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Über die Geschichte der Anatomie

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<strong>Über</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong><br />

Definition: aus dem Griechischen: aná = auf, tomé = Schnitt.<br />

Die <strong>Anatomie</strong> in Antike und Mittelalter<br />

Die menschliche <strong>Anatomie</strong> hatte in den alten Hochkulturen und in <strong>der</strong> klassischen Antike<br />

keine grosse Bedeutung.<br />

Die Medizin im alten Griechenland wurde durch <strong>die</strong> Vier-Säfte-Lehre von Hippokrates<br />

geprägt. In <strong>der</strong> Vier-Säfte-Lehre, auch Humoralpathologie genannt, entstehen Krankheiten<br />

durch Störungen in <strong>der</strong> Ausgewogenheit von Blut, Schleim, schwarzer und gelber Galle.<br />

(Hippokrates lebte 460-375 v. Chr.)<br />

Die Mumifizierungen und Einbalsamierungen im alten Ägypten wurden durch<br />

Mumienmacher ohne wissenschaftlich-anatomische Ambitionen durchgeführt.<br />

D.h. <strong>die</strong> Leichen wurden nur durch kleine Eröffnungen von den Bauch- sowie<br />

Brusteingeweiden und vom Gehirn befreit, um <strong>die</strong> Körperhöhlen von innen austrocknen und<br />

ausfüllen zu können.<br />

Die ersten Sektionen des menschlichen Körpers – und damit <strong>die</strong> wirklichen Anfänge <strong>der</strong><br />

<strong>Anatomie</strong> als wissenschaftliche Disziplin – sind im 3. Jahrhun<strong>der</strong>t vor Christus, in<br />

Alexandria, <strong>der</strong> damals griechischen Hauptstadt Ägyptens, nachweisbar. Herophilos von<br />

Chalkedon und Erasistratos von Keos erforschten <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong> systematisch mittels<br />

Leichenöffnung, zeitweise gar mittels Sektionen an lebenden, verurteilten Verbrechern.<br />

Anatomische Beschreibungen des Gehirns und des 4. Ventrikels stammen aus <strong>die</strong>ser Zeit.<br />

Dieser Zeitabschnitt dauerte jedoch nur ein paar Jahrzehnte. Zu gross war nach wie vor <strong>die</strong><br />

Hemmschwelle vor dem Tabubruch <strong>der</strong> Leichenöffnung.<br />

Und zu stark waren <strong>die</strong> Wi<strong>der</strong>stände an<strong>der</strong>er wissenschaftlicher Richtungen, wie vor allem<br />

<strong>der</strong> Empiriker-Schule.<br />

Claudius Galenus<br />

Ein bedeuten<strong>der</strong> Schritt in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Anatomie</strong> erfolgte erst wie<strong>der</strong> im zweiten<br />

nachchristlichen Jahrhun<strong>der</strong>t durch Claudius<br />

Galenus.<br />

Galen wurde 129 n. Chr. im damals griechischen<br />

Pergamon, dem heute in <strong>der</strong> Türkei liegenden<br />

Bergama, geboren.<br />

Nach Stu<strong>die</strong>n in Philosophie und Medizin<br />

praktizierte er im antiken Rom, wo er als Leibarzt<br />

des Kaisers Marc Aurel in hohem Ansehen stand<br />

und öffentliche anatomische Demonstrationen<br />

abhielt.<br />

Im so genannten „Corpus Galenicum „ verfasste er<br />

ein Werk, indem er das medizinische Wissen seiner<br />

Zeit zusammenfasste und systematisierte. Damit<br />

beeinflusste und bestimmte er das medizinische<br />

Denken und <strong>die</strong> Heilkunde von <strong>der</strong> Spätantike bis<br />

in <strong>die</strong> frühe Neuzeit, also für weit mehr als ein<br />

Jahrtausend.<br />

1


Wie kam Galen nun zu seinen Forschungsergebnissen, in einer Zeit, wo <strong>die</strong> Sektion<br />

menschlicher Leichen aus religiösen Gründen nicht statthaft war?<br />

Die <strong>Anatomie</strong> <strong>der</strong> Knochen stu<strong>die</strong>rte er anhand von Skeletten und Knochen aus zerstörten<br />

Grabstätten. Für <strong>die</strong> Kenntnis oberflächlicher anatomischer Strukturen konnte er auf<br />

Erfahrungen als Gladiatorenarzt zurückgreifen. Daneben sezierte er Hunde, Rin<strong>der</strong>, Bären und<br />

an<strong>der</strong>e Tiere, sogar einen Elefanten, vor allem aber Schweine und Affen, weil letztere dem<br />

Menschen in ihrer <strong>Anatomie</strong> am ähnlichsten schienen. Galen übertrug <strong>die</strong> gewonnenen<br />

Erkenntnisse auf den Menschen – das heisst, seine <strong>Anatomie</strong> ist in weiten Teilen eine<br />

Tieranatomie.<br />

Galens Werke bildeten das Standardwerk für anatomische Vorlesungen. Was ihn aber zum<br />

geschichtlichen Phänomen macht, ist <strong>die</strong> Tatsache, dass es ihm gelang, den medizinischen<br />

