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Behandlung der Augen bei Lähmung des Nervus Abducens

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DIE ABDUZENSPARESE<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t <strong>der</strong> Schule für<br />

Craniosacrale Osteopathie<br />

von Karin Pomsar, Affoltern a/A<br />

2005<br />

1


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1. Der Augapfel (Bulbus oculi) S. 1<br />

2. Der Sehvorgang S. 1<br />

2.1. Die Bildwahrnehmung S. 1<br />

2.2. Normales Binukularsehen S. 2<br />

2.3. Abweichungen zum normalen Binokularsehen S. 2<br />

3. Anatomische Verhältnisse von Orbita und Orbitainhalt S. 3<br />

3.1. Die Orbita S. 3<br />

3.2. Bindegewebige Aufhängung <strong>des</strong> Bulbus S. 4<br />

3.3. Nerven S. 4<br />

3.4. Gefässe S. 4<br />

3.4.1. Die wichtigsten Arterien <strong>der</strong> Orbita S. 4<br />

3.4.2. Die wichtigsten Venen <strong>der</strong> Orbita S. 4<br />

4. Die Beweglichkeit <strong>des</strong> Auges innerhalb <strong>der</strong> Orbita S. 5<br />

4.1. Die äusseren <strong>Augen</strong>muskeln S. 5<br />

4.2. Die Funktion <strong>der</strong> äusseren <strong>Augen</strong>muskeln S. 5<br />

4.3. Innervation <strong>der</strong> äusseren <strong>Augen</strong>muskeln S. 6<br />

5. Die Abduzensparese S. 6<br />

5.1. Verlauf <strong>des</strong> <strong>Nervus</strong> abduzens S. 6<br />

5.2. Klinisches Bild einer Störung <strong>des</strong> <strong>Nervus</strong> abduzens S. 7<br />

5.3. Ursachen, Vorkommen, Therapie und Verlauf S. 7<br />

5.4. Dysfunktionen aus Cranio-Perspektive S. 8<br />

5.4.1. Ossäre Dysfunktionen S. 8<br />

5.4.2. Muskuläre Dysfunktionen S. 9<br />

5.4.3. Membranöse Dysfunktionen S. 9<br />

5.4.3.1. Dysfunktionen an Ligamenten S. 9<br />

5.4.3.2. Dysfunktionen an Faszien S. 9<br />

5.4.4. Störungen <strong>des</strong> <strong>Nervus</strong> abduzens o<strong>der</strong> von Hirnanteilen S. 10<br />

5.4.5. Vaskuläre Störungen S. 10<br />

5.5. <strong>Behandlung</strong>smöglichkeiten durch die CSO S. 11<br />

5.6. Vorsicht? S. 12<br />

6. Quellenangaben S. 13<br />

2


1. Der Augapfel (Bulbus oculi)<br />

Kurze anatomische Übersicht<br />

Der kugelartige Augapfel ist aus drei Schichten aufgebaut: Der äusseren, mittleren und<br />

inneren <strong>Augen</strong>haut.<br />

Die äussere, fibröse <strong>Augen</strong>haut entspricht <strong>der</strong> straffen Dura mater <strong>des</strong> Gehirns. Zu ihr<br />

gehören die undurchsichtige, weisse Le<strong>der</strong>haut (Sklera), welche sich in die äussere Scheide<br />

(Dura mater und Arachnoidea) <strong>des</strong> N. opticus fortsetzt, sowie die gefässlose, durchsichtige<br />

Hornhaut (Cornea).<br />

Die mittlere, gefässführende <strong>Augen</strong>haut entspricht <strong>der</strong> gefässführenden Arachnoidea und<br />

Pia mater. Sie besteht im vor<strong>der</strong>en Abschnitt <strong>des</strong> Augapfels aus dem Ziliarkörper (Corpus<br />

ciliare) und <strong>der</strong> Regenbogenhaut (Iris) und im hinteren Abschnitt aus <strong>der</strong> A<strong>der</strong>haut<br />

(Chorioidea).<br />

Die innere, sensorische <strong>Augen</strong>haut entspricht dem Nervengewebe <strong>der</strong> Hirnrinde. Zur inneren<br />

<strong>Augen</strong>haut gehört die Netzhaut (Retina). Ihre äussere Schicht besteht aus Pigmentepithel<br />

(Pars pigmentosa), innen befinden sich die bildaufnehmenden Sinnesrezeptoren (Pars<br />

nervosa).<br />

Weiter gehören zum Augapfel die <strong>Augen</strong>linse (Lens), die <strong>Augen</strong>kammer (vor<strong>der</strong>e und<br />

hintere) sowie <strong>der</strong> Glaskörper (Corpus vitreum).<br />

Die gefässlose, transparente Linse wird durch den Aufhängeapparat <strong>des</strong> Ziliarkörpers<br />

(Zonulafasern) in ihrer Position hinter <strong>der</strong> Pupille gehalten.<br />

Die vor <strong>der</strong> Linse liegende <strong>Augen</strong>kammer wird durch die Iris in eine vor<strong>der</strong>e und eine hintere<br />

<strong>Augen</strong>kammer unterteilt. Beide <strong>Augen</strong>kammern sind durch die Pupille miteinan<strong>der</strong> verbunden<br />

und mit einer liquorähnlichen, zellfreien klaren Flüssigkeit gefüllt (Kammerwasser).<br />

Die zum grössten Teil aus Wasser bestehende, geleeartige Substanz <strong>des</strong> Glaskörpers füllt<br />

den Innenraum <strong>des</strong> Augapfels hinter <strong>der</strong> Linse aus.<br />

Bild<br />

Struktur <strong>des</strong> Augapfels mit Hornhaut und Sehnerv<br />

Auf weitere Details und Funktionen <strong>der</strong> einzelnen Strukturen möchte ich hier verzichten, da<br />

sich Angaben dazu in den meisten Anatomiebüchern finden. In Kapitel 2 folgt eine<br />

Darstellung <strong>des</strong> Sehvorganges; <strong>der</strong> Bewegungsapparat <strong>des</strong> Auges wird in Kapitel 4<br />

beschrieben.<br />

2. Der Sehvorgang<br />

2.1. Die Bildwahrnehmung<br />

Damit ein Gegenstand unserer Umwelt scharf gesehen werden kann, müssen die von einem<br />

bestimmten Punkt eines Gegenstan<strong>des</strong> ausgehenden Lichtstrahlen exakt auf die Netzhaut<br />

gebündelt werden. Dies geschieht durch die Lichtbrechung (Hornhaut, Kammerwasser, Linse<br />

und Glaskörper). Auf <strong>der</strong> Netzhaut entsteht dann ein verkleinertes, spiegelbildliches und<br />

umgekehrt stehen<strong>des</strong> Netzhautbild <strong>des</strong> betrachteten Gegenstan<strong>des</strong>. Dieses Netzhautbild<br />

wird durch das Gehirn wie<strong>der</strong> „richtig“ gestellt.<br />

Durch die Elastizität <strong>der</strong> Linse ist, mit Hilfe <strong>des</strong> Ziliarmuskels, die Akkommodation möglich.<br />

Unter Akkommodation versteht man die Anpassung <strong>des</strong> Auges an unterschiedliche<br />

Entfernungen, um Gegenstände auf <strong>der</strong> Netzhaut scharf abzubilden.<br />

Der lichtempfindliche Teil <strong>der</strong> Netzhaut enthält Sinnes-, Nerven- und Stützzellen.<br />

Die Sinneszellen setzen die einfallende Lichtenergie in Nervenimpulse um und stehen über<br />

kurze Fortsätze (Dendriten) mit den Nervenzellen in Verbindung. Sie werden unterteilt in<br />

zwei Typen: Die Zapfen für das Farbensehen und die Stäbchen für das Dämmerungssehen.<br />

Am Ort <strong>des</strong> schärfsten Sehens, <strong>der</strong> Fovea centralis (siehe Bild Kapitel 1), befinden sich<br />

3


eson<strong>der</strong>s viele Zapfen. Im Austrittsbereich <strong>des</strong> Sehnerven, auch Papille o<strong>der</strong> blin<strong>der</strong> Fleck<br />

(siehe Bild Kapitel 1) genannt, findet man keine Zapfen / Stäbchen.<br />

Die Impulse, welche <strong>bei</strong> Lichtreizung von Zapfen und Stäbchen an die anliegenden<br />

