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Verwandlung - church-web

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Ausgabe: Mai 2012<br />

<strong>Verwandlung</strong>


2<br />

Adressen<br />

3x3emk<br />

Evangelisch-methodistische Kirche<br />

Stationsweg 6<br />

5502 Hunzenschwil<br />

www.3x3emk.ch<br />

Sekretariat<br />

Mittwoch bis Freitag 8.30 bis 11.30 Uhr<br />

Tel. 062 892 23 70<br />

Fax 062 892 23 72<br />

Postkonto<br />

50-11482-4<br />

Evangelisch-methodistische<br />

Kirche in der Schweiz<br />

3x3 emk<br />

8004 Zürich<br />

Pfarrer-Team<br />

Marc Nussbaumer<br />

Tel. 062 892 23 71<br />

Tel. P 062 897 00 64<br />

Thomas Matter<br />

Tel. 062 892 23 73<br />

Tel. P 062 892 23 74<br />

Redaktion<br />

Ruth Affolter, Christian Buser,<br />

Barbara Eichenberger, Andreas Hentschel,<br />

Marc Nussbaumer, Rosmarie Saurenmann,<br />

E-Mail: <br />

Bilder<br />

Alte Pinakothek München,<br />

Arbinger Institute, Christian Buser,<br />

Claudius Verlag, Edith Dietemann,<br />

Sieger Köder, Martin Luff, Chriga Matter<br />

Gestaltung<br />

Christian Buser<br />

Inhalt<br />

Editorial 3<br />

Thema: «<strong>Verwandlung</strong>»<br />

Gestutzte Geranien 4<br />

Fastfood 5<br />

Bestätigung von Gott: <strong>Verwandlung</strong> ist gut 6<br />

<strong>Verwandlung</strong> – Zitate aus dem Buch von Richard Rohr 8<br />

Wo und wie <strong>Verwandlung</strong> anfängt 10<br />

Wer bin ich eigentlich? 12<br />

Das Ego in uns 12<br />

Bereit für die Krise? 12<br />

Bereit für die Machtlosigkeit? 13<br />

Heilende Gemeinschaft? 14<br />

Die Würde des Menschen 14<br />

Auf den Weg gehen 15


<strong>Verwandlung</strong><br />

Die <strong>Verwandlung</strong> einer Raupe zu einem Schmetterling fasziniert immer wieder, Gross und Klein.<br />

Ich weiss noch gut, wie ich in der Primarschule an Brennnesseln die schwarzen Raupen gesammelt<br />

habe und sie dann zu Hause in grossen Gläsern, die mit einem fein gelöcherten Stoff abgedeckt<br />

waren, beobachtet habe. Immer wieder füttern, immer wieder sich vor das Glas auf<br />

die Lauer legen und beobachten… Als dann die ersten Raupen sich verpuppten und später als<br />

Schmetterlinge wieder schlüpften, war das ein sehr eindrückliches Erlebnis.<br />

<strong>Verwandlung</strong> als geistliche Reise ist auch ein eindrückliches Erlebnis. Zu beobachten wie unsere<br />

Beziehung zu Jesus und zu Mitmenschen radikal verändert wird, bringt Menschen ins Staunen.<br />

In der diesjährigen 40-Tage-Aktion haben wir uns als ganze 3x3 Gemeinde auf wichtige Aspekte<br />

von geistlichen <strong>Verwandlung</strong>sprozessen eingelassen. In diesem Gemeindebrief kann man sich<br />

nochmals hinsetzen und beobachten. Man kann sich durch die Texte und Berichte erinnern, was<br />

einen selbst bewegt hat. Man kann staunen und hören, was andere erlebt haben. Und man<br />

kann auch beim Lesen der folgenden Seiten beobachten wie man gerade selber von Gottes<br />

Geist berührt, bewegt und verwandelt wird. Und man kann beim Lesen der folgenden Seiten<br />

auch beobachten, was geschieht, wenn man unerwartet den Blickwinkel ändern muss, um weiter<br />

lesen zu können. <strong>Verwandlung</strong> fordert uns manchmal aus gewohnten Bahnen heraus…<br />

Möge dieser Gemeindebrief ein Brief Gottes sein, durch den Menschen weiter verwandelt werden,<br />

hin zu dem Glauben, den John Wesley beschrieben hat als «Liebe zu Gott und zu Menschen,<br />