Fortschritt für Jahrhun<strong>der</strong>te zu blockieren.<br />

Wohl darf ihm als Ver<strong>die</strong>nst angerechnet werden, das medizinische Wissen seiner Zeit<br />

systematisch zusammengestellt und in über 400 Schriften dargestellt zu haben, selbst war er<br />

jedoch kein schöpferischer Forscher. Er wusste sich zu verkaufen. Sein gesamtes Werk ist<br />

voller Selbstlob und Polemik gegen an<strong>der</strong>e Ärzte, und bis auf Hippokrates liess er niemanden<br />

neben sich gelten.<br />

Unglaubliche dreizehnhun<strong>der</strong>t Jahre machte <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong>, wie überhaupt <strong>die</strong> gesamte<br />

Medizin, keine nennenswerten Fortschritte. Man gab sich mit dem Kopieren alter Schriften,<br />

hauptsächlich jener Galens, zufrieden.<br />

Der Verfall des römischen Reiches im 5. Jahrhun<strong>der</strong>t brachte auch einen Nie<strong>der</strong>gang im<br />

wissenschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Bereich mit sich.<br />

Das Zentrum <strong>der</strong> abendländischen Gelehrsamkeit verlagerte sich nach Konstantinopel, dem<br />

heutigen Istanbul. Die Araber begannen dort anzuknüpfen, wo <strong>die</strong> Kultur <strong>der</strong> Römer<br />

aufgehört hatte.<br />

Erst ab dem 11. Jahrhun<strong>der</strong>t fanden <strong>die</strong> antiken Schriften wie<strong>der</strong> verstärkt Eingang in <strong>die</strong><br />

abendländische Kultur, wo in Salerno <strong>die</strong> erste europäische ärztliche Ausbildungs- und<br />

Forschungsstätte des Mittelalters entstand. Hier wurden eine Vielzahl <strong>der</strong> arabischen, bzw.<br />

<strong>der</strong> durch <strong>die</strong> arabische Medizin überlieferten antiken Quellen ins Lateinische übersetzt.<br />

(…und das Kreuzbein wurde zum Os sacrum). Der anatomische Unterricht wurde mittels<br />

Tiersektionen, v.a. am Schwein, und anhand von Schautafeln durchgeführt.<br />

Zu einem Durchbruch in <strong>der</strong> mittelalterlichen <strong>Anatomie</strong>geschichte kam es aber erst im 13.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t in Bologna als mit dem Anatomen Mondino di Liuzzi, <strong>die</strong> Humansektion<br />

allmählich in den Universitäten eingeführt wurde. Er stellte <strong>die</strong> Sektion in den Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

anatomischen Erkenntnis. Er verfasste mit seiner 1326 vollendeten „Anathomia Mundini“<br />

eine Schrift, <strong>die</strong> bis ins frühe 16. Jahrhun<strong>der</strong>t das anatomische Lehrbuch schlechthin darstellte<br />

und das Dank <strong>der</strong> Erfindung des Buchdrucks im Jahre 1455 auch weit verbreitet werden<br />

konnte.<br />

Wirklich neu in ihren Inhalten war <strong>die</strong> „Anatiomia Mundini„ jedoch nicht. Mondino hat seine<br />

Sektionsergebnisse den überlieferten anatomischen Vorstellungen untergeordnet, und dadurch<br />

<strong>die</strong> antike Autorität v.a. von Galen nie wirklich in Frage gestellt.<br />

Abgesehen von <strong>der</strong> kurzen Phase in <strong>der</strong> alexandrinischen Medizin, im 3. vorchristlichen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t, stellte <strong>die</strong> Sektion des menschlichen Leichnams einen grossen Tabubruch dar,<br />

eine grobe Verletzung <strong>der</strong> Unantastbarkeit des menschlichen Körpers. Ein generelles<br />

Sektionsverbot durch <strong>die</strong> Kirche hat es jedoch nicht gegeben. Zwar wird in <strong>der</strong><br />

Geschichtsschreibung oftmals <strong>die</strong> von Papst Bonifaz VIII. im Jahre 1299 erlassene Bulle<br />

dahingehend interpretiert. Bonifaz verbot <strong>die</strong> Zerstückelung und Abkochung von Leichnamen<br />

2


und damit das gebräuchliche Verfahren, <strong>die</strong> Leichen von hochgestellten Persönlichkeiten, <strong>die</strong><br />

fern ihrer Begräbnisstätte verstorben waren, durch entsprechende Präparationstechniken – das<br />

heisst <strong>die</strong> Zerstückelung, Ausweidung und Abkochung – transportfähig zu machen, um <strong>die</strong><br />

Gebeine an jenem an<strong>der</strong>en Ort bestatten zu können.<br />

Seitens <strong>der</strong> Kirche ausdrücklich erlaubt wurde Sektionen allerdings erst durch Papst Sixtus<br />

IV. im Jahre 1482.<br />

Wie eine solche Lehrsektion ablief sehen wir in ABB.1:<br />

An <strong>der</strong> Lehrkanzel trägt <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong>professor <strong>die</strong><br />

Inhalte <strong>der</strong> Anatomia Mundini vor, während <strong>der</strong><br />

