10.10.2013 Aufrufe

BDKJ Mainz und Wahlen - Bistum Mainz

BDKJ Mainz und Wahlen - Bistum Mainz

BDKJ Mainz und Wahlen - Bistum Mainz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

06<br />

BRENNPUNKT<br />

„Das Wahlrecht ist eine der<br />

tragenden Säulen der Demokratie<br />

<strong>und</strong> soll sicherstellen, dass die<br />

Volkssouveränität gewahrt bleibt.“<br />

>> kommen, in der Regel Großgr<strong>und</strong>-<br />

besitzer <strong>und</strong> Adelige, der zweiten Klasse<br />

Bürger mit mittlerem Steueraufkommen,<br />

meist Kaufleute, <strong>und</strong> alle „übrigen“<br />

gehören der dritten Klasse an, immerhin<br />

sind das ca. 83 Prozent der Wähler. Jede<br />

Klasse bestimmt ein Drittel der Wahl-<br />

männer in öffentlicher <strong>und</strong> mündlicher<br />

Wahl. Die Wahlmänner wiederum wählen<br />

die Abgeordneten gemeinsam <strong>und</strong> wiederum<br />

öffentlich. Dank dieses Systems hat die<br />

Stimme eines Wählers der ersten Klasse<br />

ungefähr das 17,5 fache Gewicht der Stimme<br />

eines Wählers der dritten Klasse.<br />

Deutsches Reich wird 1871 ausgerufen<br />

Nach dem Sieg über die französische<br />

Armee 1871 wird das Deutsche Reich<br />

ausgerufen <strong>und</strong> der preußische König<br />

zum deutschen Kaiser proklamiert. Die<br />

Verfassung des Norddeutschen B<strong>und</strong>es<br />

wird ohne substantielle Änderungen<br />

auf das neue Reich übertragen. Damit<br />

gilt auch hier ein allgemeines, gleiches,<br />

geheimes <strong>und</strong> direktes Wahlrecht nach<br />

dem Mehrheitswahlsystem.<br />

Fast alle deutschen Männer über 25<br />

Jahre besitzen nun das aktive <strong>und</strong> das<br />

passive Wahlrecht. Die Tücke liegt dabei<br />

wie so oft im Detail: Davon ausgehend,<br />

dass 1871 noch 34% der deutschen Gesamtbevölkerung<br />

jünger als 15 Jahre alt<br />

sind (zum Vergleich: 1933 24%, B<strong>und</strong>esrepublik<br />

1980 18%) ist damit faktisch ein<br />

Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen,<br />

denn auch Frauen bleiben weiterhin ausgeschlossen.<br />

Die Niederlage Deutschlands im ersten<br />

Weltkrieg ist Ende 1918 unübersehbar. Im<br />

November 1918 übergibt der amtierende<br />

Reichskanzler Prinz Max von Baden die<br />

Regierungsgeschäfte an den Vorsitzenden<br />

der SPD, Friedrich Ebert. Gleichzeitig<br />

dankt der Kaiser ab. Ebert bildet daraufhin<br />

einen Rat der Volksbeauftragten, der<br />

paritätisch mit je drei Mitgliedern von<br />

SPD <strong>und</strong> USPD besetzt ist. Ende November<br />

1918 beschließt der Rat der Volksbeauftragten,<br />

eine verfassungsgebende<br />

Nationalversammlung wählen zu lassen.<br />

Am 20. Dezember bestätigt eine Mehrheit<br />

auf der Reichskonferenz der Arbeiter- <strong>und</strong><br />

Soldatenräte diesen Beschluss. Alle Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger über 20 Jahren erhalten<br />

das aktive <strong>und</strong> passive Wahlrecht,<br />

erstmals auch Frauen. Am 19. Januar 1919<br />

finden dann allgemeine, gleiche, geheime<br />

<strong>und</strong> direkte <strong>Wahlen</strong> zur Nationalversammlung<br />

