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Über die Geschichte der Anatomie

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Wie kam Galen nun zu seinen Forschungsergebnissen, in einer Zeit, wo <strong>die</strong> Sektion<br />

menschlicher Leichen aus religiösen Gründen nicht statthaft war?<br />

Die <strong>Anatomie</strong> <strong>der</strong> Knochen stu<strong>die</strong>rte er anhand von Skeletten und Knochen aus zerstörten<br />

Grabstätten. Für <strong>die</strong> Kenntnis oberflächlicher anatomischer Strukturen konnte er auf<br />

Erfahrungen als Gladiatorenarzt zurückgreifen. Daneben sezierte er Hunde, Rin<strong>der</strong>, Bären und<br />

an<strong>der</strong>e Tiere, sogar einen Elefanten, vor allem aber Schweine und Affen, weil letztere dem<br />

Menschen in ihrer <strong>Anatomie</strong> am ähnlichsten schienen. Galen übertrug <strong>die</strong> gewonnenen<br />

Erkenntnisse auf den Menschen – das heisst, seine <strong>Anatomie</strong> ist in weiten Teilen eine<br />

Tieranatomie.<br />

Galens Werke bildeten das Standardwerk für anatomische Vorlesungen. Was ihn aber zum<br />

geschichtlichen Phänomen macht, ist <strong>die</strong> Tatsache, dass es ihm gelang, den medizinischen<br />

Fortschritt für Jahrhun<strong>der</strong>te zu blockieren.<br />

Wohl darf ihm als Ver<strong>die</strong>nst angerechnet werden, das medizinische Wissen seiner Zeit<br />

systematisch zusammengestellt und in über 400 Schriften dargestellt zu haben, selbst war er<br />

jedoch kein schöpferischer Forscher. Er wusste sich zu verkaufen. Sein gesamtes Werk ist<br />

voller Selbstlob und Polemik gegen an<strong>der</strong>e Ärzte, und bis auf Hippokrates liess er niemanden<br />

neben sich gelten.<br />

Unglaubliche dreizehnhun<strong>der</strong>t Jahre machte <strong>die</strong> <strong>Anatomie</strong>, wie überhaupt <strong>die</strong> gesamte<br />

Medizin, keine nennenswerten Fortschritte. Man gab sich mit dem Kopieren alter Schriften,<br />

hauptsächlich jener Galens, zufrieden.<br />

Der Verfall des römischen Reiches im 5. Jahrhun<strong>der</strong>t brachte auch einen Nie<strong>der</strong>gang im<br />

wissenschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Bereich mit sich.<br />

Das Zentrum <strong>der</strong> abendländischen Gelehrsamkeit verlagerte sich nach Konstantinopel, dem<br />

heutigen Istanbul. Die Araber begannen dort anzuknüpfen, wo <strong>die</strong> Kultur <strong>der</strong> Römer<br />

aufgehört hatte.<br />

Erst ab dem 11. Jahrhun<strong>der</strong>t fanden <strong>die</strong> antiken Schriften wie<strong>der</strong> verstärkt Eingang in <strong>die</strong><br />

abendländische Kultur, wo in Salerno <strong>die</strong> erste europäische ärztliche Ausbildungs- und<br />

Forschungsstätte des Mittelalters entstand. Hier wurden eine Vielzahl <strong>der</strong> arabischen, bzw.<br />

<strong>der</strong> durch <strong>die</strong> arabische Medizin überlieferten antiken Quellen ins Lateinische übersetzt.<br />

(…und das Kreuzbein wurde zum Os sacrum). Der anatomische Unterricht wurde mittels<br />

Tiersektionen, v.a. am Schwein, und anhand von Schautafeln durchgeführt.<br />

Zu einem Durchbruch in <strong>der</strong> mittelalterlichen <strong>Anatomie</strong>geschichte kam es aber erst im 13.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t in Bologna als mit dem Anatomen Mondino di Liuzzi, <strong>die</strong> Humansektion<br />

allmählich in den Universitäten eingeführt wurde. Er stellte <strong>die</strong> Sektion in den Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

anatomischen Erkenntnis. Er verfasste mit seiner 1326 vollendeten „Anathomia Mundini“<br />

eine Schrift, <strong>die</strong> bis ins frühe 16. Jahrhun<strong>der</strong>t das anatomische Lehrbuch schlechthin darstellte<br />

und das Dank <strong>der</strong> Erfindung des Buchdrucks im Jahre 1455 auch weit verbreitet werden<br />

konnte.<br />

Wirklich neu in ihren Inhalten war <strong>die</strong> „Anatiomia Mundini„ jedoch nicht. Mondino hat seine<br />

Sektionsergebnisse den überlieferten anatomischen Vorstellungen untergeordnet, und dadurch<br />

<strong>die</strong> antike Autorität v.a. von Galen nie wirklich in Frage gestellt.<br />

Abgesehen von <strong>der</strong> kurzen Phase in <strong>der</strong> alexandrinischen Medizin, im 3. vorchristlichen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t, stellte <strong>die</strong> Sektion des menschlichen Leichnams einen grossen Tabubruch dar,<br />

eine grobe Verletzung <strong>der</strong> Unantastbarkeit des menschlichen Körpers. Ein generelles<br />

Sektionsverbot durch <strong>die</strong> Kirche hat es jedoch nicht gegeben. Zwar wird in <strong>der</strong><br />

Geschichtsschreibung oftmals <strong>die</strong> von Papst Bonifaz VIII. im Jahre 1299 erlassene Bulle<br />

dahingehend interpretiert. Bonifaz verbot <strong>die</strong> Zerstückelung und Abkochung von Leichnamen<br />

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