Dissektor <strong>die</strong> eigentliche Sektion durchführt und <strong>der</strong><br />

Demonstrator den anwesenden Zuschauern <strong>die</strong><br />

anatomischen Strukturen aufzeigt.<br />

Der Ablauf <strong>der</strong> Leichenöffnung erfolgte in vier<br />

Schritten, d.h. nach dem Bauchraum wurden zuerst <strong>die</strong><br />

Brust und dann <strong>der</strong> Kopf mit seinem Inhalt seziert, den<br />

Abschluss bildeten <strong>die</strong> Wirbelsäule und <strong>die</strong><br />

Extremitäten. ABB. 3, 4, 6.<br />

Manche anatomische Erkenntnisse behielten ihre Gültigkeit über Generationen von<br />

Forschern. Wurden nicht hinterfragt, einfach auch, weil das Erklärungsmodell so einleuchtend<br />

war. So verhielt es sich mit dem siebenkammerigen Uterus. ABB.5.<br />

Das Siebenkammermodell, dessen Wurzeln wohl in <strong>der</strong> byzantinischen Medizin zu suchen<br />

sind, wurde zunächst andeutungsweise in <strong>der</strong> salernitanischen Schule des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

erwähnt, wo es aber weiterentwickelt wurde und von wo es Eingang in <strong>die</strong> anatomische und<br />

gynäkologische Literatur des 13. bis 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts fand.<br />

Das Modell verbindet und integriert eine Vielzahl antiker Vorstellungen und Theorien wie<br />

beispielsweise <strong>die</strong> mystisch-symbolhafte Bedeutung <strong>der</strong> Zahl Sieben, <strong>die</strong> so genannte<br />

„Rechts-Links-Theorie“ (d.h. <strong>die</strong> Bestimmung des Geschlechts durch <strong>die</strong> Seitigkeit) und <strong>die</strong><br />

3


„Wärmetheorie“, <strong>die</strong> etwa auch in <strong>der</strong> Humoralpathologie zu finden ist, und wonach in<br />

vorliegendem Zusammenhang <strong>der</strong> Wärmegrad für <strong>die</strong> geschlechtliche Ausbildung von<br />

Bedeutung gewesen ist. Auch Themenkomplexen wie Intersexualität und<br />

Mehrlingsschwangerschaften hält <strong>die</strong>ses Modell stand.<br />

Wie wir uns <strong>die</strong>ses Gebärmutter-Modell<br />

vorzustellen haben, wird wie folgt<br />

beschrieben:<br />

Der Uterus wird nach <strong>der</strong><br />

Siebenkammerlehre in sieben Kammern<br />

aufgeteilt; drei liegen auf <strong>der</strong> rechten,<br />

drei auf <strong>der</strong> linken Seite, eine befindet<br />

sich genau in <strong>der</strong> Mitte am Scheitel <strong>der</strong><br />

Gebärmutter. Die rechten Zellen sind<br />

heiss, <strong>die</strong> linken Zellen kalt; in <strong>der</strong><br />

dazwischen liegenden Scheitelzelle<br />

halten sich Wärme und Kälte <strong>die</strong> Waage.<br />

Beginnen wir mit <strong>der</strong> Zelle rechts aussen:<br />

sie ist am wärmsten, und ein Keimling,<br />

<strong>der</strong> in ihr heranreift, entwickelt sich zum<br />

Mann und repräsentiert das männliche<br />

Geschlecht in höchster Vollendung.<br />

Die zweite Zelle liegt weniger weit<br />

rechts, besitzt entsprechend weniger<br />

Hitze; Kin<strong>der</strong>, <strong>die</strong> in ihr heranwachsen,<br />

werden ebenfalls Männer, zeigen den<br />

männlichen Geschlechtshabitus aber<br />

weniger ausgeprägt.<br />

Die dritte Gebärmutterkammer ist bloss lauwarm und kann den Keimen, <strong>die</strong> in ihr<br />

heranwachsen, das männliche Geschlecht nur noch schwach aufprägen: <strong>die</strong> Föten, <strong>die</strong> aus ihr<br />

hervorgehen, entwickeln sich zu weibischen Männern.<br />

Die Scheitelzelle ist ausgewogen temperiert, d.h. sie ist sowohl warm als auch kalt; Früchte,<br />

<strong>die</strong> aus ihr stammen, sind dementsprechend sowohl Mann wie auch Weib und werden zu<br />

echten Hermaphroditen.<br />

Die fünfte Zelle ist bereits kühl, besitzt aber noch soviel Wärme, dass sie Menschen ausprägt,<br />