statt.<br />

Dreistufiges Verhältniswahlsystem<br />

Die von der Nationalversammlung beschlossene<br />

Reichsverfassung ersetzt das<br />

bis dahin gültige Mehrheitswahlrecht. Das<br />

jetzt eingeführte Verhältniswahlsystem<br />

ist dreistufig aufgebaut. Für jeweils 60.000<br />

Stimmen, die in einem der 35 Wahlkreise<br />

gewonnen werden, erhält eine Partei einen<br />

Parlamentssitz. Die Reststimmen werden<br />

nun im Wahlkreisverband – bestehend<br />

aus mehreren Wahlkreisen – gesammelt.<br />

Für jeweils 60.000 Reststimmen im Wahlkreisverband<br />

erhält eine Partei einen<br />

weiteren Parlamentssitz. Die danach<br />

verbleibenden Reststimmen werden auf<br />

Reichsebene erneut gesammelt <strong>und</strong> nach<br />

demselben Schlüssel in Sitze umgesetzt.<br />

In der letzten Verteilungsstufe werden allerdings<br />

nur die Parteien berücksichtigt,<br />

die im gesamten Reichsgebiet angetreten<br />

sind <strong>und</strong> bereits in den ersten beiden Stufen<br />

mindestens ein Mandat erzielt haben.<br />

Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident<br />

Hindenburg Adolf Hitler zum<br />

Reichskanzler. Erstmals sind damit die<br />

Nationalsozialisten an der Reichsregierung<br />

beteiligt. Bereits am 1. Februar<br />

werden der Reichstag aufgelöst <strong>und</strong> Neuwahlen<br />

für den 5. März angesetzt. Dieser<br />

neu gewählte Reichstag entmachtet sich<br />

durch die Verabschiedung des von den<br />

Nationalsozialisten vorgelegten sogenannten<br />

Ermächtigungsgesetzes selbst<br />

<strong>und</strong> erlaubt damit Reichskanzler Hitler<br />

<strong>und</strong> der Reichsregierung, für eine Dauer<br />

von vier Jahren Gesetze, darunter auch<br />

verfassungsändernde, ohne Beteiligung<br />

des Reichstages oder Reichsrates zu erlassen.<br />

Bei der Abstimmung werden die<br />

Abgeordneten der KPD schon nicht mehr<br />

zugelassen. Gegen die Stimmen der SPD<br />

stimmt der Reichstag diesem Gesetz am<br />

23. März 1933 zu. Damit hat der Reichstag<br />

politisch keine Bedeutung mehr.<br />

Die Entwicklung nach dem Ende des<br />

2. Weltkrieges ist dann erst einmal eine<br />

zweistaatliche. 1947 initiiert die SED einen<br />

„Volkskongress für Einheit <strong>und</strong> gerechten<br />

Frieden“, der scheinbar eine Verfassung<br />

für ganz Deutschland ausarbeiten soll.<br />

Im März 1948 wählt der zweite Volks-<br />

kongress als ständiges Organ den Deut-<br />

02.2013 I UWe<br />

Foto Hessischer Landtag / Kanzlei<br />

schen Volksrat. 25% seiner Mitglieder<br />

stammen dabei aus den Westzonen. Die<br />

von ihm erarbeitete Verfassung wird am<br />

19. März 1949 einstimmig verabschiedet.<br />

Am 15. <strong>und</strong> 16. Mai 1949 finden die <strong>Wahlen</strong><br />

