischen dem <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> der Gratifikation ist die in Art. 322<br />

Abs.1OR enthaltene Wendung «neben dem <strong>Lohn</strong>» in Bezug auf sonstige Gemeinsamkeiten<br />

<strong>und</strong> Unterschiede sowie das zulässige Grössenverhältnis zwischen<br />

<strong>Lohn</strong><strong>und</strong> Gratifikation still <strong>und</strong>neutral zugleich.<br />

600 Aus dem gesetzlich statuierten, sich gegenseitig ausschliessenden Nebeneinander<br />

von Gratifikation <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong>, das in der deutschen <strong>und</strong> italienischen Fassung<br />

besser zum Ausdruck kommt als in der französischen Version, ergibt sich sodann<br />

die Notwendigkeit, die Gratifikation <strong>und</strong> den <strong>Lohn</strong> voneinander abzugrenzen.<br />

Diese Abgrenzung ist nach wohl einhelliger Ansicht nicht nur von akade-<br />

1058<br />

1059<br />

Carruzzo, Art. 322d N1;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N3,wodieses Prinzip unter<br />

den Vorbehalt einer gegenteiligen Vereinbarung gestellt wird, womit die Abgrenzung<br />

zwischen <strong>Lohn</strong>, echter, unechter <strong>und</strong> vollständig best<strong>im</strong>mter Gratifikation indessen<br />

verwischt wird.<br />

Ebenso: Schneiter,S.244.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

mischem Interesse, sondern in mehrfacher Hinsicht entscheidend. 1060 Denn in<br />

verschiedenen gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen, welche sich mit speziellen arbeitsrechtlichen<br />

Konstellationen befassen, wird (nur) der <strong>Lohn</strong> –nicht aber die Gratifikation<br />

<strong>und</strong> somit die Gesamtvergütung –als Basis herangezogen, um weitere<br />

Ansprüche der einen oder anderen Partei berechnen oder bemessen zukönnen.<br />

1061<br />

601 Ebenso ist die Qualifikation einer Zahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer<br />

als variabler <strong>Lohn</strong> oder Gratifikation wesentlich, weil der Wegfall oder die<br />

Kürzung eines (ex ante) variablen <strong>Lohn</strong>bestandteils bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

vor Abschluss der entsprechenden Bemessungsperiode unzulässig<br />

ist. <strong>Lohn</strong>, sei er betragsmässig schon best<strong>im</strong>mt oder werde er in Abhängigkeit<br />

von einer best<strong>im</strong>mten Bemessungsperiode (i.d.R. das Geschäftsjahr) <strong>und</strong><br />

einem Berechnungsmechanismus in einem künftigen Zeitpunkt best<strong>im</strong>mbar, ist<br />

auch pro rata zu entrichten, wenn die effektive Beschäftigungsdauer nicht die<br />

ganze Bemessungsperiode abdeckt. 1062 Mangels <strong>besondere</strong>r Umstände oder entgegenstehender<br />

Vereinbarung ist esbei einer Gratifikation gemäss Art. 322d<br />

Abs.2OR demgegenüber die Regel, dass kein pro rata-Anspruch geschuldet<br />

ist, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des «best<strong>im</strong>mten Anlasses» endet.<br />

1063 Schliesslich ist zu erwähnen, dass der Wortlaut der Regelungen zur Fälligkeit<br />

des <strong>Lohn</strong>s <strong>und</strong> zum <strong>Lohn</strong>schutz 1064 sich –getreu ihrer Bezeichnung –<br />

ebenfalls nurauf den<strong>Lohn</strong> beziehen.<br />

602 Für die Abgrenzung des <strong>Lohn</strong>s von der Gratifikation ist der Wortlaut des Gesetzes<br />

insofern trügerisch, als dass die <strong>im</strong>Gesetz deutlich zutage tretende Anordnung,<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation seien zu unterscheiden, glauben machen könnte,<br />

<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation seien in der Rechtswirklichkeit leicht auseinanderzu-<br />

1060<br />

1061<br />

1062<br />

1063<br />

1064<br />

Vgl. statt mehrerer: BGE 131 III 615 (E. 5;619 ff.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2.<br />

Vgl. z.B. Art. 321c Abs. 3ORfür den Zuschlag bei Überst<strong>und</strong>en, Art. 324 Abs. 1OR<br />

für die <strong>Lohn</strong>zahlung des Arbeitgebers bei dessen Annahmeverzug, Art. 336a Abs. 2<br />

<strong>und</strong> 3ORfür die Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung sowie Art. 337c<br />

Abs. 3ORfür die Entschädigung bei ungerechtfertigter fristloser Entlassung.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art.322a N8; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322a N4;Streiff/von Kaenel, Art. 322a N12; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322a<br />

N2.<br />

Vgl. BGE 109 II447 (E. 5c, 448); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar<br />

2006, 4C.426/2005, E. 5.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003,<br />

4C.6/2003, E. 2.2; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N11; Carruzzo,<br />

Art. 322d N7;Streiff/von Kaenel, Art. 322d N8–11.<br />

Art. 323 ff. OR.<br />

271


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

272<br />

halten. Dies ist indessen nicht <strong>im</strong>mer der Fall, weshalb auf die Abgrenzungsproblematik<br />

ananderer Stelle zurückzukommen ist. 1065<br />

603 Ist die Gratifikation, wie dies der Gesetzestext erklärt, als neben bzw. zusätzlich<br />

zum <strong>Lohn</strong> hinzutretende Vergütung zuverstehen, erscheint die gesetzessystematische<br />

Einordnung von Art. 322d OR aus sachlichen Gesichtspunkten durchaus<br />

folgerichtig. Art. 322d OR findet sich unmittelbar nach den Best<strong>im</strong>mungen<br />

zu den verschiedenen <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen in Art. 322–322c OR.<br />

Ausgehend davon, dass sich <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation gegenseitig ausschliessen,<br />

wäre es aus gesetzsystematischer Perspektive wohl zutreffender gewesen, wenn<br />

die Best<strong>im</strong>mung zur Gratifikation in der Gliederung des Gesetzes nicht unter<br />

der Marginalie «I.<strong>Lohn</strong>» eingeordnet worden wäre. Denn als zum <strong>Lohn</strong> hinzukommende<br />

Sondervergütung, die aufgr<strong>und</strong> gesetzlicher Vorschrift gerade nicht<br />

<strong>Lohn</strong> ist, 1066 sollte sich die Regelung der Gratifikation nicht auf der gleichen<br />

Ebene wie die in den Art. 322–322c OR(sowie Art. 326 <strong>und</strong> Art. 326a OR)<br />

enthaltenen Regeln zu den <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen befinden. 1067 Sachgerechter<br />

wäre es gewesen, wenn die Best<strong>im</strong>mung zur Gratifikation nicht unter<br />

den Regeln zum <strong>Lohn</strong>, sondern auf gleicher Gliederungsebene neben den Normen<br />

zum <strong>Lohn</strong> eingeordnetworden wäre.<br />

2. DieGratifikationals «Sondervergütung»des Arbeitgebers<br />

604 Ausgehend vom unmittelbaren Wortsinn der beiden Bestandteile des Begriffs<br />

der «Sondervergütung» («rétribution spéciale»; «retribuzione speciale») besteht<br />

die Gratifikation ineiner «Vergütung», die –wie es ins<strong>besondere</strong> die beiden lateinischen<br />

Versionen von Art. 322d Abs. 1ORpräzisieren –«speziell» ist. Im<br />

Vergleich zu den lateinischen Fassungen erscheint die deutsche Formulierung<br />

aufgr<strong>und</strong> des verwendeten Adjektivs («Sonder|vergütung») weniger klar. Denn<br />

das Adjektiv <strong>im</strong>deutschen Gesetzestext ist verkürzt <strong>und</strong> könnte auf zwei Arten<br />

ergänzt werden,wobei sich, je nach Ergänzung, derWortsinn verändert.<br />

605 Das deutsche Adjektiv könnte zum einen soergänzt werden,dass es sich bei der<br />

Gratifikation umeine «ge|sonderte» oder «separate», <strong>und</strong> insofern vom <strong>Lohn</strong><br />

verschiedene Vergütung handelt. Dies ist zwar richtig, würde indessen nur eine<br />

Wiederholung bzw. Bekräftigung der Aussage beinhalten, dass die Gratifikation<br />

1065<br />

1066<br />

1067<br />

Vgl. dazu unten Rz. 700 ff.<br />

Vgl. auch BGE 136 III 313 (E. 2.4, 321).<br />

Schneiter, S.242, bezeichnet die gesetzessystematische Einordnung von Art. 322d OR<br />

als irreführend; Streiff/von Kaenel, Art. 322 N2,halten die systematische Einreihung<br />

von Art. 322d OR <strong>im</strong> Gesetz unter der Marginalie «C. Pflichten des Arbeitgebers,<br />

I. <strong>Lohn</strong>.» rechtslogisch für falsch, weil in Art.322d OR, <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />

Art. 322–322c OR, keine <strong>Lohn</strong>ansprüche definiert werden; vgl. auch Rudolph, Bonus,<br />

S. 93.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

«neben dem <strong>Lohn</strong>» steht<strong>und</strong> damit vom <strong>Lohn</strong> zu unterscheiden ist. Zum anderen<br />

könnte das deutsche Adjektiv –entsprechend dem Sinn der lateinischen<br />

Versionen des Gesetzestexts –auch auf eine «be|sondere» Vergütung hinweisen.<br />

Dieses letztere Verständnis dürfte den gesetzgeberischen Intentionen <strong>und</strong><br />

demSinn<strong>und</strong> Zweck der Gratifikation besserentsprechen.<br />

606 Wird die weitere Betrachtung zunächst auf die Bedeutung des Begriffs «Vergütung»<br />

beschränkt, können dem Wortsinn des Ausdrucks «Vergütung» zwei, die<br />

Gratifikation näher charakterisierende Gesichtspunkte entnommen werden. Aus<br />

der Verwendung des Begriffs «Ver|gütung» <strong>im</strong> Gesetzestext ergibt sich einmal,<br />

dass die Gratifikation in das Austauschverhältnis <strong>im</strong> Arbeitsvertrag eingeb<strong>und</strong>en<br />

bzw. damit verflochten sein muss. Denn jede «Ver|gütung» setzt begrifflich<br />

irgendeine Gegenleistung voraus. Eine Gratifikation –ist sie wirklich (Sonder-)<br />

Vergütung –kann daher vom Arbeitgeber nicht (gänzlich) gegenleistungslos<br />

erbracht werden. Andernfalls wäre der Begriff «Vergütung» nicht verständlich<br />

<strong>und</strong> letztlich falsch gewählt.<br />

607 Der zweite Gesichtspunkt, der dem Wort «Ver|gütung» entnommen werden<br />

kann, akzentuiert einen Aspekt der inhaltlichen Qualität der Gratifikationsleistung,<br />

welcher durch die gesetzessystematische Stellung von Art. 322d OR bestätigt<br />

wird. Ausgehend vom Wort «Güte» –<strong>im</strong>Sinne von «Qualität» oder<br />

«Wert» 1068 oder «güten» <strong>im</strong>Sinne von «übereignen» oder «Besitz <strong>und</strong> (Nutz-)<br />

Wert verschaffen» –zeigt sich, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sein<br />

muss, die Gratifikation sei für den Arbeitnehmer geldwert. Für den Arbeitgeber<br />

bedeutet dies umgekehrt, dass die Gratifikation nicht kostenlos ist. Lässt man<br />

die verschiedenen Zahlungsmittel ausser Acht, welche auch für das Ausrichten<br />

einer Gratifikation verwendet werden können, ergibt sich somit, dass die ausgerichtete<br />

Gratifikation inwirtschaftlicher Betrachtungsweise mit dem <strong>Lohn</strong> identisch<br />

ist. Wird die Gratifikation z.B. inGeld ausgerichtet, unterscheidet sich der<br />

unter dem Titel «Gratifikation» ausgerichtete Franken inseinem realen, wirtschaftlichen<br />

Wert weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer vom<br />

<strong>Lohn</strong>franken.<br />

608 Was den Intensitätsgrad der angesprochenen Einbindung oder Verflechtung der<br />

Gratifikation mit dem Austauschverhältnis <strong>im</strong> Arbeitsvertrag anbelangt, lassen<br />

sich Art. 322d Abs. 1ORkeine näheren Anhaltspunkte entnehmen. Das Spektrum<br />

ist offen, solange sich eine inhaltliche Verbindung oder ein anderer Zusammenhang<br />

mit dem Austauschverhältnis zwischen Arbeit <strong>und</strong> deren Entschädigung<br />

ausmachen lässt. Im Sinne eines Extrempunktes könnte die Gratifikation<br />

somit unmittelbar neben dem vertraglichen Synallagma zwischen Arbeit <strong>und</strong><br />

<strong>Lohn</strong> angesiedelt werden. Aber auch eine weniger intensive oder sogar weit ge-<br />

1068<br />

Nicht oder nur ineinem untergeordneten Mass <strong>im</strong> Sinne von «Wohlwollen» oder<br />

«Grosszügigkeit».<br />

273


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

274<br />

lockerte Verbindung zum Austauschverhältnis zwischen Arbeitsleistung <strong>und</strong><br />

<strong>Lohn</strong> wäre denkbar. Die Gratifikation könnte daher auch indem Sinne verstanden<br />

werden, dass sie sich (nur) an die Wechselseitigkeit der beiden charakteristischen<br />

Hauptleistungen <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis anlehnt.<br />

609 Ungeachtet der Intensität der Verknüpfung der Gratifikation mit den Hauptleistungspflichten<br />

<strong>im</strong> Arbeitsvertrag zeigt die Bezeichnung als «Vergütung» weiter<br />

auf, dass der Gesetzgeber die Gratifikation generell als ein arbeitsvertragliches<br />

Institut betrachtet. Die letztlich relevante, die Gratifikation (irgendwie motivierende<br />

<strong>und</strong>) begründende Ursache beruht auf der arbeitsvertraglichen Verbindung<br />

zwischen den Parteien. 1069 Auf Basis dieser, sich aus dem Gesetzestext<br />

von Art. 322 Abs. 1OR ergebenden Verbindung können zwei weitere, rechtlicheSchlussfolgerungen<br />

gezogenwerden.<br />

610 Gestützt auf die Ausführungen in der Botschaft 1967 sollte durch die Verflechtung<br />

der Gratifikation mit den <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis auszutauschenden Hauptleistungen<br />

erstens klargestellt werden, dass die ehemals von Gerichten vorgenommene<br />

Qualifikation der Gratifikation als Schenkung 1070 nicht den Intentionen<br />

des Gesetzgebers entspricht. 1071 Die Qualifikation einer Gratifikation als<br />

rechtsverbindliche <strong>und</strong> damit auch gerichtlich durchsetzbare Schenkung gemäss<br />

Art. 239 ff. OR, die zwar allenfalls durch das bestehende Arbeitsverhältnis motiviert,<br />

aber dennoch einen vollständig vom Arbeitsverhältnis getrennten,einseitigen<br />

Schuldvertrag 1072 darstellen würde, ist in der Tat wenig einleuchtend. Sie<br />

würde den wirtschaftlichen Begebenheiten <strong>und</strong> der gesellschaftlichen Bewer-<br />

1069<br />

1070<br />

1071<br />

1072<br />

Delbrück, S.49; Schwille, S. 7.<br />

Für die rechtliche Erfassung der Gratifikation wurden, nebst der Qualifikation als<br />

Schenkung, auch die Theorien der Erfüllung einer sittlichen Pflicht <strong>im</strong>Sinne einer Naturalobligation,<br />

auf deren Erfüllung kein klagbarer Anspruch besteht, sowie auf die<br />

Theorien zur Fürsorgeleistung oder Sozialleistung des Arbeitgebers abgestellt; vgl.<br />

Birchmeier, S. 24 ff.; Delbrück, S. 32 ff.; Stofer, S. 231 f.<br />

BBl 1967 II, S. 320; vgl. auch Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 10. Januar 1980,<br />

JAR 1982, S. 204 ff. (205); inneuerer Zeit ohne Begründung anders: Entscheid des<br />

Arbeitsgerichts Zürich vom 5.Mai 1998, ZR 99 (2000), Nr. 74, S. 200; sowie aus der<br />

Lehre: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N2;Birchmeier, S. 24 f.; Brühwiler,<br />

Art. 322d N2;Carruzzo, Art. 322d N1;Delbrück, S. 29 ff.; Meyer, S.291 f.; Wyler,<br />

S. 165.<br />

Gemäss Art. 239 Abs. 1ORliegt dann eine Schenkung vor, wenn gestützt auf eine<br />

vertragliche Vereinbarung der Beschenkte aus dem Vermögen des Schenkers ohne<br />

entsprechende Gegenleistung bereichert wird. Entscheidend ist, dass die Vermögenszuwendung<br />

lediglich aufgr<strong>und</strong> des Schenkungswillens erfolgt <strong>und</strong> der Schenker (gar)<br />

keine geldwerte Gegenleistung erhält. Aus welchen Motiven oder Beweggründen eine<br />

Schenkung erbracht wird, ist –sofern damit keine widerrechtlichen Zwecke gefördert<br />

oder verfolgt werden –gr<strong>und</strong>sätzlich ohne rechtliche Bedeutung; vgl. BGE 107 Ia 107<br />

(E. 2,109 f.) sowie BGE 42 II 500 (E.1,503).<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N255; Koller, §3N97; Schwenzer,N3.19.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

tung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer nicht entsprechen.<br />

1073 Vor allem dann, wenn unter dem Titel Gratifikation namhafte Beträge<br />

ausgerichtet werden, die <strong>im</strong> Wert wesentlich über denjenigen eines Gelegenheitsgeschenks<br />

hinausgehen, könnte eine echte Schenkung kaum ernstlich in<br />

Betracht gezogen werden, wenn das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses als<br />

bekannt vorausgesetzt ist. Esfehlt an der inneren Geisteshaltung; aman<strong>im</strong>us<br />

donandi des Arbeitgebers <strong>und</strong> aman<strong>im</strong>us donati des Arbeitnehmers. 1074 Gleiches<br />

gilt, wenn Gratifikationen aneine grössere Zahl von Arbeitnehmern nach<br />

gleichförmig-schematischen Kriterien ausgerichtet werden. Auch unter solchen<br />

Voraussetzungen würde eine Qualifikation als Schenkung die (wirtschaftliche)<br />

Realität ausser Acht lassen.<br />

611 Die gesetzlich statuierte Verbindung zwischen der Gratifikation <strong>und</strong> der Arbeitsleistung,<br />

welche sich <strong>im</strong> Begriff der «Vergütung» manifestiert, zeigt zweitens<br />

auch auf, dass es sich bei der Gratifikation <strong>im</strong>mer umeine, ihrem Wesen<br />

nach vertragliche Leistung handelt. Ob die Gratifikation freiwillig ausgerichtet<br />

wird (d.h. ohne vorhergehende Vereinbarung) oder auf einer Vereinbarung beruht,<br />

ist unerheblich. Dies ist dahingehend von Bedeutung, indem für die Leistung<br />

einer Gratifikation <strong>im</strong>mer ein hinreichender, durch das Gesetz selbst geschaffener<br />

Rechtsgr<strong>und</strong> vorliegt. Die gesetzliche Verankerung der Gratifikation<br />

<strong>im</strong> Arbeitsvertragsrecht schliesst eine Rückforderung einer erbrachten Gratifikationsleistung<br />

gestützt auf eine ungerechtfertigte Bereicherung des Arbeitnehmers<br />

gemäss Art. 62 ff. OR in der Regel aus. Unter Vorbehalt von spezifischen<br />

vertraglichen Abreden zwischen den Parteien, von Konstellationen eines<br />

offensichtlichen Versehens oder etwaigen, rechtserheblichen Mängeln inder<br />

Willensbildung des Arbeitgebers kann es wegen des notwendig vorausgesetzten<br />

Bestehens eines Arbeitsverhältnisses keine rechtsgr<strong>und</strong>lose Gratifikationsleistung<br />

geben. 1075<br />

1073<br />

1074<br />

1075<br />

Vgl. Delbrück, S.30; Stofer, S.231; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N4;teilweise<br />

noch anders: Eichholzer, S. 219. Der Umstand, dass eine Gratifikation heute richterweise<br />

nicht mehr als Schenkung verstanden wird, bedeutet allerdings nicht, dass eine<br />

echte Schenkung des Arbeitgebers anden Arbeitnehmer (oder umgekehrt) rechtlich<br />

unmöglich oder unzulässig wäre. Mit Delbrück, S.10f., dürften diejenigen Fälle als<br />

echte Schenkungen zu bezeichnen sein, indenen ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer<br />

zur Hochzeit oder zur Geburt eines eigenen Kindes eine Zahlung leistet.<br />

Delbrück, S.30.<br />

Anders: Delbrück, S. 31; Meyer, S. 292 f.Inder Literatur werden zur dogmatischen<br />

Erfassung von «freiwilligen» Gratifikationen verschiedene Theorien diskutiert. Diese<br />

Theorien dienen auch dazu, einen Anspruch des Arbeitgebers auf Rückforderung einer<br />

schon geleisteten, freiwilligen Gratifikation gestützt auf eine ungerechtfertigte Bereicherung<br />

auszuschliessen (vgl. z.B. die Theorie des Realkontrakts bei Delbrück,<br />

S. 44 ff., sowie die Fürsorgetheorie bei Söllner, S. 32 ff. <strong>und</strong> S.100). Ein Rückgriff<br />

auf diese Theorien, umeinen Rückforderungsanspruch gestützt auf eine ungerechtfer-<br />

275


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

612 Neben dem Umstand, dass es sich bei der Gratifikation umeine Vergütung<br />

handelt, hält Art. 322d Abs.1OR in qualifizierender Weise weiter fest, dass es<br />

sich um eine «spezielle» oder «<strong>besondere</strong>» Leistung handelt. Welcher Art <strong>und</strong><br />

Natur diese Besonderheit sein könnte, sein sollte oder sein müsste, sagt das Gesetz<br />

indessen nicht. Insofern lässt sich generell-abstrakt wohl nur der Schluss<br />

ziehen, dass jede Konstellation, welche inirgendeiner hinreichend signifikanten<br />

Art <strong>und</strong> Weise von einem «Normalzustand» in einem konkreten Arbeitsverhältnis<br />

abweicht, Anlass für eine <strong>besondere</strong> Vergütung sein könnte. Diese Abweichung<br />

vom typischen Normalzustand müsste für den Arbeitgeber aus sprachlogischer<br />

wie auch aus wirtschaftlicher Warte aber einen min<strong>im</strong>alen Schwellenwert<br />

überschreiten,umals «besonders» bezeichnetwerden zu können.Denn nur<br />

bei Überschreiten eines min<strong>im</strong>alen Schwellenwertes dürfte sich für einen (rationalen)<br />

Arbeitgeber überhaupt ein hinreichender Gr<strong>und</strong> ergeben, eine weitere,<br />

zum <strong>Lohn</strong> hinzutretende Sondervergütung zuerbringen. Mit anderen Worten<br />

müsste dem Arbeitgeber etwas «Zusätzliches», über die vertraglich versprochene<br />

Normalarbeitsleistung eines best<strong>im</strong>mten Arbeitnehmers «Hinausgehendes»<br />

zukommen. Dieses zusätzliche, in der Sphäre des Arbeitnehmers liegende Element<br />

hat dabei wiederum von einer solchen Güte 1076 zu sein, dass es sich rechtfertigt,<br />

dieses zusätzliche Element zuerwidern, indem sich der Arbeitgeber dafürüberden<br />

<strong>Lohn</strong>hinausseinerseits in entgeltlicherFormerkenntlich zeigt.<br />

613 Anzufügen ist, dass die bisherige Betrachtungsweise sich auf das individuelle<br />

Arbeitsverhältnis beschränkte. Eine auf das einzelne Arbeitsverhältnis beschränkte<br />

Perspektive ist bei einem (einzel-)arbeitsvertraglichen Rechtsinstitut<br />

zwar durchaus angebracht. Im Streitfall stehen sich denn auch nur der Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> der Arbeitnehmer gegenüber. Diese, auf den Einzelarbeitsvertrag fokussierte<br />

Perspektive darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedes einzelne<br />

Arbeitsverhältnis mit weiteren, <strong>im</strong>Anforderungsprofil ebenbürtigen Arbeitsverhältnissen<br />

<strong>im</strong> gleichen Unternehmen <strong>und</strong> in anderen Betrieben verglichen<br />

werden kann. Eine sachgerechte Beurteilung des konkreten Einzelfalls<br />

sollte daher auch die Begleitumstände einer Gratifikation berücksichtigen, die<br />

sich unweigerlich ausdem Betriebs-<strong>und</strong> Branchenumfeld ergeben.<br />

tigte Bereicherung auszuschliessen, erscheint seit gesetzlicher Verankerung der Gratifikation<br />

inArt. 322d OR indessen entbehrlich. Unter Vorbehalt von weiteren Absprachen<br />

zwischen den Parteien <strong>und</strong> dem Fall eines offensichtlichen Versehens ergibt sich<br />

die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für den Ausschluss der Rückforderung einer freiwilligen Gratifikation<br />

gestützt auf Art. 62 ff. OR direkt aus der Auslegung von Art. 322d OR.<br />

1076 Wiederum <strong>im</strong>Sinne von «Beschaffenheit» «Qualität» oder «Werthaltigkeit», nicht<br />

oder aber nur in einem untergeordneten Mass <strong>im</strong> Sinne von «Wohlwollen» oder<br />

«Grosszügigkeit».<br />

276


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

3. DieGratifikation <strong>und</strong> die«best<strong>im</strong>mten Anlässe» ihrer Ausrichtung<br />

614 Als weiteres Tatbestandselement inArt. 322 Abs.1<strong>und</strong> Abs.2OR erwähnt das<br />

Gesetz «best<strong>im</strong>mte Anlässe» («certaines occasions»; «determinante occasioni»),<br />

bei oder zu denen eine Gratifikation ausgerichtet wird. Als Beispiele werden<br />

inArt. 322 Abs.1OR Weihnachten <strong>und</strong> der Abschluss des Geschäftsjahres<br />

angeführt. 1077 Obwohl diese beiden <strong>im</strong> Gesetz genannten Anlässe –abgesehen<br />

von ihrer jeweils jährlichen Wiederkehr –unterschiedlicher kaum sein könnten,<br />

lässt sich beiden Anlässen für das Ausrichten einer Gratifikation als Sondervergütung<br />

einegewisse,innere Berechtigung nicht absprechen.<br />

615 Vor dem herkömmlichen soziokulturellen Hintergr<strong>und</strong> in der Schweiz kann eine<br />

zusätzliche Vergütung inFormeiner Gratifikation zuWeihnachten (<strong>und</strong>/oder<br />

den Neujahrsfeierlichkeiten) auch inheutiger Zeit noch als besonders willkommene<br />

Zahlung zuden Festtagen verstanden werden, andenen häufig ein finanzieller<br />

Mehrbedarf besteht. 1078 Zwar könnte der Gratifikation, wenn sie ausdrücklich<br />

mit Weihnachten in Verbindung gebracht wird, indirekt wieder ein<br />

gewisser «Geschenkcharakter» zugeschrieben werden. Den gesetzgeberischen<br />

Intentionen entspricht dies indessen nicht. Mit der expliziten Erwähnung von<br />

Weihnachten als einem möglichen «best<strong>im</strong>mten Anlass» für die Zahlung einer<br />

Gratifikation wurde dies indes inKauf genommen <strong>und</strong> tut der inneren Berechtigung<br />

von allgemein anerkannten Feiertagen irgendwelcher Art als Anstoss<br />

<strong>und</strong>/oder Zeitpunkt für das Ausrichten einer Gratifikation zudem keinen Abbruch.<br />

616 Als zweites Beispiel für einen Anlass, der als Hintergr<strong>und</strong>, Anstoss <strong>und</strong> Zeitpunkt<br />

für die Zahlung einer Gratifikation infrage kommen könnte, wird <strong>im</strong> Gesetz<br />

der Geschäftsabschluss erwähnt. Mithin liegt der Fokus auf einem ausschliesslich<br />

kaufmännischen bzw. geschäftlichen Ereignis, welches aufzeigt, ob<br />

<strong>und</strong> inwiefern ein Unternehmen <strong>im</strong> abgelaufenen Geschäftsjahr erfolgreich<br />

wirtschaftete. Im wertenden Vergleich zu einer explizit als Weihnachtsgratifikation<br />

deklarierten Sondervergütung dürfte einer Gratifikation, welche ausschliesslich<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Geschäftsabschlusses erbracht wird, der<br />

«Geschenkcharakter» weitgehend abhandenkommen. Eine Gratifikation, welche<br />

inausdrücklicher Weise nur mit dem Geschäftsabschluss in Verbindung<br />

gebracht wird, dürfte vielmehr dahingehend zuverstehen sein, dass der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer bei Vorliegen eines Unternehmensgewinns mit der<br />

Gewährung einer Gratifikation ampositiv verlaufenen Geschäftsjahr teilhaben<br />

1077<br />

1078<br />

In der Literatur werden als weitere, in der Praxis relevante Anlässe für die Gewährung<br />

von Gratifikationen etwa für best<strong>im</strong>mte Branchen wichtige Jahreszeiten (Herbst als<br />

Erntezeit), die Hochsaison bei saisonalen Betrieben, der 1. Mai oder betriebsintern bedeutsame<br />

Zeitpunkte (Firmenjubiläum) genannt; vgl. Delbrück, S.11; Schwille,<br />

S. 9ff.; Stofer, S. 225; ZH-Kommentar-Staehelin,Art. 322d N5.<br />

Schwille, S. 9.<br />

277


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

278<br />

lassen will. Zudem lässt sich unter solchen Voraussetzungen auch ein gewisser,<br />

vom Gesetzgeber in Betrachtgezogener«Belohnungscharakter» ausmachen.<br />

617 Wurde vom Unternehmen hingegen nur ein mässiger Gewinn erwirtschaftet<br />

oder ergab sich in der massgeblichen Geschäftsperiode ein Verlust, sowäre es<br />

nachvollziehbar, wenn ein vorsichtiger Arbeitgeber keine Gratifikation ausrichten<br />

würde. Wird indessen auch bei einem Unternehmensverlust eine Gratifikation<br />

gewährt, so müsste dies wohl dahingehend gedeutet werden, dass der Arbeitgeber<br />

dies tut, um das Abwandern von Arbeitnehmern zu verhindern oder<br />

dem Abwandern zumindest vorzubeugen. Der Arbeitgeber bringt zum Ausdruck,<br />

dass gute Arbeit <strong>und</strong> das Verbleiben <strong>im</strong> Unternehmen infinanziell kritischen<br />

Zeiten besonders gewürdigt wird, selbst wenn damit eine angespannte Finanzlagebe<strong>im</strong><br />

Arbeitgeberverschärft wird.<br />

618 Schon die beiden <strong>im</strong> Gesetz genannten Beispiele für einen «best<strong>im</strong>mten Anlass»<br />

zeigen damit auf, dass eine Gratifikation aufgr<strong>und</strong> der Assoziationen, welche<br />

mit dem best<strong>im</strong>mten Anlass ihrer Ausrichtung verb<strong>und</strong>en sein können, eine<br />

sehr unterschiedliche Prägung erhalten kann. Die unterschiedliche Prägung aufgr<strong>und</strong><br />

des Anlasses ihrer Gewährung kann zudem durch weitere Begleitumstände<br />

nochmals massgeblich beeinflusst <strong>und</strong> unter Umständen sogar erheblich verändert<br />

werden. Insofern könnte inBezug auf den «best<strong>im</strong>mten Anlass» gesagt<br />

werden, dass die Gleichung «Gratifikation ist gleich Gratifikation bei identischem<br />

best<strong>im</strong>mten Anlass» zwar richtig sein kann. Kommen jedoch weitere,<br />

koinzidente Begleitumstände zum «best<strong>im</strong>mten Anlass» hinzu, braucht diese<br />

Gleichung keineswegs mehr richtig zusein. Jede Gratifikation ist daher vor ihrem<br />

jeweiligenkonkreten Hintergr<strong>und</strong> zu betrachten.<br />

619 Aufgr<strong>und</strong> der inhaltlich auffallend unterschiedlichen Natur der <strong>im</strong> Gesetz aufgeführten<br />

Gratifikationsanlässe sowie des Umstands, dass wegen der dispositiven<br />

Natur von Art. 322d OR 1079 eigentlich jeder «best<strong>im</strong>mte Anlass» für das<br />

Ausrichten einer Gratifikation gewählt werden könnte, wurde zu Recht gefragt,<br />

ob, <strong>und</strong>, falls ja, welche rechtliche Bedeutung dem best<strong>im</strong>mten Anlass für die<br />

Gewährung einer Gratifikation zukommt. Unter Vorbehalt des in Art. 322d<br />

Abs.2OR geregelten Sonderfalls des Arbeitsverhältnisses, welches vor dem<br />

best<strong>im</strong>mten Anlass zur Ausrichtung der Gratifikation endet, wurde daraus<br />

schon der Schluss gezogen, der best<strong>im</strong>mte Anlass sei zwar ein Merkmal der<br />

Gratifikation, aber nur dahingehend von Bedeutung, als dass die vom Arbeitgeber<br />

ausgerichtete Sondervergütung sich von der normalen <strong>Lohn</strong>(zahlungs)periode<br />

unterscheide. 1080 Diese Ansicht vermag aus zwei Gründen nur bedingtzuüberzeugen.<br />

1079<br />

1080<br />

BBl 1967 II, S.320; Brand/Dürr et al., Art. 322d N37; Duc/Subilia, Art. 322d N1;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322d N7;Wyler,S.165.<br />

Delbrück, S.12.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

620 Zum einen könnte damit der Eindruck entstehen, einem erkennbaren «best<strong>im</strong>mten<br />

Anlass» für die Ausrichtung einer Gratifikation fehle jeder Indiziencharakter<br />

bezüglich der Motive <strong>und</strong> auch bezüglich eines möglichen, weitergehenden<br />

Zwecks einer Gratifikationsleistung. Dies erscheint nicht sachgerecht zusein,<br />

da der Anlass der Gratifikationsleistung durchaus Anhaltspunkte für die Motive,<br />

welche für die Gratifikationsleistung von Bedeutung waren, sowie für einen<br />

allenfalls weitergehenden Zweck der Gratifikation geben kann. Ein erkennbares<br />

Motiv <strong>und</strong> ein davon abhängiger, erkennbarer Zweck könnten Rückschlüsse auf<br />

den aus rechtlicher Sicht relevanten, wahren Willen des Arbeitgebers zulassen.<br />