<strong>die</strong> zwar Frauen sind, aber deutlich männliche Wesensart zeigen, so dass sie als Mannweiber<br />

anzusprechen sind.<br />

Auch <strong>die</strong> sechste Gebärmutterkammer weist noch etwas Wärme auf und verleiht den aus ihr<br />

geborenen Mädchen einen leicht männlichen Einschlag.<br />

Voll ausgeprägte Frauen, <strong>die</strong> den weiblichen Geschlechtstyp in ganzer Reinheit zeigen,<br />

kommen aus <strong>der</strong> siebten Kammer, <strong>die</strong> ganz links aussen in <strong>der</strong> Gebärmutter liegt und den<br />

niedrigsten Wärmegrad aufweist.<br />

4


Die <strong>Anatomie</strong> des Leonardo da Vinci<br />

Leonardo da Vinci wurde 1452 in <strong>der</strong><br />

Nähe von Florenz geboren, als unehelicher<br />

Sohn des Notars Ser Piero da Vinci und<br />

eines Bauernmädchens namens Caterina.<br />

Er ist Maler, Bildhauer, Architekt,<br />

Naturforscher und Ingenieur. Ein<br />

Universalgenie von visionärer Kraft. Er<br />

nutzte das Instrument <strong>der</strong> Malerei und<br />

Zeichnung zur Umsetzung seiner<br />

Beobachtungen, Konstruktionen und<br />

Stu<strong>die</strong>n und wurde so zum Wegbereiter<br />

<strong>der</strong> technischen und wissenschaftlichen<br />

Demonstrationszeichnung.<br />

Als Leonardo bemerkte, dass seine<br />

eigenen Beobachtungen am menschlichen<br />

Körper mit den Lehrbüchern keineswegs<br />

immer übereinstimmten, beschloss er<br />

selbst ein Lehrbuch zu schreiben. Dieses<br />

Vorhaben realisierte er jedoch nie.<br />

Er sezierte selbst, oft heimlich in <strong>der</strong><br />

Nacht, und fertigte danach Zeichnungen<br />

an, <strong>der</strong>en wissenschaftliche Exaktheit<br />

noch heute medizinischen Ansprüchen<br />

standhält. Er spürte sein Leben lang den<br />

geheimen unentdeckten Prinzipien <strong>der</strong> Lebendigkeit des menschlichen Leibes nach.<br />

Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Religion durchdrangen für Leonardo einan<strong>der</strong> in einer<br />

Anthropologie, <strong>die</strong> nach dem Menschen fragt und <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Frage nicht mehr ohne den<br />

sezierenden Blick unter <strong>die</strong> aufgeschnittene Haut zu beantworten weiss.<br />

Die mittelalterliche medizinische Literatur hatte eine topographische Darstellung we<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Beschreibung noch in <strong>der</strong> Illustration gekannt. Ihr Abbildungsbestand war mit einem Skelett,<br />

mit Einzeldarstellungen einiger innerer Organe, mit dem A<strong>der</strong>mann und allenfalls einer<br />

menschlichen Figur erschöpft, in <strong>der</strong>en eröffneter Bauchhöhle entwe<strong>der</strong> <strong>die</strong> Eingeweide o<strong>der</strong><br />

einige Muskeln, summarisch gezeichnet, zu sehen waren.<br />

Leonardo aber war von Anfang an um <strong>die</strong> Verdeutlichung grösserer Zusammenhänge bemüht,<br />

<strong>die</strong> er in möglichst vielen topographischen Details jedes wichtigen Körperabschnittes genau<br />

erkennbar machen wollte. Die topographische Darstellung war ihm eines <strong>der</strong> Hauptanliegen<br />

bei <strong>der</strong> Ausführung seines anatomischen Traktats. Er ist ihr Begrün<strong>der</strong>.<br />

Er erfand darstellerische Methoden, um Innenteile des Körpers in ihrer topographischen<br />

Beziehung zur Körperoberfläche augenfällig zu machen. ABB. 13.<br />

Wesentlich ist auch, dass Leonardo sich bei seinen Stu<strong>die</strong>n neben <strong>der</strong> Sektion – er hat etwa<br />

dreissig Leichenöffnungen vorgenommen – auch des Experiments be<strong>die</strong>nte und nicht nur auf<br />

<strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong> beschränkte, son<strong>der</strong>n darüber hinaus auch physiologische Abläufe erforschte.<br />

Er kombinierte und analogisierte anatomische Teile von Mensch und Tier, sah den Körper<br />

unter geometrischen und mechanisch-physikalischen Gesetzmässigkeiten und transferierte<br />

seine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auf <strong>Anatomie</strong> und Physiologie des Menschen,<br />

wodurch er den Zusammenhang zwischen dem Mikrokosmos des Körpers und dem<br />

Makrokosmos herstellte.<br />

5


Leonardo formulierte 1510 selbst, dass <strong>die</strong> Darstellung und Beschreibung <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> nur<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Abbildung denkbar sei: „Schlage dir den Gedanken aus dem Kopf, <strong>die</strong> Gestalt<br />

des Menschen in allen Ansichten ihrer Glie<strong>der</strong>ung mit Worten wie<strong>der</strong>geben zu können; denn<br />

je eingehen<strong>der</strong> du sie beschreibst, desto mehr wirst du den Geist des Lesers verwirren und<br />

desto mehr wirst du ihm <strong>die</strong> Erkenntnis gerade dessen entziehen, was du beschrieben hast.<br />

Deshalb ist es notwendig, sowohl zu zeichnen als zu beschreiben.“<br />

Zu den frühesten anatomischen Zeichnungen Leonardos gehören <strong>die</strong> Darstellungen des<br />