die das Herz erfüllt und das Handeln bestimmt».<br />

Marc Nussbaumer<br />

3


Gestutzte Geranien<br />

Stell dir einmal vor du bist voll motiviert mit einer<br />

Arbeit beschäftigt. Stell dir weiter vor, es wäre eine<br />

Arbeit, die du gerne machst und stell dir auch vor, dass<br />

du dich dabei entspannst. Du meinst: «unvorstellbar»!<br />

Normalerweise würde ich dir widersprechen. Doch<br />

wenn sich in einem solchen Moment Gott einklinkt,<br />

dann ist das mehr als Entspannung! Hochspannung<br />

pur, eine heilige Gemeinschaft. Einen solchen Moment<br />

erlebte ich vor dem letzten Gruppentreffen in der Zeit<br />

der geistlichen Reise über 40 Tage.<br />

Montagmorgen. Die Geranien sollten schon längst<br />

zurückgeschnitten und umgepflanzt sein. Also packte<br />

ich es an und denke: «eine gute Arbeit, dann kann ich<br />

meinen Gedanken einfach so nachgehen.» Eine Kiste<br />

um die andere stelle ich im Gewächshaus auf den Tisch<br />

und nehme sorgfältig die Geranienpflanzen heraus. Sie<br />

sind teilweise recht gross, und neue Triebe zeigen sich<br />

schon. Ich schneide Pflanze um Pflanze zurück. Beim<br />

Herausnehmen fällt mir auf, dass die Pflanzen nicht alle<br />

gleich grosses Wurzelwerke haben. Nebst den Trieben<br />

sollten auch die dicken Wurzeln zurückgeschnitten<br />

werden. Natürlich sorgfältig, damit das Wurzelwerk<br />

nicht zu stark verletzt wird. Ich bin ganz in die Arbeit<br />

vertieft. Und plötzlich fallen mir Worte aus dem Buch<br />

<strong>Verwandlung</strong> von Richard Rohr ein: «Altes loslassen,<br />

damit Neues entstehen kann». Wenn ich wieder kräftige<br />

und schöne Geranien haben möchte, muss ich wohl<br />

oder übel nicht nur die verdorrten Triebe zurück schneiden,<br />

nein auch schöne. Und ich muss die Pflanzen aus<br />

ihrem gewohnten «Plätzli» ausreissen und ihre wohlgeformten<br />

Wurzelballen lockern.<br />

Geht es uns nicht gleich? Sollten wir nicht auch ab und<br />

zu Gewohntes ablegen, abschneiden, Festgefahrenes<br />

entwurzeln und umplatzieren und damit freien Raum<br />

schaffen für Gott und sein Wirken an uns? Im Buch<br />

<strong>Verwandlung</strong> S. 60 steht: «…leer werden von uns selbst,<br />

damit Gott uns füllen kann».<br />

4<br />

Ich bin ganz begeistert von diesen «praktischen» Gedanken.<br />

Bis zum Kleingruppentreffen am Mittwoch<br />

begleiten sie mich immer wieder, bis ich merke, dass<br />

sich dieser Vergleich als Einstiegsgedanke aufdrängt.<br />

So hole ich zwei Geranien aus dem Gewächshaus als<br />

Anschauungsmaterial. Wie staune ich. Diejenigen Pflanzen,<br />

die sehr stark zurückgeschnitten waren, haben<br />

bereits eine Menge neue Blättchen. «So schön», denke<br />

ich, und weiter: «Sie hatten ja auch optimales Klima im<br />

Gewächshaus». Wäre das bei uns nicht auch so, wenn<br />

wir einen entrümpelten Raum Gott zur Verfügung stellen<br />

würden? Da würde sicher das gleiche geschehen. Er<br />

ist für uns ganz sicher auch das beste Klima. Wir müssen<br />

zur <strong>Verwandlung</strong> nicht unser letztes Hemd ausziehen.<br />

Es kann mit wenig schon viel Neues entstehen, und Gott<br />

ist von wenigem schon begeistert.<br />

Stell dir einmal vor, welchen Raum du für Gott «zurückschneiden»<br />

oder entrümpeln könntest und stell dir weiter<br />

vor, was dann Neues werden könnte. <strong>Verwandlung</strong><br />

pur – unvorstellbar?!<br />

Edith Dietemann


Fastfood<br />

Seit etwa einem Jahr besuche ich die Gottesdienste in<br />

der 3x3-Halle. Dieses Jahr habe ich bei der 40-Tage-<br />

Aktion in der Gruppe unter der Leitung von Rosmarie<br />

Saurenmann mitgemacht.<br />

Das Buch «<strong>Verwandlung</strong>» von Richard Rohr über die<br />

Entwicklung unseres geistlichen Lebens fand ich spannend<br />

und tiefgründig. Auch das Begleitheft und der<br />

Austausch in der Gruppe waren für mich hilfreich. Das<br />

Buch fand ich zwar etwas kompakt geschrieben, man<br />

musste Schwerpunkte setzen beim Lesen und beim<br />

Gruppengespräch.<br />

Besonders interessant waren für mich die These und die<br />

Erklärungen der zwei Lebenshälften bei unserer geistlichen<br />

Entwicklung. Ich bin in einer Familie aufgewachsen,<br />

in der Leistung aus verschiedenen Gründen einen<br />

grossen Stellenwert hatte. Ich verglich mich stets mit<br />

meinen vier älteren Schwestern, die alle auf verschiedenen<br />

Gebieten begabt waren. Da ich die Latte so hoch<br />

legte, konnte ich natürlich von meinem Gefühl her nie<br />

mithalten.<br />

Solche Denkmuster legt man meist nicht so schnell ab.<br />

Ich habe dieses Denkmuster also später auch auf mein<br />

geistliches Leben übertragen. Die Gegenüberstellung<br />

der Spiritualität der Machtlosigkeit und der Spiritualität<br />

der Leistung von Richard Rohr hat mir neue Perspektiven<br />

gezeigt. Der Autor sagt, dass wir eine Wandlung<br />

durchlaufen müssen, um geistlich reif zu werden. Mich<br />

sprach dabei vor allem an, dass wir Empfangende<br />

werden sollen. (Auch bei den 12 Regeln der Anonymen<br />

Alkoholikern wird dies formuliert). Es ist für mich<br />

beglückend zu wissen, dass mein Wert nicht von meiner<br />

Leistung abhängt, sondern dass ich durch die reine<br />

Tatsache wertvoll bin, von Gott geschaffen, geliebt und<br />

angenommen zu sein. Um dies mehr und mehr zu erfassen,<br />

dienen mir die Stille vor Gott und die Gemeinschaft<br />

mit andern Christen.<br />

Am letzten Gesprächsabend ging es um das Thema<br />

«heilende Gemeinschaft». Da kam mir ein ermutigender<br />

Traum in den Sinn, den ich im letzten Oktober hatte:<br />

Ich hatte einen runden Geburtstag zu feiern (ich wurde<br />

letztes Jahr 50 Jahre alt). Für das Fest mieteten wir die<br />

Räume der 3x3-Halle. Am Vorabend des Festes waren<br />

wir in den Räumen am Vorbereiten; da reisten unverhofft<br />

schon 60 bis 70 Gäste zu früh an. Da wir das Cateringservice<br />

erst auf den folgenden Tag bestellt hatten,<br />

war ich echt verzweifelt und es war mir auch peinlich,<br />

die Gäste nicht verpflegen zu können. Nun waren aber<br />

zufällig ein paar Frauen der 3x3- Gemeinde anwesend.<br />

Sie boten uns eine einfache Fertignahrung an, die<br />

sie vorrätig hatten. Dies waren Spaghettis in grossen<br />

Plastikbechern, die man mit heissem Wasser anrühren<br />

muss. In Kartonschachteln war davon eine grosse<br />

Menge vorhanden, so dass es für alle Gäste reichte. Bald<br />

sassen also alle Gäste an den langen Tischen und assen<br />

vergnügt aus den Plastikkübelis die Spaghettis. Ich war<br />

total erstaunt und erleichtert über diese Lösung! Nur<br />

eine Frau «motzte», da das Wasser zu wenig heiss war,<br />

das man in ihr Kübeli geschüttet hatte. Aber das konnte<br />

meine Freude und Erleichterung kaum trüben.<br />

Dieser Traum drückte für mich etwas von der grossen<br />

Offenheit und Gastfreundschaft aus, die ich in der 3x3-<br />

Halle erlebe.<br />

Magdalena Fries<br />

5


Bestätigung von Gott: <strong>Verwandlung</strong> ist gut<br />

Seit ich denken kann, habe ich ein Essproblem und<br />

ein Chaos (früher in meinem Zimmer, später in meiner<br />