Nervenzellen weitergegeben werden, gelangen über <strong>der</strong>en Axone durch die Netzhaut zum<br />

blinden Fleck.<br />

Die Nervenimpulse werden durch den Sehnerven abgeleitet, wo<strong>bei</strong> die Fasern <strong>der</strong> äusseren<br />

(temporalen) Netzhauthälften ungekreuzt, diejenigen <strong>der</strong> inneren (nasalen) Netzhauthälften<br />

gekreuzt das Chiasma opticum (über dem Türkensattel) durchlaufen. Die Fortsetzung zieht<br />

dann als Sehbahn (Tractus opticus) <strong>bei</strong>dseits nach hinten und lateral zum seitlichen<br />

Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale, eine Struktur <strong>des</strong> Thalamus), wo die Erregung auf<br />

weitere Neurone umgeschaltet wird. Als Sehstrahlung erreichen die Axone dieser<br />

Nervenzellen dann die Sehrinde im Hinterhauptslappen <strong>des</strong> Grosshirns.<br />

Man unterscheidet eine primäre und eine sekundäre Sehrinde. In <strong>der</strong> primären Sehrinde<br />

endet die Sehbahn, hier geht also das von <strong>der</strong> Netzhaut gelieferte „Bildmaterial“ ein. In <strong>der</strong><br />

sekundären Sehrinde (visuelles Assoziationsgebiet) werden die Bil<strong>der</strong> weiterverar<strong>bei</strong>tet, z.B.<br />

mit früheren optischen Eindrücken verglichen, so dass das Gesehene nicht nur<br />

wahrgenommen wird („grosser Mann mit Schnurrbart und weissem Kittel“), son<strong>der</strong>n auch<br />

identifiziert („Chefarzt Dr. Klein“) werden kann. Zu den sekundären Sehzentren gehört auch<br />

das Lesezentrum im hinteren Scheitellappen.<br />

Bild<br />

Chiasma opticum (Sehnervenkreuzung)<br />

2.2. Normales Binokularsehen<br />

Beim Sehen werden nicht nur Helligkeitsunterschiede und Farben erfasst, son<strong>der</strong>n es<br />

entsteht über die Wahrnehmung unterschiedlicher Entfernungen und die Lagebeziehungen<br />

von Objekten durch <strong>bei</strong>de <strong>Augen</strong> auch ein räumliches Bild <strong>der</strong> Aussenwelt (Stereopsis o<strong>der</strong><br />

Tiefenwahrnehmung).<br />

Gleichzeitig ist das Auge auch zeitlich hochauflösend: In heller Umgebung kann es bis zu 15,<br />

im Dunkeln jedoch nur bis zu 5 Bil<strong>der</strong> pro Sekunde unterscheiden. In dunklen Kinosälen<br />

verschmelzen so die Einzelbil<strong>der</strong> eines Films zu einer kontinuierlichen Bildsequenz.<br />

Die Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong><strong>der</strong> <strong>Augen</strong> beruht auf <strong>der</strong> Tatsache, dass die Gesichtsfel<strong>der</strong> <strong>bei</strong><strong>der</strong><br />

<strong>Augen</strong> sich überdecken (Fusion) und dass in <strong>bei</strong>den <strong>Augen</strong> sich Punkte o<strong>der</strong> Bereiche mit<br />

gleichem Richtungswert finden (die Fovea hat den Richtungswert geradeaus, Punkte<br />

unterhalb haben den Richtungswert oberhalb, Punkte nasal haben den Richtungswert<br />

temporal usw.). Man spricht von „korrespondierenden Netzhautpunkten“.<br />

Subjektiv lokalisiert man das <strong>bei</strong>däugige Sehen nicht in ein Auge o<strong>der</strong> auf eine<br />

Gesichtsseite, son<strong>der</strong>n in die Mitte zwischen <strong>bei</strong>den <strong>Augen</strong>. Kleinkin<strong>der</strong> halten ein<br />

Kaleidoskop vor die Nasenwurzel, erst etwa im Alter von 5 Jahren wird es vor das führende<br />

Auge genommen.<br />

2.3. Abweichungen zum normalen Binokularsehen<br />

Wenn <strong>bei</strong>den <strong>Augen</strong> ungleiche Bil<strong>der</strong> mit sich überschneidenden Konturen dargeboten<br />

werden, tritt ein Wettstreit <strong>der</strong> Sehempfindungen <strong>bei</strong><strong>der</strong> <strong>Augen</strong> auf. Auf die Dauer dominiert<br />

das Bild, welchem die Aufmerksamkeit zugewandt wird, während das an<strong>der</strong>e Bild<br />

unterdrückt wird (Suppression). Dies ist <strong>bei</strong>m Normalsehenden z.B. <strong>bei</strong>m einäugigen<br />

Mikroskopieren <strong>der</strong> Fall, wenn <strong>bei</strong>de <strong>Augen</strong> offen sind.<br />

Bei Störungen <strong>des</strong> binokularen Sehens finden wir das Phänomen <strong>der</strong> Suppression z.B.<br />

<strong>bei</strong>m Schielen (Fehlstellung eines Auges) o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> Anisometropie (ungleiche Refraktion /<br />

Brechkraft <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>, dadurch kann es auch zu Bildgrössenunterschieden = Aniseikonie<br />

kommen).<br />

4


Beim Schielen tritt eine Verdoppelung <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> auf und um dieses Doppelbild (Diplopie) zu<br />

vermeiden, wird das Schielauge supprimiert. Bei schielenden Kin<strong>der</strong>n ist das Doppelsehen<br />

selten. Kin<strong>der</strong>, die seit Geburt schielen, zeigen in <strong>der</strong> Regel sehr starke Suppressionen,<br />

Kin<strong>der</strong> die akut zu schielen beginnen sehen vielfach in <strong>der</strong> ersten Zeit doppelt, lernen aber<br />

sehr schnell zu supprimieren.<br />

Erwachsene mit plötzlich auftretendem Schielen (z.B. <strong>Lähmung</strong>sschielen wie die<br />

Abduzensparese, siehe Kapitel 5) klagen über Doppelbil<strong>der</strong>, die im täglichen Leben störend<br />

bemerkt werden.<br />

Neben <strong>der</strong> Suppression gibt es noch eine zweite Anpassung an die Schielstellung: Die<br />

anomale Netzhautkorrespondenz. Hier haben während <strong>des</strong> binokularen Sehaktes<br />

Netzhautpunkte, die normalerweise nicht korrespondieren, die gleiche Richtungsempfindung.<br />

Allgemein nimmt man an, dass die anomale Netzhautkorrespondenz demzufolge eine<br />

sensorische Anpassung <strong>des</strong> Cortex an die Schielstellung ist. Es ist eine meist in den ersten<br />

Lebensjahren erworbene Verän<strong>der</strong>ung; tatsächlich findet man <strong>bei</strong> einem Schielen, das erst<br />

nach dem dritten Lebensjahr auftritt, selten eine anomale Netzhautkorrespondenz.<br />

An<strong>der</strong>erseits wird vermutet, dass auch ein hereditär sensorischer Faktor zur anomalen<br />

Netzhautkorrespondenz prädisponieren kann.<br />

Bei Kin<strong>der</strong>n ist es wichtig, Störungen <strong>des</strong> Binokularsehens frühzeitig richtig zu behandeln,<br />

damit eine möglichst optimale Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong><strong>der</strong> <strong>Augen</strong> erreicht und <strong>der</strong> Gefahr einer<br />

Amblyopie (Schwachsichtigkeit) auf dem schielenden o<strong>der</strong> schwächeren Auge rechtzeitig<br />

begegnet werden kann.<br />

3. Anatomische Verhältnisse von Orbita und Orbitainhalt<br />

Das Auge liegt in <strong>der</strong> von den Schädelknochen gebildeten <strong>Augen</strong>höhle, <strong>der</strong> Orbita. Es wird<br />

von den <strong>Augen</strong>li<strong>der</strong>n bedeckt und ist in die weichen Orbitagewebe eingebettet. Diese<br />

bestehen zum grossen Teil aus dem orbitalen Fettgewebe und einem Netzwerk von<br />

bindegewebigen Blättern und Bän<strong>der</strong>n.<br />

Die geraden <strong>Augen</strong>muskeln und <strong>der</strong> M. obliquus superior enden mit ihren Sehnen am<br />

