Martin Ott: Der Darbysmus - bruederbewegung.de
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MARTIN OTT: DER DARBYSMUS 10<br />
nur, wenn einer in <strong>de</strong>r Versammlung öfters sprechen will. Die Schriftauslegung <strong>de</strong>r »Lehrbrü<strong>de</strong>r«<br />
ist authentisch und die Versammlung hat sie ohne Prüfung anzunehmen. Also<br />
auch in dieser Versammlung »wahrer Christen« geht es sehr menschlich zu.<br />
Eine Kritik dieser darbystischen Anschauungen legt sich von selbst nahe. Ihren psychologischen<br />
Ausgangspunkt hat sie in <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r«, daß ein gewaltiger<br />
Wi<strong>de</strong>rspruch besteht zwischen <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>alen Begriff <strong>de</strong>r Kirche im N. T. und <strong>de</strong>m tatsächlichen<br />
Zustand <strong>de</strong>s damaligen anglikanischen Kirchentums mit seinem weltförmigen,<br />
politisch interessierten Klerus und <strong>de</strong>n vielfach entkirchlichten Massen. Ihre scharfe Form<br />
bei Darby hat ihren Grund in in [sic] <strong>de</strong>r Maßlosigkeit seines Urteils, in seinem gänzlichen<br />
Mangel an Verständnis für an<strong>de</strong>re Ansichten und seinem mangelhaften historischen Sinn.<br />
Daß das Christentum im Sinne <strong>de</strong>r zweiten Bitte <strong>de</strong>s Vaterunsers (Darby hält diese Bitte<br />
für unterchristlich) eine geschichtliche [393] Aufgabe in <strong>de</strong>r Welt, eine Weltmission habe,<br />
dafür hat er kein Verständnis; er weiß nur von <strong>de</strong>r Rettung und Sammlung einzelner Gläubigen<br />
aus <strong>de</strong>r übrigen verlorenen Masse. Daß <strong>de</strong>r hl. Geist seine Gaben austeilt, wie er<br />
will und an wen er will, und daß in <strong>de</strong>r Kirche aller Jahrhun<strong>de</strong>rte und in allen Denominationen<br />
doch immer ein gewisses Maß <strong>de</strong>s hl. Geistes vorhan<strong>de</strong>n ist, daß die katholische,<br />
die lutherische, die reformierte Kirche, daß Baptisten und Methodisten einen göttlichen<br />
Beruf in <strong>de</strong>r Reichsgottesgeschichte haben, dafür hat er keinen Sinn. <strong>Der</strong> hl. Geist ist nur<br />
in <strong>de</strong>r Versammlung. Wenn Darby von <strong>de</strong>m neutestamentlichen Begriff <strong>de</strong>r Kirche ausgeht,<br />
so verfällt er in <strong>de</strong>n fehlerhaften I<strong>de</strong>alismus, daß er das I<strong>de</strong>al verwirklicht sehen will<br />
in dieser Welt und Zeit; er entwirft nach <strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m oft sehr willkürlich erklärten Stellen<br />
ein Bild von <strong>de</strong>r Kirche a priori und vergleicht dieses mit <strong>de</strong>r wirklichen Kirche. Bei<strong>de</strong><br />
stimmen aber nun keineswegs überein. Statt sich nun zu sagen, so wenig ein Paulus für<br />
seine Person das I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Vollkommenheit erreichen konnte (Phil. 3, 12 f.) so wenig kann<br />
die Kirche in dieser Welt ihr I<strong>de</strong>al erreichen, bricht er von vornherein <strong>de</strong>n Stab über die<br />
bestehen<strong>de</strong>n Kirchen; statt daran zu arbeiten, daß die Kirche ihrem I<strong>de</strong>al immer näher<br />
komme, kehrt er ihr <strong>de</strong>n Rücken. In einseitigem Pessimismus verwirft er die Kirche und<br />
mit ihr eigentlich die ganze Welt und Wirklichkeit als ganz und gar <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> verfallen.<br />
Daß <strong>de</strong>r christliche Glaube <strong>de</strong>r Sieg ist, <strong>de</strong>r die Welt überwun<strong>de</strong>n hat, versteht er nicht;<br />
mit <strong>de</strong>r Kraft dieses Glaubens an <strong>de</strong>r Welt zu arbeiten, erscheint ihm nicht als Pflicht,<br />
son<strong>de</strong>rn als gefährlich. Wie himmelweit ist diese Verachtung <strong>de</strong>s natürlichen Lebens entfernt<br />
von <strong>de</strong>m weltoffenen Christentum eines Paulus: »Alles ist euer!«<br />
b) Lehre von <strong>de</strong>r persönlichen Heilsaneignung. Hier macht es sich Darby sehr leicht,<br />
in <strong>de</strong>r Theorie und Praxis. Die gewaltige geistige Arbeit, welche die lutherischen Theologen<br />
auf die Lehre von <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgeburt, Rechtfertigung und Heiligung verwandt haben,<br />
ist ihm unverständlich, <strong>de</strong>sgleichen die scharfe Betonung <strong>de</strong>r persönlichen praktischen<br />
Heiligung von seiten <strong>de</strong>s Methodismus. Darbys Anschauung von Rechtfertigung und Heiligung<br />
ist hervorgegangen aus <strong>de</strong>m Gegensatz zum Methodismus, mit <strong>de</strong>m er während seines<br />
Auftretens in <strong>de</strong>r französischen Schweiz einen Zusammenstoß hatte, <strong>de</strong>s weiteren ist<br />
sie zu verstehen aus <strong>de</strong>r calvinischen Prä<strong>de</strong>stinationslehre.<br />
Die Wie<strong>de</strong>rgeburt ist nicht so zu verstehen, als wer<strong>de</strong> durch dieselbe eine Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r alten Natur hervorgebracht. Diese ist so völlig verdorben, daß sie nicht gebessert wer<strong>de</strong>n<br />
kann: »Natur ist Natur und bleibt Natur, das Evangelium sucht nicht einen neuen<br />
Lappen auf ein altes Kleid zu setzen, son<strong>de</strong>rn ein gänzlich neues Kleid darzureichen.« Die<br />
wahren Christen haben nach Gal. 5, 24 die alte Natur, die Sün<strong>de</strong> gekreuzigt, die Sün<strong>de</strong> im<br />
Menschen als Schuld ist tot, durch die Wie<strong>de</strong>rgeburt ist ein völlig neuer Mensch gebil<strong>de</strong>t.<br />
Unmittelbar mit <strong>de</strong>r Rechtfertigung fällt die Heiligung zusammen: [394] Diese ist nicht ein<br />
fortgehen<strong>de</strong>r sittlicher Prozeß, ein Streben nach Vollkommenheit <strong>de</strong>m Ziele zu, in Christi<br />
Bild verklärt zu wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn sie ist etwas Augenblickliches, »in einem Nu« Fertiges.