Wohnung). Das Übergewicht und mein Chaos störten<br />

und stören mich so sehr, dass ich immer wieder Anläufe<br />

unternommen habe, etwas dagegen zu tun. Tonnenweise<br />

an Selbsthilfe-Literatur. Tonnenweise an Listen<br />

und Programmen und Ideen usw. die ich ausprobierte<br />

und gefruchtet hat es nichts.<br />

Mir wurde oft gesagt: bring es vor Gott, er wird Dich<br />

heilen. Aber irgendwie war mir diese Heilung mit Fingerschnippen<br />

von Gott suspekt. Natürlich kann er es.<br />

Aber will ich so eine Heilung?<br />

Ich lebte immer in den schwarzen oder weissen Kästchen.<br />

Entweder habe ich gegessen auch wenn ich<br />

keinen Hunger hatte (zum Trost, wenn ich frustriert<br />

war, aus Langeweile) oder ich ass praktisch nichts oder<br />

sehr wenig, wenn ich Diät machte. Entweder ich räumte<br />

auf und putzte bis alles bis ins Detail oder lebte im<br />

absoluten Chaos (das komplett aufräumen und putzen<br />

schaffte ich irgendwann nicht mehr. Dann lebte ich<br />

meine pingelige Ordnung in einem Zimmer oder einem<br />

Schrank aus). Wenn ich zu viel ass und chaotisch war,<br />

verabscheute ich mich. Wenn ich Diät hielt oder putzte<br />

und aufräumte, hatte ich Angst, dass ich das Leben von<br />

jemand anderem leben muss (ich wollte keine Frau aus<br />

der Werbung sein, bei der alles perfekt war, angefangen<br />

von der Figur über die Wohnung und den Kleider).<br />

Es gab nur entweder/oder. Es gab keine bunten Punkte.<br />

Nicht einmal schwarz-weiss gepunktet oder schwarzweiss<br />

gestreift.<br />

Wenn ich mich verabscheute, weil ich keine Hose mehr<br />

zu machen konnte oder weil die Unordnung überhand<br />

nahm, betete ich: Herr, ich strecke meine Waffen. Ich<br />

weiss nicht mehr weiter. Ich weiss nicht, was ich zuerst<br />

machen muss. Die Rechnungen bezahlen? Die Küche<br />

putzen? Den Impfausweis suchen? Und Gott schickte<br />

mir den Heiligen Geist und ich machte eigentlich automatisch<br />

eines nach dem anderen. Habe abgearbeitet,<br />

was sein musste. Hatte Teilerfolge mit abnehmen, bis<br />

ich dann eigentlich soweit war, dass ich fand: jetzt geht<br />

es mir eigentlich gut, ich übernehme das Ruder. Die Gebete<br />

waren eher oberfl ächlich (danke lieber Gott, dass<br />

es Dich gibt, danke für meine Familie, danke für meinen<br />

Job. Behüte uns. Amen). Rückblickend ist das wohl das<br />

Gebet des Pharisäers. Mit anderen Worten, aber genauso<br />

oberfl ächlich und überheblich.<br />

Letztes Jahr war ich pilgern und ich dachte vorher:<br />

während des Pilgerns werde ich die ultimative Erkenntnis<br />

gewinnen. Irgendetwas wird passieren, was mich<br />

im Glauben und meinem Leben weiter bringen wird.<br />

Ich hatte einige Erlebnisse und Erkenntnisse, die mich<br />

6<br />

bereichert hatten. Aber es war nichts von dem ich sagen<br />

hätte können: «Wow! So läuft der Hase?! So hast Du<br />

das also mit mir und dem Leben gemeint, Lieber Gott!»<br />

Ich war ziemlich ernüchtert.<br />

Als ich zurück kam merkte ich, dass es Zeit ist, einige<br />

Themen nochmals zu vertiefen. Ich meldete mich bei<br />

meiner Seelsorgerin. Und wir erarbeiteten einiges, was<br />

mir nicht gefi el. In der gleichen Zeit hatte ich ein Buch<br />

gekauft, und dort haben die Autorinnen auch eine<br />

Internet-Online-Hilfe angeboten. Diese Hilfe nahm ich<br />

auch an. Irgendwie hatte ich das Gefühl: nun musst Du<br />

alle Register ziehen, die sich bieten. Bei diesem Buch<br />

ging es darum: Man isst dreimal am Tag. Ausnahmslos.<br />

Am Anfang ging das gar nicht. Ich war ständig mit<br />

mir am Diskutieren. Und ich fand: nun mache ich eine<br />

Fastenwoche.<br />

Das war kurz bevor die 40-Tage-Aktion anfi ng.<br />

Und jede Erkenntnis, die ich in der Seelsorge gewonnen<br />

habe, wurde an einem der nächsten Sonntage als<br />

Predigt vertieft. Es war, als ob Gott mir durch Tom und<br />

Marc sagen wollte: Du bist auf dem richtigen Weg.<br />

In der Seelsorge musste ich feststellen: ich drehe mich<br />

den ganzen Tag nur um mich und was ich gern hätte<br />

und wie das Leben schön wäre, wenn… und was andere<br />

dürfen und ich nicht, und was ich alles, vermeintlich,<br />

aus Nächstenliebe mache. Aber grundsätzlich geht es<br />

mir darum, dass ich sagen kann: Neben meinem 100%-<br />

Job und dem Pikett und Samstagsdienst, den ich leiste,<br />

mache ich noch zusätzlich diesen und jenen Dienst<br />

(privat, im Geschäft, in der Gemeinde… ). Also bin ich


genau wie die Frau im Tanztheater. Demut, die man<br />

so offensichtlich und mit viel Trara zelebriert, ist keine<br />

Demut.<br />

Am Sonntag nach meinem Versuch die Ernährung umzustellen,<br />

war die Predigt von der ersten Lebenshälfte<br />

und der zweiten Lebenshälfte. In der Seelsorge kam ich<br />

die Woche vorher zur Erkenntnis, dass ich lebe wie ein<br />

Kind: ich will jetzt das Schöggeli, auch wenn ich davon<br />

zunehme. Wenn ich dann zunehme, lege ich mich auf<br />

den Boden, heule, «stämpfele» und jammere und sage:<br />

Warum ist das Leben so ungerecht zu mir? Wie ein<br />

Kind, das weiss: Wenn ich meine Spielsachen nicht aufräume,<br />

finde ich sie später nicht, habe ich meine Pflicht<br />

aufzuräumen und zu putzen nicht wahrgenommen.<br />

Und wie das Kind danach bei der Mutter jammert, habe<br />

ich mich beklagt, dass ich nie zum Aufräumen komme,<br />

weil ich so eine Arme bin. Und niemand unterstützt<br />

mich… Dabei weiss ich genau: Es wäre meine Aufgabe<br />

gewesen. Und es bestätigte sich auch: Es liegt an mir, ob<br />

ich weiter «Babynahrung» zu mir nehmen will oder ob<br />

ich endlich meine Aufgabe als Erwachsene übernehmen<br />

will. Inzwischen hatte ich nämlich gemerkt: Nur dreimal<br />

am Tag mich mit Essen beschäftigen hat auch seine<br />

Vorteile. Ich habe mehr Zeit für Dinge, die erledigt<br />

werden müssen oder die ich gern mache. Ich muss nicht<br />

mehr so viele Gedanken daran verschwenden: Esse ich?<br />

Oder esse ich nicht? Habe ich Lust? Oder ist es Hunger?<br />

Wenn ich den Reflex zum Essen habe – egal ob ich mich<br />

dem Essen ausgeliefert fühle, weil ich traurig bin und<br />

es eigentlich Frustessen werden sollte oder was auch<br />

immer die Motivation ist – ich esse nur noch dreimal am<br />

Tag (meist ich bin noch am Üben, aber ich mache Fortschritte).<br />

Diese neue Struktur gibt mir Freiheiten. Was<br />

ich nie gedacht hätte.<br />

Eine weitere Erkenntnis kam erst später, resp. es geht<br />

mir langsam auf: Ich habe bisher immer so gebetet wie<br />

der Pharisäer (siehe weiter oben) oder eben in der Depression<br />

wie der Zöllner.<br />

Rückblickend merke ich, dass ich während des Pilgerns<br />

einen Mittelweg gelebt hatte: ich habe am Morgen Stille<br />

Zeit gemacht. Ich habe meinen Weg Gott anbefohlen<br />

und um seinen Segen und seinen Schutz gebeten. Und<br />

während des Wanderns war ich eigentlich immer in<br />

Gedanken im Gebet. Es gab Momente, da konnte ich<br />

echt nicht mehr. Ich hatte eine Achillessehnen-Entzündung<br />

am allerersten Tag des Pilgerns «aufgelesen» und<br />

diese tat sehr weh. Zudem konnte ich die Hitze nicht<br />

ertragen. Wenn ich mich nun verlaufen hatte oder<br />