Augapfel. Ihre Stränge laufen hinten in <strong>der</strong> Orbita zusammen und bilden einen Trichter, in<br />

<strong>des</strong>sen Spitze <strong>der</strong> hinten aus dem Augapfel entspringende Sehnerv einmündet.<br />

Durch die oberen und unteren Fissuren <strong>der</strong> Orbita verlaufen Gefässe und Nerven. Durch den<br />

Canalis nervi optici gelangt <strong>der</strong> Sehnerv in die Schädelhöhle.<br />

Nerven und Gefässe verlaufen in <strong>der</strong> Orbita mit den Bindegewebssträngen und versorgen<br />

die dort liegenden Strukturen: Den Augapfel, den Sehnerven, die äusseren <strong>Augen</strong>muskeln<br />

und die Tränendrüse.<br />

3.1. Die Orbita<br />

In Form eines nach vorne offenen Trichters wird die Orbita von sieben Knochen gebildet:<br />

Dem Stirn<strong>bei</strong>n (Os frontale), dem Sieb<strong>bei</strong>n (Os ethmoidale), dem Keil<strong>bei</strong>n (Os sphenoidale:<br />

Ala major und Ala minor), dem Joch<strong>bei</strong>n (Os zygomaticum), dem Gaumen<strong>bei</strong>n (Prozessus<br />

orbitalis ossis palatini), dem Tränen<strong>bei</strong>n (Os lacrimale) und dem Oberkiefer (Maxilla:<br />

Prozessus frontalis).<br />

Die Fissura orbitalis superior liegt zwischen dem grossen und kleinen Keil<strong>bei</strong>nflügel und die<br />

Fissura orbitalis inferior liegt zwischen dem grossen Keil<strong>bei</strong>nflügel und dem Prozessus<br />

frontalis <strong>der</strong> Maxilla sowie dem Prozessus orbitalis ossis palatini.<br />

Die knöcherne Orbita wird von Periost (=Periorbita) ausgekleidet, welches zugleich die<br />

äussere bindegewebige Hülle für alle darin liegenden Weichteile bildet. Die Periorbita ist<br />

ausser an den Knochennähten, Foramina und an<strong>der</strong>en Öffnungen nur locker mit den<br />

Knochen verbunden.<br />

5


Bild<br />

Linke knöcherne Orbita mit Öffnungen für durchtretende Nerven<br />

und Gefässe und mit den Ansätzen <strong>der</strong> äusseren <strong>Augen</strong>muskeln<br />

Bild<br />

Schematische Darstellung<br />

<strong>der</strong> linken <strong>Augen</strong>höhle:<br />

1.Stirn<strong>bei</strong>n / 2.Sieb<strong>bei</strong>n<br />

3.Ala minor / 4.Ala major<br />

5.Joch<strong>bei</strong>n / 6.Gaumen<strong>bei</strong>n<br />

7.Tränen<strong>bei</strong>n / 8.Oberkiefer<br />

A.obere Orbitafissur<br />

B.untere Orbitafissu r<br />

3.2. Bindegewebige Aufhängung <strong>des</strong> Bulbus<br />

Von <strong>der</strong> Periorbita verlaufen radiäre Bän<strong>der</strong> und Stränge zum Augapfel und vereinigen sich<br />

in seiner als Tenon’sche Kapsel bezeichneten Umhüllung. Die Zwischenräume <strong>der</strong><br />

bindegewebigen Elemente sind mit Fett ausgefüllt. In ihren vor<strong>der</strong>en Teilen schliesst die<br />

Tenon’sche Kapsel die äusseren <strong>Augen</strong>muskeln mit ein. In <strong>der</strong> Tiefe bildet sie zusammen<br />

mit den Membranen <strong>des</strong> orbitalen Fettkörpers eine glatt ausgekleidete Halbkugel, die den<br />

hinteren Teil <strong>des</strong> Augapfels umgibt und wie in einem Kugelgelenk leichte Beweglichkeit<br />

gewährleistet. So umfasst die Tenon’sche Kapsel den Bulbus gelenkkapselförmig von <strong>der</strong><br />

Optikusscheide bis in Limbusnähe (=Übergang Hornhaut/Le<strong>der</strong>haut).<br />

3.3. Nerven<br />

Fast alle motorischen und sensiblen Nerven treten durch die Fissura orbitalis superior<br />

hindurch (siehe auch linkes Bild Kapitel 3.1.). Sie verteilen sich von <strong>der</strong> Orbitaspitze her zu<br />

ihren Zielorganen. Die untenstehende Abbildung zählt in schematischer Darstellung die<br />

wichtigen Nerven <strong>der</strong> Orbita auf.<br />

Bild<br />

Nerven <strong>der</strong> Orbita mit ihren Aufzweigungen: Im oberen Bildteil die sensiblen Nerven von temporal,<br />

im unteren Bildteil die motorischen Nerven von oben gesehen.<br />

3.4. Gefässe<br />

3.4.1. Die wichtigsten Arterien <strong>der</strong> Orbita<br />

Die wichtigste Arterie <strong>der</strong> Orbita ist die A. ophthalmica. Sie zweigt aus dem Bogen <strong>der</strong> A.<br />

carotis interna ab, verläuft unter dem N. opticus durch den Canalis nervi optici meist mehr<br />

auf <strong>der</strong> nasalen Seite. In <strong>der</strong> Orbita bleibt sie innerhalb <strong>des</strong> Muskeltrichters und zieht lateral<br />

von unten um den Sehnerv und überkreuzt ihn etwa 1cm hinter dem Bulbus nach medial.<br />

Der quer über dem N. opticus verlaufende Teil <strong>der</strong> A. ophthalmica gibt die für den Bulbus<br />

wichtigen Aa. ciliares und die A. centralis retinae (siehe Bild Kapitel 1) ab.<br />

Der Hauptast <strong>der</strong> A. ophthalmica zieht zwischen M. obliquus superior und M. rectus internus<br />

nach vorn medial und tritt als A. supraorbitalis aus <strong>der</strong> Orbita nach oben heraus unter die<br />

Haut <strong>der</strong> Stirn.<br />

3.4.2. Die wichtigsten Venen <strong>der</strong> Orbita<br />

Die Vena orbitalis superior entsteht am oberen medialen Rand <strong>der</strong> Orbita, 2-4mm oberhalb<br />

und 3-10mm lateral <strong>der</strong> Trochlea, aus dem Zusammenfluss <strong>der</strong> Vv. supraorbitalis und<br />

supratrochlearis von <strong>der</strong> Stirn und aus <strong>der</strong> V. angularis aus <strong>der</strong> seitlichen Nasenwurzel. Sie<br />

verläuft oberhalb <strong>der</strong> Sehne <strong>des</strong> M. obliquus superior unter dem M. rectus superior schräg<br />

o<strong>der</strong> in Kurven nach hinten, überkreuzt den N. opticus und gelangt zwischen M. rectus<br />

superior und M. rectus externus nach lateral. Im Bereich <strong>des</strong> Anulus tendineus (Sehnenring<br />

an <strong>der</strong> Orbitaspitze) wendet sich die V. orbitalis nach unten und biegt durch den oberen Teil<br />

<strong>der</strong> Fissura orbitalis superior nach hinten, um in den Sinus cavernosus einzumünden.<br />

6


4. Die Beweglichkeit <strong>des</strong> Auges innerhalb <strong>der</strong> Orbita<br />

4.1. Die äusseren <strong>Augen</strong>muskeln<br />

Die Bewegungen <strong>der</strong> <strong>Augen</strong> werden durch die sechs quergestreiften äusseren<br />

<strong>Augen</strong>muskeln ausgeführt. Für jeden Augapfel existieren drei Muskelpaare (vier gerade und<br />

zwei schräge Muskeln): M. rectus superior und inferior, M. rectus medialis und lateralis, M.<br />

obliquus superior und inferior.<br />

Die vier geraden <strong>Augen</strong>muskeln und <strong>der</strong> M. obliquus superior haben einen gemeinsamen<br />

sehnigen Ursprung in <strong>der</strong> Tiefe <strong>der</strong> Orbita um das Foramen opticum (=Canalis opticus)<br />

herum und umhüllen den N. opticus. Der M. obliquus inferior entspringt am medialen<br />

Orbitaboden lateral vom unteren Ende <strong>der</strong> Fossa lacrimalis (siehe linkes Bild Kapitel 3.1.).<br />

