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Juli 2002 - Der Fels

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Renaissance des 10. Jahrhunderts,<br />

zur Gregorianischen Reform des<br />

11./12. Jahrhunderts und schließlich<br />

unter dem Einfluß der Bettelorden<br />

im 13. Jahrhundert immer<br />

wieder zu solchen auf gewisse<br />

Erlahmungserscheinungen folgenden<br />

Neuaufbrüchen. Aufbrüche<br />

waren dies im wahrsten Sinn des<br />

Wortes, wenn etwa – an der Pariser<br />

Universität – an einem Tage 70 Professoren<br />

und Studenten das Ordenskleid<br />

der Dominikaner begehrten,<br />

oder, ein Jahrhundert zuvor, der junge<br />

Ritter Bernhard von Clairvaux<br />

mit mehr als 20 Freunden und Verwandten<br />

an der Klosterpforte von<br />

Cîteaux Einlaß begehrte.<br />

Das ganze Mittelalter – weit davon<br />

entfernt, einen monolithischen<br />

Block darzustellen, – war eine<br />

überaus bewegte, von immer neuen<br />

geistigen, religiösen Bewegungen<br />

charakterisierte Epoche.<br />

b) Doch überspringen wir Jahrhunderte,<br />

begeben wir uns in das<br />

Mittel-, Nord-, Ost- und Westeuropa<br />

um die Mitte des 16. Jahrhunderts.<br />

Über diese Länder war seit Martin<br />

Luthers, Calvins und Zwinglis<br />

Protestbewegung der Sturm der<br />

Glaubensspaltung hinweggegangen<br />

und hatte eine religiöse Ruinenlandschaft<br />

hinterlassen. Bereits vom<br />

Wormser Reichstag des Jahres 1521<br />

berichtet der päpstliche Gesandte<br />

Alexander:<br />

„Es droht ein Volksaufstand, oder<br />

vielmehr ganz Deutschland ist in<br />

hellem Aufruhr. Neun Zehntel sind<br />

für Luther, das letzte Zehntel schreit<br />

zum wenigsten: Tod dem römischen<br />

Hof.“<br />

In den folgenden Jahren verlassen<br />

zahllose Ordensleute ihre Klöster,<br />

heiraten Hunderte von Priestern,<br />

werden die mächtigsten Fürsten –<br />

mit Ausnahme Bayerns – Anhänger<br />

Luthers und rotten alles katholische<br />

Leben aus. <strong>Der</strong> Zusammenbruch,<br />

der schließlich ganz Nord-, Mittelund<br />

Ostdeutschland zusammen mit<br />

dem Südwesten erfaßt, ist nahezu<br />

vollständig. Sittenlosigkeit und religiöse<br />

Verwirrung – wußte das Volk<br />

überhaupt noch, ob es katholisch<br />

oder lutherisch glaubte? – waren allgemein,<br />

und selbst im katholisch<br />

verbliebenen Klerus herrschte tiefe<br />

Unsicherheit und Entmutigung.<br />

So etwa präsentierte sich die<br />

kirchliche Lage in Europa, als 1546<br />

das Konzil von Trient zusammentrat.<br />

Und: wiederum ein halbes Jahrhundert<br />

danach hatte sich erneut ein<br />

Aufbruch ereignet, der so unerwartet<br />

und tiefgreifend, so kraftvoll und<br />

beeindruckend war, dass der bedeutende<br />

Kirchenhistoriker Hubert<br />

Jedin ihn als „das Wunder von Trient“<br />

bezeichnet hat.<br />

Das Wunder war jenes unerhörte<br />

Phänomen des katholischen Barock,<br />

das weit mehr als einen Kunst-<br />

stil, das eine ganze Kulturepoche<br />

meint, in welcher neue, kraftvolle<br />

Vitalität des katholischen Glaubens<br />

alle Bereiche von Kultur, Kunst,<br />

Wissenschaft, Religion und Alltagsleben<br />

durchdrang und die Menschen<br />

jener Epoche zu Höchstleistungen<br />

auf all diesen Gebieten beflügelte,<br />

die bis heute unerreichbar<br />

blieben – und: was der katholischen<br />

Kirche durch die Reformation<br />

verlorengegangen war, das wuchs<br />

ihr nun aus Asiens und Amerikas<br />

Völkerschaften zu, wohin das katholische<br />

Resteuropa einen kühnen<br />

missionarischen Ausgriff wagte. Ein<br />

Jahrhundert der Heiligen war angebrochen.<br />

So groß war die Anziehungskraft<br />

der aus dem Konzil von<br />

Trient erneuert und gekräftigt hervorgegangenen<br />

Kirche, dass zahlreiche<br />

Protestanten, Fürsten, Gelehrte,<br />

Theologen und Bürger sich<br />

der katholischen Kirche zuwandten.<br />

Eine Sammlung von knappsten Lebensbeschreibungen<br />

ausschließlich<br />

prominenter Konvertiten vom Beginn<br />

der Reformation bis zum Ende<br />

des 18. Jahrhunderts umfaßt 13<br />

Bände!<br />

c) Als ein drittes Beispiel für einen<br />

kirchlichen Neuaufbruch sei<br />

jener erwähnt, den Frankreich nach<br />

der Revolution von 1789 erlebt hat.<br />

Die sich seit dem Ausbruch der<br />

Revolution in mehreren Schritten<br />

zunehmend verschärfende Kirchen-<br />

Es gibt keine Reform in der Kirche<br />

ohne Einheit mit dem Papst.<br />

27. September 1540 in Rom:<br />

Ignatius von Loyola überreicht<br />

Papst Paul III. die Statuten der Gesellschaft<br />

Jesu, und der Papst bestätigt<br />

den neuen Orden. – In diesen<br />

Statuten heißt es: „... dass wir<br />

durch das Band des Gelübdes verpflichtet<br />

sind, alles, was seine Heiligkeit<br />

befiehlt zum Fortschritt der<br />

Seelen und zur Ausbreitung des<br />

Glaubens, ohne jede Ausflucht oder<br />

Entschuldigung auf der Stelle auszuführen....“.<br />

Die Jesuiten wurden<br />

zu den wirkmächtigsten Trägern<br />

der tridentinischen Reform. (Gemälde<br />

aus dem Jahre 1622, in der Sakristei<br />

von Il Gesu in Rom.)<br />

202 DER FELS 7/<strong>2002</strong>

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