irgend aus einem anderen Grund Zeit verloren hatte,<br />

wurde es immer heisser und das Laufen wurde immer<br />

beschwerlicher. Mehrere Male hat mir Gott dann eine<br />

Mitfahr-Gelegenheit organisiert (oder mir Tipps in Form<br />

von Geistesblitzen gegeben damit ich mir selber eine<br />

Mitfahr-Gelegenheit organisieren konnte). Mehrere<br />

Male habe ich auch gejammert und Gott wollte einfach<br />

nicht, dass ich nun das Stück fahre. Er merkte genau,<br />

wenn ich sehr wohl noch laufen konnte. Die Schmerzen<br />

waren da, aber erträglich. Aber ich hatte einfach keine<br />

Lust. Und da fand der Vater im Himmel wohl, dass ich<br />

mich da schon noch ein wenig mehr bemühen könnte,<br />

dass mir das wohl nicht schaden wird (und hat es dann<br />

auch nicht). Während des Pilgerns hatte ich Gott immer<br />

bei mir «im Boot». Im Alltag habe ich Gott präsent, aber<br />

nicht als «Mitarbeitenden» in meinem Leben, sondern<br />

eher wie den Leuchtturm, der einfach sein Licht Tag<br />

und Nacht drehen lässt. Ich weiss er ist da, sehe ihn,<br />

spüre ihn. Punkt und fertig. Oder dann muss er als<br />

meine «Feuerwehr» da sein und wieder helfen aufzuräumen,<br />

wo ich nicht mehr weiter komme. Dazwischen<br />

gibt es nicht.<br />

Ich merkte in dieser 40-Tage-Aktion: Mein Leben bestand<br />

bisher nur aus schwarz und weiss. Und in diesen<br />

Wochen durfte ich entdecken: Wenn ich mein Leben<br />

erstens selber in die Hand nehme und zweitens dabei<br />

Gott mit ins Boot nehme, wird das Leben bunter, entspannter<br />

und ich kann meine Pflichten übernehmen,<br />

auch ohne dass ich eine Frau aus der Werbung sein<br />

muss.<br />

Ich kann ich bleiben. Ich muss mich nicht in jemand<br />

anders verwandeln. Gott hat mich aus einem Grund so<br />

geschaffen wie ich bin. Wenn ich geschickt mit meinen<br />

Bedürfnissen umgehe, kann ich meine Pflichten übernehmen,<br />

ohne dass ich das Leben von jemand anderem<br />

leben muss, der mir fremd ist. Ich kann mich von der ersten<br />

Lebenshälfte verabschieden und die Herausforderungen<br />

der zweiten Lebenshälfte annehmen. Ich weiss:<br />

Gott steht hinter mir. Er findet das gut. Und wenn es<br />

halt am Anfang noch nicht so klappt: Ich habe jeden<br />

Tag, jede Stunde die Chance wieder neu anzufangen.<br />

Und ich kann mein Leben, meine Einstellung zu Gott,<br />

zu mir und zu meinen Nächsten verwandeln lassen. So<br />

dass das Leben bunt wird. Ich darf mich in dem Tempo<br />

verwandeln lassen, wie es für mich stimmt. Ich werde<br />

nicht mit Fingerschnippen von einem Moment auf den<br />

anderen in jemand anders verwandelt. Gott kennt mein<br />

Tempo und berücksichtigt es bei meiner <strong>Verwandlung</strong>.<br />

Barbara Eichenberger<br />

7


<strong>Verwandlung</strong> – Zitate aus dem Buch von Richard Rohr<br />

zusammengestellt von Ruth Affolter<br />

8<br />

Man kann beim Lesen dieser folgenden Seiten<br />

auch beobachten, was geschieht, wenn man<br />

unerwartet den Blickwinkel ändern muss, um<br />

weiter lesen zu können. <strong>Verwandlung</strong> fordert<br />

uns manchmal aus gewohnten Bahnen heraus…<br />

Jesus hat sich nicht in der Kritik am Gesetz erschöpft,<br />

sondern die Liebe Gottes gepredigt.<br />

Wir erreichen unser Ziel nur, wenn wir die Welt lieben,<br />

ihr mitfühlend begegnen und sie umarmen – so, wie sie<br />

ist.<br />

Wir müssen uns schmerzhaft nach Gnade sehnen, wir<br />

müssen ihrer in höchster Dringlichkeit bedürfen.<br />

In der zweiten Lebenshälfte können wir uns nicht länger<br />

selbst halten; wir sind gefallen und nur die Hände<br />

des lebendigen Gottes können uns halten.<br />

Wahre Freiheit ist die Haltung eines Menschen, der<br />

nicht Recht haben muss.<br />

In der ersten Lebenshälfte kämpfen wir mit dem Teufel,<br />

in der zweiten Lebenshälfte kämpfen wir mit Gott<br />

(Nikos Kazantzakis).<br />

Die Aufgaben der ersten Lebenshälfte sind keineswegs<br />

unwichtig. Es geht darum, etwas zu entwickeln, das ich<br />

als eine Art «Gefäss» bezeichnen möchte, und zwar ein<br />

gutes Gefäss, das die Inhalte des Lebens aufnehmen<br />

kann.<br />

Neben dem Ruhen in sich selbst prägt<br />

viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte<br />

eine Art Unbeschwertheit,<br />

eine Art Abstand, eine Art Demut,<br />

eine Art Freisein von Sorgen.<br />

Die wahre Bedeutung des Evangeliums<br />

besteht darin, dass es keine<br />

Schrift für Sieger ist, sondern eine<br />

Botschaft für Verlierer.<br />

Bereit für <strong>Verwandlung</strong>?<br />

Veränderung ist nicht alles<br />

Es geht nicht um ein Entweder-Oder<br />

wie im Gesetzesverständnis der<br />

ersten Lebenshälfte, sondern um ein<br />

Sowohl-als-auch.<br />

Vergebung ist die zentrale Weisheit<br />

der zweiten Lebenshälfte.<br />

Wir können in der Freiheit des Nichtwissens<br />

leben, weil Gott der Wissende<br />

ist, weil jemand anderes weiss.<br />

Bereit für das Evangelium?<br />

Das Ego ist nicht alles…<br />

Welch angenehmer Zufall, dass wir in die beste aller<br />

Nationen und die beste aller Religionen hineingeboren<br />

sind! Wie traurig für die armen Menschen in Indien und<br />

Afrika, dass Gott uns mehr liebt als sie.<br />

Die innere Gier, die jedem Menschen zu eigen ist, führt<br />

dazu, dass uns nach einer Weile nichts mehr befriedigt<br />

und wir bei nichts mehr ausreichend Vergnügen empfinden.<br />

Der Weg zur zweiten Lebenshälfte wird dadurch erschwert,<br />

dass Erfolg in der ersten Lebenshälfte universell<br />

als wertvoll gilt und von nahezu jeder Kultur gefördert<br />

und belohnt wird.<br />

Das Gute ist umfassend und so tief, dass es selbst das<br />

Böse in sich einschliessen kann; es ist in der Lage, sein<br />

Gegenteil zu halten.<br />

Nur wenn wir loslassen, wer wir zu sein glauben, können<br />

wir werden, wer wir wirklich sind.<br />

Wenn wir keine Kontrolle mehr haben, wissen wir nur<br />

noch um die schlichte Tatsache unseres Seins. Das ist alles,<br />

was wir Gott geben können, denn es ist das Einzige,<br />

was wir haben.<br />

Wir können nur lassen, was wir zuvor gefunden haben.<br />

Wir können nur weggeben, was wir haben. Wir müssen<br />

uns selbst kennen, bevor wir über uns hinausgehen<br />

können.<br />

Die am weitesten verbreitete Abhängigkeit<br />

ist die Abhängigkeit von<br />

unseren Denkmustern.<br />

Wenn wir nicht sicher sein können,<br />

im Recht zu sein, bleibt uns nur zu<br />

vertrauen.<br />

Normalerweise bewegen wir uns aus<br />

der angenehmen Sicherheit von Gesetz<br />

und Ordnung nicht heraus. Dies<br />

geschieht erst, wenn unser bislang<br />

alles bestimmendes Ego destabilisiert<br />

wird. Es ist demütigend, wenn wir<br />

unsere eigenen Fehler und unsere<br />

Inkompetenz erkennen und mit uns<br />

hadern.<br />

Bereit für die Krise?<br />

Enttäuscht sein ist nicht alles…


Bereit für die Machtlosigkeit?<br />

Wo ein Wille ist, ist nicht immer ein Weg…<br />

Durch die Verbindung mit dem Römischen Reich wurde aus dem Evangelium sehr schnell eine Spiritualität<br />

der Vollkommenheit, der Leistung, der Ergebnisse, des Erreichens, der Willenskraft.<br />