Die vier geraden <strong>Augen</strong>muskeln umgreifen den Augapfel von hinten und setzen mit ihren<br />

Endsehnen oben, unten und an <strong>bei</strong>den Seiten <strong>der</strong> Sklera an. Die <strong>bei</strong>den schrägen Muskeln<br />

setzen temporal hinter dem Äquator an, wo<strong>bei</strong> die Sehne <strong>des</strong> M. obliquus superior noch<br />

durch die Trochlea (aus Knorpeln und Fasern bestehen<strong>der</strong> Halbring am Nasen-<strong>Augen</strong>winkel<br />

<strong>des</strong> Stirn<strong>bei</strong>ns) verläuft.<br />

Bild<br />

Bulbus, <strong>Augen</strong>muskeln und Orbita von vorne<br />

Bild<br />

Aussere <strong>Augen</strong>muskeln von temporal<br />

4.2. Die Funktion <strong>der</strong> äusseren <strong>Augen</strong>muskeln<br />

Das zentrale Nervensystem setzt die propriozeptiven Informationen mit denen <strong>des</strong><br />

Gleichgewichtsorgans in Verbindung und integriert diese mit den Informationen <strong>des</strong><br />

Sehorgans. Der Körper ist bestrebt, das bestmögliche Gleichgewicht <strong>der</strong> horizontalen<br />

Achsen in Relation zur vertikalen Medianlinie zu gewährleisten.<br />

Die <strong>Augen</strong>muskeln stehen <strong>des</strong>halb in enger Beziehung zur Körperhaltung, sowie<br />

insbeson<strong>der</strong>e zum Tonus <strong>der</strong> Nackenmuskeln und zum Gleichgewichtsorgan.<br />

Die Stellung <strong>der</strong> <strong>Augen</strong> wird durch anatomische und innervatorische Faktoren bestimmt.<br />

Daneben ist <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>muskeltonus auch stark von <strong>der</strong> Aufmerksamkeit und von <strong>der</strong><br />

seelischen Grundstimmung abhängig.<br />

Die <strong>Augen</strong>muskeln folgen, wie die Skelettmuskeln, dem Sherrington’schen Gesetz <strong>der</strong><br />

reziproken Innervation: Bei <strong>der</strong> Kontraktion eines Agonisten erschlafft sein Antagonist. Wenn<br />

z.B. <strong>der</strong> M. rectus superior sich kontrahiert, so erschlafft <strong>der</strong> M. rectus inferior.<br />

Beim Menschen sind Bewegungen nur eines Auges allein nicht möglich. Bei den<br />

<strong>bei</strong>däugigen Bewegungen unterscheidet man gleichsinnige o<strong>der</strong> konjugierte<br />

Blickbewegungen (Versionen, Blickwendungen) von gegensinnigen o<strong>der</strong> disjugierten<br />

Blickbewegungen (Vergenzen, z.B. die Konvergenz). Das Hering’sche Gesetz <strong>der</strong><br />

gleichmässigen Innervation ist spezifisch für das Auge als Doppelorgan und wird auch<br />

Gesetz <strong>der</strong> motorischen Korrespondenz genannt. Es besagt, dass <strong>bei</strong> <strong>Augen</strong>bewegungen<br />

die Innervation in gleicher Quantität an die gleichwirkenden Muskeln <strong>bei</strong><strong>der</strong> <strong>Augen</strong><br />

geht. Zum Beispiel erhält <strong>bei</strong>m Blick nach rechts <strong>der</strong> M. rectus lateralis <strong>des</strong> rechten Auges<br />

den gleich starken Impuls wie <strong>der</strong> M. rectus medialis <strong>des</strong> linken Auges. Dadurch entstehen<br />

genau aufeinan<strong>der</strong> abgestimmte Bewegungen <strong>bei</strong><strong>der</strong> <strong>Augen</strong>, die Versionen. Dieses Gesetz<br />

ist beson<strong>der</strong>s <strong>bei</strong> <strong>Augen</strong>muskellähmungen von Bedeutung.<br />

Die Bulbi können also willkürlich mit Hilfe <strong>der</strong> je sechs äusseren <strong>Augen</strong>muskeln rasch in jede<br />

Richtung hin- und herbewegt werden. Diese Bewegungen sind so fein wie in fast keiner<br />

an<strong>der</strong>en Muskelgruppe abstimmbar und regulierbar. Das Verhältnis von Nervenfaser zu<br />

Muskelfaser beträgt ca. 1:10 und ist somit 10fach höher als im normalen Skelettmuskel, was<br />

auf ein vielfach exakteres Bewegungsmuster hindeutet und für das Binokularsehen<br />

unerlässlich ist.<br />

7


Folgend die Bewegungsfunktion <strong>der</strong> einzelnen Muskeln:<br />

M. rectus superior: Hebung, Innenrotation und geringe Adduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

M. rectus inferior: Senkung, Aussenrotation und geringe Adduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

M. rectus medialis: Adduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

M. rectus lateralis: Abduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

M. obliquus superior: Innenrotation, Senkung und geringe Abduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

M. obliquus inferior: Aussenrotation, Hebung und geringe Abduktion <strong>des</strong> Auges.<br />

Es ist zu beachten, dass <strong>der</strong> Bulbus lateral vom Ursprung <strong>der</strong> Muskeln liegt (grundlegende<br />

Bedeutung für das Verständnis ihrer Zugwirkung, siehe untenstehen<strong>des</strong> Bild).<br />

Bild<br />

Rechtes Auge, Muskeln und Orbita von oben gesehen.<br />

4.3. Innervation <strong>der</strong> äusseren <strong>Augen</strong>muskeln<br />

Die Innervation <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>muskeln geschieht durch die paarigen Hirnnerven III, IV und VI.<br />

Da<strong>bei</strong> versorgt <strong>der</strong> N. oculomotorius (III) den M. rectus superior, inferior und medialis sowie<br />

den M. obliquus inferior. Der N. trochlearis (IV) versorgt den M. obliquus superior und <strong>der</strong> N.<br />

abduzens (VI) den M. rectus lateralis.<br />

Diese Hirnnerven verfügen, neben ihren motorischen Funktionen, auch über<br />

propriozeptorische Sinnesfasern von den durch sie innervierten Muskeln.<br />

Zu den äusseren <strong>Augen</strong>muskeln wird auch <strong>der</strong> M. levator palpebrae superioris (hebt das<br />

obere <strong>Augen</strong>lid) gezählt. Er wird ebenfalls vom N. oculomotorius (III) innerviert.<br />

5. Die Abduzensparese<br />

5.1. Verlauf <strong>des</strong> N. abduzens (VI)<br />

Der N. abduzens ist ein somatomotorischer Nerv. Seine Ursprungskerne liegen in <strong>der</strong> Pons<br />

(Brücke) <strong>des</strong> Hirnstamms, in <strong>der</strong> Nähe <strong>des</strong> Bodens <strong>des</strong> 4. Ventrikels. Die Fasern aus den<br />

Ursprungskernen <strong>des</strong> N. abduzens ziehen sich zwischen den seitlichen Bündeln <strong>des</strong> Tractus<br />

cerebrospinalis (Pyramidenbahn) durch die gesamte Dicke <strong>der</strong> Pons hindurch. Sie treten,<br />

relativ weit medial, aus <strong>der</strong> Furche zwischen Pons und Pyramis (=am Unterrand <strong>der</strong> Brücke)<br />

aus dem Hirnstamm aus. Der N. abduzens zieht auf dem Clivus nach oben; im oberen Drittel<br />

<strong>des</strong> Clivus tritt er durch die Dura mater (direkt neben <strong>der</strong> Sattellehne <strong>des</strong> Os sphenoidale<br />

(U,S.37)). Hier verläuft er über die Spitze <strong>der</strong> Pars petrosa <strong>des</strong> Schläfen<strong>bei</strong>ns (hinter <strong>der</strong> Basis<br />

<strong>des</strong> Prozessus clinoideus posterior vor<strong>bei</strong> (U,S.37)), wo<strong>bei</strong> er den Rand <strong>der</strong> Pars petrosa in<br />

einer Knochenspalte überquert, die durch das Petrosphenoidalband in einen Kanal<br />

verwandelt wird (U,S.37).<br />

Anschliessend geht er frei durch den Sinus cavernosus, lateral <strong>der</strong> A. carotis interna.<br />