Der wahre Wille des Arbeitgebers kann wiederum <strong>im</strong>Zusammenhang mit der<br />

sogenannt «freiwilligen» Gratifikation von Bedeutung sein. 1081 Zum anderen<br />

würde bei einem Verständnis, das die Bedeutung des best<strong>im</strong>mten Anlasses auf<br />

den Unterschied zwischen der zeitlichen Gratifikationsausrichtung <strong>und</strong> der<br />

normalen <strong>Lohn</strong>zahlung reduziert, ein möglicherweise relevanter Umstand vernachlässigt.<br />

Dieser, allenfalls relevante Umstand besteht darin, dass ein erkennbarer<br />

«best<strong>im</strong>mter Anlass» über den Faktor der zeitlichen <strong>und</strong>/oder der «sachlichen»<br />

Periodizität einer Gratifikation Aufschluss geben kann. Jenach Konstellation<br />

können aus der Periodizität des betreffenden «best<strong>im</strong>mten Anlasses»<br />

ebenfalls Rückschlüsse auf das Motiv, auf einen unter Umständen davon abhängigen,<br />

vom Arbeitgeber verfolgten Zweck <strong>und</strong> auf einen sachlichen Auslöser<br />

füreine«freiwillige» Gratifikationsleistung gezogen werden.<br />

621 Die beiden <strong>im</strong> Gesetz erwähnten Beispiele –Weihnachten oder der Geschäftsabschluss<br />

–sind inihrer zeitlichen Periodizität identisch. Beide Ereignisse sind<br />

ihrer Natur nach jährlich wiederkehrend. Zudem fallen sie, wenn das Geschäftsjahr<br />

mit demKalenderjahr übereinst<strong>im</strong>mt, zeitlich praktisch zusammen. Es<br />

überrascht daher wenig, dass die Gratifikation in der Praxis häufig ein jährlich<br />

wiederkehrendes Thema ist. In den Streitfällen, welche gerichtlich beurteilt<br />

wurden, ging es daher praktisch <strong>im</strong>mer umGratifikationen, welche in der einen<br />

oder anderen Weise einem Jahresrhythmus folgten. Dass die beiden <strong>im</strong> Gesetz<br />

genannten Anlässe für das Ausrichten einer Gratifikation jährlich wiederkehrend<br />

sind, bedeutet allerdings nicht, dass der best<strong>im</strong>mte Anlass für das Ausrichten<br />

einer Gratifikation seiner Natur nach nicht auch einmalig sein könnte. 1082<br />

Ebenso wenig ist es aufgr<strong>und</strong> des Wortlauts von Art. 322d Abs. 1ORunabdingbar,<br />

dass der best<strong>im</strong>mte Anlass einem jährlichen <strong>und</strong> damit regelmässigen<br />

Zeitmuster folgt. Ein erkennbares Muster für die Ausrichtung einer Gratifikation<br />

kann auch dann von rechtlicher Relevanz sein, wenn die Zeitabstände zwischen<br />

den «best<strong>im</strong>mten Anlässen» unter- oder überjährig sind. Gleiches gilt<br />

1081<br />

1082<br />

Vgl. dazu unten Rz. 632 ff.<br />

Der Arbeitgeber könnte etwa eine Gratifikation ausrichten, weil z.B. ein anderes Unternehmen<br />

übernommen oder eine neue Produktionsanlage in Betrieb genommen wurde,<br />

<strong>und</strong> dieser Umstand –etwa als unternehmerischer Meilenstein –nach Auffassung<br />

des Arbeitgebers eine Sondervergütung rechtfertigt.<br />

279


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

280<br />

auch, wenn sich aus einem best<strong>im</strong>mten Anlass oder einer erkennbaren Kombination<br />

von mehreren best<strong>im</strong>mten Anlässen ein unregelmässiges zeitliches Muster<br />

ergibt. Unregelmässigkeit in zeitlicher Hinsicht bedeutet dabei nur, dass die<br />

Zeitabstände zwischen den für die Gratifikationsausrichtung relevanten Zeitpunktennichtgleich<br />

lang sind.<br />

622 Ferner ist es auch möglich, dass bei einer sich auf den zeitlich-periodisch Aspekt<br />

beschränkenden Betrachtungsweise gar kein Muster mehr erkennbar ist.<br />

Die rechtliche Relevanz des «best<strong>im</strong>mten Anlasses» braucht deswegen allerdings<br />

nicht verloren zugehen. Denn ein unter Umständen rechtserhebliches<br />

Muster, welches sich aus dem «best<strong>im</strong>mten Anlass» ergeben kann, muss sich<br />

nicht notwendigerweise in einer zeitlichen Abfolge manifestieren, die für sich<br />

betrachtet charakteristisch ist. Das von «best<strong>im</strong>mten Anlässen» indizierte Muster<br />

könnte auch (ausschliesslich) von der Art oder Natur der entsprechenden<br />

Anlässe geprägt werden. Eskönnte insofern von einer «sachlichen oder inhaltlichen<br />

Periodizität» gesprochen werden. Umallenfalls rechtliche Relevanz zu<br />

gewinnen, ist es für das Tatbestandselement des «best<strong>im</strong>mten Anlasses» somit<br />

nur wesentlich, dass den «best<strong>im</strong>mten Anlässen», anlässlich derer eine Gratifikation<br />

ausgerichtet wird, eine erkennbare <strong>und</strong> nachvollziehbare Ordnung oder<br />

Gesetzmässigkeit zugemessen werden kann. Obdiese Gesetzmässigkeit sich am<br />

deutlichsten in der zeitlichen Periodizität offenbart oder aber auf sachlichen<br />

bzw. inhaltlichen Gesetzmässigkeiten beruht, ist gemäss Art. 322d Abs.1(<strong>und</strong><br />

Abs.2)ORnichtentscheidend.<br />

623 Für einen einzelnen <strong>und</strong> seiner Natur nach gleichzeitig einmaligen «best<strong>im</strong>mten<br />

Anlass» muss indes präzisierend ergänzt werden, dass dessen Aussagekraft<br />

meist beschränkt sein wird. Aus einer, bei einem einmaligen Anlass gewährten<br />

Gratifikation kann vernünftigerweise für die Zukunft wenig gefolgert werden,<br />

ohne in Spekulationen zu verfallen. Hingegen wäre es dann plausibel, ein sachliches<br />

oder inhaltliches Muster anzunehmen, wenn ein Arbeitgeber beispielsweise<br />

innert fünf Jahren die Aktienmehrheit an drei Unternehmen erworben, an<br />

zwei anderen Unternehmen ein kontrollierendes Aktienpaket erfolgreich veräussert<br />

hat <strong>und</strong> jeweils innert einer gewissen Zeit nach Abschluss der entsprechenden<br />

Transaktionen eine Gratifikation ausrichtete. Unter solchen Umständen<br />

wäre es nicht weniger einleuchtend als bei sich zeitlich regelmässig wiederholenden<br />

Anlässen, dass ein weiterer, ähnlicher Anlass wiederum zueiner Gratifikationsleistung<br />

Anlass geben könnte <strong>und</strong> –ceteris paribus –allenfalls auch Anlass<br />

geben sollte.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

4. Zusammenfassende Folgerungen zuden Tatbestandselementen der<br />

Gratifikation<br />

624 Das Tatbestandselement in Art. 322d Abs. 1OR, wonach die Gratifikation «neben<br />

dem <strong>Lohn</strong>» bzw. vielmehr zum <strong>Lohn</strong> hinzukommen kann, ist gleichzeitig<br />

rechtlich-klassifikatorischer <strong>und</strong> beschreibender Natur. Das beschreibende Element<br />

besteht darin, dass die Gratifikation zusätzlich zum <strong>Lohn</strong> hinzukommen<br />

kann, womit ein additives Verhältnis zwischen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation statuiert<br />

wird. Dieses additive Verhältnis zwischen Gratifikation <strong>und</strong> <strong>Lohn</strong> wird <strong>im</strong> französischen<br />

Gesetzestext betont. Das rechtlich-klassifikatorische Element ist<br />

demgegenüber darin zuerblicken, dass die Gratifikation <strong>und</strong> der <strong>Lohn</strong> nicht nur<br />

in einem additiven Verhältnis stehen –was ja auch für verschiedene <strong>Lohn</strong>bestandteile<br />

gilt, deren jeweilige Höhe sich aufgr<strong>und</strong> von unterschiedlichen <strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismen<br />

ergibt –,sondern nach Wortlaut des Gesetzes auch<br />

unterschieden werden müssen. <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation sind <strong>im</strong>Arbeitsverhältnis<br />

zwei unterschiedliche Vergütungskategorien, was die deutsche <strong>und</strong> die italienischeFassung<br />

vonArt. 322d Abs. 1ORbetonen.<br />

625 Dem Tatbestandselement der «Sondervergütung» können drei Kernaussagen<br />

entnommen werden. Indem das Gesetz von einer (Sonder-)«Vergütung» spricht,<br />

wird einmal klargestellt, dass die Gratifikation eine geldwerte Leistung ist. Dieses<br />

beschreibende Merkmal führt dazu, dass sich eine ausgerichtete Gratifikation<br />

wirtschaftlich nicht vom <strong>Lohn</strong> unterscheidet. Durch die Bezeichnung als<br />

(Sonder-)«Vergütung» ergibt sich, als zweite Kernaussage, eine unauflösbare<br />

Verknüpfung oder Verflechtung einer Gratifikation mit dem für das Arbeitsverhältnis<br />

gr<strong>und</strong>legenden Austausch von Arbeit gegen <strong>Lohn</strong>. Diese Verflechtung<br />

kann zudem in zweierlei Hinsicht konkretisiert werden. Einerseits ergibt sich<br />

aus der Bezeichnung als «Sondervergütung», dass eine Gratifikation vom Arbeitgeber<br />

nicht gegenleistungslos, sondern <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Arbeitsleistung<br />

erbracht wird. In negativer Hinsicht wird deswegen eine andere, nicht<br />

arbeitsrechtliche Qualifikation (z.B. als Schenkung) ausgeschlossen. Andererseits<br />

ist die Gratifikation gemäss Art. 322d Abs.1OR eine vertragliche Leistung,<br />

die in der Arbeitsleistung bzw. <strong>im</strong>auf Vertrag beruhenden Arbeitsverhältnis<br />

ihren Rechtsgr<strong>und</strong> findet. Wiederum innegativer Hinsicht kann daher auch<br />

eine «freiwillige» Gratifikation nicht unter Anrufen der Best<strong>im</strong>mungen zur ungerechtfertigten<br />

Bereicherung zurückgefordert werden. Diese zweite Kernaussage<br />

zum Begriff der «Sondervergütung» erweist sich als ein rechtlichklassifikatorisches<br />

Tatbestandselement. Die dritte Kernaussage, welche dem<br />

Begriff der «Sondervergütung» entnommen werden kann, besteht darin, dass<br />

eine Gratifikation gemäss Wortlaut des Gesetzes eine «Besonderheit» aufweist.<br />

Mangels näherer gesetzlicher Regelung, worin diese Besonderheit bestehen<br />

könnte <strong>und</strong>sollte, bleibtdieser Aspekt indessen beschreibender Art.<br />

281


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

626 Schliesslich stellt Art. 322 Abs. 1(<strong>und</strong> Abs. 2)ORauf einen «best<strong>im</strong>mten Anlass»<br />

als Auslöser <strong>und</strong>/oder Anstoss für die Ausrichtung der Gratifikation ab.<br />

Der best<strong>im</strong>mte Anlass erscheint ebenfalls als ein die Gratifikation beschreibendes<br />

Tatbestandselement. Die <strong>im</strong>Gesetz genannten Anlässe sind beispielhaft.<br />

Immerhin kann ein «best<strong>im</strong>mter Anlass» aufgr<strong>und</strong> von damit verb<strong>und</strong>enen Assoziationen<br />

eine Gratifikation wertungsmässig prägen. Unter Umständen kann<br />

der «best<strong>im</strong>mte Anlass» aber auch weitergehende rechtliche Relevanz gewinnen.<br />

Einmal könnten sich aus best<strong>im</strong>mten Anlässen allenfalls Rückschlüsse auf<br />

einen vom Arbeitgeber verfolgten Zweck ergeben, der über den blossen Charakter<br />

einer Zusatzvergütung hinausgeht. Ebenso kann sich inAbhängigkeit von<br />

der Natur best<strong>im</strong>mter Gratifikationsanlässe eine regelmässige oder unregelmässige<br />

zeitliche Periodizität einstellen. Abgesehen von der zeitlichen Periodizität<br />

ist es indessen auch möglich, dass best<strong>im</strong>mte Anlässe eine «sachliche Periodizität»<br />

aufzeigen, welche nur von der Art oder Natur des Anlasses abhängt, aber<br />

keiner eigentlichen zeitlichen Gesetzmässigkeit unterliegt. Da Art. 322d<br />

Abs.2OR zwischen zeitlicher <strong>und</strong> sachlicher Periodizität keinen Unterschied<br />

macht, könnten beide Formen der Periodizität bei «freiwilligen» Gratifikationen<br />

als Indizien für eine Begründung eines Anspruchs auf eine Gratifikation betrachtet<br />

werden.<br />

627 Wenn der <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation inArt.322d Abs.1OR als konzeptionell<br />

unterschiedliche, sich wirtschaftlich aber auf derselben Stufe befindliche<br />

Rechtsinstitute verstanden werden, kann Art. 322d Abs. 1ORinVerbindung<br />

mit Art. 322–322c OR sowie Art. 326 <strong>und</strong> Art.326a OR als Gr<strong>und</strong>lage für drei<br />

weitere Schlussfolgerungen betrachtet werden. Dader <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation,<br />

obwohl beide Gemeinsamkeiten aufweisen, gestützt auf den Wortlaut von<br />

Art. 322d Abs.1OR nebeneinander stehen, ergibt sich zum einen, dass es sich<br />

be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> der Gratifikation trotz ihrer Ähnlichkeiten um zwei prinzipiell<br />

verschiedene arbeitsrechtliche Institute handeln muss. 1083 Werden weiter diejenigen<br />

Best<strong>im</strong>mungen, welche <strong>im</strong> Gesetz die unterschiedlichen <strong>Lohn</strong>bemessungsmechanismen<br />

behandeln, der Gratifikation gegenübergestellt, zeigt sich,<br />

dass der<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> die Gratifikation in einem sich gegenseitig ausschliessenden<br />

bzw. komplementären Verhältnis stehen. Inder Terminologie der Mengenlehre<br />

ausgedrückt, kann es zwischen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation keine (rechtlichen)<br />

Schnittflächen geben. Dasich <strong>im</strong>Arbeitsvertragsrecht nebst <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation<br />

keine weiteren Instrumente finden, die ingleicher Weise den Zweck verfolgen,<br />

eine positive, geldwerte Leistung des Arbeitgebers anden Arbeitnehmer<br />

zu bezeichnen, kann aus der Gegenüberstellung von <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation <strong>im</strong><br />

Gesetz gefolgert werden, dass diese Formen von monodirektionalen Leistungen<br />

die beiden einzigen, von Gesetzgeber vorgegebenen Bausteine des «arbeitsvertraglichen<br />

Vergütungssystems» bilden.<br />

1083<br />

282<br />

Vgl. BGE 136 III 313 (E. 2.4, 321); BSK OR I-Portmann, Art. 322 N35; wohl anders:<br />

Geiser, Bonus, Rz. 2.7 <strong>und</strong> Rz. 2.9.


C. Exkurs: DerBonus<br />

§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

628 Inder Rechtspraxis <strong>und</strong> der Öffentlichkeit hat sich seit einigen Jahren der Begriff<br />

des «Bonus» <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Entlöhnung etabliert. Da der Bonus<br />

als Rechtsbegriff <strong>im</strong> Arbeitsrecht indessen nicht vorkommt, 1084 führte dies<br />

teilweise zu Unsicherheiten, worum es sich bei einem «Bonus» rechtlich handelt.<br />

Teilweise wurde daher ausgeführt die Rechtsnatur des Bonus sei umstritten.<br />

1085<br />

629 Inder Literatur finden sich verschiedene Umschreibungen. Eine Literaturmeinung<br />

versteht den Bonus inpraxisbezogener Hinsicht als «eine zueinem festen<br />

<strong>Lohn</strong> hinzukommende Vergütung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, deren<br />

Ausrichtung oder Höhe nach der Parteivereinbarung <strong>im</strong>freien oder eingeschränkten<br />

Ermessen der Arbeitgeberin stehen oder aber be<strong>im</strong> Eintritt vereinbarter<br />

Bedingungen ohne weiteres geschuldet sein soll.» 1086 Eine anderer Autor<br />

definiert den Bonus als «ein[en] vertraglich als freiwillig bezeichnete[n], vom<br />

Arbeitgeber subjektiv <strong>und</strong> einseitig best<strong>im</strong>mte[n] zusätzliche[n] Erfolgslohn,<br />

der einen wesentlichen Bestandteil des festen Gr<strong>und</strong>lohnes ausmacht, mindestens<br />

jedochdie Höhe eines Monatslohnsübersteigt.» 1087<br />

630 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird der Bonus als Vergütungsanteil bezeichnet,<br />

der auf einer kurzfristigen Bemessungsperiode basiert, leistungsabhängig<br />

ausgestaltet ist, nebst einem festen Gr<strong>und</strong>salär gewährt wird <strong>und</strong> inder<br />

Höhe vom Erreichen kurzfristiger, operativer Zielsetzungen abhängig ist,<br />

welche auf einer vorgängigen Vereinbarung <strong>im</strong> Sinne des «Management by<br />

Objectives» 1088 beruhen. 1089<br />

1084<br />

1085<br />

1086<br />

Vgl. statt mehrerer: Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1. März 2006, 4C.395/2005,<br />

E. 5.3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1;<br />

Abegg, Rz. 5; Cramer, N48; Geiser, Bonus, Rz. 2.2; D. Portmann, N34; Rudolph,<br />

Bonus, S. 92.<br />

Z.B. D. Portmann, N37.<br />

Cramer, N13; kritisch:Egli, S. 5.<br />

1087<br />

Meier, Bonus, S. 67.<br />

1088<br />

«Management by Objectives» (Führung durch Zielvereinbarung) kann als betriebswirtschaftliche<br />

Führungsmethode bezeichnet werden, die darauf beruht, dass mit einem<br />

Arbeitnehmer best<strong>im</strong>mte Zielvereinbarungen für seine künftigen Arbeitsleistungen<br />

abgeschlossen werden; vgl. Thommen/Achleitner, S.860 f.<br />

1089<br />

Wälchli, S. 256 f.m.w.H.; <strong>im</strong> angloamerikanischen Raum wird unter einem «bonus»;<br />

vgl. Black’s Law Dictionary, S. 176; ausserhalb des arbeitsrechtlichen Kontexts eine<br />

Prämie verstanden, welche zusätzlich zudem hinzukommt, was geschuldet oder erwartet<br />

ist. Imarbeitsrechtlichen Zusammenhang wird ein Bonus nicht als «Zuwendung»<br />

(«gratuity») oder Geschenk («gift») verstanden, sondern als Zahlungen für geleistete<br />

Dienste («services rendered») oder als zusätzliche Vergütung, welche über diejenige<br />

hinausgeht, welche üblicherweise gegeben würde («[…] they are paid for servi-<br />

283


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

631 Inder Rechtsprechung <strong>und</strong> der herrschenden Lehre dürfte sich mittlerweile allerdings<br />

die Ansicht durchgesetzt haben, dass der Begriff des Bonus <strong>im</strong>schweizerischen<br />

Recht keinen (klaren) juristischen Aussagewert hat. Pointiert ausgedrückt<br />

könnte somit gesagt werden, dass es den Bonus <strong>im</strong>schweizerischen Arbeitsrecht<br />

nicht gibt. Es ist jeweils anhand der konkreten Parteivereinbarung zu<br />

prüfen, wie diese Vereinbarung in das arbeitsrechtliche <strong>Lohn</strong>- <strong>und</strong> Vergütungssystem<br />

einzuordnen ist. In der Regel wird es sich dabei umeine (echte oder unechte)<br />

Gratifikation oder einen variablen <strong>Lohn</strong>bestandteil handeln. 1090<br />

D. DieGratifikationsarten inAbhängigkeit ihres Verbindlichkeits- <strong>und</strong><br />

Best<strong>im</strong>mtheitsgrads<br />

632 Wie der gesamte Arbeitsvertrag kann ein Anspruch auf eine Gratifikation durch<br />

schriftliche oder formfreie Verabredung oder gestützt auf konkludentes Handeln<br />

1091 entstehen. Anders wäre dies nur, wenn die Parteien einen bindenden<br />

Formvorbehalt vereinbart haben, der seinerseits formfrei gar nicht oder nur unter<br />

erschwerten Bedingungen wieder aufgehoben werden kann. 1092 Gleich wie<br />

be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> gemäss Art. 322 Abs. 1ORkann dabei auch eine Betriebs- oder<br />

Branchenübung 1093 Bedeutung erlangen. Denn bei unklaren oder lückenhaften<br />

1090<br />

1091<br />

1092<br />

1093<br />

284<br />

ces or on consideration in addition to or in excess of the compensation that would ordinarily<br />

begiven.»).<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1.März 2006, 4C.395/2005, E. 5.3; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322d N2;Vischer, S. 108; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N6.<br />

BGE 136 III 313 (E. 2,317 f.); BGE 131 III 615 (E. 5.2, 620); BGE 129 III 276 (E. 2;<br />

278); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 9. März 2010, 4A_637/2009, E. 3.1; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 22. Januar 2002, 4C.263/2001, E. 4b; BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N4 <strong>und</strong> N6; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art.<br />

322d N5;BSK OR I-Portmann, Art. 322d N12; Wyler, S. 166 f.<br />

BSK OR I-Schwenzer, Art. 16 N9ff.<br />

Als Betriebs- oder Branchenübungen können diejenigen Regeln <strong>und</strong> Vereinbarungen<br />

bezeichnet werden, die in einem Betrieb, inder gleichen oder einer verwandten Wirtschaftsbranche<br />

ineinem best<strong>im</strong>mten Gebiet regelmässig vorkommen oder anzutreffen<br />

sind. Ein etwaiger Gesamtarbeitsvertrag kann dabei ein wichtiger Anhaltspunkt sein.<br />

Im Sinne einer natürlichen Vermutung kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber eines Betriebs oder einer Branche, die über eine gewisse Erfahrung<br />

in ihrem Metier verfügen, solche allgemeinen Praktiken in der Regel kennen.<br />

Insofern rechtfertigt essich, davon auszugehen, dass die Parteien die rechtsgeschäftlichen<br />

Erklärungen der jeweils anderen Partei <strong>im</strong> Rahmen <strong>und</strong> <strong>im</strong>Lichte der ihnen bekannten<br />

Betriebs- <strong>und</strong> Branchenübung verstehen werden. Vgl. auch BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322 N12<strong>und</strong> Art. 322d N6;Streiff/von Kaenel, Art. 322 N7<br />

<strong>und</strong> Art. 322d N4.<br />

Im Rahmen von Art. 322 Abs. 1ORist gemäss BGE 131 V444 (E. 3.3, 452), eine<br />

Vergütung üblich, «[…] die <strong>im</strong>selben Betrieb, in der gleichen oder einer ähnlichen<br />

Branche, am gleichen oder einem ähnlichen Ort unter Berücksichtigung der besonde-


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Gratifikationsabreden eignet sich die Betriebs- oder Branchenübung dafür, Indizien<br />

fürdie Vertragsauslegung sowiedie Vertragsergänzung zu liefern.<br />

633 Der zweite <strong>und</strong> dritte Teilsatz von Art. 322d Abs.1OR halten fest, dass der<br />

Arbeitnehmereinen Anspruch auf eineGratifikation hat, wenn es verabredet ist.<br />

Mit diesem inversen Konditionalsatz 1094 wird <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e bloss eine schuldrechtliche<br />

Selbstverständlichkeit ausgedrückt bzw. bestätigt. 1095 Es bedarf keiner <strong>besondere</strong>n<br />

Erörterung, dass in einem Vertragsverhältnis ein Anspruch auf eine<br />

1094<br />

1095<br />

ren Verhältnisse des einzelnen Falls sowie der persönlichen Verhältnisse der Parteien,<br />

namentlich des Ausbildungsstandes <strong>und</strong> der Fähigkeiten des Arbeitnehmers, für eine<br />

gleiche oder ähnliche Tätigkeit bezahlt zu werdenpflegt […]».<br />

Die Formulierung <strong>und</strong> die grammatikalische Struktur von Art. 322d Abs. 1ORist in<br />

allen drei Sprachversionen nicht glücklich. Die Formulierung <strong>und</strong> die grammatikalische<br />

Struktur könnten, aufgr<strong>und</strong> von zwei sich ergänzenden Gründen, als insich nicht<br />

vollständig schlüssig bzw. aus rechtlicher Sicht als wenig konsistent bzw. unlogisch<br />

bezeichnet werden.<br />

(1) Der erste Teilsatz von Art. 322d Abs. 1ORenthält eine erste Voraussetzung, die<br />

<strong>im</strong> Gesetz als (vorausgesetzte) Tatsache formuliert ist. Es handelt sich dabei umden<br />

Umstand der Ausrichtung einer Gratifikation («Richtet der Arbeitgeber […] eine Sondervergütung<br />

aus […]»; «Si l’employeur accorde […] une rétribution spéciale […]»;<br />

«Se il datore die lavoro assegna […] una retribuzione speciale […]»). Unklar bleibt<br />

dabei, auf welcher Rechtsgr<strong>und</strong>lage die Gratifikation ausgerichtet wird. Der Aufbau<br />

des Gesetzestexts suggeriert indessen, es stehe dem Arbeitgeber frei zu entscheiden,<br />

ob (überhaupt) eine Gratifikation ausgerichtet werden soll. Wird eine Gratifikation<br />

ausgerichtet, hat der Arbeitnehmer –so der Gesetzestext weiter –dann einen (Rechts-)<br />

Anspruch darauf, wenn es vereinbart ist («[…] sohat der Arbeitnehmer einen Anspruch<br />

darauf, wenn es verabredet ist.»; «[…] le travailleur yadroit lorsqu’il aété<br />

convenu ainsi.»; «[…] il lavoratore vi ha diritto, qualora ciò sia stato convenuto.»).<br />

Damit wird gemäss Wortlaut des Gesetzes eine zweite Voraussetzung aufgestellt, welche<br />

von der ersten Voraussetzung abhängig zusein scheint. Ist jedoch <strong>im</strong>Voraus vereinbart<br />

worden, dass eine Gratifikation auszurichten ist, so ist es ein Gebot der<br />

(Rechts-)Logik, dass der Arbeitgeber gerade nicht mehr (völlig) frei entscheiden kann,<br />

ob er eine Gratifikation ausrichten will oder nicht.<br />

(2) Hinzu kommt, dass ein Konditionalsatz («wenn/dann») in der Regel bezweckt, zu<br />

einem einzigen, klaren <strong>und</strong> insofern eindeutigen Resultat zu führen. In Abhängigkeit<br />

davon, ob eine oder mehrere Bedingungen erfüllt sind oder nicht, sollen (meist) nur<br />

zwei, sich gegenseitig ausschliessende Ergebnisse eintreten können. Eine (weitere)<br />

Lösungsmöglichkeit, welche sich dem konditionalen Schema entzieht, wird von einem<br />

Konditionalsatz nicht <strong>im</strong>pliziert bzw. soll gerade nicht möglich sein. («entweder/oder»).<br />

Indem Art. 322d Abs. 1OReinen Konditionalsatz enthält («[…] sohat der<br />

Arbeitnehmer einen Anspruch darauf,wenn es verabredet ist.»; «[…] le travailleur ya<br />

droit lorsqu’il aété convenu ainsi.»; «[…] illavoratore vi ha diritto, qualora ciò sia<br />

stato convenuto.») wäre zuerwarten, dass keine Gratifikation ausgerichtet werden<br />

kann, wenn die Parteien diesbezüglich keine Vereinbarung getroffen haben. Gerade<br />

dies ist abernicht der Fall.<br />

CR CO I-Aubert, Art. 322d N1;vgl. auch Bornoz, S.38.<br />

285


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

286<br />

best<strong>im</strong>mte oder best<strong>im</strong>mbare (Einzel-)Leistung geschaffen wird, wenn die eine<br />

Partei der anderen ebendiese Leistung versprochen hat. Ist der durch die vertragliche<br />

Abrede geschaffene Anspruch zudem mängelfrei zustande gekommen,<br />

wird der Anspruch vom Recht anerkannt. Bei Leistungsstörungen ist der (Erfüllungs-)Anspruch<br />

der gerichtlichen Durchsetzung zugänglich.<br />

634 In Anbetracht dieser schuldrechtlichen Selbstverständlichkeit wäre es nicht<br />

bzw. wenig überzeugend, den rechtlichen Gehalt der Best<strong>im</strong>mung in Art. 322d<br />

Abs.1OR darauf zureduzieren, ebendiese schuldrechtliche Selbstverständlichkeit<br />

zu wiederholen. Obwohlsich dies aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht<br />

oder höchstens indirekt ergibt, liegt die <strong>besondere</strong> Bedeutung von Art. 322d<br />

Abs.1OR in zwei Umständen. Erstens kann <strong>und</strong> darf der Arbeitgeber eine Gratifikation<br />

auch ohne vorausgegangene vertragliche Vereinbarung 1096 –sei diese<br />

schriftlich, mündlich oder durch konkludentes Handeln zustande gekommen –<br />

gewähren. Zweitens erfolgt die ohne vorausgegangene Vereinbarung ausgerichtete<br />

Gratifikation weder rechtsgr<strong>und</strong>los noch gegenleistungslos, 1097 denn sie<br />

wird –wegen der gesetzlichen Regel inArt. 322d OR –auch ohne vorausgegangeneVereinbarung<br />

in den Kontext desArbeitsverhältnisses integriert.<br />

635 Art. 322d Abs.1OR kann somit –ähnlich wie Art. 320 Abs.2OR 1098 –als eine<br />

aussergewöhnliche Best<strong>im</strong>mung bezeichnet werden. Sie modifiziert <strong>und</strong> ergänzt<br />

die allgemeinen Regeln des Schuldrechts, ohne diese aber vollständig zuverdrängen.<br />

Denn üblicherweise werden in einem Vertragsverhältnis nur diejenigen<br />

(Haupt-)Leistungen erbracht, die auch vorgängig vereinbart wurden <strong>und</strong><br />

deswegen erbracht werden müssen. Eine weitere Leistung, die ohne vorausgegangene<br />

vertragliche Vereinbarung –prinzipiell somit ohne vertragliche causa<br />

–über das Geschuldete hinausgeht <strong>und</strong> die nicht als Nebenleistung betrachtet<br />

werden kann, würde beiden Parteien nach Treu <strong>und</strong> Glauben die Obliegenheit<br />

auferlegen, dem Gr<strong>und</strong> für diese, <strong>im</strong> Vertrag (noch) nicht vorgesehene Mehrleistung<br />

nachzugehen <strong>und</strong> sich darüberzuverständigen.<br />

636 Der Wendung inArt. 322d OR, wonach ein Anspruch besteht, wenn es vereinbart<br />

wurde, kann ein weiterer Gr<strong>und</strong>- oder Regelungsgedanke für die Gratifikation<br />

entnommen werden. Dieser, <strong>im</strong>plizit inArt. 322d Abs. 1ORenthaltene<br />

Gr<strong>und</strong>gedanke besteht darin, die Gratifikation inzwei Gr<strong>und</strong>kategorien zu gliedern.<br />

Zum einen kann <strong>und</strong> darf der Arbeitgeber ohne vorausgegangene Vereinbarung<br />

eine Sondervergütung ausrichten, ohne damit den Rahmen des Arbeitsverhältnisses<br />

zu überdehnen oder zusprengen. Diese Sondervergütungen können<br />

insofern als vom Arbeitgeber «freiwillig» ausgerichtete Gratifikationen be-<br />

1096<br />

1097<br />

1098<br />

Sei diese Vereinbarung schriftlich oder mündlich getroffen worden, oder sei die Vereinbarung<br />

gestützt auf konkludentes Handeln unter etwaiger Zuhilfenahme des Vertrauensprinzips<br />

entstanden.<br />

Vgl. oben Rz. 604 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> Rz. 611.<br />

Vgl. oben Rz. 117 ff.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

zeichnet werden. Zum anderen ist der Wortlaut des Gesetzes dahingehend klar,<br />

dass eine Gratifikation auch <strong>im</strong> Voraus verabredet sein kann. Die zur ersten<br />

komplementäre, zweite Kategorie umfasst diejenigen Gratifikationen, welche<br />

auf einer <strong>im</strong> Voraus getroffenen Abrede beruhen. Innerhalb der Kategorie von<br />

vereinbarten Gratifikationen, auf welche ein Anspruch besteht, kann zudem<br />

weiter danach differenziert werden, inwiefern dieGratifikation in Bezug aufdas<br />

Zahlungsmittel bzw. die Höhe, die Fälligkeit <strong>und</strong> etwaige weitere Voraussetzungen<br />

schondeterminiert ist.<br />

637 Dadie «freiwillige» Gratifikation aus historischer Sicht Ausgangspunkt der<br />

Rechtsentwicklung war 1099 <strong>und</strong> Wesentliches zur Schaffung von Art. 322d OR<br />

beitrug, wird die freiwillige Gratifikation auch als «echte» Gratifikation bezeichnet.<br />

1100 Demgegenüber wird eine (nur dem Gr<strong>und</strong>satz nach) vereinbarte<br />

Gratifikation auch als «unechte» Gratifikation bezeichnet. 1101 Auf diese beiden<br />

Formen der Gratifikation sowie die vollständig best<strong>im</strong>mte Gratifikation bzw.<br />

den durch die Rechtsprechung geschaffenen Sonderfall der «Sondervergütung<br />

mit<strong>Lohn</strong>charakter» 1102 wird nachfolgendnäher eingegangen. 1103<br />

1099<br />

1100<br />

1101<br />

1102<br />

1103<br />

Vgl. z.B. den Entscheid des Gewerbegerichts Zürich vom 6. November 1958, ZR59<br />

(1960), Nr. 32, S. 83 ff. (84 f.): «Ihrer ursprünglichen Natur nach ist die Gratifikation<br />

–[…] –eine rein freiwillige, widerrufliche Leistung des Arbeitgebers, durch die er,<br />

soweit ihm dies der Geschäftsgang zu erlauben scheint, dem Arbeitnehmer gegenüber<br />

seinen Dank für treue Dienstleistung bek<strong>und</strong>et <strong>und</strong> ihn damit zugleich auch zu künfti-<br />

gen guten Leistungen anspornen will […].».<br />

Entscheid des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 15. März 1994, JAR<br />