Anders als in all den Sieger-Verlierer-Szenarien, in denen letztlich alle verlieren, beschreibt die<br />

Verlierern geltende Bibel ein Szenario, in dem letztlich alle gewinnen.<br />

Unvollkommenheit ist das Grundprinzip der gesamten menschlichen und spirituellen Entwicklung.<br />

Nur Unvollkommenheit und Vollkommenheit können einander wirklich begegnen.<br />

Jesus hat das Böse nicht durch Willenskraft oder Kontrolle überwunden, sondern durch das Erkennen<br />

des Bösen.<br />

Machtstreben und das Akzeptieren der Liebe Gottes sind völlig unterschiedliche Haltungen.<br />

Bereit für heilende Gemeinschaft?<br />

Individuell ist nicht alles…<br />

Veränderung ist nicht allein aus Willenskraft möglich, sondern<br />

nur, wenn wir Empfangende werden.<br />

Die Botschaft Jesu lässt sich im Wesentlichen mit zwei Stichworten<br />

benennen: Vergebung und Inklusivität. Gelebte Inklusivität<br />

macht es unnötig, die eigene Gemeinschaft als die beste<br />

anzusehen und ihre Grenzen zu verteidigen.<br />

In der Gemeinschaft können wir unsere eigene Kleinheit<br />

erkennen, unsere Egozentrik, unsere Rechthaberei und unser<br />

Bedürfnis, als der oder die Beste zu gelten.<br />

Wenn eine Gemeinschaft stark genug ist, uns zu halten, müssen<br />

wir uns und anderen nicht länger etwas vormachen.<br />

Vergebung meint die universelle Sichtweise: Es ist, wie es ist.<br />

Alles, was Gott braucht, ist ein Vakuum, einen Raum. Und<br />

immer, wenn wir Gott Raum geben, dann wird Gott ihn füllen<br />

(Johannes vom Kreuz).<br />

Wir müssen leer werden von uns selbst, damit Gott uns füllen<br />

kann. Nichts anderes können wir tun als zuzulassen, dass wir<br />

leer werden, und Gott die Leere zu geben.<br />

In Wirklichkeit meint das Wort (Hingabe) den Zugang zu<br />

einem tieferen und weiteren, immer schon erfüllten und überfl<br />

iessenden Selbst.<br />

Der Leib Christi ist für Paulus ein Kraftfeld. Es umfasst die<br />

gesamte Menschheit, alle, die bereit sind, verbunden zu sein,<br />

alle, die in diesem Feld sind, unabhängig von ihrer Religion.<br />

Unsere Aufgabe ist nicht, über Jesus zu sprechen, sondern<br />

Jesus zu sein (Mutter Teresa).<br />

Das Wahre, das Verwandelte wirkt anziehend in seinem Sein.<br />

9


Wo und wie <strong>Verwandlung</strong> anfängt<br />

<strong>Verwandlung</strong> ist eine geistliche Reise. Bist du bereit<br />

dafür? Jesus zeigt in Matthäus 7, 1-5, wo <strong>Verwandlung</strong><br />

anfängt und wie <strong>Verwandlung</strong> voran kommt:<br />

«Verurteilt nicht andere, damit Gott nicht euch verurteilt!<br />

Denn euer Urteil wird auf euch zurückfallen, und<br />

ihr werdet mit demselben Maß gemessen werden, das<br />

ihr bei anderen anlegt. Warum kümmerst du dich um<br />

den Splitter im Auge deines Bruders oder deiner Schwester<br />

und bemerkst nicht den Balken in deinem eigenen?<br />

Wie kannst du zu deinem Bruder oder deiner Schwester<br />

sagen: ‹Komm her, ich will dir den Splitter aus dem<br />

Auge ziehen›, wenn du selbst einen ganzen Balken im<br />

Auge hast? Scheinheilig bist du! Zieh doch erst den Balken<br />

aus deinem eigenen Auge, dann kannst du dich um<br />

den Splitter in einem anderen Auge kümmern!»<br />

Wie Urteile auf einen selbst zurückfallen zeigt folgendes<br />

Beispiel. Es ist erfunden, aber es entspricht der<br />

Wirklichkeit. Ich habe es im Buch «The Anatomy of<br />

Peace» (Arbinger Institute) gelesen.<br />

Es geschieht an einem ganz gewöhnlichen Wochenende.<br />

Ein Mann und eine Frau, Avi und Hanna. Avi erzählt:<br />

Es war an einem Samstagnachmittag. Ich kam gegen<br />

17:45 nach Hause, gerade 15 Minuten bevor ich mich<br />

mit einem Freund treffen wollte um Tennis spielen zu<br />

gehen. Das Problem war: Ich hatte meiner Frau, Hanna,<br />

versprochen, dass ich den Rasen mähen würde. J<br />

Also eilte ich zur Garage, holte den Rasenmäher heraus<br />

und mähte ihn ziemlich rassig. Dann rannte ich zurück<br />

ins Haus und zog mich um fürs Tennis. Als ich an Hanna<br />

vorbei rannte Richtung Treppe, brummelte ich etwas<br />

davon, dass ich mich mit meinem Freund für einen<br />

Tennismatch verabredet habe. Ich war gerade fast bei<br />

der Treppe, als Hanna mir nachrief: «Schneidest du die<br />

Rasenkanten noch?»<br />

10<br />

Ich stoppte. «Es ist nicht nötig, dass ich die Ränder<br />

schneide», sagte ich, «nicht dieses Mal». «Ich denke, es<br />

ist nötig», sagte sie.<br />

Oh, komm schon» entgegnete ich. Es wird niemand an<br />

unserem Haus vorbei kommen und sagen: «Schau mal<br />

Margrit, die haben die Rasenkanten nicht geschnitten!»<br />

Das wird nicht passieren.<br />

Dies beeindruckte sie aber gar nicht, so sagte ich noch:<br />

«Übrigens habe ich mit den Rädern des Rasenmähers<br />

immer darauf geschaut, dass sie auf dem Weg sind, als<br />

ich die Ecken mähte. Es sieht alles bestens aus.»<br />

«Du hast gesagt, dass du den Rasen mähen wirst,» sagte<br />

sie, «und das heisst, dass ‚Rasenkanten schneiden‘ dazu<br />

gehört.»<br />

«Nein, das heisst es nicht!» entgegnete ich. «Rasen mähen<br />

heisst Rasen mähen; Rasenkanten schneiden heisst<br />

Rasenkanten schneiden. Man muss nicht jedes Mal die<br />

Rasenkanten schneiden, wenn man den Rasen mäht.<br />

Das ist lächerlich. Und übrigens bin ich schon etwas spät<br />

dran fürs Tennis. Willst du, dass ich Paul einfach warten<br />

lasse? Ist es das, was du willst?»<br />

Ich dachte jetzt hab ich sie mit diesem Argument, aber<br />

dann sagte sie: «Okay, ich vermute, dass dann ich die<br />

Rasenkanten schneiden werde.» J<br />

Nun hatte sie mich erwischt. Mich schuldig fühlen, dass<br />

sie es machen müsste, das wollte ich nicht. Ich wollte<br />

nicht, dass sie es tun musste, darum sagte ich, dass ich<br />

vielleicht die Rasenkanten schneiden könnte, wenn ich<br />

zurückkomme. Und damit packte ich meine Tennissachen<br />

und ging.<br />

Ich kam erst nach Hause als es schon dunkel war. Ich<br />

hatte zum ersten Mal gegen Paul gewonnen und fühlte<br />

mich ziemlich happy. Ich ging in die Küche, öffnete den<br />

Kühlschrank und schenkte mir ein grosses Glas Orangensaft<br />

ein. Hanna kam herein als ich gerade inmitten<br />

eines grossen Schluckes war. Schnell nahm ich das Glas<br />

von meinem Mund und wollte gerade sagen «Ich habe<br />

Paul geschlagen!», als sie fragte: «Gehst du noch die<br />

Rasenkanten schneiden?»<br />

Meine Begeisterung verflog blitzartig und ich war<br />

sofort zurück in meinen irritierenden Gefühlen, die ich<br />

vor zwei Stunden hatte.<br />

«Du bist nun die letzten zwei Stunden hier herum<br />

gesessen und hast dich andauernd gefragt, ob ich wohl<br />

die Rasenkanten schneiden würde», lästerte ich. «Das<br />

ist ein bisschen armseelig.»