Schädels, in verschiedenen Schnittebenen und aus unterschiedlicher Perspektive. (1489)<br />

Eindrucksvoll sind dabei seine Zeichnungen <strong>der</strong> Nasennebenhöhlen: Es handelst sich hier um<br />

<strong>die</strong> ersten Darstellungen des bis dahin unbekannten Sinus maxillaris, also <strong>der</strong> Kieferhöhle, <strong>die</strong><br />

– so Leonardo – „den Lebenssaft enthält, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Wurzel <strong>der</strong> Zähne ernährt“.<br />

Schädelstu<strong>die</strong>n gehörten zu jener Zeit kaum zur <strong>Anatomie</strong>. Zur gleichen Zeit hatte er jedoch<br />

auch den Auftrag, ein Modell für <strong>die</strong> Mailän<strong>der</strong> Domkuppel anzufertigen, und so sägte er den<br />

Schädel vielleicht auch deshalb auf, weil er (zu Recht) eine beson<strong>der</strong>s vorzügliche<br />

Leichtbauweise des Knochens zu entdecken hoffte. ABB. 7, 8, 9.<br />

6


Eine weitere wichtige Thematik war <strong>die</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Geschlechtsorganen und<br />

dem werdenden Leben. Von grossem Interesse ist dabei eine Darstellung des Zeugungsaktes<br />

aus dem Zeitraum von etwa 1492 bis 1494. Die Zeichnung zeigt ein Paar beim Geschlechtsakt<br />

im Sagittalschnitt. ABB. 14.<br />

Das Blatt gehört in Leonardos erste Schaffensperiode, in <strong>der</strong> er noch stark antiken Vorbil<strong>der</strong>n<br />

und Traditionen folgte: So ist <strong>die</strong> Gebärmutter noch in Anlehnung an den siebenkammerigen<br />

Uterus durch kammerartige Ausbuchtungen unterglie<strong>der</strong>t, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Samenportionen aufnehmen<br />

können. Es besteht ferner eine direkte Verbindung von <strong>der</strong> Gebärmutter zu Brust – ein antikes<br />

Modell des Milchgangs; <strong>der</strong> Samen kommt nicht nur aus dem Hoden, son<strong>der</strong>n zum Teil auch<br />

aus dem Rückenmark. So kann von eigenständigem anatomischem Erkenntnisgewinn,<br />

zumindest in <strong>die</strong>sem Kontext, keine Rede sein.<br />

Erkenntnisse über <strong>die</strong> bis dahin weitgehend verborgenen Geheimnisse des entstehenden<br />

menschlichen Lebens zeigt <strong>der</strong> Fetus im eröffneten Uterus. ABB. 18.<br />

7


In seinen Abbildungen <strong>der</strong> Wirbelsäule sind sowohl <strong>die</strong> Krümmungen als auch <strong>die</strong> Anzahl <strong>der</strong><br />

Wirbel erstmals richtig wie<strong>der</strong>gegeben. ABB 21.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach Erkenntnissen über <strong>die</strong> Stimmbildung hat er den Aufbau und auch <strong>die</strong><br />

Funktion von Kehlkopf, Luftröhre und Zungenbein eingehend untersucht und dargestellt.<br />

ABB. 24.<br />

8


Bei <strong>der</strong> Beschäftigung mit Leonardo da Vinci und dessen anatomischem Werk ergibt sich<br />

abschliessend fast zwangsläufig <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong> Bewertung seiner Erkenntnisse, seiner<br />

Wirkung und Bedeutung für <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong>geschichte; es drängt sich <strong>der</strong> Gedanke auf, ob<br />

nicht statt Andreas Vesal vielmehr Leonardo da Vinci <strong>der</strong> eigentliche Neuerer <strong>die</strong>ses Faches<br />

gewesen ist.<br />

Lei<strong>der</strong> hat er all seine wegweisenden Erkenntnisse und Einsichten nicht veröffentlicht,<br />

obwohl vom Projekt eines <strong>Anatomie</strong>buches <strong>die</strong> Rede war. Ob es daran gelegen hat, dass er<br />

mit den damaligen technischen Mitteln zur Reproduktion seiner Zeichnungen nicht zufrieden<br />

war (er wollte dafür eigens eine Druckmaschine konstruieren), ob ihn seine mangelnde<br />

Schulbildung daran hin<strong>der</strong>te, dass er in <strong>der</strong> sprachlichen Formulierung nicht über das Stadium<br />

seiner Notizen hinauskam, o<strong>der</strong> ob ihn seine unermüdliche Schaffenskraft und Unrast, <strong>die</strong> ihn<br />

immer wie<strong>der</strong> zu neuen Anfängen führte, halt auch so vieles unvollendet liess.<br />

Leonardos Skizzenbücher mit den dazugehörigen anatomisch-physiologischen Erläuterungen<br />

waren seinen Zeitgenossen wohl nicht unbekannt geblieben, sie wurden aber nur einem<br />

kleinen Kreis überhaupt zugänglich.<br />

Nach Leonardos Tod, 1519, ging sein Nachlass in Form von Einzelblättern und Skizzen<br />

durch etliche Hände in verschiedene Län<strong>der</strong>, bis ein Grossteil davon in Besitz des britischen<br />