1995, S. 107 ff. (E. 1, 107); Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d N4(«gratification<br />

facultative»); BSK ORI-Portmann, Art. 322d N1<strong>und</strong> N3ff.; Duc/Subilia, Art.<br />

322d N 6 («gratification à bien plaire»); KUKO OR-Pietruszak, Art. 322d N1;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322d N2.<br />

Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d N5(«gratification obligatoire»); BSK OR<br />

I-Portmann, Art. 322d N1 <strong>und</strong> N12ff.; Duc/Subilia, Art. 322d N6 («gratification<br />

obligatoire») <strong>und</strong> N9(«fausse gratification»); KUKO OR-Pietruszak, Art. 322d N1;<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322d N2.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N1;BSK OR I-Portmann, Überschrift vor<br />

Art. 322d N16; Streiff/von Kaenel, Art. 322 N2<strong>und</strong> N9,sprechen von Sondervergütungen,<br />

auf die sowohl dem Gr<strong>und</strong>satz als auch der Höhe nach ein Rechtsanspruch be-<br />

steht.<br />

Vgl. auch Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.3. Zur<br />

b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung zur Gratifikation ist anzumerken, dass die Unterscheidung<br />

zwischen einer «echten» <strong>und</strong> einer «unechten» Gratifikation inder Regel<br />

nicht vorgenommen wird. Die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts beruht, unter anderem,<br />

vielmehr auf dem Element der Ermessensabhängigkeit der Gratifikation; vgl. dazu<br />

unten Rz.700 ff.<br />

287


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

1. Diefreiwilligeoderechte Gratifikation<br />

(a) Der Begriff derechten Gratifikation<br />

638 Die freiwillige oder echte Gratifikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie ohne<br />

vorausgehende vertragliche Vereinbarung vom Arbeitgeber (zumeist) bei oder<br />

in Verbindung mit einem best<strong>im</strong>mten Anlass ausgerichtet wird. Esbesteht damit<br />

kein <strong>im</strong> Voraus (z.B. bei Vertragsschluss oder <strong>im</strong>Rahmen einer Vertragsänderung)<br />

durch Parteiabrede geschaffener Rechtsanspruch des Arbeitnehmers<br />

auf eine Gratifikation. 1104 Insofern kann eine echte Gratifikation auch nicht klageweise<br />

eingefordert werden. 1105<br />

639 Teilweise wird in der Lehre auch dann von einer freiwilligen oder echten Gratifikation<br />

gesprochen, wenn eine Gratifikation zwar <strong>im</strong>Arbeitsvertrag, <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Anstellungsgesprächs oder der Verhandlungen über eine Vertragsänderung<br />

mündlich erwähnt oder angekündigt wird, aber aus dem Wortlaut <strong>im</strong><br />

Arbeitsvertrag oder bei den Gesprächen unter den Beteiligten die Unverbindlichkeit<br />

der Gratifikation zweifelsfrei festgehalten wird. Eswird deutlich, dass<br />

der Arbeitgeber vollkommen frei bleiben soll, über deren spätere Ausrichtung<br />

zu einem «best<strong>im</strong>mten Anlass» nach seinem Belieben zu entscheiden. Obwohl<br />

demnach eine echte Gratifikation als Möglichkeit auch in Aussicht gestellt werdenkann,bleibtsie<br />

unter den genannten Voraussetzungen ohne obligo. 1106<br />

640 Ein Arbeitgeber <strong>und</strong> ein Arbeitnehmer könnten sich indessen auch darauf verständigt<br />

haben, dass der Arbeitgeber zwar entscheiden kann, obüberhaupt eine<br />

Gratifikation ausgerichtet wird oder nicht. Für den Fall aber, dass der Arbeitgeber<br />

sich entschliessen sollte, eine Gratifikation auszurichten, könnten in antizipierender<br />

Weise schon weitere Vereinbarungen getroffen worden sein. Eine<br />

solche Vereinbarung könnte vorsehen, dass z.B. ein fixer (Mindest-)Betrag auszurichten<br />

ist, wenn der Arbeitgeber sich zur Ausrichtung einer Gratifikation<br />

entschliessen sollte. Ebenfalls denkbar wäre es, dass die Parteien sich aufobjektive<br />

Kriterien einigen,welche den Betrag der Gratifikation best<strong>im</strong>mbar bzw. berechenbar<br />

machen. REHBINDER/STÖCKLI sprechen unter solchen Voraussetzun-<br />

1104<br />

1105<br />

1106<br />

288<br />

Brand/Dürr et al., Art. 322d N16<strong>und</strong> 18; BSK OR I-Portmann, Art. 322d N3,wonach<br />

eine echte Gratifikation vorliegt, wenn diese sowohl dem Gr<strong>und</strong>satz als auch der<br />

Höhe nach eine freiwillige Leistung darstellt, die ins Ermessen des Arbeitgebers gestellt<br />

ist; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d N4;Delbrück, S. 24 f.; Duc/<br />

Subilia, Art. 322d N6;Streiff/von Kaenel, Art. 322d N2,wonach eine «echte» Gratifikation<br />

dann vorliegt, wenn auf die Sondervergütung keinerlei Rechtsanspruch besteht;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N7.<br />

Vgl. aber unten Rz. 650 ff.<br />

Senti, Abgrenzung, S. 676.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

gen von der «betragsmässig ermessensabhängigen echten Gratifikation» <strong>und</strong><br />

vonder «betragsmässig ermessensunabhängigen echten Gratifikation» . 1107<br />

(b) KeineVermutungder Einmaligkeit einer echten Gratifikation<br />

641 Ineiner rückblickenden Betrachtung einer meist mehrjährigen Zeitspanne kann<br />

sich zeigen, dass eine echte Gratifikation nur einmal bezahlt wurde. Es kann<br />

sich aber auch ergeben, dass eine echte Gratifikation mehrmals ausgerichtet<br />

wurde. Falls –über mehrere Jahre hinweg –mehrmals eine echte Gratifikation<br />

gewährt wurde, können die Zeitabstände zwischen der Ausrichtung von echten<br />

Gratifikationen regelmässig oder unregelmässig sowie über- oder unterjährig<br />

sein. Die «best<strong>im</strong>mten Anlässe», die als Anstoss für die Leistung einer echten<br />

Gratifikation dienen können, lassen dabei allenfalls Rückschlüsse auf ein zeitliches<br />

<strong>und</strong>/oder sachliches Muster zu, dem die Ausrichtung einer echten Gratifikation<br />

folgen kann (aber nichtmuss).<br />

642 Entgegen DELBRÜCK 1108 lässt sich aus dem Gesetzestext von Art. 322d OR aber<br />

keine Vermutung 1109 ableiten, die echte Gratifikation sei während der ganzen<br />

Dauer eines Arbeitsverhältnisses gr<strong>und</strong>sätzlich «einmalig». Ebenso wenig lässt<br />

sich aus dem Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis mit regelmässiger<br />

<strong>Lohn</strong>zahlung oder aus der Bedeutung der «Freiwilligkeit» selbst (<strong>im</strong> Sinne einer<br />

fehlenden, vorausgehenden Vereinbarung) mit hinreichender Klarheit ableiten,<br />

die echte Gratifikation sei gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>im</strong>mer eine einmalige Leistung.<br />

Die für die echte Gratifikation begriffswesentliche «Freiwilligkeit» <strong>und</strong> deren<br />

etwaige Einmaligkeit bzw. etwaige (Un-)Regelmässigkeit, die <strong>im</strong>Zeitablauf ja<br />

erst rückblickend überhaupt ersichtlich werden kann, sind prinzipiell voneinanderunabhängig.<br />

1110<br />

643 Ob die mehrmalige Ausrichtung einer (mangels vorgängiger Vereinbarung)<br />

echten Gratifikation dahingehend interpretiert werden soll, kann <strong>und</strong> darf, dass<br />

diese, nur ex post ersichtlich werdende, mehrmalige Ausrichtung die fehlende,<br />

explizite Vereinbarung zu ersetzen vermag <strong>und</strong> abeiner best<strong>im</strong>mten Regelmässigkeit<br />

zu einem künftig klagbaren Anspruch führt, ist eineandere Frage, dieder<br />

Wortlaut von Art. 322d OR schlicht offenlässt. Zur Lösung dieser Problematik<br />

ist vielmehr auf die allgemeinen schuldrechtlichen Regeln zum Vertragsschluss<br />

1107<br />

1108<br />

1109<br />

1110<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N1.<br />

Delbrück, S.24f.; vgl. auch BSK OR I-Portmann, Art. 322d N3,sowie Cramer,<br />

N333 sowie Fn. 450, der <strong>im</strong>Gesetzestext von Art. 322d Abs. 1OR(«Anspruch darauf,<br />

wenn es vereinbart ist»), eine «Vermutung der Freiwilligkeit» <strong>im</strong> Sinne einer<br />

«vollen Ermessensabhängigkeit» sieht.<br />

Zu den gesetzlichen Vermutungen <strong>im</strong> Allgemeinen vgl. auch oben Rz. 196 ff.<br />

Vgl. auch Carruzzo, Art. 322d N4,<strong>und</strong> unten Rz.680 ff.<br />

289


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

290<br />

bzw. zur Vertragsmodifikation (inkl. des Vertrauensprinzips) abzustellen. 1111<br />

Die Tatsache der Ausrichtung einer freiwilligen Gratifikation in einem best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitpunkt präjudiziert weitere freiwillige Gratifikationen inder Zukunft<br />

weder in die eine noch indie andere Richtung. Von einer «Vermutung»,<br />

die zudem beweisrechtliche Folgen nach sich ziehen würde, 1112 kann deshalb<br />

nichtgesprochen werden.<br />

(c) Die echte Gratifikation ausder Warte derVertragsparteien<br />

644 Aus Sicht des Arbeitnehmers kann eine echte Gratifikation als eine –mehr oder<br />

minder– «spontan» oder «überraschend» <strong>im</strong>Rahmen eines bestehenden, in<br />

Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses ausgerichtete Sondervergütung bezeichnet<br />

werden, falls sie gar nicht oder nur in unverbindlicher Weise in Aussicht gestellt<br />

wurde. Das spontane Element kann sich bei schon länger andauernden Arbeitsverhältnissen<br />

allerdings verlieren. Wurden schon mehrmals echte Gratifikationen<br />

ineinem vorhersehbaren Rhythmus ausgerichtet, dürfte ein Arbeitnehmer<br />

die erneute Möglichkeit der Ausrichtung einer Gratifikation antizipieren.<br />

Obwohl der Arbeitnehmer inder Regel keinen Rechtsanspruch auf die echte<br />

Gratifikation hat, kann sich das überraschende Element somit auf die Höhe<br />

derGratifikation verlagern <strong>und</strong> beschränken.<br />

645 Wenn aus Perspektive des Arbeitnehmers von einer «spontanen» Gratifikation<br />

gesprochen wird, soll nicht angedeutet werden, die Ausrichtung einer echten<br />

Gratifikation durch den Arbeitgeber erfolge unüberlegt. Auch die echte Gratifikation<br />

dürfte vom Arbeitgeber nicht ohne entsprechende Motivationen <strong>und</strong> etwaige<br />

weitergehende Ziele ausgerichtet werden. Eine andere Frage ist es indessen,<br />

welche Motive dies sind 1113 <strong>und</strong> obsich diese Motive oder Beweggründe<br />

des Arbeitgebers in einer Art <strong>und</strong> Weise manifestieren, dass auch der Arbeitnehmer<br />

diese Motive erkennen kann (<strong>und</strong> muss). Eine weitere Folgefrage ist<br />

schliesslich, obdiese etwaigen Motive sich nach Treu <strong>und</strong> Glauben auch für<br />

1111<br />

1112<br />

1113<br />

Vgl. dazu unten Rz. 684 ff.<br />

Vgl. auch Cramer, N334.<br />

Zu den Motiven, welche der Arbeitgeber einer Gratifikation zugr<strong>und</strong>e legen könnte,<br />

führte Schweingruber, Art. 322d Ziff. 2, schon 1975 aus, eshabe keinen Sinn mehr,<br />

auf die Motivation entscheidend abzustellen. Eswürden sich gegensätzliche Motive<br />

überschneiden. Die Gratifikation könne einmal als eine Treueprämie für langjähriges<br />

Verbleiben be<strong>im</strong> selben Arbeitgeber verstanden werden. Teilweise sei sie wohl auch<br />

als zusätzliche Honorierung für <strong>besondere</strong> Leistungen oder als Abgeltung von Überst<strong>und</strong>en<br />

gedacht, wobei <strong>im</strong> letzteren Fall die zusätzliche Vergütung von Überst<strong>und</strong>en<br />

plus Zuschlag von einem Viertel gemäss Art. 321c Abs. 3ORgültig ausgeschlossen<br />

sein muss. Delbrück, S.2<strong>und</strong> S. 4, kommt bezüglich der vom Arbeitgeber verfolgten<br />

Zwecksetzungen zum Schluss, dass diese ausserordentlich vielschichtig <strong>und</strong> verschiedenartig<br />

sein können, weshalb der Gratifikation von ihrem Zweck her kein eigenes<br />

Wesen bzw. keine identifizierbare Rechtsnatur zuerkannt werden könne.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

den Arbeitnehmer zueinem eigentlichen Gratifikationszweck verdichten, denen<br />

rechtlicheRelevanzzuzubilligenist.<br />

646 Aus der Warte des Arbeitgebers bezieht sich das Element der «Freiwilligkeit»<br />

bei einer echten Gratifikation gemäss vorstehender Begriffsbest<strong>im</strong>mung zuerst<br />

auf den Aspekt, obüberhaupt eine Gratifikation ausgerichtet werden soll. Ein<br />

besonnener Arbeitgeber dürfte demnach (mindestens) die finanzielle Lage des<br />

Unternehmens in Betracht ziehen, bevor der Entscheid gefällt wird, eine echte<br />

Gratifikation zuentrichten. Ist der Entscheid gefallen, eine echte Gratifikation<br />

auszurichten, ist zwangsläufig die Höhe der Gratifikation zu best<strong>im</strong>men. Be<strong>im</strong><br />

Festlegen der Gratifikation für einen einzelnen Arbeitnehmer liegt esnahe, dass<br />

ein Arbeitgeber –jenach <strong>Lohn</strong>bemessungsmechanismen, Überst<strong>und</strong>en- <strong>und</strong><br />

Überzeitentschädigung sowie weiteren Zulagen, die <strong>im</strong> entsprechenden Arbeitsverhältnis<br />

zum Zuge kommen –inder einen oder anderen Weise auch die<br />

qualitative <strong>und</strong> quantitative Arbeitsleistung sowie die sozialen Eigenschaften<br />

eines einzelnen Arbeitnehmers in den Entscheidfindungsprozess einbeziehen<br />

wird.<br />

647 Wird die Perspektive von einem Arbeitnehmer auf eine Gruppe von vergleichbaren<br />

Arbeitnehmern oder auf alle Arbeitnehmer eines Arbeitgebers ausgeweitet,<br />

wird der Arbeitgeber ebenfalls zu entscheiden haben, ob nur einzelnen, nur<br />

einzelnen Gruppen oder allen Arbeitnehmern eine Gratifikation ausgerichtet<br />

werden soll. Aus rechtlicher Sicht tritt durch eine solche Erweiterung der Perspektive<br />

eine neue D<strong>im</strong>ension hinzu, der dem Einzelarbeitsvertrag –der sich<br />

schon begrifflich auf das Rechtsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber <strong>und</strong> einem<br />

Arbeitnehmer beschränkt –ansich nicht innewohnt. Bei diesem Aspekt<br />

handelt essich um den Fragenkomplex der Gleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern<br />

desselben Arbeitgebers. 1114<br />

648 Sollen echte, betragsmässig ermessensabhängige Gratifikationen an mehrere<br />

Arbeitnehmer eines Arbeitgebers ausgerichtet werden, wird der Arbeitgeber<br />

1114<br />

Auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz <strong>im</strong> Arbeitsrecht, der sich auf Art. 2<br />

ZGB <strong>und</strong> Art. 328 OR abstützt, wird hierin nicht näher eingegangen. Zur b<strong>und</strong>esgerichtlichen<br />

Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz bei der Ausrichtung von<br />

Gratifikationen vgl. BGE 129 III 276 (E. 3,281 ff.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom6.Juli 2007, 4A_63/2007, E. 4.2; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1.Juli 2005,<br />

4C.364/2004, E. 3.1; aus der Literatur, mit teilweise berechtigter Kritik, vgl. BE-<br />

Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N9;BSK OR I-Portmann, Art. 322d N6 <strong>und</strong><br />

Art. 328 N29ff.; Carruzzo, Art. 322d N6; Cramer, N273 ff.; Pärli, N1441 ff.; Meyer,<br />

S.262 ff. <strong>und</strong> S. 287 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 322d N5;Wyler, S.735 f.; ZH-<br />

Komm.-Staehelin, Art. 322a N12; Thomas Geiser, Gibt es ein Gleichbehandlungsgebot<br />

<strong>im</strong> schweizerischen Arbeitsrecht?, in: Recht <strong>im</strong> Wandel seines sozialen <strong>und</strong> technologischen<br />

Umfelds, Festschrift für Manfred Rehbinder, Jürgen Becker/Reto M. Hilty/Jean-Fritz<br />

Stöckli/Thomas Würtenberger (Hrsg.), München/Bern 2002, S. 37–49.<br />

291


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

292<br />

weiter zu entscheiden haben, ob allen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmern einer<br />

best<strong>im</strong>mten Gruppe eine Gratifikation in derselben Höhe ausgerichtet werden<br />

soll oder nicht. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, individuelle Gratifikationen<br />

auszurichten, wird er sich <strong>im</strong> Allgemeinen darum bemühen, innerhalb einer<br />

Gruppe von vergleichbaren Arbeitnehmern eine gewisse Ausgewogenheit <strong>und</strong><br />

Fairness walten zu lassen. Zwischen Arbeitnehmern mit gleicher oder vergleichbarer<br />

Tätigkeit sowie zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern<br />

mit unterschiedlichen beruflichen Anforderungsprofilen sollen Differenzierungen<br />

inder Höhe der Gratifikationen objektiv möglichst sachgerecht <strong>und</strong><br />

für die Arbeitnehmer subjektiv nachvollziehbar sein. Andernfalls läuft der Arbeitgeber<br />

Gefahr, unter den Arbeitnehmern Unverständnis <strong>und</strong> Irritationen auszulösen.<br />

Die vom Arbeitgeber vorgenommenen Differenzierungen dürften damit<br />

inder Regel den Zweck verfolgen, den möglicherweise auseinanderstrebenden<br />

Zielen der Anforderungs- <strong>und</strong> Kompetenzgerechtigkeit, der Leistungs- <strong>und</strong><br />

Verhaltensgerechtigkeit sowie der Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Sozialgerechtigkeit in<br />

möglichst opt<strong>im</strong>alem Masse Genüge zu tun. 1115<br />

649 Über diese, auf den betriebsinternen Bereich gerichteten Kriterien hinaus wird<br />

ein Arbeitgeber, je nach Konstellation auf dem Arbeitsmarkt, auch generelle<br />

Trends bei der Ausrichtung von Sondervergütungen mitberücksichtigen bzw.<br />

mitberücksichtigen müssen. Inder Literatur wurde deshalb schon vor längerer<br />

Zeit zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Gratifikationen –ins<strong>besondere</strong><br />

wenn auf dem Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer mit den vom Arbeitgeber gewünschten<br />

Qualifikationen relative Knappheit herrscht 1116 –auch ein Mittel der<br />

unternehmerischen <strong>Lohn</strong>politik <strong>im</strong>Vergleich zuanderen Arbeitgebern sind. Im<br />

Wettbewerb unter verschiedenen Arbeitgebern um die gewünschten Arbeitnehmer<br />

wird die echte Gratifikation als Rekrutierungs- <strong>und</strong> Retentionsinstrument<br />

gezielteingesetzt. 1117<br />

1115<br />

1116<br />

1117<br />

Gmür/Thommen, S. 123 ff.; Hilb, Personal-Management, S.96.<br />

Bei der Rekrutierung der gewünschten Arbeitnehmer sowie der Retention von Leistungsträgern<br />

ineinem Unternehmen wird zuweilen –trotz einer Arbeitslosigkeit, welche<br />

die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit übersteigt –auch vom «War for Talent» gesprochen.<br />

Michaels/Handfield-Jones/Axelrod, S. 1ff., führen den «War for Talent» <strong>im</strong><br />

Wesentlichen auf drei Faktoren zurück: (1) den Wandel von der Industriegesellschaft<br />

zur Informationsgesellschaft, (2) die erhöhte Nachfrage nach (hoch) qualifizierten Arbeitnehmern<br />

<strong>und</strong> Führungskräften, welche durch die Globalisierung, Deregulierung<br />

<strong>und</strong> den schnellen technologischen Wandel intensiviert wird, (3) zunehmende Neigung<br />

<strong>und</strong> Bereitschaft von (hoch) qualifizierten Arbeitnehmern <strong>und</strong> Führungskräften, den<br />

Arbeitgeber zu wechseln; vgl. auch Williams, S. 5ff.<br />

Entscheid des Gewerbegerichts Zürich vom 6.November 1958, ZR59(1960), Nr. 32,<br />

S. 83 ff. (85); Delbrück, S. 11; Meyer, S. 289 f.; Stofer, S.226.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

(d) Die Entstehung desAnspruchsauf eineechte Gratifikation<br />

650 Selbst wenn es sich um eine freiwillige oder echte Gratifikation handelt, die<br />

sich auf keine vorgängige Vereinbarung abstützt, darf nicht übersehen werden,<br />

dass durch die Mitteilung des Arbeitgebers, es werde eine freiwillige Gratifikation<br />

ausgerichtet, der Arbeitnehmer mit Empfang dieser Mitteilung einen Anspruch<br />

auf die echte Gratifikation erwirbt. Die Mitteilung des Arbeitgebers, es<br />

werde eine echte Gratifikation ausgerichtet, erweist sich als Offerte, wenn diese<br />

Mitteilung die für die Gratifikationsleistung essenziellen Elemente enthält. Fehlen<br />

die essenziellen Elemente, läge ein Versprechen auf eine unechte Gratifikation<br />

vor. 1118 AlsessenziellesElement ist dabeieinmal dasZahlungsmittel fürdie<br />

Ausrichtung der Gratifikationsleistung zu bezeichnen, da eine Gratifikation<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich in Geld oder als Naturalleistung ausgerichtet werden kann. 1119<br />

Wird die Gratifikation in Geld geleistet, sowäre auch die best<strong>im</strong>mte oder objektiv<br />

best<strong>im</strong>mbare Höhe der Gratifikation als essenziell zu betrachten. 1120 Besteht<br />

die Gratifikation nicht ineiner Geldleistung, wäre vom Arbeitgeber zubezeichnen,<br />

worin die Gratifikation besteht. Würden beispielsweise Aktien, Partizipations-<br />

1121 oder Genussscheine 1122 des Unternehmens oder einer verb<strong>und</strong>enen<br />

Konzerngesellschaft als Naturalgratifikation ausgerichtet, wäre deren Anzahl in<br />

zahlenmässig best<strong>im</strong>mter oderbest<strong>im</strong>mbarer Weise anzugeben.<br />

651 Der Arbeitnehmer dürfte die Offerte des Arbeitgebers auf eine echte Gratifikation<br />

zumeist stillschweigend annehmen; vor allem dann, wenn die Gratifikation<br />

in Geld ausgerichtet wird. Eine explizite Annahmeerklärung des Arbeitnehmers<br />

«ist wegen der <strong>besondere</strong>n Natur des Geschäftes oder nach den Umständen» 1123<br />

kaum zu erwarten. Nach Art. 6ORist eine Zust<strong>im</strong>mung des Arbeitnehmers zu<br />

vermuten, 1124 da der Arbeitnehmer durch die echte Gratifikation inder Regel<br />

nur Vorteile erfährt. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Arbeitnehmer,<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zum <strong>Lohn</strong>, 1125 keiner Rechtspflicht untersteht, eine ihm<br />

in Art <strong>und</strong> Höhe bekannte, echte Gratifikationsleistung anzunehmen. Es steht<br />

1118<br />

1119<br />

1120<br />

1121<br />

1122<br />

1123<br />

1124<br />

1125<br />

Vgl. unten Rz. 661 ff.<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2; 620); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. Januar 2006,<br />

4C.340/2005, E. 2.1.<br />

Ein Abstellen auf die Regel gemäss Art. 322 Abs. 1OR, wonach bei fehlender Angabe<br />

der Höhe der Gratifikation das Übliche zu zahlen wäre, wäre indessen denkbar, selbst<br />

wenn sich diese Regel ihremWortlaut nach nurauf den <strong>Lohn</strong> bezieht.<br />

Vgl. Art. 656a ff. OR.<br />

Vgl. Art. 657 OR.<br />

Art. 6OR.<br />

BSK OR I-Bucher, Art. 6 N12; Gauch/Schluep/Schmid, N453 ff.; Koller,<br />

§7N103 ff., ins<strong>besondere</strong> N107; Schwenzer, N28.37 f., wobei in den beiden<br />

letztgenannten Literaturstellen jeweils davon ausgegangen wird, <strong>im</strong> Rahmen von<br />

Art. 6ORhandle es sich um eine gesetzlich geschaffene «Annahmefiktion».<br />

Vgl. oben Rz. 274 ff.<br />

293


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

294<br />

dem Arbeitnehmer frei, die Offerte für die Ausrichtung einer echten Gratifikation<br />

ganz oder teilweise abzulehnen. Gemäss Art. 6ORhätte er dies innert angemessener<br />

Frist zu tun. Eine allenfalls schon empfangene Gratifikationsleistung<br />

oder eine Gratifikation, welche z.B. vor Eintreffen der Erklärung des Arbeitnehmers,<br />

er nehme die echte Gratifikation nicht an, vom Arbeitgeber schon<br />

versandt oder überwiesen wurde <strong>und</strong> nach Empfang der Ablehnungserklärung<br />

durch den Arbeitnehmer eintrifft, wäre zu erstatten. Sie wäre in diesem Fall<br />

rechtsgr<strong>und</strong>los.<br />

(e) Die echte Gratifikation alsfaktisch nichtoder kaum verhandelbareLeistung<br />

652 Die echte Gratifikation wurde soeben als vertragliche Leistung dargestellt, die<br />

dem schuldrechtlichen Muster von Offerte <strong>und</strong> Akzept folgt. Ins<strong>besondere</strong> bei<br />

bestehenden Arbeitsverhältnissen geht die konkrete Offerte für eine echte Gratifikation<br />

inder Praxis (fast) ausschliesslich vomArbeitgeber aus.<br />

653 Nach der Mitteilung, es werde eine echte Gratifikation ausgerichtet, wäre es<br />

denkbar, dass der Arbeitnehmer sich für das eröffnete Angebot einer freiwilligen<br />

Gratifikation bedankt <strong>und</strong> sich gleichzeitig bemüht, ingeeigneter Weise zu<br />

erkennen zu geben, dass die echte Gratifikation seine Erwartungen nicht vollends<br />

erfüllt. Der Arbeitnehmer könnte somit bestrebt sein, den Arbeitgeber zu<br />

einer Aufbesserung der echten Gratifikation zuan<strong>im</strong>ieren bzw. die infrage stehende,<br />

echte Gratifikation zum Verhandlungsgegenstand zu machen. Zwar gibt<br />

es Arbeitgeber, die sich bei ihren Arbeitnehmern erk<strong>und</strong>igen –z.B. <strong>im</strong>Rahmen<br />

eines Mitarbeitergesprächs, anlässlich dessen die echte Gratifikation kommuniziert<br />

wird, oder zueinem späteren Zeitpunkt –, ob die echte Gratifikation etwaige<br />

Erwartungen zuerfüllen vermochte <strong>und</strong> als angemessen, fair oder als grosszügig<br />

eingestuft wurde. Dennoch dürfte es in der Rechtswirklichkeit nur selten<br />

der Fall sein, dass ein Arbeitgeber auf den Betrag einer echten Gratifikation zurückkommt.<br />

Denn schon die Andeutung eines Arbeitnehmers, er hätte sich <strong>im</strong><br />

Falle der Gewährung einer echten Gratifikation einen höheren Betrag oder andere<br />

Erfüllungsmodalitäten erhofft, dürfte rasch als ungebührlich <strong>und</strong> eventuell<br />

sogar als Zeichen des Undanks gewertet werden. Obwohl somit die echte Gratifikation<br />

als vertragliche Leistung zuqualifizieren ist, zeichnet sie sich in der<br />

Rechtswirklichkeit dadurch aus, dass sie als Verhandlungsgegenstand häufig<br />

nicht infrage kommt. Die echte Gratifikation erweist sich daher faktisch, wenn<br />

auch rechtlich nicht inzwingender Weise, als eine vom Arbeitgeber einseitig<br />

festgelegte Leistung.<br />

(f) Die Ausrichtungsmodalitätender echten Gratifikation<br />

654 Entschliesst sich der Arbeitgeber dazu, eine freiwillige Gratifikation zu gewähren,<br />

entspricht esmangels näherer gesetzlicher Regelung einem prinzipiell nicht


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

zu beanstandenden Schluss amaiore adminus, dass es dem Arbeitgeber auch<br />

freisteht, die Höhe sowie die weiteren Modalitäten der Ausrichtung der Gratifikation<br />

festzulegen. 1126 Die Ausrichtungsmodalitäten betreffen ins<strong>besondere</strong> das<br />

oder die Zahlungsmittel für die Gratifikation sowie den oder die Zeitpunkte der<br />

effektiven Ausrichtung.<br />

655 Bei der Abwicklung der Ausrichtung einer einzelnen, echten Gratifikation bei<br />

fortdauerndem Arbeitsverhältnis entstehen meist keine Probleme. Zum einen,<br />

weil die entsprechende Mitteilung des Arbeitgebers in der Regel alle essenziellen<br />

Aspekte der Ausrichtung der freiwilligen Gratifikationsleistung enthält.<br />

Zum anderen, weil es selten vorkommen dürfte, dass der Arbeitnehmer die Gratifikation<br />

ablehnt. 1127 Der Arbeitgeber wird die Bekanntgabe seines Entschlusses,<br />

eine echte Gratifikation auszurichten, ferner meist mit der sofortigen Erfüllung<br />

verbinden 1128 oder aber die Art bzw. Höhe <strong>und</strong> den inKürze sich einstellenden<br />

Zeitpunkt der Ausrichtung bekannt geben. Bei einer bargeldlosen Zahlung<br />

der Gratifikation wird dabei der entsprechende Gratifikationsbetrag häufig<br />

der Einfachheit halber mit der nächsten ordentlichen <strong>Lohn</strong>zahlung überwiesen.<br />

Richtet der Arbeitgeber indessen eine Naturalgratifikation aus, hat der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer mitzuteilen, wie die Naturalgratifikation ausgerichtet<br />

wird. Werden als Naturalgratifikation z.B. Aktien, Partizipations- oder Genussscheine<br />

des Unternehmens oder einer Konzerngesellschaft zu (unbelastetem)<br />

Eigentum gewährt, hätte der Arbeitgeber etwa die Anzahl zubeziffern <strong>und</strong> mitzuteilen,<br />

wie diese Anteile vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer (zu Eigentum)<br />

übertragen werden. 1129<br />

656 ImGesetz findet sich keine Regelung für die Fälligkeit der echten Gratifikation.<br />

1130 In der Literatur wird die Frage der Fälligkeit einer echten Gratifikation<br />

1126<br />

1127<br />

1128<br />

1129<br />

1130<br />

Vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 322d N3;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d<br />

N4;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N7a.E.<br />

Das ganze oder teilweise Ablehnen einer echten Gratifikation durch einen oder mehrere<br />

Arbeitnehmer ohne exponierte Führungsfunktion wäre als untypisch zu werten. Das<br />

Ablehnen einer Gratifikation dürfte –mangels anderer erklärender Umstände (z.B. auf<br />

Druck aus dem Unternehmen oder der Öffentlichkeit wegen der Höhe <strong>und</strong>/oder den<br />

Umständen der Ausrichtung) –wohl dahingehend zuverstehen sein, dass der oder diese<br />

Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ein kontextabhängiges Zeichen setzen<br />

wollen.<br />

Der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vertreter könnte dem Arbeitnehmer einen<br />

Umschlag mit einer Gratifikation inbar übergeben, was –wenn die Gratifikation zu<br />

Weihnachten ausgerichtet wird –zuweilen als «Weihnachtscouvert» bezeichnet wird.<br />

Z.B. mittels Einbuchen auf einem vom Arbeitnehmer zubezeichnenden Wertschriftendepot<br />

bei einer Bank oder einem Effektenhändler oder indem der Arbeitgeber erklärt,<br />

er halte die unbelasteten Aktien treuhänderisch ineinem eigenen Wertschriftendepot<br />

zur freien Verfügung des Arbeitnehmers.<br />

Gleiches gilt für eine vereinbarte oder unechte Gratifikation sowie eine fixe, best<strong>im</strong>mte<br />

oder best<strong>im</strong>mbare Gratifikation.<br />

295


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

296<br />

meist nicht näher behandelt. 1131 Enthält die Mitteilung des Arbeitgebers keine<br />

Erklärung bezüglich des Zeitpunkts der Zahlung einer echten Gratifikation,<br />

wird die Gratifikation be<strong>im</strong> «best<strong>im</strong>mten Anlass» fällig, welcher vom Gesetz<br />

als Anlass für die Gratifikation erwähnt wird. Erwähnt der Arbeitgeber keinen<br />

«best<strong>im</strong>mten Anlass» <strong>und</strong> ist ein solcher auch den Umständen nach nicht eindeutig<br />

zu erkennen, wird die echte Gratifikation gr<strong>und</strong>sätzlich sofort fällig. 1132<br />

Die Leistung der echten Gratifikation mit der nächsten ordentlichen (Monats-)<br />

<strong>Lohn</strong>zahlung dürfte allerdings nicht zubeanstanden sein. Eine Analogie zu<br />

Art. 323 Abs.1OR dürfte sich vertreten lassen, selbst wenn eine direkte Anwendung<br />

der Fälligkeitsregel für den (Fix- oder Gr<strong>und</strong>-)<strong>Lohn</strong> bei strenger Auslegung<br />

ausser Betracht fallen müsste, da die echte Gratifikation nicht <strong>Lohn</strong> 1133<br />

ist.<br />

657 Eine nähere Betrachtung erfordern diejenigen Fallkonstellationen, in denen der<br />

Arbeitgeber den Entschluss zur Ausrichtung einer echten Gratifikation <strong>und</strong> deren<br />