«Aber du hast gesagt, du würdest es tun, wenn du zurück<br />

kommst», entgegnete sie.<br />

Ich schoss zurück: «Ich sagte ‹vielleicht› werde ich es<br />

tun. Und das war bevor ich wusste, dass es stockdunkel<br />

sein wird, wenn ich zurückkomme.<br />

«Aber du hast gesagt, dass du es tun würdest.»<br />

«Willst du, dass ich mir im Dunkel die Augen aus dem<br />

Kopf starre, oder was?» gab ich zurück. «Ist es das, was<br />

du willst? Es ist stockdunkel. Ich muss dafür nicht mal<br />

meine Sonnenbrille aufsetzen.»<br />

«Dann werde ich die Rasenkanten schneiden», sagte sie.<br />

Ich hätte sie es ja einfach machen lassen können, wenn<br />

sie unbedingt wollte. Aber das tat ich nicht. Stattdessen<br />

hob ich majestätisch den Kopf, nahm tief Luft und<br />

sagte: «O.k. Ich werde die Kanten schneiden, dem<br />

Frieden im Haus zuliebe.» Und dann stolzierte ich in die<br />

Garage und nahm den Kantenschneider und machte die<br />

Rasenkanten sauber, zwei volle Stunden lang. Wenn sie<br />

die Kanten sauber geschnitten haben wollte, dann wird<br />

sie sauber geschnittene Kanten erhalten!» J<br />

Aber als ich ins Haus zurückkam, meint ihr, dass mein<br />

Arbeitseinsatz den Frieden im Haus gebracht hat? J<br />

Den Frieden hat es aus einem einfachen Grund nicht<br />

gebracht: In meinem Herzen war ich gegenüber Hanna<br />

am kämpfen. Sie schien so engstirnig, rücksichtslos,<br />

fordernd, unvernünftig und kalt, egal ob ich die Rasenkanten<br />

schneide oder nicht. Meine Änderung in<br />

meinem äusserlichen Verhalten hat nichts daran geändert<br />

wie ich mich in meinem Innern ihr gegenüber<br />

gefühlt habe. In der Tat, wenn sich überhaupt etwas<br />

geändert hatte, dann nur, dass je länger ich im Dunkeln<br />

die Rasenränder schnitt, sie mir als wie unmöglicher<br />

erschien. Als ich beim Zaun noch etwas kaputt machte,<br />

weil ich im Dunkeln nicht gut sehen konnte, fühlte ich<br />

eine seltsame Zufriedenheit darüber in mir. Der Zwischenfall<br />

bewies mir, wie unvernünftig Hanna war.<br />

Ihr könnt euch vorstellen, wie die Luft war, als ich<br />

schliesslich zurück ins Haus kam. Unsere Gefühle gegenüber<br />

dem andern «pfufften» aus jedem Wort, jedem<br />

Blick und jeder Geste. In Wahrheit waren wir weniger<br />

zivilisiert zueinander als vorher – was mich übrigens<br />

innerlich gerade noch mehr aufbrachte. Jetzt hatte ich<br />

mich doch eben im Dunkeln abgemüht und meine Augen<br />

gefährdet, weil ich tat, was sie unvernünftigerweise<br />

forderte, und sie war immer noch sauer mir gegenüber!<br />

Das Wenigste, das sie tun könnte, wäre zumindest<br />

dankbar zu sein, sagte ich zu mir selber. Aber nein, sie<br />

kann nicht freundlich zu mir sein!» J<br />

«Denn euer Urteil wird auf euch zurückfallen…» Avi<br />

hat eine ganze Menge Urteile gefällt. Über sich, über<br />

seine Frau, über die Welt,… Und seine Gefühle melden<br />

ihm, was ihn bewegt…<br />

<strong>Verwandlung</strong> beginnt dann, wenn wir zuerst den<br />

Balken in unserem Auge entfernen! Nicht durch unsere<br />

Urteile (oft in schwarz-weiss ) dem andern begegnen.<br />

Das verstärkt nur unser kämpfendes Herz. Wenn wir<br />

zuerst unsere Urteile erkennen und loslassen, dann können<br />

wir neu sehen und mehr sehen. Dann sind wir nicht<br />

von unserem kämpfenden Herzen besetzt, sondern<br />

haben ein Herzen im Frieden. Wir denken nicht mehr<br />

nur schwarz-weiss, sondern können den Anderen als<br />

Menschen sehen und finden auch in schwierigen Auseinandersetzungen<br />

neue Wege.<br />

Arbinger Institute: The Anatomy of Peace. Resolving the<br />

Heart of Conflict. Paperback. 2010: Penguin Books Ltd.<br />

ISBN: 9780141047669<br />

Marc Nussbaumer<br />

11


Wer bin ich eigentlich?<br />

Auf unserer Baustelle in der Wildenau kam ich mit<br />

einem jüngeren Handwerker ins Gespräch. Es passiert<br />

mir oft, dass wir dann bald einmal beim Thema Glauben<br />

sind. Ich berichtete ihm von meinen Erlebnissen, wie ich<br />

von Gott berührt und verwandelt worden bin.<br />

Er erzählte mir, dass er gerne turne und sich im Turnverein<br />

für die Buben und Mädchen engagiert. Dabei<br />

sprach er davon, wie stark sich Kinder von unserer<br />

Gesellschaft, vor allem von den Medien «mani pulieren»<br />

lassen. Dass sie sich sehr stark nach «Vorbildern» ausrichten<br />

und gar nicht mehr wüssten, wer sie selber sind<br />

und was sie selber wollten. Und dazu gehöre auch das<br />

mit diesem Glauben, das sei doch auch so manipulierend!<br />

Er war ganz aufgebracht. Da sagte ich ihm, dass<br />

mir jetzt gerade etwas sehr bewusst werde, und sprach<br />

von unserer 40-Tage-Aktion <strong>Verwandlung</strong>.<br />

Gott ist es sehr wichtig, dass wir wissen wer wir sind,<br />

und er hilft uns dabei, an uns zu glauben und uns selbst<br />

zu werden. Er hat uns gut geschaffen, und das gilt es zu<br />

erkennen. Es gibt viel «Schlechtes» und «Schwieriges»<br />

in unserem Leben, schon seit unserer Kindheit. Davon<br />

können wir uns nicht fernhalten. Aber genau da beginnt<br />

dieser Weg der <strong>Verwandlung</strong>. Dies zu fühlen, zu<br />

erkennen und versuchen es zu verändern. Ich bin überzeugt,<br />

dass Gott uns an diesen Punkt führen möchte. Er<br />

wird uns berühren und uns dabei helfen uns zu verändern.<br />

Das habe ich so erlebt. Und darum ist der Glaube<br />

für mich wichtig und eine grosse Chance geworden.<br />

Mir scheint, da machen wir mehr als genug Fehler. Zu<br />

sehr mühen wir uns damit ab, indem wir denken, wie<br />

wir sein sollten oder wie man sein sollte! So ist es nicht<br />

immer einfach für Gott, uns zu helfen.<br />

Bereit für die Krise?<br />

12<br />

Andres Dietemann<br />

Das Ego in uns<br />

Es war einmal ein Gasthaus, das hiess «Silberstern».<br />

Der Gastwirt kam auf keinen grünen Zweig, obgleich<br />

er alles tat, Gäste zu gewinnen. Er richtete das Haus<br />

gemütlich ein, sorgte für eine freundliche Bedienung<br />

und hielt die Preise in vernünftigen Grenzen. In seiner<br />

Verzweiflung fragte er einen Weisen um Rat.<br />

Als er die jammervolle Geschichte des anderen gehört<br />

hatte, sagte der Weise: «Es ist sehr einfach. Du musst<br />

den Namen deines Gashauses ändern.» – «Unmöglich!»,<br />

sagte der Gastwirt. «Seit Generationen heisst es Silberstern<br />

und ist unter diesem Namen im ganzen Land<br />

bekannt.»<br />

«Nein», sagte der Weise, «Du musst es nun „Die fünf<br />

Glocken“ nennen und über dem Eingang sechs Glocken<br />

aufhängen.» «Sechs Glocken? Das ist doch absurd. Was<br />

soll das bewirken?» «Versuch es doch einmal, und sieh<br />

selbst», sagte der Weise lächelnd.<br />

Also machte der Gastwirt einen Versuch, und Folgendes<br />

geschah: Jeder Reisende, der an dem Gasthaus vorbeikam,<br />

ging hinein, um auf den Fehler aufmerksam<br />

zu machen, jeder in dem Glauben, ausser ihm habe<br />

ihn noch keiner bemerkt. Und wenn sie erst einmal in<br />

der Gaststube waren, waren sie beeindruckt von der<br />

freundlichen Bedienung und blieben da, um eine Erfrischung<br />

zu bestellen. Und das war die Chance, auf die<br />

der Wirt so lange gewartet hatte.<br />

Nichts entzückt das eigene Ich mehr, als die Fehler anderer<br />

korrigieren zu können.<br />

Aus dem Buch:<br />

«365 Geschichten, die gut tun» von Anthony de Mello<br />

Ein altes Sprichwort besagt: «Niemand fängt einen Wildesel durch Rennen; und doch fangen nur jene, die rennen,<br />

jemals den Esel.»<br />

Vielleicht könnten wir sagen: «Niemand kommt allein durch Lieben und Leiden zu Gott; und doch scheinen nur die,<br />

die geliebt und gelitten haben, tiefer zu Gott zu kommen.» Martha gelangt niemals dorthin, indem sie noch mehr<br />

Martha ist. Und dennoch sind ihre Umtriebigkeit, ihre Unaufmerksamkeit und ihre plumpen und vergeblichen Liebesversuche<br />

bereits der Anfang ihrer <strong>Verwandlung</strong> in Maria. Und so ist es bei allen von uns.<br />

