Kritik - Forschung & Lehre
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6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> STANDPUNKT 385<br />
Miloš Vec<br />
ist Jurist und forscht am<br />
Max-Planck-Institut für europäische<br />
Rechtsgeschichte in<br />
Frankfurt am Main.<br />
<strong>Kritik</strong><br />
In Paris findet Ende<br />
dieses Monats ein ungewöhnlicherStrafprozess<br />
statt. Wegen<br />
Rufschädigung verantworten<br />
muss sich ein<br />
Wissenschaftler, der<br />
als Herausgeber eine<br />
kritische Rezension<br />
nicht von der Journal-<br />
Website entfernen<br />
wollte. Ungewöhnlich<br />
ist schon dieser Verhandlungsgegenstand,<br />
aber noch erstaunlicher<br />
wirkt der Vorgang<br />
nach Lektüre des<br />
Texts, der den Anlass<br />
zum Rechtsstreit gab.<br />
Die Rezension ist unter der Menge der veröffentlichten<br />
<strong>Kritik</strong>en wenig auffällig, was Schärfe und<br />
Angriffslust anbelangt.<br />
Juristische Rezensionen des 19. Jahrhunderts<br />
hingegen verstören den heutigen Leser nachgerade<br />
durch ihre Gnadenlosigkeit. Wie die Gelehrten<br />
sich danach wohl begegnet sind? Oder war gerade<br />
die größere kommunikative und räumliche Distanz<br />
eine Voraussetzung solch verklungener Tonlagen?<br />
Im historischen Vergleich scheint die heutige<br />
Wissenschaft moderater zu kritisieren. Jedenfalls<br />
dort, wo Stellungnahmen publiziert werden<br />
und namentlich gezeichnet sind.<br />
Nicht alle Fächer haben eine Rezensionskultur,<br />
die jener der Geistes- und Sozialwissenschaften<br />
vergleichbar ist. Aber alle kennen Institutionen<br />
der <strong>Kritik</strong>, mögen sie auch oft anders heißen. Heute<br />
sind Evaluation und Begutachtung fachüber-<br />
greifend zu den unangefochtenen Instanzen eines<br />
grauen Marktes der <strong>Kritik</strong> geworden. Viel Energie<br />
und Geistestätigkeit fließen in diese bestenfalls semi-publiken<br />
Foren, deren unmittelbare Konsequenzen<br />
allen Seiten bewusst sind, Gutachtern<br />
und Begutachteten wie auch den Ringrichtern,<br />
Ausrichtern und <strong>Forschung</strong>sfinanziers.<br />
Um Fairness zu gewährleisten, herrschen hier<br />
strengere Regeln, <strong>Kritik</strong> wird zum administrativ<br />
gehegten Geschäft. Anders im klassischen Rezensionswesen,<br />
wo ethische Standards und der Benimm<br />
der Wissenschaft die Grenzen setzen. Der<br />
Ethik des Rezensierens mit ihren Distanz- und<br />
Fairnessgeboten entspricht idealerweise eine Ethik<br />
des Rezensiert-Werdens mit Duldungspflichten.<br />
Ein funktionierendes Rezensionswesen ist somit<br />
formaler Ausdruck der Selbstregulierung der Wissenschaft,<br />
und Verrechtlichung der Konflikte ist<br />
nur bei extremen Fällen angesagt.<br />
Ob diese Wissenschaft auch inhaltlich einen<br />
hohen Standard der <strong>Kritik</strong> hält, steht freilich auf<br />
einem anderen Blatt. Verclusterung und zunehmende<br />
Drittmittelfinanzierung machen öffentliche<br />
Stellungnahmen zu mehr als bloßem intellektuellem<br />
Schlagabtausch. Die Anreize zu Kartellen sind<br />
groß, die Verbreitung von Seilschaften erschreckend.<br />
Verbindet sich dies mit der Neigung, <strong>Kritik</strong><br />
an Werk, Methoden oder Zuständen als persönlichen<br />
Angriff oder gar als „Nestbeschmutzung“ zu<br />
deuten, ist ein wesentlicher Innovationsfaktor blockiert.<br />
Die Wissenschaft verkommt zur Normalfabrik,<br />
die Zustimmung als Selbstverständlichkeit<br />
erwartet, wo es doch eigentlich der Zweifel sein<br />
sollte. Originalität und Innovation sind ohne ihn<br />
nicht zu haben. Eine Kultur der <strong>Kritik</strong> scheint<br />
zwar ein Luxus, aber „das Überflüssige ist eine<br />
sehr notwendige Sache“ (Voltaire).
386 INHALT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Inhalt<br />
STANDPUNKT<br />
Miloš Vec<br />
385 <strong>Kritik</strong><br />
NACHRICHTEN<br />
388 Bologna-Gipfel eine „Alibi-Veranstaltung“<br />
SPRACHE UND WISSENSCHAFT<br />
Wolfgang Frühwald<br />
392 Menschwerdung durch Sprache<br />
Über Barbarei, Sprachkultur und die Gegenworte<br />
der Dichter<br />
Julia Fischer<br />
396 Die Eine Million Dollar-Frage<br />
Über Kommunikation und Sprache bei Affen –<br />
Beobachtungen der kognitiven Ethologie<br />
Angela D. Friederici<br />
398 Passt das Verb zum Nomen?<br />
Wie der Mensch Sprache versteht<br />
Ulrich Ammon<br />
400 Über Deutsch als Wissenschaftssprache<br />
Kaum noch ein Prozent Weltanteil in den<br />
Naturwissenschaften<br />
404 Langeweile ist unverzeihlich<br />
Über das Arbeiten mit und an der Sprache –<br />
Fragen an Martin von Koppenfels<br />
WISSENSCHAFTSKULTUR<br />
Jürgen Mittelstraß<br />
406 Wissenschaftskultur<br />
Zur Vernunft wissenschaftlicher Institutionen<br />
Impressum<br />
17. Jahrgang in Fortführung der Mitteilungen<br />
des Deutschen Hochschulverbandes<br />
(43 Jahrgänge)<br />
Herausgegeben im Auftrage des Präsidiums<br />
des Deutschen Hochschulverbandes<br />
ISSN: 0945-5604; erscheint monatlich<br />
Deutscher Hochschulverband<br />
Präsident:<br />
Bernhard Kempen, Univ.-Professor, Dr.<br />
Vizepräsidenten:<br />
Johanna Hey, Univ.-Professorin, Dr.<br />
(1. Vizepräsidentin)<br />
Bernd Helmig, Univ.-Professor, Dr.<br />
Josef Pfeilschifter, Univ.-Professor, Dr.<br />
Ilona Rolfes, Univ.-Professorin, Dr.<br />
Ulrich Schollwöck, Univ.-Professor, Dr.<br />
Daniela Wawra, Univ.-Professorin, Dr.<br />
Ehrenpräsident:<br />
Hartmut Schiedermair, Univ.-Professor, Dr.<br />
Geschäftsführer:<br />
Michael Hartmer, Dr.<br />
Geschäftsstelle des<br />
Deutschen Hochschulverbandes:<br />
Rheinallee 18, 53173 Bonn,<br />
Tel.: (0228) 902 66-66; Fax: (0228) 902 66-80<br />
E-Mail: dhv@hochschulverband.de<br />
Internet: www.hochschulverband.de<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
Kuratorium:<br />
Manfred Erhardt, Professor, Dr.<br />
Wolfgang Frühwald, Univ.-Professor, Dr.<br />
Horst-Albert Glaser, Univ.-Professor, Dr.<br />
Peter Heesen<br />
Max G. Huber, Univ.-Professor, Dr.<br />
Hans Mathias Kepplinger, Univ.-Professor, Dr.,<br />
Steffie Lamers<br />
Franz Letzelter, Dr.<br />
Reinhard Lutz, Dr.<br />
Johannes Neyses, Dr.<br />
Sprache und<br />
Wissenschaft<br />
Das Wunder der Sprache hat seit jeher<br />
Dichter, Denker und Forscher fasziniert.<br />
Gegenwärtig erwartet man besonders<br />
von der Hirnforschung und der<br />
Evolutionsbiologie Aufschlüsse über die<br />
Sprachentstehung. Perspektiven aus<br />
verschiedenen Wissenschaften.<br />
Sprache und Wissenschaft . . . . . . . 392<br />
Wissenschaftskultur<br />
Wissenschaft, Wirtschaft, und Technik<br />
gehören für viele nicht zur Kultur, ja lägen<br />
im Streit mit ihr. Ist der Antagonismus<br />
aber sachnotwendig oder vielleicht<br />
doch aufzulösen? Ein Aufruf zum Lernen<br />
voneinander.<br />
Zur Vernunft wissenschaftlicher<br />
Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />
Karl-Heinz Reith<br />
Kurt Reumann, Dr.<br />
Joachim Hermann Scharf, Prof. Dr., Dr., Dr. h.c.<br />
Hartmut Schiedermair, Univ.-Professor, Dr.<br />
Andreas Schlüter, Dr.<br />
Joachim Schulz-Hardt, Dr.<br />
Hermann Josef Schuster, Dr.<br />
Werner Siebeck<br />
Margret Wintermantel, Univ.-Professor, Dr.<br />
Redaktion:<br />
Felix Grigat, M. A. (verantwortl. Redakteur)<br />
Michael Hartmer, Dr.<br />
Friederike Invernizzi, M.A.<br />
Ina Lohaus<br />
Vera Müller, M. A.<br />
Foto: picture-alliance<br />
Foto: picture-alliance
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> INHALT 387<br />
Pro & Contra<br />
Für die einen nicht verhandelbar, für<br />
die anderen eher aus dem Reich der Fabel:<br />
Gemeint ist die Einheit von <strong>Forschung</strong><br />
und <strong>Lehre</strong>. Es lohnt, von Zeit zu<br />
Zeit die Grundfrage wieder neu zu stellen:<br />
Ist eine wissenschaftliche <strong>Lehre</strong> ohne<br />
eigene <strong>Forschung</strong> möglich?<br />
<strong>Lehre</strong> ohne eigene <strong>Forschung</strong>? . . . 326<br />
Kleine Fächer<br />
Das byzantinische Reich hat die Geschichte<br />
und Kultur Europas geprägt.<br />
Ist die Erforschung des Phänomens<br />
Byzanz eine weltferne Wissenschaft?<br />
Welche Perspektiven hat dieses kleine<br />
kulturwissenschaftliche Fach angesichts<br />
einer ökonomisierten Wissenschaftspolitik?<br />
Byzantinistik heute. . . . . . . . . . . . . 420<br />
Design-Konzept:<br />
Agentur 42, Mainz<br />
Titelbild: Agentur 42<br />
Grafik und Layout:<br />
Robert Welker<br />
Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Hubert Detmer, Dr., Rechtsanwalt,<br />
stellv. Geschäftsführer des Deutschen<br />
Hochschulverbandes<br />
Sven Hendricks, Dr., Rechtsanwalt im<br />
Deutschen Hochschulverband<br />
Wiltrud Christine Radau, Dr., Rechtsanwältin<br />
im Deutschen Hochschulverband<br />
Foto: mauritius-images Foto: picture-alliance<br />
PRO & CONTRA<br />
410 Ist eine wissenschaftliche <strong>Lehre</strong> ohne eigene<br />
<strong>Forschung</strong> möglich?<br />
HOCHSCHULRECHT<br />
Hubert Detmer | Ulrike Preißler<br />
412 Einstellungsaltersgrenzen für Professoren<br />
Ergebnisse einer Umfrage<br />
DOKUMENTATION<br />
417 Master als Regelabschluss<br />
Beschluss der technisch orientierten Universitäten<br />
in ARGE TU/TH und TU9<br />
STUDIENFINANZIERUNG<br />
Stephan A. Jansen | Tome Sandevski<br />
420 Kapital oder Kapitulation?<br />
Das geplante nationale Stipendienprogramm<br />
KLEINE FÄCHER<br />
Foteini Kolovou<br />
422 Byzantinistik heute: eine weltferne Wissenschaft?<br />
Perspektiven eines „Orchideenfachs“<br />
RUBRIKEN<br />
426 <strong>Forschung</strong>: Ergründet und entdeckt<br />
428 Lesen und lesen lassen<br />
430 Zustimmung und Widerspruch<br />
432 Entscheidungen aus der Rechtsprechung<br />
433 Steuerrecht<br />
434 Karrierepraxis<br />
436 Karriere<br />
443 Akademischer Stellenmarkt<br />
463 Fragebogen II: Zu Ende gedacht – Heinrich Detering<br />
464 Exkursion<br />
Birgit Ufermann, Rechtsanwältin<br />
im Deutschen Hochschulverband<br />
Beiträge, die mit Namen oder Initialen des<br />
Verfassers gekennzeichnet sind, stellen<br />
nicht in jedem Falle die Meinung der Redaktion<br />
oder des Herausgebers dar. Für<br />
unverlangt eingesandte Manuskripte kann<br />
keine Haftung übernommen werden.<br />
»Pronuntiatio sermonis in sexu masculino<br />
ad utrumque sexum plerumque porrigitur.«<br />
(Corpus Iuris Civilis Dig. L, 16, 195)<br />
Zitierweise: <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
Verlag und Redaktion:<br />
Rheinallee 18, 53173 Bonn<br />
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Preisliste Nr. 39 vom 1.1.2010<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> wird auf chlorfreiem<br />
Papier gedruckt und ist recyclebar.<br />
Druckauflage:<br />
27.956 Exemplare (IVW 1/2010)
388 NACHRICHTEN <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Nachrichten<br />
Bologna-Gipfel eine „Alibi-Veranstaltung“<br />
Die Bundesregierung will<br />
mit einem Qualitätspakt<br />
das Studium an deutschen<br />
Hochschulen verbessern.<br />
In den kommenden<br />
zehn Jahren sollen dafür zwei<br />
Milliarden Euro eingesetzt<br />
werden.<br />
Mit dem Geld soll laut<br />
Ministerium Personal im universitären<br />
Mittelbau eingestellt<br />
und Mentoren- und Tu-<br />
ZAHL DES MONATS<br />
750 Milliarden<br />
Euro<br />
beträgt das Gesamtvolumen<br />
des internationalen<br />
Rettungspaketes<br />
für die europäische Gemeinschaftswährung.<br />
torenprogramme gefördert<br />
werden. Auch die Beratung<br />
und Betreuung von Studen-<br />
ten solle verbessert werden.<br />
Zur Verbesserung der Qualität<br />
der <strong>Lehre</strong> soll eine neue<br />
Akademie als Einrichtung<br />
der Hochschulen eine zentrale<br />
Rolle spielen. Zusätzlich<br />
will das Ministerium seine<br />
Mobilitätsförderung bis 2015<br />
um rund 90 Millionen Euro<br />
aufstocken. Damit werden<br />
z.B. Auslandsaufenthalte und<br />
Sprachkurse gefördert. BundesbildungsministerinAnnette<br />
Schavan erklärte, von der<br />
Bologna-Konferenz gehe das<br />
Signal aus, „dass wir alle gemeinsam<br />
etwas für die Studienbedingungen<br />
und eine bessere<br />
<strong>Lehre</strong> tun wollen“. Man<br />
habe „ein Gespräch auf Augenhöhe“<br />
geführt. Die Hochschulen<br />
seien auf einem guten<br />
Weg, die Ziele der Bologna-Reform<br />
zu erreichen.<br />
Mehrere Studentenvertreter<br />
verließen das Treffen vorzeitig.<br />
Der Gipfel sei keine<br />
Konferenz zur Lösung dringender<br />
Probleme, sondern ei-<br />
ne inszenierte Komödie, sagten<br />
Hannah Eberle und Jakob<br />
Lohmann von der Bildungsstreik-Initiative.Vertreter<br />
des SDS erklärten, der<br />
Bologna-Gipfel sei ergebnislos<br />
geblieben. Die Linke unterstütze<br />
weitere Bildungsproteste<br />
im Juni. Schavan<br />
hatte Vertreter von Hochschulen,Studentenverbänden,<br />
Gewerkschaften und<br />
Politik nach Berlin geladen,<br />
um über die Umsetzung der<br />
Bologna-Reform zu sprechen.<br />
Die Konferenz war als<br />
Reaktion auf die bundesweiten<br />
Studentenproteste vom<br />
vergangenen Jahr einberufen<br />
worden. Künftig, so die Ministerin,<br />
werde es einmal pro<br />
Jahr eine gemeinsame Konferenz<br />
aller Beteiligten zum<br />
Thema Bologna-Reformprozess<br />
geben.<br />
Der Deutsche Hochschulverband<br />
(DHV), der zur<br />
Konferenz nicht eingeladen<br />
war, zeigte sich über die Er-<br />
DFG: Drohender Nachwuchsmangel in der Klinischen <strong>Forschung</strong><br />
Die Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />
(DFG)<br />
sorgt sich um den wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs in<br />
der Klinischen <strong>Forschung</strong>.<br />
Um dem akut drohenden<br />
Mangel an jungen Medizinern<br />
in der Wissenschaft entgegenzuwirken,<br />
hat die Senatskommission<br />
der DFG für<br />
Klinische <strong>Forschung</strong> jetzt<br />
weitreichende Empfehlungen<br />
zur Strukturierung der wissenschaftlichen<br />
Ausbildung<br />
in der Medizin verfasst. In ihr<br />
werden die zuständigen Ministerien<br />
in den Bundesländern<br />
dringend aufgefordert,<br />
Einrichtungen für den forschenden<br />
Nachwuchs an den<br />
Medizinischen Fakultäten zu<br />
unterstützen und zu fördern.<br />
Weitere Adressaten der<br />
Schrift sind die Medizinischen<br />
Fakultäten, aber auch<br />
Studierende der Medizin und<br />
forschende Ärzte.<br />
Die Stellungnahme betont,<br />
dass die Klinische <strong>Forschung</strong><br />
zwingend Ärzte benötigt,<br />
die einerseits Erfahrung<br />
am Krankenbett und<br />
andererseits eine fundierte<br />
wissenschaftliche Ausbildung<br />
erfahren haben.<br />
Die Senatskommission<br />
sieht jedoch mit Sorge, dass<br />
sich immer weniger junge Mediziner<br />
für die Wissenschaft<br />
entscheiden. Die neue Approbationsordnung<br />
und die überwiegend<br />
praktische Ausrich-<br />
tung des Medizinstudiums erschweren<br />
aus ihrer Sicht zunehmend<br />
die Möglichkeit, für<br />
Studierende der Medizin eine<br />
wissenschaftliche Ausbildung<br />
zu gewährleisten. Fachgesellschaften<br />
sprechen von einer<br />
„Deprofessionalisierung“ der<br />
Ausbildung zum Arzt und<br />
vom Verlust der wissenschaftlichen<br />
Basis („Entakademisierung“).<br />
Schon jetzt sei absehbar,<br />
dass sich künftig noch<br />
weniger Studierende der Medizin<br />
zur Promotion entschließen<br />
werden, erst recht,<br />
wenn es sich dabei um eine<br />
experimentelle Arbeit mit hohem<br />
wissenschaftlichen Anspruch<br />
und entsprechendem<br />
Zeitaufwand handeln sollte.<br />
gebnisse des Bologna-Gipfels<br />
enttäuscht. „Das war eine<br />
Alibi-Veranstaltung“, erklärte<br />
der Präsident des DHV, Professor<br />
Bernhard Kempen.<br />
„Die Veranstaltung hat nichts<br />
dazu beigetragen, die bislang<br />
verfehlten, aber nach wie vor<br />
richtigen Bologna-Ziele wie<br />
mehr Mobilität oder weniger<br />
Studienabbrecher zu verwirklichen.“<br />
Alle entscheidenden<br />
Fragen zur Reform<br />
der Bologna-Reform seien<br />
vorsätzlich verschwiegen<br />
worden. Weder die Frage, ob<br />
ein wissenschaftliches Studium<br />
an einem an der Chimäre<br />
eines Durchschnittsstudierenden<br />
bemessenen „Workload“<br />
orientiert werden könne,<br />
noch die Frage des Erhalts<br />
des Qualitätsabschlusses<br />
„Diplom“, noch die Notwendigkeit,<br />
den Hochschulen<br />
mehr Freiheit für die Gestaltung<br />
von Studiengängen<br />
zu geben, seien thematisiert<br />
worden.<br />
Dem medizinischen Nachwuchs<br />
fehle es vielerorts nach<br />
wie vor an verlässlichen,<br />
transparenten Ausbildungsstrukturen<br />
und an frühzeitiger<br />
Beratung über die möglichen<br />
Karrierewege und Perspektiven<br />
in der akademischen<br />
Medizin. Die theoretischen<br />
Institute verzeichneten<br />
bereits einen deutlichen<br />
Rückgang der Promovierenden<br />
aus der Medizin, nicht<br />
zuletzt deshalb, weil diese<br />
nach dem Tarifvertrag für<br />
den Öffentlichen Dienst der<br />
Länder (TV-L) und damit<br />
schlechter als nach dem<br />
Tarifvertrag für Ärztinnen<br />
und Ärzte (TV-Ä) bezahlt<br />
werden.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> NACHRICHTEN 389<br />
Hessen: Hochschulpakt mit Protokollnotiz<br />
Die Präsidenten aller<br />
zwölf hessischen Hochschulen<br />
haben den umstrittenen<br />
Hochschulpakt für die<br />
Jahre 2011 bis 2015 unterschrieben.<br />
Acht Hochschulpräsidenten<br />
unterzeichneten<br />
den Pakt allerdings nur unter<br />
Protest und ließen dies in einer<br />
Protokollnotiz festhalten.<br />
Der Präsident der Universität<br />
Frankfurt, Werner Müller-Esterl,<br />
sagte gegenüber dpa: „Es<br />
war eine Unterschrift ohne<br />
Überzeugung. Wir sind aus<br />
verschiedenen Gründen nicht<br />
glücklich damit“. Man habe<br />
die Budgetkürzungen zähneknirschend<br />
akzeptiert, weil<br />
der Pakt Planungssicherheit<br />
über fünf Jahre gebe. In der<br />
Protokollnotiz bemängeln<br />
die Hochschulpräsidenten,<br />
dass über die Einsparungen<br />
von 30 Millionen Euro hinaus<br />
außerdem 20 Millionen<br />
Euro aus dem Grundbudget<br />
in das Erfolgsbudget verlagert<br />
werden sollen. Für die Technische<br />
Universität Darmstadt<br />
bedeutet der Pakt für das Jahr<br />
2011 gegenüber diesem Jahr<br />
eine Absenkung des Budgets<br />
Voßkuhle gegen Jura-Bachelor<br />
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts<br />
Andreas Voßkuhle hat sich<br />
kritisch zu der Einführung<br />
von Bachelor-Abschlüssen in<br />
der Juristenausbildung ausgesprochen.<br />
Ein kurzes Bachelor-Studium<br />
mit Vertiefung<br />
zum Master-Abschluss passe<br />
nicht zur deutschen Juristenausbildung.<br />
Die Ausbildung<br />
des europäischen Juristen<br />
könne „keine bloße Fortsetzung<br />
der Schule nur mit ande-<br />
um 4,5 Millionen Euro, für<br />
die Universität Frankfurt 9,7<br />
Millionen Euro und die Universität<br />
Marburg 6,2 Millionen<br />
Euro.<br />
Aus Protest hatten sich in<br />
den Wochen vor der Unterzeichung<br />
einige Hochschulen<br />
zunächst geweigert, dem Abkommen<br />
zuzustimmen. Seine<br />
Unterzeichnung musste deswegen<br />
verschoben werden.<br />
Das Finanz- und Wissenschaftsministerium<br />
bestand<br />
dagegen auf dem Sparziel,<br />
das nicht verhandelbar sei.<br />
Die schwarz-gelbe Landesregierung<br />
drohte laut dpa den<br />
Hochschulen sogar an, noch<br />
massivere Einschnitte hinnehmen<br />
zu müssen, sollten<br />
sie ihre Unterschrift verweigern.<br />
Dem Druck gaben die<br />
Hochschulen schließlich<br />
nach. Die hessische Wissenschaftsministerin<br />
Kühne-<br />
Hörmann sagte: „Unter Berücksichtigung<br />
aller Komponenten<br />
der Hochschulfinanzierung<br />
komme ich zu dem<br />
Schluss, dass das Land von<br />
den Universitäten, Fach- und<br />
Kunsthochschulen in schwie-<br />
ren Inhalten“ sein, sagte er<br />
laut der Badischen Zeitung<br />
zur Eröffnung des 16. Verwaltungsgerichtstags.<br />
Auch einer<br />
weiteren Verkürzung der Studienzeiten<br />
erteilte der Verfassungsrichter<br />
demnach eine<br />
Absage. „Wer während des<br />
Studiums ins Ausland gehen<br />
soll, benötigt vor allem eines:<br />
Zeit“. Für die Beibehaltung<br />
des bestehenden Systems<br />
sprach sich auch der Thüringer<br />
Innenminister Michael<br />
rigen Zeiten einen angemessenen<br />
und fairen Solidarbeitrag<br />
verlangt.“ Der Hochschulpakt<br />
unter dem Titel<br />
„Sicherheitsnetz für Hochschulen<br />
in wirtschaftlich<br />
schwierigen Zeiten“ ist auch<br />
mit Forderungen an die<br />
Hochschulen verbunden. Sie<br />
sollen dem wachsenden<br />
Fachkräftebedarf auf dem Arbeitsmarkt<br />
und der steigenden<br />
Zahl von Studienberechtigten<br />
Rechnung tragen, indem<br />
sie die Zahl der Studienplätze<br />
erhöhen und auch<br />
neue Studiengänge einrichten.<br />
Auch sollen die Hochschulen<br />
die Studienorientierung<br />
verbessern und die Studienabbruchquotenverringern.<br />
Im Gegenzug für ihre<br />
Unterschrift erhalten sie laut<br />
Vertrag Planungssicherheit<br />
bis 2015. Weitere Sparrunden<br />
seien ausgeschlossen,<br />
selbst wenn die Steuereinnahmen<br />
noch mehr sinken<br />
sollten. Gebe es mehr Steuereinnahmen,<br />
sollen die Hochschulen<br />
davon profitieren.<br />
CDU/CSU-Bundestagsfraktion will „Dipl.-Ing.“ erhalten<br />
Die CDU/CSU-Fraktion<br />
im Deutschen Bundestag<br />
hat sich hinter die Forderung<br />
der TU9 gestellt, den Titel<br />
„Dipl.-Ing.“ zu erhalten.<br />
Die Technischen Hochschu-<br />
len in Deutschland sollten in<br />
ihren Abschlusszeugnissen<br />
darauf hinweisen dürfen,<br />
dass der attestierte Master-<br />
Abschluss qualitativ einem<br />
„Dipl.-Ing.“ entspricht. Der<br />
Titel „Dipl.-Ing.“ sei ein international<br />
anerkanntes Gütesiegel<br />
für die Ingenieurausbildung<br />
an deutschen Universitäten.<br />
Huber aus. Er wertete laut<br />
Mitteilung der Veranstalter<br />
die deutsche Juristenausbildung<br />
als kulturelle Errungenschaft<br />
des Rechtsstaats und<br />
weltweit anerkanntes Gütesiegel<br />
des deutschen Rechts.<br />
Dagegen warb die nordrheinwestfälische<br />
Justizministerin<br />
Roswitha Müller-Piepenkötter<br />
für die Umsetzung des Bologna-Modells<br />
in der Juristenausbildung.<br />
KOMMENTAR<br />
Ernst nehmen?<br />
Das hochschulpolitische<br />
Theaterstück der Stunde<br />
ist Oscar Wildes Komödie<br />
„The Importance of Being<br />
Earnest“. Ein Stück über<br />
Ausreden und Doppeldeutigkeiten,<br />
über den Widerspruch<br />
von Tun und Reden,<br />
über die Seriosität<br />
und den Ernst. Denn dass<br />
Hochschulpolitiker ernst<br />
genommen werden wollen,<br />
hat von höchster Stelle,<br />
dem „Bologna-Gipfel“<br />
nämlich, die ansonsten<br />
nicht lustspielverdächtige<br />
Bundeswissenschaftsministerin<br />
Annette Schavan<br />
angemahnt: „Ich nehme<br />
Sie ernst, aber ich erwarte<br />
auch, dass Sie uns ernst<br />
nehmen“, sagte sie zu Studenten,<br />
die nach einem<br />
ersten Versuch, ernst genommen<br />
zu werden, den<br />
Saal verließen. Man rede<br />
