<strong>Inhalt</strong> <strong>NEU</strong>_<strong>Nr14</strong>_<strong>Dez08</strong>-- 08.01.2009 15:42 Uhr Seite 44 44 Geschichte Peter-Michael Pawlik Schiffe von der Unterweser
<strong>Inhalt</strong> <strong>NEU</strong>_<strong>Nr14</strong>_<strong>Dez08</strong>-- 08.01.2009 15:42 Uhr Seite 45 Gerald Sammet <strong>Der</strong> Ort scheint wie geschaffen für eine der Geschichten, die er so gerne erzählt. Ein Raum voller Wind und Segel, Öl auf Leinwand in goldenen Rahmen, ein Bild neben dem andern, aber jedes viel lebendiger, als man nach dem ersten Hinsehen glaubt. Man findet kaum einen Platz im Museum „Schloss Schönebeck“ an diesem letzten Freitagabend im April. Das liegt vor allem daran, dass dort eine Seefahrernation im Kleinen ihren Drehund Angelpunkt hat, eine durch und durch bremische Corona, mit sehr viel Eigensinn allerdings. Die Zeiten, in denen die Vorstadt Vegesack noch ein Ort war, in dem Matrosen, Schiffbauer, Kapitäne, Steuerleute, Ausrüster, Fischer und Fischverarbeiter den Lebensrhythmus bestimmten, sind zwar schon einige Jahrzehnte vorbei. Aber erstens leben von denen, die damals mitgemacht oder auch nur <strong>zu</strong>geschaut haben oder am Rand des Geschehens ihr Auskommen fanden, noch ziemlich viele, und zweitens kommt man im Nordwesten von <strong>Bremen</strong>, weil es den alten Hafen, die Kapitäns- und Steuermannshäuser und ein, zwei wirklich bemerkenswerte Schiffe aus früheren Zeiten immer noch gibt, von der Vergangenheit einfach nicht los. Ein paar mittlerweile wieder recht gut ins Geschäft gekommene Werften tragen das Ihre da<strong>zu</strong> bei, dass die Traditionslinie nicht einfach reißt. Die Behauptung, <strong>Bremen</strong> habe eine maritime Vergangenheit, aber keine Zukunft auf diesem Gebiet, stimmt ohnehin nicht. Hier wurde sie schon immer belächelt. Vieles mag anders geworden sein. Vieles, das ist eine der Grundregeln, wenn man Schifffahrt betreibt, geht sowieso anders aus als man denkt. Pessimisten sollten Briefmarken sammeln, gern auch mit maritimen Motiven, aber sich tunlichst nicht unter Seeleute mischen. Die ticken nun mal anders, und sie sind gesellige Leute. Man merkt es an diesem Abend. Wegen Peter-Michael Pawlik sind so ziemlich alle gekommen, die in der Vegesacker Vorstadt noch eine Ahnung davon haben, was es heißt, Schiffe unter vollen Segeln in See stechen <strong>zu</strong> lassen. Peter-Michael Pawlik ist ihr Haushistoriker, wenn man so will. Einer, der wirklich jedes Schiff kennt, das jemals an der Unter- 45 weser gebaut wurde, und all die Namen der Werftbesitzer, Reeder, Kapitäne, Steuerleute und Besat<strong>zu</strong>ngsmitglieder natürlich auch. Selbst nach den Hunden an Bord darf man ihn fragen. Er hat sie, sollte ihre Anwesenheit in irgendeiner Form bezeugt worden sein, alle parat. So, wie der die Reiserouten kennt, die Ladelisten, die Besonderheiten der Bauweise, einfach alles, bis ins geringste Detail. „Von der Weser in die Welt“ heißen zwei monumentale Bücher, die er bereits vorgelegt hat. Ein drittes erscheint noch in diesem Jahr. Es gibt immer noch Schätze <strong>zu</strong> heben, von denen nur er weiß, wo sie stecken. Wobei, weil der Zugang <strong>zu</strong> den Archiven allen offen steht, jeder diesen von ihm begangenen Weg einschlagen könnte. Nur er freilich zeigt das Interesse und die Neugierde, die man für solche Vorhaben braucht. In die Wiege gelegt war ihm so ein Leben unter längst entschwundenen Segeln nicht. Pawlik ist von Haus aus Jurist, war als Richter an einem Bremer Amtsgericht tätig, in Blumenthal, wo man, wenn alles getan ist, nur ein paar Schritte hat bis <strong>zu</strong>m Grab von Kapitän Dallmann, und schon steckt man mitten drin in einer der Geschichten, die ihn so sehr faszinieren. Eduard Dallmann, geboren 1830 in Blumenthal, gestorben 1896 dortselbst, was sehr ungewöhnlich ist für einen Seemann in diesen Jahren, führte das erste Dampfsegelschiff, die „Grönland“, in antarktische Gewässer, erkundete Sibiriens nördliche Küste, erforschte Neu-Guinea und die „deutsche Südsee“, ein Kolonialreich mit eingeschriebenem Verfallsdatum. Ein Nautiker ohne Fehl und Tadel: Nicht ein Schiff und nicht einen Mann seiner Besat<strong>zu</strong>ng hat Dallmann in seiner Zeit als aktiver Fahrensmann verloren. Klar, das Peter-Michael Pawlik aus einem solchen Leben ein Buch machen musste. Wie am Schnürchen kann Pawlik solche Geschichten erzählen. Gibt man <strong>zu</strong> erkennen, dass man einiges von ihnen schon weiß, zeigt er sich nachsichtig, wenn sich dabei kleine, aber gewichtige Fehler einschleichen. Er korrigiert sie höflich, aber entschieden. Rechthaberei liegt ihm nicht, Genauigkeit schon. Er