Hier ist <strong>der</strong> N. abduzens <strong>bei</strong> pathologischen Prozessen beson<strong>der</strong>s gefährdet, da er als<br />

einziger Hirnnerv mitten durch das Lumen <strong>des</strong> Sinus cavernosus zieht.<br />

Schliesslich gelangt <strong>der</strong> Abduzens medial durch die Fissura orbitalis superior in die<br />

<strong>Augen</strong>höhle: Durch den Anulus tendineus und zusammen mit dem N. oculomotorius und<br />

dem N. nasociliaris (aus dem N. ophthalmicus, V1 – siehe linkes Bild Kapitel 3.1.).<br />

Der Abduzens nimmt, wie auch die an<strong>der</strong>en <strong>bei</strong>den motorischen Nerven (III und IV), <strong>bei</strong>m<br />

Eintritt in die <strong>Augen</strong>höhle eine Duralausstülpung mit und wird dadurch anfällig für abnorme<br />

Duralspannungen.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Orbita zieht er nach lateral zum M. rectus lateralis, den er als einzigen Muskel<br />

innerviert.<br />

Die Nervenfasern <strong>des</strong> Abduzens überqueren die Körpermitte nicht, was bedeutet, dass<br />

die Dysfunktion eines <strong>Nervus</strong> abduzens nur den Muskel auf <strong>der</strong>selben Körperseite<br />

beeinträchtigt.<br />

8


Bild<br />

Verankerungen <strong>des</strong> Tentorium cerebelli an den Prozessus clinoidei<br />

5.2. Klinisches Bild <strong>bei</strong> einer Störung <strong>des</strong> N. abduzens<br />

Der Begriff Parese bezeichnet eine unvollständige <strong>Lähmung</strong>. Da <strong>der</strong> <strong>Nervus</strong> abduzens<br />

ausschliesslich den M. rectus lateralis innerviert, zeigt sich die Abduzensparese in einer<br />

eingeschränkten Funktion dieses Muskels. Als Folge davon kommt es zu einem<br />

Einwärtsschielen. Man spricht von einem inkomitierenden Schielen (=<strong>Lähmung</strong>sschielen).<br />

Beim inkomitierenden Schielen nimmt <strong>der</strong> Schielwinkel in Zugrichtung <strong>des</strong> gelähmten<br />

Muskels zu. Im Unterschied dazu bleibt <strong>bei</strong> einem konkomitierenden Schielen<br />

(=Begleitschielen) <strong>der</strong> Schielwinkel in allen Blickrichtungen gleich gross. Beim<br />

konkomitierenden Schielen handelt es sich um einen Stellungsfehler <strong>der</strong> <strong>Augen</strong> und die<br />

<strong>Augen</strong>muskeln funktionieren normal.<br />

Bild<br />

a) Das betroffene Auge steht<br />

in Einwärtsschielstellung<br />

b) Beim betroffenen Auge ist die Blickrichtung<br />

nach lateral eingeschränkt.<br />

c) Das betroffenen Auge kann<br />

nach medial blicken.<br />

d) Kompensatorische Kopfhaltung:<br />

Drehung zum gelähmten Muskel.<br />

Klinisch zeigt sich das Bild <strong>der</strong> Abduzensparese folgen<strong>der</strong>massen: Das betroffene Auge<br />

steht spontan in Einwärtsschielstellung (=medial bzw. in Adduktion). Die Bewegung <strong>des</strong><br />

betroffenen Auges nach lateral ist eingeschränkt. Beim Abduktionsversuch (ev. schon <strong>bei</strong><br />

Blick geradeaus) treten horizontal verschobene Doppelbil<strong>der</strong> auf, welche umso weiter<br />

auseinan<strong>der</strong>treten, je stärker <strong>der</strong> Patient zur Seite schaut. Kompensatorisch wird das<br />

Gesicht zum gelähmten Muskel hin gewendet (=nach lateral), was einen Blick zur<br />

Gegenseite gestattet und die Fehlfunktion ausgleicht.<br />

Wenn man sich Kapitel 4.2. nochmals in Erinnerung ruft wird verständlich, dass<br />

<strong>Augen</strong>muskelparesen <strong>bei</strong>m Patienten starke Beschwerden bis zu Schwindel und Übelkeit<br />

verursachen können.<br />

Die Abduzensparese kann auch <strong>bei</strong>dseitig auftreten (z.B. traumatisch). Beide <strong>Augen</strong> stehen<br />

dann in Adduktion und die Diplopie kann nicht durch eine Kopfhaltung kompensiert werden.<br />

Ebenso ist <strong>bei</strong> einer Abduzensparalyse (vollständige <strong>Lähmung</strong>) oft trotz Kopfhaltung in<br />

keiner Blickrichtung mehr Fusion möglich.<br />

5.3. Ursachen, Vorkommen, Therapie und Verlauf<br />

Als Ursachen für Abduzensparesen kommen <strong>bei</strong> jüngeren Patienten Traumen,<br />

Infektionskrankheiten (Borreliose, Diphtherie), Multiple Sklerose und Hirntumoren (<strong>der</strong><br />

Schädelbasis o<strong>der</strong> retrobulbär) in Frage. Bei älteren Patienten stehen vaskuläre Affektionen<br />

wie Hirnstamminfarkte, Aneurysma, Ischämie <strong>des</strong> N. abduzens (z.B. <strong>bei</strong> Diabetes mellitus),<br />

Hypertonie und Arteriosklerose im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Entzündliche Faktoren (basale Meningitis), eine Kavernosusthrombose o<strong>der</strong> eine Carotis-<br />

Sinus-cavernosus-Fistel können ebenfalls eine Abduzensparese verursachen.<br />

Selten kann eine Abduzensparese kurzdauernd bzw. vorübergehend konnatal auftreten. Die<br />

Rückbildung erfolgt in den ersten Lebensmonaten mit später normalem Binokularsehen.<br />

Flüchtige, isolierte Abduzensparesen können <strong>bei</strong> Kin<strong>der</strong>n im Rahmen von<br />

9


Infektionskrankheiten, fiebrigen Infekten o<strong>der</strong> nach Impfungen auftreten und bilden sich dann<br />

häufig schon nach 2-3 Wochen zurück.<br />

Bei Tumoren kann die Abduzensparese als direkte Tumorirritation <strong>des</strong> Nervs o<strong>der</strong> <strong>des</strong> Kerns<br />

auftreten o<strong>der</strong> als unspezifisches Fernsymptom, häufig über einen erhöhten Liquordruck.<br />

Unter den intrazerebralen Primärtumoren steht ein pontines Gliom an erster Stelle.<br />

Je älter <strong>der</strong> Patient, umso wahrscheinlicher ist eine Durchblutungsstörung mit spontaner<br />

Rückbildung nach ca. 3-6 Monaten, z.T. auch etwas schneller o<strong>der</strong> langsamer.<br />

Bei Abduzensparesen, die von Kindheit an bestehen, muss man an ein Retraktionssyndrom<br />

nach Stilling-Türk-Duane denken. Hier zeigt sich zusätzlich zur Abduktions- eine<br />

Adduktionseinschränkung und eine Bulbusretraktion mit Lidspaltenverengung <strong>bei</strong>m<br />

Adduktionsversuch. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich hier um ein Fehlen<br />

o<strong>der</strong> eine Min<strong>der</strong>entwicklung <strong>des</strong> Abduzenskernes o<strong>der</strong> <strong>des</strong> N. abduzens handelt und dass<br />

<strong>der</strong> M. rectus lateralis vom N. oculomotorius innerviert wird.<br />

Im Rahmen von verschiedenen Krankheitsbil<strong>der</strong>n / Syndromen können ebenfalls<br />

Abduzensparesen auftreten (z.B. Myasthenia gravis, Möbius-Syndrom...).<br />

Zur Therapie: Neben Abklärung / <strong>Behandlung</strong> eines allfälligen Grundleidens gilt als<br />

wichtigster Schritt das Beheben <strong>der</strong> Diplopie. Hier kann dem Patienten ev. mit Prismenfolien<br />

geholfen werden: Durch Ablenkung wird die Diplopie auskorrigiert. Die Stärke <strong>der</strong> Prismen<br />

wird entsprechend dem Krankheitsverlauf bzw. entsprechend <strong>der</strong> Rückbildung <strong>der</strong><br />