doch „auf Augenhöhe“<br />
miteinander, rief Schavan<br />
noch hinterher. Die Augenhöhe<br />
der Hochschullehrer<br />
hatte sie erst gar<br />
nicht gesucht.<br />
Ähnlich verzerrt blickt<br />
auch die hessische Wissenschaftsministerin<br />
Kühne-<br />
Hörmann in die Welt, behauptete<br />
sie doch, ihre Landesregierung<br />
sei „Partner<br />
der Hochschulen“ – nachdem<br />
sie und der Finanzminister<br />
die Hochschulpräsidenten<br />
zu einer Unterschrift<br />
unter einen Kürzungspakt<br />
mit dem Titel „Sicherheitsnetz<br />
für Hochschulen“ gezwungen<br />
hatte. Nicht die<br />
Bildungspolitiker sind<br />
ernstzunehmen, sondern<br />
machtbewusste Ministerpräsidenten<br />
und deren Finanzminister.<br />
„Als ich klein<br />
war, glaubte ich, Geld sei<br />
das wichtigste im Leben.<br />
Heute, da ich alt bin, weiß<br />
ich: Es stimmt.“, wusste Oscar<br />
Wilde.<br />
Felix Grigat
390 NACHRICHTEN <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Universität Bonn entzieht<br />
Promotionsberater Doktorgrad<br />
Die Philosophische Fakultät<br />
der Universität<br />
Bonn hat beschlossen, einem<br />
2008 wegen Bestechung in<br />
61 Fällen zu einer mehrjährigen<br />
Freiheitsstrafe verurteilten<br />
Promotionsvermittler aus<br />
Bergisch-Gladbach den Doktorgrad<br />
zu entziehen. „Die<br />
Entscheidung des Fakultätsrats<br />
basiert auf der Promotionsordnung<br />
der Philosophischen<br />
Fakultät“, sagte Dekan<br />
Professor Dr. Günther<br />
Schulz. Danach kann der<br />
Doktorgrad entzogen werden,<br />
wenn der Promovierte<br />
wegen einer vorsätzlichen<br />
Straftat zu einer Freiheitsstrafe<br />
von mindestens einem<br />
Jahr verurteilt worden ist<br />
oder wenn er wegen einer<br />
vorsätzlichen Straftat verurteilt<br />
ist, bei deren Vorbereitung<br />
oder Begehung der<br />
Doktorgrad eingesetzt wurde.<br />
„Nach Auskunft des<br />
Landgerichts Hildesheim<br />
wurde der Betreffende wegen<br />
Bestechung in 61 Fällen zu<br />
einer Gesamtfreiheitsstrafe<br />
von drei Jahren und sechs<br />
Monaten zuzüglich einer hohen<br />
Geldstrafe verurteilt“,<br />
sagte Professor Schulz. Das<br />
Urteil wurde 2008 gesprochen<br />
und ist seit Mai 2009<br />
rechtskräftig.<br />
„Bei der Begehung der<br />
Straftaten, deren Zweck es<br />
war, Promotionskandidaten<br />
zum Titel zu führen, hatte der<br />
Vermittler seinen Doktorgrad<br />
eingesetzt, um seinen Kunden<br />
Seriosität zu signalisieren“,<br />
erklärte Professor<br />
Schulz. Seinen Doktortitel<br />
hatte er von der Pädagogischen<br />
Fakultät der Universität<br />
Bonn erhalten. Dem Betreffenden<br />
wurde rechtliches<br />
Gehör gewährt.<br />
SPRACHPREIS<br />
Preis für Standhaftigkeit<br />
Die Jury für den Kulturpreis Deutsche Sprache hat die<br />
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der<br />
Universität Greifswald mit dem Institutionenpreis Deutsche<br />
Sprache ausgezeichnet. Die Jury würdigt damit die<br />
Verdienste dieser Fakultät um das alte deutsche Universitätsideal.<br />
Als letzte Fakultät in ganz Deutschland biete sie<br />
weiterhin den Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“<br />
mit dem Abschluss Diplomkaufmann bzw. Diplomkauffrau<br />
an. Und in der akademischen <strong>Lehre</strong> setze sie weiter,<br />
ohne die internationale Ausrichtung des Studiums zu gefährden,<br />
auf die Sprache Deutsch. „Wir hoffen, dass diese<br />
Anerkennung das Durchhaltevermögen meiner Kollegen<br />
in Greifswald stärkt", sagte Jury-Mitglied Professor Dr.<br />
Walter Krämer. Der Institutionenpreis ist undotiert.<br />
25. 000. Mitglied im Deutschen<br />
Hochschulverband<br />
Auf dem 60. DHV-Tag im<br />
März 2010 in Hamburg<br />
konnte der DHV eine runde<br />
Mitgliederzahl feiern und im<br />
Rahmen der Wissenschaftsgala<br />
das 25 000. Mitglied begrü-<br />
Senat der Humboldt-Universität für Reform-Reform<br />
Der Akademische Senat<br />
der Humboldt-Universität<br />
fordert eine Revision der<br />
Bologna-Reform. Das Gremium<br />
habe eine entsprechende<br />
Resolution mit großer Mehr-<br />
Länder gegen höheres Bafög<br />
Die Bundesländer nach<br />
Informationen der<br />
Süddeutschen Zeitung die<br />
vom Bund geplante Erhöhung<br />
des Bafög und das neue<br />
Stipendienprogramm ab. Die<br />
entsprechenden Gesetzentwürfe<br />
seien auf Antrag der<br />
beiden Länder Bayern und<br />
Hessen im Finanzausschuss<br />
des Bundesrats mit breiter<br />
Mehrheit abgelehnt worden.<br />
Sollte auch das Plenum<br />
der Länderkammer bei seiner<br />
nächsten Sitzung am 4. Juni<br />
dagegen stimmen, dann stehe<br />
ein zentrales Projekt der<br />
Bundesregierung in der Bildungs-<br />
und <strong>Forschung</strong>spolitik<br />
auf der Kippe. Die Ausbil-<br />
heit verabschiedet, wie die<br />
HU mitteilte. Auch die Studentenvertreter<br />
hätten der<br />
Stellungnahme zugestimmt.<br />
Die jetzt beschlossene Bologna-Resolution<br />
greift laut Uni-<br />
dungsförderung wird zu 55<br />
Prozent von Bund zu 45 Prozent<br />
von den Ländern finanziert,<br />
eine Zustimmung des<br />
Bundesrates ist damit zwingend.<br />
Wegen der Brisanz des<br />
Themas dürfte die Entscheidung<br />
am Ende in Beratungen<br />
zwischen den Ministerpräsidenten<br />
und Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel fallen. Der<br />
hessische Ministerpräsident<br />
Roland Koch hatte mehrfach<br />
gefordert, auch bei den Ausgaben<br />
für Bildung zu sparen.<br />
Dem hatte der Deutsche<br />
Hochschulverband (DHV)<br />
entschieden widersprochen:<br />
„Das Kernübel des deutschen<br />
Wissenschaftssystems ist sei-<br />
versität die Inhalte der bundesweiten<br />
Studentenproteste<br />
auf und zeigt alternative Modelle<br />
auf. Nach Ansicht der<br />
Beteiligten müssen die Verantwortlichen<br />
in Bund und<br />
ne Unterfinanzierung“, erklärte<br />
DHV-Präsident, Professor<br />
Bernhard Kempen.<br />
„Die von der Bundeskanzlerin<br />
beschworene ,Bildungsrepublik<br />
Deutschland’ gibt es<br />
nicht zum Nulltarif. Nach<br />
wie vor gibt die Wissenschaftsnation<br />
Deutschland<br />
nicht zu viel, sondern zu wenig<br />
Geld für Bildung und<br />
Wissenschaft aus.“<br />
In ihrem Beschluss verweisen<br />
die Finanzminister<br />
nach Informationen der Süddeutschen<br />
Zeitung auf die<br />
mit dem Vorhaben einhergehenden<br />
Kosten. Von den für<br />
2011 geplanten Mehrausgaben<br />
des Staates in Höhe von<br />
ßen. Der Präsident beglückwünschte<br />
dazu Frau Privatdozentin<br />
Corinna Mieth (Universität<br />
Bonn, Institut für Philosophie),<br />
die im Februar 2010<br />
dem DHV beigetreten war.<br />
Ländern zügig eine Überprüfung<br />
der Reform einleiten.<br />
Andernfalls werde das Hochschulsystem<br />
in der Bundesrepublik<br />
„dauerhaft Schaden“<br />
nehmen.<br />
382 Millionen Euro entfielen<br />
172,9 Millionen Euro auf die<br />
Länder. Dieser Betrag sei angesichts<br />
der Lage in den<br />
Haushalten nicht finanzierbar.Bundesforschungsministerin<br />
Annette Schavan<br />
(CDU) sagte der Zeitung:<br />
„Beide Projekte stehen im<br />
Koalitionsvertrag, der auch<br />
unter Beteiligung der Ministerpräsidenten<br />
von Bayern<br />
und Hessen vereinbart wurde.<br />
Deshalb halte ich an diesen<br />
Gesetzen fest.“ Das Thema<br />
wird auch auf dem Bildungsgipfel<br />
der Kanzlerin am<br />
10. Juni eine Rolle spielen.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> FUNDSACHEN 391<br />
Fundsachen<br />
Zertifikatskompetenz<br />
„Die Abbrecherquoten wiederum verhalten sich mal so, mal<br />
anders. Dass sie mancherorts zurückgehen, verwundert wenig,<br />
wenn es doch Programm ist, niemanden mehr ohne Zertifikat<br />
zu lassen. Es wird aber auch keiner behaupten, dass<br />
sich bei frühzeitiger Festlegung von Achtzehnjährigen auf einen<br />
Bachelor-, also Teilstudiengang des Typs „Molekulare<br />
Biologie“ oder „Geschichte der Moderne“ die Irrtümer in<br />
den Bildungswegen reduziert haben, nur weil Urkunden ausgehändigt<br />
wurden.“<br />
Jürgen Kaube; zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
vom 20. Mai 2010<br />
Brutstätten für seelenloses Denken<br />
„Die Wirtschaft hat aus einer gesunden Mischung aus Egoismus<br />
und Altruismus darauf hingewiesen, dass akademische<br />
Bildung verdaulich, in Portionen erworben wird - aber nicht<br />
um den Preis, dass Brutstätten für seelenloses Denken entstehen:<br />
Wenn in manchen Disziplinen 40 Prozent der Leute das<br />
Studium abbrechen, ist das nicht nur eine volkswirtschaftliche<br />
Vergeudung, sondern auch ein Drama für den Einzelnen.“<br />
Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom;<br />
zitiert nach Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom<br />
24. Mai 2010<br />
Akademiker<br />
„Das mit den Studierten ist so eine Sache. Heute sagt ja jeder,<br />
er hat studiert, wenn er mal in der Cafeteria einer Uni<br />
rumgesessen ist. Für mich ist nur ein Akademiker, der ein abgeschlossenes<br />
Studium hat, in München sind das ungefähr<br />
zehn Prozent. Hier fahren Anwälte aus Damaskus und Mediziner<br />
aus Kabul. In Moskau sind es viel mehr, das hat Tradition.<br />
Im Kommunismus hat ein Taxifahrer mit seinen Verbindungen<br />
mehr verdient als ein Professor.“<br />
Hans Meißner, Taxiunternehmer aus München, auf die Frage, wieviele<br />
Akademiker es unter den Taxifahrern gebe; zitiert nach Süddeutsche<br />
Zeitung Magazin vom 16. April 2010<br />
Professionelle Skepsis<br />
„(Es sei die Hauptaufgabe eines Historikers) zunächst<br />
einmal davon auszugehen, dass immer alles anders war<br />
als gesagt. Und diese Regel trifft fast immer zu. Die<br />
zweite Regel ist, dass alles immer anders ist als gedacht.<br />
Und wenn man diese Regeln kennt, dann hat man was<br />
gelernt. Dann muss man nämlich fragen, wie es dahinter<br />
eigentlich aussieht, wenn es anders ist als gesagt und anders<br />
ist als gedacht. Diejenigen, die bei mir überhaupt<br />
was gelernt haben, haben das hoffentlich mitgenommen:<br />
(...) die professionelle Skepsis, die das Selbstbewusstsein<br />
mit Selbstkritik verbinden kann.“<br />
Reinhart Koselleck (gest. 2006), Historiker; zitiert nach<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. April 2010<br />
Weisheit<br />
„Mehr Geld macht nicht automatisch klüger.“<br />
Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen;<br />
zitiert nach Financial Times Deutschland vom 14. Mai 2010<br />
Geblubber<br />
„Null! Als wir noch Gedichte konnten, war Opa in Russland.<br />
Man muss sich auch mal entscheiden, oder? Das ist genauso<br />
wie dieser Satz: Ich vermisse diese charismatischen Figuren<br />
in der Politik. Soll Pofalla sich dafür entschuldigen, dass er<br />
nicht in Stalingrad war? Das ist doch alles Geblubber. “<br />
Harald Schmidt auf die Frage, ob er Kulturpessimist sei; zitiert nach<br />
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23. Mai 2010<br />
Widerspruch<br />
„Die Situation mutet tatsächlich paradox an: Einerseits steigt<br />
Indien immer mehr zu einer Großmacht auf und wird allenthalben<br />
als wichtiger Zukunftsmarkt beschworen. Andererseits<br />
kann aber das Fach Indologie, das mancherorts auch<br />
Südasienwissenschaften heißt, damit überhaupt nicht Schritt<br />
halten. Die Studentenzahlen bewegen sich konstant auf einem<br />
Niveau, das sogar für Orchideen-Fächer niedrig ist. Und<br />
auch die Standorte werden immer weniger. In Kiel, Bochum<br />
und Münster sind die Professuren schon gestrichen worden,<br />
in Freiburg ist keine Immatrikulation mehr möglich.“<br />
Johann Osel; zitiert nach Süddeutsche Zeitung vom 26. April 2010<br />
Ganztagsflexibilisierung<br />
„Um ein umfassendes Angebot an Ganztags- und Halbtagsschulen<br />
zu gewährleisten, wird der Ganztag flexibilisiert.“<br />
Aus dem Wahlprogramm der FDP für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.<br />
Vertrauen<br />
„Ich studiere Philosophie und Englisch auf Lehramt – meiner<br />
Mutter erzähle ich aber gar nicht so richtig, was genau ich da<br />
mache. Irgendwann fragte sie mich mal: ‘Was ist Philosophie<br />
eigentlich?’ Und mein Großvater hat bis heute Probleme, das<br />
Wort auszusprechen. Aber beide gehen davon aus, dass ich<br />
das schon packen werde.“<br />
Jacqueline Frank, Studentin; zitiert nach Die Zeit vom 12. Mai 2010
392 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Menschwerdung<br />
durch Sprache<br />
Über Barbarei, Sprachkultur und die Gegenworte der Dichter<br />
| WOLFGANG F RÜHWALD | Das Wunder der Sprache<br />
hat schon seit jeher Dichter, Denker und Forscher fasziniert. Gegenwärtig erwartet<br />
man besonders von der Hirnforschung und der Evolutionsbiologie Aufschlüsse<br />
darüber, wie Sprache entstanden ist und wie sie „funktioniert“. Doch<br />
gerade Dichtung und Geschichte haben dazu Wegweisendes zu sagen.*<br />
Dass die Pflege der Sprachkultur<br />
weit mehr ist als die Vermittlung<br />
von Kenntnissen einer<br />
Verkehrssprache, weil Sprache und ihre<br />
Kultur zur conditio humana gehören,<br />
versuche ich in wenigen Überlegungen<br />
zu Neurologie, Urgeschichte und Geschichte<br />
des Sprechens zu belegen.<br />
Neurologie<br />
Die Navigationsgeräte unserer Autos<br />
haben eine Stimme; eine männliche<br />
oder eine weibliche. Sie ist angenehm<br />
anzuhören, durchaus sympathisch, aber<br />
verliebt hat sich in diese Stimmen vermutlich<br />
noch niemand. Zu eintönig ist<br />
die immer gleiche Melodie. Zu hören ist<br />
eine Computerstimme, kein Mensch aus<br />
Fleisch und Blut: „Jetzt bitte, links abbiegen!“<br />
Das bedeutet, dass Sprache –<br />
als „parole“ (als Sprechen), nicht als<br />
„langue“ (als Sprachsystem) – mehr<br />
braucht als einen gewissen Vorrat an<br />
Worten und einen Satz von Regeln, um<br />
sie anzuordnen, nämlich Mimik, Gestik,<br />
Körperhaltung und Sprachmelodie. Erst<br />
wenn dies alles zusammentrifft, geschieht<br />
Kommunikation und Verbindung<br />
des Menschen mit dem Menschen.<br />
Johannes Dichgans (auf den ich mich<br />
nachfolgend für die neurologischen Aspekte<br />
des Sprechens mehrfach beziehe)<br />
weist auf glaubhafte Schätzungen hin,<br />
wonach bei einem Gespräch nur „sieben<br />
Prozent der Informationen über die<br />
Gefühle eines Gegenübers durch die Semantik<br />
der Sprache [also über Inhalt<br />
und Bedeutung] transportiert werden,<br />
dagegen 38 Prozent über die Sprachmelodie<br />
und 55 Prozent über Mimik und<br />
Gestik“. Wer demnach seine Gesprächspartner<br />
wirklich kennenlernen<br />
möchte, sollte ihnen in die Augen oder<br />
noch besser auf die Hände schauen und<br />
sich nicht mit e-mail-Nachrichten oder<br />
SMS-Botschaften begnügen.<br />
Die Sprache ist in der linken Gehirnhälfte<br />
des Menschen lokalisiert, dort, wo<br />
bewusste und rationale Prozesse ablaufen.<br />
Mimik und Gestik sind dagegen<br />
hauptsächlich in der rechten Hemisphäre<br />
angesiedelt, dort, wo die emotionalaffektive<br />
Kommunikation repräsentiert<br />
ist. Dabei gibt es (wie bei Johannes Dichgans<br />
zu lesen ist) auch eine linguistische<br />
(links angesiedelte) Sprachmelodie, die<br />
uns Wort- und Satzakzente unterscheiden<br />
lässt, also etwa den Unterschied von<br />
umfahren oder umfahren, und eine affektive<br />
(rechts zu lokalisierende) Prosodie,<br />
die Gemütszustände, wie Trauer,<br />
Freude, Übermut, auch Selbstbewusstsein<br />
oder Selbstzweifel, ausdrückt. Da<br />
uns Menschen vor allem die rechte<br />
AUTOR<br />
Wolfgang Frühwald, Professor (em.) für Neuere Deutsche Literaturgeschichte<br />
in München, Präsident der Deutschen <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />
1992 bis 1997 und Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung<br />
1999 bis 2007.<br />
(emotionale) Hirnhemisphäre mit der<br />
Welt und dem Lebendigen in ihr verbindet,<br />
die linke (rationale) Hälfte uns von<br />
anderem Leben unterscheidet, sind die<br />
verbindenden Elemente des Zusammenlebens<br />
dominant im Bereich des nichtsprachlichen<br />
Verhaltens angesiedelt, die<br />
geringen sprachlich-bewussten Anteile<br />
aber umso wichtiger. Dabei gibt es eine<br />
Information, die nicht nur gehört und<br />
gesehen werden kann, sondern die gespürt<br />
wird und oftmals ist sie – weil von<br />
frühester Kindheit an erfahren – wichtiger<br />
und eindrücklicher als die sprachliche<br />
Information.<br />
Wir Menschen kennen wie die Tiere<br />
Affektlaute, das heißt wenig artikulierte<br />
Laute der Freude, der Trauer, des Zorns<br />
und der Zuneigung, aber diese Laute<br />
sind ein von der spezifisch menschli-
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 393<br />
chen Sprache zu trennender Bereich.<br />
Tierlaute, auch wenn sie uns (etwa bei<br />
Haustieren, mit denen wir lange zusammenleben)<br />
noch so vertraut erscheinen,<br />
sind keine Vorläufer von menschlicher<br />
Sprache. Sie entsprechen menschlichen<br />
Affektlauten (oder besser: menschliche<br />
Affektlaute entsprechen denen des Tieres).<br />
So ist auch die Mimik etwa der<br />
großen Menschenaffen dem Mienenspiel<br />
des Menschen erstaunlich ähnlich.<br />
Wir blicken fasziniert in die Gesichter<br />
dieser Tiere wie in einen Spiegel. Aber<br />
nicht weil sie Bewusstsein hätten, sondern<br />
weil wir von gemeinsamen Vorfahren<br />
vor Millionen von Jahren eine ge-<br />
meinsame Mimik geerbt haben. Dort,<br />
wo menschliches Sprechen einsetzt, wo<br />
nicht nur Affektlaute erscheinen, kann<br />
Mimik und Gestik auch sehr bewusst<br />
(also linksseitig) verwendet werden.<br />
Und jeder Schauspieler, jede Schauspielerin<br />
weiß ein Lied davon zu singen,<br />
was es bedeutet, gegen die eigene Mimik<br />
und Gestik die einer anderen Person<br />
einzuüben.<br />
Aus der Beobachtung blinder Menschen<br />
wurde geschlossen, dass es im<br />
Gestenrepertoire des Menschen nur geringe<br />
sprach- und kulturgebundene Anteile<br />
gibt. Solche Gesten sind meist ritueller<br />
Natur, zum Beispiel unterschiedliche<br />
Grußformen, die Fixierung unterschiedlicher<br />
Schamzonen oder kulturell<br />
differierende Sympathiebezeugungen.<br />
Der Großteil seines Gestenrepertoires<br />
aber ist dem Menschen angeboren. Johannes<br />
Dichgans sagt, es sei „transkulturell<br />
identisch, nicht erlernt und daher<br />
auch bei Blinden vorhanden“. Die Gestensprache<br />
der Taubstummen wurde<br />
aus der stammesgeschichtlichen und<br />
der funktionellen Nähe von Gestik und<br />
Sprache entwickelt, wobei interessant<br />
ist, dass taubstumme Menschen für ihre<br />
systematisch erlernte und geübte Gestensprache<br />
eine Dominanz in der linken<br />
Gehirnhälfte entwickeln.<br />
Vorgeschichte<br />
Diese wenigen Schlaglichter auf neurobiologische<br />
Aspekte der menschlichen<br />
Kommunikation sollten darauf verweisen,<br />
dass die aristotelische Formel vom<br />
Menschen als dem „Sprachtier“ evolutionstheoretisch<br />
und evolutionsgeschichtlich<br />
einige Plausibilität hat. Wir<br />
wissen nur ungefähr, „wann im Hominidenstamm<br />
das Leben menschlich wurde“<br />
(K. J. Narr), aber die Sprache ist da-<br />
für ein guter Indikator. Sie hat zur<br />
Menschwerdung des Menschen entschieden<br />
beigetragen. „Die Etablierung<br />
des menschlichen Bewusstseins ausfindig<br />
zu machen“, sagt George Steiner in<br />
Foto: picture-alliance<br />
»Wir blicken fasziniert in die<br />
Gesichter dieser Tiere wie in<br />
einen Spiegel.«<br />
der „Grammatik der Schöpfung“<br />
(2001), „heißt die Geburt der Sprache<br />
zu erkunden.“ Ohne ein Du nämlich<br />
wird das Ich sich seiner selbst nicht bewusst.<br />
Subjektivität und damit ein Bewusstsein<br />
von uns selbst, so ist in einem<br />
Aufsatz von Simone Schütz-Bosbach zu<br />
lesen, entstehe durch „soziale Spiegel“.<br />
Wir erleben uns „Nicht (nur) als Selbst<br />
durch uns selbst, sondern (auch) durch<br />
die Erfahrung mit anderen, im Sinne einer<br />
körperlichen Resonanz. Eine Vielzahl<br />
von Studien belegt, dass wir offenbar<br />
beobachtete Handlungen anderer<br />
unter Rückgriff auf unser motorisches<br />
System und unsere motorischen Fähigkeiten<br />
mental simulieren“. Auf die Frage,<br />
ob das Selbstbewusstsein (im Sinne<br />
von Bewusstsein meiner selbst) demnach<br />
stärker „ein Konstrukt subjektiver<br />
oder inter-subjektiver Erfahrung“ ist,<br />
gibt es noch keine schlüssige Antwort;<br />
vermutlich sind beide Erfahrungen notwendig<br />
daran beteiligt. Jedenfalls geschieht<br />
diese Konstruktion teilweise<br />
durch Sprache, nicht vor allem durch<br />
Sprache und sprachlich geformtes Denken,<br />
aber doch auch durch Sprache.<br />
Wir erschließen uns die Welt durch<br />
Wort und Sprache, doch wir bemächtigen<br />
uns ihrer dabei distanziert und „dezent“<br />
oder besser: wir schaffen Welt<br />
durch Sprache, weil das Zeichen und<br />
das Bezeichnete nie in eins fallen. Dort<br />
also, wo Sprache reduziert wird auf Affektlaute,<br />
Befehle und Flüche, aber<br />
auch dort, wo sie im Schwall des Geschwätzes<br />
erstickt, entschwindet das<br />
Humanum, in archaischen Zeiten ebenso<br />
wie in der Moderne.<br />
Die sprachkritischen Dichter der<br />
Moderne haben dies früh erkannt. Das<br />
berühmte Wort des österreichischen Satirikers<br />
Karl Kraus (1933), dass die nationalsozialistische<br />
Diktatur alles beherrsche<br />
„außer der Sprache“, wurzelt in<br />
diesem Wissen. Als das Urbild der <strong>Kritik</strong><br />
politischer Phraseologie gilt dabei Georg<br />
Büchners Drama „Dantons Tod“ (1835),<br />
in dem es heißt: „Geht einmal euern<br />
Phrasen nach, bis zu dem Punkte, wo sie<br />
verkörpert werden. Blickt um<br />
euch, das Alles habt ihr gesprochen,<br />
es ist eine mimische<br />
Übersetzung eurer Worte.“<br />
Nicht zufällig beziehen sich die<br />
Sprachskeptiker des 20. Jahrhunderts<br />
häufig auf dieses klassisch<br />
gewordene Wort des jung gestorbenen<br />
Dramatikers. Der Schweizer Romancier<br />
und Dramatiker Max Frisch hat<br />
sogar versucht, in den stumm ihren Mörderdienst<br />
verrichtenden und schwarz
394 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
uniformierten Figuren seines Dramas<br />
„Andorra“ (1961) den Phrasen eine<br />
Bühnengestalt zu geben. Diese „Schwarzen“,<br />
die das angeblich so friedliebende<br />
Nachbarvolk überfallen, sind nichts anderes<br />
als die Konfiguration andorranischer<br />
Sprachfloskeln, die Verkörperung<br />
des tödlichen ethnischen Vorurteils, das<br />
die Andorraner pflegen und das sie<br />
durch Toleranz-Heuchelei zu kaschieren<br />
suchen. Sie zwingen Andri, der kein Jude<br />
ist, den aber alle für einen Juden halten,<br />
mit den leeren Worthülsen ihres<br />
Verstehens und ihres angeblichen Mitgefühls<br />
in die Rolle des Außenseiters, des<br />
Verfolgten, des Opfers. Sprache also hat<br />
es immer mit Verantwortung zu tun, sie<br />
ist (auch bei stimmenlosen Menschen)<br />
vom Sein des Menschen nicht zu trennen.<br />
Der Mensch hat Verantwortung für<br />
das, was er benennt und wie er es benennt,<br />
er trägt Verantwortung auch dafür,<br />