Höhe dem Arbeitnehmer mitteilt <strong>und</strong> gleichzeitig mit Abgabe dieser Willenserklärung<br />

den Arbeitnehmer davon inKenntnis setzt, die echte Gratifikation<br />

werde erst zu einem best<strong>im</strong>mten, späteren Zeitpunkt effektiv geleistet. 1134 Eine<br />

solche Mitteilung des Arbeitgebers dürfte meist so zu verstehen sein, dass damit<br />

<strong>im</strong> Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung, eswerde eine echte Gratifikation ausgerichtet,<br />

ein Anspruch auf diese Gratifikation entsteht, jedoch (nur) die Fälligkeit<br />

aufgeschoben wird. Ausgehend von der Überlegung, dass der Arbeitgeber<br />

bei einer echten Gratifikation auch die Modalitäten der Ausrichtung festlegen<br />

kann <strong>und</strong> darf –weil der Arbeitgeber ja eine «freiwillige» Leistung erbringt, auf<br />

welche der Arbeitnehmer bis zur Mitteilung der Ausrichtung (noch) keinen Anspruch<br />

hatte, <strong>und</strong> essich bei Art. 322d OR überdies um eine dispositive Best<strong>im</strong>mung<br />

handelt –,erscheint esgr<strong>und</strong>sätzlich richtig, dem Arbeitgeber bei der<br />

echten Gratifikation auch die Befugnis einzuräumen, den Fälligkeitszeitpunkt<br />

aufzuschieben. 1135 Der Arbeitgeber hat dabei nach der Rechtsprechung<br />

1131<br />

1132<br />

1133<br />

1134<br />

1135<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N10; Stofer, S.236; ZH-Komm.-Staehelin,<br />

Art. 322d N7<strong>und</strong> N16; Brand/Dürr etal., Art. 322d N25, wo ausgeführt wird, die<br />

echte Gratifikation werde mit dem Versprechen der Leistung fällig, sofern der Arbeitgeber,<br />

in seinem Belieben, keinen anderen Zeitpunkt best<strong>im</strong>mt.<br />

Art. 75 OR.<br />

Vgl. auch BGE 136 III 313 (E. 2.4, 321). Indiesem Entscheid hielt das B<strong>und</strong>esgericht<br />

zudem fest (a.a.O., E. 2.4, 321), dass der Verzug des Arbeitgebers bei der Zahlung einer<br />

Gratifikation den Arbeitnehmer nicht berechtigt, die Arbeitsleistung gestützt auf<br />

eine analoge Anwendung von Art. 82 OR zurückzuhalten; vgl. dazu auch René Hirsi-<br />

ger, in: AJP2010, S. 1136–1139, Ziff. III.5.<br />

Eine solche Mitte Dezember 2009 abgegebene Erklärung eines Arbeitgebers könnte<br />

beispielsweise wie folgt lauten: «Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2009 eine Gratifikation<br />

in Höhe von CHF 5000.- ausrichten zu können. Die Gratifikation wird zusammen<br />

mit dem<strong>Lohn</strong> für den Monat April 2010 ausbezahlt.»<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N7sowie N16.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts aber die Schranken des Persönlichkeitsschutzes gemäss<br />

Art. 27 ZGB zubeachten. 1136<br />

658 Steht der Arbeitnehmer <strong>im</strong>Zeitpunkt der vom Arbeitgeber einseitig aufgeschobenen<br />

Fälligkeit einer echten Gratifikation weiterhin in einem ungekündigten<br />

Arbeitsverhältnis, ergeben sich regelmässig keine weiteren Probleme. Der Arbeitgeber<br />

hat die echte Gratifikation zum von ihm einseitig festgesetzten Zeitpunkt<br />

auszurichten.Erfüllt der Arbeitgeber diese Schuld nicht fristgerecht, gerät<br />

er in Schuldnerverzug, <strong>und</strong> essind abdem ersten Tag nach Fälligkeit Verzugszinsen<br />

geschuldet. 1137 Einer Mahnung gemäss Art. 102 Abs.1OR durch den<br />

Arbeitnehmer bedarf es nicht, da der Arbeitgeber den Fälligkeitszeitpunkt einseitig<br />

festgelegthat. Es rechtfertigt sich,indieser Konstellation, von einem Verfalltag<br />

auszugehen. 1138 Der Umstand, dass die Gratifikation freiwillig geleistet<br />

wird, steht dem nicht entgegen, da mit der Abgabe des Gratifikationsversprechens<br />

der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die freiwillige Gratifikation erwirbt.<br />

659 Obschon das Gesetz keine Regeln für eine aufgeschobene Fälligkeit einer echten<br />

Gratifikation enthält, wird die echte Gratifikation auch dann zum vom Arbeitgeber<br />

einseitig angekündigten Zeitpunkt fällig, wenn der Arbeitsvertrag<br />

nach Abgabe der Erklärung des Arbeitgebers, eine echte Gratifikation auszurichten,<br />

von der einen oder anderen Partei ordentlich gekündigt wird <strong>und</strong> der<br />

aufgeschobeneFälligkeitszeitpunkt vor Ablauf derKündigungsfrist liegt. 1139 Für<br />

den Fall, dass der angekündigte Fälligkeitszeitpunkt auf ein Datum nach Ablauf<br />

der Kündigungsfrist fällt, greift die zweiseitig zwingende Regel inArt. 339<br />

Abs.1OR. Nach dieser Best<strong>im</strong>mung werden bei Beendigung des Arbeitsvertrags<br />

1140 alle Forderungen fällig. Eine echte Gratifikation wird davon erfasst.<br />

1136<br />

1137<br />

1138<br />

1139<br />

1140<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.1; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1, wobei sich in den angeführten<br />

Entscheiden des B<strong>und</strong>esgerichts indes keine spezifische Bezugnahme auf<br />

eine freiwillige oder echte Gratifikation findet. Eswird jeweils nur von der «Gratifikation»<br />

gesprochen.<br />

Art. 104 Abs. 1OR, wonach der Verzug des Schuldners mit Ablauf des Verfalltags<br />

eintritt.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 30. November 2004, 4C.241/2004, E. 4.1; BSK<br />

OR I-Wiegand, Art. 102 N10 mit Hinweis auf BGE 116 II 441 (E. 2a, 443);<br />

Gauch/Schluep/Emmenegger, N2711 ff.; Koller, §55N 28 ff.; Schwenzer,<br />

N65.10 ff. Fraglich ist allerdings, ob ein Arbeitnehmer, wenn ervon dieser Rechtslage<br />

Kenntnis hat, auch Verzugszins einfordern würde, wenn das Arbeitsverhältnis nicht<br />

gekündigt ist. Eine solche Forderung wäre dem Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber wohl nicht zuträglich.<br />

Im Anschluss an das Beispiel inFn. 1134 könnte der Arbeitgeber oder der Arbeitneh-<br />

mer den Arbeitsvertrag <strong>im</strong> Februar 2010 z.B. per Ende Mai 2010 ordentlich kündigen.<br />

So die französische Version von Art. 339 Abs. 1OR(«à la fin ducontrat, […]»); anders<br />

die deutsche <strong>und</strong> die italienische Fassung von Art. 339 Abs. 1OR, wonach die<br />

297


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

298<br />

Unter Vorbehalt einer zulässigen, anderen Abrede <strong>im</strong>Zusammenhang mit der<br />

Kündigung, wird der vom Arbeitgeber einseitig festgelegte Fälligkeitszeitpunkt<br />

aufdas Ende derKündigungsfrist vorverschoben.<br />

660 Kritischer ist die Situation dann, wenn der Arbeitgeber nebst der aufgeschobenen<br />

Fälligkeit 1141 auch zusätzliche Bedingungen für die Ausrichtung der echten<br />

Gratifikation aufstellt, die nicht zu den Ausrichtungsmodalitäten zu zählen sind,<br />

sondern den Rechtsanspruch auf die freiwillige Gratifikation betreffen. Der Arbeitgeber<br />

könnte etwa erklären, der Anspruch des Arbeitnehmers auf die echte<br />

Gratifikation entstehe erst, wenn der Arbeitnehmer <strong>im</strong>künftigen Zeitpunkt, in<br />

welchem die Gratifikation ausbezahlt werden soll, noch für den Arbeitgeber tätig<br />

sei oder gar ineinem ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehen müsse. Zusätzliche<br />

Schwierigkeiten können sich auch dann ergeben, wenn nach der anspruchsbegründenden<br />

Mitteilung, es werde eine echte Gratifikation mit einseitig<br />

vom Arbeitgeber aufgeschobenem Auszahlungszeitpunkt ausgerichtet, andere<br />

Ereignisse bekannt werden oder eintreten, die wertungsmässig geeignet sind,<br />

auf die Ausrichtung der echten Gratifikation Einfluss auszuüben. Auf diese<br />

Problemfelder soll nachfolgend eingegangen werden, umeinen Vergleich mit<br />

der «vereinbarten» oder «unechten» Gratifikation sowie der Sondervergütung<br />

mit<strong>Lohn</strong>charakterzuerleichtern. 1142<br />

2. Dievereinbarte oder unechte Gratifikation<br />

(a) Der Begriff derunechten Gratifikation<br />

661 Von einer vereinbarten oder unechten Gratifikation wird dann gesprochen,<br />

wenn der Arbeitgeber <strong>und</strong> der Arbeitnehmer (<strong>im</strong> Voraus) übereingekommen<br />

sind, dass der Arbeitgeber anlässlich eines in der Zukunft liegenden Zeitpunkts<br />

eine Gratifikation ausrichten wird. Der Arbeitgeber ist damit verpflichtet, eine<br />

Gratifikation zuentrichten. ImGegensatz zur echten Gratifikation besteht folglich<br />

keine (echte) «Freiwilligkeit» mehr. Weiter zeichnet sich die vereinbarte<br />

oder unechte Gratifikation nach wohl vorherrschender Begriffsbest<strong>im</strong>mung dadurch<br />

aus, dass der Arbeitgeber zwar eine Gratifikation ausrichten muss, in der<br />

Bemessung der Höhe, be<strong>im</strong> Festlegen des Zahlungsmittels <strong>und</strong> der Fälligkeit<br />

1141<br />

1142<br />

Fälligkeit aller Forderung «mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses […]» bzw. von<br />

«con la fine del rapporto di lavoro, […]» eintritt.<br />

Nach allgemeiner Definition bedeutet «Fälligkeit» aus Sicht des Gläubigers, dass er<br />

einen bestehenden Rechtsanspruch <strong>im</strong>bzw. abdem Zeitpunkt der Fälligkeit vom<br />

Schuldner die Leistung verlangen <strong>und</strong> allenfalls einklagen kann <strong>und</strong> darf, falls der<br />

Schuldner trotz Aufforderung nicht leistet. Vgl. Addorisio de Feo, N3ff.; BSK OR I-<br />

Leu, Art. 75 N4;Gauch/Schluep/Emmenegger, N2156 ff.; Koller, §39N1<strong>und</strong> N7;<br />

Schwenzer, N7.17.<br />

Vgl. dazu unten Rz. 675 ff.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

der unechten Gratifikation indessen gr<strong>und</strong>sätzlich frei bleibt. 1143 Bei der vereinbarten<br />

oder unechten Gratifikation liegt daher nicht mehr als eine Gr<strong>und</strong>satzvereinbarung<br />

vor, deren Konkretisierung allein dem Arbeitgeber anhe<strong>im</strong>gestellt<br />

ist. Aus schuldrechtlicher Sicht ist die unechte Gratifikation damit zwar eine<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich klagbare Verpflichtung, die allerdings mangels näherer Best<strong>im</strong>mung<br />

in dergerichtlichen Durchsetzung Schwierigkeiten bereiten kann.<br />

662 Die Bezeichnung der dargestellten Art von Gratifikation als «vereinbarte» oder<br />

«unechte» Gratifikation ist begrifflich nicht unrichtig. Sie ist aber insofern unpräzise<br />

bzw. nicht hinreichend, weil sich daraus noch kein vollständiges Bild<br />

der unechten Gratifikation ergibt. Denn der Begriff der «vereinbarten Gratifikation»<br />

könnte nahelegen, dass die vereinbarte Gratifikation in allen essenziellen<br />

Elementen, also z.B. auch bezüglich desZahlungsmittels, der Höhe<strong>und</strong> der Fälligkeit,<br />

festgelegt ist. Gerade dies ist gemäss dem wohl vorherrschenden Begriffsverständnis<br />

der vereinbarten oder unechten Gratifikation aber nicht der<br />

Fall. 1144<br />

663 ImGesetzestext von Art. 322d Abs.1OR wird die unechte Gratifikation nicht<br />

direktangesprochen. Es handelt sich beider unechten Gratifikation umeineUnterart<br />

einer Sondervergütung, die eine Zwischenstufe zwischen einer freiwilligen<br />

oder echten Gratifikation <strong>und</strong> einer inallen essenziellen Elementen festgelegten<br />

Gratifikation darstellt. Eine Gratifikation, deren essenzielle Elemente von<br />

den Parteien (ausgehandelt <strong>und</strong>) vereinbart wurden, könnte als fixe oder garantierte<br />

Gratifikation bezeichnet werden. Obwohl die vereinbarte oder unechte<br />

Gratifikation vom Gesetz nicht direkt angesprochen wird, wird die Zulässigkeit<br />

der Vereinbarung einer unechten Gratifikation zuRecht nicht infrage gestellt.<br />

Wenn es zulässig ist, dass der Arbeitgeber eine echte Gratifikation ausrichtet,<br />

welche <strong>im</strong>Gr<strong>und</strong>satz <strong>und</strong> der Höhe vollumfänglich von seinem Ermessen abhängt,<br />

ist esein Gebot der Logik, dass es auch zulässig sein muss, dass der Arbeitgeber<br />

sich verpflichten kann,eineunechte Gratifikation auszurichten.<br />

1143<br />

1144<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322d N12; Senti, Abgrenzung, S. 676; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322d N2;ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N9<strong>und</strong> N14.<br />

In rechtlich <strong>und</strong> begrifflich unklarer Weise sprechen Brand/Dürr et al., Art. 322d N4,<br />

davon, dass eine unechte Gratifikation infolge der Parteivereinbarung zu einem <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

werde. Duc/Subilia, Art. 322d N6 sowie N9,halten die «gratification<br />

obligatoire» oder die «fausse gratification» <strong>im</strong>mer für einen <strong>Lohn</strong>bestandteil, weil sie<br />

zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Dieser Auffassung kann indieser Allgemeinheit<br />

nicht beigepflichtet werden. Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d N5,<br />

dürften unter den Begriff der «gratification obligatoire» sowohl die Gratifikation, welche<br />

nur dem Prinzip nach geschuldet ist, als auch die vollständig best<strong>im</strong>mte Gratifikation<br />

subsumieren.<br />

299


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

(b) KeineVermutungder Einmaligkeit einer unechten Gratifikation<br />

664 Gleich wie eine freiwillige oder echte Gratifikation kann eine vereinbarte oder<br />

unechte Gratifikation einmalig sein oder aber <strong>im</strong> Verlauf von mehreren Jahren<br />

mehrmals gewährt werden. 1145 Insofern kann auch bei der unechten Gratifikation<br />

gesagt werden, dass keine Vermutung der Einmaligkeit besteht. Im Gegensatz<br />

zur echten Gratifikation kann ein Arbeitsvertrag allerdings auch eine Klausel<br />

enthalten, die dem Arbeitnehmer eine wiederholte unechte Gratifikation zusichert.<br />

Unter Vorbehalt einer Vertragsänderung stellt sich in einer solchen<br />

Konstellation dieFrageder Einmaligkeit derunechten Gratifikation nichtmehr.<br />

665 Gleich wie bei der echten Gratifikation können auch bei der unechten Gratifikation<br />

die Zeitabstände zwischen der Ausrichtung einer einzelnen unechten Gratifikation<br />

regelmässig oder unregelmässig sein <strong>und</strong>, je nach Konstellation, einer<br />

zeitlichen <strong>und</strong>/odersachlichen Gesetzmässigkeit folgen.<br />

(c) Potenziell marginalerUnterschied zwischen derechten<strong>und</strong> unechten<br />

Gratifikation<br />

666 Wenn der Arbeitsvertrag vorsieht, dass der Arbeitgeber eine unechte Gratifikation<br />

ausrichten muss, der Arbeitgeber aber dennoch frei bleibt, sowohl das Zahlungsmittel,<br />

die Höhe als auch die Fälligkeit festzulegen, ist unschwer zuerkennen,<br />

dass eine solche Vereinbarung für den Arbeitnehmer unter Umständen<br />

nur von beschränktem wirtschaftlichem Wert ist. Sofern keine weiteren vertraglichen<br />

Kriterien vorliegen, denen der Arbeitgeber bei der Bemessung derunechten<br />

Gratifikation für eine korrekte Erfüllung der Gratifikationsvereinbarung Beachtung<br />

schenken muss, kann der Unterschied zwischen einer echten <strong>und</strong> einer<br />

unechten Gratifikation für den Arbeitnehmer gegen null streben. Denn der Arbeitgeber<br />

könnte durch Zahlung der kleinsten denkbaren Geldeinheit oder mit<br />

einem höheren Betrag, welcher dennoch nur als symbolisch betrachtet werden<br />

kann, informeller Hinsicht seiner Pflicht zur Zahlung der unechten Gratifikation<br />

vollumfänglich nachkommen. 1146 In materieller <strong>und</strong> wirtschaftlicher Hinsicht<br />

könnte eine dergestalt erfüllte vereinbarte Gratifikation als entwertet betrachtet<br />

werden. Sie könnte vom Arbeitnehmer zudem als verletzend empf<strong>und</strong>en werden,<br />

falls der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sein Vorgehen nicht mit einer<br />

sachlichen, objektiv nachvollziehbaren Begründung erklären kann (<strong>und</strong> auch<br />

erklärt).<br />

1145<br />

1146<br />

300<br />

Senti, Abgrenzung, S. 676.<br />

Cramer, N16; Delbrück, S.15; Egli, S.6;vgl. auch BSK OR I-Portmann, Art. 322d<br />

N13; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N14. Allenfalls wäre jedoch eine Missachtung<br />

des Gleichbehandlungsgebots bzw. des Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots sowie unter Umständen<br />

eine Persönlichkeitsverletzung zu prüfen.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

(d) Informationsanspruchdes Arbeitnehmers beider unechten Gratifikation<br />

667 Obwohl dies in der Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung nicht explizit angesprochen<br />

wird, ist dem Arbeitnehmer bei Vorliegen einer vereinbarten Gratifikation ein<br />

diesbezüglicher Informationsanspruch einzuräumen. Zwar obliegt dem Arbeitgeber<br />

keine eigenständige Informationspflicht in dem Sinne, dass der Arbeitgeber<br />

aus eigenem Antrieb nähere Auskünfte zur Bemessung bzw. zu einem<br />

wertmässigen Wegfall der vereinbarten Gratifikation erteilen muss. Spätestens<br />

auf Nachfrage des Arbeitnehmers hin lebt indessen eine diesbezügliche Informationspflichtauf.<br />

668 Ihre Gr<strong>und</strong>lage findet diese Informationspflicht –<strong>im</strong>Sinne einer positiven Nebenleistungspflicht<br />

1147 –unmittelbar in der Vereinbarung zur unechten Gratifikation.<br />

1148 Dieser Informationspflicht kann sich der Arbeitgeber nicht durch einen<br />

(repetitiven) Hinweis auf den Charakter oder das Wesen der vereinbarten<br />

Gratifikation entziehen, die ja ins<strong>besondere</strong> die Bemessung der Höhe dem Arbeitgeber<br />

überlässt. Der Arbeitnehmer hat –unter Wahrung der Gehe<strong>im</strong>haltungsinteressen<br />

des Arbeitgebers <strong>und</strong> der anderen Arbeitnehmer –einen Anspruch<br />

darauf zuerfahren, von welchen Überlegungen sich der Arbeitgeber leiten<br />

liess <strong>und</strong> ob diese Informationen auch zutreffend sind. 1149<br />

(e) Die Ausrichtungder unechten Gratifikationnach billigem Ermessen<br />

669 Umzuverhindern, dass der theoretisch klare, <strong>im</strong> beurteilten, praktischen Ergebnis<br />

aber dennoch dem Willen des Arbeitgebers überlassene Unterschied<br />

zwischen einer echten <strong>und</strong> einer unechten Gratifikation sich nicht <strong>im</strong> Übermass<br />

verwischt, wird in der Literatur verlangt, dass der Arbeitgeber bei der Bemessung<br />

der unechten Gratifikation nicht willkürlich vorgeht. Ins<strong>besondere</strong> wird<br />

ausgeführt, der Arbeitgeber habe die Bemessung der Höhe der unechten Grati-<br />

1147<br />

1148<br />

1149<br />

ZumBegriff der Neben(leistungs)pflicht vgl. oben Fn. 425 <strong>und</strong> 426.<br />

Subsidiär könnte der Informationsanspruch allenfalls auch auf die allgemeine Fürsorgepflicht<br />

gemäss Art. 328 OR sowie Art. 330b Abs. 1lit. dORabgestützt werden,<br />

selbst wenn die letztere Best<strong>im</strong>mung nur vom «<strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> allfälligen <strong>Lohn</strong>zuschlägen»<br />

spricht. Einschränkend BSK OR I-Portmann, Art. 330b N15, wonach zwar bedingte<br />

oder unbedingte Sondervergütungen von Art. 330b Abs. 1lit. dORerfasst werden, die<br />

weder dem Gr<strong>und</strong>satz noch der Höhe nach vom Ermessen des Arbeitgebers abhängen.<br />

«Gratifikationen» sollenaber nicht darunter fallen.<br />

Dieses Informationsrecht erscheint mittels Leistungsklage (vgl. Art. 84 ZPO) als<br />

selbstständig einklagbar; sei es als reine Informationsklage, mit welcher der Arbeitgeber<br />

zur Auskunftserteilung verpflichtet werden soll, oder sei es <strong>im</strong> Rahmen einer Stufenklage<br />

bzw. einer vorerst unbezifferten Forderungsklage (vgl. Art. 85 ZPO). Für Aktiengesellschaften<br />

vgl. zudem Art. 697h OR.<br />

301


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

302<br />

fikation nach billigem Ermessen vorzunehmen. 1150 Dieser Ansatz dürfte wesentlich<br />

von §315 Abs.1desdeutschen BGB beeinflusst worden sein. 1151<br />

670 Ein anderer, indes verwandter Ansatz kann auch Art. 2 Abs.1ZGB i.V.m.<br />

Art. 4ZGB abgeleitet werden. InAnlehnung anArt. 4ZGB, worin dem Richter<br />

aufgegeben wird, einen Ermessensentscheid nach Recht <strong>und</strong> Billigkeit zu treffen,<br />

kann unter billiger Ermessensausübung ein deduktiver Gedankengang verstanden<br />

werden, in dessen Rahmen die verschiedenen, sich ganz oder teilweise<br />

widerstrebenden Interessen der Parteien zu ermitteln <strong>und</strong> unter Berücksichtigung<br />

aller massgeblichen Umstände in objektiver, d.h. sachlich begründeter<br />

Weise, gegeneinander abgewogen werden. 1152 Ziel muss es sein, ein möglichst<br />

ausgewogenes, nachvollziehbares <strong>und</strong> letztlich einleuchtendes Ergebnis zu erreichen.<br />

Willkürliches Vorgehen bzw. eine Entscheidung nach «Lust <strong>und</strong> Laune»<br />

ist ausgeschlossen. Diese, vom Richter zu beachtenden, gr<strong>und</strong>legenden<br />

Leitlinien können <strong>im</strong> Rahmen von Art. 2Abs. 1ZGB auch auf den Arbeitgeber<br />

übertragen werden. Selbst wenn somit eine explizite vertragliche Vereinbarung<br />

vorliegen würde, welche dem Arbeitgeber bei einer unechten Gratifikation eine<br />

Vorgehensweise nach freiem Belieben explizit zuerkennen würde, 1153 könnte eine<br />

solche Vereinbarung –ohne einschränkende Leitlinien –<strong>im</strong>Kern als widersprüchlich<br />

<strong>und</strong> als Verstoss gegen die schonende Rechtsausübung 1154 als Teilaspekt<br />

des Gr<strong>und</strong>satzes von Treu <strong>und</strong> Glauben bezeichnet werden. Eine andere<br />

Betrachtungsweise würde zum einen die vertragliche Gr<strong>und</strong>satzvereinbarung<br />

der Zahlung einer Gratifikation gänzlich aushöhlen; zum anderen würde auch<br />

dem Gr<strong>und</strong>charakter des Arbeitsverhältnisses, inwelchem beide Parteien auf<br />

1150<br />

1151<br />

1152<br />

1153<br />

1154<br />

BGE 136 III 313 (E. 2.3, 319); BSK OR I-Portmann, Art. 322d N13; Stofer, S.242<br />

m.H. auf BGE23I265 (E. 2;269 f.).<br />

Vgl. auch Cramer, N262 <strong>und</strong> N412; Schmid, S.186 f.<br />

§315 des deutschenBGB lautet wie folgt:<br />

« 1 Soll die Leistung durch einen der Vertragschliessenden best<strong>im</strong>mt werden, so ist <strong>im</strong><br />

Zweifel anzunehmen, dass die Best<strong>im</strong>mung nach billigem Ermessen zu treffen ist.<br />

2<br />

Die Best<strong>im</strong>mung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.<br />

3<br />

Soll die Best<strong>im</strong>mung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Best<strong>im</strong>mung<br />

für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht<br />

sie nicht der Billigkeit, sowird die Best<strong>im</strong>mung durch Urteil getroffen; das<br />

Gleiche gilt, wenn die Best<strong>im</strong>mung verzögert wird.».<br />

BE-Komm.-Meier-Hayoz, Art. 4ZGB N11<strong>und</strong> N46ff.<br />

Eine entsprechende Vertragsklausel könnte etwa wie folgt lauten: «Der Arbeitgeber<br />

verpflichtet sich, eine Gratifikation auszurichten, behält sich jedoch ausdrücklich vor,<br />

deren Art <strong>und</strong> Höhe völlig frei festzulegen.».<br />

Vgl. BGE 132 III 115 (E. 2.2, 117 f.) betreffend eine missbräuchliche Kündigung eines<br />

Arbeitsvertrags; BGE 125 III 70 (E. 2b, 73 f.) betreffend eine missbräuchliche<br />

Kündigung eines Arbeitsvertrags; BGE118 II 157 (E. 4b/cc, 166 f.) betreffend eine<br />

missbräuchliche Kündigung eines Franchisevertrags, auf den Arbeitsrecht sinngemäss<br />

angewendet wurde.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

die jeweiligen berechtigten Interessen der anderen Partei Rücksicht nehmen<br />

müssen, nicht mehr entsprochen. Diese berechtigten Interessen des Arbeitnehmers<br />

können auch finanzielle Aspekte zwischen Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber<br />

erfassen,die nurdem Gr<strong>und</strong>satz nach vereinbart worden sind. 1155<br />

(f) Die Ausrichtungsmodalitätender unechten Gratifikation<br />

671 Jenach Detaillierungsgrad der Vereinbarung, womit der Anspruch auf eine vereinbarte<br />

oder unechte Gratifikation begründet wird, können sich <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit der Ausrichtung der unechten Gratifikation ähnliche Schwierigkeiten<br />

ergeben, welche zuweilen auch bei der echten Gratifikation zutage treten. 1156<br />

Bei der echten Gratifikation kann der Arbeitgeber aufgr<strong>und</strong> des Umstands, dass<br />

sie freiwillig ausgerichtet wird, die zeitliche <strong>und</strong>/oder sachliche Periodizität sowie<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz nach auch die Modalitäten ihrer Ausrichtung best<strong>im</strong>men. Es<br />

fragt sich daher, ob dies auch bei einer vereinbarten oder unechten Gratifikation<br />

der Fall sein kann, wenn in der Parteivereinbarung eine Bezugnahme auf einen<br />

best<strong>im</strong>mten Anlass fehlt <strong>und</strong> auch die Fälligkeit der vereinbarten Gratifikation<br />

nichtnäher geregelt wurde. DieFrageist zu verneinen.<br />

672 Fehlt in einer Abrede für eine unechte Gratifikation ein zeitlicher Bezug <strong>und</strong><br />

bleibt eine Auslegung des Vertrags ohne schlüssiges Ergebnis, ist von einer<br />

planwidrigen Unvollständigkeit des Vertrags oder einer Vertragslücke 1157 auszugehen.<br />

Diese planwidrige Unvollständigkeit muss in Anbetracht des Umstands,<br />

dass eine vereinbarte Gratifikation vorliegt, notwendigerweise ausgefüllt<br />

werden. Unter solchen Voraussetzungen wäre zuerst zu ermitteln, auf welcher<br />

Periodizität die unechte Gratifikation beruht. Falls sich die Parteien in diesem<br />

Punkt nicht einigen können, wäre <strong>im</strong> Streitfall <strong>im</strong>Sinne des Ausfüllens einer<br />

Vertragslücke 1158 in erster Linie auf (zwingendes 1159 <strong>und</strong>) dispositives Gesetzes-<br />

1155<br />

1156<br />

1157<br />

1158<br />

Vgl. auch BSK ORI-Portmann, Art. 328 N47, sowie Geiser/Müller, N463, die aus<br />

der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach Art. 328 OR ableiten, der Arbeitgeber habe<br />

auch die vermögenswerten Interessen des Arbeitnehmers zu schützen. Einschränkend<br />

ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Autoren die vermögensrechtliche Fürsorgepflicht<br />

des Arbeitgebers nach Art. 328 OR an den angeführten Stellen nicht auf die<br />

Gratifikation erstrecken. Sie beschränken diesen Aspekt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers<br />

<strong>im</strong> Wesentlichen auf korrekte <strong>und</strong> vollständige Auskünfte <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit Sozial- <strong>und</strong> Versicherungsleistungen sowie den Schutz von dem Arbeitnehmer<br />

gehörenden Sachen am Arbeitsplatz.<br />

Vgl. oben Rz. 654 ff.<br />

Zum Begriff der Vertragslücke vgl. statt mehrerer: BSK OR I-Wiegand, Art. 18 N57,<br />

N61<strong>und</strong> N65m.w.H.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N1248 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> N1254; Koller, §10N1ff. <strong>und</strong><br />

ins<strong>besondere</strong> N5ff.; Schwenzer, N34.01 ff. <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong> N34.05 f.<br />

303


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

304<br />

recht abzustellen. 1160 Dabei können zwei Best<strong>im</strong>mungen inBetracht gezogen<br />

werden. Aus den inArt. 322d Abs.1OR beispielhaft genannten «best<strong>im</strong>mten<br />

Anlässen» –Weihnachten <strong>und</strong> der Geschäftsabschluss –könnte abgeleitet werden,<br />

dass zur Lückenfüllung auf einen Einjahresrhythmus abzustellen ist. Eine<br />

andere Lösung könnte unter Bezugnahme auf die in Art. 322 Abs. 1ORverankerte<br />

Betriebs-, Orts- oder Branchenüblichkeit gef<strong>und</strong>en werden. Zubedenken<br />

ist allerdings, dass sich in den meisten Konstellationen kein Unterschied zu<br />

Art. 322d Abs.1OR ergeben wird, daGratifikationen inder Rechtswirklichkeit<br />

meist einem jährlichen Zeitmuster folgen.<br />

673 Der Nachweis einer Übung, welche von einem Einjahresrhythmus abweicht,<br />

wäre gemäss der allgemeinen Regel der Beweislastverteilung nach Art. 8ZGB<br />

derjenigen Partei aufzuerlegen, welche daraus für sich Rechte ableitet. Würde<br />

sich der Arbeitgeber etwa daraufberufen, inseinemBetrieb würdenur alle zwei<br />

Jahre eine unechte Gratifikation ausgerichtet, wäre vom Arbeitgeber zudem<br />

nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer von dieser betrieblichen Übung Kenntnis<br />

gehabt hat oder wenigstens hätte Kenntnis haben können. Die Rechtfertigung<br />

liegt darin, dass der Arbeitgeber die eigene betriebliche Übung sicher kennt<br />

<strong>und</strong>, bei Vorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrags, wohl meist den lückenhaften<br />

oder unklaren Arbeitsvertrag verfasst hat, was sich nach der Unklarheitsregel<br />

1161 zu seinen Ungunsten auswirken müsste.<br />

674 ImUnterschied zur echten Gratifikation wäre für die vereinbarte oder unechte<br />

Gratifikation auch davon auszugehen, dass dem Arbeitgeber das einseitige Festlegen<br />

des Fälligkeitszeitpunkts mangels Freiwilligkeit der Ausrichtung der Gratifikation<br />

nicht zugestanden werden kann. Die Gratifikation wird, sollte ein<br />

«best<strong>im</strong>mter Anlass» vereinbart worden sein, gr<strong>und</strong>sätzlich in diesem Zeitpunkt<br />

fällig. 1162 Wollte sich der Arbeitgeber demgegenüber auf einen späteren durch<br />

Betriebs-, Orts- oder Branchenüblichkeit begründeten Fälligkeitszeitpunkt berufen<br />

wollen, wäre er für das Bestehen dieser Übung wiederum beweispflichtig.<br />

Zudem hätte der Arbeitgeber auch zubeweisen, dass der Arbeitnehmer von dieser<br />

Betriebsübung Kenntnis hatte oderhätte Kenntnis haben können.<br />

1159<br />

1160<br />

1161<br />

1162<br />

Vgl. Koller, §10N6, welcher darauf hinweist, dass es sich bei zwingendem Recht um<br />

kein eigentliches Mittel zum Ausfüllen von Vertragslücken handelt, dazwingendes<br />

Recht auch ungeachtet einer Vertragslücke anzuwenden ist.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6. Januar 2006, 4C.376/2005, E. 3.2; vgl. auch<br />

BGE 115 II 484 (E. 4b, 488); zur Kontroverse, obeine Vertragslücke in erster Linie<br />

durch dispositives Gesetzesrecht oder, mangels Gewohnheitsrecht, aufgr<strong>und</strong> der hypothetischen<br />

Vertragswillen der Parteien bzw. gestützt auf Art.1Abs. 2ZGB zu füllen<br />

sei, vgl. BE-Komm.-Kramer, Art. 18 N230 ff.; BSK OR I-Bucher, Art. 2N8ff.; BSK<br />

OR I-Wiegand, Art. 18 N70ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N1264 f.<br />