Königshauses gelangte. Erst am Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurden sie als Faksimile in <strong>der</strong><br />

breiten Öffentlichkeit bekannt.<br />

In den Jahren danach gab es einige namhafte Anatomen, viele davon in Norditalien, <strong>die</strong><br />

zaghaft eine Erneuerung <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> anstrebten, neue anatomische Strukturen beschrieben,<br />

es jedoch kaum wagten, <strong>die</strong> seit mehr als einem Jahrtausend anerkannte Lehre Galens zu<br />

kritisieren.<br />

An<strong>der</strong>s als <strong>die</strong> heutige, hinter verschlossenen Türen stattfindende medizinische Obduktion,<br />

war <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong> im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t ein öffentliches Spektakel: Um den Sektionstisch<br />

drängten sich Studenten ebenso wie Kaufleute, wohlhabende Handwerker und Damen <strong>der</strong><br />

Gesellschaft; <strong>der</strong> Besuch des anatomischen Theaters kostete Eintritt, und <strong>die</strong> Nähe zur<br />

Manege und zur Bühne wurde gesucht. Das Aufschneiden und Zerlegen des menschlichen<br />

Körpers, das sich über mehrere Tage erstreckte, geriet zu einem Schaustück mit<br />

sensationellem Charakter: Zwischen Ekel, Lust und wilden Phantasien bewegten sich <strong>die</strong><br />

Emotionen <strong>der</strong> Zuschauer. Diese Lust am Grausamen und am Grauen, am Extremen und am<br />

Exzessiven kam zusammen mit dem legitimen Interesse und <strong>der</strong> Hoffnung, durch den Blick in<br />

den Leichnam letztlich zu erfahren, was den Menschen ausmacht, was das Geheimnis des<br />

Menschseins ist, und auch, wie das eigene Innere denn beschaffen ist.<br />

Folgende Abbildungen stammen aus <strong>die</strong>ser Zeit, d.h. ca. aus <strong>der</strong> Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

also Jahrzehnte nach da Vincis Zeichnungen. ABB. 42, 43 und 49.<br />

9


Andreas Vesalius, <strong>der</strong> Reformator <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong><br />

Die Erneuerung <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> beginnt mit einem Paukenschlag. So will es jedenfalls <strong>die</strong><br />

Legende. Wir schreiben das Jahr 1535. An <strong>der</strong> Pariser Universität ist eine Sektion im Gange.<br />

Wie immer noch üblich zerlegt <strong>der</strong> Assistent, <strong>der</strong> ein Chirurg o<strong>der</strong> Barbier sein konnte, <strong>die</strong><br />

Leiche. Der Lehrer ist <strong>der</strong> berühmte Mediziner Jacobus Sylvius. (Der, <strong>der</strong> dem Aquaeductus<br />

Sylvii seinen Namen gab). Sylvius liest von <strong>der</strong> Kanzel herab <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Erläuterungen dazu aus dem vor mehr als 1000 Jahren verfassten Werk von Galen.<br />

Da erhebt sich ein 19jähriger Student und weist seinen Lehrer auf <strong>die</strong> Irrtümer hin, darauf,<br />

dass das Vorgetragene nicht mit dem Gesehenen übereinstimme. Es ist Andreas Vesal, <strong>der</strong> es<br />

wagt, <strong>die</strong> bisher unangezweifelte Autorität Galens zu untergraben.<br />

Sylvius als überzeugter Anhänger <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> von Galen, war eher bereit <strong>die</strong> abweichenden<br />

Sektionsergebnisse als anatomische Anomalien zu erklären, o<strong>der</strong> er behauptete sogar, seit<br />

Galens Lehren habe eine Verän<strong>der</strong>ung und Degeneration im menschlichen Körper<br />

stattgefunden.<br />

Andreas Vesal o<strong>der</strong> Vesalius wurde<br />

1514 in Brüssel als Sohn eines<br />

kaiserlichen Leibapothekers<br />

geboren.<br />

An<strong>der</strong>s als Leonardo da Vinci<br />

genoss <strong>der</strong> junge Vesal eine gute<br />

Ausbildung, sodass er im Alter von<br />

23 Jahren schon eine Professur an<br />

<strong>der</strong> namhaften Universität von<br />

Padua erhielt.<br />

Die folgenden Jahre standen ganz<br />

im Zeichen <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong>: Vesal<br />

reformierte den anatomischen<br />

Unterricht in Padua, indem er nicht<br />

mehr von <strong>der</strong> Lehrkanzel herab<br />

vorlas, son<strong>der</strong>n selbst sezierte und<br />

dabei seine Befunde erläuterte.<br />

Ab dem Jahr 1539 war auch das<br />

Problem <strong>der</strong> Beschaffung von<br />

Leichen geregelt, denn das<br />

Kriminalgericht überliess ihm <strong>die</strong><br />

Leichnahme <strong>der</strong> hingerichteten<br />

Verbrecher.<br />

Wenige Jahre später legt Vesal, er ist gerade 29 Jahre alt, das erste, systematische<br />