zum dritten Deutschen Volkskongress<br />

in der sowjetischen Besatzungszone statt,<br />

allerdings nach Einheitslisten. Am 7. Oktober<br />

1949 ratifiziert der 2. Deutsche Volksrat<br />

die Verfassung der DDR <strong>und</strong> erklärte<br />

sich zur provisorischen Volkskammer. Die<br />

Deutsche Demokratische Republik ist gegründet.<br />

Erarbeitung eines Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

Der Neubeginn in Westdeutschland wird<br />

wesentlich durch die West-Alliierten bestimmt.<br />

Gewählt von den Landtagen von<br />

11 westdeutschen Ländern tritt am<br />

1. September 1948 der Parlamentarische<br />

Rat zu seiner konstituierenden Sitzung in<br />

Bonn zusammen. Seine Aufgabe ist es,<br />

ein Gr<strong>und</strong>gesetz zu erarbeiten, welches<br />

schließlich auch am 8. Mai 1949 mit einer<br />

Mehrheit von 53 zu 12 Stimmen beschlossen<br />

wird. Nach Genehmigung des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

durch die Militärgouverneure<br />

<strong>und</strong> der Zustimmung durch die Mehrheit<br />

UWe I 02.2013<br />

der Landtage, wird dieses neue Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

dann am 23. Mai 1949 verkündet: Dies<br />

ist die Geburtsst<strong>und</strong>e der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. Im Gr<strong>und</strong>gesetz wird das<br />

allgemeine, freie, gleiche, geheime <strong>und</strong><br />

unmittelbare Wahlrecht verankert. Das<br />

aktive Wahlrecht (also das Recht zu wählen)<br />

haben damit nun Wahlberechtigte ab dem<br />

21. Lebensjahr, das passive (das Recht,<br />

gewählt zu werden) ab dem 25. Lebensjahr.<br />

Einigung auf ein B<strong>und</strong>eswahlgesetz<br />

Auf eine verfassungsrechtliche Fest-<br />

legung des Wahlsystems kann sich der parlamentarische<br />

Rat nicht verständigen. Man<br />

einigt sich schließlich auf ein B<strong>und</strong>eswahlgesetz,<br />

das nur für die erste B<strong>und</strong>estagswahl<br />

am 14. August 1949 Bestand haben<br />

soll. Das bei dieser Wahl verwendete System<br />

entspricht im Wesentlichen dem Heutigen.<br />

Allerdings hat damals jeder Wähler<br />

bzw. jede Wählerin nur eine Stimme.<br />

Mit dieser wählt er bzw. sie sowohl einen<br />

Kandidaten bzw. eine Kandidatin aus seinem<br />

bzw. ihrem Wahlkreis als auch die<br />

Landesliste einer Partei. Wie viele Sitze<br />

einer Partei über eine Landesliste zuste-<br />

BRENNPUNKT<br />

Hessischer Landtag Kinder informieren sich über Politik vor Ort im Hessischen Landtag<br />

hen, errechnet sich dabei aus der Anzahl<br />

ihrer Stimmen in den Wahlkreisen des<br />

betreffenden Landes.<br />

Umstellung auf personalisierte Verhältniswahl<br />

07<br />

Zur zweiten B<strong>und</strong>estagswahl wird das<br />

Wahlverfahren dann auf unser heutiges<br />

System der personalisierten Verhältniswahl<br />

mit Erst- <strong>und</strong> Zweitstimme umgestellt.<br />

Zudem muss eine Partei die in den<br />

B<strong>und</strong>estag einziehen will, die 5-Prozent-<br />

Hürde b<strong>und</strong>esweit überspringen. Seit der<br />

B<strong>und</strong>estagswahl 1972 dürfen nun auch<br />

die 18- bis 21-Jährigen wählen. Allerdings<br />

erhalten sie zunächst nur das aktive<br />

Wahlrecht. Dies wird im Allgemeinen<br />

damit begründet, dass die juristische Voll-<br />

jährigkeit zu dieser Zeit erst mit 21 Jahren<br />

errecht ist <strong>und</strong> das passive Wahlrecht an<br />

ebendiese gekoppelt sei. 1975 wird dann<br />

die Volljährigkeit auf 18 Jahre gesenkt.<br />

Die B<strong>und</strong>estagswahl 1976 ist damit die<br />

erste, bei der 18-Jährige das aktive <strong>und</strong><br />

das passive Wahlrecht besitzen. II

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!