was sein Sprechen bewirkt, was es<br />
versteckt oder enthüllt. Denn aus dem<br />
Wort entsteht Welt (zumindest die Welt<br />
des Menschen) und der Zustand der<br />
Sprache ist der Zustand des Menschen.<br />
Das gilt für die Menschheit als ganze,<br />
das gilt für ihre in Sprache und Kultur<br />
unterschiedenen Völker und Gesellschaften,<br />
das gilt für alle sozialen<br />
Schichten einer Gesellschaft und für alle<br />
Individuen.<br />
Wir wissen nicht, wann menschliche<br />
Sprache entstanden ist. Die Schätzungen<br />
für das Alter sprachlicher Verständigungsweisen<br />
des Menschen differieren<br />
zwischen zwei Millionen und<br />
50 000 Jahren, doch ob der Neandertaler<br />
vor etwa 160 000 Jahren, der mit<br />
dem homo sapiens sapiens verwandt<br />
war, ohne zu seinen unmittelbaren Vorfahren<br />
zu gehören, nicht doch sprechen<br />
konnte, ist inzwischen umstritten, nachdem<br />
man lange angenommen hatte, er<br />
habe über keine Möglichkeit zur<br />
sprachlichen Verständigung verfügt.<br />
Sollte er allerdings nicht nur seine Toten<br />
bestattet, sondern auch Schminkmittel<br />
verwendet, also einen Sinn für<br />
das Schöne entwickelt haben, stünde er<br />
dem homo sapiens näher als bisher vermutet<br />
wurde. Seine Spur jedenfalls verliert<br />
sich vor rund 30 000 Jahren. Vermutlich<br />
ist die Entstehung der Sprache<br />
beim homo sapiens sapiens (der Evolutionsbiologe<br />
Ernst Mayr spricht von<br />
„echter Sprache“) noch in die Lebenszeit<br />
des Neandertalers zu datieren. Vielleicht<br />
ist sogar die Entwicklung einer<br />
kommunikativen und informationsfähigen<br />
Sprache der entscheidende Evolutionsvorteil<br />
des homo sapiens sapiens ge-<br />
wesen? Das Dunkel der Urgeschichte<br />
und damit auch das der Entstehung differenzierter<br />
Sprachen ist wegen der wenigen<br />
Skelettfunde, auf die wir dabei<br />
angewiesen sind, besetzt mit Theorien<br />
und Spekulationen statt mit wissenschaftlichen<br />
Ergebnissen. Zu bedenken<br />
ist, dass die Hälfte aller Menschen, die<br />
»Geht einmal euern Phrasen<br />
nach, bis zu dem Punkte, wo<br />
sie verkörpert werden.«<br />
jemals auf der Erde gelebt haben, innerhalb<br />
der letzten zwei Jahrtausende lebten,<br />
und es an ein Wunder grenzt, dass<br />
die kleine Schar von vielleicht 2 600<br />
Menschen, in der wir vor rund 160 000<br />
Jahren die Anfänge des modernen Menschen<br />
zu fassen meinen (homo sapiens<br />
idaltu), Krankheiten, Feinde, Klima,<br />
Naturkatastrophen überlebt und sich<br />
über die ganze Erde hin ausgebreitet<br />
hat. Vielleicht gab es sogar eine gemeinsame<br />
menschliche Ursprache, aus der<br />
alle anderen Sprachen entstanden sind.<br />
Anthropologen und Ethnolinguisten jedenfalls<br />
beginnen wieder, an die „Sprache<br />
Adams“ zu glauben.<br />
Geschichte<br />
Wer das Dunkel der Spekulation und<br />
der Geschichtslegenden verlässt und<br />
sich auf festeren Grund begibt, ist auf<br />
das Jungpaläolithikum verwiesen, das<br />
heißt auf die jüngere Altsteinzeit, in<br />
Europa beginnend vor etwa 35 000 bis<br />
40 000 Jahren und endend mit dem<br />
Pleistozän, das heißt vor rund 10 000<br />
Jahren. Dort kann (nach Karl Josef<br />
Narr) vermutlich der Anfang von<br />
menschlicher Sprachlichkeit erfasst<br />
werden, weil ohne Sprache die Errungenschaften<br />
des Jungpaläolithikums,<br />
Werkzeuge, Höhlenmalerei, die Überwindung<br />
erheblicher Blindstrecken auf<br />
dem Meer, Großwildjagd mit entsprechenden<br />
Fernwaffen etc., nicht zu denken<br />
sind. Seit diesem Erdzeitalter begegnen<br />
wir einer kulturellen Entwicklungsbeschleunigung,<br />
die nicht mehr<br />
von körperlicher Evolution begleitet<br />
wird, das heißt von Skelettänderungen<br />
weitestgehend unabhängig ist. Wir haben<br />
demnach den kulturellen Wandel<br />
und seine Beschleunigung von der langsamer<br />
voranschreitenden, ihn unterlagernden<br />
biologischen Evolution zu unterscheiden.<br />
Durch die in jüngerer Zeit<br />
zahlreicher werdenden Gräberfunde<br />
sind Bestattungen und Bestattungsriten<br />
bezeugt. Sie verweisen darauf, dass die<br />
Reflexion des Sterbens und der Sterblichkeit<br />
zu den stammesgeschichtlichen<br />
(phylogenetischen) Kennzeichen des<br />
Menschen gehört. Aus ihr entstand der<br />
Sinn für das Schöne, weil die mächtig<br />
anschwellende Klage, welche die der<br />
Sprache nun mächtige Menschheit über<br />
Vergänglichkeit und Tod an-<br />
stimmt, dessen Ursprung ist.<br />
Schön ist das Schöne nur, indem<br />
es vergeht. „Nänie“ (das heißt<br />
Trauergesang) hat Friedrich Schiller<br />
ein dafür beispielhaftes Gedicht<br />
überschrieben, in dem die<br />
Meeresgöttin den Tod ihres Sohnes<br />
Achill in der Schlacht um Troja beklagt:<br />
„Nicht errettet den göttlichen Held die<br />
unsterbliche Mutter,<br />
Wann er, am skäischen Tor fallend,<br />
sein Schicksal erfüllt.<br />
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen<br />
Töchtern des Nereus,<br />
Und die Klage hebt an um den verherrlichten<br />
Sohn.<br />
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen<br />
die Göttinnen alle,<br />
Dass das Schöne vergeht, dass das<br />
Vollkommene stirbt.<br />
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der<br />
Geliebten ist herrlich,<br />
Denn das Gemeine geht klanglos<br />
zum Orkus hinab.“<br />
Reiner Kunze hat auf das gleiche<br />
Thema des Menschseins durch die Klage<br />
um den Verlust des Schönen nur<br />
zwei kurze Sätze, vier haikuartige Zeilen<br />
verwendet:<br />
„Wesen bis du unter wesen<br />
Nur daß du hängst am schönen<br />
und weißt, du mußt<br />
davon“.<br />
Die Auseinandersetzung, die Karl<br />
Kraus mit dem Nationalsozialismus, in<br />
der „Dritte Walpurgisnacht“ überschriebenen<br />
Polemik führte, ist demnach<br />
nicht zufällig um den Gegensatz zwischen<br />
dem vorsprachlichen und dem<br />
sprachlichen Zustand des Menschen<br />
konzentriert. Kraus hat die Nationalsozialisten<br />
als Troglodyten bezeichnet, das<br />
heißt als steinzeitliche Höhlenbewohner.<br />
Sie hätten jene Höhle bezogen, als<br />
welche die Flut des Geschwätzes die<br />
Phantasie des Menschen hinterlassen<br />
hat. Das ist eine psychoanalytische Auslegung<br />
dessen, was die Anhänger des<br />
Nationalsozialismus an ihrer Ideologie,<br />
die nichts ist als ein bloßes Konglome-
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 395<br />
rat fremder Ideen, faszinierte: der Abschied<br />
vom metaphorisch-bildhaften<br />
Sprechen, anders ausgedrückt: der<br />
„Aufbruch der Phrase zur Tat“, das<br />
heißt die bloße Betätigung von Gewalt.<br />
„Wenn diese Politiker der Gewalt [heißt<br />
es bei Kraus, 1933] noch davon sprechen,<br />
dass dem Gegner ‚das Messer an<br />
die Kehle zu setzen’, ‚der Mund zu stopfen’<br />
sei, oder ‚die Faust zu zeigen’; wenn<br />
sie überall ‚mit harter Faust durchgreifen’<br />
wollen oder mit ‚Aktionen auf eigene<br />
Faust’ drohen: so bleibt nur erstaunlich,<br />
dass sie noch Redensarten gebrauchen,<br />
die sie nicht mehr machen.“<br />
In den uns bekannten Hochkulturen<br />
der Menschheit gibt es keine sprachempfindlichere<br />
Kultur als die jüdische.<br />
In ihrem Glauben entsteht die Welt aus<br />
Gottes Wort, und dieses Wort (damit<br />
auch die Welt) auszulegen, ist die vornehmste<br />
Aufgabe des Menschen. So<br />
richtet sich der obsessive Antisemitismus<br />
Hitlers und seiner Gefolgsleute<br />
auch gegen die Sprache und ihre humanisierende<br />
Wirkung, nicht nur gegen die<br />
deutsche Sprache, sondern gegen<br />
Sprachlichkeit an sich. In nur zwölf<br />
kurzen Jahren hat der Nationalsozialismus<br />
dabei den folgenreichsten Umsturz<br />
in der deutschen Sprache herbeigeführt,<br />
indem er versuchte, den (seit Moses<br />
Mendelssohn ohne Zweifel großen)<br />
Einfluss jüdischer Geistigkeit auf das<br />
Deutsche zu tilgen. Nun trennte sich die<br />
„deutsche Sprache von der<br />
Sprache der Deutschen“ und<br />
elektrisch beleuchtete Barbaren<br />
(wie Karl Kraus die nationalsozialistische<br />
Verbindung von modernster<br />
Technik und archaischer<br />
Gewalttat beschrieb) haben den<br />
in Jahrhunderten zum Bild geronnenen<br />
Inhalt von Redensarten in die Tat umgesetzt.<br />
Diese Barbaren haben die Verwandlung<br />
von Gewalt in sprachliche<br />
Bilder nicht mehr gestattet.<br />
Über den Umsturz in der deutschen<br />
Sprache war Theodor W. Adorno so<br />
entsetzt, dass er das berühmte Wort geprägt<br />
hat, nach Auschwitz lasse sich<br />
„kein Gedicht mehr [...] schreiben“. Er<br />
hat dies zwar – Reiner Kunze weist darauf<br />
hin – 1966 widerrufen, weil „das<br />
perennierende Leiden so viel Recht auf<br />
Ausdruck [habe] wie der Gemarterte zu<br />
brüllen“, doch wurde der Streit um die<br />
radikale Veränderung von Sprache und<br />
Schönheit damit nicht beendet. Von<br />
diesem Umsturz wurde der vielsprachige,<br />
aber in seinem Werk auf das Deutsche<br />
hin orientierte Lyriker Paul Celan<br />
so erschüttert, dass er an der kommuni-<br />
kativen Fähigkeit von Sprache überhaupt<br />
zu zweifeln begann und für sich<br />
das „Gegenwort“ in Anspruch nahm,<br />
das am Rande des Schweigens und der<br />
Unverständlichkeit angesiedelt ist. Dieser<br />
Umsturz ließ die Satire des Karl<br />
Kraus verstummen. Dieser Umsturz hat<br />
den (ebenfalls) aus jüdischer Tradition<br />
schreibenden George Steiner zu der Behauptung<br />
verleitet, „dass das klassische<br />
und judaische Ideal des Menschen als<br />
‚Sprachtier’, als Wesen, das in einzigartiger<br />
Weise durch die Würde der Rede definiert<br />
ist [...], in der Anti-Sprache der<br />
Todeslager sein Ende gefunden“ habe.<br />
Steiner, der den homo sapiens in seiner<br />
geschichtlichen Erscheinung als den homo<br />
quaerens definiert, den unentwegt<br />
fragenden Menschen, zu dessen<br />
Menschsein die quälende Frage nach<br />
dem „Warum“ unverwechselbar gehört,<br />
meint näherungsweise den Punkt bestimmen<br />
zu können, „von dem es keine<br />
Rückkehr“ mehr zu diesem Ideal geben<br />
kann. „Ein Häftling, der vor Durst umkam“,<br />
erzählt er, „sah zu, wie sein Peiniger<br />
langsam ein Glas frisches Wasser<br />
auf den Fußboden goss. ‚Warum tun Sie<br />
das?’ Der Schlächter antwortete: ‚Hier<br />
gibt es kein Warum.’ Und das bezeichnet,<br />
mit einer Knappheit und Durchsichtigkeit<br />
aus der Hölle, die Scheidung<br />
von Menschlichkeit und Sprache, von<br />
Vernunft und Syntax, von Dialog und<br />
Hoffnung.“<br />
»Diese Barbaren haben die Verwandlung<br />
von Gewalt in sprachliche Bilder nicht<br />
mehr gestattet.«<br />
Das „Gegenwort“, das Paul Celan<br />
1960, das heißt 40 Jahre vor Steiners<br />
apokalyptischer Sprachvision, zu entwerfen<br />
suchte, ist das alte und immer<br />
neue Wort des Dichters. Ihm gelingt es<br />
sogar, die politische Parole von innen<br />
her so zu verändern, dass sie sich in das<br />
Bekenntnis todesmutiger Liebe verwandelt.<br />
Paul Celan verwendet als Beleg dafür<br />
das letzte Wort der Lucile aus „Dantons<br />
Tod“. Lucile sitzt auf den Stufen<br />
des Blutgerüsts, auf dem soeben die Revolutionäre<br />
der ersten Stunde, und mit<br />
ihnen ihr Geliebter, enthauptet worden<br />
sind:<br />
„Du liebe Wiege, die du meinen Camille<br />
in Schlaf gelullt, ihn unter deinen<br />
Rosen erstickt hast. / Du Totenglocke,<br />
die du ihn mit deiner süßen Zunge zu<br />
Grabe sangst. / Sie singt. Viel hunderttausend<br />
ungezählt, / was nur unter die<br />
Sichel fällt. / Eine Patrouille tritt auf. /<br />
EIN BÜRGER. He werda? / LUCILE.<br />
Es lebe der König! / BÜRGER. Im Namen<br />
der Republik. Sie wird von der Wache<br />
umringt und weggeführt.“<br />
Es bedarf nur weniger Worte, um<br />
diese Szene auszulegen. Lucile verwendet<br />
die von der Revolution längst blutig<br />
zerstörte Parole „Es lebe der König!“,<br />
um dem Geliebten in den Tod zu folgen.<br />
Die politische Phrase wird im Angesicht<br />
der Guillotine, in diesem einen Augenblick,<br />
jetzt, in Lucile’s Mund zum<br />
schmerzhaft-absurden Ruf der Liebe.<br />
Das ist es, was Paul Celan mit dem<br />
Begriff des „Gegenwortes“ gemeint hat,<br />
mit dem Sturz in das Absurde: die ganz<br />
und gar unerwartete Verwandlung der<br />
politischen Phrase in Poesie. In diesem<br />
Ruf der Lucile, sagt Paul Celan, werde<br />
„keiner Monarchie und keinem zu konservierenden<br />
Gestern gehuldigt. / Gehuldigt<br />
wird hier der für die Gegenwart<br />
des Menschlichen zeugenden Majestät<br />
des Absurden“. Für den Umsturz, der<br />
hier geschieht, verwendet Celan keine<br />
Floskeln. „Dichtung [sagt er]: das kann<br />
eine Atemwende bedeuten. Wer weiß,<br />
vielleicht legt die Dichtung den Weg –<br />
auch den Weg der Kunst – um einer solchen<br />
Atemwende willen zurück?“ So<br />
setzt er in die Mitte seiner Rede zur<br />
Entgegennahme des Büchnerpreises das<br />
Adorno (und Steiner) ausdrücklich widerstreitende<br />
Bekenntnis: „[...] die<br />
Kunst lebt fort.“ Ob Paul Celan mit seinem<br />
Tod, den er 1970<br />
freiwillig in der Seine<br />
gesucht und gefunden<br />
hat, dieses Wort widerrufen<br />
wollte, ob er sich<br />
zuletzt doch der Position<br />
Adornos und der Vision Steiners angenähert<br />
hat, wage ich nicht zu entscheiden.<br />
Aber dass es immer noch<br />
(nach Auschwitz, nach Hiroshima, nach<br />
den Vergewaltigungslagern in Bosnien<br />
und all den Greueln der afrikanischen<br />
Bürgerkriege) Hoffnung gibt, trotz allem<br />
Hoffnung auf die humanisierende<br />
Wirkung von Sprache, verdanken wir<br />
Dichtern wie ihm. Als der sozialistische<br />
Publizist Carl von Ossietzky, Friedensnobelpreisträger<br />
des Jahres 1935, einmal<br />
gefragt wurde, welche Strafe er sich<br />
für seine nationalsozialistischen Peiniger<br />
ersinnen könnte, soll er geantwortet<br />
haben: „Deutsch müssten sie lernen!“<br />
* Gekürzte Fassung eines Beitrages aus dem im<br />
April 2010 im Verlag Berlin University Press erschienen<br />
Buch Wolfgang Frühwalds: „Wieviel<br />
Sprache brauchen wir?“, 238 S., 24,90 Euro.
396 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Die Eine Million Dollar-Frage<br />
Über Kommunikation und Sprache bei Affen –<br />
Beobachtungen der kognitiven Ethologie<br />
| JULIA F ISCHER | Immer wieder ist die Verwunderung<br />
groß, vergleicht man das soziale Verhalten von Primaten mit dem von Menschen.<br />
Affen verstehen einander, streiten und vertragen sich und orientieren sich<br />
in ihrer Umwelt. Sie kommunizieren, aber sprechen nicht mit- oder übereinander.<br />
Warum ist das so? Fragen an die kognitive Ethologie.<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>: Wie finden Sie<br />
heraus, wie Paviane kommunizieren?<br />
Sie müssen sehr geduldig und hartnäckig<br />
sein…<br />
Julia Fischer: Geduld und Hartnäckigkeit<br />
müssen wohl alle Wissenschaftler<br />
mitbringen. Aber bei der Feldforschung<br />
an Affen braucht man dann auch noch<br />
die Bereitschaft, sich bei 45 Grad im<br />
Schatten durchs Gestrüpp zu schlagen,<br />
Skorpione aus seinen Schuhen zu<br />
schütteln oder plötzlich einem Löwen<br />
gegenüber zu stehen. Eine gewisse<br />
Abenteuerlust ist da ganz hilfreich. Um<br />
Professor Julia Fischer lehrt an der<br />
Universität Göttingen, ist Leiterin der Abteilung<br />
Kognitive Ethologie am Deutschen<br />
Primatenzentrum und Präsidentin der Europäischen<br />
Föderation für Primatologie.<br />
herauszufinden, wie die Tiere kommunizieren,<br />
kombinieren wir Verhaltensbeobachtungen,<br />
Lautanalysen und so<br />
genannte Playbackexperimente. Dazu<br />
Foto: Pressestelle der Universität Göttingen<br />
versteckt man einen Lautsprecher an einer<br />
geeigneten Stelle, spielt einen Laut<br />
vor und filmt die Reaktion der Tiere.<br />
F&L: Ein Beispiel?<br />
Julia Fischer: Ein Beispiel wäre, den<br />
Ruf eines unbekannten männlichen Tieres<br />
vorzuspielen. Damit simuliert man<br />
die Situation, dass ein neues Männchen<br />
in die Gruppe<br />
»Paviane können lernen,<br />
was ein Ruf vorhersagt.«<br />
eingewandert ist.<br />
Der Ruf lässt sich<br />
so manipulieren,<br />
dass sich das<br />
Männchen besonders beeindruckend<br />
oder aber klein und schmächtig anhört.<br />
Uns interessiert, wie sich die anderen<br />
Tiere verhalten: ob sich Weibchen mit<br />
Kindern verstecken, die anderen aber<br />
nicht, oder ob die ranghohen Männchen<br />
versuchen, den vermeintlichen<br />
Eindringling zu vertreiben. Solche Experimente<br />
erfordern eine außerordentlich<br />
große Gelassenheit, da im Vorfeld<br />
fast immer irgendetwas passiert, was<br />
man nicht geplant hat. Auch die Lautanalysen<br />
erfordern hohe Sorgfalt und<br />
die Bereitschaft, sich mit technischen<br />
Details und komplexen statistischen<br />
Analysen auseinanderzusetzen.<br />
F&L: Hunde z.B. können Laute mit Bedeutung<br />
verbinden. Wie ist das bei Pavianen?<br />
Julia Fischer: Paviane weisen wie alle<br />
anderen Affen auch Lauten Bedeutung<br />
zu, in dem Sinne, dass sie lernen können,<br />
wer ruft, wie groß dieses Tier etwa<br />
ist, oder bei weiblichen Tieren, ob es gerade<br />
empfängnisbereit ist. Außerdem<br />
können sie lernen, was ein Ruf vorhersagt.<br />
Eine der ersten Studien, die sich<br />
mit dieser Frage experimentell befasste,<br />
wurde an Grünen Meerkatzen in Ostafrika<br />
durchgeführt. Den Affen wurden<br />
Alarmrufe vorgespielt, die als Reaktion<br />
auf verschiedene Raubfeinde geäußert<br />
worden waren. Auch wenn weit und<br />
breit kein Räuber zu sehen war, zeigten<br />
die Tiere die ‚richtige‘ Reaktion: nach<br />
dem Vorspiel eines ‚Adler-Alarmrufs‘<br />
flüchteten sie in die Büsche, nach Vorspiel<br />
eines ‚Leopardenalarmrufes‘ in<br />
den Baum. Ich hatte das besondere<br />
Glück, bei den<br />
Autoren der Studie,<br />
Robert Seyfarth<br />
und Dorothy<br />
Cheney, zu<br />
arbeiten und auf ihrer Feldstation in<br />
Botswana eine Horde von Pavianen anderthalb<br />
Jahre zu beobachten. Inzwischen<br />
haben wir im Senegal eine eigene<br />
Feldstation, wo wir das Sozialverhalten<br />
und die Kommunikation von Guineapavianen,<br />
einer anderen Pavianart, studieren<br />
– und übrigens auch die Kommunikation<br />
der westafrikanischen Grünen<br />
Meerkatzen. Vergleiche zwischen<br />
verschiedenen Arten oder Unterarten<br />
erlauben uns, zu identifizieren, was ‚altes<br />
Pavianerbe‘ oder altes ‚Meerkatzenerbe‘<br />
ist, und in welcher Hinsicht sich<br />
die Tiere mit ihrem kommunikativen<br />
Verhalten ihrem gegenwärtigen Lebensraum<br />
anpassen und wie sich die Kommunikation<br />
in die soziale Organisation<br />
der Tiere einfügt.<br />
F&L: Sie haben einmal gesagt, Affen<br />
machten den ganzen Tag fast nichts anderes<br />
als ihre Artgenossen zu beobachten.<br />
Viele Menschen machen das auch<br />
und dann klatschen sie darüber, die Pa-
Foto: Julia Fischer<br />
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 397<br />
Eine Horde Guineapaviane in der Nähe der Feldstation Simenti im Niokolo-Koba Nationalpark im Senegal.<br />
viane nicht. Aber ziehen sie aus den Beobachtungen<br />
nicht Schlüsse für ihr Verhalten?<br />
Julia Fischer: Natürlich ziehen die Affen<br />
Schlüsse aus der Beobachtung von<br />
anderen. Das gibt es sogar bei Fischen:<br />
wenn ein Fisch beobachtet, dass ein anderer<br />
in einer Auseinandersetzung unterlegen<br />
ist, wird er sich eher mit diesem<br />
anlegen als mit dem Sieger. Bei Affen<br />
gehen wir auch davon aus, dass sie aufgrund<br />
der Beobachtung von In-<br />
teraktionen zwischen Dritten gute<br />
Vorstellungen davon haben,<br />
wer hochrangig ist und wer<br />
nicht, wer mit wem verwandt ist,<br />
und wer sich gegenseitig unterstützt.<br />
Das experimentell zu belegen,<br />
ist aber nicht ganz simpel.<br />
F&L: Es gibt Tiere, auch Affen, die<br />
Werkzeuge entwickeln. Warum hapert<br />
es an der Sprache?<br />
Julia Fischer: Das ist die Eine Million<br />
Dollar-Frage. Die <strong>Forschung</strong> der letzten<br />
Jahre hat uns erlaubt, diese Frage etwas<br />
zu spezifizieren. Was hat sich im Gehirn<br />
getan, dass Menschen in der Lage sind,<br />
Laute und auch andere Handlungen zu<br />
imitieren, mit Symbolen zu operieren,<br />
und eine Vorstellung davon zu entwickeln,<br />
was in den Köpfen anderer Menschen<br />
vor sich geht? Dazu gehört die<br />
Frage, welche Gene bei diesen Fähigkeiten<br />
eine Rolle spielen, aber natürlich<br />
auch, wie sich diese verschiedenen Aspekte<br />
gegenseitig bedingen.<br />
F&L: Irgendwie muss die menschliche<br />
Sprache einmal angefangen haben. Haben<br />
Sie dazu eine These oder wird hier<br />
nur spekuliert?<br />
Julia Fischer: Ich möchte mich hier lieber<br />
zurückhalten. Es gibt natürlich einen<br />
ganzen Strauß verschiedener Szenarien,<br />
und diese können auch sehr in-<br />
»Affen haben gute Vorstellungen<br />
davon, wer hochrangig ist<br />
und wer nicht.«<br />
spirierend sein. Andererseits sind solche<br />
Vermutungen schwer, oder auch gar<br />
nicht zu widerlegen. Das macht sie für<br />
ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzungen<br />
wenig brauchbar.<br />
F&L: Aber es gibt doch auch testbare<br />
Hypothesen?<br />
Julia Fischer: Ja, sie beziehen sich aber<br />
eher auf spezifische Aspekte. Zum Beispiel<br />
gab es die Frage, welche Rolle ein<br />
spezifisches Gen, das berühmte FoxP2<br />
Gen, bei der Evolution der Sprache<br />
spielt. Mäuse, die die menschliche Variante<br />
dieses Gens tragen, fangen aber<br />
nicht an zu sprechen. Das heißt, die<br />
Mutationen, die man beim Menschen<br />
findet, sind vielleicht eine notwendige,<br />
aber keine hinreichende Voraussetzung<br />
für die Entwicklung der gesprochenen<br />
Sprache.<br />
F&L: Was möchten Sie in der Affenforschung<br />
noch besonders herausfinden?<br />
Was ist ihr nächstes Ziel?<br />
Julia Fischer: Unsere Arbeitsgruppe hat<br />
in den letzten drei Jahren eine Feldstation<br />
im Senegal aufgebaut – ohne den<br />
unermüdlichen Einsatz der Doktoranden<br />
und <strong>Forschung</strong>sassistenten wäre<br />
dies nicht möglich gewesen. Die dort lebenden<br />
Guineapaviane wurden bislang<br />
kaum erforscht. Inzwischen ist uns auch<br />
klar geworden, warum das so ist, denn<br />
die Tiere waren nur sehr schwer an die<br />
Beobachtung zu gewöhnen, und sie<br />
scheinen in einem sehr fluiden und<br />
komplexen Sozialsystem zu leben. Inzwischen<br />
kommen die ersten Daten herein<br />
zur genetischen Struktur der Population<br />
und die Doktoranden vor Ort<br />
können zumindest einen Teil der Tiere<br />
beobachten und ihre Laute aufzeichnen.<br />
Es sieht alles sehr viel versprechend<br />
aus. Wenn es uns gelingt, die soziale<br />
Organisation dieser Tiere zu beschreiben,<br />
dann werden wir in der Lage<br />
sein, spezifische Hypothesen zu formulieren,<br />
was die soziale Kognition dieser<br />
Tiere angeht, also was die Tiere übereinander<br />
wissen, aber auch, welche Signale<br />
sie einsetzen, um in diesem komplexen<br />
System zu manövrieren.