ausschliesslich am menschlichen Leichnam erarbeitete anatomische Lehrbuch <strong>der</strong> Neuzeit<br />

vor:<br />

„De humani corporis fabrica libri septem“, also <strong>die</strong> „Sieben Bücher vom Bau des<br />

menschlichen Körpers“ erscheint 1543 in Basel. ABB 67.<br />

Anzumerken ist, dass sowohl bei den Muskelmännern wie bei den Skelettfiguren <strong>die</strong> Posen<br />

nicht nur aufgrund des künstlerischen Ausdrucks eingenommen werden, son<strong>der</strong>n auch und<br />

vor allem <strong>der</strong> anatomischen Darstellung zugute kommen.<br />

10


Es gelang Vesal, durch eine<br />

konsequente und systematische Präparation des menschlichen Körpers eine Vielzahl <strong>der</strong><br />

hartnäckig über mehr als ein Jahrtausend hinweg tra<strong>die</strong>rten „Irrtümer“ Galens, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser aus<br />

Tiersektionen gewonnen und auf den Mensche übertragen hatte, zu entdecken, und sie zu<br />

korrigieren o<strong>der</strong> zu wi<strong>der</strong>legen. So zum Beispiel, dass <strong>der</strong> Unterkiefer nicht zweigeteilt ist,<br />

das Brustbein aus einem und nicht aus sieben Teilen besteht, dass <strong>der</strong> Uterus we<strong>der</strong><br />

siebenkammerig noch zweigeteilt ist. Und auch, dass es das immer wie<strong>der</strong> beschriebene<br />

geheimnisvolle rete mirabile, das Wun<strong>der</strong>netz an <strong>der</strong> Schädelbasis, gar nicht gibt.<br />

Wesentlich beteiligt am Erfolg des Werkes von Vesal sind <strong>die</strong> Illustratoren, <strong>die</strong> Vesals<br />

<strong>Anatomie</strong> plastisch anschaulich umsetzten. Sicher ist, dass <strong>die</strong> Künstler aus dem Atelier von<br />

Tizian stammten. Ob einige <strong>die</strong>ser Muskelmänner gar von Tizian selbst gezeichnet wurden,<br />

ist umstritten.<br />

Unumstritten ist hingegen ihre künstlerische Ausdruckskraft. Vor dem Hintergrund einer<br />

toskanischen Landschaft erhebt sich eine enthäutete Figur, <strong>der</strong>en Muskeln blossliegen. An<strong>der</strong>s<br />

als in den Werken <strong>der</strong> medizinischen <strong>Anatomie</strong> bis dahin üblich, wird <strong>der</strong> Körper nicht als<br />

Leichnam, auf dem Seziertisch liegend dargestellt, son<strong>der</strong>n aufrecht und aus eigener Kraft<br />

stehend.<br />

Nicht toter Körper, Fragment ist <strong>die</strong>ser anatomische Mensch, son<strong>der</strong>n lebendiger Leib. Er<br />

schaut in <strong>die</strong> Welt, in <strong>der</strong> er lebt und auf <strong>die</strong> er einwirkt. Der von Vesalius beschriebene, in<br />

seine Einzelteile zerlegte Körper ist im Moment des Beschreibens, des Zerlegens zugleich<br />

auch ganzer Mensch. Während <strong>der</strong> Körper zu zerfliessen scheint, weil <strong>die</strong> Muskelstränge<br />

herabhängen, blickt das Gesicht <strong>der</strong> Figur zum Himmel.<br />

11


Vesals Werk fasste das bis dahin erforschte und gesammelte Wissen über den Aufbau des<br />

menschlichen Körpers in eindrucksvoller Weise auf mehr als siebenhun<strong>der</strong>t grossformatigen<br />

Seiten zusammen.<br />

Im Jahre nach dem Erscheinen seines epochalen Werkes kehrte Vesalius <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

den Rücken. Was den erst 30jährigen dazu bewogen hatte, ist unklar. Er wurde Leibarzt<br />

Kaiser Karls des V.<br />

12


1564 brach Vesalius zu einer Fahrt nach Jerusalem auf, von <strong>der</strong> er nicht zurückkehrte. Pilger<br />

berichteten, dass Vesalius auf <strong>der</strong> Rückreise aus dem Heiligen Land in einer griechischen<br />

Stadt dem Katarrh erlegen sei.<br />

Doch bald verbreiteten sich zahllose weitläufige Erzählungen über Vesalius´ Ende. So soll er<br />

nach einer Sektion eines Scheintoten wegen Mord und Gotteslästerung verklagt worden sein.<br />

D.h. bei <strong>der</strong> Sektion stellte sich heraus, dass bei <strong>der</strong> vermeintlichen Leiche das Herz noch<br />

schlug. Die Inquisition verhängte das Todesurteil, und <strong>der</strong> Kaiser habe das mit viel Mühe<br />

dahingehend abän<strong>der</strong>n können, dass Vesalius zur Sühne seines Frevels eine Reise nach<br />