Abduzensparese angepasst. Manchmal genügt die richtige Kopfhaltung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Patient<br />

zieht es vor, zur Vermeidung <strong>der</strong> Diplopie ein Auge abzudecken. Bei einer verbleibenden<br />

Parese wird, frühestens nach einem Jahr, eine <strong>Augen</strong>muskeloperation in Betracht gezogen.<br />

Der Verlauf bzw. die Prognose ist abhängig von <strong>der</strong> Ursache. Beidseitige, traumatische<br />

Abduzensparesen heilen eher selten ohne Defekt aus, wohingegen vaskulopathisch<br />

bedingte, einseitige gutartiger verlaufen.<br />

5.4. Dysfunktionen aus Cranio-Perspektive<br />

In <strong>der</strong> Cranio-Literatur finden sich viele Hinweise, wie es zu Störungen <strong>des</strong> N. abduzens<br />

kommen kann. Folgend eine Auflistung mit jeweiliger Angabe <strong>der</strong> Quelle (Abkürzungen siehe<br />

Kapitel 6).<br />

5.4.1 Ossäre Dysfunktionen<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Bei einer Verengung <strong>der</strong> Fissura orbitalis superior kann ein<br />

Stau <strong>der</strong> V. ophthalmica superior entstehen, was wie<strong>der</strong>um (durch Zug o<strong>der</strong> Druck) eine<br />

Funktionsstörung u.a. <strong>des</strong> N. abduzens bewirken kann. (Li,S.520)<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Dysfunktionen <strong>des</strong> Os sphenoidale können zu<br />

Funktionsstörungen u.a. <strong>des</strong> N. abduzens und vermin<strong>der</strong>ter venöser Drainage <strong>der</strong> <strong>Augen</strong><br />

über die Fissura orbitalis superior und inferior führen. Funktiosstörungen <strong>des</strong> N. abduzens<br />

können auch über durale Anheftungen am Dorsum sellae und über das Lig.<br />

petrosphenoidale entstehen. (Li,S.522)<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Über Dysfunktionen <strong>des</strong> Os occipitale / Os temporale kann es<br />

zu einer Kompression <strong>des</strong> Foramen jugulare kommen. Dysfunktion <strong>der</strong> okzipitalen Kondylen<br />

kann den Kern <strong>des</strong> N. abduzens im vierten Ventrikel beeinträchtigen. Dysfunktion <strong>der</strong> Pars<br />

petrosa <strong>des</strong> Schläfen<strong>bei</strong>ns kann eine abnorme Spannung im Lig. petrosphenoidale mit<br />

Beeinträchtigung <strong>des</strong> N. abduzens verursachen. (Li,S.522)<br />

- Funktionsstörungen <strong>der</strong> Schädelbasis: Bei einer Lateralflexion-Rotation <strong>der</strong> SSB (<strong>der</strong><br />

hintere Teil <strong>des</strong> Corpus sphenoidalis senkt sich mit dem Os occipitale auf <strong>der</strong> konvexen<br />

Seite) erfolgt ein Zug auf den Sinus cavernosus, auf die III. V. und VI. Hirnnerven und die A.<br />

carotis interna dieser Seite. (L,S.514)<br />

10


- Somatische Funktionsstörungen im Bereich <strong>der</strong> Foramina jugularia (zw. Occiput und Ossa<br />

temporalia) können ein signifikanter Auslösefaktor für in die Sinus cavernosi reflektierten<br />

erhöhten Gegendruck sein. (U,S.45)<br />

...Ferner sollte eine Entspannung <strong>der</strong> oberen Thoraxapertur erzielt werden. An<strong>der</strong>nfalls kann<br />

es aufgrund <strong>der</strong> Hemmung <strong>des</strong> freien Blutabflusses in den Brustkorb durch die Nackenvenen<br />

zu einem erhöhten venösen Rückstau kommen. (U,S.45)<br />

- Die Nerven III, IV und VI treten durch die Fissura orbitalis superior in die <strong>Augen</strong>höhle ein,<br />

die hauptsächlich vom Os sphenoidale gebildet wird. Das Os frontale stellt teilweise die<br />

seitliche Begrenzung dar. Funktionsstörungen dieser <strong>bei</strong>den Knochen können die Funktion<br />

<strong>der</strong> durch die Fissura orbitalis superior verlaufenden Nerven und Blutgefässe<br />

beeinträchtigen. (U,S.45)<br />

- Der N. abduzens überquert den Rand <strong>der</strong> Pars petrosa <strong>des</strong> Os temporale unter dem<br />

Petrosphenoidalband. Dieses Band verbindet die Pars petrosa <strong>des</strong> Os temporale mit dem Os<br />

sphenoidale. Funktionsstörungen dieser Knochen und Spannungen dieses Ban<strong>des</strong> können<br />

die Abduzensfunktion beeinträchtigen und zu Strabismus convergens (Einwärtsschielen)<br />

führen. (U,S.45)<br />

- Restriktionen <strong>des</strong> grossen Flügels <strong>des</strong> Os sphenoidale an seiner Gelenkverbindung zu Os<br />

temporale o<strong>der</strong> Os frontale: Upledger sah in seiner Praxis viele Fälle von eigenartigen<br />

<strong>Augen</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Augen</strong>höhlenschmerzen, häufig einhergehend mit episodisch auftretenden<br />

Einschränkungen <strong>der</strong> Bewegungskontrolle <strong>des</strong>selben Auges <strong>bei</strong>m Versuch, den M. rectus<br />

lateralis zum lateralen Nach-aussen-Rollen <strong>des</strong> Auges zu benutzen. (U,S.54)<br />

- Alle Hirnnerven anterior <strong>der</strong> Felsen<strong>bei</strong>nkante bzw. <strong>des</strong> N. fazialis (Hirnnerven I-VI) sind<br />

betroffen, wenn es zu Dysfunktionen <strong>der</strong> anterioren Hälfte <strong>der</strong> Schädelbasis kommt, d.h.<br />

Dysfunktionen im Komplex von Os frontale, ethmoidale, sphenoidale und temporale. (BS,S.1)<br />

5.4.2. Muskuläre Dysfunktionen<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Ein Ungleichgewicht <strong>des</strong> Tonus <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>muskeln durch<br />

Dysfunktion <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>muskelnerven. (Li,S.522)<br />

5.4.3. Membranöse Dysfunktionen<br />

5.4.3.1. Dysfunktionen an Ligamenten<br />

- Dysfunktion <strong>der</strong> Synchondrosis sphenobasilaris: Eine Dysfunktion <strong>des</strong> Lig. sphenopetrosum<br />

an <strong>der</strong> Sutura shenopetrosa kann zu einer N. abduzens-Symptomatik führen. Dies kann<br />

durch Dysfunktion <strong>der</strong> Pars petrosa ossis temporalis, Zahnextraktion o<strong>der</strong> Verknöcherung<br />

dieses Ligamentes entstehen. (Li,S.6)<br />

- Dysfunktion <strong>des</strong> Os temporale: Dysfunktion <strong>des</strong> Lig. sphenopetrosum an <strong>der</strong><br />

Synchondrosis sphenopetrosa durch Zahnextraktionen o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> Verknöcherung <strong>des</strong><br />

Ligamentes. (Li,S.87)<br />

- Der VI. Hirnnerv ist faserig mit dem Ligamentum sphenopetrosum verbunden und verläuft<br />

zwischen dem Ligament und dem Felsen<strong>bei</strong>n hindurch. Deshalb ist er beson<strong>der</strong>s anfällig für<br />

Spannungen, die vom Tentorium und dem Lig. sphenopetrosum herrühren. Folge können<br />

<strong>Augen</strong>störungen sein, z.B. Ermüdungsschielen. (L,S.98)<br />

5.4.3.2. Dysfunktionen an Faszien<br />

- Der Abduzens wird, wie auch <strong>der</strong> III. und IV. Hirnnerv, <strong>bei</strong>m Eintritt in die <strong>Augen</strong>höhle und<br />

<strong>bei</strong>m Verlauf zwischen den oberen und unteren Schichten <strong>des</strong> Tentorium cerebelli von einer<br />

Duralmembranhülle ummantelt. Dadurch resultiert eine Anfälligkeit für abnorme Dura- und<br />

Tentoriumspannungen. (U,S.40,43)<br />

11


- Abnorme Zugspannungen verschiedener Ursache, die das Tentorium an seinen freien<br />