398 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Was unterscheidet den<br />
Menschen von anderen<br />
Spezies? Es ist seine<br />
Sprachfähigkeit. Nur der Mensch produziert<br />
und versteht gleichermaßen<br />
Sprache. Der Schimpanse zum Beispiel,<br />
der uns genetisch sehr ähnlich ist,<br />
kann nicht „sprechen“, er verfügt nicht<br />
über die entsprechenden Arti-<br />
kulationsorgane. Wichtiger<br />
noch, er kann auch Sprache<br />
nicht verstehen, obwohl er<br />
über sehr ähnliche Hörorgane<br />
verfügt wie der Mensch.<br />
Passt das Verb zum Nomen?<br />
Wie der Mensch Sprache versteht<br />
| ANGELA D. FRIEDERICI | Die Fähigkeit zur Sprache<br />
und zum gegenseitigen Verstehen setzt im Gehirn des Menschen einen erheblichen<br />
Abstimmungsprozess voraus. Inzwischen weiß man, wann was in der<br />
linken und was in der rechten Hirnhälfte passiert - und in welcher unglaublichen<br />
Geschwindigkeit.<br />
Wo findet die Sprachverarbeitung<br />
im Gehirn statt?<br />
Der Schlüssel zur Sprachfähigkeit liegt<br />
im Aufbau unseres Gehirns. Seit etwa<br />
150 Jahren gibt es Belege dafür, dass es<br />
die linke Hirnhälfte ist, die vornehmlich<br />
in die Sprachverarbeitung eingebunden<br />
ist. Einen Schlüssel dafür lieferte der<br />
französische Arzt und Anthropologe<br />
Paul Broca (1824 bis 1880). Er beschrieb<br />
einen Patienten, der nur noch<br />
eine einzige Silbe sprechen konnte - die<br />
Silbe „tan“. Dessen Gehirn wurde nach<br />
seinem Tod konserviert und viele Jahre<br />
später im Computertomographen untersucht:<br />
Ein Schlaganfall hatte zu einer<br />
großflächigen Verletzung des Nervenge-<br />
AUTORIN<br />
Professor Angela D. Friederici<br />
ist Direktorin am<br />
Max-Planck-Institut für<br />
Kognitions- und Neurowissenschaften<br />
Leipzig.<br />
webes geführt, in der dritten Stirnhirnwindung.<br />
Diese Region wird deshalb<br />
heute als „Broca-Areal“ oder „motorisches<br />
Sprachzentrum“ bezeichnet. Das<br />
„Broca-Areal“ besteht aus zwei Regionen,<br />
die die Nummer 44 und 45 tragen.<br />
Der deutsche Neuroanatom Korbinian<br />
Brodmann (1868 bis 1918) hatte die<br />
»Wir müssen sowohl die Grammatik<br />
als auch die Inhalte der<br />
einzelnen Wörter verarbeiten.«<br />
sechs Schichten der Großhirnrinde auf<br />
ihre Zellstruktur (Zytoarchitektonik)<br />
hin untersucht und gemäß der unterschiedlichen<br />
Zellstruktur mit verschiedenen<br />
Nummern gekennzeichnet.<br />
Carl Wernicke (1848 bis 1905), ein<br />
Neurologe aus Breslau, beschrieb einige<br />
Jahre nach Broca eine Reihe von Patienten,<br />
die zwar flüssig sprachen, aber<br />
dabei keinen Sinn produzierten. Diese<br />
Patienten verstanden auch nicht, was<br />
man ihnen sagte. Die Anweisung, aufzustehen<br />
und zur Tür zu gehen, begriffen<br />
sie nicht. Die Obduktion dieser Patienten<br />
ergab später, dass sie Hirnverletzungen<br />
in den Regionen 41, 42 und 22<br />
hatten, die man in der Folge als Wernicke-Areal<br />
oder auch „sensorisches<br />
Sprachzentrum“ bezeichnete.<br />
Patienten mit Läsionen im Broca-<br />
Areal machen, das wissen wir heute,<br />
nicht nur Grammatikfehler beim Sprechen,<br />
sondern auch ihr Verständnis leidet,<br />
wenn die thematischen Rollen (wer<br />
tut was wem) ausschließlich grammati-<br />
kalisch zugewiesen werden können, wie<br />
zum Beispiel in dem Satz: „Den Mann<br />
fotografiert die Frau“. Patienten mit<br />
Verletzungen im Wernicke-Areal, die<br />
primäre Defizite beim Sprachverstehen<br />
zeigen, sind auch auffallend in der Produktion,<br />
da die von ihnen produzierten<br />
Sätze keinen Sinn zu machen scheinen.<br />
Die Teile ihrer Sätze passen nicht zusammen.<br />
Aufgrund solcher Studien, die<br />
an vielen Laboren der Welt durchgeführt<br />
wurden, kam man zu einer neuen<br />
Aufteilung der Sprachregionen im Gehirn:<br />
Das Broca-Areal galt nun als Sitz<br />
der Grammatik und das Wernicke-<br />
Areal als der Ort, wo das Lexikon, also<br />
die Bedeutung der Wörter, liegt.<br />
Sprachverstehen umfasst beides:<br />
Wir müssen sowohl die Grammatik als<br />
auch die Inhalte der einzelnen Wörter<br />
verarbeiten. Es ist ein großer Unterschied,<br />
ob es heißt: „Der Mann bringt<br />
die Frau um“ oder „Den Mann bringt<br />
die Frau um“. Darüber hinaus ist auch<br />
die Prosodie, die Satzmelodie, ganz<br />
wichtig: „Der Mann sagt, die Frau kann<br />
nicht Auto fahren“. Wenn ich nur das<br />
Komma an eine andere Stelle setze, ändert<br />
sich die Satzmelodie und damit die<br />
gesamte Bedeutung: „Der Mann, sagt<br />
die Frau, kann nicht Auto fahren“.<br />
Welche Prozesse laufen im<br />
Gehirn ab und in welcher<br />
Reihenfolge?<br />
Ende des vergangenen Jahrhunderts ergab<br />
sich mit neuen Messmethoden die<br />
Möglichkeit, das Verhältnis von Sprache<br />
und Gehirn am gesunden Menschen zu<br />
untersuchen, und zwar sowohl was den<br />
Ort im Gehirn betrifft, an dem die Prozesse<br />
stattfinden, als auch was deren zeitlichen<br />
Verlauf angeht. Bezüglich des Zeitverlaufs<br />
der einzelnen Verarbeitungsschritte<br />
beim Verstehen gesprochener<br />
Sätze gilt Folgendes: Zunächst muss auf
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 399<br />
einer akustisch-phonetischen Ebene das<br />
eigentliche Hören und die Analyse der<br />
Sprachlaute stattfinden. Dann verarbeiten<br />
wir als Erstes die syntaktische Struktur,<br />
das heißt wir segmentieren den Sprachinput<br />
in syntaktische Einheiten (Phrasen).<br />
Diese Erkenntnis widerstrebt uns,<br />
denn rein intuitiv haben wir den Eindruck,<br />
unser Gehirn analysiert zunächst<br />
die Bedeutung von Wörtern und nicht ihren<br />
strukturellen Zusammenhang. Dennoch<br />
ist es so. Wenn das Gehirn zum Beispiel<br />
ein Wort verarbeitet wie „weil“,<br />
dann weiß es, dass es sich um den Anfang<br />
eines Nebensatzes handeln muss, bei<br />
dem das Verb am Ende steht. Erst in einem<br />
nächsten Schritt prüft das Gehirn<br />
dann, ob die inhaltliche Verknüpfung<br />
stimmt: Passt das Verb zum Nomen? Es<br />
analysiert parallel auch die grammatischen<br />
Relationen: Ist das Nomen der<br />
Agent der Handlung oder jemand, dem<br />
etwas passiert? In einer letzten Phase<br />
müssen die Bedeutung und die syntaktischen<br />
Informationen integriert werden,<br />
um den Verstehensprozess abschließen<br />
zu können. Diese Prozesse sind alle in<br />
der linken Hirnhälfte verankert.<br />
In der rechten Hirnhälfte wird die<br />
Satzmelodie, das heißt die Prosodie verarbeitet<br />
– diese betrifft sowohl das Betonen<br />
einzelner wichtiger Wörter im Satz<br />
als auch die akustische Abgrenzung von<br />
einzelnen Phrasen im Satz, analog der<br />
Kommas in der Schriftsprache. Und<br />
schließlich müssen all diese Informationen<br />
aus beiden Hemisphären zusammenkommen,<br />
um das akustische<br />
Sprachverstehen sicherzustellen.<br />
Da diese Prozesse an verschiedenen<br />
Stellen im Gehirn und darüber hinaus<br />
in Millisekunden ablaufen, braucht man<br />
sehr präzise Messmethoden. Um zu<br />
prüfen, welche Hirnregionen involviert<br />
sind, eignet sich die funktionelle Magnetresonanztomographie<br />
(fMRT). Für<br />
die Erfassung des zeitlichen Ablaufs der<br />
einzelnen Prozesse und deren Zusammenspiel<br />
eignet sich die Methode der<br />
ereigniskorrelierten Hirnpotentiale, wie<br />
sie mit der Elektroenzephalographie<br />
(EEG) gemessen werden kann.<br />
Um zu untersuchen, wo Bedeutung<br />
und Syntax im Hirn verarbeitet werden,<br />
präsentieren wir den Versuchspersonen<br />
richtige Sätze, aber auch solche, die semantisch<br />
„entstellt“ wurden. Dann hören<br />
sie nicht „Der König wurde ermordet“,<br />
sondern „Der Honig wurde ermordet“.<br />
Man kann die Beispiele auch<br />
grammatikalisch entstellen: „Der Graf<br />
wurde im ermordet“ – nach der Präposition<br />
„im“ fehlt ein Nomen. Dabei sehen<br />
wir uns im fMRT und im EEG an,<br />
wie das Gehirn auf die Fehler reagiert.<br />
Das Broca-Areal als Grammatikzentrum<br />
wird bei diesen kleinen grammati-<br />
Abb. 2: Das Corpus Callosum verbindet als Brücke die beiden Hemisphären: Die Linke, in der<br />
Wörter und Grammatik verarbeitet werden, mit der Rechten, wo unter anderem die Satzmelodie<br />
(Prosodie) verortet ist.<br />
Abb. 1: Sprachverarbeitung ist ein komplexer Vorgang, der von mehreren Zentren im Gehirn<br />
gesteuert wird. Siehe Text. Quelle: bearbeitet nach Brodmann, 1909<br />
schen Fehlern selbst nicht aktiv, wohl<br />
aber eine Region, das frontale Operculum,<br />
zusammen mit dem anterioren Anteil<br />
des oberen Temporallappens. Was<br />
die semantischen Netzwerke angeht, so<br />
können wir auf der Basis vieler Studien<br />
sagen, dass dazu Areale im oberen Temporallappen,<br />
vor allem der mittlere Teil,<br />
gehören, aber auch das Brodmann-Areal<br />
45 im inferioren Frontalgyrus. Im posterioren<br />
Anteil des Temporallappens finden<br />
wir eine Region, die sowohl für die<br />
Semantik als auch für die Syntax zuständig<br />
zu sein scheint. Das könnte also ein<br />
Gebiet sein, in dem diese beiden Informationen<br />
integriert werden.<br />
Die zeitlichen Messungen belegen<br />
den Ablauf der Sprachverarbeitungssprosse.<br />
Zuerst wird der syntaktische<br />
Aufbau analysiert, nach 120 Millisekunden,<br />
erst nach 400 Millisekunden beschäftigt<br />
sich das Gehirn mit der Semantik,<br />
den Inhalten. Nach 600 Millisekunden<br />
finden wir eine weitere Funktion,<br />
welche die Integration der beiden Schritte<br />
anzeigt. Diese Aktivität ist über die<br />
posterioren Anteile des Gehirns verteilt.<br />
Für was ist dann das Broca-Areal<br />
zuständig? Wir wissen, dass Patienten<br />
mit Verletzungen in diesem Bereich besondere<br />
Schwierigkeiten mit komplexen<br />
grammatikalischen Sätzen haben.<br />
Daraus könnte man schließen, dass diese<br />
Region zuständig ist für die Verarbeitung<br />
von syntaktisch nicht ganz einfachen<br />
Sätzen.<br />
Die Messungen im fMRT zeigten,<br />
dass die Aktivität des Broca-Areals sich<br />
systematisch mit der Komplexität der<br />
Satzkonstruktion erhöht. Die Broca-<br />
Region ist also der Ort, an dem komplexe<br />
Sätze verarbeitet werden.
400 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Über Deutsch als<br />
Wissenschaftssprache<br />
Kaum noch ein Prozent Weltanteil in den Naturwissenschaften<br />
| ULRICH A MMON | Die Rolle der deutschen Sprache<br />
in der weltweiten Wissenschaft ist immer wieder Gegenstand intensiver Debatten.<br />
Dabei wird oft ihre dominierende Stellung zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
extrem hervorgehoben und ihr Niedergang beklagt. Ist noch etwas zu retten<br />
oder muss man die Weltgeltung des Englischen akzeptieren?<br />
Der frühere Bundeskulturminister<br />
Nida-Rümelin soll einmal<br />
bei einer Podiumsdiskussion<br />
gesagt haben, Deutsch als Wissenschaftssprache<br />
sei „tot“. Offenbar hatte<br />
er damit aber vor allem die internationale<br />
Stellung von Deutsch gemeint. Tatsächlich<br />
drängt sich dieser Eindruck auf<br />
im Vergleich zu früheren, „vitalen“ Zeiten,<br />
in denen Deutsch speziell in der<br />
Wissenschaft Weltsprache war, neben<br />
Englisch und Französisch. Seine weit<br />
über das deutsche Sprachgebiet hinausreichende<br />
Bedeutung ist vielfach belegt.<br />
So mussten, um nur wenige Beispiele zu<br />
nennen, in den 1930er Jahren US-Chemiker<br />
generell Lesefähigkeit in Deutsch<br />
nachweisen. In Skandinavien, den Niederlanden<br />
und osteuropäischen Ländern<br />
war Deutsch zudem wichtige wissenschaftliche<br />
Publikationssprache. In<br />
Portugal waren Deutschkenntnisse für<br />
Juristen obligatorisch. Aber ebenso in<br />
Japan, wo dies außerdem für Mediziner<br />
galt und die Ärzte sogar ihre Krankenkarteien<br />
in deutscher Sprache führten.<br />
Diese Vergangenheit gehört zu unserem<br />
Thema, weil man ohne sie die Aufregung<br />
hierzulande über die heutige Lage,<br />
die Bemühungen um Rettung und die<br />
Hoffnung, dass noch etwas zu retten sei,<br />
nicht versteht und zudem übersieht,<br />
AUTOR<br />
Ulrich Ammon ist emeritierter<br />
Professor der germanistischen<br />
Linguistik mit dem Schwerpunkt<br />
Soziolinguistik an der Universität<br />
Duisburg-Essen.<br />
dass der Nimbus aus einstiger Zeit stellenweise<br />
fortlebt und unter anderem<br />
zum Deutschlernen motiviert.<br />
Stationen des Niedergangs<br />
Nur kurz seien auch die markantesten<br />
Stationen und Hintergründe des Niedergangs<br />
angedeutet. Dieser setzte<br />
schon, noch kaum spürbar, in den Jahren<br />
vor dem Ersten Weltkrieg ein, wurde<br />
dann aber beschleunigt durch den<br />
Krieg und seine Folgen: den wirtschaftlichen<br />
Ruin und den Boykott der Siegermächte<br />
gegen Deutsch als Arbeitsund<br />
Konferenzsprache internationaler<br />
»Der Niedergang des Deutschen<br />
als Wissenschaftssprache begann<br />
bereits vor dem Ersten Weltkrieg.«<br />
Wissenschaftsorganisationen. Es folgten<br />
die Vertreibung und Ermordung unzähliger,<br />
nicht nur jüdischer Wissenschaftler<br />
in der Nazi-Zeit, der erneute Ruin<br />
im Zweiten Weltkrieg und der anschließende,<br />
teilweise bis heute anhaltende<br />
Braindrain. Dabei war der Verlust an<br />
wissenschaftlicher Substanz und als<br />
Folge davon der Rückzug aus der Sprache<br />
besonders eklatant im Vergleich zur<br />
anglophonen Welt. Deren Führungsmacht,<br />
die USA, überflügelten Deutschland<br />
wirtschaftlich schon vor dem I.<br />
Weltkrieg und ließen es danach weit<br />
hinter sich. Sie förderten nachhaltig<br />
auch die Wissenschaften und verliehen<br />
damit Englisch als Wissenschaftssprache<br />
international Auftrieb. Weniger be-<br />
achtete, aber wichtige Faktoren, neben<br />
der Entwicklung der Universitäten, waren<br />
dabei der schon nach dem Ersten<br />
Weltkrieg beginnende Aufbau periodischer<br />
Bibliographien und im Weiteren<br />
dann Datenbanken, Zitatenindexe und<br />
Zeitschriften sowie später, in den<br />
1960er Jahren, die Abschaffung der „foreign<br />
language requirements“ an den<br />
Hochschulen. Diese Maßnahmen<br />
zwangen anderssprachige Wissenschaftler<br />
zur Hinwendung zum Englischen,<br />
wenn sie an der Spitzenforschung teilhaben<br />
wollten, deren Ruhm ihre Wirklichkeit<br />
womöglich noch übertraf.<br />
Anteil an Publikationen weltweit<br />
Ein grober, aber brauchbarer Indikator<br />
für die Entwicklung der internationalen<br />
Stellung der Wissenschaftssprachen ist<br />
ihr Anteil an der weltwei-<br />
ten Gesamtzahl wissenschaftlicherPublikationen.<br />
Unterschiedliche Berechnungen<br />
konvergieren<br />
weitgehend im Ergebnis.<br />
Das Bild, das sie liefern,<br />
wird von anderen Indikatoren bestätigt,<br />
z.B. der Häufigkeit, mit der wissenschaftliche<br />
Texte verschiedener Sprachen<br />
zitiert werden.<br />
Für die Naturwissenschaften erlauben<br />
die Quellen einen recht tiefen historischen<br />
Rückblick (Abb. 1). Wie man<br />
sieht, war Deutsch bis ins erste Viertel<br />
des 20. Jhs. ungefähr gleichrangig mit<br />
Englisch, wobei die Zahlen um den Ersten<br />
Weltkrieg zugunsten von Deutsch<br />
verzerrt sein können. Auch Französisch<br />
hatte einen ähnlichen Rang. Beide<br />
Sprachen, Deutsch und Französisch,<br />
verlieren dann kontinuierlich an Boden.<br />
Im Gegenzug steigt der Anteil von Englisch<br />
stetig und liegt heute bei über 90<br />
Prozent. Deutsch und Französisch er-
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 401<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1880 1890 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1988 1996 2005<br />
reichen dagegen kaum noch ein Prozent<br />
Weltanteil. Allerdings weisen diverse<br />
Untersuchungen nach, dass die neueren<br />
Zahlen den Anteil von Englisch überzeichnen,<br />
bedingt dadurch, dass die Da-<br />
»Die Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
neigen weniger<br />
zum Englischen.«<br />
tenbanken, auf die sich die Analysen<br />
stützen, ihren Standort in englischsprachigen<br />
oder zum Englischen hinneigenden<br />
Ländern (wie den Niederlanden)<br />
haben und dass sie die Standortsprache,<br />
neben Publikationen mit hohem Einflussfaktor,<br />
bevorzugen. Jedoch sind die<br />
Datenbanken auch um ausgewogene<br />
Repräsentativität bemüht, um ihr Ansehen<br />
nicht zu gefährden. Jedenfalls<br />
rechtfertigen weder die früheren noch<br />
die heutigen Verzerrungen ernsthafte<br />
Zweifel an der übergreifenden Tendenz.<br />
Nicht-deutschsprachige Wissenschaftler<br />
publizieren heute nur noch<br />
ausnahmsweise auf Deutsch. Dagegen<br />
veröffentlichen deutschsprachige Wissenschaftler<br />
viel auf Englisch, und zwar<br />
vor allem solche Erkenntnisse, die ihnen<br />
bedeutsam erscheinen. Der Hang<br />
zum Englischen ist besonders ausgeprägt<br />
in den Naturwissenschaften, und<br />
zwar mehr noch in den theoretischen<br />
(z.B. Biologie) als in den angewandten<br />
(z.B. Agrarwissenschaft), da letztere<br />
auch Laien ansprechen, deren Englischkenntnisse<br />
zweifelhafter sind.<br />
Deutsch<br />
Englisc h<br />
Französisch<br />
Japanisch<br />
Russisch<br />
Abb. 1: Sprachenanteile an den naturwissenschaftlichen Publikationen weltweit 1880-2005 in<br />
Prozent (Mittelwerte verschiedener Disziplinen aus Datenbanken verschiedener Länder. Analysen<br />
von Tsunoda 1983; Ammon/Abdulkadir Topal/ Vanessa Gawrisch)<br />
In den Sozialwissenschaften ist die<br />
Neigung zum Englischen weniger entwickelt.<br />
Dies liegt nicht zuletzt an den<br />
Themen, die häufiger auf die eigene Gesellschaft<br />
abzielen und weniger universal<br />
sind. Leider lassen sich die<br />
weltweiten Publikationsantei-<br />
le in den Sozialwissenschaften<br />
bislang nur für die Zeit nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg einigermaßen<br />
repräsentativ ermitteln,<br />
da es an früheren bibliographischen<br />
Datenbanken mangelt. Abb. 2<br />
zeigt, dass der Anteil des Deutschen in<br />
100,0<br />
10,0<br />
1,0<br />
1951<br />
4 8,0<br />
1 7,9<br />
8,4<br />
5,9<br />
5, 3<br />
2,1<br />
42 ,8<br />
21 ,9<br />
9, 5<br />
5,3<br />
5,0<br />
4,8<br />
1955<br />
2, 2<br />
1960<br />
37 ,8<br />
20 ,1<br />
7,7<br />
7,4<br />
6, 0<br />
4,4<br />
4,1<br />
46,4<br />
15,7<br />
8,1<br />
7,4<br />
5,6<br />
1,4<br />
1965<br />
4,6<br />
1970<br />
48,9<br />
17,0<br />
10,1<br />
6, 8<br />
5,1<br />
3,6<br />
1975<br />
5 2,3<br />
1 8,3<br />
7,6<br />
7,5<br />
3,7<br />
2,6<br />
den Sozialwissenschaften weniger dramatisch<br />
schrumpft und mit rund sieben<br />
Prozent, ähnlich dem Anteil des Französischen,<br />
noch heute beachtlich ist,<br />
wenngleich Englisch auch hier schon<br />
stark vorherrscht.<br />
Die Geisteswissenschaften sind<br />
noch weniger anglophon als die Sozialwissenschaften.<br />
Mehr als durch die Themen<br />
ist dies, wie teilweise schon bei den<br />
Sozialwissenschaften, bedingt durch die<br />
Verflechtung der Wissenschaftssprache<br />
mit der Gemeinsprache, was die eindeutige<br />
Übersetzung und die Umsetzung<br />
stilistischer Ansprüche in eine<br />
Fremdsprache erschwert. Allerdings<br />
darf bezweifelt werden, dass geisteswissenschaftliche<br />
Erkenntnisse an die Einzelsprachen,<br />
also z.B. das Deutsche, gebunden<br />
sind. Diese Auffassung wird<br />
zwar häufig vertreten, jedoch ist das<br />
Gegenargument besser fundiert, dass<br />
Formulierungen, die sich nicht einmal<br />
in terminologisch reiche („ausgebaute“)<br />
andere Sprachen wie z.B. Englisch<br />
übersetzen lassen (notfalls durch Import<br />
weiterer Termini und deren Erläuterung),<br />
unter gedanklicher Unklarheit<br />
leiden. Vor allem in den Geisteswissenschaften<br />
besteht die Gefahr der Provinzialisierung<br />
oder der dauerhaften<br />
Sprachnachteile nicht-anglophoner<br />
Wissenschaftler, die wohl kaum durch<br />
die gerne beschworenen kognitiven<br />
Vorteile der Mehrsprachigkeit aufgewogen<br />
werden.<br />
Ermittlungen von Sprachenanteilen<br />
sind in den Geisteswissenschaften mangels<br />
weltweit repräsentativer bibliogra-<br />
1980<br />
57 ,1<br />
13 ,7<br />
8,5<br />
5,8<br />
5,2<br />
3,1<br />
1985<br />
52 ,1<br />
16 ,1<br />
7, 8<br />
5,5<br />
4, 2<br />
3, 2<br />
1990<br />
70 ,2<br />
8, 8<br />
5, 9<br />
3,5<br />
3,3<br />
2,6<br />
1995<br />
75,4<br />
7,7<br />
7,1<br />
2,4<br />
1,9<br />
1,4<br />
2000<br />
77, 2<br />
6, 9<br />
6,2<br />
76 ,0<br />
Englisch<br />
Deutsch<br />
Französisch<br />
Spanisch<br />
Russisch<br />
Italienisch<br />
Japanisch<br />
7, 2<br />
6,9<br />
2,1 2,0<br />
Abb. 2: Sprachenanteile an den sozialwissenschaftlichen Publikationen weltweit 1951-2005 in<br />
Prozent (Ordinate zur besseren Übersichtlichkeit logarithmiert. Aufgrund International Bibliography<br />
of the Social Sciences (IBSS). Analysen von Ammon/ Vanessa Gawrisch)<br />
2,0<br />
1,4<br />
2005<br />
1, 9<br />
1,2
402 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
phischer Datenbanken schwierig. Es<br />
soll hier jedoch Nischenfächer geben, in<br />
denen Deutsch noch eine bedeutende<br />
internationale Rolle spielt. Allerdings<br />
fehlen dazu einschlägige <strong>Forschung</strong>en.<br />
Neben Anekdotischem existieren nur<br />
zweifelhafte Indizien wie die Anteile<br />
deutschsprachiger Titel an Empfehlungen<br />
für die Grundausstattung amerikanischer<br />
Hochschulbibliotheken (eigene<br />
Erhebung) oder Schätzungen aufgrund<br />
der aus Deutschland exportierten Fachliteratur<br />
(dankenswerte Mitteilung des<br />
Exportverlags Harrassowitz für 2008).<br />
Diese Befunde kongruieren zu folgender<br />
Rangordnung der (sich teilweise<br />
überlappenden) Fächer, in denen<br />
Deutsch noch mehr oder weniger bedeutsame<br />
internationale Wissenschaftssprache<br />
ist (1 = höchster Rang):<br />
1. Deutsche Sprache und Literatur;<br />
2. Archäologie, Klassische Altertumswissenschaft,<br />
Kunstgeschichte,<br />
Musikwissenschaft, Philosophie, Religionsgeschichte,<br />
Theologie;<br />
3. Ägyptologie, Indogermanistik, Judaistik,<br />
Orientalistik, Slawistik.<br />
Die Bedeutung in der Wissenschaftsgeschichte<br />
Nicht übersehen werden sollte auch die<br />
Bedeutung von Deutschkenntnissen für<br />
die Wissenschaftsgeschichte. In vielen<br />
Fächern wurden bahnbrechende, sogar<br />
paradigmenbildende Texte ursprünglich<br />
auf Deutsch verfasst. Man denke nur an<br />
Namen wie Kant, Marx, Freud, Max<br />
Weber oder Einstein. Im Original kann<br />
man sie nur auf Deutsch lesen, was wiederum<br />
in den Geisteswissenschaften für<br />
dringlicher gehalten wird als in den Naturwissenschaften.<br />
Auf die große Tradition<br />
ist es zurückzuführen, dass<br />
Deutsch noch immer dem wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs zum Lernen empfohlen<br />
wird. Jedenfalls nannten in den<br />
1990er Jahren folgende Anteile nichtdeutschsprachiger<br />
Wissenschaftler<br />
Kenntnisse folgender Fremdsprachen<br />
für ihr Fach als wichtig: Englisch 83<br />
Prozent, Deutsch 44 Prozent, Französisch<br />
23 Prozent (Mehrfachnennungen<br />
möglich; eigene Befragung von Chemikern,<br />
Wirtschaftswissenschaftlern und<br />
Historikern in Frankreich, Japan, Niederlande,<br />
Polen, Russland, Ungarn und<br />
USA).<br />
Die Zukunft<br />
Für die Zukunft von Deutsch als internationale<br />
Wissenschaftssprache kann<br />
die um sich greifende Einführung englischsprachiger<br />
Studiengänge an deutschen<br />
Hochschulen folgenreich sein.<br />
Sie begann im Wintersemester 1997/98<br />
»Studierende aus dem Ausland<br />
möchten oft von sich aus Deutsch<br />
lernen.«<br />
unter Anleitung und mit finanzieller<br />
Unterstützung des DAAD. Diese „internationalen<br />
Studiengänge“, die es übrigens<br />
in vielen Ländern und sogar in<br />
Frankreich gibt, sollen ausländischen<br />
Studierenden und Wissenschaftlern den<br />
Zugang zu deutschen Hochschulen erleichtern<br />
und Deutsche für die Globalisierung<br />
ertüchtigen. Sie versprechen<br />
nachhaltige Fortschritte für die internationale<br />
Kooperation und die Entwicklung<br />