Richard Rohr<br />

aus Richard Rohr: Pure Präsenz. Claudius, 2011. ISBN 9783532624135


Bereit für die Machtlosigkeit?<br />

Von der Hoffnung, wo nichts zu hoffen ist<br />

Einmal kamen drei Schüler zu ihrem Meister und<br />

fragten: «Wenn alles hoffnungslos ist, wie kann man<br />

dann noch hoffen?» Der Meister antwortete: «Immer<br />

gilt: Haltet der Einsamkeit stand und wartet, denn alle<br />

Hoffnungslosigkeit kommt aus der Angst von der Einsamkeit<br />

und aus der Ungeduld.»<br />

Die Schüler gaben sich nicht zufrieden und erzählten<br />

von den Schicksalen anderer Menschen. Der erste:<br />

«Wenn ein Kind, das Licht seiner Eltern, unheilbar<br />

auf den Tod liegt – wo ist da Hoffnung?» Der zweite:<br />

«Wenn einen die Geliebte verlassen hat, und war sie<br />

doch das Leben – wie töricht ist da Hoffnung!» Der<br />

dritte: «Wenn einer fortgeführt wird in die Fremde und<br />

keine Brücke führt zurück – worauf da noch hoffen?»<br />

Und wieder antwortete der Meister: «Der Einsamkeit<br />

standhalten und warten!» Und weil sie ihn um ein Zeichen<br />

nach diesen dunklen Worten baten, gab er ihnen<br />

ein Samenkorn. «Wenn das Neue kommen soll, muss<br />

Altes sterben» sagte er und entliess sie.<br />

Die Gegend aber war unwegsam und die Nacht dunkel.<br />

Weitab von des Meisters Haus kamen die drei vom Weg<br />

ab, irrten umher und fielen in eine Höhle; die war sehr<br />

tief, doch sie blieben unverletzt. Wie sie dort auf dem<br />

weichen Moose lagen und sich ihrer Lage bewusst wurden,<br />

fiel ihr Blick nach oben, und sie sahen den Mond;<br />

der beschien ihr Elend.<br />

«Es ist hoffnungslos», begann der eine, «wir kommen<br />

aus eigener Kraft nicht heraus, man wird uns nicht<br />

finden, und unsere Schreie werden in der Einsamkeit<br />

verhallen. Wenn ihr hier vor mir sterben solltet, bleibe<br />

ich allein und einsam. Soll ich darauf warten? Und soll<br />

ich ein Samenkorn pflanzen. Dessen Früchte ich nicht<br />

mehr ernten kann – welchen Sinn macht das?» Dann<br />

beugte er sich nieder, weinte, wurde still und tat seinen<br />

letzten Atemzug. Sprach da der zweite Schüler:» So<br />

geht es mir auch, doch untätig auf den Tod warten will<br />

ich nicht.» Darauf begann er, an den steilen Wänden<br />

der Höhle hinaufzuklettern, erreichte wohl die halbe<br />

Höhe, rutschte dann aber ab. Im Fallen schlug er gegen<br />

die Wand und blieb tot unten liegen. Der dritte Schüler<br />

blickte auf seine beiden Gefährten und dachte bei sich:<br />

«Angst, einmal allein zu bleiben, muss ich nun nicht<br />

mehr haben, denn ich bin allein. Schwach, wie ich bin,<br />

kann das Warten mich stärken.»<br />

Dann blickte er um sich, sah Pflanzen und Sträucher auf<br />

dem Grund der Höhle und hörte hinter sich eine Quelle.<br />

Da fuhr er mit der Hand durch das Wasser, streichelte<br />

den Boden, der ihm Nahrung geben konnte. Wie er dies<br />

tat, fiel ein Blick auf das Samenkorn, das ihm beim Sturz<br />

in die Höhle aus der Tasche gefallen war. Er nahm es<br />

und setzte es in die Erde.<br />

Am nächsten Morgen fielen Sonnenstrahlen in die Höhle;<br />

die wärmten ihn. Kräuter, Beeren und Wasser waren<br />

seine Nahrung tag für Tag. Das Samenkorn aber keimte<br />

und über Tage, die Wochen und die Jahre wuchs der<br />

Keimling zu einem Trieb und der Trieb zu einem Baum,<br />

und seine Krone strebte der Höhlenöffnung entgegen.<br />

Da dankte der Schüler Gott, kletterte den Stamm empor,<br />

verliess die Höhle und rannte zum Haus des Meisters.<br />

«Es gibt Hoffnung, auch wenn keine Hoffnung<br />

mehr ist», rief er. «Du hast es gewusst, ich danke dir.»<br />

Da lächelte der Meister still und sprach: «Wohl habe ich<br />

es gesagt, aber ich wusste es nicht, denn ich war noch<br />

nie ganz ohne Hoffnung.»<br />

Herbert A. Gornik<br />

aus Peter Müller: Fasten, dem Leben Richtung geben, Lesebuch und<br />

Übungsbuch zum spirituellen Fasten. Kösel, 1995.<br />

ISBN 9783466500741<br />

Foto: Martin Luff<br />

13


Heilende Gemeinschaft<br />

Die Glieder des menschlichen Körpers wurden es einmal<br />

überdrüssig, einander zu dienen, und fassten den Vorsatz,<br />

dies nicht mehr zu tun.<br />

Die Füsse sagten: «Warum sollen wir allein für andere<br />

tragen? Schafft euch selbst Füsse, wenn ihr gehen<br />

wollt!» Die Hände sagten: «Warum sollten wir allein für<br />

andere arbeiten? Schafft euch selbst Hände, wenn ihr<br />

Hände braucht!» Der Mund brummte: «Ich müsste wohl<br />

ein grosser Narr sein, wenn ich immer für den Magen<br />

Speisen kauen wollte, damit er nach seiner Bequemlichkeit<br />

verdauen möge; schaffe sich selbst einen Mund,<br />

wer einen nötig hat!» Die Augen fanden es gleichfalls<br />

sehr sonderbar, dass sie allein für den ganzen Leib<br />