Grenzen und an den Prozessus clinoidei angreifen, sind ohne weiteres in <strong>der</strong> Lage die<br />

normale Funktion <strong>der</strong> zum Auge führenden motorischen Nerven zu beeinträchtigen.<br />

...Abnorme Tentoriumspannungen können häufig zu den Ossa temporalia, zum Occiput, zu<br />

den oberen Cervicalsegmenten und/o<strong>der</strong> zum sacrococcygealen Komplex zurückverfolgt<br />

werden. (U,S.44)<br />

5.4.4. Störungen <strong>des</strong> N. abduzens o<strong>der</strong> von Hirnanteilen<br />

- Dysfunktion <strong>der</strong> Synchondrosis sphenobasilaris: Eine Störung u.a. <strong>des</strong> N. abduzens kann<br />

durch abnorme Spannung am Lig. petrosphenoidale, am Tentorium o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Fissura<br />

orbitalis superior entstehen (häufig <strong>bei</strong>m „vertical strain“). (L,S.501/Li,S.7)<br />

- Dysfunktion <strong>des</strong> Os temporale: Störung <strong>des</strong> N. abduzens am Apex <strong>der</strong> Pars petrosa,<br />

zwischen <strong>der</strong> Pars petrosa und dem Lig. sphenopetrosum. Vor allem <strong>der</strong> VI. Hirnnerv ist<br />

anfällig für Spannungen, die vom Tentorium und dem Ligament herrühren, da er faserig mit<br />

dem Ligamentum sphenopetrosum verbunden ist und in einem osteofibrösen Kanal verläuft,<br />

<strong>der</strong> durch dieses Ligament und die Pars petrosa <strong>des</strong> Schläfen<strong>bei</strong>ns gebildet wird. Auch<br />

Stase und Spannungen in <strong>der</strong> Wand <strong>des</strong> Sinus cavernosus kann zu Störungen <strong>des</strong> N.<br />

abduzens führen. (Li,S.89)<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Der N. abduzens kann beeinträchtigt werden durch Fraktur<br />

<strong>des</strong> Apex petrosus, Aneurysma <strong>der</strong> A. carotis im Sinus cavernosus, Kalzifizierung o<strong>der</strong><br />

Spannungen am Lig. petrosphenoidale, durale Spannung am Dorsum sellae und Dysfunktion<br />

an den okzipitalen Kondylen. (Li,S.524)<br />

- Dysfunktionen an <strong>der</strong> Orbita: Primär traumatisch entstandenes <strong>Augen</strong>flimmern kann auf<br />

Störungen <strong>des</strong> Mittelhirns und <strong>der</strong> Hirnnervenkerne von Nn. III, IV und VI hinweisen. (Li,S.526)<br />

- In enger Nachbarschaft zum N. abduzens befinden sich die lufthaltigen Zellen <strong>des</strong> Sinus<br />

sphenoidalis, die Druck auf ihn ausüben können. (U,S.37)<br />

5.4.5. Vaskuläre Störungen<br />

- Störungen im Sinus cavernosus können evtl. Funktionsstörungen <strong>des</strong> N. abduzens<br />

verursachen (auch <strong>des</strong> N. III, IV, V1, V2 sowie Stauung <strong>der</strong> V. ophthalmica superior). (Li,S.525)<br />

- Auf dem Weg zum Auge begegnen die Hirnnerven III, IV und VI vielen Arterien. Probleme<br />

wie Aneurysmen und Hämorrhagien beeinträchtigen häufig die Funktionen <strong>des</strong> in ihrer Nähe<br />

verlaufenden o<strong>der</strong> von ihrer Blutversorgung abhängigen Nervs. (U,S.34)<br />

- Kurz nach Austritt aus <strong>der</strong> Medulla oblongata wird <strong>der</strong> N. abduzens von <strong>der</strong> A. cerebelli<br />

inferior gekreuzt. Eine Vergrösserung dieser Arterie kann demnach seine Funktion<br />

beeinträchtigen. (U,S.37)<br />

- Der N. abduzens (auch <strong>der</strong> N. III und IV) steht in einer sehr engen Beziehung zu den Sinus<br />

cavernosi. Je<strong>des</strong> Problem, das den venösen Rückstau in diesen Sinus erhöht, kann zu einer<br />

Dysfunktion <strong>der</strong> <strong>Augen</strong>bewegung <strong>bei</strong>tragen. (U,S.44,45)<br />

- Die V. ophthalmica passiert die Fissura orbitalis mit den Nerven III, IV und VI und mündet<br />

anschliessend in den Sinus cavernosus ein. Da diese Vene über keine Venenklappen<br />

verfügt, kann ein chronischer Gegendruck im Sinus zu einer Venenerweiterung und in <strong>der</strong><br />

Folge zu einer Beeinträchtigung <strong>der</strong> Nervenfunktion führen. (U,S.45)<br />

- Wie bereits oben beschrieben kommen die Nerven III, IV und VI mit einer Vielzahl von<br />

Arterien in Kontakt. Demnach können Erweiterungen, Aneurysmen, Hypertonie, abnorme<br />

Windungen und/o<strong>der</strong> abnorme anatomische Wechselbeziehungen <strong>der</strong> Arterien zu<br />

Funktionsstörungen <strong>der</strong> Nerven führen. (U,S.45)<br />

12


5.5. <strong>Behandlung</strong>smöglichkeiten durch die CSO<br />

Eigentlich zeigt uns bereits <strong>der</strong> Verlauf <strong>des</strong> Abduzens <strong>Behandlung</strong>smöglichkeiten auf, denn<br />

dort wo er durchzieht, kann er auch gestört werden.<br />

Liem beschreibt zusammenfassend folgende Strukturen, die <strong>bei</strong> einer Abduzensparese<br />

betroffen sein können: Os sphenoidale, Ligamentum sphenopetrosum, Os temporale, Ala<br />

major und minor <strong>des</strong> Os sphenoidale (Fissura orbitalis superior), Sinus cavernosus und<br />

Tentorium cerebelli.<br />

Bei Sehstörungen gibt er die Empfehlung, generell folgende Strukturen zu untersuchen und<br />

zu behandeln:<br />

- Die knöchernen Verbindungen <strong>der</strong> Orbita und die Orbita als ganzes.<br />

- Das Keil<strong>bei</strong>n und die SSB und die Öffnungen am Keil<strong>bei</strong>n für den Sehnerven und die<br />

<strong>Augen</strong>muskelnerven.<br />

- Die intrakranialen Duralmembranen, da die <strong>Augen</strong>muskelnerven an ihnen entlang<br />

führen. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> N. abduzens ist anfällig, da er unter dem Lig.<br />

sphenopetrosum <strong>des</strong> Tentoriums verläuft und mit diesem fasrig verbunden ist.<br />

- Das Hinterhaupt und <strong>der</strong> Atlas.<br />

- Unter Umständen das Schläfen<strong>bei</strong>n, aufgrund <strong>der</strong> Anheftung <strong>des</strong> Tentoriums an<br />

diesem Knochen.<br />

Aus den im Kapitel 5.4. zusammengetragenen Dysfunktionen lassen sich ebenfalls<br />

<strong>Behandlung</strong>stechniken ableiten. Je nach Ursache <strong>der</strong> Abduzensparese ist es vielleicht<br />

möglich zu schlussfolgern, wo die Dysfunktion im craniosacralen System liegen könnte, was<br />

ein noch gezielteres ar<strong>bei</strong>ten erlaubt. Folgend mögliche <strong>Behandlung</strong>stechniken:<br />

<strong>Behandlung</strong>en auf <strong>der</strong> Knochenebene:<br />

- Allgemein die <strong>Behandlung</strong> <strong>der</strong> Orbita: Speziell zu beachten ist hier die Fissura<br />

orbitalis superior, die von den grossen und kleinen Keil<strong>bei</strong>nflügeln gebildet wird.<br />

Techniken finden sich <strong>bei</strong> Liem (Li,S.535-538).<br />

- Ar<strong>bei</strong>t am Os sphenoidale: Beeinflusst die Fissura orbitalis superior, die<br />

Synchondrosis sphenobasilaris, das Lig. sphenopetrosum. Direkter Einfluss auch auf<br />

den Sinus cavernosus.<br />

- Ar<strong>bei</strong>t an <strong>der</strong> SSB: Beeinflusst den Sinus cavernosus sowie das Lig.<br />

sphenopetrosum.<br />

- Ar<strong>bei</strong>t am Os temporale: Beeinflusst das Foramen jugulare, das Lig. sphenopetrosum<br />