der Wissenschaften. Daneben treten<br />
für Wissenschaftler andere Interessen<br />
leicht in den Hintergrund. In diesem<br />
Fall sind es sprachliche, die neben<br />
den rein wissenschaftlichen ebenfalls<br />
Beachtung verdienen. Derzeit lernen<br />
weltweit noch ca. 14,5 Mio. ‚Ausländer’<br />
(außerhalb des deutschen Sprachgebiets<br />
lebende Personen) Deutsch als Fremdsprache.<br />
Sie sind wichtige Freunde unseres<br />
Landes und Vermittler von Außenkontakten<br />
in Wirtschaft, Wissenschaft,<br />
Politik und Kultur. Zu den<br />
hauptsächlichen Motiven für das<br />
Deutschlernen zählt ein späteres Studium<br />
in Deutschland. Diese Motivation<br />
schwindet aber, wenn in Deutschland<br />
ganz in englischer Sprache studiert werden<br />
kann. Daher gefährden Studiengänge,<br />
die auf Deutschkenntnisse gänzlich<br />
verzichten, das Deutschlernen und<br />
sind ein Albtraum für die Abteilungen<br />
von Deutsch als Fremdsprache im Ausland.<br />
Diese Einsicht spricht auch aus<br />
dem kürzlichen „Memorandum zur<br />
Förderung des Deutschen als Wissenschaftssprache“<br />
des DAAD<br />
(www.daad.de). Dagegen sind Studiengänge,<br />
die zwar den Einstieg auf Englisch<br />
ermöglichen, aber im weiteren<br />
Verlauf Deutschkenntnisse<br />
verlangen, weniger problematisch.<br />
Sie wirken ähnlich<br />
wie geforderte Lateinkenntnisse,<br />
die man zur<br />
Entlastung besser schon<br />
vor dem Studium erwirbt.<br />
Solche Studiengänge könnten der deutschen<br />
Sprache teilweise sogar neue Lerner<br />
zuführen, Spätentschlossene oder<br />
von angelsächsischen Hochschulen Abgewiesene,<br />
die dann im weiteren Verlauf<br />
des auf Englisch begonnenen Studiums<br />
Deutsch lernen. Neuere Untersuchungen<br />
belegen zudem, dass Auslandsstudierende<br />
oft von sich aus Deutsch<br />
lernen möchten, für den hiesigen Alltag<br />
und als Zusatzqualifikation für den späteren<br />
Beruf, aber kein geeignetes Angebot<br />
erhalten. Der Förderung von<br />
Deutsch als – teilweise auch noch internationale<br />
– Wissenschaftssprache wäre<br />
am besten gedient, wenn die internationalen<br />
Studiengänge hinführen würden<br />
zum Besuch auch deutschsprachiger<br />
Lehrveranstaltungen.<br />
Eine Fassung des Artikels mit Literaturhinweisen<br />
kann bei der Redaktion von <strong>Forschung</strong> &<br />
<strong>Lehre</strong> angefordert werden.<br />
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404 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Langeweile ist unverzeihlich<br />
Über das Arbeiten mit und an der Sprache –<br />
Fragen an Martin von Koppenfels<br />
Mit dem Anna-Krüger-Preis wird ein Wissenschaftler ausgezeichnet,<br />
„der ein hervorragendes Werk in einer guten und verständlichen Wissenschaftssprache<br />
geschrieben hat“. Erfrischende Einsichten in die Kunst des<br />
wissenschaftlichen Schreibens vom Preisträger des Jahres 2009, Martin von<br />
Koppenfels.<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>: Was bedeutet Ihnen<br />
das Arbeiten mit und an der Sprache?<br />
Martin von Koppenfels: Viel Mühe. Immer<br />
und immer wieder neu ansetzen.<br />
Dieser oft qualvolle, selten unmittelbar<br />
befriedigende Schreibprozess – das ist<br />
Arbeit an der Sprache.<br />
Wobei sehr die Frage ist,<br />
wer hier an wem arbeitet.<br />
Unsere Sprache ist eben<br />
kein Gegenstand, der vor<br />
uns liegt, und an dem wir<br />
herumklopfen können.<br />
Die Quälerei des Schreibens bildet einen<br />
Schutz gegen die Entstehung von<br />
Automatismen. Wenn es zu leicht geht,<br />
produziert man meist nur noch Routine.<br />
Martin von Koppenfels ist Professor für<br />
Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft<br />
mit romanistischem Schwerpunkt<br />
an der Universität Bielefeld. Er erhielt<br />
2009 den Anna-Krüger-Preis des Wissenschaftskollegs<br />
zu Berlin.<br />
In dieser Hinsicht sind Wissenschaftler<br />
viel gefährdeter als freie Autoren: Institute,<br />
Tagungen, Sammelbände, Drittmittelanträge,<br />
Theoriekommissionen – das<br />
sind alles Brutstätten intellektueller<br />
Routine. Wenn Sie nicht aufpassen, finden<br />
Sie sich in der Lebensmitte (sagen<br />
wir: nach der Habilitation) mit einer gut<br />
»Die Quälerei des Schreibens<br />
bildet einen Schutz gegen die<br />
Entstehung von Automatismen.«<br />
geölten, aber starren Denk- und<br />
Schreibmaschine vor, durch die Sie<br />
„geistige Inhalte“ nur noch hindurchschnurren<br />
lassen. Dabei entsteht dann<br />
etwas, das für Geisteswissenschaftler<br />
unverzeihlich ist: Langeweile. Ich bin<br />
nicht der Ansicht, dass Langeweile ein<br />
Kollateralschaden ist, den man, etwa<br />
auf dem Weg zu Seriosität und fachlicher<br />
Autorität, billigend in Kauf zu nehmen<br />
hat.<br />
Der Begriff „Geisteswissenschaft“<br />
impliziert, dass unsere Arbeit sich nicht<br />
in zwei getrennte Phasen aufspalten<br />
lässt: einerseits <strong>Forschung</strong>, andererseits<br />
sprachliche Ausarbeitung („Präsentation“).<br />
Beide Tätigkeiten greifen vielmehr<br />
ständig ineinander. Unsere Gegenstände<br />
liegen nicht stumm auf dem Objektträger,<br />
sie sind selbst kulturelle Hervorbringungen,<br />
die sich vernehmlich zu<br />
Wort melden. Wir sind also im Gespräch,<br />
sowohl mit dem Gegenstand als<br />
auch mit unserem Publikum. Und die<br />
Sprache hat in beiden Fällen das Sagen.<br />
F&L: Warum ist bei wissenschaftlichen<br />
Werken in deutscher Sprache der Nominalstil<br />
so beliebt? Ist das eine deutsche<br />
Eigenart?<br />
Martin von Koppenfels: Die Leichtigkeit,<br />
mit der das Deutsche nominalisiert<br />
(und das heißt oft: abstrahiert), stellt eine<br />
der großen Chancen dieser Sprache<br />
dar – früher hätte man gesagt, ihre philosophische<br />
Veranlagung. Wie alle Geschenke<br />
kann auch dieses missbraucht<br />
werden. Dann wird aus der philosophischen<br />
eine bürokratische Begabung.<br />
Das ist dann aber nicht der Sprache anzulasten,<br />
sondern ihren Benutzern, in<br />
diesem Fall der fatalen Neigung der<br />
Deutschen zur Verrechtlichung aller<br />
Verhältnisse. Zwischen Theorie und<br />
Verwaltungsprosa liegt manchmal nur<br />
ein schmaler Grat. Einer der schamlosesten<br />
Nominalisierer der deutschen Literaturgeschichte<br />
ist übrigens Rilke („O<br />
reine Übersteigung … doch selbst in der<br />
Verschweigung…“). Aber würden Sie<br />
ihm diese Ungetüme herausredigieren?<br />
F&L: Wann ist für Sie ein wissenschaftlicher<br />
Text „rund“?<br />
Martin von Koppenfels: Wenn er mich<br />
langweilt. Die Aufmerksamkeit wird<br />
auch bei der Lektüre wissenschaftlicher<br />
Texte eher von den Ecken und Pointen<br />
angezogen. Die Wissenschaftssprache<br />
hat viele ästhetische Facetten. Wenn<br />
Mathematiker von der „Schönheit“<br />
oder „Eleganz“ einer Beweisführung<br />
sprechen, dann beziehen sie sich damit<br />
auf eine dieser Facetten: die Rhetorik<br />
der Schlichtheit, die Ökonomie der Mittel.<br />
Es gibt aber noch ganz andere Register,<br />
zum Beispiel Pointe, Verdichtung,<br />
Paradox. In der Rhetorik geisteswissenschaftlicher<br />
Texte sollten sie die<br />
tragende Rolle spielen.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SPRACHE UND WISSENSCHAFT 405<br />
F&L: Hat die Spezialisierung Folgen für<br />
die Sprache der Wissenschaft?<br />
Martin von Koppenfels: Nicht nur für<br />
die Sprache der Wissenschaft. „Unterschiedenes<br />
ist gut“ schreibt Hölderlin:<br />
Spezialisierung ist Differenzgewinn.<br />
Dadurch wird die Sprache aller bereichert.<br />
Spezialsprachen können phantastische<br />
Fundgruben sein.<br />
Wenn Ihnen eine Terminologie<br />
völlig fremd ist, oder veraltet,<br />
so dass ihr fester Zugriff<br />
auf die Wirklichkeit sich<br />
schon gelockert hat, dann<br />
können die Begriffe geradezu<br />
poetische Mucken entwickeln. Fragen<br />
Sie Lyriker und literarische Übersetzer,<br />
die oft ein fetischistisches Verhältnis zu<br />
Spezialwörterbüchern unterhalten! Wer<br />
wäre nicht entzückt zu erfahren, dass<br />
Molekularbiologen eine bestimmte Reaktionskette<br />
als „sonic hedgehog pathway“<br />
bezeichnen? Ganz zu schweigen<br />
von den „red dwarves“ und „dirty<br />
snowballs“ der Astrophysiker. Die Welt<br />
der spezialisierten Wissenschaft stellt<br />
uns natürlich vor die Aufgabe, die auseinanderdriftenden<br />
Codes miteinander in<br />
Kontakt zu halten. Dafür wiederum<br />
braucht man Leute, die darauf spezialisiert<br />
sind, nicht spezialisiert zu sein:<br />
Übersetzer, Vermittler – eben Geisteswissenschaftler.<br />
F&L: <strong>Kritik</strong>er beklagen mangelnde<br />
sprachliche Fähigkeiten vieler Studenten.<br />
Teilen Sie diese <strong>Kritik</strong>?<br />
»Sie müssen Identifikationen<br />
mit Texten durchgemacht<br />
haben wie Kinderkrankheiten.«<br />
Martin von Koppenfels: Das klingt, als<br />
würden Sie sagen: „<strong>Kritik</strong>er bemängeln<br />
das zunehmende Abschmelzen der Polkappen.“<br />
‚<strong>Kritik</strong>‘ ist vielleicht nicht die<br />
richtige Reaktion auf Verschiebungen dieses<br />
Ausmaßes. Was nicht heißt, dass man<br />
sich mit ihnen abfinden sollte. Es war ein<br />
erklärtes Ziel der deutschen Studienreform,<br />
deutlich mehr Absolventen pro<br />
Jahrgang mit einem Hochschulabschluss<br />
zu versorgen. Niemand, der auch nur<br />
halbwegs ehrlich ist, wird behaupten, dass<br />
man ein solches Ziel ohne Absenkung des<br />
Niveaus erreichen kann. Diese Absen-<br />
kung betrifft natürlich auch das sprachliche<br />
Vermögen – und vielleicht ganz besonders<br />
dieses. Dazu kommt, dass die<br />
Studienreform – was oft verschwiegen<br />
wird – auch auf eine Krise des Abiturs<br />
reagiert. Die Hochschulreife garantiert<br />
nicht mehr, dass die Studienanfänger<br />
wirklich über jene Fähigkeiten des Lesens<br />
und Schreibens im intensiven Sinn verfügen,<br />
die wir Geisteswissenschaftler gerne<br />
bei ihnen sehen würden. Dies wiederum<br />
hat wohl nur zum Teil mit der Überforderung<br />
der Schulen zu tun. Hier sind gesellschaftliche<br />
Verschiebungen im Spiel,<br />
durch die das Verhältnis des Einzelnen<br />
zum Buchstaben in einem grundsätzlichen<br />
Sinn verändert worden ist. Um Ihre<br />
sprachlichen Fähigkeiten zu entfalten,<br />
müssen Sie vor allem viel und gut gelesen<br />
haben. Sie müssen Identifikationen mit<br />
Texten durchgemacht haben wie Kinderkrankheiten.<br />
Es schadet auch nicht, wenn<br />
Sie wie Don Quijote auf ihnen herumgeritten<br />
sind. Nur dabei kann die Leidenschaft<br />
für sprachlichen Ausdruck, das Gefühl<br />
für das Eigengewicht der Worte entstehen.<br />
Man wird nicht behaupten wollen,<br />
dass diese „learning outcomes“ in unserem<br />
Bildungssystem einen besonders<br />
hohen Stellenwert einnehmen.<br />
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406 WISSENSCHAFTSKULTUR <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Wissenschaftskultur<br />
Zur Vernunft wissenschaftlicher Institutionen<br />
| JÜRGEN M ITTELSTRASS | Auch in der Gegenwart<br />
wird Wissenschaft und Technik als der Kultur fremd, ja oft feindlich betrachtet.<br />
Versucht man, den Antagonismus aufzulösen, müssen alle voneinander lernen:<br />
Die Kultur von der Wissenschaft, die Wirtschaft von der Technik. Ein Entwurf für<br />
eine Einheit der Systeme.<br />
Wo Wissenschaft und Technik<br />
sind, so ein verbreitetes<br />
Vorurteil, schweigt die<br />
Kultur, und wo Kultur ist, schweigen<br />
Wissenschaft und Technik. Den Hintergrund<br />
bildet eine Kultur- und Geistesgeschichte,<br />
die vornehmlich das Künstlerische<br />
und Literarische und alles ihnen<br />
Benachbarte liebt und sich in einer<br />
Zwei-Kulturen-Vorstellung, die eigentlich<br />
gegen alles Kulturelle erfunden<br />
wurde, noch heute geborgen fühlt, ferner<br />
eine Auffassung von Wissenschaft<br />
und Technik, nach der diesen vermeintlich<br />
schon in der Wiege alles Geistige,<br />
und somit auch alles Kulturelle, ausgetrieben<br />
wurde.<br />
Diese Vorstellung ist falsch, und sie<br />
war immer schon falsch. Kultur – das ist<br />
eben nicht nur Abendland, Hellas, deutsche<br />
Klassik, sondern auch Himmel<br />
und Erde noch einmal geschaffen, Verwandlung<br />
der Welt in die Welt des Menschen.<br />
Dazu gehören auch Wissenschaft<br />
und Technik. Weder lässt sich das Kulturelle<br />
gegenüber dem Wissenschaftlichen<br />
und dem Technischen isolieren,<br />
noch umgekehrt das Wissenschaftliche<br />
und das Technische gegenüber dem<br />
Kulturellen. Neben homo sapiens<br />
wohnten immer schon homo investigans<br />
und homo faber, neben dem kontemplativen<br />
Verstand immer schon der<br />
forschende und der konstruierende Verstand.<br />
Ihrem Zusammengehen verdankt<br />
sich die moderne Welt. Eine solche Welt<br />
nenne ich die Leonardo-Welt, nach<br />
Leonardo da Vinci, dem großen Renaissancewissenschaftler,<br />
Ingenieur und<br />
Künstler, in dessen Werk nicht nur die<br />
moderne Welt, eine Welt des wissenschaftlichen<br />
und des technischen Verstandes,<br />
erwacht, sondern auch die Einheit<br />
alles Wissenschaftlichen, Technischen<br />
und Kulturellen auf eine großartige<br />
Weise zum Ausdruck kommt.<br />
Die Leonardo-Welt ist eine artifizielle<br />
Welt – sie wird erfunden, nicht wie die<br />
Natur entdeckt. Das bedeutet aber auch,<br />
dass Wissenschaft und Technik, d.h. die<br />
eigentlichen Konstrukteure dieser Welt,<br />
immer tiefer in ihre eigene Welt hineingezogen<br />
werden. Wissenschaft ist nicht<br />
länger ein nur beobachtendes und analysierendes<br />
Tun, zur selbstverliebten Freude<br />
der Vernunft oder des Geistes mit Sitz<br />
in Elfenbeintürmen, sondern ein weltgestaltendes<br />
und weltveränderndes Tun;<br />
das gleiche gilt von der Technik. Dabei<br />
bedeutet die Verwissenschaftlichung der<br />
Welt auch die Verweltlichung der Wissenschaft,<br />
womit sich auch die Zuständigkeiten<br />
und die Erwartungen an Wissenschaft<br />
ändern. Pointiert formuliert:<br />
Während es bisher so scheinen mochte,<br />
dass zu erkennen, was die Welt im In-<br />
AUTOR<br />
Professor Jürgen Mittelstraß ist Direktor des Konstanzer Wissenschaftsforums und<br />
des Zentrums Philosophie und Wissenschaftstheorie. Er ist Vorsitzender des Österreichischen<br />
Wissenschaftsrates und Mitglied der Leopoldina.<br />
nersten zusammenhält, die alleinige Aufgabe<br />
der Wissenschaft war, ist es in einer<br />
Leonardo-Welt mehr und mehr die Notwendigkeit,<br />
die Welt (wissenschaftlich<br />
und technisch) zusammenzuhalten. Die<br />
Vorstellung, dass Wissenschaft nützlich<br />
ist bzw. nützlich sein soll, hat nicht nur<br />
politisch, sondern auch wissenschaftstheoretisch<br />
gewaltig an Aktualität gewonnen.<br />
Das gleiche gilt von der Kultur,<br />
die Wissenschaft und Technik schaffen.<br />
Insofern kommt aber auch, wenn wir<br />
über Wissenschaft und ihre Rolle in der<br />
modernen Welt nachdenken, alles auf die<br />
Betonung einer, möglicherweise auch erst<br />
wiederherzustellenden, Einheit alles Wissenschaftlichen,<br />
Technischen und Kulturellen<br />
an. Dabei muss die Wissenschaft<br />
lernen, dass ihr – bei allem berechtigten<br />
Anspruch, zunächst ihre eigenen Erkenntniszwecke<br />
zu verfolgen – nicht in<br />
die Wiege gelegt wurde, anwendungsfern<br />
zu sein. Die Wirtschaft muss in technologischen<br />
Dingen lernen, dass die Wissenschaft<br />
auf ihrer Suche nach dem Neuen<br />
anders tickt als ein Produktionsbetrieb.<br />
Und das, was wir als das Kulturelle bezeichnen,<br />
muss wieder begreifen, dass die<br />
Welt der Wissenschaft und der Wirtschaft<br />
auch seine Welt ist. Nur was Köpfe nicht<br />
mehr zusammenzuhalten vermögen, zerlegt<br />
sich in eigene Welten, in denen sich<br />
dann auch die Köpfe nicht mehr auskennen.<br />
Das hat nichts mit der Sehnsucht<br />
nach einfachen Verhältnissen zu tun.<br />
Einfach sind nur mythische Verhältnisse,<br />
in denen Verstand und Vernunft schlafen.<br />
Oder anders ausgedrückt: Man muss die<br />
Leonardo-Welt wollen und an ihrer Weiterentwicklung<br />
arbeiten, um nicht unter<br />
ihr zu leiden oder wieder in unvernünftige<br />
Verhältnisse zu geraten.<br />
Noch einmal zur Rolle der Wissenschaft<br />
in diesem Zusammenhang. Nirgendwo<br />
ist das Neue, das die Leonardo-<br />
Welt in Gang hält, so nah wie in der
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> WISSENSCHAFTSKULTUR 407<br />
Wissenschaft – in Form neuer Einsichten,<br />
erwarteter oder unerwarteter Entdeckungen,<br />
in Form von Konstruktionen<br />
oder Erfindungen, wenn nämlich<br />
die Wissenschaft, z.B. die Mathematik,<br />
das, was sie entdeckt, selbst noch erfindet.<br />
Wissenschaft ist stets auf das Neue<br />
aus, und sie hat das Neue im Blut. Wo<br />
es fehlt oder auf Dauer ausbleibt, verliert<br />
sich Wissenschaft selbst aus dem<br />
Auge, stirbt Wissenschaft ab. Das bedeutet<br />
nicht, dass das Neue, das die<br />
Wissenschaft in die Welt bringt, stets<br />
auch das Neue ist, das die Gesellschaft<br />
von ihr erwartet. Viele wissenschaftliche<br />
Theorien bleiben unter sich und<br />
sterben – manchmal schneller, manchmal<br />
langsamer – aus, ohne Spuren in<br />
den Lehrbüchern oder gar in der Welt<br />
zu hinterlassen. Viele Experimente bleiben<br />
l’art pour l’art, bewegen Generationen<br />
von Forschern, aber nicht die Welt.<br />
Wissenschaft also als nutzlose Wolkenschieberei?<br />
Was gelegentlich so erscheinen<br />
mag, gehört tatsächlich zum ,Spiel<br />
Wissenschaft’, wie das Karl Popper einmal<br />
genannt hat, macht ihre besondere<br />
Neugierde und ihre besondere Freiheit<br />
aus, ohne die sie nicht zu existieren vermag.<br />
Wäre Wissenschaft – was sich<br />
manche wünschen mögen – nur der<br />
Der Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreis wird durch die Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München in der Regel alle zwei Jahre für hervorragende,<br />
experimentelle und innovative wissenschaftliche Arbeiten verliehen,<br />
deren Ziel bzw. Ergebnis es ist, Tierversuche zu ersetzen oder einzuschränken,<br />
den Tierschutz generell zu fördern, die Gesundheit und<br />
tiergerechte Unterbringung von Versuchs-, Heim- und Nutztieren zu gewährleisten<br />
oder die Grundlagenforschung zur Verbesserung des Tierschutzes<br />
zu unterstützen.<br />
Der Preis ist mit maximal 30 000 EURO dotiert.<br />
Eine Aufteilung des Preises auf mehrere Preisträger ist möglich. Die Verwendung<br />
des Preisgeldes ist nicht mit Auflagen verbunden. Vorschlagsberechtigt<br />
sind Wissenschaftler sowie Mitglieder zum Beispiel von wissenschaftlichen<br />
Institutionen, von Fachgesellschaften und von Behörden sowie<br />
von Wissenschaftsredaktionen. Vorgeschlagen werden können Personen<br />
und Gruppen, die in der <strong>Forschung</strong> im In- oder Ausland tätig sind.<br />
Die Arbeiten sollen neueren Ursprungs sein und eigene <strong>Forschung</strong>sergebnisse<br />
enthalten. Sie müssen im Druck vorliegen. Bereits anderweitig<br />
mit einem Tierschutzpreis ausgezeichnete Arbeiten werden in der Regel<br />
nicht berücksichtigt. Eine Eigenbewerbung ist ausgeschlossen.<br />
verlängerte Arm der Werkbänke, verlöre<br />
sie gerade ihre produktive Kraft, die<br />
allemal darin besteht, das Neue in die<br />
Welt zu bringen, nicht das Gewohnte<br />
oder das Begehrte, selbst ohne Einsichten<br />
und Einfälle, zu fördern. Außerdem<br />
gibt es kein Maß und kein Kriterium,<br />
das in der Wissenschaft, bezogen auf erwartete<br />
Anwendungen, von vornherein<br />
»Die Wissenschaft tickt auf ihrer<br />
Suche nach dem Neuen anders<br />
als ein Produktionsbetrieb.«<br />
zwischen dem Fruchtbaren und dem<br />
Unfruchtbaren unterscheiden ließe.<br />
Mit anderen Worten, <strong>Forschung</strong><br />
geht, wohin sie will, getrieben von ihren<br />
eigenen Fragen und Einfällen, und mit<br />
ihr die Wissenschaft, die stets dort am<br />
fruchtbarsten ist, wo sie ihrer eigenen<br />
Witterung vertraut, die immer wieder<br />
Aufbruch ins Unbekannte, auf der ständigen<br />
Suche nach dem Neuen, bedeutet.<br />
Wer von der Wissenschaft viel erwartet,<br />
auch in Anwendungsdingen, sollte ihr<br />
daher auch auf diesen Wegen folgen<br />
und nicht versuchen, auf kurzfristigen<br />
Vorteil bedacht, sie in die eigenen gesellschaftlichen<br />
Wege zu zwingen.<br />
Ausschreibung für den<br />
Das bedeutet auch, dass Wissenschaft<br />
nicht – und wenn doch, dann nur<br />
in wenigen Bereichen – wirklich planbar<br />
ist. Zwar ist ihr Weg mit <strong>Forschung</strong>sprogrammen,<br />
Projekten und<br />
Entdeckungsstrategien gepflastert, zwar<br />
besteht jede Wissenschaftsförderung auf<br />
konkreten und in ihren Versprechungen<br />
realistischen Arbeitsabläufen, doch<br />
weiß im Grunde jeder, jeder<br />
Wissenschaftler und jeder<br />
Wissenschaftsförderer, dass<br />
sich wissenschaftliche Ergebnisse<br />
nicht erzwingen lassen,<br />
dass Wissenschaft der verqueren<br />
Logik von Fünfjahresplänen<br />
ebensowenig folgt wie eine erfolgreiche<br />
Volkswirtschaft, dass gerade in ihrer<br />
mangelnden Determiniertheit ihre ungeheure<br />
Kraft liegt.<br />
Drei Bedeutungen von Wissenschaft<br />
Der Zusammenhang mit Kultur, der<br />
Kultur einer Leonardo-Welt, stellt sich<br />
hier in folgender Weise, in der Unterscheidung<br />
zwischen drei Bedeutungen<br />
von Wissenschaft, dar. So ist Wissenschaft<br />
erstens eine besondere Form der<br />
Wissensbildung, nämlich die durch besondere<br />
(theoretische und praktische)<br />
Anzeige<br />
FELIX-WANKEL-TIERSCHUTZ-FORSCHUNGSPREIS 2010<br />
Mit dem Vorschlag müssen die Arbeiten in dreifacher Ausfertigung eingereicht<br />
werden. Zusätzlich sind in elektronischer Form (PDF-Datei) auf Diskette<br />
oder CD-ROM Lebenslauf, Schriftenverzeichnis und eine maximal<br />
zweiseitige Kurzfassung in deutscher und/oder englischer Sprache vorzulegen,<br />
die den Stand des Wissens, den <strong>Forschung</strong>sansatz und die Ergebnisse<br />
darstellt. Ein Exemplar der vorgelegten Arbeiten bleibt bei den<br />
Akten des Kuratoriums.<br />
Die Vorschläge mit den Arbeiten müssen bis 30. September 2010 bei der<br />
Geschäftsstelle für den Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreis an der<br />
Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München vorliegen.<br />
Über die Zuerkennung des Preises entscheidet das Kuratorium<br />
des Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreises; sie erfolgt unter Ausschluss<br />
des Rechtsweges.<br />
Informationen zum Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreis auch im Internet<br />
über http://www.felix-wankel-forschungspreis.de<br />
Weitere Auskünfte erteilt die Geschäftsstelle für den Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreis<br />
am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde,<br />
Tierhygiene und Tierhaltung, Veterinärwissenschaftliches Department,<br />
LMU München, Schwere-Reiter-Str. 9, 80637 München, Tel.: (089)<br />
159278-0; Fax (089) 1578277, Email: felix.wankel@tierhyg.vetmed.<br />
uni-muenchen.de
408 WISSENSCHAFTSKULTUR <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Normen und Standards bestimmte Wissensbildung.<br />
Diese Normen und Standards<br />
sichern auch das, was wissenschaftliche<br />
Objektivität besagt. Sie ist<br />
zweitens eine Institution, nämlich eine<br />
gesellschaftliche Veranstaltung zur Stabilisierung<br />
der wissenschaftlichen Form<br />
der Wissensbildung. Ihre institutionelle<br />
Form ist es auch, die Wissenschaft in einer<br />
Gesellschaft auf Dauer stellt. Und<br />
Wissenschaft ist drittens eine Idee und<br />
eine Lebensform, die auf (der Suche<br />
nach der) Wahrheit beruht und allein<br />
die immer wieder eingeklagte Autonomie<br />
der Wissenschaft und ihrer Institutionen<br />
begründet. Eben das ist auch mit<br />
der Vernunft wissenschaftlicher Institutionen<br />
gemeint, nicht etwas im Sinne eines<br />
staatsbürgerlichen Bekenntnisses<br />
oder einer Hegelschen Reminiszenz.<br />
Vernunft hat stets etwas mit Wahrheit<br />