Zur Unklarheitsregel vgl. auch oben Rz. 481 <strong>und</strong> Fn. 846 mit weiteren Nachweisen.<br />

Art. 75 OR; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N10; Brand/Dürr et<br />

al., Art. 322d N26; Stofer, S.236; ZH-Komm.-Staehelin, Art.322d N16.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

3. Dievollständig best<strong>im</strong>mte<strong>und</strong> dieobjektiv bedingteGratifikation<br />

(«Sondervergütungmit <strong>Lohn</strong>charakter»)<br />

675 Aufgr<strong>und</strong> des Gesetzestexts von Art. 322d OR steht esden Parteien frei, nebst<br />

oder zusätzlich zum (fixen <strong>und</strong> variablen) <strong>Lohn</strong> nach Art. 322–322c OR eine<br />

Gratifikation zuverabreden. Als Folge der Abschluss- <strong>und</strong> Inhaltsfreiheit als<br />

Teilaspekten der Vertragsfreiheit, die wegen der dispositiven Natur von<br />

Art. 322d OR vom Gesetzgeber nicht (explizit) eingeschränkt wurden, können<br />

<strong>und</strong> dürfen die Parteien eine (einmalige oder eine mehrmals) auszurichtende<br />

Gratifikation <strong>im</strong>Detail regeln. Sofern zum einen der Inhalt der Gratifikationsabrede<br />

nicht widerrechtlich ist 1163 oder gegen die guten Sitten verstösst <strong>und</strong> damit<br />

gemäss Art. 20 Abs.1<strong>und</strong> Abs.2OR als ganz oder teilweise nichtig beurteilt<br />

werden müsste <strong>und</strong> zudem keine Willensmängel vorliegen, 1164 greift der<br />

Gr<strong>und</strong>satz, dass Verträge zuhalten sind (pacta sunt servanda). Die wesentlichen<br />

Modalitäten, welche die Parteien bei einer (vollständig) best<strong>im</strong>mten Gratifikationsabrede<br />

1165 zu regeln haben, betreffen die Periodizität –d.h. die einmalige<br />

oder mehrmalige Ausrichtung in regelmässigen oder unregelmässigen Zeitabständen<br />

<strong>im</strong>Rahmen des Arbeitsverhältnisses –, das oder die Zahlungsmittel,<br />

die Höhe der Gratifikation unter Berücksichtigung des gewählten Zahlungsmittels,<br />

den best<strong>im</strong>mten Anlass bzw. die Fälligkeit sowie, ins<strong>besondere</strong> be<strong>im</strong> unbefristeten<br />

Arbeitsvertrag, das Schicksal der Gratifikation bei Beendigung des Arbeitsvertrags.<br />

1166<br />

1163<br />

Wobei <strong>im</strong> vorliegenden Kontext eine Verletzung der Persönlichkeit gemäss Art. 27 ff.<br />

ZGB i.V.m. Art. 328 OR <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> steht.<br />

1164<br />

Sei dies eine Übervorteilung (Art.21OR), ein wesentlicher Irrtum (Art. 23ff. OR),<br />

eine absichtliche Täuschung (Art. 28 OR) oder ein Fall der gegründeten Furcht (Art.<br />

29 f. OR).<br />

1165<br />

BSK OR I-Portmann, Überschrift vor Art. 322d N16, spricht bei Sondervergütungen,<br />

die sowohl dem Gr<strong>und</strong>satz wie auch der Höhe nach vertraglich best<strong>im</strong>mt oder best<strong>im</strong>mbar<br />

sind, von «Sondervergütung mit <strong>Lohn</strong>charakter».<br />

1166<br />

Eine solche, vor Stellenantritt abgeschlossene Klausel könnte etwa wie folgt lauten:<br />

«Unter der Voraussetzung des Bestehens der Probezeit verpflichtet sich die Arbeitgeberin,<br />

zusätzlich zum <strong>Lohn</strong>, alle zwei Kalenderjahre eine Gratifikation auszurichten.<br />

Für eine volle Zweijahresperiode besteht sie aus einer Zahlung von CHF 12000.- (ohne<br />

Teuerungsausgleich) sowie zusätzlich 24 frei verfügbaren Namenaktien des Arbeitgebers.<br />

Sie wird, pro rata, erstmals Ende des laufenden Kalenderjahres ausgerichtet.<br />

Die Geldzahlung erfolgt zusammen mit dem Dezemberlohn unmittelbar vor Ablauf<br />

der Zweijahresperiode. Die Übertragung der Namenaktien erfolgt per 31. Dezember<br />

unmittelbar vor Ablauf der Zweijahresperiode mittels Transfer auf ein vom Arbeitnehmer<br />

zu bezeichnendes, auf seinen Namen lautendes Depot bei einer Schweizer<br />

Bank.<br />

Wird der Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer (1) ordentlich gekündigt, ohne dass der<br />

Arbeitgeber ihm dazu wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten<br />

305


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

676 Verschiedentlich enthalten Gratifikationsvereinbarungen spezifische Abreden,<br />

welche –allenfalls erst nach Auslegung der entsprechenden Vereinbarung gemäss<br />

Vertrauensprinzip –als (echte) suspensive (Anspruchs-)Bedingung(en) für<br />

die Gratifikation zu verstehen sind. 1167 Ebenfalls möglich ist es, dass sich in derselben<br />

Gratifikationsvereinbarung neben suspensiven 1168 auch resolutive 1169 Bedingungen<br />

finden. Enthält eine Gratifikationsvereinbarung sowohl suspensive<br />

als auch resolutive Bedingungen, können –der Logik folgend –die resolutiven<br />

Bedingungen i.d.R. erst dann zur Anwendung kommen, wenn die suspensiven<br />

Bedingungen erfüllt sind. Da ohne gesetzliche Einschränkung jede Forderung<br />

1170 unter eine oder mehrere Bedingungen gestellt werden kann, ist esmöglich,<br />

den Anspruch auf eine Gratifikation ansich einer oder mehreren Bedingungen<br />

zu unterstellen. 1171 Gleiches gilt für die Höhe sowie die weiteren Modalitäten<br />

einer Gratifikation.<br />

1167<br />

1168<br />

1169<br />

1170<br />

1171<br />

306<br />

Anlass gegeben hat, oder (2) zuUnrecht aus wichtigen Gründen fristlos aufgelöst, besteht<br />

kein pro rata-Anspruch.<br />

Wird der Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber (1) ordentlich gekündigt, ohne dass der Arbeitnehmer<br />

ihm dazu wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten<br />

Anlass gegeben hat, oder (2) zu Unrecht fristlos aufgelöst, besteht ein pro rata-<br />

Anspruch.<br />

Präzisierend ist festzuhalten, dass ein pro rata-Anspruch auch dann besteht, wenn die<br />

eine oder die andere Partei den Arbeitsvertrag in zulässiger Weise kündigt, weil (1) eine<br />

mehr als sechs Monate dauernde ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigung des Arbeitnehmers<br />

vorliegt, die eine voraussichtlich bleibende Arbeitsunfähigkeit von mehr als<br />

40 %einer Vollzeitstelle (40 Wochenst<strong>und</strong>en) nach sich zieht, oder weil (2) der Arbeitnehmer<br />

nach vollendetem sechzigsten Altersjahr in den Ruhestand (d.h. keine<br />

planmässige berufliche Tätigkeit <strong>im</strong>Gesamtumfang mehr als 40 %einer Vollzeitstelle<br />

[40 Wochenst<strong>und</strong>en]) übertritt.<br />

Die Parteien verpflichten sich, diese Regelungen zum pro rata-Anspruch bei Kündigung<br />

in einer Aufhebungsvereinbarung sinngemäss zuberücksichtigen.»<br />

Zu den verschiedenen Arten von Bedingungen vgl. auch oben Rz. 264.<br />

D.h. aufschiebenden bzw. anspruchsbegründenden Bedingungen.<br />

D.h. auflösenden bzw. anspruchsaufhebenden Bedingungen.<br />

Zwar wird in den Art. 151 ff. OR von Bedingungen unterstellten Verträgen gesprochen.<br />

Unbestritten erscheint indessen, dass nicht nur ganze Verträge, sondern auch<br />

einzelne (Teil-)Forderungen <strong>im</strong> Rahmen eines Vertrags einer oder mehreren Bedingungen<br />

unterstellt werden können; vgl. Bucher, S. 506; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3952; Koller, §77N1.<br />

Best<strong>im</strong>mte Rechtsgeschäfte können gestützt auf Gesetzesnormen bzw. aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

gesetzlich skizzierten Rechtsnatur keiner oder nur best<strong>im</strong>mten Arten von Bedingungen<br />

unterstellt werden. Sie sind generell –z.B. das Eingehen der Ehe oder der eingetragenen<br />

Partnerschaft –oder eingeschränkt bedingungsfeindlich –z.B. sind bei einem<br />

Gr<strong>und</strong>stückskauf gemäss Art. 217 Abs. 1ORnur aufschiebende Bedingungen möglich;<br />

vgl. BGE 129 III 264 (E. 3.2.1, 267 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

13. September 2004, 4C.25/2004, E. 3.1.3. Das von der Bedingungsfeindlichkeit eines<br />

Rechtsgeschäfts abzugrenzende Bedingungsverbot gemäss Art. 157 OR untersagt es,


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

677 Vorausgesetzt, dass die suspensiven Bedingungen erfüllbar sind, 1172 <strong>und</strong> ist in<br />

einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt noch unklar, ob sich eine Bedingung, einige von<br />

mehreren Bedingungen oder alle Bedingungen schon erfüllt haben, befindet<br />

sich der Anspruch auf eine Gratifikation (ganz oder teilweise) in der Schwebe.<br />

Zumeist sind bedingte Gratifikationsabreden soausgestaltet, dass der Anspruch<br />

auf die Gratifikation erst dann entsteht, wenn alle Bedingungen erfüllt wurden.<br />

Es liegen kumulative Anspruchsbedingungen vor. Möglich ist esindessen auch,<br />

dass der Anspruch auf eine Gratifikation <strong>im</strong>Gr<strong>und</strong>satz entsteht, wenn eine von<br />

zwei oder mehreren Bedingungen erfüllt worden sind. Es liegen alternative Bedingungen<br />

vor. 1173 Neben echten Bedingungen <strong>im</strong> Sinne von Voraussetzungen<br />

für das Aufleben des Anspruchs können sich weitere Abreden nur auf die Höhe,<br />

das oder die Zahlungsmittel oder die Fälligkeit der Gratifikation auswirken.<br />

Dabei handelt essich indessen nicht mehr umechte Bedingungen <strong>im</strong>Sinne von<br />

Art. 151 ff. OR. Sie betreffen nicht mehr die Entstehung des Anspruchs an sich,<br />

sondern sind nur für die nähere Best<strong>im</strong>mung der Gratifikation von Bedeutung.<br />

1174<br />

678 Handelt es sich bei den Bedingungen, die sich für die Entstehung des Gratifikationsanspruchs<br />

erfüllen müssen, umobjektive Bedingungen, deren Eintritt als<br />

Potestativbedingung nicht (oder zumindest nicht vollständig) dem Willen einer<br />

oder beider Parteien unterliegt, entsteht der Anspruch auf die Gratifikation,<br />

wenn das oder die unsicheren künftigen Ereignisse 1175 eingetroffen sind. Liegt<br />

die vertraglich vereinbarte Folge des Bedingungseintritts darin, dass eine Gratifikation<br />

nur dem Gr<strong>und</strong>satz nach geschuldet ist, liegt eine bedingte, vereinbarte<br />

oder unechte Gratifikation vor. Ist die Gratifikationsvereinbarung indessen so<br />

detailliert, dass sich nach Eintritt der Bedingungen auch die Höhe der Gratifikationsleistung<br />

–allenfalls unter Zuhilfenahme von weiteren ermittelbaren Tatsa-<br />

1172<br />

1173<br />

1174<br />

1175<br />

eine Bedingung in der Absicht aufzustellen, eine widerrechtliche oder unsittliche<br />

Handlung oder Unterlassung zu fördern. Vgl. auch BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–<br />

157, N4ff. sowie Art. 157 N1; Bucher, S. 509 f.; Gauch/Schluep/Emmenegger,<br />

N3976 ff.; Koller, §77N32 ff.; vgl. auch oben Rz. 259 ff.<br />

Ist das Ereignis, auf welches die Bedingung abstellt, schon eingetreten, ist dessen Eintritt<br />

(allenfalls innert eines vertraglich best<strong>im</strong>mten Zeitraums) sicher oder aber objektiv<br />

unmöglich, liegt keine Bedingung <strong>im</strong> Rechtssinne vor; vgl. BSK OR I-Ehrat, vor<br />

Art. 151–157 N13.<br />

Gemäss Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 20. Februar 2006, 4C.424/2005, E. 2.3.1,<br />

ist <strong>im</strong> Zweifel von kumulativen, nicht aber von alternativen Bedingungen auszugehen.<br />

Vgl. Bucher, S.508; keine Bedingung <strong>im</strong>Sinne von Art. 151 ff. OR ist die «uneigentliche<br />

Bedingung» <strong>im</strong>Sinne einer Voraussetzung, dass ein in der Vergangenheit oder<br />

Gegenwart liegendes Ereignis eingetreten ist (oder nicht), was aber mindestens einer<br />

Partei nicht bekannt ist; vgl. BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157 N13; Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N3951 <strong>und</strong> N4029.<br />

Vgl. Bucher, S. 507; BSK OR I-Ehrat, vor Art. 151–157, N1; Gauch/Schluep/<br />

Emmenegger, N3948; Koller, §77N1.<br />

307


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

308<br />

chen –berechnen lässt, ist die Gratifikationsvereinbarung vollständig best<strong>im</strong>mt.<br />

Es liegteineobjektiv bedingte Gratifikationsvereinbarung vor.<br />

679 Obwohl die vollständig best<strong>im</strong>mte <strong>und</strong> die objektiv bedingte Gratifikation vom<br />

Wortlaut von Art. 322d OR erfasst werden, werden diese Formen der Gratifikation<br />

von der Rechtsprechung nicht als Gratifikationen anerkannt. 1176 Gemäss<br />

konstanter Praxis des B<strong>und</strong>esgerichts <strong>und</strong> der kantonalen Gerichte, welche auf<br />

einer gegenüber dem Gesetzestext eingeschränkten Definition der Gratifikation<br />

beruht, werden die vollständig best<strong>im</strong>mte sowie die objektiv bedingte Gratifikation<br />

zu<strong>Lohn</strong>bestandteilen erklärt. 1177 Da diese Rechtsprechung auf einer beson-<br />

1176<br />

1177<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322d N16; Streiff/von Kaenel, Art. 322d N9.<br />

BGE 109 II 447 (E. 5c, 447 f.): «[…] on doit examiner s’il s’agit d’une gratification<br />

au sens de l’art. 322d CO, soit d’une rétribution spéciale accordée dans certaines circonstances,<br />

ou d’un salaire àl’exigibilité différé non soumis àcette disposition, le cas<br />

échéant s’il s’agit d’une gratification dont les parties ont admis <strong>im</strong>plicitement qu’elle<br />

devait aussi être payée proportionnellement encas de départ avant l’échéance. Le<br />

propre delagratification est que larétribution dépend dans une certaine mesure en<br />

tout cas de l’employeur, si ce n’est dans son principe, àtout le moins dans son montant.<br />

N’est dès lors une gratification, au sens de l’art. 322d CO, la rétribution dont le<br />

montant et l’échéance inconditionnelle sont fixés d’avance par le contrat de travail,<br />

telle que le 13e mois de salaire ou une autre rétribution semblable entièrement déterminée<br />

par contrat; larègle de l’art. 322d al 2COn’est pas applicable aupaiement de<br />

cette rétribution del’employeur, encas de fin du contrat avant l’échéance de celle-ci<br />

(Vischer, Schweizerisches Privatrecht, VII 1,p.373 ;Brühwiler, Handkommentar zum<br />

Einzelarbeitsvertrag, p. 69 ;Streiff, Leitfaden zum neuen Arbeitsvertragsrecht, 3e éd.,<br />

n. 6adart. 322d, p.50;BJM 1973 p. 278, 1974 p.249 ;contra, apparemment: Rehbinder,<br />

Schweizerisches Arbeitsrecht, 7e éd., p. 57 ;Schweingruber, Commentaire du<br />

contrat de travail, trad. Laissue 1975, p. 72).»<br />

BGE 129 III 276 (E. 2;278): «2. Bei einer Gratifikation <strong>im</strong>Sinne von Art. 322d OR<br />

handelt essich um eine ausserordentlichen Zulage, die zum <strong>Lohn</strong> hinzutritt <strong>und</strong> bei<br />

best<strong>im</strong>mten Anlässen ausgerichtet wird (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 2f.zuArt.<br />

322d OR). Sie hängt <strong>im</strong>mer ineinem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers ab.<br />

Ein <strong>im</strong> voraus festgesetzter <strong>und</strong> fest vereinbarter Betrag kann keine Gratifikation sein,<br />

sondern stellt <strong>Lohn</strong> dar (BGE 109 II 447 E. 5c S. 548; Tercier, Les contrats spéciaux,<br />

3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 3139 ff.). Umgekehrt darf aber nicht geschlossen werden,<br />

dass jede variable Vergütung eine Gratifikation wäre. Jenach dem, was die Parteien<br />

konkret vereinbart haben, handelt essich vielmehr um eine <strong>Lohn</strong>bestandteil <strong>im</strong>Sinne<br />

vom Art. 322 OR, der gemäss Art. 322a OR variabel ausgestaltet sein kann, oder um<br />

eine Gratifikation (vgl. Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl.,<br />

Bern 1996, N.3zu Art 322d OR; Streiff/von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht,<br />

5. Aufl., Zürich 1992, N. 9zuArt. 322 OR<strong>und</strong> N. 4zuArt. 322d OR; Wyler,<br />

Droit dutravail, Bern 2002, S. 115 f.).»<br />

BGE 136 III 323 (E. 2,317): «2. Bei einer Gratifikation <strong>im</strong>Sinne von Art. 322d OR<br />

handelt essich umeine ausserordentliche Zulage, die zum <strong>Lohn</strong> hinzutritt <strong>und</strong> bei best<strong>im</strong>mten<br />

Anlässen ausgerichtet wird. Sie hängt <strong>im</strong>mer ineinem gewissen Masse vom<br />

Willen des Arbeitgebers ab. Ein <strong>im</strong> Voraus festgesetzter <strong>und</strong> fest vereinbarter Betrag


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

deren Definition der Gratifikation beruht, ergibt sich ein sachlicher Zusammenhang<br />

zur Frage, wie die Gratifikation gegenüber dem <strong>Lohn</strong> abzugrenzen ist.<br />

Daher ist auf diese Rechtsprechung <strong>im</strong>Rahmen des nachfolgenden Abschnitts<br />

zur Abgrenzung zwischen der Gratifikation <strong>und</strong> dem <strong>Lohn</strong> zurückzukommen.<br />

1178<br />

4. Folgerungen zur echten <strong>und</strong> unechten Gratifikation<br />

680 Sieht sich ein Arbeitgeber –aus welchen Motiven auch <strong>im</strong>mer –(erstmals) veranlasst,<br />

neben dem <strong>Lohn</strong> eine Gratifikation auszurichten, zeigt ein wertender<br />

Vergleich der inden vorstehenden Abschnitten dargestellten Gratifikationsarten,<br />

dass die freiwillige oder echte Gratifikation für den Arbeitgeber die –rechtlich<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlich –opt<strong>im</strong>ale Lösung darstellt. 1179 Wurde eine Gratifikation<br />

zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer entweder gar nie angesprochen oder<br />

aber nur unverbindlich in Aussicht gestellt, 1180 kann –trotz unauflösbarer Ver-<br />

1178<br />

1179<br />

1180<br />

kann keine Gratifikation sein, sondern stellt <strong>Lohn</strong> dar (BGE 129 III 276 E. 2S.278;<br />

BGE109 II 447 E. 5c S. 548.»<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 25. Oktober 2004, 4C.244/2004, E. 2.1: «La question<br />

des savoir si la gratification est une prestation purement facultative de<br />

l’employeur ou si le travailleur aune prétention àenobtenir le versement dépend des<br />

circonstances. Un montant fixé définitivement, convenu àl’avance, est un salaire.»<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. Januar 2006, 4C.340/2005, E. 2.1 : «Lorsque le<br />

contrat prévoit le versement d‘une somme déterminée pour une année précisément désignée,<br />

indépendamment des résultats effectifs de la société et de l’activité de<br />

l’employé, cette rétribution est ass<strong>im</strong>ilée àunsalaire et non pas àune gratification au<br />

sens de l’art. 322d al. 1CO, puisque le montant et l’échéance sont inconditionnels (cf.<br />

arrêt 4C.178/2002 du 13 septembre 200, consid. 4 in fine ; 4C/359/1995 du<br />

6décembre 1995, publié in JAR1997 p. 124, consid. 2a).»<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1. März 2006, 4C.395/2005, E. 5.3: «Die Gratifikation<br />

zeichnet sich gegenüber dem <strong>Lohn</strong> dadurch aus, dass sie zum <strong>Lohn</strong> hinzutritt<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong>mer ineinem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation<br />

wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Ein <strong>im</strong> voraus<br />

festgesetzter <strong>und</strong> fest vereinbarter Betrag kann daher keine Gratifikation sein.»<br />

Vgl. unten Rz. 702 ff.<br />

Delbrück, S.26f., hält für die Gratifikation ohne klagbaren Anspruch fest, dass das<br />

freie Ermessen des Arbeitgebers diese zur vorteilhaftesten Form von Entgeltausrichtung<br />

macht. Die freiwillige Leistung ermöglicht esdem Arbeitgeber zudem, seine eigentlichen<br />

Ziele der Ausrichtung der Gratifikation für sich zu behalten. Weiter kann<br />

der Arbeitgeber zu jeder Zeit die (erneute) Ausrichtung der freiwilligen Gratifikation<br />

von neuen (<strong>und</strong>/oder veränderten) Voraussetzungen abhängig machen, diese kürzen<br />

oder ganz entfallen lassen, «um sich den oft schwierigen Beweis zu ersparen, der Arbeitnehmer<br />

habe seine Pflichten teilweise nur schlecht oder gar nicht erfüllt, um einer<br />

finanziellen Notlage des Unternehmens Rechnung zutragen, umerlaubte wie unerlaubte<br />

Abwesenheiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen etc.» (a.a.O., S. 27).<br />

Vgl. oben Rz. 638.<br />

309


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

310<br />

flechtung der Gratifikation mit dem Arbeitsverhältnis 1181 –keine schuldrechtlich<br />

relevante Vereinbarung vorliegen. Der Arbeitgeber kann folglich nach Gutdünken<br />

darüber entscheiden, ob überhaupt <strong>und</strong>, falls ja, in welcher Höhe <strong>und</strong><br />

unter welchen Modalitäten eine Sondervergütung <strong>im</strong>Rahmen des Arbeitsverhältnisses<br />

ausgerichtet werden soll. Aufgr<strong>und</strong> dieser Freiwilligkeit sowie des<br />

dispositiven Charakters von Art. 322d OR kann (<strong>und</strong> darf) der Arbeitgeber zudem<br />

einseitig die Zahlungsmodalitäten <strong>und</strong> weitere Bedingungen festlegen, unter<br />

denen die Gratifikation ausgerichtet werden soll. Ein klagbarer Anspruch<br />

des Arbeitnehmers kann erst dann entstehen, wenn die Mitteilung des Arbeitgebers,<br />

es werdeeineGratifikation ausgerichtet, be<strong>im</strong> Arbeitnehmereintrifft.<br />

681 Unter der Voraussetzung, dass der geschuldete Fix- oder Basislohn des Arbeitnehmers<br />

nach Art. 322 Abs.1OR nicht inmarkantem Ausmass vom marktbzw.<br />

branchenüblichen <strong>Lohn</strong> für seine Position abweicht <strong>und</strong> die Entschädigung<br />

von Überst<strong>und</strong>en gestützt auf Art. 321c Abs.3OR nicht ausgeschlossen<br />

wurde, wird der Arbeitnehmer die freiwillige Gratifikation meist als zusätzliche<br />

Belohnung <strong>und</strong>/oder Anerkennung auffassen. Hat der Arbeitnehmer Kenntnis<br />

vom guten Geschäftsgang des Unternehmens, könnte erauch vermuten, die<br />

Gratifikation stelle eine mindere Form der Gewinnbeteiligung dar, 1182 die aber<br />

mangels Vereinbarung nicht unter Art. 322a OR fällt. Ferner dürfte ein Arbeitnehmer<br />

die Gratifikation häufig –zumindest <strong>im</strong> Stillen –für sich beurteilen <strong>und</strong><br />

als tendenziell niedrig, angemessen oder grosszügig bewerten. Indiese Beurteilung<br />

wird der Arbeitnehmer nicht selten eine etwaige Beurteilung seiner qualitativen<br />

<strong>und</strong> quantitativen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber einbeziehen<br />

<strong>und</strong> diese seiner Selbsteinschätzung gegenüberstellen. Sofern ein Arbeitnehmer<br />

über Informationen zu Gratifikationsleistungen bzw. zum gesamten Vergütungspaket<br />

verfügt, welches der Arbeitgeber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern<br />

<strong>im</strong> Unternehmen ausrichtet oder die andere Arbeitgeber mit vergleichbaren<br />

Arbeitnehmern vereinbart haben, dürften die meisten Arbeitnehmer auch<br />

einen internen <strong>und</strong> externen Gesamtvergütungsvergleich anstellen <strong>und</strong> daraus<br />

ihre persönlichen Schlüsse ziehen.<br />

682 Bei der freiwilligen Gratifikation hat der Arbeitnehmer <strong>im</strong>Wesentlichen nur<br />

zwei Reaktionsmöglichkeiten. Erkann die Gratifikation zuden einseitig vom<br />

Arbeitgeber festgelegten Konditionen (meist stillschweigend) annehmen oder<br />

aber innert angemessener Frist explizit ablehnen. 1183 Würde ein Arbeitnehmer<br />

die freiwillige Gratifikation ablehnen, müsste er –trotz etwaigen Erläuterungen<br />

zu seinen Ablehnungsgründen –wohl damit rechnen, wenigstens auf ein gewisses<br />

Unverständnis zu stossen. Es besteht die Gefahr, das Arbeitsverhältnis<br />

durch die Ablehnung der Gratifikation zubelasten. Denn ein Arbeitgeber dürfte<br />

1181<br />

1182<br />

1183<br />

Vgl. oben Rz. 606 f.<br />

Vgl. oben Rz. 616.<br />

Vgl. Art. 6OR.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

<strong>im</strong> Ablehnen einer freiwillig ausgerichteten Gratifikation durch den Arbeitnehmer<br />

meist eine «missbilligende Nachricht» erblicken. Aus spezifisch schuldrechtlichem<br />

Blickwinkel könnte sogar gesagt werden, dass sich der Arbeitnehmer<br />

bei einer freiwilligen Gratifikation in einer auffallend schwachen Lage befinde.<br />

Imallgemeinen Schuldrecht wird esunter dem Gesichtspunkt der genügenden<br />

Best<strong>im</strong>mtheit 1184 der wesentlichen Leistungen beider Parteien <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Vertragsschlusses als zulässig erachtet, dass die Parteien vereinbaren,<br />

die Best<strong>im</strong>mung der Leistung(en) <strong>und</strong> Gegenleistung(en) soll –ganz oder teilweise<br />

–durch eine der beiden Vertragsparteien erfolgen (sog. subjektive Best<strong>im</strong>mbarkeit).<br />

1185 Je weiter die vertraglich eingeräumte Befugnis zur einseitigen<br />

Leistungsbest<strong>im</strong>mung durch eine Partei geht, desto höher ist indessen die Gefahr,<br />

dass die eine Partei sich der anderen in einer Art. 27 Abs. 2ZGB verletzenden<br />

oder insittenwidriger Weise ausliefert. Deswegen wird in diesen Fällen<br />

gefordert, dass die subjektive Best<strong>im</strong>mung des Vertragsinhalts nach billigem<br />

Ermessen erfolgen muss. 1186 Dennoch erscheint die freiwillige Gratifikation <strong>im</strong><br />

Vergleich zur subjektiven Best<strong>im</strong>mbarkeit als ein noch schwächeres Rechtsinstitut,<br />

da oft nicht einmal eine Vereinbarung vorliegt, die dem Arbeitgeber explizit<br />

erlaubt, eine subjektive Leistungsbest<strong>im</strong>mung vorzunehmen. Andererseits<br />

ist zu beachten, dass die freiwillige Gratifikation in der Regel kein (objektiv<br />

oder subjektiv) wesentlicher Vertragspunkt ist, mit dessen übereinst<strong>im</strong>mender<br />

Regelung der Vertragsschluss steht <strong>und</strong> fällt <strong>und</strong> von Gesetzes wegen eine Leistung<br />

darstellt, die<strong>im</strong>mernur zum<strong>Lohn</strong> hinzukommen kann.<br />

683 ImVergleich zur freiwilligen Gratifikation scheint die vereinbarte Gratifikation<br />

die rechtliche Position des Arbeitnehmers zu stärken. Das Ausmass der Stärkung<br />

der Rechtsposition des Arbeitnehmers kann <strong>im</strong> bewerteten, wirtschaftlichen<br />

Ergebnis allerdings sehr bescheiden sein. Denn die Einschränkung, wonach<br />

der Arbeitgeber nach billigem Ermessen vorzugehen hat, verbessert aufgr<strong>und</strong><br />

der <strong>im</strong>manenten Unbest<strong>im</strong>mtheit des Begriffs des billigen Ermessens die<br />

Position des Arbeitnehmers nur in geringem Umfang. Immerhin ist dem Arbeitnehmer<br />

gegenüber dem Arbeitgeber bei der vereinbarten Gratifikation ein<br />

selbstständig durchsetzbarer Informationsanspruch zuzugestehen. 1187 Was die<br />

Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers bei einer vereinbarten Gratifikation<br />

anbelangt, kann der Arbeitnehmer nur auf die Gratifikationsleistung verzichten,<br />

da diese ja dem Gr<strong>und</strong>satz nach geschuldet ist. Die zeitlich beschränkte Unver-<br />

1184<br />

1185<br />

1186<br />

1187<br />

Bzw. der essentialia negotii sowie der subjektiv wesentlichen Vertragspunkte bei Vertragsschluss.<br />

Vgl. BE-Komm.-Kramer, Art. 1N170; Gauch/Schluep/Schmid, N345.<br />

Gauch/Schluep/Schmid, N345 u.a. mit Hinweisen auf den Entscheid des Handelsgerichts<br />

des Kantons Zürich vom 14. Juni 2001, ZR 102 (2003), Nr. 9, S. 34 ff.; ZH-<br />

Komm.-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N83, sowie BGE 118 II 157 (E. 4b, 165); vgl.<br />

auch oben Rz. 669 f.<br />

Vgl. oben Rz. 666 f.<br />

311


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

312<br />

zichtbarkeit gemäss Art. 341 OR steht dem nicht <strong>im</strong>Wege. Denn die vereinbarte<br />

Gratifikation, selbst wenn sie als «lohnähnlich» bezeichnet werden kann,<br />

stelltnach dergesetzlichen Konzeptionkeinen <strong>Lohn</strong>bestandteil dar.<br />

E. Dieschuldrechtliche Umwandlungder wiederholtausgerichteten<br />

Gratifikation<br />

1. DieUmwandlung derGratifikation ohneFreiwilligkeitsvorbehalt<br />

684 Inder Gerichtspraxis hat sich schon früh –<strong>und</strong> zuRecht –die Ansicht durchsetzen<br />

können, dass sich der rechtliche Charakter einer (ursprünglich) echten<br />

Gratifikation bei wiederholter Ausrichtung wandeln kann. Die Gr<strong>und</strong>lage dieser<br />

Auffassung dürfte sich aus mehreren Ursachen zusammensetzen. Zum einen ist<br />

offenk<strong>und</strong>ig, dass die schuldrechtliche Position des Arbeitnehmers bei der echten<br />

<strong>und</strong> unechten Gratifikation –die jaein <strong>besondere</strong>s Entgelt darstellt ohne<br />

aber Schenkung oder <strong>Lohn</strong> zu sein –schwach ist. Zum anderen kann nicht ausser<br />

Acht gelassen werden, dass sich mehrmals ausgerichtete echte (oder unechte)<br />

Gratifikationen <strong>im</strong>Zeitablauf jelänger jestärker einem <strong>Lohn</strong>bestandteil mit<br />

aufgeschobener bzw. lohnunabhängiger Fälligkeit annähern. Schliesslich wird<br />

mit dem mehrmaligen Ausrichten einer echten (oder unechten) Gratifikation<br />

auch eine sich kontinuierlich verstärkende Vertrauensbasis aufgebaut. Auf Seiten<br />

des Arbeitnehmers kann das berechtigte Vertrauen entstehen, künftig wieder<br />

in den Genuss einer Gratifikation zukommen, sofern sich die für den Arbeitnehmer<br />

erkennbaren Umstände nichtmassgeblich geänderthaben.<br />

685 Für die rechtliche Umwandlung 1188 einer echten Gratifikation müssen nach herrschender<br />

Lehre <strong>und</strong> höchstrichterlicher Rechtsprechung drei Voraussetzungen<br />

erfüllt sein. Die freiwillige Gratifikation muss (i) mehrmals, d.h. wenigstens<br />

drei Mal, (ii) regelmässig, d.h. ineiner ununterbrochenen, einer Gesetzmässigkeit<br />

gehorchenden Folge <strong>und</strong> (iii) vorbehaltlos ausgerichtet worden sein. 1189<br />

1188<br />

1189<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht spricht <strong>im</strong> Entscheid vom 30. Mai 2005, 4C.475/2004, E. 1.2.3,<br />

von einer «transformation» («[…] Par ailleurs, larégularité de la prestation enquestion<br />

permet de déterminer si elle s’est transformée enunélément dusalaire ou si elle<br />

constitue toujours une contrepartie accessoire àcelui-ci, c’est-à-dire une gratification.»).<br />

Unter der Voraussetzung, dass die Gratifikation gemäss vertraglicher Vereinbarung <strong>im</strong><br />

freien Ermessen des Arbeitgebers liegt, spricht Aubert, gratification et salaire, S. 122,<br />

von einer «requalification»; Schneiter, S. 243, braucht den Ausdruck «Metamorpho-<br />

se», um die Umwandlung einer Gratifikation ineinen <strong>Lohn</strong>bestandteil zu beschreiben.<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2; 621); BGE 129 III 276 (E. 2,278 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 11. Februar 2009, 4A_506/2008, E. 3.1; Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 3.Februar 2009, 4A_509/2008 <strong>und</strong> 4A_511/2008, E. 4.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 25. Oktober 2004, 4C.244/2004, E. 2.1; Entscheid des Obergerichts des