(hier v.a. die Pars petrosa). Auch die Verbindung zum Sphenoid ist zu<br />

beachten.<br />

- Ar<strong>bei</strong>t am Occiput: Beeinflusst das Foramen jugulare, die Synchondrosis<br />

sphenobasilaris, die okzipitalen Kondylen (Dysfunktion <strong>der</strong> okzipitalen Kondylen kann<br />

den Abduzenskern beeinträchtigen)<br />

- Lösen <strong>des</strong> Foramen jugulare für gute Ableitung <strong>des</strong> Venenblutes aus dem<br />

Kopfbereich (Vv. jugulares).<br />

- Der Komplex Os frontale, ethmoidale, sphenoidale und temporale (= anteriore Hälfte<br />

<strong>der</strong> Schädelbasis) hat Einfluss auf die Hirnnerven I-VI.<br />

- Os frontale: Bildet Teil <strong>der</strong> Orbita, grenzt an die Alae <strong>des</strong> Sphenoids an und kann<br />

somit ebenfalls die Fissura orbitalis superior beeinflussen.<br />

<strong>Behandlung</strong>en auf <strong>der</strong> muskulären Ebene:<br />

- Muskuläre Techniken: Zur Beeinflussung <strong>des</strong> <strong>Augen</strong>muskeltonus, Techniken finden<br />

sich <strong>bei</strong> Liem (Li,S.539,544,546).<br />

<strong>Behandlung</strong>en auf <strong>der</strong> Faszienebene:<br />

- Ar<strong>bei</strong>t an <strong>der</strong> Dura: Lösen von Duraspannungen am Dorsum sellae; auch <strong>der</strong><br />

Abduzens selber ist von einer Duralmembranhülle ummantelt (<strong>bei</strong> Orbitaeintritt und<br />

zwischen den Tentoriumschichten).<br />

13


- Ar<strong>bei</strong>t speziell am Tentorium wegen möglichen Tentorium-Spannungen (siehe auch<br />

Kapitel 5.4.3.2.) und Spannungen am Lig. sphenopetrosum.<br />

- Lösen <strong>der</strong> oberen Thoraxapertur zur Verhin<strong>der</strong>ung von venösem Rückstau.<br />

<strong>Behandlung</strong>en auf <strong>der</strong> Hirn-/Nervenebene:<br />

- Neuroviszerale Techniken: „Surfen“ mit dem N. abduzens.<br />

<strong>Behandlung</strong>en auf <strong>der</strong> vaskulären Ebene:<br />

- Sinustechniken: Spez. zur Beeinflussung <strong>des</strong> Sinus cavernosus.<br />

Zur guten venösen Ableitung auch an das Foramen jugulare und an die obere<br />

Thoraxapertur denken (siehe <strong>Behandlung</strong>en Knochen-/Faszienebene).<br />

5.6. Vorsicht?<br />

Upledger schreibt, dass man <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong> von sensomotorischen Problemen <strong>der</strong><br />

<strong>Augen</strong> im Zusammenhang mit Funktionsstörungen <strong>des</strong> craniosacralen Systems in<br />

Schwierigkeiten geraten kann, wenn <strong>der</strong> Patient sich in <strong>der</strong> Vergangenheit einer<br />

<strong>Augen</strong>(muskel)operation unterzogen hat. Zitat: „Wenn <strong>der</strong> Chirurg zur Korrektur eines<br />

Strabismus einen <strong>Augen</strong>muskel verlängert o<strong>der</strong> teilweise durchtrennt hat und wir später das<br />

CranioSacrale Problem korrigieren, kann sich das Auge im Sinne seiner motorischen<br />

Nervenfunktion normalisieren, was dann die entgegengesetzte Form von Strabismus zur<br />

Folge hätte.“<br />

Er schil<strong>der</strong>t einen entsprechenden Fall <strong>bei</strong> einem autistischen Mädchen: Ein zu einem<br />

früheren Zeitpunkt operierter Strabismus convergens entwickelte sich unter <strong>der</strong> <strong>Behandlung</strong><br />

zu einem Strabismus divergens. Die craniosacrale <strong>Behandlung</strong> wurde wegen Besserung im<br />

autistischen Verhalten trotzdem fortgesetzt und die Muskeln adaptierten sich wie<strong>der</strong>. Nach<br />

sechs Monaten war vom Strabismus offenbar nichts mehr zu erkennen doch er fügt an, dass<br />

eine solche Adaptation nicht immer stattfindet und daher die Patienten vorgängig über diese<br />

Möglichkeit informieren werden sollten.<br />

Allerdings müsste man den genauen <strong>Augen</strong>befund, bzw. die Krankengeschichte <strong>der</strong><br />

Patientin kennen um eventuell beurteilen zu können, welche Verän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Schielens<br />

durch die Cranio-<strong>Behandlung</strong> bewirkt wurde. Wie genau war das Schielbild davor und<br />

danach, trägt das Kind eine Brillenkorrektur, gab es noch an<strong>der</strong>e Einflüsse usw.<br />

Rudolf hat keine solchen Erfahrungen gemacht, wie Upledger sie oben beschreibt.<br />

14


6. Quellenangaben<br />

- Blum Udo und Steinemann Sylvia: Skript <strong>des</strong> Kurses „funktionelle Anatomie <strong>des</strong><br />

Craniosacralen Systems“, 23.-24. Oktober 2004 (BS)<br />

- Faller Adolf: Der Körper <strong>des</strong> Menschen, Georg Thieme Verlag, 10. Auflage 1984 (F)<br />

- ten Ham E.J., van <strong>der</strong> Heijden G.A.M., Isaak A.W.: „Osteopathie gegen Schielen“<br />

aus: Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, Hippokrates Verlag, 2/2005 (HHI)<br />

- Huch Renate und Christian Bauer: Mensch, Körper, Krankheit, Urban & Fischer,<br />

4. Auflage 2003 (HB)<br />

- Lang Joseph: Strabismus, Verlag Hans Huber, 5. Auflage 2003 (La)<br />

- Kaufmann Herbert: Strabismus, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage 2004 (K)<br />

- Kaufmann Herbert „Periphere <strong>Augen</strong>muskelparesen“ aus: Neuroophthalmologie,<br />

Hauptreferate <strong>der</strong> XXVIII. Essener Fortbildung, Ferdinand Enke Verlag, 1993 (KA)<br />

- Liem Torsten: Kraniosakrale Osteopathie, Hippokrates Verlag, 3. Auflage 2001 (L)<br />

- Liem Torsten: Praxis <strong>der</strong> Kraniosakralen Osteopathie, Hippokrates Verlag,<br />

2. Auflage 2003 (Li)<br />

- Norett Robert B.: Skript <strong>des</strong> Kurses „Hirnnerven und Craniosacrale Therapie“,<br />

21./22. Oktober 2005 (N)<br />

- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, 257. Auflage 1994 (P)<br />

- Reim Martin: <strong>Augen</strong>heilkunde, Enke Verlag, 4. Auflage 1993 (R)<br />

- Richter Isolde: Lehrbuch für Heilpraktiker, Urban & Schwarzenberg,<br />

2. Auflage 1993 (Ri)<br />

- Sobotta: Atlas <strong>der</strong> Anatomie <strong>des</strong> Menschen, Urban & Fischer, 21. Auflage 2004 (S)<br />

- Trepel Martin: Neuroanatomie, Urban & Fischer, 3. Auflage 2004 (T)<br />

- Upledger John E. / Vredevoogd Jon D.: Lehrbuch <strong>der</strong> CranioSacralen-Therapie,<br />

Haug Verlag, 4. Auflage 2000 (UV)<br />

- Upledger John E.: Lehrbuch <strong>der</strong> CranioSacralen Therapie II, Haug Verlag, 2002 (U)<br />

Bil<strong>der</strong>quellen:<br />

Abb. S. 1: HB, S.223<br />

Abb. S. 2: U, S.21<br />

Abb. S. 4 oben: links R, S.2 / rechts BS, S.61 (oben)<br />

Abb. S. 4 unten: R, S.8<br />

Abb. S. 5 : links La, S.16 / rechts R, S.4<br />

Abb. S. 6: La, S.17<br />

Abb. S. 7 oben: U, S.44<br />

Abb. S. 7 unten: Li, S.527<br />

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