und mit begründeter Selbstbestimmung<br />
zu tun, und mit wissenschaftlichen Institutionen<br />
dann, wenn diese in ihren<br />
Zwecken nicht primär von den wechselnden<br />
Bedürfnislagen der Gesellschaft<br />
abhängig sind, sondern diese Zwecke in<br />
der (an Wahrheit orientierten) Wissensbildung<br />
selbst sehen und in dieser Form<br />
verfolgen. Das heißt auch, dass sie in<br />
dieser Weise der Gesellschaft bzw. einer<br />
Leonardo-Welt auf längere Sicht besser<br />
dienen als in einer von vornherein verwertungsorientierten<br />
Weise. Die wahren<br />
Innovationen resultieren allemal<br />
aus Durchbrüchen theoretischer Art,<br />
wenn Wissenschaft das Neue auf ihre<br />
Weise findet, also in der Grundlagenforschung,<br />
nicht aus der kurzatmigen Auftragsforschung,<br />
deren Bedienung auch<br />
die Wissenschaft kurzatmig macht.<br />
Die Rolle der Akademien<br />
Zu den wissenschaftlichen Institutionen,<br />
um deren Vernunft es geht, gehören<br />
auch die Akademien. Diese wurden<br />
ursprünglich gegen die Universitäten<br />
gegründet, in denen sich die Wissenschaft<br />
in Form autoritätsverhafteter<br />
wissenschaftlicher Reproduktionsprozesse<br />
ihrer eigentlichen Kraft beraubt<br />
und in ihrer angeborenen intellektuellen<br />
Neugierde stillgelegt sah, und sie<br />
sollten auch heute wieder, mit Blick auf<br />
eine gebeutelte Universität, mit der der<br />
ökonomische Verstand (Stichwort: unternehmerische<br />
Universität), der politische<br />
Verstand (mit immer neuen Universitätsgesetzen<br />
zu jeder Legislaturperiode,<br />
und das in Deutschland 16 Mal)<br />
und der verwaltende Verstand (dazu<br />
später) sein Spiel treibt, und mit Blick<br />
auf eine außeruniversitäre <strong>Forschung</strong>,<br />
die ihren Respekt gegenüber der Universität<br />
weitgehend verloren zu haben<br />
scheint, Anwälte eines freien, reflektierten<br />
wissenschaftlichen Geistes sein,<br />
wenn es darum geht, die Stimme der<br />
Wissenschaft unverstellt im gesellschaftlichen<br />
Diskurs, darin auch zwischen<br />
Wissenschaft und Politik vermittelnd,<br />
zur Geltung zu bringen. Und dies<br />
ohne jegliche partikularen Interessen,<br />
»Wissenschaft folgt der verqueren<br />
Logik von Fünfjahresplänen<br />
ebensowenig wie erfolgreiche<br />
Volkswirtschaften.«<br />
die auch die Universitäten und die außeruniversitären<strong>Forschung</strong>seinrichtungen<br />
vertreten, wenn es um Geld und<br />
Einfluss geht.<br />
Das muss angesichts der institutionellen<br />
Schwächen und der sich manchmal<br />
aufdrängenden Nähe zu akademischen<br />
Seniorenheimen nahezu paradox<br />
klingen, doch geht es hier um die Idee,<br />
nicht um ihre, häufig verwirrende, Realisierung.<br />
Die Müdigkeit des Geistes, die<br />
wir heute allerorten zu registrieren<br />
glauben, ist in den Akademien keine<br />
Frage erfahrener Bedeutungslosigkeit<br />
oder des Alters, eher schon der Selbstgenügsamkeit<br />
gerade auch der wissenschaftlichen<br />
Institutionen und des mangelnden<br />
Willens, gegen den waltenden<br />
Zeitgeist das Neue und die Vernunft in<br />
die Welt zu bringen.<br />
Der Schlachtruf der Qualitätssicherung<br />
Mag sein, dass das angesichts der modernen<br />
Wissenschaftsentwicklung, die<br />
auf große Zahlen und große Einrichtungen<br />
setzt, wiederum reichlich weltfremd,<br />
eben – dem üblichen Sprachgebrauch<br />
folgend – akademisch klingt.<br />
Doch was hindert uns daran, in Akademieangelegenheiten<br />
alte institutionelle<br />
Gewohnheiten und Loyalitäten einmal<br />
zu vergessen und wieder für die ganze<br />
Wissenschaft zu sprechen? Es ist die<br />
Stimme der Wissenschaft, die heute im<br />
Getöse von Lissabon, Bologna, Pisa<br />
und immer neuen Regelungseinfällen,<br />
die sich selbst zu institutionalisieren suchen,<br />
unterzugehen droht. Am<br />
schmerzlichsten bekommen dies die<br />
Universitäten zu spüren. Unter dem<br />
Schlachtruf der Qualitätssicherung hat<br />
sich hier ein System von Agenturen und<br />
Räten entwickelt, dem heute keine Universität,<br />
aber auch keine andere for-<br />
schende Einrichtung mehr entgehen<br />
kann. Kennt sich Wissenschaft, kennen<br />
sich unsere forschenden und lehrenden<br />
Einrichtungen in Dingen, die sie selbst<br />
betreffen, nicht mehr aus?<br />
Es ist diese Annahme, die nicht nur<br />
irritiert, sondern zunehmend auch<br />
beunruhigt. Da wird, ganz gleich ob es<br />
um <strong>Forschung</strong>, <strong>Lehre</strong> oder Ausbildung<br />
des wissenschaftlichen Nachwuchses<br />
geht, begutachtet und eva-<br />
luiert auf Teufel komm<br />
raus. Gleichzeitig wird der<br />
„Science Citation Index“<br />
zum akademischen Delphi<br />
– ist nur viel langweiliger –,<br />
der Impact Factor zur magischen<br />
Zahl, mit der Pythagoras,<br />
der oberste aller akademischen<br />
Dunkelmänner, höchst zufrieden<br />
gewesen wäre. Ein erheblicher Teil unserer<br />
akademischen Kapazitäten, häufig<br />
der besten, dürfte bereits jetzt im Evaluierungs-<br />
und Gutachterunwesen gebunden<br />
sein. Schon sieht es so aus, als sei<br />
Qualität nichts, das sich von sich aus<br />
zeigt, das sich durch <strong>Forschung</strong> und<br />
Wissenschaft selbst zum Ausdruck<br />
bringt, sondern allein das Resultat von<br />
auferlegten Prüfungen, Evaluierungen<br />
eben. Nicht die Wissenschaft wächst; es<br />
wachsen ihre Peiniger.<br />
Hier hat sich zweifellos etwas verselbständigt.<br />
Um die so genannte Qualitätssicherung<br />
– als sei das für die Wissenschaft<br />
etwas Neues! – ist ein wissenschaftlicher<br />
Markt entstanden, der eigenen<br />
Gesetzen, ertragreichen häufig, seltener<br />
den tatsächlichen Bedürfnissen<br />
der Wissenschaft folgt. In deren Namen<br />
sei gesagt: Der wissenschaftliche Gott<br />
schütze uns vor den Qualitätsschützern!<br />
Oder anders gesagt: Wir herrschen mit<br />
immer neuen institutionellen Einfällen<br />
über die Wissenschaft, aber wir bewegen<br />
sie nicht mehr. Wieder einmal macht<br />
sich der Irrglaube breit, dass es Strukturen<br />
sind, die wie von selbst Wissen, Qualität<br />
und Innovation erzeugen, dass sich<br />
das Neue organisieren lässt wie ein geistiger<br />
Einkauf und dass die Erlösung von<br />
aller vermeintlicher Unfruchtbarkeit im<br />
Management liegt! Strukturen sollen der<br />
Wissenschaft dienen, sie nicht beherrschen.<br />
Eben dies geschieht, wenn der<br />
wissenschaftliche Verstand seine Selbständigkeit<br />
an den prüfenden und verwaltenden<br />
Verstand verliert.<br />
Dabei geht es nicht, wie manche jetzt<br />
meinen werden, um Humboldt ja oder<br />
nein, sondern allein darum, dass wir der<br />
Wissenschaft und ihren Institutionen<br />
nicht die Luft nehmen, sich nach ihren ei-
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> WISSENSCHAFTSKULTUR 409<br />
genen Maßstäben, ihren eigenen Gesetzen<br />
folgend, zu entwickeln. Wir sind auf<br />
dem besten Wege, eben dies zu tun. Und<br />
das eigentlich Beunruhigende ist, dass die<br />
Wissenschaft hier mitzuspielen scheint,<br />
auch bei einem sich andeutenden Perspektivenwechsel<br />
in der Universität, der<br />
allmählichen Ersetzung der akademischen<br />
Republik durch den Markt. Zunehmend<br />
wird nicht mehr primär von den<br />
begründeten Bedürfnissen der Wissenschaft<br />
(in <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong>) her gedacht,<br />
sondern von Verwertungserwartungen<br />
her. Bleibt der Platz institutioneller<br />
Urteilskraft, wie so oft, leer?<br />
Versperrte Rückkehr<br />
Hier könnten die besonderen Aufgaben<br />
einer Akademie liegen, deren traditionelle<br />
Wege durch die moderne Wissenschaftsentwicklung<br />
ohnehin versperrt<br />
sind. Zu diesen Wegen gehören erstens<br />
die Rückkehr zu einer humanistischen<br />
Bildungsidee, sei es im ursprünglichen<br />
Renaissance- oder im späteren, neuhumanistischen<br />
Sinne, zweitens die Rückkehr<br />
zur Idee der Gelehrtengesellschaft,<br />
in der sich im gegebenen Wissenschaftssystem<br />
die Wissenschaft eher feiern als<br />
in die <strong>Forschung</strong>sgeschäfte mischen<br />
würde, drittens die Rückkehr zur <strong>Forschung</strong>sakademie<br />
im engeren, z.B. Leibnizschen,<br />
Sinne. Gegen die Rückkehr<br />
zur humanistischen Bildungsidee steht<br />
die Wirklichkeit einer Welt, die sich<br />
nicht mehr in vergangenen, sondern nur<br />
noch in ihren eigenen Werken spiegelt;<br />
gegen die Rückkehr zur reinen Gelehrtengesellschaft<br />
die Wirklichkeit einer<br />
,<strong>Forschung</strong>sindustrie’ und die Verwandlung<br />
des Gelehrten in einen merkwürdigen<br />
Außenseiter; gegen die Rückkehr<br />
zur <strong>Forschung</strong>sakademie der Umstand,<br />
dass der wissenschaftliche Alltag unwiderruflich<br />
in anderen Häusern stattfindet.<br />
Anders, wenn es darum geht, der<br />
Urteilskraft in Dingen, die die Wissenschaft<br />
in ihren institutionellen Formen<br />
selbst betreffen, Geltung zu verschaffen<br />
und damit der Okkupation der Wissenschaft<br />
durch den verwaltenden Verstand<br />
Einhalt zu bieten. Urteilskraft verbindet<br />
sich hier mit Formen der Selbstreflexion,<br />
die in den wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen wohl auf eine fachliche<br />
bzw. disziplinäre Weise erfolgt, aber<br />
»Bleibt der Platz der institutionellen<br />
Urteilskraft, wie so oft, leer?«<br />
auch – in förderlicher Distanz zum Alltag<br />
der Wissenschaft – in einem institutionellen<br />
Rahmen, und damit selbst in<br />
institutioneller Weise, wahrgenommen<br />
werden sollte.<br />
Der veränderte <strong>Forschung</strong>sbegriff<br />
Das hat im Übrigen auch damit etwas zu<br />
tun, dass sich der <strong>Forschung</strong>sbegriff<br />
selbst gravierend verändert hat. In seiner<br />
ursprünglichen Form war er eng mit dem<br />
forschenden Subjekt verbunden – Forscher<br />
forschten, nicht Einrichtungen –,<br />
doch ist es eben diese Verbindung zwischen<br />
Forschen und <strong>Forschung</strong>, die sich<br />
zunehmend auflöst. Aus der Gemeinschaft<br />
der Forscher wird die <strong>Forschung</strong>,<br />
aus forschender Wahrheitssuche, die zur<br />
Idee der Wissenschaft gehört, von Anfang<br />
an Teil des Selbstverständnisses des<br />
Wissenschaftlers ist und diesen allererst<br />
zum Forscher macht, ist <strong>Forschung</strong> als<br />
Betrieb geworden, als organisierbarer<br />
und organisierter Prozess, hinter dem<br />
der Wissenschaftler, vermeintlich auswechselbar<br />
wie die Subjekte in der ökonomischen<br />
Welt, selbst verschwindet.<br />
Die moderne Vorliebe für Schwerpunkte,<br />
Zentren, Cluster, Allianzen, Netzwerke<br />
in der <strong>Forschung</strong> ist Ausdruck dieses<br />
Wandels. Sie stärkt die industriellen Formen<br />
der Wissenschaft und schwächt ihre<br />
Selbstreflexionsfähigkeiten, zumal<br />
Wissenschaft in ihren alltäglichen For-<br />
men, in den Worten Peter Graf Kielmanseggs<br />
und bezogen auf die Aufgaben einer<br />
Akademie, ohnehin „ein naives Verhältnis<br />
zu sich selbst hat“. Könnte es<br />
sein, dass daher auch wachsende Probleme<br />
professioneller und ethischer Art<br />
rühren? Wo <strong>Forschung</strong>, wo Wissenschaft<br />
nicht mehr als Idee und Lebensform begriffen<br />
wird, sondern nur<br />
noch als ein Job wie jeder<br />
andere, verschieben<br />
sich auch die lebensformrelevanten<br />
und die<br />
ethischen Gewichte. Das forschende<br />
Subjekt, das seine Bedeutung verloren<br />
hat, verliert sich selbst und seine Verantwortlichkeiten<br />
aus dem Auge.<br />
Selbstreflexion zeichnet sich durch<br />
das richtige Verhältnis zwischen Nähe<br />
und Distanz aus. Das gilt auch in institutionellen<br />
Dingen und macht, wenn sie<br />
gelingt, die Vernunft der Institutionen,<br />
hier der wissenschaftlichen Institutionen,<br />
aus. Und das gilt auch dort, wo<br />
sich die wissenschaftliche Selbstreflexion<br />
mit einer gesellschaftlichen Reflexion<br />
(in Formen der Politik- und Gesellschaftsberatung)<br />
verbindet, einer Verbindung,<br />
in der die moderne Gesellschaft<br />
zu ihrem eigentlichen ,wissenschaftlichen’<br />
Wesen, dem Wesen einer<br />
Leonardo-Welt, findet.<br />
In der Akademie schaut sich die Wissenschaft<br />
selbst an, und in der Akademie<br />
reflektiert die Gesellschaft ihr wissenschaftliches<br />
Wesen. Die Wissenschaft erkennt<br />
sich selbst und die Gesellschaft ihre<br />
Zukunft, die ohne Wissenschaft, die<br />
nach ihren eigenen Regeln lebt und arbeitet,<br />
nicht zu haben ist.<br />
Gekürzte Fassung der Festrede von Jürgen Mittelstraß,<br />
Mitglied der Leopoldina, am 26. Februar<br />
2010 anlässlich der Übergabe des Präsidentenamtes<br />
der Deutschen Akademie der Naturforscher<br />
Leopoldina – Nationale Akademie<br />
der Wissenschaften. Die ausführliche Fassung<br />
kann bei der Redaktion von <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
angefordert werden.<br />
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410 PRO & CONTRA <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Pro<br />
Ist eine wissenschaftliche <strong>Lehre</strong><br />
ohne eigene <strong>Forschung</strong> möglich?<br />
Grundlegende Postulate,<br />
Bannersprüche<br />
oder Leitsätze müssen plausibel und<br />
realisierbar sein, sonst beschädigen sie<br />
den Autor. Eine Abiturquote von 80<br />
Prozent beispielsweise wäre vielleicht<br />
gut gemeint, aber der Propagandist würde<br />
schwerlich ernst genommen werden.<br />
Eine Grunddoktrin des Hochschulverbandes<br />
ist die Unauflösbarkeit von<br />
<strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong>. Deshalb liest<br />
man immer wieder, eine vernünftige<br />
wissenschaftliche <strong>Lehre</strong> ohne eigene<br />
<strong>Forschung</strong> sei wertlos bis unmöglich.<br />
Noch häufiger hört man dergleichen in<br />
Festvorträgen, und dies rätselhafter<br />
Weise, obwohl die These evi-<br />
dent falsch ist. Wer sie gleichwohl<br />
dauernd vorträgt, riskiert,<br />
dass man auch seine<br />
anderen, plausiblen und realistischen<br />
Forderungen nicht<br />
ausreichend ernst nimmt.<br />
Bekanntlich hat <strong>Forschung</strong><br />
primär Schwierigkeiten, bei anderen<br />
Forschern bekannt zu werden,<br />
gibt es doch gelegentlich Publikationen,<br />
die nur von dem zuständigen Zeitschriftenredakteur<br />
gelesen werden. Den<br />
Transfer vom Leser in die <strong>Lehre</strong> verdient<br />
und schafft nur ein minimaler<br />
Promillesatz. Die <strong>Lehre</strong> richtet sich an<br />
junge Menschen, denen in acht bis zehn<br />
zunehmend überfrachteten Semestern<br />
AUTOR<br />
Jürgen Schwabe<br />
ist Professor (em.) für<br />
Öffentliches Recht an der<br />
Universität Hamburg.<br />
ein Grundstock fachlichen Wissens vermittelt<br />
werden soll. Ihnen fehlt nicht<br />
nur die Zeit für einen Blick in die Werkstatt<br />
hoch spezieller und komplexer<br />
<strong>Forschung</strong>, sie haben auch vernünftigerweise<br />
kein Interesse an solch entlegenen<br />
Materien, denn von der optimalen<br />
Beherrschung nur des Elementarstoffs<br />
hängen ihre Prüfungsnote und ihre Berufschancen<br />
ab.<br />
Die ganz wenigen Ergebnisse neuester<br />
<strong>Forschung</strong>, auf die eine zeitgemäße<br />
<strong>Lehre</strong> nicht verzichten kann, müssen<br />
notwendigerweise von einer Riesenzahl<br />
an <strong>Lehre</strong>r(innen) vermittelt werden, die<br />
in dieser Materie nie geforscht haben.<br />
»Gute <strong>Lehre</strong> von begleitender <strong>Forschung</strong><br />
abhängig zu machen ist widersinnig,<br />
weil nur ganz wenige in allen Gebieten<br />
ihrer Venia forschen können.«<br />
Was an solcher – seit Jahrhunderten gebräuchlicher<br />
– wissenschaftlicher <strong>Lehre</strong><br />
unzulänglich sein sollte, ist rätselhaft.<br />
Jedermann weiß, dass man in der<br />
Vorlesung nur einen bescheidenen Prozentsatz<br />
dessen vortragen kann, was in<br />
den einschlägigen Lehrbüchern als gesicherter<br />
Grundstock des Faches aufbereitet<br />
wurde. Es ist also unerlässlich,<br />
dass jeder Dozent bereits einen Großteil<br />
seines Wissens zurückhält, von den<br />
Resultaten ergänzender <strong>Forschung</strong> ganz<br />
zu schweigen. Diese liegen in aller Regel<br />
auch außerhalb des Prüfungskanons.<br />
Wer sie ausbreiten wollte, würde den<br />
Studierenden die Zeit stehlen und sie<br />
aus der Vorlesung vergraulen.<br />
Gute <strong>Lehre</strong> von begleitender <strong>Forschung</strong><br />
abhängig zu machen ist auch<br />
deshalb widersinnig, weil nur ganz wenige<br />
in allen Gebieten ihrer Venia forschen<br />
können. Von jeher gilt es als<br />
selbstverständlich, dass jemand beispielsweise<br />
exzellente <strong>Lehre</strong> im Schuldrecht<br />
bieten kann, obgleich er nur in<br />
seinem Spezialgebiet Rechtsgeschichte<br />
forscht. Denn er ist qualifiziert ausgebildet,<br />
fremde <strong>Forschung</strong>sergebnisse verstehen,<br />
bewerten und vermitteln zu<br />
können. Und an der Qualität dieser Fähigkeit<br />
ändert sich nicht das geringste,<br />
wenn er aus irgendwelchen Gründen<br />
die rechtshistorische <strong>Forschung</strong> ganz<br />
aufgibt.<br />
Selbst besonders qualifizierte und<br />
detaillierte <strong>Lehre</strong>, nämlich im großen<br />
Lehr-Buch, ist seit jeher nur bruchstückhaft<br />
(und zuweilen gar nicht)<br />
durch eigene <strong>Forschung</strong> un-<br />
terfüttert. Wessen Lehrbuch<br />
– etwa zur Orthopädie –<br />
von Kollegen akzeptiert<br />
wird, obwohl er nur wenige<br />
der unzähligen Krankheitsbilder<br />
selbst erforschen<br />
konnte, dessen Vorlesung<br />
zur Vermittlung der Elementarkenntnisse<br />
bedarf keiner Legitimation durch eigene<br />
<strong>Forschung</strong>. Es genügt, dass er kraft<br />
souveräner Stoffkenntnis entscheiden<br />
kann, welche (wenigen) neuen Erkenntnisse<br />
auch für die Studierenden<br />
schon unentbehrlich sind.<br />
Mit alledem soll die Nützlichkeit eigener<br />
<strong>Forschung</strong> insbesondere für die<br />
höchst seltenen Spitzenveranstaltungen<br />
wie Doktoranden- oder Habilitanden-<br />
Seminare nicht bestritten werden. Überhaupt<br />
ist das kein Plädoyer gegen die<br />
<strong>Forschung</strong> neben der <strong>Lehre</strong>. Aber dass<br />
qualitativ gute wissenschaftliche <strong>Lehre</strong><br />
von eigener <strong>Forschung</strong> abhängt, ist eine<br />
Fabel. Wer sie zu oft wie ein Mantra<br />
vorträgt, schadet seiner Glaubwürdigkeit<br />
und gerät in den Verdacht einer<br />
Ideologie.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> PRO & CONTRA 411<br />
Contra<br />
Wie diese<br />
Frage zu beantworten<br />
ist, hängt davon ab, wie man<br />
das Prädikat „vernünftig“ versteht. In<br />
einer schwachen Lesart kann dies<br />
schlicht heißen „rational“; oder es kann<br />
heißen „einigermaßen akzeptabel“. Beides<br />
lässt sich ohne eigene <strong>Forschung</strong> gewährleisten.<br />
Wählen wir* aber die starke<br />
Lesart und sprechen wir von wissenschaftlicher<br />
<strong>Lehre</strong>, wie sie den eigentlichen<br />
Zielsetzungen einer Universität<br />
entspricht, sieht dies anders aus.<br />
Welche Ziele wollen wir in der wissenschaftlichen<br />
<strong>Lehre</strong> erreichen? Diese<br />
Frage stellt sich jedes Semester wieder,<br />
wenn wir Vorlesungen, Seminare, Praktika<br />
und Übungen vorbereiten. In der<br />
Regel werden wir eine Mischung anstreben:<br />
Einerseits geht es um die Vermittlung<br />
von Wissen im Sinne eines know<br />
what; andererseits geht es um die Vermittlung<br />
von Wissen im Sinne eines<br />
»Für die angemessene Gestaltung der<br />
Lehrinhalte ist die eigene Kreativität<br />
und eigene <strong>Forschung</strong> unerlässlich.«<br />
know how. Es geht um Interpretation<br />
und Argumentation; um die Fähigkeit,<br />
die richtigen Fragen zu stellen, Lösungswege<br />
zu formulieren und Hypothesen<br />
darüber zu entwickeln, wie die<br />
Antwort aussehen könnte. Kurzum: Es<br />
geht um die Vermittlung der wissenschaftlichen<br />
Arbeitsweise, die ja nicht<br />
nur dem zukünftig forschenden (und<br />
lehrenden) Nachwuchs innerhalb und<br />
außerhalb der Universitäten nützt, sondern<br />
im Berufsleben breit einsetzbar, in<br />
vielen Bereichen sogar unverzichtbar<br />
ist.<br />
Lassen sich diese Ziele „ohne eigene<br />
<strong>Forschung</strong>“ erreichen? Beginnen wir<br />
mit der Wissensvermittlung. Naturge-<br />
mäß knüpft nicht jede Veranstaltung an<br />
persönlich gewonnene <strong>Forschung</strong>sinhalte<br />
an; und in einführenden <strong>Lehre</strong>inheiten<br />
werden nur selten aktuelle Probleme<br />
der <strong>Forschung</strong> präsentiert. Und<br />
doch ist es etwas anderes, wenn eine<br />
solche Veranstaltung von engagierten<br />
Dozierenden gehalten wird, die in Teilgebieten<br />
des Stoffes selbst forschen. Nur<br />
sie können den Studierenden aus eigener<br />
Erfahrung – und damit überzeugend<br />
– nahe bringen, wo die dringenden Fragen<br />
liegen, welche Probleme noch einer<br />
Lösung harren und welche Ansätze und<br />
Methoden sich als unfruchtbar erwiesen<br />
haben. Nur sie werden über viele Zyklen<br />
hinweg bereit sein, jedes Mal wieder<br />
die Lehrinhalte zu erneuern und anzupassen<br />
– denn nur sie haben ein Eigeninteresse<br />
daran, auf dem letzten<br />
Stand der Dinge zu bleiben. Gleiches<br />
gilt für die Vermittlung des wissenschaftlichen<br />
know how, für die Vermittlung<br />
von Wissen-<br />
schaft als Prozess<br />
der Diskussion, der<br />
kritischen Reflexion<br />
und Argumentation:<br />
<strong>Lehre</strong>nde<br />
können dies nur dann authentisch weitergeben,<br />
wenn sie selbst auf diese Weise<br />
arbeiten.<br />
Damit sei nicht gesagt, dass man<br />
sich durch Forschen allein für „vernünftige“<br />
wissenschaftliche <strong>Lehre</strong> (in oben<br />
angegebener, starker Lesart) qualifiziert.<br />
Wie die <strong>Forschung</strong> ist auch die<br />
<strong>Lehre</strong> ein Handwerk, dessen Rüstzeug<br />
man sich aneignen kann und sollte.<br />
Aber für die angemessene Gestaltung<br />
der Lehrinhalte ist unserer Meinung<br />
nach die eigene Kreativität und inhaltliche<br />
Weiterentwicklung durch <strong>Forschung</strong><br />
unerlässlich. Eine Spaltung des<br />
wissenschaftlichen Personals in <strong>Lehre</strong>nde<br />
und Forschende wäre fatal. Wir wür-<br />
den es im Gegenteil begrüßen, wenn die<br />
Verzahnung von <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong><br />
auch über die Universitäten hinaus gefördert<br />
würde. Es sollten deutlich stärkere<br />
Anreize als bisher dafür geschaffen<br />
werden, dass auch außeruniversitär tätige<br />
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen<br />
sich in der <strong>Lehre</strong> engagieren –<br />
durch eine zusätzliche Vergütung, aber<br />
auch durch positive Anerkennung des<br />
geleisteten Aufwands. Dies würde nicht<br />
nur den Studierenden zugute kommen:<br />
Denn der Wert kritischer und von einer<br />
Außenperspektive geleiteter Fragen von<br />
Studierenden für die eigene wissenschaftliche<br />
Arbeit sollte nicht unterschätzt<br />
werden.<br />
Wir sehen insofern zum Prinzip der<br />
Einheit von <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong> keine<br />
Alternative: Vernünftige <strong>Lehre</strong>, im Sinne<br />
einer <strong>Lehre</strong> auf hohem wissenschaftlichen<br />
Niveau, ist ohne eigene <strong>Forschung</strong><br />
unmöglich.<br />
* Dieser Beitrag wurde gemeinsam mit Bettina<br />
Beer, Katharina Landfester und Florian Steger<br />
verfasst. Die Autoren sind Mitglieder der Jungen<br />
Akademie (AG <strong>Lehre</strong>) und haben im Jahr 2008<br />
ein Positionspapier zur Zukunft der <strong>Lehre</strong> veröffentlicht<br />
(http://www.diejungeakademie.de/<br />
pdf/Positionspapier_<strong>Lehre</strong>.pdf).<br />
AUTORIN<br />
Kärin Nickelsen<br />
ist Assistenzprofessorin<br />
am Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie<br />
und -geschichte<br />
der Universität<br />
Bern.