beständig Wache halten und für ihn sehen sollten. Und<br />

so sprachen auch alle übrigen Glieder des Leibes, und<br />

eines kündigte dem andern den Dienst auf. Was geschah?<br />

Da die Füsse nicht mehr gehen, die Hände nicht<br />

mehr arbeiten, der Mund nicht mehr essen, die Augen<br />

nicht mehr sehen wollten, so fing der ganze Körper in<br />

allen seinen Gliedern an zu welken und nach und nach<br />

abzusterben.<br />

Da sahen sie ein, dass sie töricht gehandelt hatten, und<br />

wurden einig, dass es künftig nicht wieder geschehen<br />

sollte. Da diente wieder ein Glied dem andern, und alle<br />

wurden wieder gesund und stark, wie sie vorher gewesen<br />

waren.<br />

14<br />

Römische Legende<br />

Die Würde des Menschen<br />

«Die Würde des Menschen ist unantastbar». Dieser Satz,<br />

der erste Satz im deutschen Grundgesetz, kam mir während<br />

der 40-Tage-Aktion immer wieder in den Sinn. Ein<br />

einfacher, schnell daher gesagter Satz, der sich im Laufe<br />

der Aktion bei mir mit Leben füllte. Es fing schon an, als<br />

es in der Predigtreihe vor der 40 Tage Aktion um Ruth<br />

ging. Ich kam während der Predigten ins Nachdenken.<br />

Vor der Predigt feierten wir im Lobpreis, lobten Gott,<br />

seine Liebe und seine Güte und gelobten Ihm auch<br />

unsere Liebe und Treue. Schön ist das schon, aber ist es<br />

das, was Gott von uns erwartet? Erwartet er, dass wir<br />

ihn am Sonntag preisen, den Gottesdienst hören und<br />

sagen: «Ja, ich erwidere die Liebe Gottes»? Hmm - und<br />

wieder fiel mir obiger Satz ein. Ist Gottes Liebe zu allen<br />

Menschen in mir? Ja! Erwartet er vielleicht, dass ich sie<br />

erwidere? Erwartet er nicht viel mehr, dass ich diese<br />

Liebe, die ich in mir spüre, mit allen anderen Menschen<br />

teile? Oder besser gesagt: Diese Liebe Gottes in mir, die<br />

mir gilt, gilt auch allen anderen und ich selber spüre sie<br />

auch für ausnahmslos alle und möchte sie auch zeigen.<br />

Aber wie kann ich das tun?<br />

Ich denke, nun ich habe meinen Weg zur weiteren<br />

Glau bensentwicklung entdeckt. Auch dank des Umweges<br />

über den ersten Satz in diesem Artikel.<br />

Ich meine die Würde des Menschen ist nichts anderes<br />

als die Liebe Gottes die uns allen von ihm gegeben<br />

wurde, und uns auch von niemanden genommen werde<br />

kann.<br />

Andreas Hentschel<br />

Sieger Köder: Mahl mit den Sündern. Wandgemälde im Landhaus des römischen Germanicums «San Pastore» bei Palestrina, 1973


Auf den Weg gehen<br />

Ich habe mich gefreut auf die geistliche Reise über 40<br />

Tage. Das Buch «<strong>Verwandlung</strong>» von Richard Rohr und<br />

auch das Bild von Chriga Matter haben mich sofort<br />

angesprochen.<br />

Aber schon beim Start der geistlichen Reise bin ich<br />

gestolpert. Es hiess nämlich, dass wir unseren Hauskreis<br />

für diese 40 Tage aufteilen sollen. Eine bessere<br />

altersmässige Durchmischung solle helfen, dass wir dem<br />

Thema näher kommen. Ich überlegte mir dann, dass<br />

eine Gruppe, die durch den Tag stattfindet mir entgegenkommen<br />

würde, weil ich abends sehr oft arbeite.<br />

Ich fragte Edith, ob sie sich das auch vorstellen könnte.<br />

Bis die Gruppe aber zustande kam, hatte ich etliche<br />

kleinere Krisen. Ich bin wohl ziemlich ungeduldig und<br />

merkte, dass andere Hauskreise sich überhaupt nicht<br />

aufgeteilt hatten. Umso schöner war es dann, mit den<br />

verschiedenen Frauen auszutauschen, die sich zusammenfanden.<br />

Wir assen auch gemeinsam zu Mittag und<br />

hatten viel zu lachen. Auch Marc konnte auf meine<br />

Einladung hin ein paar Mal dabei sein und gab uns<br />

wichtige Anregungen auf unsere Fragen.<br />

Es lohnt sich, sich auf Neues, Fremdes, Anderes einzulassen.<br />

Eine Reise geht nicht immer auf alten herkömmlichen<br />

Wegen weiter. Vielleicht muss man auch mal<br />

stolpern, damit ein neues Denkmuster entstehen kann.<br />

Am 18. Februar 2012 war ich für einen Tag der Stille<br />

auf dem Sonnenhof in Gelterkinden. Der Bibeltext, wo<br />

Jesus der Frau am Brunnen begegnet, hat uns begleitet<br />

in der Stille, im Gebet, in Gedanken, im Singen, im Bewegen,<br />

im Schreiben, im Malen und Erleben. Folgendes<br />

Haiku-Gedicht (5-7-5 Silben) ist in mir entstanden. Es<br />

hat für mich auch mit der geistlichen Reise zu tun:<br />

Auf den Weg gehen<br />

Durch das Land der Anderen<br />

Beziehung finden<br />

Eins ums andere<br />

Nicht alles gleichzeitig tun<br />

Was ist jetzt wichtig<br />

Nur einfach dasein<br />

Die Quelle sprudeln lassen<br />

Ganz tief in mir drin.<br />

Ganz tief in uns drin<br />

Finden wir Ruhe in Gott<br />

Aufgehobensein<br />

Rosemarie Buser<br />

15

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