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, verliert die echte Gratifikation den Charakter<br />

der Freiwilligkeit. Vorbehaltlos <strong>im</strong>Sinne der dritten Voraussetzung bedeutet<br />

dabei, dass der Arbeitgeber keinen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt angebracht<br />

hat. Gemeint ist damit eine dem Arbeitnehmer klar <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich bei<br />

jeder Ausrichtung der Gratifikation zur Kenntnis gebrachte Erklärung des Arbeitgebers,<br />

dass das Ausrichten der infrage stehenden, einzelnen Gratifikationsleistung<br />

keinen Anspruch auf eine oder mehrere, künftige Gratifikationsleistungen<br />

egalinwelcher Form oderHöhebegründet. 1190<br />

686 Anstelleeines Freiwilligkeitsvorbehalts könnte derArbeitgeber beider Ausrichtung<br />

einer Gratifikation auch einen sogenannten Widerrufsvorbehalt anbringen.<br />

Damit ein Widerrufsvorbehalt allerdings Sinn ergibt, muss der Arbeitgeber die<br />

Ausrichtung einer Gratifikation wenigstens <strong>im</strong>Gr<strong>und</strong>satz versprochen haben.<br />

Es muss eine unechte Gratifikation vorliegen, denn ansonsten gäbe es nichts,<br />

was zuwiderrufen wäre. Materiell soll der Widerrufsvorbehalt den Arbeitgeber<br />

berechtigen, mittels einer einfachen empfangsbedürftigen Willenserklärung den<br />

Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gratifikation zuFall zubringen. Gibt der<br />

Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen eine solche Widerrufserklärung ab,<br />

kann sich folglich eine ähnliche Konstellation mit umgekehrtem Vorzeichen ergeben,<br />

wie wenn der Arbeitgeber eine regelmässig ausgerichtete echte Gratifikationohne<br />

Freiwilligkeitsvorbehalt einstellt. 1191<br />

687 Hat eine echte Gratifikation aufgr<strong>und</strong> der vorgenannten Kriterien ihren freiwilligen<br />

Charakter verloren, stellt sich die Frage, zuwelchem Ergebnis die Umwandlung<br />

der ursprünglich freiwilligen Gratifikation ohne Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

führt. Je nachdem, ob die Höhe der Gratifikationsleistungen gleich<br />

geblieben ist oder inder Höhe schwankte, geht die Rechtsprechung davon aus,<br />

dass die freiwillige Gratifikation in gleichbleibender Höhe zueinem <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

wird. Eine freiwillige Gratifikation, deren Höhe indessen schwankte,<br />

wandelt sich in eine unechte Gratifikation. Denn die Schwankung der Höhe der<br />

Gratifikationsleistung indiziert, der Arbeitgeber habe sich wenigstens die Bemessung<br />

der Höhe vorbehalten wollen. Eine unechte Gratifikation ihrerseits<br />

kann allerdings dennoch zu einem <strong>Lohn</strong>bestandteil werden. 1192 In Abhängigkeit<br />

der Qualifikation der vorausgegangenen Gratifikationsleistungen entsteht somit<br />

1190<br />

1191<br />

1192<br />

Kantons Luzern vom 17. April 1998, JAR 1999, S. 156 ff. (E. 8b, 157); Duc/Subilia,<br />

Art. 322d N13; Wyler, S. 167; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N9.<br />

Vgl. statt mehrerer: Wyler,S.167 f.; ZH-Komm.-Staehelin,Art. 322d N10.<br />

Vgl. Delbrück, S.80ff.; ZH-Komm.-Staehelin,Art. 322d N10.<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2; 621); BGE 129 III 276 (E. 2,278 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 24. Januar 2003, 4C.325/2002, E. 3.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 22. Januar 2002, 4C.263/2001, E. 4b; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

6. Dezember 1995, JAR 1997, S. 124 ff. (E. 2,S.125 f.); vgl. auch Delbrück, S.57ff.<br />

<strong>und</strong> dort ins<strong>besondere</strong> Fn. 5mit zahlreichen Hinweisenauf die ältere Rechtsprechung.<br />

313


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

314<br />

ein Rechtsanspruch, der zwanglos entweder als vereinbarte 1193 oder als vollständig<br />

best<strong>im</strong>mte bzw. objektiv bedingte 1194 Gratifikation oder <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

qualifiziert werden kann. 1195<br />

688 Die dogmatische Gr<strong>und</strong>lage dieser «Wandlung» einer echten Gratifikationsleistung<br />

ohne Freiwilligkeitsvorbehalt in eine vereinbarte Gratifikation oder einen<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteil kann sowohl <strong>im</strong> Schuldrecht als auch in einer Betriebsübung<br />

1196 erblickt werden. Sie stützt sich <strong>im</strong> Wesentlichen auf zwei Pfeiler:<br />

Zum einen darauf, dass ein Arbeitsvertrag –unter Vorbehalt eines die Parteien<br />

bindenden Schriftlichkeitsvorbehalts 1197 –mündlich oder gestützt auf konkludentes<br />

Handeln abgeschlossen <strong>und</strong> daher in der Regel auch auf dieselbe Weise<br />

modifiziert werden kann. Zum anderen beruht die Wandlung der echten Gratifikation<br />

auf demVertrauensprinzip. 1198<br />

689 Diese langjährige Rechtsprechung erscheint –nach wie vor –weitgehend unbestritten.<br />

1199 In jüngerer Zeit finden sich in der Literatur allerdings auch kritische<br />

St<strong>im</strong>men. Die Kritiker 1200 dieser Rechtsprechung weisen darauf hin, dass<br />

der mehrfachen Ausrichtung von echten Gratifikationen, welche nicht von einem<br />

Freiwilligkeitsvorbehalt begleitet sind, kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert<br />

<strong>im</strong> Sinne eines Antrags auf eine Gratifikationsvereinbarung zuerkannt<br />

werden sollte. Aufgr<strong>und</strong> des Wortlauts von Art. 322dOR, worin eine<br />

Gratifikation als gr<strong>und</strong>sätzlich freiwillige Leistung beschrieben werde, überzeuge<br />

es nicht, aus freiwilligen Leistungen, selbst wenn sie während längerer<br />

Zeit ausgerichtet werden, auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers zu<br />

schliessen. Das Vertrauensprinzip, das beide Parteien schütze <strong>und</strong> von beiden<br />

1193<br />

1194<br />

1195<br />

1196<br />

1197<br />

1198<br />

1199<br />

1200<br />

Vgl. oben Rz. 661 ff.<br />

Vgl. oben Rz. 675 ff.<br />

Vgl. BSK OR I-Portmann, Art. 322d N10.<br />

Vgl. BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N6;Brühwiler, Art. 322d N4; Delbrück,<br />

S. 67 ff.; Vischer, S. 104; Wyler, S. 167; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d<br />

N10.<br />

Vgl. dazu auch den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 9. Oktober 2000, 4C.110/2000,<br />

E. 3d.<br />

Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes deGenève vom 13. Mai 1997,<br />

JAR 1998, S. 148 f. mit Hinweis auf Delbrück, S. 61; zum Vertrauensprinzip vgl. auch<br />

die Hinweise in Fn. 278.<br />

BBl 1967 II, S.320; BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N7; Brand/Dürr et al.,<br />

Art. 322d N19; Brühwiler, Art. 322d N3;Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 322d<br />

N5;Carruzzo, Art. 322d N4; CHK-Emmel, Art. 322d N2;CRCO-Aubert, Art. 322d<br />

N3;Duc/Subilia, Art. 322d N13; KUKO OR-Pietruszak, Art 322 N6;Rehbinder,<br />

N181; Streiff/von Kaenel, Art. 322d N4<strong>und</strong> N6;Vischer, S. 104; Wyler, S. 167;<br />

ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N9.<br />

BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N6;BSK OR I-Portmann, Art. 322d N10;<br />

Portmann/Stöckli, N296; Portmann, Erklärungen ohne Worte, S. 64 f.; vgl. zudem den<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom2.November 1987, JAR 1990, S.157 f.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

Parteien verlange, sich <strong>im</strong>zumutbaren Rahmen darum zubemühen, die Erklärung<br />

des anderen sozuverstehen, wie sie gemeint war, könne nicht dazu dienen,<br />

demArbeitgeber einen rechtsgeschäftlichenWillen zu unterstellen. 1201<br />

690 Diese Auffassung in der Lehre lässt sich mit der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung<br />

zur Tragweite des Vertrauensprinzips schwerlich vereinbaren. 1202<br />

Nach dem Vertrauensprinzip (teilweise auch Vertrauensgr<strong>und</strong>satz oder «principe<br />

de la confiance» genannt) ist es <strong>im</strong> Rahmen der Auslegung von Willenserklärungen<br />

möglich, einer Partei ein objektiv vertrauensbegründendes Verhalten<br />

als (konkludente) Willenserklärung zuzurechnen. Dies ist selbst dann möglich,<br />

wenn das aus der Warte des Erklärungsempfängers sichtbare Verhalten der erklärenden<br />

Partei nicht mit deren wirklichem, innerem Willen überst<strong>im</strong>men sollte.<br />

1203<br />

691 Darüber hinaus ist <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Umwandlung einer ursprünglich<br />

freiwilligen Gratifikation zu berücksichtigen, dass es dem Arbeitgeber bei der<br />

Ausrichtung einer freiwilligen Gratifikation ohne Weiteres zuzumuten ist, den<br />

Arbeitnehmer auf die Freiwilligkeit der Gratifikation hinzuweisen, wenn sie<br />

denn tatsächlich freiwillig sein soll. 1204 Denn wer als Akteur durch das mehrmalige<br />

Erbringen einer nicht geschuldeten Leistung einen Rechtsschein schafft,<br />

von dem kann nach Treu <strong>und</strong> Glauben auch verlangt werden, dass er sein Vorgehen<br />

zur Vermeidung von Missverständnissen erläutert. Insofern erscheint die<br />

Kritik an dieser Rechtsprechung gestützt auf den offenen Wortlaut von<br />

Art. 322d OR nichtstichhaltig.<br />

2. DieUmwandlung derGratifikation trotz Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

692 Die Rechtsprechung des BUNDESGERICHTS <strong>im</strong> Zusammenhang mit Freiwilligkeitsvorbehalten<br />

geht indessen noch einen Schritt weiter. Nicht nur eine Gratifikation<br />

ohne Freiwilligkeitsvorbehalt kann sich in einen rechtlich durchsetzbaren<br />

Anspruch wandeln. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich entnehmen,<br />

dass auch ein vom Arbeitgeber kontinuierlich angebrachter <strong>und</strong> dem<br />

1201<br />

1202<br />

1203<br />

1204<br />

Portmann, Erklärungen ohne Worte, S. 64 f.; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli,<br />

Art. 322d N6.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Vertrauensprinzip auch die Frage<br />

beantwortet, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt bzw. dem Verhalten einer<br />

Person Erklärungscharakter zugeschrieben werden kann; vgl. Gauch/Schluep/Schmid,<br />

N221; Koller, §3N184.<br />

BGE 130 III 417 (E. 3.2, 424 f.); BGE 129 III 118 (E. 2.5, 122 f.); BGE 128 III 419<br />

(E. 2.2, 421 ff.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6. Juli 2007, 4A_63/2007, E. 4.3;<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1. September 2005, 4C.230/2005, E. 2.<br />

Vgl. Delbrück, S.63.<br />

315


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

316<br />

Arbeitnehmer bekannter Freiwilligkeitsvorbehalt unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen<br />

seineWirkung verlieren kann.<br />

693 Der Verlust der Wirkung des Freiwilligkeitsvorbehalts kann dabei eintreten,<br />

«[…] wenn er als nicht ernst gemeinte, leere Floskel angebracht wird, <strong>und</strong> die<br />

Arbeitgeberin durch ihr ganzes Verhalten zeigt, dass sie sich zur Auszahlung<br />

einer Gratifikation verpflichtet fühlt.» 1205 Unter solchen Voraussetzungen könne<br />

ein Freiwilligkeitsvorbehalt unbeachtlich werden, wenn die Gratifikation über<br />

Jahrzehnte ausgerichtet worden sei. Vorausgesetzt wird dabei indessen, dass<br />

«[…] dieArbeitgeberin in dieser Zeit auch Gr<strong>und</strong> dafür gehabthätte, die Gratifikation<br />

nicht auszurichten, wie beispielsweise bei einem schlechten Geschäftsgang<br />

oder einer schlechten Arbeitsleistung einzelner Mitarbeiter». 1206 Im angeführten<br />

Entscheid wurde schliesslich ebenfalls festgehalten, der Arbeitnehmer<br />

habe zwar nachgewiesen, dass eine Gratifikation während zwölf Jahren <strong>im</strong>mer<br />

ausbezahlt worden sei. Demgegenüber habe der Arbeitnehmer nicht aufzeigen<br />

können, weshalb der Arbeitgeber einen Gr<strong>und</strong> hätte haben sollen, auf die Ausrichtung<br />

einer Gratifikation zu verzichten. Daraus wurde sodann der Schluss<br />

gezogen, auch insoweit seien die Voraussetzungen für eine stillschweigende<br />

Vereinbarung nichtgegeben. 1207<br />

694 Dieses höchstrichterliche Urteil ist inder Literatur auf unterschiedliches Echo<br />

gestossen. Während ein Teil der Lehre dieser Rechtsprechung zust<strong>im</strong>mt oder<br />

zumindest nicht ablehnend gegenübersteht, äussern sich andere Autoren kritisch.<br />

1208 Von den Kritikern dieser Rechtsprechung wird hervorgehoben, dass<br />

der Arbeitgeber seinen fehlenden Verpflichtungswillen bezüglich künftiger<br />

Gratifikationsleistungen nur mittels eines Freiwilligkeitsvorbehalts zum Ausdruck<br />

bringen könne. Eine weitere Absicherung würde den Arbeitgeber letztlich<br />

1205<br />

1206<br />

1207<br />

1208<br />

BGE 129 III 276 (E. 2.3, 280 f.); vgl. auch BGE 131 III 615 (E. 5.2, 621); Entscheid<br />

des Arbeitsgerichts Zürich vom 26. Februar 2001, ZR 101 (2002), Nr. 63, S. 226 ff.<br />

(E. B,226 f.); wohl anders: Entscheid des Obergerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden<br />

vom 3.Oktober 1989, JAR 1991, S. 134 ff. (134 f.); Entscheid des Arbeitsgerichts<br />

Zürich vom2.November 1987, JAR 1990, S. 157 f. (158).<br />

BGE 129 III 276 (E. 2.3, 281).<br />

BGE 129 III 276 (E. 2.3, 281 f.).<br />

Zust<strong>im</strong>mend, inähnlichem Sinn bzw. ohne Kritik: Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez,<br />

Art. 322d N5; CHK-Emmel, Art. 322d N2; Carruzzo, Art. 322d N4; CRCO I-<br />

Aubert, Art. 322d N5;Geiser/Müller, N401 ff.; Streiff/von Kaenel, Art. 322d N5;<br />

Vischer, S. 114; Wyler, S. 167 f.; ZH-Komm.-Staehelin, Art. 322d N10; kritisch bzw.<br />

ablehnend: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 332d N8; BSK OR I-Portmann,<br />

Art. 322d N11; Duc/Subilia, Art. 322d N14; KUKO OR-Pietruszak, Art. 322d N6;<br />

Portmann/Stöckli, N296; Wyler,1.Aufl., S.120 f.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

dazu zwingen, eine Gratifikation ausfallen zu lassen, was kaum <strong>im</strong> Sinne des<br />

Arbeitnehmers sein könne. 1209<br />

695 Aus schuldrechtlicher Sicht kann die Kritik an dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung<br />

nicht vollständig von der Hand gewiesen werden. Denn in der Tat ist<br />

schwer ersichtlich, was der Arbeitgeber nebst einem wiederholten Freiwilligkeitsvorbehalt,<br />

der seinem tatsächlichen Willen entspricht, auf vertraglicher<br />

Ebene weiter vorkehren könnte. Der Arbeitgeber wäre faktisch gezwungen, wenigstens<br />

eine Gratifikationsleistung ausfallen zu lassen, um die Entstehung eines<br />

Rechtsanspruchs für die Zukunft zu verhindern. Bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis<br />

würde der Arbeitgeber wohl ebenfalls gut daran tun, nach einigen<br />

Jahren der ununterbrochenen Ausrichtung wiederum eine Gratifikationsleistung<br />

entfallen zu lassen. Denn sonst könnte vom Arbeitnehmer <strong>im</strong>Streitfall<br />

vorgebracht werden, das einmalige Auslassen einer Gratifikation sei als unbeachtlicher<br />

«Ausreisser» zu werten.<br />

696 Diese Problemstellung dürfte das BUNDESGERICHT indirekt zuberücksichtigen<br />

versuchen. Die indirekte Berücksichtigung kann inder Voraussetzung erblickt<br />

werden, dass der Arbeitgeber eine Gratifikationsleistung wenigstens einmal<br />

nicht ausfallen liess, obwohl er aufgr<strong>und</strong> der finanziellen Lage des Unternehmens<br />

<strong>und</strong>/oder derArbeitsleistung eines Arbeitnehmers dazu Anlass gehabt hätte.<br />

697 Obunter solchen Umständen allerdings jeweils auf einen Verpflichtungswillen<br />

des Arbeitgebers geschlossen werden sollte, welcher den Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

dahinfallen lässt, bleibt gleichwohl fraglich. Denn die Ausrichtung einer<br />

(weiteren) Gratifikation durch den Arbeitgeber trotz finanziell schwieriger Lage<br />

des Unternehmens oder einer unbefriedigenden Leistung eines Arbeitnehmers<br />

könnte auch anders interpretiert werden. Eswäre durchaus nachvollziehbar,<br />

dass ein Arbeitgeber eine Gratifikation trotz schwieriger Finanzlage ausrichtete,<br />

um einen Arbeitnehmer zum Verbleib <strong>im</strong> Unternehmen zubewegen. Ebenfalls<br />

könnte ein Arbeitgeber beabsichtigen, einem geschätzten Arbeitnehmer, dessen<br />

Arbeitsleistung erstmals hinter den Erwartungen zurückblieb, mit der Ausrichtung<br />

einer gestützt auf die Arbeitsleistung nicht oder nur bedingt «verdienten»<br />

Gratifikation zueiner Verbesserung seiner Leistung zu motivieren. Diese Intentionen<br />

des Arbeitgebers können dabei unabhängig von seinem Willen bezüglich<br />

der Geltung des Freiwilligkeitsvorbehalts vorliegen. Unter solchen Voraussetzungen<br />

den Freiwilligkeitsvorbehalt als unbeachtlich zu erklären, erschiene<br />

deshalb kaum gerechtfertigt. Mit anderen Worten lässt die Gewährung einer<br />

Gratifikation, obwohl Gründe für deren Nichtausrichtung vorgelegen haben, nur<br />

1209<br />

So ins<strong>besondere</strong>: BSK OR I-Portmann, Art. 322d N11; vgl. auch BE-Komm.-<br />

Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N8.<br />

317


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

318<br />

bedingt den Schluss zu, der Freiwilligkeitsvorbehalt sei eine blosse, nicht ernst<br />

gemeinte Floskel.<br />

698 Ferner erscheint die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber Gr<strong>und</strong> gehabt hätte,<br />

eine Gratifikationsleistung ausfallen zu lassen, ebenfalls ein nur bedingt taugliches<br />

Kriterium darzustellen, umeine ausgewogene Problemlösung zu erreichen.<br />

Kann <strong>und</strong> soll ein Freiwilligkeitsvorbehalt seine Wirkung gar nicht verlieren<br />

können, bloss weil der Arbeitgeber nie einen konkreten Gr<strong>und</strong> gehabt hat, die<br />

Gratifikationsleistung ausfallen zu lassen? Die Frage wäre <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz zu<br />

verneinen, denn auch in einer solchen Konstellation wäre es möglich, dass der<br />

Freiwilligkeitsvorbehalt nach dem inneren Willen des Arbeitgebers eben doch<br />

eine leere Floskel darstellt. Ebenso wenig vermag es sodann einzuleuchten,<br />

weshalb der Arbeitgeber, der eine Gratifikation nicht ausfallen liess, obwohl er<br />

dazu Anlass gehabt hätte, in Bezug auf die Wirkung des Freiwilligkeitsvorbehalts<br />

schlechter gestellt werden sollte als ein Arbeitgeber, der für die Nichtausrichtung<br />

einerGratifikation nieeinen Gr<strong>und</strong>hatte.<br />

699 Insofern dürfte bei langjähriger, d.h., zehnjähriger oder längerer 1210 Ausrichtung<br />

einer Gratifikation mit wiederholtem Freiwilligkeitsvorbehalt eine Problemstellung<br />

vorliegen, die letztlich nur unter wertender Berücksichtigung aller Aspekte<br />

des Einzelfalls einer ausgewogenen Lösung zugeführt werden kann. Im Zweifelsfall<br />

dürfte allerdings von der Gültigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts auszugehen<br />

sein, sofern der Arbeitnehmer durch die Nichtausrichtung der Gratifikation<br />

keine Persönlichkeitsverletzung erleidet <strong>und</strong> keiner stossenden Ungleichbehandlung<br />

gegenüber anderen Arbeitnehmern oder einer finanziellen<br />

Härte ausgesetzt wird.<br />

F. DieAbgrenzung zwischen derGratifikation <strong>und</strong> (variablem)<strong>Lohn</strong><br />

700 Wie die Rechtsprechung zur schuldrechtlichen Wandlung der Gratifikation indiziert,<br />

kann sich die Abgrenzung zwischen einer Gratifikation <strong>und</strong> einem variablen<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteil in der Praxis als schwierig erweisen. 1211 Die Unterscheidung<br />

ist dennoch entscheidend, daeine Gratifikation z.B. Bedingungen unterstellt<br />

werden kann, was be<strong>im</strong> <strong>Lohn</strong> nicht zulässig ist. 1212 Es gilt daher, die inder<br />

Rechtsprechung <strong>und</strong> Lehre erarbeiteten Kriterien zur Abgrenzung der Gratifikation<br />

vom (variablen)<strong>Lohn</strong>darzustellen <strong>und</strong> zuprüfen.<br />

1210<br />

1211<br />

1212<br />

Vgl. Carruzzo, Art. 322d N4.<br />

Senti, Gratifikation, S. 1ff.; Wyler,S.168.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.1; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.2.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichtsvom<br />

24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

1. DieKriterien zurAbgrenzung derGratifikation vom<strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

(a) Vertragsauslegungnach demWillensprinzip<br />

701 Das erste Kriterium, welches zur Abgrenzung in der Rechtsprechung richtigerweise<br />

hervorgehoben wird, ist schuldrechtlicher Natur. Ist umstritten, obessich<br />

bei einer Vergütungsvereinbarung um eine Gratifikation nach Art. 322d OR<br />

oder um einen (variablen) <strong>Lohn</strong>bestandteil gemäss Art. 322 ff. OR handelt, hat<br />

das Gericht, wie bei jedem Vertrag, in erster Linie die wirklichen Willen beider<br />

Parteien zu ermitteln. 1213 Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls, welche<br />

dafür von Relevanz sein können, zu berücksichtigen. Die Bezeichnungen<br />

für die fragliche(n) Vergütung(en), welche die Parteien gewählt haben, müssen<br />

dabei nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. Erst wenn die wirklichen<br />

Willen der Parteien nicht ermittelt werden können, greift das Vertrauensprinzip.<br />

1214<br />

(b) Das Ermessen desArbeitgebers alsWesenselementder Gratifikation<br />

702 ImSinne eines zweiten Abgrenzungskriteriums zeichnet sich die Gratifikation<br />

gemäss der ständigen Rechtsprechung des BUNDESGERICHTS dadurch aus, dass<br />

es sich bei der Gratifikation (definitionsgemäss) um eine Sondervergütung handelt,<br />

die zumindest in einem best<strong>im</strong>mten Ausmass vom Willen <strong>und</strong>/oder Ermessen<br />

des Arbeitgebers abhängt; wenn nicht schon in Bezug auf den Gr<strong>und</strong>satz,<br />

ob überhaupt eine Gratifikation erbracht werden soll, so doch wenigstens inBezug<br />

auf deren Höhe. 1215<br />

703 Das Ermessen des Arbeitgebers bei der Ausrichtung einer Gratifikation erscheint<br />

als ein historisch gewachsenes Kriterium, welches als «Überbleibsel»<br />

1213<br />

1214<br />

1215<br />

Vgl. Art. 18 Abs. 1OR; Senti, Gratifikation, S. 2.<br />

Vgl. statt mehrerer: BGE 135 III 295 (E. 5.2; 301 f.); BGE 131 III 606 (E. 4.1, 611 f.);<br />

BGE 129 III 118 (E. 2.5, 122); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. Januar 2006,<br />

4C.340/2005, E. 2.4, sowie die Hinweise in Fn. 278.<br />

BGE 109 II 447 (E. 5c, 448). Dieser Entscheid wurde wiederholt bestätigt; vgl. statt<br />

vieler: BGE 131 III 615 (E. 5.2, 620); BGE 129 III 276 (E. 2;278); Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 26. März 2009, 4A_28/2009, E. 2.3; Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 3. Februar 2009, 4A_509/2008 <strong>und</strong> 4A_511/2008, E. 4.1; Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 24. Januar 2006, 4C.340/2005, E. 2.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

24. Januar 2003, 4C.325/2002, E. 3.1.; sowie aus der kantonalen Rechtsprechung statt<br />

mehrerer: Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 2. April 2004, Entscheide des<br />

Arbeitsgerichtes Zürich 2004, Nr. 7, S. 11 f.; Entscheid der Chambre d’appel des<br />

prud’hommes du canton de Genève vom 5. Dezember 2000, JAR 2001, S. 206 f.<br />

(E. e/68, 207); Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 2. November 1987, JAR<br />

1990, S. 157 f. (157).<br />

319


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

320<br />

der ursprünglich als Schenkung qualifizierten Gratifikation verstanden werden<br />

kann. Soführte schon das HANDELSGERICHT DES KANTONS AARGAU in einem<br />

Entscheid aus dem Jahr 1920 aus, «[dass] es vielfach üblich geworden [ist],<br />

dass ein <strong>besondere</strong>s Gratifikationsversprechen zum Bestandteil des Dienstvertrags<br />

gemacht wird. Damit verlässt die Gratifikation den Boden einer rein einseitigen,<br />

freiwilligen Leistung; geblieben ist von ihrem ursprünglichen Charakter<br />

einzig der Umstand, dass die versprochene Gratifikation nicht schon am<br />

Ende der Dienstperiode auf Gr<strong>und</strong> einzig der Tatsache geschuldet wird, dass<br />

das Dienstverhältnis noch besteht, sondern dass noch eine weitere Voraussetzung<br />

dazu kommen muss, damit sie geschuldet wird: der Dienstherr untersucht<br />

am Ende der Dienstperiode, obdas Verhalten <strong>und</strong> die Leistungen des Angestellten<br />

[…] derart waren, dass nach billigem Ermessen Veranlassung zueiner Extraanerkennung<br />

besteht. Das subjektive Moment der ursprünglichen Freiwilligkeit<br />

der Leistung ist also noch darin gewahrt, dass der Dienstherr die erwähnte<br />

Untersuchung vorn<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> darüber befindet; dagegen besteht das objektive<br />

Moment, eingeführt dadurch, dass die Gratifikation versprochen worden ist,<br />

darin, dass der Dienstherr bei der Prüfung der Frage, ob Anlass zu einer <strong>besondere</strong>n<br />

Anerkennung vorhanden sei, den Massstab objektiven, billigen <strong>und</strong><br />

anständigen Ermessens zu Gr<strong>und</strong>e zu legen hat <strong>und</strong> dass <strong>im</strong> Streitfall der Richter<br />

darüber befinden soll.» 1216<br />

704 InBGE 109 II 447 (E. 5c, 448) wurde zur Begründung, weshalb bei einer betraglich<br />

fixierten Sondervergütung mit festgelegter Fälligkeit –<strong>und</strong> damit mit<br />

<strong>Lohn</strong>charakter –Art. 322d Abs. 2OR nicht zur Anwendung kommen könne,<br />

unter anderem Folgendes ausgeführt: «[…] en effet, lorsque, pour des raisons<br />

de convenance, les parties préfèrent différer le paiement d'une partie dusalaire,<br />

iln'y aaucune raison deprévoir pour cette partie du salaire des règles plus<br />

défavorables au travailleur, relatives àlanaissance etàl'exigibilité de la<br />

créance qui en résulte, que pour le salaire courant; s'agissant au contraire<br />

d'une rétribution dont letravailleur est gratifié par l'employeur, il est compréhensible<br />

que lelégislateur n'ait pas entendu étendre laresponsabilité de l'employeur<br />

contre le gré de celui-ci, en cas de départ du travailleur avant<br />

l'échéance de la gratification.»<br />

705 Umzuermitteln, obeine Gratifikation vorliegt oder nicht, muss die Vergütung,<br />

welche umstritten ist, folglich daraufhin geprüft werden, obsie (ganz oder wenigstens<br />

teilweise) dem Ermessen des Arbeitgebers überlassen ist. 1217 Unter Er-<br />

1216<br />

1217<br />

Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 8. Juli 1920, AGVE 1920,<br />

Nr. 3/4, S.127 ff. (128 f.), Einschübe <strong>und</strong> Auslassungen nur hier.<br />

Lässt sich eine globale Gratifikationsvereinbarung untergliedern, so ist esdurchaus<br />

möglich, dass einzelne Teile der globalen Gratifikationsabrede voneinander getrennt<br />

werden können; vgl. dazu den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. Januar 2003,


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

messen ist dabei eine mehr oder weniger subjektiv gefärbte Einschätzung von<br />

gratifikationsrelevanten Faktoren durch den Arbeitgeber gemeint, die sich nicht<br />

mit mathematischer Schärfe berechnen oder best<strong>im</strong>mten lassen. 1218 Falls demgegenüber<br />

ein fester Betrag als Gratifikation vereinbart wurde, kann –der Logik<br />

folgend –keine Gratifikation mehr vorliegen. Esfehlt am subjektiven Ermessenselement.<br />

Es handelt sich nach der Rechtsprechung dann um einen<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteil, der entgegen Art. 322d Abs. 2ORauch pro rata geschuldet<br />

ist. Ebenfalls von einem <strong>Lohn</strong>bestandteil ist dann auszugehen, wenn gestützt<br />

auf den Vertrag zwischen den Parteien Kriterien vereinbart worden sind, welche<br />

die infrage stehende Vergütung inihrer Höhe ganz oder teilweise best<strong>im</strong>men<br />

oder objektiv best<strong>im</strong>mbar bzw. berechenbar machen. Dass dieser <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

aufgr<strong>und</strong> der vereinbarten Kriterien variabel sein kann, ist dabei nicht von<br />

Bedeutung. 1219<br />

706 Inder Lehre wird bezüglich des Ermessens als begriffsbest<strong>im</strong>mendes Merkmal<br />

der Gratifikation darauf aufmerksam gemacht, dass der Wortlaut von<br />

Art. 322d OR auch eine vollständig best<strong>im</strong>mte Gratifikation erfasst, bei welcher<br />

dem Arbeitgeber kein Ermessensspielraum verbleiben kann. 1220 Insofern weicht<br />

die höchstrichterliche Umschreibung der Gratifikation vom Wortlaut des Gesetzes<br />

ab. PORTMANN sieht darin, dass das BUNDESGERICHT die vollständig best<strong>im</strong>mte<br />

Gratifikation vom Anwendungsbereich von Art. 322dORausn<strong>im</strong>mt,<br />

eine teleologische Reduktion. Für den Arbeitnehmer hat diese Rechtsprechung<br />

den Vorteil, dass die dispositive pro rata-Regel gemäss Art. 322d Abs.2nicht<br />

greift. 1221 Auch STREIFF/VON KAENEL weisen darauf hin, dass eine Sondervergütung,<br />

auf welche ein Rechtsanspruch besteht, eine Gratifikation gemäss<br />

Art. 322d OR sei. Ferner erwähnen diese Autoren, dass die vom BUNDESGE-<br />

1218<br />

1219<br />

1220<br />

1221<br />

4C.325/2002, E. 3; worin ein «bonus structuré» ohne Ermessenskomponente <strong>und</strong> ein<br />

«bonus discrétionnaire» mit Ermessenskomponente unterschieden wurden.<br />

Gemäss Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.3, liegt<br />

ein Ermessen vor, «[…] wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines best<strong>im</strong>mten<br />

Geschäftsergebnisses abhängt, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung<br />

der persönlichen Arbeitsleistung durch die Arbeitgeberin abhängig gemacht<br />

wird».; kritisch hierzu:D.Portmann, N37; vgl. auch Geiser, Bonus, Rz. 2.28.<br />

Vgl. z.B. BGE129 III 286 (E. 2,278 f.); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichtsvom 24. Januar<br />

2006, 4C.340/2005, E. 2.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 25. Oktober 2004,<br />

4C.244/2004, E. 2.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003, 4C.6/2003,<br />

E. 2.2; vgl. auch Carruzzo, Art. 322d N2; Cramer, N77ff.; Polcan/Stengel, S.229 f.;<br />

D. Portmann, N26ff. mit grafischer Darstellung; vgl. ferner die Hinweise <strong>und</strong> Zitate<br />

in Fn. 1177.<br />

Brühwiler, Art. 322d N5;BSK OR I-Portmann, Art. 322d N16; Streiff/von Kaenel,<br />

Art. 322d N2<strong>und</strong> N9;vgl. auch Polcan/Stengel,S.229 f., sowie oben Rz. 675 ff.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322d N16; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli,<br />

Art. 322d N1.<br />

321


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

322<br />

RICHT vertretene Auffassung eines <strong>Lohn</strong>bestandteils mit aufgeschobener Fälligkeit<br />

sich mitArt. 323 Abs.1OR nichtinEinklang bringen lasse. 1222<br />

(c) Verhältnis zwischen dem Fix- oder Basislohn <strong>und</strong> der Gratifikation<br />

707 Zur Abgrenzung zwischen einem <strong>Lohn</strong>bestandteil <strong>und</strong> einer Gratifikation wird<br />

ferner massgeblich darauf abgestellt, in welchem Grössenverhältnis der Fixoder<br />

Basislohn <strong>und</strong> weitere variable <strong>Lohn</strong>bestandteile einerseits <strong>und</strong> die Gratifikation<br />

andererseits stehen. Der Fix- oder Basislohn, weitere variable <strong>Lohn</strong>bestandteile<br />

<strong>und</strong> die Gratifikation ergeben dabei in der Regel die Gesamtvergütung.<br />

708 Inder Rechtsprechung wird verlangt, dass die ermessensabhängige Gratifikation<br />

neben dem Fix- oder Basislohn sowie etwaigen weiteren <strong>Lohn</strong>bestandteilen<br />

akzessorisch ist. Eine Gratifikation ist dann akzessorisch <strong>im</strong>Sinne der Rechtsprechung,<br />

wenn ihr <strong>im</strong>Kontext der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers eine<br />

sek<strong>und</strong>äre Bedeutung zukommt. 1223 Weil die Gratifikation gemäss Art. 322d<br />

Abs.1OR neben dem <strong>Lohn</strong> steht, wird weiter gefolgert, dass es unzureichend<br />

ist, wenn nur ein kleiner <strong>Lohn</strong>, dafür aber eine betragsmässig hohe Gratifikation<br />

ausgerichtet wird. Denn in einer solchen Konstellation würde die echte oder unechte<br />

Gratifikation das eigentliche oder wesentliche Entgelt für die Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers darstellen. Wenigstens ein Teil der Gratifikation müsste<br />

insofern zu <strong>Lohn</strong> <strong>im</strong> Rechtssinne werden. 1224<br />

709 Wodie Grenze zu ziehen ist bzw. in welchem Verhältnis der <strong>Lohn</strong> bzw. sämtliche<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteile einerseits <strong>und</strong> die Gratifikation andererseits zueinander<br />

stehen können, dürfen <strong>und</strong> sollen, hat die Rechtsprechung ingenerell-abstrakter<br />

Weise bislang nicht abschliessend beantwortet. 1225 Das Aufstellen einer fixen<br />

Verhältniszahl hat das BUNDESGERICHT bis anhin abgelehnt. Zur Begründung,<br />

weshalb eine fixe Verhältniszahl wenig sinnvoll wäre, wurde angeführt, es liege<br />

auf der Hand, dass schon der Wegfall einer geringen Gratifikation bei einem<br />

tiefen (Gesamt-)Einkommen für den betroffenen Arbeitnehmer mehr ins Gewicht<br />

falle, als bei einem hohen Einkommen. 1226 Zu den Vorschlägen in der<br />

1222<br />

1223<br />

1224<br />

1225<br />

1226<br />

Streiff/von Kaenel, Art. 322d N9.<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2, 621); BGE 129 III 276 (E. 2.1, 279); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 24. Januar 2006, 4C.340/2005, E. 2.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2.<br />

Vgl. statt mehrerer: BGE 129 III 276 (E. 2.1, 279).<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2, 621); BGE 129 III 276 (E. 2.1, 279); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.5; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2.<br />

Vgl. z.B. Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2 mit<br />

Hinweis auf Delbrück, S.76.