412 HOCHSCHULRECHT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Einstellungsaltersgrenzen<br />
für Professoren<br />
Eine Länderübersicht<br />
| ULRIKE P REISSLER | HUBERT D ETMER |<br />
Wie halten es Bund und Länder mit den Einstellungsaltersgrenzen für Professoren?<br />
Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Hochschulverbandes.<br />
Für die Einstellungen von Professoren<br />
im Beamtenverhältnis auf<br />
Lebenszeit haben die Einstellungsaltersgrenzen<br />
des Bundes und der<br />
Länder und die damit verbundene Verwaltungspraxis<br />
erhebliche Bedeutung.<br />
Der Bund und die Länder haben die<br />
Einstellungsaltersgrenzen in unterschiedlichen<br />
Rechtsquellen geregelt. Einige<br />
Länder normieren die Einstellungsaltersgrenzen<br />
für Hochschullehrer in<br />
den Hochschulgesetzen, viele in den<br />
Landeshaushaltsordnungen oder aber<br />
im jeweiligen Beamtengesetz. Die beamtenrechtlichenEinstellungsaltersgrenzen<br />
sind prioritär bedeutsam für die erste<br />
Übertragung eines Professorenamtes.<br />
Bei einer weiteren Übertragung eines<br />
Professorenamtes und Überschreitung<br />
der vom jeweiligen Dienstherrn normierten<br />
Einstellungsaltersgrenzen kann<br />
zwischen dem abgebenden Dienstherrn<br />
und dem aufnehmenden Dienstherrn eine<br />
Versorgungslastenteilung in Betracht<br />
kommen. Eine solche Versorgungslastenteilung<br />
kann zu einer Ausnahme von<br />
der strikten Anwendung der grundsätzlich<br />
Geltung beanspruchenden Einstellungsaltersgrenze<br />
führen.<br />
Soll aufgrund hochschulrechtlicher<br />
Vorschriften der (erstmaligen) Übertragung<br />
eines Professorenamtes im Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit ein Probeoder<br />
Zeitbeamtenverhältnis vorgeschaltet<br />
werden, empfiehlt es sich grundsätz-<br />
lich, eine konkrete Erklärung dahingehend<br />
zu erhalten, dass ein (intendiertes)<br />
Lebenszeitbeamtenverhältnis bei positiver<br />
Evaluation mit dem Ziel der „Entfristung“<br />
auch jenseits der allgemeinen<br />
Einstellungsaltersgrenze übertragen<br />
werden wird.<br />
Die Einstellungsaltersgrenzen haben<br />
nur Relevanz bei der Übertragung der<br />
Professur im Beamtenverhältnis. Unab-<br />
»Die Einstellungsaltersgrenzen<br />
haben nur Relevanz bei der<br />
Übertragung der Professur im<br />
Beamtenverhältnis.«<br />
hängig von beamtenrechtlichen Einstellungsaltersgrenzen<br />
kann Professoren eine<br />
Professur auch im Angestelltenverhältnis<br />
übertragen werden.<br />
Nach § 107 b Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz<br />
(BeamtVG) kann bei der<br />
Einstellung eines Professors in den<br />
Dienst der ruferteilenden Hochschule/<br />
des ruferteilenden Landes mit Zustimmung<br />
des aufnehmenden und des abgebenden<br />
Dienstherrn eine anteilige Kostentragung<br />
bei Eintritt des Versorgungsfalles<br />
zwischen den Dienstherrn vereinbart<br />
werden. Eine solche Versorgungslastenteilung<br />
setzt allerdings voraus,<br />
dass der Professor bereits auf Lebens-<br />
AUTOREN<br />
zeit ernannt worden ist und dem abgebenden<br />
Dienstherrn mindestens fünf<br />
Jahre zur Verfügung stand. Diese Regelung<br />
des § 107 b BeamtVG soll im Rahmen<br />
der Föderalismusreform durch den<br />
vom Bund und den Ländern zu schließenden<br />
Staatsvertrages über die Verteilung<br />
von Versorgungslasten (Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag)<br />
bei<br />
bund- und länderübergreifenden<br />
Dienstherrnwechsel modifiziert werden.<br />
Der Versorgungslastenteilungs-<br />
Staatsvertrag tritt am 1. Januar 2011 in<br />
Kraft (vgl. Hellfeier in <strong>Forschung</strong> &<br />
<strong>Lehre</strong>, 2010, S. 98 f). Nachfol-<br />
gend sollen die derzeit praktiziertenEinstellungsaltersgrenzen<br />
unter Berücksichtigung des<br />
noch geltenden § 107 b BeamtVG<br />
aufgezeigt werden. Die<br />
Ausführungen beruhen auf einer<br />
Umfrage, die der Deutsche<br />
Hochschulverband im Sommer<br />
2009 beim Bund und in den Ländern zu<br />
den Regelungen über die Einstellungsaltersgrenzen<br />
durchgeführt hat.<br />
I. Einstellungsaltersgrenzen<br />
beim Bund und in den einzelnen<br />
Bundesländern<br />
Bund:<br />
Die Einstellung und Versetzung von Beamten<br />
in den Bundesdienst bedarf nach<br />
§ 48 der Bundeshaushaltsordnung der<br />
Einwilligung des Bundesministers für<br />
Finanzen. Eine Einstellung auf eine<br />
Professur im Beamtenverhältnis kann<br />
bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres<br />
Ulrike Preißler, Dr. iur., Rechtsanwältin im Deutschen Hochschulverband<br />
Hubert Detmer, Rechtsanwalt, ist promovierter Jurist und stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen<br />
Hochschulverbandes.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> HOCHSCHULRECHT 413<br />
erfolgen, eine Übernahme eines Beamten<br />
z. B. aus dem Landesdienst kann bis<br />
zum vollendeten 55. Lebensjahr erfolgen.<br />
Baden-Württemberg:<br />
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Landeshaushaltsordnung<br />
(LHO) kann ein Bewerber<br />
in den Landesdienst als Beamter<br />
eingestellt oder versetzt werden, wenn<br />
er zum Zeitpunkt der Einstellung oder<br />
Versetzung das 40. Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet hat. Für Bewerber, die<br />
als Professoren des Landes berufen werden<br />
sollen, erhöht sich gemäß § 48 Abs.<br />
2 Satz 1 LHO diese Altersgrenze um 5<br />
Jahre. Die Altersgrenze der Einstellung<br />
bis zum vollendeten 45. Lebensjahr bei<br />
Professoren erhöht sich gemäß § 48<br />
Abs. 2 Satz 2 LHO um weitere 5 Jahre,<br />
wenn der Bewerber bereits beim Bund<br />
oder einem anderen Bundesland als<br />
Dozent oder Professor im Beamtenverhältnis<br />
steht, vorausgesetzt, der Gesundheitszustand<br />
des Bewerbers lässt<br />
die Übernahme in das Beamtenverhältnis<br />
vertretbar erscheinen. Darüber hinaus<br />
erhöht sich die Altersgrenze der<br />
Vollendung des 45. Lebensjahres um<br />
weitere 5 Jahre, wenn für den Bewerber<br />
eine Versorgungslastenteilung mit dem<br />
abgebenden Dienstherrn vorliegt. Im<br />
Fall der Versorgungslastenteilung kann<br />
sich dann die Altersgrenze für den einzustellenden<br />
Professor um 2 Jahre für<br />
jeden Kinderbetreuungs- und Pflegefall<br />
erhöhen. Schließlich erhöht sich die Altersgrenze<br />
um die Zeit des tatsächlich<br />
abgeleisteten Grundwehrdienstes oder<br />
Zivildienstes. Insgesamt erhöht sich gemäß<br />
§ 48 Abs. 2 LHO die Altersgrenze<br />
aufgrund der vorstehend aufgeführten<br />
Tatbestände höchstens bis zur Vollendung<br />
des 57. Lebensjahres. Schließlich<br />
bestimmt § 48 Abs. 3 LHO, dass ein Bewerber<br />
für ein Professorenamt, der die<br />
in § 48 Abs. 2 LHO normierten Altersgrenzen<br />
überschritten hat, als Beamter<br />
in den Landesdienst eingestellt oder<br />
versetzt werden kann, wenn ein eindeutiger<br />
Mangel an geeigneten jüngeren<br />
Bewerbern besteht und seine Übernahme<br />
bzw. seine Nichtübernahme unter<br />
Berücksichtigung der entstehenden Versorgungslasten<br />
einen erheblichen Vorbzw.<br />
Nachteil für das Land bedeutet.<br />
Nach dem aktuellen Entwurf zum<br />
Dienstrechtsreformgesetz (DRG) soll in<br />
Zukunft die Berufung von Professoren<br />
in ein Beamtenverhältnis vor Vollendung<br />
des 52. Lebensjahres nicht mehr<br />
der Einwilligung des Finanzministers<br />
bedürfen.<br />
Bayern:<br />
Zum Professor im Beamtenverhältnis<br />
darf gemäß Art. 10 Abs. 3 Bayerisches<br />
Hochschulpersonalgesetz nicht ernannt<br />
werden, wer das 52. Lebensjahr bereits<br />
vollendet hat. Das Staatsministerium<br />
für Wissenschaft, <strong>Forschung</strong> und Kunst<br />
kann in dringenden Fällen im Einvernehmen<br />
mit dem Staatsministerium der<br />
Finanzen Ausnahmen von dieser Einstellungsaltersgrenze<br />
zulassen. Die Verwaltungsvorschriften<br />
zu Art. 48 der<br />
Bayerischen Haushaltsordnung regeln,<br />
dass die Einwilligung des Finanzministeriums<br />
grundsätzlich nur zur Gewinnung<br />
von qualifizierten Spezialkräften<br />
erteilt werden kann, wenn bei einem<br />
außerordentlichen Mangel an geeigneten<br />
jüngeren Bewerbern unter Berücksichtigung<br />
aller Umstände, insbesondere<br />
auch der entgegenstehenden Versorgungsleistung,<br />
die Übernahme offensichtlich<br />
einen erheblichen Vorteil für<br />
den Staat bedeutet.<br />
Die Verwaltungsvorschriften zu Art.<br />
48 Bayerische Haushaltsordnung sehen<br />
vor, dass die Einwilligung des Staatsministeriums<br />
der Finanzen zu Versetzungen<br />
oder anderen Übernahmen von Beamten<br />
in den bayerischen Staatsdienst<br />
nur erteilt werden kann, wenn sich der<br />
abgebende Dienstherr nach Maßgabe<br />
des § 107 b Beamtenversorgungsgesetz<br />
oder des Art. 145 Bayerisches Beamtengesetz<br />
oder aufgrund einer vertraglichen<br />
Versorgungslastenverteilung an den späteren<br />
Versorgungslasten beteiligt.<br />
Berlin:<br />
Die Einstellung von Hochschullehrern,<br />
die das 50. Lebensjahr überschritten haben,<br />
bedarf der Einwilligung der für die<br />
Personalwirtschaft zuständigen Stelle.<br />
Nach Maßgabe der Ausführungsvorschrift<br />
(die nicht unmittelbar für landesunmittelbare<br />
juristische Personen gilt,<br />
was auch auf die Hochschulen zutrifft)<br />
zu § 48 Landeshaushaltsordnung wird<br />
bei Berufungsverfahren und der anschließenden<br />
Begründung eines Beam-<br />
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414 HOCHSCHULRECHT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
tenverhältnisses jenseits des 50. Lebensjahres<br />
die Zustimmung vom zuständigen<br />
Organ der jeweiligen Hochschule<br />
erteilt, wenn dies aufgrund der Besonderheit<br />
des Fachgebietes sowie der ausgewiesenen<br />
Qualifikation des beruflichen<br />
Werdeganges des einzustellenden<br />
Professors erforderlich ist. Eine Verbeamtung<br />
für Bewerber, die das 60. Lebensjahr<br />
überschritten haben, ist im<br />
Land Berlin nicht vorgesehen.<br />
Brandenburg:<br />
Gemäß § 3 Abs. 2 Beamtengesetz Brandenburg<br />
darf grundsätzlich nicht in ein<br />
Beamtenverhältnis berufen werden, wer<br />
das 45. Lebensjahr bereits vollendet hat.<br />
Das Finanzministerium Brandenburg<br />
hat gemäß § 48 Landeshaushaltsordnung<br />
eine allgemeine Einwilligung zur<br />
Begründung eines Lebenszeitbeamtenverhältnisses<br />
für Bewerber auf ein Professorenamt,<br />
die das 50. Lebensjahr<br />
noch nicht vollendet haben, erteilt. Zudem<br />
erhöht sich nach § 41 Abs. 3 des<br />
Brandenburgischen Hochschulgesetzes<br />
die allgemeine Altersgrenze für die Berufung<br />
von Professoren in das Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit um Zeiten, in<br />
denen ein minderjähriges Kind betreut<br />
worden ist, höchstens jedoch um zwei<br />
Jahre je Kind. § 107 b Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz<br />
kann in Brandenburg<br />
Anwendung finden.<br />
Bremen:<br />
Die Altersgrenze für die Ernennung von<br />
Professoren in das Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit liegt in der Hansestadt<br />
Bremen beim 55. Lebensjahr. Nach § 48<br />
Landeshaushaltsordnung sind Ausnahmen<br />
von dieser Einstellungsaltersgrenze<br />
nur möglich, wenn die Übernahme<br />
einen erheblichen Vorteil für die Hansestadt<br />
Bremen bedeuten würde oder ein<br />
dringendes dienstliches Interesse an der<br />
Gewinnung des Bewerbers besteht.<br />
Hamburg:<br />
Keine Angaben.<br />
Hessen:<br />
Die hessische Landesregierung hat auf<br />
Empfehlung der Landespersonalkommission<br />
mit Beschluss vom 10. Juli 1962<br />
Altersgrenzen für die Übernahme von<br />
Beamtinnen und Beamten festgelegt.<br />
Nach § 48 der Landeshaushaltsordnung<br />
bedürfen die Einstellungen und Versetzungen<br />
von Beamten in den Landesdienst<br />
der Einwilligung des Hessischen<br />
Ministeriums der Finanzen, wenn die<br />
vorstehend festgelegten Altersgrenzen<br />
überschritten sind. Nach dem gefassten<br />
Beschluss der Hessischen Landesregierung<br />
werden Bedienstete, die das 50.<br />
Lebensjahr überschritten haben, nur<br />
dann in das Beamtenverhältnis übernommen,<br />
wenn ein besonderes dienstliches<br />
Interesse vorliegt. Hat der Bedienstete<br />
bereits das 55. Lebensjahr<br />
überschritten, so ist eine Übernahme in<br />
das Beamtenverhältnis nur möglich,<br />
wenn ein dringendes dienstliches Interesse<br />
an der Gewinnung und der Erhaltung<br />
des Bediensteten vorliegt.<br />
Soweit § 107 b BeamtVG zur Anwendung<br />
kommt, gilt die Zustimmung<br />
des Ministeriums der Finanzen für die<br />
Übernahme der Professoren bis zum 60.<br />
Lebensjahr generell als erteilt, wenn die<br />
Voraussetzungen nach dem Beschluss<br />
vom 10. Juli 1962 vorliegen und der abgebende<br />
Dienstherr die anteilige Übernahme<br />
der Versorgungsbezüge zugesagt<br />
hat.<br />
Mecklenburg-Vorpommern:<br />
Nach Maßgabe der Verwaltungsvorschrift<br />
zu § 48 der Landeshaushaltsordnung<br />
bedarf die Einstellung von Beamten<br />
in den Landesdienst der Einwilligung<br />
des Finanzministeriums, wenn der<br />
Bewerber das 45. Lebensjahr vollendet<br />
hat. Für Professoren hat das Finanzministerium<br />
des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />
die erforderliche Einwilligung<br />
zur Übernahme allgemein erteilt, wenn<br />
die Bewerber das 50. Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet haben oder die Versorgungslastenquote<br />
unter drei Prozent<br />
liegt. Als Versorgungslastenquote wird<br />
der Prozentsatz bezeichnet, um den sich<br />
der Ruhegehaltsanspruch je Beschäftigtenjahr<br />
im Land Mecklenburg-Vorpommern<br />
erhöht. Regelungen zur Versorgungslastenteilung,<br />
die durch §107 b<br />
Beamtenversorgungsgesetz oder durch<br />
den zukünftig geplanten Staatsvertrag<br />
des Bundes und der Länder über die<br />
Verteilung von Versorgungslasten (Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag)<br />
geplant sind, führen zu einer Verringerung<br />
der Versorgungslast und damit zu<br />
einer Minderung der in der Verwaltungsvorschrift<br />
zu § 48 Landeshaushaltsordnung<br />
angegebenen Versorgungslastenquote.<br />
Niedersachsen:<br />
In der Regelung des § 27 Abs. 2 Niedersächsisches<br />
Hochschulgesetz ist niedergelegt,<br />
dass zum Professor im Beamtenverhältnis<br />
erstmals nur ernannt werden<br />
darf, wer das 50. Lebensjahr noch nicht<br />
vollendet hat. Dieses Einstellungsalter<br />
erhöht sich um Zeiten, in denen ein<br />
minderjähriges, in der häuslichen Gemeinschaft<br />
lebendes Kind betreut worden<br />
ist, höchstens jedoch um drei Jahre.<br />
Die Einstellungsaltersgrenze des § 27<br />
Abs. 2 Satz 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz<br />
gilt nicht für Personen, die<br />
sich zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens<br />
der Ernennung in einem Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit oder als unmittelbare<br />
oder mittelbare niedersächsische<br />
Landesbeamte in einem Beamtenverhältnis<br />
auf Zeit befinden. § 107 b Beamtenversorgungsgesetz<br />
kann Anwendung<br />
finden.<br />
Nordrhein-Westfalen:<br />
Für die rechtlich verselbständigten<br />
nordrhein-westfälischen Hochschulen<br />
gibt es keine Altersgrenze bei der Einstellung<br />
von Professoren. Sofern der Bewerber<br />
aber das 45. Lebensjahr überschritten<br />
hat und die Einstellung im Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit erfolgen<br />
soll, ist von der betreffenden Hochschule<br />
grundsätzlich eine Ausgleichszahlung<br />
(gestaffelt nach Lebensalter von ca.<br />
210.000 bis 260.000 Euro) aufgrund der<br />
Hochschulwirtschaftsführungsverordnung<br />
zur Abgeltung der hierdurch entstehenden<br />
Versorgungslasten eines Landes<br />
zu leisten. Eine Ausgleichszahlung<br />
ist nicht erforderlich, wenn das Land<br />
ohnehin die Versorgungsleistungen<br />
übernimmt oder wenn es im Rahmen<br />
der Versorgungslastenteilung eine Ausgleichszahlung<br />
erhält. Darüber hinaus<br />
verweist § 6 Abs. 4 Hochschulwirtschaftsführungs-Verordnung<br />
auf § 6<br />
Abs. 2 Laufbahnverordnung. Durch diesen<br />
Verweis wird gewährleistet, dass die<br />
jeweilige Altersgrenze im Umfang der<br />
Verzögerung überschritten werden darf<br />
wegen Ableistung einer Dienstpflicht<br />
nach Artikel 12 a Grundgesetz, wegen<br />
der Teilnahme an einem freiwilligen sozialen<br />
Jahr, wegen der Geburt eines<br />
Kindes oder wegen der tatsächlichen<br />
Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren<br />
und wegen der tatsächlichen Pflege eines<br />
nach einem Gutachten pflegebedürftigen<br />
sonstigen nahen Angehörigen.<br />
Die jeweilige Altersgrenze darf bei Verzögerungen<br />
um bis zu 3 Jahre, bei mehreren<br />
Kindern höchstens um bis zu 6<br />
Jahre überschritten werden.<br />
Bei den rechtlich nicht verselbständigten<br />
Kunsthochschulen des Landes<br />
Nordrhein-Westfalens bedarf die Einstellung<br />
im Beamtenverhältnis der Einwilligung<br />
des Finanzministeriums,<br />
wenn der Bewerber das 45. Lebensjahr<br />
überschritten hat.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> HOCHSCHULRECHT 415<br />
Rheinland-Pfalz:<br />
Gemäß § 48 Landeshaushaltsordnung<br />
bedarf die Einstellung von Beamten in<br />
den Landesdienst der Einwilligung des<br />
für Finanzen zuständigen Ministeriums,<br />
wenn der Bewerber ein von diesem Ministerium<br />
allgemein festzusetzendes Lebensjahr<br />
bereits vollendet hat. Die Zustimmung<br />
des Finanzministeriums ist<br />
bei der Einstellung von Professoren bis<br />
zum vollendeten 50. Lebensjahr allgemein<br />
erteilt. Bei Bewerbern für eine<br />
Professur, die das 50. Lebensjahr vollendet<br />
haben, ist die Entscheidung über<br />
eine Einstellung als Beamter eine Einzelfallentscheidung<br />
des Finanzministeriums.<br />
Die Zustimmung wird grundsätzlich<br />
nur erteilt, wenn ein außerordentlicher<br />
Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern<br />
besteht und die Einstellung<br />
bzw. Versetzung des Bewerbers in den<br />
Landesdienst unter Berücksichtigung<br />
aller Umstände einen nicht unwesentlichen<br />
Vorteil für das Land bedeutet. Eine<br />
solche Einzelfallentscheidung ist bis<br />
zur Vollendung des 55. Lebensjahres<br />
möglich, da nach diesem Zeitpunkt die<br />
Zustimmung des Finanzministeriums<br />
zur Einstellungsentscheidung grundsätzlich<br />
als nicht erteilt gilt. Die Regelung<br />
des § 107 b BeamtVG kann Anwendung<br />
finden.<br />
Saarland:<br />
Nach § 41 Abs. 4 des Saarländischen<br />
Universitätsgesetzes gilt als Sollgrenze<br />
für die Berufung eines Hochschullehrers<br />
in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit<br />
die Vollendung des 55. Lebensjahres.<br />
Ausnahmen von dieser Regelung<br />
können nach § 4 Abs. 4 Saarländisches<br />
Beamtengesetz vom Ministerium für In-<br />
neres und Sport zugelassen werden,<br />
wenn für die Gewinnung des Hochschullehrers<br />
ein dringendes dienstliches<br />
Bedürfnis besteht. Weiterhin können<br />
auch aus anderen wichtigen Gründen<br />
(z.B. Zeiten der Kindererziehung) vom<br />
Einstellungsalter Ausnahmen zugelassen<br />
werden. Der Versorgungslastenausgleich<br />
des § 107 b BeamtenVG findet<br />
Anwendung.<br />
Sachsen:<br />
Nach § 7 a Sächsisches Beamtengesetz<br />
darf in das Beamtenverhältnis nicht berufen<br />
werden, wer das 45. Lebensjahr<br />
bereits vollendet hat, für bestimmte Beamtengruppen<br />
können Ausnahmen<br />
vom Einstellungsalter zugelassen werden.<br />
Im Freistaat Sachsen ist hiernach<br />
eine Einstellung als Hochschullehrer bis<br />
zur Vollendung des 50. Lebensjahres<br />
zugelassen worden. Die Regelung des<br />
§ 107 b BeamtenVG kann Geltung entfalten.<br />
Sachsen-Anhalt:<br />
Durch Runderlass des Finanzministeriums<br />
zu § 48 Landeshaushaltsordnung<br />
ist für die Ernennung von Professoren,<br />
die das 50. Lebensjahr vollendet haben,<br />
die Einwilligung des Finanzministeriums<br />
erforderlich. In den Fällen der Versorgungslastenteilung<br />
wird die Einwilligung<br />
des Finanzministeriums regelmäßig<br />
erteilt, wenn zum Zeitpunkt der<br />
Übernahme der Bewerber das 55. Lebensjahr<br />
noch nicht vollendet hat. Seit<br />
dem Januar 2008 muss bei jeder Neueinstellung<br />
in ein Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit zum Land Sachsen-Anhalt<br />
aufgrund der Pensionsfonds-Zuführungsverordnung<br />
ein bestimmter<br />
Prozentsatz der Besoldungsausgaben<br />
dem Sondervermögen des Landes Sachsen-Anhaltes<br />
zugeführt werden.<br />
Schleswig-Holstein:<br />
§ 48 der Haushaltsordnung regelt, dass<br />
die Einstellung und Versetzung von Beamten<br />
in den Landesdienst der Einwilligung<br />
des Finanzministeriums bedarf,<br />
wenn der Bewerber ein von dem Finanzministerium<br />
allgemein festzusetzendes<br />
Lebensalter überschritten hat. In<br />
einer gesonderten Erlassregelung hat<br />
das Finanzministerium dieses Einstellungsalter<br />
auf das 45. Lebensjahr festgesetzt<br />
und zugleich für Professoren in einem<br />
gesonderten Erlass mitgeteilt, dass<br />
die erforderliche Einwilligung bei der<br />
Einstellung von Hochschullehrern bis<br />
zum 50. Lebensjahr als erteilt gilt. Darüber<br />
hinaus bedarf es einer Genehmigung,<br />
die nur dann erteilt wird, wenn eine<br />
Vergleichsberechnung hinsichtlich<br />
einer Einstellung im Angestelltenverhältnis<br />
zu dem Ergebnis führt, dass eine<br />
Verbeamtung kostengünstiger wäre. Die<br />
Regelung des § 107 BeamtVG findet<br />
Anwendung.<br />
Thüringen:<br />
Nach § 90 Abs. 7 Thüringer Hochschulgesetz<br />
können Professoren in ein Lebenszeitbeamtenverhältnis<br />
berufen werden,<br />
wenn sie das 52. Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet haben. Bei Vorliegen<br />
der Voraussetzung für eine Versorgungslastenteilung<br />
könnte auch ein lebensälterer<br />
Hochschullehrer im Freistaat<br />
Thüringen ernannt werden.<br />
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LEITUNG UND ORGANISATION<br />
