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Der Einsatz von Blutegeln zur symptomatischen Schmerztherapie bei

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Egel wurden damals ,,geerntet“, indem man sie mit blutigen Fleischstücken anlockte, in<br />

anderen Fällen watete man durch flaches Wasser und zupfte danach die anhaftenden Egel<br />

ab. Zeitweilig wurden zu diesem Zweck auch Pferde verwendet, was allerdings später<br />

wegen Tierquälerei verboten wurde [Wesenberg-Lund 1939].<br />

<strong>Der</strong> Gebrauch <strong>von</strong> <strong>Blutegeln</strong> war so beliebt, daß der Bestand bald ernsthaft gefährdet<br />

war. Das lag zum einen an den großzügigen Indikationsstellungen, zum anderen am<br />

hohen Verbrauch pro Einzelsitzung. Dazu kam, daß aufgrund der langen Importwege und<br />

ungeeigneter Aufbewahrung (z.B. zwischen feuchtem Moos, in Leinensäcken oder auf<br />

Hängematten – ohne <strong>zur</strong>eichende Bewässerung!) viele Tiere den Transport nicht über-<br />

lebten, manchmal nur jeder zehnte. Ein massiver Preisanstieg war die Folge. Bereits um<br />

1830 waren die Bestände in Frankreich und Deutschland so gut wie erschöpft, man<br />

importierte nun aus Polen und Ungarn, später aus Ägypten, Syrien, der Türkei, Rußland<br />

und Zentralasien. Einige Länder verhängten Ausfuhrsperren, Schmuggel und Betrug<br />

(Verkauf <strong>von</strong> bereits gesättigten Egeln oder zum Saugen ungeeigneten Spezies) waren<br />

die Folge. Die Regierungen einiger Länder (Preußen 1832, Sachsen 1834, Frankreich<br />

1845) erließen Maßnahmen <strong>zur</strong> Anzucht <strong>von</strong> <strong>Blutegeln</strong>, um <strong>von</strong> Importen unabhängig zu<br />

sein [Müller 2000].<br />

Mehrere Verantwortliche, u.a. Heinrich Eduard <strong>von</strong> Egidy, Simon Bonnet (1782-1876),<br />

E. Pallas und Eugene Sou<strong>bei</strong>ran (1793-1858) empfahlen, vollgesogene Blutegel erneut zu<br />

benutzen oder für die Zucht zu verwenden, um dem Mangel abzuhelfen. Die Wieder-<br />

benutzung war auf dem Lande ohnehin üblich, zudem hatten Experten (Pallas, Simon,<br />

Domanget) die Ungefährlichkeit <strong>bei</strong> Infektionskrankheiten nachgewiesen. In Frankreich<br />

wurde diese Praxis sogar gesetzlich festgelegt [Müller 2000].<br />

Mit den 1830er Jahren hatte die Blutegelmanie ihren Höhepunkt überschritten, ab 1850<br />

ging der Gebrauch <strong>von</strong> <strong>Blutegeln</strong>, vor allem in den Krankenhäusern, deutlich <strong>zur</strong>ück. Ein<br />

Grund dafür war sicherlich, daß die Tiere in ganz Europa nahezu ausgerottet waren.<br />

Unabhängig da<strong>von</strong> wandte sich die wissenschaftliche Medizin immer mehr <strong>von</strong> blutent-<br />

ziehenden Mitteln ab, da sich das Krankheitsverständnis durch die naturwissen-<br />

schaftlichen Forschungen mittlerweile geändert hatte. Die Humoralpathologie, in deren<br />

Methodik Egel nun weit mehr als 1000 Jahre lang eine große Rolle gespielt hatten, mußte<br />

in den 1850er Jahren endgültig der Zellularpathologie Rudolf Virchows (1821-1902)<br />

weichen. Auch der Aderlaß verschwand bis zum Ende des Jahrhunderts aus dem Reper-<br />

toire anerkannter Heilmethoden [Esser 1872]. Mit der Entdeckung der Bakterien als<br />

Krankheitserreger entstand die Hoffnung, nahezu alle Krankheiten heilen zu können.<br />

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