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

neueren Lehre, 1227 welche für unterschiedlich hohe Gr<strong>und</strong>löhne einen unterschiedlich<br />

hohen Prozentsatz der (echten oder unechten) Gratifikation ander<br />

Gesamtvergütung vorschlagen, ist das BUNDESGERICHT noch nicht direkt eingegangen.<br />

1228<br />

710 Aus dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist somit zu folgern, dass bei<br />

einer tiefen Gesamtvergütung der verhältnismässige Anteil der Gratifikation geringer<br />

sein muss als bei einer hohen Gesamtvergütung. Umgekehrt kann gesagt<br />

werden, dass jehöher der geschuldete <strong>Lohn</strong> ist, desto höher der Anteil der Gratifikation<br />

an der Gesamtvergütung in einer Periode ausfallen darf. Als nach<br />

oben hin begrenzende Leitlinie finden sich inder b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung<br />

indessen Stellungnahmen, die für inder Tendenz hohe Löhne besagen,<br />

dass das Erfordernis der Akzessorietät nicht bzw. kaum mehr gewahrt sein<br />

könne, wenn der(hohe) <strong>Lohn</strong> regelmässig geringersei alsdie Gratifikation. 1229<br />

(d) Regelmässigkeit derAusrichtungder Gratifikation<br />

711 Ein weiteres Abgrenzungskriterium zwischen einer Gratifikation <strong>und</strong> einem<br />

(variablen) <strong>Lohn</strong>bestand besteht inder Regelmässigkeit der Gratifikationsleistung.<br />

Dieses Kriterium wurde bei der schuldrechtlichen Umwandlung der Gratifikationnäher<br />

betrachtet. 1230<br />

712 Ergänzend ist dabei hinzuzufügen, dass nach der Rechtsprechung eine sehr hohe<br />

Gratifikationsleistung, die wohl den <strong>Lohn</strong> auch überschreiten darf <strong>und</strong> damit<br />

in einer best<strong>im</strong>mten Periode mehr als die Hälfte der Gesamtvergütung ausmacht,<br />

den Charakter einer Gratifikation dann nicht verliert, wenn sie einmalig<br />

ist <strong>und</strong> sich in dieser HöheoderGrössenordnungnichtwiederholt. 1231<br />

1227<br />

1228<br />

1229<br />

1230<br />

1231<br />

Vgl. dazu unten Rz. 718 ff.<br />

Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts vom 3. Februar 2009, 4A_509/2008 <strong>und</strong> 4A_511/2008,<br />

E. 4.3.2.1.<br />

BGE 131 III 615 (E. 5.2, 621); BGE 129 III 276 (E. 2.1, 280); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.5; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom<br />

28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 30. Mai<br />

2005, 4C.475/2004, E. 1.2.3; Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003,<br />

4C.6/2003, E. 2.2; kritisch dazu BSK OR I-Portmann, Art. 322d N19; sich dieser Kritik<br />

anschliessend: BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli, Art. 322d N1; KUKO OR-<br />

Pietruszak, Art. 322d N3;vgl. auch Cramer, N252 ff. sowie Wyler, S. 168 f.<br />

Vgl. oben Rz. 684 ff.<br />

BGE 129 III 276 (E. 2.1, 280); Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003,<br />

4C.6/2003, E. 2.2.<br />

323


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

(e) SozialversicherungsrechtlicheBehandlung der Gratifikation<br />

713 Ein weiteres Kriterium, welches für die Abgrenzung zwischen einer Gratifikation<br />

<strong>und</strong> einem <strong>Lohn</strong>bestandteil herangezogen werden kann, ist deren sozialversicherungsrechtliche<br />

Behandlung. Falls eine Gratifikation <strong>im</strong>überobligatorischen<br />

Bereich der beruflichen Vorsorge, bei der Unfallversicherung <strong>und</strong> allenfalls<br />

bei einer Krankentaggeldversicherung mitversichert wird, kann darin ein<br />

Indiz gesehen werden, dass die Parteien die Gratifikation als <strong>Lohn</strong>bestandteil<br />

betrachten. 1232<br />

(f) Praxisbeispiele<br />

714 Inder Praxis des BUNDESGERICHTS haben die obigen Kriterien, <strong>und</strong> ins<strong>besondere</strong><br />

dasjenige der Akzessorietät, unter anderen zu folgenden Entscheiden geführt.<br />

1233<br />

715 Ein Arbeitnehmer einer Bank, der nach eineinhalbjähriger Anstellungsdauer in<br />

Absprache mit seinem Arbeitgeber per Ende Jahr das Unternahmen verliess,<br />

verlangte einen Bonus von CHF 30000.- für sein letztes Tätigkeitsjahr bei einem<br />

Fixlohn von ca. CHF 130 000.-. Das BUNDESGERICHT kam zum Ergebnis,<br />

dass dieser Bonus eine Gratifikation darstelle <strong>und</strong> der Bonus inseiner Höhe<br />

noch als akzessorisch betrachtet werden könne. 1234 In einem anderen Fall bezog<br />

ein höherer Bankmitarbeiter in vier konsekutiven Jahren einen <strong>Lohn</strong> von<br />

CHF 165 000.-, CHF167 500.-, CHF 197 000.- <strong>und</strong> CHF200 000.-. Daneben<br />

wurden Boni bzw. Gratifikation inGeld, Aktien <strong>und</strong> Aktienoptionen ausgeschüttet.<br />

Diese Gratifikationsleistungen erreichten in denselben Jahren die Höhe<br />

von CHF 65 000.-, CHF 180 000.-, sowie jeCHF 310000.- in den beiden letzten<br />

Jahren mit voller Anstellungsdauer. Diese Bonus- bzw. Gratifikationszahlungen<br />

wurden als <strong>Lohn</strong>bestandteile betrachtet, sodass der Arbeitnehmer für das<br />

Austrittsjahr eine pro rata-Zahlung von CHF 193 750.- zugesprochen erhielt.<br />

1235 Als Gratifikationen wurden hingegen Leistungen <strong>im</strong>Rahmen eines Aktienoptionsplans<br />

von r<strong>und</strong> 16 Prozent der Gesamtvergütung betrachtet, welchen<br />

in einer Periode von drei Jahren durchschnittlich Gesamtleistungen von<br />

CHF 415 000.- pro Jahr gegenüberstanden. 1236 Im Falle einer «Sales-Traderin»<br />

mit einem jährlichen Basisgehalt von CHF 112400 <strong>und</strong> einer Zusatzzahlung<br />

von CHF 278733.-, wurde die Zusatzzahlung als <strong>Lohn</strong>bestandteil qualifi-<br />

1232<br />

1233<br />

1234<br />

1235<br />

1236<br />

324<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 13. Juli 2007, 4A_115/2007, E. 4.3.5; Entscheid<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.2 <strong>und</strong> E. 3.3; vgl. auch Carruzzo,<br />

Art. 322d N2e.<br />

Für weitereBeispiele vgl. Bornoz, S. 44 ff.; Reinert, S.6ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. April 2003, 4C.6/2003, E. 2.3 <strong>und</strong> E. 3.2.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 30. Mai 2005,4C.475/2004, E. A.b.<br />

BGE 131 III 615 (E. 6.2, 622).


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

ziert. 1237 In einem weiteren Entscheid wurden einem Arbeitnehmer neben dem<br />

Gr<strong>und</strong>gehalt Geldleistungen unter einem «Incentive Compensation Plan» sowie<br />

Aktienoptionen unter einem separaten Mitarbeiterbeteiligungsplan ausgerichtet.<br />

Das BUNDESGERICHT qualifizierte die Geldleistungen unter dem «Incentive<br />

Compensation Plan» von durchschnittlich 20 Prozent des Jahresgehalts als<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteile, weil diese Geldleistungen als «bonus structuré» zu betrachten<br />

seien. 1238<br />

(g) Folgerungzuden Abgrenzungskriterien<br />

716 Aus den oben dargestellten Kriterien zur Abgrenzung zwischen der Gratifikation<br />

<strong>und</strong> dem (variablen) <strong>Lohn</strong>bestandteil in Verbindung mit der schuldrechtlichen<br />

Umwandlung von mehrmals ausgerichteten Gratifikationen ergibt sich,<br />

dass keines der genannten Kriterien als allein ausschlaggebend bezeichnet werden<br />

kann. Zwar dürfte in der Gerichtspraxis der Regelmässigkeit der Ausrichtung<br />

von (echten) Gratifikationen sowie dem Verhältnis zwischen Basislohn<br />

<strong>und</strong> Gratifikation erhöhte Bedeutung zugemessen werden. Dennoch lassen sich<br />

aus der Rechtsprechung zurzeit wohl keine klaren Kriteriengruppen bilden,<br />

welche den Anforderungen andie Rechtssicherheit Genüge tun würden. Überdies<br />

erscheint dem Kriterium des sozialversicherungsrechtlichen Einbezugs von<br />

(angeblichen) Gratifikationen inder Tendenz nicht das ihm zustehende Gewicht<br />

eingeräumt zu werden.<br />

717 Sowohl inder Vertragsgestaltung als auch <strong>im</strong> Streitfall erweisen sich die aufgeführten<br />

Kriterien aufgr<strong>und</strong> ihrer inhärenten Unschärfe somit nur als bedingt<br />

hilfreich. Zwar bedeutet dies keineswegs, dass diese Kriterien weder sinnvoll<br />

<strong>und</strong> noch nachvollziehbar wären. Bei Vereinbarungen, welche einen erhöhten<br />

Komplexitätsgrad aufweisen, umlegit<strong>im</strong>en Interessen beider Parteien eines Arbeitsvertrags<br />

Rechnung zu tragen, reichen sie für das Schaffen einer klaren<br />

Rechtslage allerdings nur in seltenen Fällen aus. Insofern ist der Kritik zuzust<strong>im</strong>men,<br />

dass die heutige Regelung der Gratifikation den wirtschaftlichen Begebenheiten<br />

nichtmehr zu genügen vermag. 1239<br />

1237<br />

1238<br />

1239<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 28. Februar 2006, 4C.426/2005, E. 5.1.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 6. Juni 2006, 4C.97/2006, E. 2unter Verweis auf<br />

den Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 24. Januar 2003, 4C.325/2002, E. 3; vgl. ferner<br />

die Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts vom 3. Februar 2009, 4A_509/2008 <strong>und</strong><br />

4A_511/2008, jeweils E. A.b <strong>und</strong> E.A.d, worin neben Gr<strong>und</strong>salären von letztlich r<strong>und</strong><br />

CHF 260 000.- jeweils ausserordentliche Prämien zwischen CHF 274 000.- bis<br />

CHF 1130 000.- bezahlt wurden. Hinzu kamen Beiträge des Arbeitgebers andie Altersvorsorge,<br />

die zwischen USD 16 000.- bis USD 466 700.- lagen.<br />

Cramer, N89ff.; Delbrück, S. 10; D. Portmann, N31; Stofer, S.227; Vischer, S. 103.<br />

325


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

2. Stellungnahmen inder Lehre<strong>und</strong> deren Würdigung<br />

718 Soweit sich in der (älteren) Literatur konkrete Stellungnahmen zur Abgrenzung<br />

bzw. zum zulässigen Verhältnis zwischen der Gratifikation <strong>und</strong> der Gesamtvergütung<br />

finden, liegen die befürworteten Verhältniszahlen recht tief. DELBRÜCK<br />

nennt Verhältniszahlen von 15bis 20 Prozent amGesamtentgelt für Vergütungen,<br />

die unter einem Vorbehalt des Arbeitgebers stehen. 1240 SCHMID ortet die<br />

zulässige Grenze von frei nach dem Willen des Arbeitgebers veränderbaren<br />

Vergütungsbestandteilen bei 15Prozent, wobei eine nicht näher best<strong>im</strong>mte<br />

Obergrenze des Gr<strong>und</strong>lohnes zu berücksichtigen sei. 1241 MEIER vertritt sodann<br />

die Ansicht, dass Freiwilligkeitsvorbehalte für <strong>Lohn</strong>bestandteile, welche<br />

10 Prozent des Gr<strong>und</strong>lohns übersteigen, für nichtig erklärt werden sollten. Dem<br />

Gericht würde es dadurch ermöglicht, einen «Bonus» analog Art. 322<br />

Abs.1OR richterlich festzulegen. 1242 Im Vergleich zu diesen Lehrmeinungen<br />

erscheint die höchstrichterliche Rechtsprechung für das zulässige Verhältnis<br />

zwischen <strong>Lohn</strong> <strong>und</strong> Gratifikation relativ grosszügig. Gr<strong>und</strong>gedanke dieser<br />

Rechtsprechung dürfte sein, unter Berücksichtigung der konkreten Vereinbarungen<br />

<strong>und</strong> der Interessenlagen der Parteien die Vertragsfreiheit soweit als<br />

möglich spielen zu lassen.<br />

719 Inneuerer Zeit wurde vorgeschlagen, sich an Leitlinien bzw. Rastern für unterschiedliche<br />

<strong>Lohn</strong>bereiche zu orientieren, wobei jeweils darauf hingewiesen<br />

wird, dass solche Richtlinien an sich diskutabel sind. Sie wollen insofern auch<br />

keine absolute Geltung beanspruchen. Sowird etwa von CRAMER vorgeschlagen,<br />

1243 dass bei eher tieferen Löhnen bis ca. CHF 5500.- pro Monat ein<br />

13. Monatslohn bzw. ca. 8Prozent eine Grenze für das Verhältnis zwischen<br />

dem Fixlohn <strong>und</strong> freiwilligen bzw. ermessensabhängigen Vergütungen darstellen<br />

könnte. Für Löhne <strong>im</strong> mittleren Bereich, d.h. zwischen ca. CHF 5500.- bis<br />

ca. CHF 10 500.- als dem heute höchsten, von der Arbeitslosen- <strong>und</strong> Unfallversicherung<br />

versicherten <strong>Lohn</strong> pro Monat, 1244 soll sich der zulässige Anteil von<br />

ermessensabhängigen Zahlungen zwischen 15 bis 20Prozent bewegen. Für den<br />

oberen <strong>Lohn</strong>bereich ab r<strong>und</strong> CHF10500.- pro Monat bis zu einem Jahresgehalt<br />

von ca. CHF300 000.- dürften wohl ebenfalls Grenzwerte von 15bis 20 %<br />

greifen. Für effektive Spitzenlöhne mit einem Festgehalt von ca. CHF 400 000.<strong>und</strong><br />

mehr sollen dagegen keine Grenzwerte mehr greifen, daesletztlich an der<br />

Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers fehle. WYLER 1245 schlägt seinerseits für<br />

mittlere Löhne vor, dass eine Gratifikation bis ca. einem Drittel des mittleren<br />

1240<br />

1241<br />

Delbrück, S.75f.m.w.H.<br />

Schmid, S.197.<br />

1242<br />

Meier, Bonus, S. 72.<br />

1243<br />

Cramer, N314 ff. (Zahlen hierin teilweise angepasst).<br />

1244<br />

Vgl. Art. 23 Abs. 1AVIG, Art. 15 Abs. 3UVG i.V.m. Art. 22 Abs. 1UVV.<br />

1245<br />

Wyler, S. 169.<br />

326


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

<strong>Lohn</strong>s ihren Charakter als Gratifikation behalten soll. Für höhere Gehälter soll<br />

die Gratifikation ihren akzessorischen Charakter dann behalten, wenn sie die<br />

Hälfte des Gehalts nicht übersteigt. Für sehr hohe Löhne soll die Gratifikation<br />

die Höhe des Fixlohns erreichen <strong>und</strong> sogar übersteigen dürfen. 1246 Auch WYLER<br />

führt zur Begründung an, dass es in den höchsten <strong>Lohn</strong>d<strong>im</strong>ensionen keinen<br />

Gr<strong>und</strong> mehr gebe, die Gratifikation durch eine Requalifikation oder Umwandlung<br />

zu schützen, wenn schon der Fixlohn als angemessene Vergütung zubezeichnen<br />

sei. Es sollte sich die Vertragsfreiheit durchsetzen. Ineine ähnliche<br />

Richtung geht die Kritik an der höchstrichterlichen Rechtsprechung von PORT-<br />

MANN. Nach diesem Autor stellt die relative oder absolute Höhe der Sondervergütung<br />

kein einleuchtendes Kriterium mehr dar, um über den <strong>Lohn</strong>charakter zu<br />

entscheiden, wenn der Fix- oder Basislohn eine Höhe ann<strong>im</strong>mt, welche den Arbeitsvertrag<br />

als entgeltlich erscheinen lässt. Es liege ein Eingriff in die Privatautonomie<br />

vor, der sich durch kein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers rechtfertigen<br />

lässt. 1247<br />

720 Diese Vorschläge <strong>und</strong> Stellungnahmen in der Lehre sind insofern nachvollziehbar,<br />

als dass die höchstrichterliche Rechtsprechung den Eindruck erwecken<br />

könnte, Arbeitnehmer mit hohen Fixlöhnen <strong>und</strong> noch höheren Gratifikationen<br />

(oder Boni) würden gegenüber Arbeitnehmern in tieferen Einkommensklassen<br />

privilegiert. Deswegen aber von einer unangemessenen Einschränkung der Privatfreiheit<br />

zu sprechen, erscheint nur beschränkt stichhaltig. Denn bei der echten<br />

Gratifikation liegt die Machtkonzentration aufgr<strong>und</strong> der (fast <strong>im</strong>mer) vorbehaltenen<br />

Freiwilligkeit meist sehr deutlich aufseiten des Arbeitgebers. Wer als<br />

Arbeitgeber versucht, sich durch die Zahlung von hohen, aber jeweils freiwilligen<br />

Leistungen dem Eingehen von durchsetzbaren Pflichten soweit als möglich<br />

zu entziehen,kann ebenfalls nur als bedingtschutzwürdig bezeichnet werden.<br />

721 Auch das Argument, dassjehöher dieGesamtvergütung ausfalle, desto geringer<br />

der entsprechende Schutzbedarf des Arbeitnehmers sei, kann in seinem Kern<br />

nicht von der Hand gewiesen werden. Esist allerdings in zweierlei Hinsicht erheblich<br />

zu relativieren. Zum einen unterscheidet das schweizerische Recht in<br />

<strong>Lohn</strong>belangen gr<strong>und</strong>sätzlich 1248 nicht zwischen verschiedenen Arbeitnehmern<br />

mit unterschiedlicher Stellung oder unterschiedlich hohem Verdienst. 1249 Zum<br />

1246<br />

1247<br />

1248<br />

1249<br />

In welcher Grössenordnung sich die von Wyler, S. 169, genannten mittleren, höheren<br />

<strong>und</strong> sehr hohen Löhne bewegen, lässt dieser Autor wohl bewusst offen; zust<strong>im</strong>mend:<br />

Carruzzo, Art. 322d N3,Fn. 8.<br />

BSK OR I-Portmann, Art. 322d N19; vgl. auch BE-Komm.-Rehbinder/Stöckli,<br />

Art. 322d N1.<br />

Eine Ausnahme findet sich in Art. 3Abs. 1lit. dArG i.V.m. Art. 9ArGV 1,die allerdings<br />

einschränkend ausgelegt wird; vgl. dazu auch BGE 126 III 337 (E. 5,340 f.);<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts vom 25. Oktober 2005, 4C.157/2005, E. 5.2.<br />

BGE 130 III 213 (E. 2.1, 216); Entscheide des B<strong>und</strong>esgerichts vom 1. Oktober 2004,<br />

4C.237/2004 <strong>und</strong> 4C.239/2004, E. 3.3.<br />

327


§6 BESONDERE LOHN- UND VERGÜTUNGSFORMEN<br />

328<br />

anderen ist schwer ersichtlich, inwiefern der Umstand, dass Arbeitnehmer mit<br />

hohem Einkommen einen Verdienstausfall meist leichter verkraften können als<br />

Arbeitnehmer mit geringem Einkommen, es rechtfertigen sollte, den Handlungsspielraum<br />

des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmer mit hohem Einkommen<br />

zuerweitern.


Entscheidregister<br />

BUNDESGERICHTSENTSCHEIDE<br />

AMTLICHE SAMMLUNG DES SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS<br />