Jerusalem und auf den Berg Sinai unternahm.<br />

Mit Andreas Vesal und seinem grandiosen Hauptwerk „De humani corporis fabrica libri<br />

septem“ des Jahres 1543 war ein Wendepunkt <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong>geschichte erreicht, eine Abkehr<br />

von <strong>der</strong> <strong>Über</strong>macht antiker Autoritäten, hin zum Erkenntnisgewinn durch eigene Anschauung<br />

und Forschung. Seine bedeutenden anatomischen Erkenntnisse bildeten zudem einen<br />

wichtigen Grundstein für <strong>die</strong> Pathologie und <strong>die</strong> Physiologie.<br />

Die Erforschung des menschlichen Körpers ging auch in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 16.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts und im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t weiter, nun unter wesentlich günstigeren Bedingungen<br />

und an verschiedenen Universitäten gleichzeitig.<br />

Hier ein paar Namen:<br />

Der Italiener Bartolomeo Eustachi (1510-1574) entdeckte und beschrieb eine Vielzahl<br />

anatomischer Strukturen, wobei insbeson<strong>der</strong>e seine Schriften über <strong>die</strong> Niere mit seiner<br />

Erstbeschreibung <strong>der</strong> Nebenniere, <strong>die</strong> Zähne, das Venensystem und das Gehörorgan<br />

hervorzuheben sind. So heisst <strong>die</strong> Ohrtrompete denn auch Eustach´sche Röhre.<br />

Guido Guidi, auch bekannt als Vidus Vidius (1508-1569) erforschte beson<strong>der</strong>s <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong><br />

<strong>der</strong> Schädelknochen. Nach ihm benannt sind <strong>der</strong> Canalis Vidianus (also <strong>der</strong> Canalis<br />

pterygoideus) mit dem Nervus Vidianus (N. canalis pterygoidei, <strong>der</strong> zuführende Ast zum<br />

Ganglion pterygopalatinum).<br />

Der schweizerische Anatom und Botaniker Caspar Bauhin (1560-1624) gab <strong>der</strong> Bauhin´schen<br />

Klappe an <strong>der</strong> Einmündung vom Dünndarm zum Dickdarm seinen Namen.<br />

Die Bartholinschen Drüsen <strong>der</strong> weiblichen Scheide wurden nach dem Dänen Caspar Bartholin<br />

junior (1655-1738) benannt.<br />

Der Englän<strong>der</strong> Thomas Willis gilt mit seinem 1664 erschienenen Werk „Cerebri anatome“ als<br />

Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Neuroanatomie. Der Circulus arteriosus cerebri ist auch unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

Circulus Willisii bekannt.<br />

Mit <strong>der</strong> Erfindung des Mikroskops um <strong>die</strong> Mitte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts begannen sich auch in<br />

<strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> noch weitere Geheimnisse zu lüften. So wurden <strong>die</strong> roten Blutkörperchen<br />

entdeckt, <strong>die</strong> allerdings zuerst noch für Fettbläschen gehalten wurden. Die Querstreifung <strong>der</strong><br />

Muskulatur konnte beschrieben werden. Und im Zahnbelag wurden fünf verschiedene<br />

Bakterien dargestellt.<br />

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Heute stehen wir am Anfang des dritten Jahrtausends. Wir kennen nahezu jedes Detail des<br />

menschlichen Körpers, sind mit Hilfe von Mikroskop und Elektronenmikroskop in das Innere<br />

des Menschen eingedrungen, haben <strong>die</strong> Zellen und ihre Feinstrukturen erforscht. Selbst <strong>der</strong><br />

Code unserer Gene konnte geknackt werden.<br />

Und dennoch lässt uns unser Körper immer wie<strong>der</strong> aufs Neue staunen.<br />

In <strong>die</strong>sem Sinne möchte ich meine Arbeit mit einem Rasterelektronenmikroskop-Bild von den<br />

liquorbildenden Zellen im Plexus chorioideus abschliessen:<br />

Regula Gehrig, Heinrichstrasse 97, 8005 Zürich, Tel. 044 271 12 20, rgehrig@bluewin.ch<br />

Physiotherapie-Praxis, Mittelbergsteig 7B, 8044 Zürich, Tel. 044 261 30 38<br />

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Quellen- und Literaturverzeichnis:<br />

- Beier Rosmarie und Roth Martin, Der gläserne Mensch – eine Sensation, 1990<br />

- Chorlton Windsor, Kunstwerk Körper, 2005<br />

- Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 1931<br />

- Hyrtl Joseph, Lehrbuch <strong>der</strong> <strong>Anatomie</strong> des Menschen, 1873<br />

- Hyrtl Joseph, Onomatologia Anatomica, <strong>Geschichte</strong> und Kritik <strong>der</strong> anatomischen<br />

Sprache <strong>der</strong> Gegenwart, 1880<br />

- Martin, R. Prof. Dr., über Skelettkult und verwandte Vorstellungen, Separat-<br />

Abdruck aus den Mitteilungen <strong>der</strong> Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft in<br />

Zürich, 1920.<br />

- Vollmuth Ralf, Das anatomische Zeitalter, 2004<br />

- Will Rolf, Zähne, Menschen und Kulturen, 2001<br />

- WWW. Wikipedia, <strong>die</strong> freie Enzyklopä<strong>die</strong>: <strong>Anatomie</strong>, Medizingeschichte<br />

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