Juli 2002 - Der Fels
Juli 2002 - Der Fels
Juli 2002 - Der Fels
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Er stellte ein neues Rentensystem vor,<br />
das vermutlich nach der Wahl lauter<br />
diskutiert werden wird aber schon<br />
jetzt von Wissenschaftlern anderer<br />
Länder, etwa dem ebenfalls teilnehmenden<br />
französischen Rentenexperten<br />
Professor Jacques Bischof,<br />
unabhängig von Professor Sinn entwickelt<br />
wurde. Es basiert auf einer<br />
privaten Kapitalbildung, in die auch<br />
die Kinderzahl als Humankapital einfließe.<br />
Auf diese Weise würde die Erziehung<br />
von Kindern zu Rentenansprüchen<br />
führen.<br />
Die Politik blieb bei ihren festgefahrenen<br />
Meinungen. Sie drückten<br />
sich aus in Grußworten des Kanzlers<br />
und seines Herausforderers. Für<br />
die SPD ruht der Schwerpunkt auf<br />
der staatlichen Hilfe, für die Union<br />
auf der Wahlfreiheit. Beiden Seiten<br />
geht es um die Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf. Die Politiker Kurt<br />
Beck, Christa Stewens, Harald Schartau<br />
deklinierten diese Ansichten<br />
durch. Einen anderen wirtschaftli-<br />
Koordinationskreis<br />
Familien- und Gesellschaftspolitik<br />
Demographie und Wohlstand<br />
Neuer Stellenwert für Familie<br />
in Wirtschaft und Gesellschaft<br />
Europäischer Kongress<br />
Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin<br />
12. und 13. Juni <strong>2002</strong><br />
Schirmherrshcaft:<br />
Jacques Chirac,<br />
Staatspräsident der Republik Frankreich<br />
Johannes Rau,<br />
Bundespräsident der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Simultanübersetzung in die Sprachen<br />
deutsch, französisch, englisch<br />
www.berlinerkongress<strong>2002</strong>.de<br />
chen Ansatz trugen Hans Geisler aus<br />
Sachsen und die Familienminister<br />
von Norwegen und Ungarn vor. Sie<br />
plädierten für ein Erziehungseinkommen<br />
und auch für mehr Angebote<br />
zur Erhöhung der Erziehungskompetenz<br />
von Eltern (Geisler). Ein<br />
Sachsen in der Pole-Position<br />
Erziehungseinkommen würde die<br />
Förderung von Objekten (Kindergärten,<br />
Krippen etc) zu Subjekten bewirken,<br />
man gäbe den Eltern das<br />
Geld in die Hand und würde damit<br />
den Markt beleben, und zwar durch<br />
mehr Konsum und durch mehr<br />
Nachfrage nach privaten Betreuungsformen.<br />
<strong>Der</strong> Staat solle, so<br />
Geisler, möglichst wenig Einfluss auf<br />
die Erziehungsformen nehmen<br />
Überhaupt scheint man im Osten<br />
Deutschlands, insbesondere in<br />
Sachsen, die Problematik der alternden<br />
Bevölkerung schärfer<br />
und umfassender im Blick zu<br />
haben als im Westen. Minis-<br />
terpräsident Milbradt erinnerte<br />
daran, dass auf dem Gebiet<br />
der früheren DDR heute<br />
bereits weniger Menschen leben<br />
als vor dem Zweiten Weltkrieg<br />
- für Mitteleuropa eine<br />
nie gekannte Situation. Auch<br />
sei die Bevölkerung im Osten<br />
im Durchschnitt um zwei Jahre<br />
älter als im Westen. Das erfordere<br />
ein Umdenken,<br />
„denn wir waren es in Politik<br />
und Gesellschaft jahrzehntelang<br />
gewohnt, mit Wachstum<br />
umzugehen, ja Wachstum zu<br />
verwalten. Uns fehlt die Erfahrung,<br />
wie man mit einer<br />
abnehmenden Bevölkerung<br />
als Land leistungsfähig<br />
bleibt“. Ostdeutschland gehöre<br />
zu den Regionen, „die früher<br />
als andere Regionen in<br />
Europa vor der umfassenden<br />
demographischen Herausforderung<br />
stehen“. Aber statt zu<br />
jammern empfiehlt Milbradt<br />
beherztes Handeln. „Wenn<br />
wir schon früher als andere<br />
gezwungen sind, uns mit einer<br />
alternden Gesellschaft<br />
dem Wettbewerb der Regionen<br />
zu stellen, wollen wir in<br />
Sachsen auch die unfreiwilli-<br />
ge „Pole-Position“ nutzen und versuchen,<br />
den demographischen<br />
Wandel als Chance zu begreifen.“<br />
Das bringe Wettbewerbsvorteile.<br />
Milbradt exemplifiziert diese<br />
Sicht am Beispiel der Bildung. Die<br />
Zahl der Schüler nimmt in Ostdeutschland<br />
- und damit auch in<br />
Sachsen - bereits seit 1996 deutlich<br />
ab. Heute liegen die Schülerzahlen<br />
in Sachsen schon rund ein Fünftel<br />
unter dem Stand von 1993. Und<br />
eine weitere rasante Abnahme der<br />
Schülerzahlen steht noch bevor: Im<br />
Jahre 2010 wird Sachsen nur noch<br />
halb so viele Schüler wie 1993 haben.<br />
Anders im Westen: Dort wird<br />
aus verschiedenen Gründen die<br />
Schülerzahl bis 2010 nicht unter das<br />
Niveau von 1993 absinken. Dieser<br />
demographische Wandel zieht enorme<br />
Folgen für den Hochschulsektor<br />
nach sich. Nach Jahren des Wachstums<br />
wird der Anstieg der Studentenzahlen<br />
an den Hochschulen<br />
in Sachsen spätestens in drei bis vier<br />
Jahren beendet sein. Danach wird<br />
es zu einem Rückgang kommen,<br />
der nach einem Höchststand von<br />
etwa 75.000 Studenten im Jahr<br />
2005 ein Absinken auf eine Größenordnung<br />
von nur noch 35.000<br />
im Jahre 2015 befürchten lässt. Und<br />
dieser Rückgang sei, so Milbradt,<br />
vermutlich noch zu optimistisch eingeschätzt:<br />
Denn die Zahl der Abiturienten<br />
gehe in Sachsen von<br />
knapp 22.000 im Jahre 1999 bis<br />
2010 auf knapp die Hälfte zurück.<br />
Angesichts dieses Szenarios „haben<br />
wir in Sachsen in den vergangenen<br />
Jahren bereits damit begonnen, das<br />
Bildungsangebot kontinuierlich an<br />
die geringere Nachfrage anzupassen.<br />
Wir haben Schulen schließen<br />
müssen. Wir haben Lehrer zu Teilzeitarbeitsmodellen<br />
bewegen müssen.<br />
Gegenwärtig legen wir in Sachsen<br />
ein neues Schulnetz fest. Ein<br />
Schulnetz, das einerseits noch<br />
finanzierbar und andererseits in erreichbarer<br />
Entfernung qualitativ<br />
gute Schulangebote gewährleistet“.<br />
Das sei gerade im ländlichen Raum<br />
mit erheblichen Widerständen auch<br />
bei den Kommunen verbunden.<br />
Auch bei den Hochschulen seien<br />
bereits jetzt schmerzliche Eingriffe<br />
unvermeidbar. „Weniger Schüler,<br />
weniger Studenten - das kann nicht<br />
heißen: Gleich bleibende Anzahl<br />
von Lehrern oder gleich bleibende<br />
206 DER FELS 7/<strong>2002</strong>