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Der Einsatz von Blutegeln zur symptomatischen Schmerztherapie bei

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kritischer Prüfung durch Beobachtung, Erfahrung und unter Umständen auch<br />

Experiment. Hierzu soll die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t einen kleinen Beitrag liefern.“<br />

[Bottenberg 1935]. Die Nachfrage stieg, andere Mediziner priesen die treuen Tierchen als<br />

,,unumstrittenes Allgemeingut“ [Leuze 1937], ihre Wirkung ,,grenze einfach ans<br />

Wunderbare“ [Heisler 1937]. Damals gab es in Deutschland nur drei Apotheken, die<br />

Versandhandel mit <strong>Blutegeln</strong> betrieben (in Berlin, Frankfurt und Kaub). Versandte die<br />

Hindenburg-Apotheke in Kaub 1931 nur 5000 Stück, so waren es 1934 schon 34000,<br />

1936 bereits 96000 und 1941 gar 200000. <strong>Der</strong> ,,kleine Beitrag“ hatte sich offenbar<br />

gelohnt. Allerdings ging dieser hohe Verbrauch kaum auf die Verordnung durch<br />

approbierte Ärzte <strong>zur</strong>ück. Die Hauptkonsumenten waren, wie schon zuvor, Leute vom<br />

Lande, die sich die Tiere auf eigenen Wunsch oder auf Veranlassung durch Heilpraktiker<br />

ansetzten [Bottenberg 1948].<br />

Obwohl sich Bottenberg in der zweiten Auflage seines Werks (1948) <strong>von</strong> der ,,staatlichen<br />

Anerkennung und Förderung“ distanzierte, wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg in<br />

Deutschland still um die Blutegel. In Frankreich hatte ihr Ruf in der Medizin schon zehn<br />

Jahre zuvor gelitten. Obwohl Presseberichte 1938 über eine sehr zufriedenstellende<br />

Wirkung <strong>von</strong> <strong>Blutegeln</strong> <strong>bei</strong> Papst Pius XI informierten [Chambron 1938] und niemand<br />

den Nutzen der Therapie grundsätzlich bezweifelt, setzten sich in Westeuropa nach-<br />

einander Heparin und Cumarinderivate (Marcumar®) als Thromboseprophylaxe<br />

endgültig gegen die Hirudinisierung des Blutes durch. Diese Entwicklung hat der Rolle<br />

der Blutegel in der Medizin Osteuropas aber kaum Abbruch getan. Als bedeutendste<br />

Gesamtdarstellung der Nachkriegszeit erschien 1955 in Moskau „<strong>Der</strong> Medizinische Blut-<br />

egel und seine Anwendung“ (G. G. Schtschegolew und M.S. Fjodorowa). Das Werk ist<br />

als Kurzlehrbuch für medizinisches Personal konzipiert; es basiert auf Erfahrungen und<br />

Forschungsberichten der großen, auf die Blutegeltherapie spezialisierten Moskauer<br />

Heilanstalt ,,Medpijawka“ (russ. Medizinischer Blutegel) [Müller 2000].<br />

Ab 1960 bekamen die Tiere in der Mikrochirurgie und der Plastischen Chirurgie ein<br />

neues <strong>Einsatz</strong>gebiet. Dieser Verwendungszweck machte sie in der Fachwelt wieder<br />

,,gesellschaftsfähig“. Als weitere Gesamtwerke erschienen in Deutschland ,,<strong>Der</strong> Blutegel<br />

in der ärztlichen Praxis“(Karl-Otto Kuppe, 1971) sowie das ,,Handbuch der Blutegel-<br />

therapie“ (Ingo Wilhelm Müller, 2000). 1981 gründete Dr. Roy Sawyer im walisischen<br />

Swansea die weltweit erste Blutegelfarm [Whitaker et al. 2004]. Nachdem die bis dahin<br />

für ausgerottet gehaltenen Tiere 1948 im Emsland wiederentdeckt worden waren, werden<br />

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