BGE 23I265 Fn. 1150<br />

BGE 26II768 Fn. 956, Fn. 963<br />

BGE 38II623 Fn. 309<br />

BGE 41II105 Fn. 463<br />

BGE 42II355 Fn. 788, Fn. 807,<br />

Fn. 826, Fn. 834<br />

BGE 42II500 Fn. 1071<br />

BGE 47II295 Fn. 98<br />

BGE 49II1 Fn. 332<br />

BGE 50II441 Fn. 332<br />

BGE 51II303 Fn. 616<br />

BGE 57II368 Fn. 616<br />

BGE 64II9 Fn. 253<br />

BGE 64II162 Fn. 133<br />

BGE 66II227 Fn. 332<br />

BGE 67II200 Fn. 291, Fn. 332,<br />

Fn. 340, Fn. 398<br />

BGE 72II421 Fn. 942<br />

BGE 80II327 Fn. 612<br />

BGE 80IV22 Fn. 133<br />

BGE 81II145 Fn. 778, Fn. 807,<br />

Fn. 810, Fn. 812,<br />

Fn. 815<br />

BGE 83II78 Fn. 903<br />

BGE 84II493 Fn. 10<br />

BGE 87II164 Fn. 332<br />

BGE 90II417 Fn. 474<br />

BGE 90II443 Fn. 286, Fn. 332,<br />

Fn. 340<br />

BGE 90II483 Fn. 919, Fn. 983,<br />

Fn. 989<br />

BGE 93I378 Fn. 31<br />

BGE 93II367 Fn. 215<br />

BGE 95II126 Fn. 286, Fn. 332,<br />

Fn. 340<br />

BGE 97II142 Fn. 578<br />

BGE 99II313 Fn. 10<br />

BGE 100 II 278 Fn. 215<br />

BGE 104 II 28 Fn. 78<br />

BGE 106 II 45 Fn. 781<br />

BGE 106 III 11 Fn. 716<br />

329


ENTSCHEIDREGISTER<br />

BGE 107 Ia 107 Fn. 332, Fn. 340,<br />

Fn. 343, Fn. 1071<br />

BGE 108 II 112 Fn. 374<br />

BGE 108 II 204 Fn. 260<br />

BGE 109 II 228 Fn. 260, Fn. 332<br />

BGE 109 II 447 Fn. 1063,<br />

Fn. 1177,<br />

Fn. 1215<br />

BGE 109 II 462 Fn. 266<br />

BGE 109 III 101 Fn. 716<br />

BGE 110 II 244 Fn. 374<br />

BGE 110 II 268 Fn. 98, Fn.141<br />

BGE 111 IV 139 Fn. 612<br />

BGE 112 II 51 Fn. 98, Fn.107,<br />

Fn. 109, Fn. 141,<br />

Fn. 157<br />

BGE 113 II 414 Fn. 291, Fn. 332,<br />

Fn. 340, Fn. 398<br />

BGE 114 II 274 Fn. 453<br />

BGE 114 III 12 Fn. 716<br />

BGE 115 II 452 Fn. 266<br />

BGE 115 II 464 Fn. 187<br />

BGE 115 II 484 Fn. 848, Fn. 1160<br />

BGE 115 V22 Fn. 215<br />

BGE 116 II 441 Fn. 1138<br />

BGE 116 II 695 Fn. 250, Fn. 289<br />

330<br />

BGE 116 III 75 Fn. 716<br />

BGE 117 II 72 Fn. 78, Fn.673<br />

BGE 117 II 273 Fn. 959<br />

BGE 117 III 52 Fn. 202<br />

BGE 118 Ia 35 Fn. 533<br />

BGE 118 II 58 Fn. 102<br />

BGE 118 II 136 Fn. 422<br />

BGE 118 II 139 Fn. 119<br />

BGE 118 II 157 Fn. 266, Fn. 1154,<br />

Fn. 1186<br />

BGE 119 II 434 Fn. 215<br />

BGE 119 II 437 Fn. 374<br />

BGE 119 II 449 Fn. 102<br />

BGE 120 III 11 Fn. 66<br />

BGE 120 III 18 Fn. 202<br />

BGE 122 III 97 Fn. 756<br />

BGE 122 III 110 Fn. 505, Fn. 541<br />

BGE 122 III 118 Fn. 846<br />

BGE 123 III 53 Fn. 309<br />

BGE 123 III 466 Fn. 156, Fn. 159<br />

BGE 123 III 469 Fn. 576<br />

BGE 124 III 145 Fn. 666<br />

BGE 124 III 155 Fn. 846<br />

BGE 124 III 249 Fn. 303


BGE 124 III 305 Fn. 190<br />

BGE 124 III 346 Fn. 453<br />

BGE 124 III 469 Fn. 92, Fn.190,<br />

Fn. 402<br />

BGE 124 V100 Fn. 484<br />

BGE 125 III 65 Fn. 303, Fn. 453<br />

BGE 125 III 70 Fn. 1154<br />

BGE 125 III 86 Fn. 66<br />

BGE 125 III 263 Fn. 669<br />

BGE 125 III 368 Fn. 533<br />

BGE 125 III 443 Fn. 658<br />

BGE 126 III 119 Fn. 876, Fn. 1002<br />

BGE 126 III 337 Fn. 190, Fn. 1248<br />

BGE 127 III 300 Fn. 756<br />

BGE 127 V183 Fn. 159, Fn. 161,<br />

Fn. 163<br />

BGE 128 III 174 Fn. 919, Fn. 920,<br />

Fn. 925, Fn. 986<br />

BGE 128 III 212 Fn. 119<br />

BGE 128 III 271 Fn. 119<br />

BGE 128 III 419 Fn. 1203<br />

BGE 129 III 118 Fn. 278, Fn. 877,<br />

Fn. 1203,<br />

Fn. 1214<br />

BGE 129 III 124 Fn. 98<br />

BGE 129 III 264 Fn. 1171<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

BGE 129 III 276 Fn. 512, Fn. 1091,<br />

Fn. 1114,<br />

Fn. 1177,<br />

Fn. 1189,<br />

Fn. 1192,<br />

Fn. 1205,<br />

Fn. 1206,<br />

Fn. 1207,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1223,<br />

Fn. 1224,<br />

Fn. 1225,<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1231<br />

BGE 129 III 286 Fn. 1219<br />

BGE 129 III 320 Fn. 374<br />

BGE 129 III 331 Fn. 474<br />

BGE 129 III 335 Fn. 97, Fn.159,<br />

Fn. 163<br />

BGE 129 III 493 Fn. 422<br />

BGE 129 III 618 Fn. 505, Fn. 541<br />

BGE 129 III 664 Fn. 10, Fn.422,<br />

Fn. 458, Fn. 895,<br />

Fn. 903, Fn. 905,<br />

Fn. 1040<br />

BGE 130 III 19 Fn. 737<br />

BGE 130 III 213 Fn. 31, Fn.1249<br />

BGE 130 III 417 Fn. 1203<br />

BGE 130 III 699 Fn. 133<br />

BGE 130 III 765 Fn. 716<br />

BGE 131 III 566 Fn. 21, Fn.266<br />

BGE 131 III 606 Fn. 1214<br />

331


ENTSCHEIDREGISTER<br />

BGE 131 III 615 Fn. 759, Fn. 1060,<br />

Fn. 1091,<br />

Fn. 1119,<br />

Fn. 1189,<br />

Fn. 1192,<br />

Fn. 1205,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1223,<br />

Fn. 1225,<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1236<br />

BGE 131 V444 Fn. 485, Fn. 1093<br />

BGE 132 II 161 Fn. 73<br />

BGE 132 III 32 Fn. 162, Fn. 190<br />

BGE 132 III 115 Fn. 1154<br />

BGE 132 III 172 Fn. 422<br />

BGE 132 III 359 Fn. 474<br />

BGE 133 III 462 Fn. 474<br />

BGE 133 III 512 Fn. 224, Fn. 228<br />

ENTSCHEIDE DES BUNDESGERICHTS AB 2000<br />

4C.22/2000 vom<br />

27. Juni2000<br />

5C.155/2000 vom<br />

31. August 2000<br />

4C.110/2000 vom<br />

9. Oktober 2000,<br />

4C.119/2001 vom<br />

17. Juli 2001<br />

4C.152/2001 vom<br />

29. Oktober2001<br />

4C.263/2001 vom<br />

22. Januar 2002<br />

332<br />

Fn. 143<br />

Fn. 782<br />

Fn. 669<br />

Fn. 509<br />

Fn. 66<br />

Fn. 1091,<br />

Fn. 1192<br />

BGE 134 III 102 Fn. 158<br />

BGE 134 III 151 Fn. 616, Fn. 648,<br />

Fn. 649, Fn. 650,<br />

Fn. 653<br />

BGE 135 III 1 Fn. 756<br />

BGE 135 III 88 Fn. 640<br />

BGE 135 III 162 Fn. 505<br />

BGE 135 III 295 Fn. 1214<br />

BGE 135 III 349 Fn. 119, Fn. 157<br />

BGE 136 III 313 Fn. 758, Fn. 1066,<br />

Fn. 1083,<br />

Fn. 1091,<br />

Fn. 1133,<br />

Fn. 1150<br />

4C.284/2000 vom<br />

23. Januar 2002<br />

4C.280/2001 vom<br />

11. März 2002<br />

4C.307/2001 vom<br />

14. März 2002<br />

4C.66/2002 vom<br />

11. Juni2002<br />

4C.71/2002 vom<br />

31. Juli 2002<br />

Fn. 374<br />

Fn. 833<br />

Fn. 270, Fn. 306,<br />

Fn. 342, Fn. 359,<br />

Fn. 389<br />

Fn. 266<br />

Fn. 119


4C.158/2002 vom<br />

20. August 2002<br />

4C.325/2002 vom<br />

24. Januar 2003<br />

4C.320/2002 vom<br />

3. Februar2003<br />

4C.2/2003 vom<br />

25. März 2003<br />

4C.6/2003 vom<br />

24. April 2003<br />

4C.137/2003 vom<br />

2. September<br />

2003<br />

7B.4/2004 vom<br />

19. Januar 2004<br />

4P.277/2003 vom<br />

2. April 2004<br />

4C.25/2004 vom<br />

13. September<br />

2004<br />

4C.237/2004 vom<br />

1. Oktober 2004<br />

4C.239/2004 vom<br />

1. Oktober 2004<br />

4C.244/2004 vom<br />

25. Oktober2004<br />

Fn. 31<br />

Fn. 1192,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1217,<br />

Fn. 1238<br />

Fn. 66<br />

Fn. 78<br />

Fn. 1060,<br />

Fn. 1063,<br />

Fn. 1103,<br />

Fn. 1212,<br />

Fn. 1219,<br />

Fn. 1223,<br />

Fn. 1225,<br />

Fn. 1226,<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1231,<br />

Fn. 1232,<br />

Fn. 1234<br />

Fn. 510<br />

Fn. 202<br />

Fn. 247<br />

Fn. 959, Fn. 1171<br />

Fn. 737, Fn. 1249<br />

Fn. 737, Fn. 1249<br />

Fn. 1177,<br />

Fn. 1189,<br />

Fn. 1219<br />

4P.194/2004 vom<br />

24. November<br />

2004<br />

4C.241/2004 vom<br />

30. November<br />

2004<br />

4C.329/2004 vom<br />

15. Dezember<br />

2004<br />

5C.266/2004 vom<br />

16. März 2005<br />

4C.447/2004 vom<br />

31. März 2005<br />

4P.299/2004 vom<br />

14. April 2005<br />

4C.69/2005 vom<br />

14. April 2005<br />

4C.17/2005 vom<br />

4. Mai2005<br />

4C.475/2004 vom<br />

30. Mai2005<br />

4C.53/2005 vom<br />

6. Juni 2005<br />

4C.37/2005 vom<br />

17. Juni2005<br />

4C.90/2005 vom<br />

22. Juni2005<br />

4C.364/2004 vom<br />

1. Juli 2005<br />

4C.100/2005 vom<br />

27. Juli 2005<br />

4C.230/2005 vom<br />

1. September<br />

2005<br />

4C.157/2005 vom<br />

25. Oktober2005<br />

7B.173/2005 vom<br />

31. Oktober2005<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

Fn. 252, Fn. 449<br />

Fn. 1138<br />

Fn. 119<br />

Fn. 10<br />

Fn. 187<br />

Fn. 161<br />

Fn. 460<br />

Fn. 900, Fn. 905<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1235<br />

Fn. 877<br />

Fn. 102<br />

Fn. 710<br />

Fn. 1114<br />

Fn. 78<br />

Fn. 1203<br />

Fn. 1248<br />

Fn. 716<br />

333


ENTSCHEIDREGISTER<br />

4C.265/2005 vom<br />

2. November 2005<br />

7B.160/2005 vom<br />

8. November 2005<br />

4C.242/2005vom<br />

9. November 2005<br />

4C.247/2005 vom<br />

17. November<br />

2005<br />

4C.281/2005 vom<br />

15. Dezember<br />

2005<br />

4C.298/2005 vom<br />

3. Januar2006<br />

4C.376/2005 vom<br />

6. Januar2006<br />

4C.352/2005 vom<br />

17. Januar 2006<br />

4C.340/2005 vom<br />

24. Januar 2006<br />

4C.424/2005 vom<br />

20. Februar2006<br />

4C.426/2005 vom<br />

28. Februar2006<br />

4C.395/2005 vom<br />

1. März 2006<br />

4C.419/2005 vom<br />

15. März 2006<br />

4C.62/2006 vom<br />

21. April 2006<br />

334<br />

Fn. 901<br />

Fn. 716<br />

Fn. 92, Fn.93<br />

Fn. 66<br />

Fn. 959, Fn. 965<br />

Fn. 423<br />

Fn. 848, Fn. 1160<br />

Fn. 954, Fn. 987<br />

Fn. 1119,<br />

Fn. 1177,<br />

Fn. 1214,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1219,<br />

Fn. 1223<br />

Fn. 1173<br />

Fn. 92,Fn. 1060,<br />

Fn. 1063,<br />

Fn. 1084,<br />

Fn. 1090,<br />

Fn. 1136,<br />

Fn. 1212,<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1237<br />

Fn. 1084,<br />

Fn. 1090,<br />

Fn. 1177<br />

Fn. 822, Fn. 948<br />

Fn. 31<br />

4C.97/2006 vom<br />

6. Juni 2006<br />

4C.406/2005 vom<br />

2. August 2006<br />

4C.155/2006 vom<br />

23. Oktober2006<br />

4C.276/2006 vom<br />

25. Januar 2007<br />

4C.417/2006 vom<br />

16. März 2007<br />

4C.76/2007 vom<br />

3. Mai2007<br />

4C.69/2007 vom<br />

21. Juni2007<br />

4A_63/2007 vom<br />

6. Juli 2007<br />

4A_115/2007<br />

vom 13.Juli2007<br />

4A_207/2007<br />

vom 21.August<br />

2007<br />

4A_216/2007<br />

vom 13.September2007<br />

4A_227/2007<br />

vom 26.September2007<br />

4A_293/2007<br />

vom 15.Januar<br />

2008<br />

4A_295/2007<br />

vom 15.Januar<br />

2008<br />

Fn. 1238<br />

Fn. 446<br />

Fn. 157, Fn. 160<br />

Fn. 10<br />

Fn. 453<br />

Fn. 576<br />

Fn. 673<br />

Fn. 1114,<br />

Fn. 1203<br />

Fn. 92,Fn. 119,<br />

Fn. 1136,<br />

Fn. 1212,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1218,<br />

Fn. 1225,<br />

Fn. 1229,<br />

Fn. 1232<br />

Fn. 374<br />

Fn. 143<br />

Fn. 474<br />

Fn. 965<br />

Fn. 965


4A_441/2007<br />

vom 17.Januar<br />

2008<br />

4D_30/2008 vom<br />

26. Mai2008<br />

4A_163/2008<br />

vom 13.Juni2008<br />

2C.103/2008 vom<br />

30. Juni2008<br />

4A_498/2007<br />

vom 3. Juli 2008<br />

4A_291/2008<br />

vom 2. Dezember<br />

2008<br />

4A_495/2008<br />

vom 12.Januar<br />

2009<br />

4A_509/2008<br />

vom 3. Februar<br />

2009<br />

Fn. 260<br />

Fn. 878<br />

Fn. 989, Fn. 990<br />

Fn. 73<br />

Fn. 991, Fn. 1006<br />

Fn. 420, Fn. 577<br />

Fn. 102<br />

Fn. 1189,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1228,<br />

Fn. 1238<br />

WEITERE ENTSCHEIDE DES BUNDESGERICHTS<br />

4A_511/2008<br />

vom 3. Februar<br />

2009<br />

4A_437/2008<br />

vom 10.Februar<br />

2009<br />

4A_506/2008<br />

vom 11.Februar<br />

2009<br />

4A_474/2008<br />

vom 13.Februar<br />

2009<br />

4A_559/2008<br />

vom 12.März<br />

2009<br />

4A_28/2009 vom<br />

26. März 2009<br />

4A_453/2009<br />

vom 26.Januar<br />

2010<br />

4A_631/2009<br />

vom 17.Februar<br />

2010<br />

4A_637/2009<br />

vom 9. März 2010<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 8. Dezember1960,ZR60(1961), Nr.102, S. 232 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 10.Januar1980,JAR 1982, S. 204 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 27.Oktober 1981,SJ104 (1982), S. 229 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 12.November 1986,JAR 1987,S.307 f.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 19.November 1987,SJ110 (1988),S.562 ff.<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

Fn. 1189,<br />

Fn. 1215,<br />

Fn. 1228,<br />

Fn. 1238<br />

Fn. 187<br />

Fn. 1189<br />

Fn. 102<br />

Fn. 420<br />

Fn. 1215<br />

Fn. 846<br />

Fn. 428<br />

Fn. 1091<br />

Fn. 17<br />

Fn. 1071<br />

Fn. 177, Fn. 191<br />

Fn. 902<br />

Fn. 107<br />

335


ENTSCHEIDREGISTER<br />

Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts<br />

vom 30.Mai 1988, JAR 1989, S. 257 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 10.Juni1993, SJ 117 (1995),S.781 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 6. April 1994, JAR 1995, S. 128 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 17.November 1994,JAR 1995,S.154 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 6. Dezember1995,JAR 1997,S.124 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 17.Oktober 1996,JAR 1997,S.116 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 12.August1997, JAR 1998, S. 199 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 23.August1999, JAR 2000, S. 109 ff.<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

vom 4. Februar2000,JAR 2001, S. 135 ff.<br />

336<br />

Fn. 453<br />

Fn. 431<br />

Fn. 107<br />

Fn. 228<br />

Fn. 1192<br />

Fn. 247, Fn. 528<br />

Fn. 228<br />

Fn. 329, Fn. 332<br />

Fn. 270


WEITERE ENTSCHEIDE<br />

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts<br />

vom 24.August2009, A-76/2009<br />

KANTONALE GERICHTE<br />

Entscheid des Handelsgerichts desKantonsAargau<br />

vom 8. Juli 1920,AGVE 1920, Nr.3/4,S.127 ff.<br />

Entscheid des Gewerbegerichts Bern<br />

vom 13.September1938, in:ArbeitsrechtlichesMitteilungsblatt,<br />

VI.Jg. (1938),Heft 4, Nr.77<br />

Entscheid des Gewerbegerichts Zürich<br />

vom 6. November 1958, ZR 59 (1960), Nr.32, S. 83 ff.<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

Fn. 119<br />

Fn. 1216<br />

Fn. 305<br />

Entscheid der Chambred’appelduCanton de Genève<br />

Fn. 100<br />

vom 1. Oktober1964,in: Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 160,S.91<br />

Entscheid des Gewerbegerichts Zürich<br />

vom 19.Februar 1970, ZR 70 (1971),Nr. 48, S. 128 ff.<br />

Entscheid der Chambred’appelduCanton de Genève<br />

vom 11.März 1971, in:Aubert, quatre cents arrêts, Nr. 159,S.90<br />

Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 14.November 1977,JAR 1980,S.191 f.<br />

Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt<br />

vom6.Dezember1977,JAR 1980,S.191 f.<br />

Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 1. Februar1979,JAR 1981, S. 218 f.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 3. Juni1980,JAR 1981,S.222 f.<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesdeGenève<br />

vom 25.Juni1980, JAR 1982, S. 210 ff.<br />

Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 23.Oktober 1980,JAR 1981,S.221 f.<br />

Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 4. November 1982, JAR 1983, S. 107<br />

Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt<br />

vom13. Dezember1982, JAR1983,S.107<br />

Entscheid des Bezirksgerichts Hinwil<br />

vom3.Oktober1984,JAR 1985, S. 165 ff.<br />

Fn. 1099,Fn. 1117<br />

Fn. 578<br />

Fn. 99<br />

Fn. 578<br />

Fn. 578<br />

Fn. 286<br />

Fn. 286<br />

Fn. 109<br />

Fn. 286<br />

Fn. 580<br />

Fn. 580<br />

Fn. 122<br />

337


ENTSCHEIDREGISTER<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesdeGenève<br />

vom 12.Oktober 1984,JAR 1985,S.91ff.<br />

Entscheid des KantonsgerichtsZug<br />

vom 5. November 1984, JAR 1986, S. 88 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 18.Januar1985,JAR 1988, S. 230 ff.<br />

Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt<br />

vom20. August 1985,JAR 1987,S.173 f.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsZürich<br />

vom 14.April 1986,JAR 1987,S.301 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Bern<br />

vom 8. Juli 1986,JAR 1988,S.144 f.<br />

Entscheid des Tribunal desprud’hommesdeGenève<br />

vom 28.Juli1986, JAR 1988, S. 256 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 3. September 1986, JAR1988,S.134 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 15.Oktober 1986,JAR 1988,S.136 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Bern<br />

vom 14.Juli1987, JAR 1989, S. 106 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 2. November 1987, JAR 1990, S. 157 f.<br />

Entscheid des Bezirksgerichts Zürich<br />

vom 20.November 1987,JAR 1988,S.109 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 11.Februar 1988, JAR 1990, S. 180 ff.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsBasel-Landschaft<br />

vom 16.August1988, JAR 1990, S. 318 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 19.September1988, JAR 1990, S. 228 f.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsAppenzell Ausserrhoden<br />

vom 3. Oktober1989,JAR 1991, S. 134 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 16.Februar 1990, JAR 1991, S. 156 f.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 18.Juni1990, JAR 1991, S. 157 f.<br />

Entscheid des Appellationsgerichts desKantonsBasel-Stadt<br />

vom 8. November 1990, JAR 1993, S. 233 ff.<br />

338<br />

Fn. 458, Fn. 895<br />

Fn. 830, Fn. 939<br />

Fn. 737<br />

Fn. 716<br />

Fn. 900, Fn. 902,<br />

Fn. 904<br />

Fn. 578<br />

Fn. 775<br />

Fn. 303, Fn. 560<br />

Fn. 332<br />

Fn. 292, Fn. 310;<br />

Fn. 332<br />

Fn. 1200,Fn. 1205,<br />

Fn. 1215<br />

Fn. 332<br />

Fn. 737<br />

Fn. 109<br />

Fn. 72<br />

Fn. 1205<br />

Fn. 737<br />

Fn. 720<br />

Fn. 109


Entscheid des Obergerichts desKantonsSolothurn<br />

vom 22.Februar 1991, SOG1991, Nr.7,S.18ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 27.März 1992, JAR1993,S.203 ff.<br />

Entscheid des Tribunale d’appello delCantone delTicino<br />

vom 5. Oktober1992,JAR 1993, S. 115 f.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsBasel-Landschaft<br />

vom 15.März 1994, JAR1995,S.107 ff.<br />

Entscheid des Tribunale d’appello delCantone Ticino<br />

vom 25.April 1994,JAR 1995,S.233 f.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts derStadtBern<br />

vom 7. Juni1994,JAR 1997,S.100 ff.<br />

Entscheid des Tribunal Cantonal du Valais<br />

vom 25.Januar1995,JAR 1996, S. 166 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 27.Januar1995,ZR97(1998), Nr.61, S. 171 f.<br />

Entscheid des Tribunal Cantonal du Canton de Neuchâtel<br />

vom 20.April 1995,JAR 1996,S.108 ff.<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesdeGenève<br />

vom 3. Juli 1996,JAR 1997,S.97ff.<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesdeGenève<br />

vom 13.Mai 1997, JAR 1998, S. 148 f.<br />

Entscheid des Tribunal cantonaldel’État de Fribourg<br />

vom 24.Juni1997, JAR 1998, S. 119 ff.<br />

Entscheid der Chambred'appeldes prud'hommesdeGenève<br />

vom 3. November 1997, JAR 1998, S. 174 ff.<br />

Entscheid des Zivilgerichts Kanton Basel-Stadt<br />

vom 8. Dezember1997,BJM 1998, S. 271 ff.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsLuzern<br />

vom 17.April 1998,JAR 1999,S.156 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 5. Mai1998,ZR99(2000), Nr.74, S. 200<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsLuzern<br />

vom 8. Juni1998,JAR 1999,S.346 ff.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsBasel-Landschaft<br />

vom 27.Oktober 1998,JAR 1999,S.161 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 23.Dezember1998, JAR1999,S.137 f.<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

Fn. 885<br />

Fn. 223<br />

Fn. 992<br />

Fn. 1100<br />

Fn. 904<br />

Fn. 306, Fn. 332<br />

Fn. 431<br />

Fn. 830, Fn. 836,<br />

Fn. 856, Fn. 939<br />

Fn. 142<br />

Fn. 332<br />

Fn. 1198<br />

Fn. 431<br />

Fn. 107<br />

Fn. 122<br />

Fn. 1189<br />

Fn. 1071<br />

Fn. 896, Fn. 898<br />

Fn. 577<br />

Fn. 431<br />

339


ENTSCHEIDREGISTER<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesduCantonde<br />

Genève vom 16. März 2000,JAR 2001,S.147 ff.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsBasel-Landschaft<br />

vom 11.September2000, JAR 2001, S. 186 f.<br />

Entscheid des Tribunale d’appello delcantoneTicino<br />

vom 1. Dezember2000,JAR 2001,S.188 ff.<br />

Entscheid der Chambred'appeldes prud'hommesduCantonde<br />

Genève vom 5. Dezember2000, JAR 2001, S. 206 f.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 26.Februar 2001, ZR 101 (2002),Nr. 63,S.226 ff.<br />

Entscheid des Handelsgerichts desKantonsZürich<br />

vom 14.Juni2001, ZR 102 (2003), Nr.9,S.33ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 2. Juli 2001,ZR101 (2002), Nr.64, S. 228<br />

340<br />

Fn. 30<br />

Fn. 699<br />

Fn. 248, Fn. 515,<br />

Fn. 890, Fn. 1037<br />

Fn. 1215<br />

Fn. 1205<br />

Fn. 1186<br />

Fn. 681<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

Fn. 577<br />

vom 8. Oktober2001,Entscheide desArbeitsgerichtes Zürich 2001,<br />

Nr. 1, S. 1<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsLuzern<br />

vom 23.April 2002,JAR 2003,S.188 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

von19. Dezember2002, JAR2003,S.369 ff.<br />

Entscheid des KantonsgerichtsBasel-Landschaft<br />

vom 6. Mai2003,JAR 2004,S.409 f.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsLuzern<br />

vom 21.Juli2003, JAR 2004, S. 523 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 3. März 2004, ARV 2004, S. 170 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 2. April 2004, Entscheidedes Arbeitsgerichtes Zürich 2004,<br />

Nr. 7, S. 11 f.<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesduCantonde<br />

Genève vom 17. Mai2004,JAR 2005,S.370 ff.<br />

Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt<br />

vom 19.August2004, JAR 2005, S. 327 ff.<br />

Entscheid der Chambred’appeldes prud’hommesduCantonde<br />

Genève vom 25. Mai2005,JAR 2006,S.441 ff.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsAargau<br />

vom 6. Juni2005,AGVE2005,S.29ff.<br />

Fn. 956, Fn. 964<br />

Fn. 989<br />

Fn. 742<br />

Fn. 882, Fn. 885,<br />

Fn. 886<br />

Fn. 268, Fn. 332<br />

Fn. 1215<br />

Fn. 286<br />

Fn. 887<br />

Fn. 877, Fn. 895,<br />

Fn. 1040<br />

Fn. 895, Fn. 901,<br />

Fn. 907, Fn. 1040


Entscheid des Kantonsgerichtsvon Graubünden<br />

vom 20.Juni2005, JAR 2006, S. 475 ff.<br />

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich<br />

vom 11.Juni2008, Entscheidedes Arbeitsgerichtes Zürich 2008,<br />

Nr. 1, S. 5f.<br />

Entscheid des Obergerichts desKantonsZürich<br />

vom 13.Januar2010,ZR110 (2011),Nr. 10, S. 15 ff.<br />

ENTSCHEIDREGISTER<br />

Fn. 577, Fn. 913,<br />

Fn. 915<br />

Fn. 303, Fn. 560<br />

Fn. 895<br />

341


Sachregister<br />

DieVerweise erfolgen auf Randziffern, sofern nichtandersvermerkt.<br />

Hauptf<strong>und</strong>stellen sind fett hervorgehoben.<br />

Abrechnung (<strong>Lohn</strong>-) 255,273,<br />

284, 412,<br />

431, 500,<br />

577 ff.<br />

Abschlussprovision 529 ff.,<br />

541, 554,<br />

575<br />

Abtretung (-sverbot) 96<br />

Anteil am Geschäftsergebnis<br />

73, 82,<br />

323, 415,<br />

423,<br />

455 ff.<br />

− Berechnung des 489 ff.<br />

− Informations-<strong>und</strong><br />

Einsichtsrechte<br />

496 ff.<br />

− Kategorien des 463 ff.<br />

Anteil am Gewinn 463 ff.<br />

Anteil am Umsatz 474 ff.<br />

Akkord<br />

− Geld- 345<br />

− Stück- 345 f.<br />

− Zeit- 346<br />

Akkordlohn 322 f.,<br />

342 ff.,<br />

450 ff.,<br />

526<br />

Akonto,Akontozahlung 493 ff.,<br />

517, 519,<br />

580<br />

Aktie(n) 404,445,<br />

449, 623,<br />

650, 655,<br />

715,<br />

Fn. 451,<br />

Fn. 737<br />

Aktienoptionen 404,445,<br />

449, 715,<br />

Fn. 451,<br />

Fn. 737<br />

Akzessorietät 56,<br />

707 ff.,<br />

714 ff.<br />

Arbeitgeber 15 ff.<br />

Arbeitnehmer 12ff.<br />

Arbeitspflicht, persönliche 12 ff.,33<br />

Arbeitsverhältnis<br />

− Begriff 18 ff., 29<br />

ff.,81ff.<br />

− öffentlich-rechtliches 26 f., 285,<br />

290, 294,<br />

305<br />

− Phasen des 43 ff.<br />

Arbeitsvertrag (-verträge)<br />

− Abschluss nach<br />

Art. 320 Abs.2OR<br />

− Abschluss nach OR<br />

AT<br />

117 ff.<br />

110 ff.<br />

343


SACHREGISTER<br />

344<br />

− befristete(r) 57, 65,<br />

70, 75,<br />

298, 333,<br />

341,<br />

Fn. 142<br />

− Begriff 25 ff.,<br />

81 ff.<br />

− Legaldefinition 7ff.<br />

− sukzessive 74 ff.<br />

Basislohn (= Fixlohn) 307, 459,<br />

519, 568,<br />

585, 681,<br />

707 f.,<br />

716, 719<br />

Bedingung(en) 263 f.,<br />

312, 431,<br />

488, 519,<br />

546, 558,<br />

567, 599,<br />

629, 632,<br />

660,<br />

676 ff.,<br />

700<br />

− Anspruchs- 546, 677<br />

− Arbeits- 318 ff.,<br />

Fn. 233<br />

− Neben- 599<br />

− Rahmen- 599<br />

− Vorzugs- 543<br />

Bezirksprovision 532 f.<br />

Bonus 628 ff.,<br />

715, 718<br />

Chance 270 f.,<br />

276, 384,<br />

562<br />

Chancen <strong>und</strong>Risiken 369,375,<br />

385, 389,<br />

408<br />

clausula rebus sic stantibus 447<br />

culpaincontrahendo 51 f.<br />

Dienstleistungsverträge 27<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung 317<br />

Dissens 128 ff.,<br />

549<br />

Eingliederungstheorie 21, 32 f.,<br />

35 ff.<br />

Einkommen<br />

(Arbeits-, Gesamt-)<br />

285, 289,<br />

293, 428,<br />

709, 721<br />

Einsichtsrecht(e) 496 ff.,<br />

581<br />

Entgegennahmeder Arbeitsleistung<br />

144 ff.,<br />

217 f.,<br />

224<br />

Erfolgslohn 352 ff.,<br />

458 f.,<br />

526, 629<br />

Erfüllungsphase 57 ff.,68,<br />

561, 578<br />

Ermessen (billiges) 116, 265,<br />

311, 629,<br />

640, 648,<br />

663,<br />

669 ff.,<br />

682 f.,<br />

702 ff.<br />

Erwerbsmöglichkeit<br />

(= Verdienstmöglichkeit)<br />

270 ff.<br />

Fälligkeit 259, 267,<br />

335, 363,<br />

368, 385,<br />

441, 492,<br />

552, 599,<br />

601, 636,<br />

666, 675,<br />

677, 684,<br />

704, 706,<br />

Fn. 1141<br />

− derechten<br />

Gratifikation<br />

656 ff.


− derProvision 415,<br />

577 ff.<br />

− derunechten<br />

Gratifikation<br />

− desAnteils am<br />

Geschäftsergebnis<br />

671, 674<br />

415,<br />

465 ff.<br />

− desGeldlohns 412 ff.<br />

− desNaturallohns 416 ff.<br />

Ferien 22, 62,<br />

66, 69,<br />

105, 246,<br />

287, 339,<br />

393, 422,<br />

535<br />

Fiktion(en) 194,<br />

205 ff.,<br />

226<br />

Fixlohn (= Basislohn) 307, 459,<br />

519, 568,<br />

585, 681,<br />

707 f.,<br />

716, 719<br />

Freiwilligkeitsvorbehalt 684 ff.,<br />

692 ff.,<br />

718<br />

Freizeit 22, 62,<br />

68, 246,<br />

338,<br />

Fn. 423,<br />

Fn. 576<br />

Fremdwährung 359,<br />

382 ff.<br />

FringeBenefits 258<br />

Geld (<strong>im</strong> Allgemeinen) 355<br />

− Kaufkraft von 355,<br />

358 ff.,<br />

368 ff.<br />

− Währung 377 ff.<br />

SACHREGISTER<br />

− Zeitwert von 355, 358,<br />

361 ff.,<br />

368, 371,<br />

383<br />

Geldlohn 355 ff.<br />

Genussschein 650, 655<br />

Gemeinschaftsverhältnis,<br />

personenrechtliches<br />

21, 32 ff.,<br />

83<br />

Gesamtvergütung 58, 307 f.,<br />

410, 446,<br />

455, 460,<br />

515, 598,<br />

600, 681,<br />

707 ff.,<br />

715, 718,<br />

721<br />

Gratifikation 587 ff.<br />

− Anlass der<br />

Ausrichtung<br />

614 ff.<br />

− Begriff 592 ff.<br />

− echte (freiwillige) 638 ff.<br />

− Tatbestandselemente<br />

595 ff.<br />

− Umwandlung 684 ff.<br />

− unechte (vereinbarte) 661 ff.<br />

Günstigkeitsprinzip 104<br />

Hauptleistung(en)/Hauptleistungspflicht(en)<br />

64, 66,<br />

243 ff.,<br />

280, 298,<br />

303, 330,<br />

362 ff.,<br />

608 ff.<br />

Informationsrecht(e) 496 ff.,<br />

581<br />

Kaufkraft 355,<br />

358 ff.,<br />

368 ff.<br />

Kaution 495<br />

Kettenarbeitsvertrag 76<br />

345


SACHREGISTER<br />

Konkurrenzverbot 22, 72<br />

Konkurs 562 ff.<br />

Konkursdividende 562 f.<br />

Konsens 123,128,<br />

139, 142,<br />

171, 215,<br />

222, 224,<br />

230,<br />

Fn. 277<br />

Konzern 17, 61,<br />

74, 377,<br />

404, 473,<br />

478, 650,<br />

655<br />

Kosten<br />

346<br />

− <strong>im</strong> Allgemeinen 55, 184,<br />

249, 294,<br />

409, 411,<br />

487, 562,<br />

573 f.<br />

− Betriebs- 295<br />

− Dritt- 573 f.<br />

− Fremdkapital- 471<br />

− fürStellenbewerbung<br />

45 f.<br />

− Gemein- 547<br />

− Gerichts-, Prozessbzw.<br />

Verfahrens-<br />

514, 564<br />

− Lebenshaltungs- 279, 410<br />

− Opportunitäts- 297<br />

− Selbst- 439<br />

− Transaktions- 406 f.<br />

− versunkene 249<br />

− Vollstreckungs- 564<br />

Kündigung (Änderungs-) 58, 61,<br />

65 ff.,<br />

79 f, 91,<br />

97, 102,<br />

107, 234,<br />

341, 447,<br />

659<br />

Kündigung, missbräuchliche<br />

102, 107<br />

Kündigungsfrist(en) 23, 65 ff.,<br />

102, 335,<br />

659<br />

Leistungslohn 352 ff.,<br />

450, 458,<br />

486, 526<br />

<strong>Lohn</strong><br />

− Begriff, arbeitsrechtlich<br />

− Begriff, <strong>im</strong> Sozialversicherungsrecht<br />

− Begriff, <strong>im</strong> Steuerrecht<br />

237 ff.<br />

287 ff.<br />

289 ff.<br />

− Begriff, ökonomisch 294 ff.<br />

− gleicher <strong>Lohn</strong> für<br />

Mann <strong>und</strong>Frau<br />

<strong>Lohn</strong>berechnungsmechanismus/-men<br />

317<br />

322 ff.,<br />

342, 455,<br />

Fn. 423<br />

<strong>Lohn</strong>bestandteil(e) 430,601,<br />

624, 631,<br />

679, 683,<br />

687, 700,<br />

701 ff.<br />

<strong>Lohn</strong>höhe 4,116,<br />

133, 165,<br />

170,<br />

307 ff.,<br />

352, 427<br />

<strong>Lohn</strong>kategorien 249, 308,<br />

322 ff.


<strong>Lohn</strong>rückbehalt 397,495<br />

<strong>Lohn</strong>sicherung 277,303,<br />

397,<br />

426 ff.<br />

<strong>Lohn</strong>st<strong>und</strong>ung 441<br />

<strong>Lohn</strong>zahlungsmittel 239, 261,<br />

299, 308,<br />

324, 327,<br />

355 ff.,<br />

440, 490<br />

Naturallohn 69, 263,<br />

272,<br />

399 ff.,<br />

416 ff.,<br />

430, 438,<br />

445 ff.,<br />

491, 576<br />

Neben(leistungs)pflicht(en) 22, 39,<br />

248<br />

Nennwertprinzip 363 ff.,<br />

375,<br />

384 f.<br />

Mindestlohn 312 ff.,<br />

427<br />

Mutterschaftsurlaub 62, 393<br />

Obligation 243,<br />

301 f.<br />

Paritätslohn (-vorschriften) 316 ff.<br />

partiarische <strong>Lohn</strong>abrede 459, 518<br />

Partizipationsschein 650, 655<br />

«perte d’unechance» Fn. 474<br />

Pfändung/pfänden/<br />

pfändbare Quote<br />

Pfändungsverbot 96<br />

96,283,<br />

429,<br />

432 ff.,<br />

442, 568<br />

Potestativbedingung 264,678<br />

SACHREGISTER<br />

Prämie 278, 419,<br />

486, 503,<br />

573<br />

«principal-agent»-Theorie 300<br />

Privatautonomie 286,<br />

309 ff.,<br />

719<br />

Provision 69, 73,<br />

82, 287,<br />

290, 323,<br />

351, 415,<br />

420, 423,<br />

480, 511,<br />

521 ff.<br />

− Abrechnung 581<br />

− Anspruch 479, 526,<br />

528,<br />

534 ff.,<br />

576 ff.<br />

− Basis 511,<br />

563 f.,<br />

573 ff.<br />

− Begriff 524<br />

− Berechnung 570 ff.<br />

− Fälligkeit 415,<br />

577 ff.<br />

− Gewinn- 571<br />

− Kategorien 529 ff.<br />

− Satz 513, 571<br />

− Stück- 571<br />

− Tabelle 571<br />

− Umsatz- 571<br />

− Wegfall, nachträglicher<br />

557 ff.<br />

Prozentlohn 322 ff.,<br />

350 f.<br />

Rayonprovision 532 f.<br />

347


SACHREGISTER<br />

Risiko 157,263,<br />

452<br />

348<br />

− Betriebs-, Wirtschafts-,Unternehmens-,<br />

Geschäfts-<br />

− Doppelzahlungs- 274<br />

263, 375,<br />

459, 483,<br />

507, 514,<br />

518, 559,<br />

564,<br />

573 f.,<br />

Fn. 142<br />

− Drittparteien- 480, 559<br />

− Klumpen- 444<br />

− Solvenz- 459, 484,<br />

Fn. 782<br />

− Verlust- 445<br />

Risikosphäre 40, 539<br />

Schutzbedürfnis(se) 102, 125,<br />

719<br />

«Shareholder-Value» 300<br />

Sondervergütung 58, 595,<br />

604 ff.,<br />

625, 636,<br />

644, 649,<br />

663, 680,<br />

702 ff.,<br />

719<br />

Sondervergütung mit<br />

<strong>Lohn</strong>charakter<br />

637, 660,<br />

675 ff.<br />

Schenkung 592 f.,<br />

610, 625,<br />

684, 703<br />

«Stakeholder-Value» 300<br />

Stellenantritt 35, 37,<br />

42, 48 ff.<br />

St<strong>und</strong>ung 441<br />

Submission/Submissionsgesetzgebung<br />

321<br />

Tantieme 290,463,<br />

472<br />

Teilzeit (-arbeit/arbeitsverhältnis)<br />

teilzwingendeBest<strong>im</strong>mungen<br />

75, 237,<br />

333<br />

84 ff.<br />

Truckverbot 407,<br />

436 ff.<br />

Überst<strong>und</strong>en 66, 332,<br />

334, 337,<br />

646, 681<br />

Überzeit 66, 332,<br />

334, 337,<br />

646<br />

Übung, betriebliche 14, 134,<br />

155, 372,<br />

378, 392,<br />

394 f.,<br />

399,<br />

413 f.,<br />

453, 468,<br />

504, 574,<br />

582, 584,<br />

632, 673,<br />

Fn. 1093<br />

Umsatz 351, 413,<br />

455, 462,<br />

474 ff.,<br />

487 f.,<br />

490,<br />

502 f.,<br />

516, 533,<br />

571 f.,<br />

583<br />

Urlaub, unbezahlter 63 f.<br />

Urlaub für Jugendarbeit 62<br />

Verdienstmöglichkeit<br />

(= Erwerbsmöglichkeit)<br />

270 ff.<br />

Verlustbeteiligung 515 ff.<br />

Vermittlungsprovision 544, 554,<br />

575


Vermutung(en) 84,<br />

193 ff.,<br />

196 ff.,<br />

220 ff.,<br />

388, 584,<br />

641 ff.,<br />

664 ff.<br />

Verrechnung/verrechnen 283, 341,<br />

428,<br />

429 ff.,<br />

442, 444,<br />

468<br />

Verträgeauf Arbeitsleistung<br />

27<br />

Vertragsfreiheit 49, 89,<br />

126, 153,<br />

169, 232,<br />

309 ff.,<br />

489, 506,<br />

508, 570,<br />

586, 675,<br />

718 f.<br />

Vertragsverhandlung(en) 44 ff.,<br />

48 ff., 311<br />

Vertrauensprinzip 129, 135,<br />

137, 216,<br />

482, 643,<br />

676,<br />

688 ff.,<br />

701<br />

Verwaltungsrat 148, 463,<br />

472<br />

Verwirkung 102<br />

Verzugszins 364, 658,<br />

Fn. 1138<br />

Währung 356,359,<br />

377 ff.,<br />

412<br />

«windfall profit» 564<br />

Zeitlohn 322 ff.,<br />

328 ff.,<br />

343, 451,<br />

SACHREGISTER<br />

458, 544<br />

Zeitwert (von Geld) 355,358,<br />

361 ff.,<br />

368, 371,<br />

383<br />

Zins 362, 435,<br />

471,<br />

Fn. 448,<br />

Fn. 610,<br />

Fn. 614,<br />

Fn. 621<br />

Zinssatz, kalkulatorischer 366<br />

Zinssatz, risikoloser 361, 367<br />

zwingendeBest<strong>im</strong>mungen<br />

(teil- oderhalb-)<br />

84 ff.<br />

349


LEBENSLAUF<br />

Am 7. Dezember 1971 wurde ich in Clarksville, TN/USA, geboren. Im Sommer 1992<br />

legte ich die Maturitätsprüfungen ab(Kantonsschule Baden, Matura Typus B). Vor<br />

<strong>und</strong> während des Studiums der Rechtswissenschaft an der Universität Lausanne (Austauschsemester<br />

1998/1999) <strong>und</strong> der Universität St. Gallen (Oktober 1996 –Oktober<br />

2000; lic. iur. HSG; Walter R. Schluep-Preis 2001) war ich als Flight Attendant tätig.<br />

Diese Ausbildung schloss ich mit Berufsprüfung ab (Cabin Crew Member mit eidgenössischem<br />

Fachausweis, Dezember 1995). Nach einem Auditoriat am Versicherungsgericht<br />

St. Gallen (2000/2001) <strong>und</strong> einemPraktikum in einer Zürcher Wirtschaftskanzlei<br />

(2001/2002) erhielt ich <strong>im</strong> Dezember 2002 das Anwaltspatent des Kantons<br />

St.Gallen. Ander University of Chicago erwarb ich einen Master of Laws (LL.M.,<br />

2004) <strong>und</strong> legte anschliessend die Anwaltsprüfung <strong>im</strong>Staat New York ab. 2010/2011<br />

absolvierte ich den Lehrgang zum Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Seit Ende 2002 bin<br />

ich als Rechtsanwalt in einer ZürcherWirtschaftskanzleitätig.

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