Wissenschaftszentrum Bonn<br />
Donnerstag, 24. Juni 2010, 10:00-18:00 Uhr<br />
Die neuen universitären Entscheidungsstrukturen<br />
RA Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer<br />
des Deutschen Hochschulverbandes<br />
Leitung und Kreativität – Die Organisation auf<br />
dezentraler Ebene<br />
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Leiter der Abteilung Recht und Beratung im<br />
Deutschen Hochschulverband<br />
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des Deutschen Hochschulverbandes<br />
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Tel.: 0228/902-6634, Fax: 0228/902-6697, josten@hochschulverband.de<br />
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6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> DOKUMENTATION 417<br />
Master als Regelabschluss<br />
Beschluss der technischen Universitäten<br />
| DOKUMENTATION | Nach zehn Jahren Bologna-Reform<br />
mehren sich die Stimmen, die grundlegende Änderungen fordern. Die Präsidenten<br />
und Rektoren der Arbeitsgemeinschaft Technischer Universitäten und<br />
Hochschulen (ARGE TU/TH) und der neun führenden Technischen Hochschulen<br />
Deutschlands (TU9) haben für ihre Fächer Forderungen ausgearbeitet.<br />
Präambel<br />
Der Bologna-Prozess beinhaltet für die<br />
deutschen Universitäten eine Umstellung<br />
des Hochschulsystems von historischer<br />
Dimension. Die in ARGE TU/TH<br />
und TU9 vereinten technisch orientierten<br />
Universitäten haben diesen Prozess<br />
stets als Chance betrachtet, im Rahmen<br />
der Weiterentwicklung des europäischen<br />
Hochschulraums die Qualität ihrer<br />
Studienangebote zu verbessern. Sie<br />
haben ein großes Interesse daran, den<br />
Bologna-Prozess mitzugestalten, zu flexibilisieren<br />
und fortzuentwickeln. AR-<br />
GE TU/TH und dem TU9-Verbund ist<br />
es ein fundamentales Anliegen, die<br />
Qualität der Ausbildung insbesondere<br />
in den Ingenieur- und Naturwissenschaften<br />
sicherzustellen und gezielt weiterzuentwickeln,<br />
die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Absolventinnen und Absolventen<br />
auf dem internationalen Arbeitsmarkt<br />
zu stärken und die Studiendauer<br />
zu verkürzen. Die Universitäten in AR-<br />
GE TU/TH und TU9 haben inzwischen<br />
nahezu alle Studiengänge auf das zweistufige<br />
Studiensystem umgestellt. Dies<br />
erfolgte im laufenden Betrieb, ohne zusätzliche<br />
Mittel.<br />
Zehn Jahre nach dem Beginn des<br />
Bologna-Prozesses werden einige Fehlentwicklungen<br />
bei der Umsetzung deutlich,<br />
deren negative Auswirkungen<br />
nicht zuletzt zu den Studierendenprotesten<br />
der jüngsten Zeit geführt haben.<br />
Dass die Hochschulen schon seit Jahrzehnten<br />
in Deutschland unterfinanziert<br />
sind, wurde durch den Bologna-Prozess<br />
noch offenkundiger. Dies muss unbedingt<br />
verbessert werden, um insbeson-<br />
dere die Qualität in der <strong>Lehre</strong> zu erhalten<br />
und weiter auszubauen.<br />
An alle politischen Akteure geht daher<br />
der Appell, ihrer Verantwortung gerecht<br />
zu werden und gemeinsam mit<br />
den Universitäten die Mängel im System<br />
zügig zu beseitigen. Den zahlreichen<br />
Absichtserklärungen der letzten<br />
Monate müssen nun Taten folgen. Die<br />
»Den zahlreichen Absichtserklärungen<br />
der letzten Monate<br />
müssen nun Taten folgen.«<br />
Autonomie der Hochschulen muss dabei<br />
gewahrt bleiben.<br />
Im Folgenden sind Punkte und Forderungen<br />
für die „Reform der Reform“<br />
zusammengefasst, die von den Präsidenten<br />
und Rektoren in ARGE TU/TH<br />
und TU9 gemeinsam getragen werden.<br />
1. Der Master ist der Regelabschluss für<br />
die Ingenieurwissenschaften/Naturwissenschaften<br />
an Technischen Universitäten<br />
Die Universitäten in ARGE TU/TH und<br />
TU9 haben stets erklärt, dass der Masterabschluss<br />
in den Ingenieur- und Naturwissenschaften<br />
das Ziel der Studierenden<br />
an ihren Universitäten ist. Sie<br />
halten daran fest, dass der Workload bis<br />
zu einem konsekutiven Masterabschluss<br />
300 ECTS-Punkte umfasst. AR-<br />
GE TU/TH und TU9 fordern zudem,<br />
dass die Fünf-Jahres-Grenze für die Regelstudienzeit<br />
geöffnet wird.<br />
Im Interesse einer Flexibilisierung<br />
begrüßen die technisch orientierten<br />
Universitäten ausdrücklich den KMK-<br />
Beschluss vom 10. Dezember 2009, nur<br />
noch zwischen konsekutiven und Weiterbildungs-Studiengängen<br />
zu unterscheiden.<br />
2. Für den effizienten Übergang vom<br />
Bachelor zum Master sind Flexibilität<br />
und Qualität die entscheidenden Kriterien<br />
Entsprechend den KMK-Beschlüssen<br />
vom 10.12.2009 fordern die technisch<br />
orientierten Universitäten die Flexibilisierung<br />
der Zugangsvoraussetzungen<br />
zum Master. Der Master-<br />
Zugang setzt in der Regel<br />
einen Bachelor-Abschluss<br />
voraus. Über mögliche<br />
weitergehende Regelungen<br />
entscheiden eigenständig<br />
die Universitäten, darüber<br />
hinaus auch über vorläufige Zulassungen<br />
und Vorziehungsmöglichkeiten von<br />
Modulen in den entsprechenden Bachelor-Phasen.<br />
3. Steigerung der Mobilität durch Anerkennung<br />
von Studien- und Prüfungsleistungen<br />
und gemeinsame Abschlüsse<br />
(Joint Degrees und Double Degrees)<br />
Die nationale und internationale Mobilität<br />
der Studierenden soll gezielt gefördert<br />
werden. Die Universitäten in AR-<br />
GE TU/TH und TU9 verpflichten sich,<br />
die Anerkennung von Studien- und<br />
Prüfungsleistungen auf Grundlage der<br />
erworbenen Kompetenzen flexibel zu<br />
handhaben. Hierzu wird den Studierenden<br />
vorab ein „Learning Agreement“<br />
mit den Fachvertretern empfohlen. Die<br />
technisch orientierten Universitäten<br />
werden im Studienverlauf verstärkt Mobilitätsfenster<br />
vorsehen und Joint Degrees<br />
sowie Double Degrees ausbauen,<br />
innerhalb starker Netzwerke und weite-
418 DOKUMENTATION <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
rer nationaler und internationaler Partnerschaften.<br />
4. Soziale Sicherung der Studierenden<br />
durch BAföG bis zum Master<br />
Die Förderung von Studierenden durch<br />
BAföG muss grundsätzlich bis zum<br />
Master erfolgen. Das BAfög ist flexibler<br />
zu gestalten, die zeitliche Obergrenze<br />
zu erweitern und ein nahtloser Übergang<br />
der Förderung zwischen Bachelor<br />
und Master zu gewährleisten. Der Übergang<br />
vom Bachelor zum Master und ein<br />
damit verbundener Wechsel der Fachrichtung<br />
zählen nicht als Fach- oder<br />
Studiengangswechsel im Sinne der<br />
BAfög-Regelung.<br />
5. Curricula anpassen, Prüfungsdichte<br />
verringern, flexibles, forschungsorientiertes<br />
Lernen fördern<br />
Die Umstellung auf das zweistufige Studiensystem<br />
hat teilweise zu einer Verschulung<br />
und Überfrachtung der Curricula<br />
sowie einer zu hohen Prüfungsdichte<br />
geführt; zu dieser Entwicklung<br />
beigetragen haben auch externe Vorgaben,<br />
insbesondere von den Akkreditierungsagenturen.<br />
Zur Verbesserung der Studienbedingungen<br />
und der Studierbarkeit ist eine<br />
Flexibilisierung der starren Vorgabe von<br />
30 ECTS-Punkten pro Semester notwendig.<br />
Beispielsweise sollte es zu Beginn<br />
des Studiums zulässig sein, weniger<br />
Leistungspunkte zu vergeben und<br />
den Studierenden weniger Prüfungen<br />
abzufordern, um ihnen den<br />
Studieneinstieg zu erleichtern.<br />
Bestehende Fehlentwicklungen<br />
werden von den Mitgliedern<br />
der ARGE TU/TH<br />
und TU9 korrigiert. Die<br />
technisch orientierten Universitäten<br />
setzen sich dafür ein, dass die Festlegung<br />
des curricularen Normwertes in<br />
die Verantwortung der Universitäten<br />
gegeben wird.<br />
Unter Mitwirkung ihrer Studierenden<br />
in den zuständigen Gremien soll<br />
den Universitäten damit eine freie und<br />
flexible Curricula-Gestaltung unter Berücksichtigung<br />
der Fachkulturen ermöglicht<br />
werden.<br />
6. Weiterentwicklung internationaler<br />
Akkreditierungsstandards<br />
Das Akkreditierungssystem ist zu reformieren<br />
und gemeinsam weiter zu entwickeln.<br />
Im Einklang mit dem Wissenschaftsrat<br />
verstehen die Universitäten in<br />
ARGE TU/TH und TU9 das Qualitäts-<br />
management in der <strong>Lehre</strong> als Kernelement<br />
ihrer Autonomie. Qualitätssicherung<br />
ist primär Aufgabe der Hochschulen<br />
und in ihrem ureigenen Interesse[1].<br />
7. Maßnahmen zur Sicherung des<br />
MINT-Nachwuchses<br />
Die technisch orientierten Universitäten<br />
setzen sich insbesondere dafür ein,<br />
für Bewerberinnen und Bewerber mit<br />
»Das Promotionsrecht muss<br />
weiterhin ausschließlich den<br />
Universitäten vorbehalten bleiben.«<br />
Interesse an ingenieur- und naturwissenschaftlichen<br />
Studiengängen freiwillige,<br />
auf das Studium vorbereitende<br />
MINT-Module anzubieten; diese sind<br />
optional und können vorgelagert bzw.<br />
parallel zum Fachstudium stattfinden.<br />
Solche Angebote unterstützen effizient<br />
den Übergang von der Schule zum Studium<br />
und dienen der Verbesserung der<br />
Studieneingangsphase sowie insbesondere<br />
der deutlichen Steigerung der Erfolgsquoten.<br />
8. Für eine Vielfalt bei der Verleihung<br />
spezifischer Abschlussgrade: den Titel<br />
„Diplom-Ingenieur“ erhalten<br />
Die Technischen Universitäten in AR-<br />
GE TU/TH und TU9 fordern die Landesgesetzgeber<br />
auf, den Hochschulen<br />
die Autonomie zu geben, den „Dipl.-<br />
»Die Umstellung auf das zweistufige<br />
System hat teilweise zu einer Verschulung<br />
und zu hoher Prüfungsdichte geführt.«<br />
Ing“ als akademischen Abschlussgrad<br />
eines ingenieurwissenschaftlichen Masterstudiengangs<br />
verleihen zu können.<br />
Dabei verweisen ARGE TU/TH und<br />
TU9 auf die entsprechenden Formulierungen<br />
des in diesem Punkt vorbildlichen<br />
Österreichischen „Bundesgesetz<br />
über die Organisation der Universitäten<br />
und ihre Studien (Universitätsgesetz<br />
2002 – UG)“.<br />
Das bedeutet, dass in den Studienordnungen<br />
auszuweisen ist, welcher<br />
Mastergrad vergeben wird. Dabei gilt:<br />
Mastergrade sind die akademischen<br />
Grade, die nach dem Abschluss der<br />
Masterstudien verliehen werden. Sie<br />
lauten „Master“ mit einem im Curriculum<br />
festzulegenden Zusatz, wobei auch<br />
eine Abkürzung festzulegen ist, oder<br />
„Diplom-Ingenieurin/Diplom-Ingenieur“,<br />
abgekürzt „Dipl.-Ing.“.<br />
9. Vielfalt und Durchlässigkeit zwischen<br />
Universitäten und Fachhochschulen<br />
Hervorragenden Absolventinnen und<br />
Absolventen der Fachhochschulen steht<br />
der Weg zur Promotion offen. Die technisch<br />
orientierten Universitäten plädieren<br />
für Vielfalt, Transparenz<br />
und Durchläs-<br />
sigkeit zwischen den<br />
Systemen „Fachhochschule“<br />
und „Universität“<br />
in den unterschiedlichen<br />
Phasen des Studiums.<br />
Das Promotionsrecht muss weiterhin<br />
ausschließlich den Universitäten<br />
vorbehalten bleiben. Allerdings unterstützen<br />
die Technischen Universitäten<br />
ausdrücklich den Ausbau kooperativer<br />
Promotionen zwischen Universitäten<br />
und Fachhochschulen.<br />
10. Erfolgsmodell der Promotion zum<br />
„Dr.-Ing.“ fördern<br />
Die strukturierten Angebote der Doktorandenausbildung<br />
werden u.a. im Rahmen<br />
der Exzellenzinitiative ausgebaut.<br />
Unter Berücksichtigung der Fächerkulturen<br />
sollen auch künftig unterschiedliche<br />
Wege zur Promotion führen können.<br />
Der „Dr.-Ing.“ ist ein Markenzeichen,<br />
mit dem sich der wissenschaftliche<br />
Nachwuchs deutscher Universitäten<br />
im internationalen Wettbewerb exzellent<br />
profiliert. Er steht<br />
für das erste selbständige<br />
Arbeiten eines Wissenschaftlers.<br />
Die technisch<br />
orientierten Universitäten<br />
möchten dies als<br />
Qualitätsmerkmal erhalten<br />
und sprechen sich dezidiert gegen<br />
verpflichtende Promotionsstudiengänge<br />
aus, so sehr das Format der Graduate<br />
Schools unter geeigneten Rahmenbedingungen<br />
zu befürworten ist.<br />
Am 10. Mai 2010 gemeinsam von den Mitgliedern<br />
der Arbeitsgemeinschaft Technischer Universitäten<br />
und Hochschulen (ARGE TU/TH)<br />
sowie der TU9 verabschiedet. Leicht gekürzt.
PREIS DES<br />
DEUTSCHEN HOCHSCHULVERBANDES:<br />
Hochschullehrer/in<br />
des Jahres<br />
Auszeichnungskriterium Der Deutsche Hochschulverband zeichnet diejenige Hochschullehrerin oder denjenigen<br />
Hochschullehrer aus, die oder der durch außergewöhnliches Engagement in herausragender<br />
Weise das Ansehen ihres bzw. seines Berufsstandes in der Öffentlichkeit gefördert hat.<br />
Es besteht keine Beschränkung, in welcher Art und Weise dies gelungen ist.<br />
Preissumme 10.000,- Euro. Die Preissumme wird nicht zweckgebunden vergeben. Der Preis erhält die<br />
freundliche Unterstützung des Zeit-Verlages Gerd Bucerius GmbH & Co. KG.<br />
Wer kann Jede Professorin und jeder Professor, der dienst- oder korporationsrechtlich einer<br />
vorgeschlagen werden? deutschen Hochschule angehört, sowie deutsche Professoren im Ausland. Es kann eine<br />
Einzelperson oder eine Gruppe von Hochschullehrern vorgeschlagen werden. Die wissenschaftliche<br />
Fachrichtung ist unerheblich. Ohne Belang ist ebenfalls, ob der Vorgeschlagene<br />
sich im aktiven Dienst oder im Ruhestand befindet. Selbstbewerbungen sind möglich.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Hochschulverbandes<br />
können nicht vorgeschlagen werden.<br />
Vorschlagsfrist Die Frist zum Vorschlag endet am 30. September 2010.<br />
Unterlagen Vorschläge bedürfen der Schriftform. Zum Vorschlag gehört der Name des Vorgeschlagenen,<br />
die Hochschule, der er angehört, eine Begründung des Vorschlags, die das Verdienst<br />
des Vorgeschlagenen skizziert, sowie ggf. aussagefähige Unterlagen über die Leistung des<br />
Vorgeschlagenen. Die Unterlagen sind an die Geschäftsstelle des Deutschen Hochschulverbandes<br />
zu richten:<br />
Deutscher Hochschulverband, „Hochschullehrer/in des Jahres“, Rheinallee 18, 53173 Bonn.<br />
Auswahl der Preisträger Die Preisträgerin/den Preisträger wählt das Präsidium des Deutschen Hochschulverbandes<br />
aus. Die Jury kann auch eine nicht vorgeschlagene Hochschullehrerin/einen nicht vorgeschlagenen<br />
Hochschullehrer prämieren.<br />
Ansprechpartner und Deutscher Hochschulverband<br />
weitere Information Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Dr. Matthias Jaroch | Rheinallee 18 | 53173 Bonn<br />
Telefon: 0228-90266-66<br />
E-Mail: presse@hochschulverband.de<br />
Im Rahmen der Preisverleihung zum „Hochschullehrer des Jahres“ zeichnet academics den/die<br />
„Nachwuchswissenschaftler/-in des Jahres“ aus. Mehr Informationen zum Preis und zu academics –<br />
dem Karriereportal der Wissenschaft von DIE ZEIT und „<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>“ – gibt es unter<br />
www.academics.de/nachwuchspreis.
420 STUDIENFINANZIERUNG <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Kapital oder Kapitulation?<br />
Das geplante nationale Stipendienprogramm<br />
| STEPHAN A. JANSEN | TOME S ANDEVSKI |<br />
Vertreter der Oppositionsparteien und des Studentenwerks lehnen das geplante<br />
nationale Stipendienprogramm der Bundesregierung aus Gründen der fehlenden<br />
Bildungsgerechtigkeit ab. Die Hochschulen sehen Kapazitätsprobleme. Beide<br />
Probleme sind lösbar.<br />
Laut Gesetzentwurf für das nationale<br />
Stipendienprogramm sollen<br />
die Hochschulen monatlich 150<br />
Euro an Spenden für ein Stipendium einwerben.<br />
Bund und Länder verdoppeln<br />
dann den Betrag auf 300 Euro. Diese Stipendien<br />
sollen ausschließlich leistungsorientiert<br />
vergeben werden, sie werden<br />
nicht auf das BAföG angerechnet. Dafür<br />
sollen staatlicherseits jährlich bis zu 300<br />
Millionen Euro bereit gestellt werden.<br />
Zwei <strong>Kritik</strong>en werden nun diskutiert:<br />
(1) Die Vergabe der Stipendien ist herkunftsabhängig,<br />
d.h. der finanzielle Hintergrund<br />
der Eltern entscheidet faktisch.<br />
Stattdessen wird für eine Erhöhung des<br />
BAföG plädiert. (2) Die Hochschulen sehen<br />
kaum Kapazitäten für die Einwerbung<br />
der Spenden, die Auswahlverfahren<br />
für die Stipendiaten und die Betreuung<br />
der Fördererer.<br />
Der erste Einwand fokussiert richtigerweise<br />
auf die in Deutschland dramatische<br />
Herkunftsabhängigkeit von Bildungsbiographien<br />
allgemein und bei den<br />
Stipendienprogrammen insbesondere.<br />
Eine Studie der Hochschul-Informations-System<br />
GmbH hat gezeigt, dass die<br />
übergroße Mehrheit der Stipendiaten der<br />
elf Begabtenförderwerke aus gehobenen<br />
und hohen Bildungsgruppen kommt. Be-<br />
gabtenförderwerke „fördern“ also nicht,<br />
sondern sie reproduzieren bestehende<br />
Ungleichheiten. Dies gilt im übrigen<br />
auch für alle parteinahen Stiftungen –<br />
Regierung wie Opposition. Die Fundamentalkritik<br />
am nationalen Stipendienprogramm<br />
ist dennoch wenig zielführend,<br />
würde sie doch eine Abschaffung<br />
der Begabtenförderung zu Gunsten des<br />
BAföG bedeuten. Wir brauchen beides –<br />
Leistungs- und Bedürftigkeitsförderungen.<br />
Und von beidem mehr. Es sind die<br />
Hochschulen, die dann in die Pflicht genommen<br />
werden müssen, ihre Auswahl<br />
nach Leistungs- wie Bedürftigkeitskriterien<br />
vorzunehmen. Das führt zur zweiten<br />
Herausforderung: Die Kapazitäten<br />
der Hochschulen.<br />
Bedürftigkeitskriterien können im<br />
nationalen Stipendienprogramm verankert<br />
werden. Die Annahme, dass Förderer<br />
mit Stipendien in erster Linie leistungsstarke<br />
und nicht bedürftige Studierende<br />
fördern wollen, ist sehr irreführend.<br />
Schließen sich etwa Bedürftigkeit<br />
und Leistung aus? Eingeschriebene Studierende<br />
erfüllen die Zulassungsvoraussetzungen.<br />
Sie sind damit gut genug, einen<br />
akademischen Abschluss zu erwerben,<br />
aber nicht genug, dies ohne finanzielle<br />
Sorgen zu tun?<br />
AUTOREN<br />
Prof. Dr. Stephan A. Jansen ist Präsident der Zeppelin-<br />
Universität in Friedrichshafen und forscht u.a. zum Thema<br />
Bildungsfinanzierung im internationalen Vergleich.<br />
M.A. Tome Sandevski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität<br />
Marburg.<br />
Ohne Fundraising keine<br />
Stipendien<br />
Der Entwurf sieht vor, dass bis zu acht<br />
Prozent der Studierenden gefördert<br />
werden können. Dies bedeutet, dass die<br />
Hochschulen pro tausend Studierenden<br />
bis zu 144 000 Euro pro Jahr einnehmen<br />
müssten. Im Rahmen des NRW-<br />
Stipendienprogamms, das die Vorlage<br />
für das nationale Stipendienprogramm<br />
darstellt, warben die Hochschulen im<br />
Wintersemester 2009/ 2010 insgesamt<br />
1 400 Stipendien ein. Die RWTH Aachen<br />
war mit 190 Stipendien die erfolgreichste<br />
Hochschule. Im Rahmen des<br />
nationalen Stipendienprogramms müsste<br />
eine Hochschule wie die RWTH die<br />
eingeworbenen Stipendien innerhalb<br />
von zwei Jahren auf etwa 2 400 Stipendien<br />
steigern.<br />
Der Entwurf für das nationale Stipendienprogramm<br />
bedenkt den Aufbau<br />
von Fundraising-Kapazitäten der Hochschulen<br />
nicht, obwohl selbst die Kosten<br />
für das Ausfüllen der Zusageformulare<br />
und die Überweisung der Gelder im<br />
Entwurf veranschlagt werden. Die Kosten<br />
für die Hochschulen selbst werden<br />
aber nicht erwähnt. Erfolgreiches Fundraising<br />
kostet Geld. In den USA und anderen<br />
Ländern nehmen Hochschulen<br />
signifikante Spendenmittel ein, weil sie<br />
über gut ausgestattete Fundraising-Abteilungen<br />
mit Dutzenden und sogar<br />
Hunderten von Mitarbeitern verfügen.<br />
Förderer spenden nicht aus Langeweile<br />
für Hochschulen. Sie müssen von den<br />
Hochschulen nach Spenden gefragt<br />
werden. Dies gilt auch für Stipendien.<br />
Internationale Vorbilder<br />
In Ländern, wo Hochschulfundraising<br />
eine neuere Entwicklung darstellt, liegen<br />
die Kosten entsprechend hoch. In<br />
den USA und Kanada liegen die direkten<br />
Fundraisingkosten der Hochschulen
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> STUDIENFINANZIERUNG 421<br />
gemessen an den Spendeneinnahmen<br />
bei etwa 15 Prozent, in Großbritannien<br />
sogar bei 33 Prozent. Diese Ausgaben<br />
sind sehr lohnende Investitionen: In<br />
welchem Wirtschaftsbereich bringen Investitionen<br />
das Dreifache an Einnahmen?<br />
Wenn wir die britische Erfahrung<br />
auf Deutschland übertragen, müssten<br />
die Hochschulen pro tausend Studierenden<br />
mit etwa 48 000 Euro an Kosten<br />
rechnen. Wie sollen die deutschen<br />
Hochschulen diese Zusatzausgaben<br />
leisten, die bei Stipendienprogrammen<br />
eben nicht zu Zusatzeinnahmen für die<br />
Hochschule selbst führen?<br />
Eine Möglichkeit sind staatliche Kapazitätsgelder,<br />
die wir in einer international<br />
vergleichenden Analyse untersucht<br />
haben. Dafür gibt es Beispiele in<br />
England, Singapur und Hongkong.<br />
Dort haben die Regierungen in den letzten<br />
15 Jahren mehrfach sogenannte<br />
Matching Funds-Programme aufgelegt,<br />
um Spenden an Hochschulen zu bezuschussen.<br />
Vor dem Beginn der Matching<br />
Funds-Programme stellten die Regierungen<br />
den Hochschulen Gelder für<br />
den Aufbau von Fundraising-Kapazitäten<br />
zur Verfügung. Im Falle Hongkongs<br />
waren dies umgerechnet 480 000 Euro<br />
pro Hochschule. Dafür bescherten die<br />
vier seit 2003 durchgeführten Matching<br />
Funds-Programme den zehn teilnehmenden<br />
Hochschulen etwa 670 Millionen<br />
Euro an Spendeneinnahmen, die<br />
mit 370 Millionen Euro an staatlichen<br />
Zuschüssen honoriert wurden. Ähnliche<br />
erfolgreiche Programme existieren<br />
auch in Neuseeland, Norwegen, Kanada<br />
und in den USA.<br />
Staatliche Investitionen<br />
Voraussetzung<br />
In Ländern, in denen Hochschulen<br />
Spenden in signifikanter Höhe einwerben,<br />
liegen die staatlichen Bildungsausgaben<br />
über dem OECD-Durchschnitt.<br />
Das Stopfen von staatlichen Finanzierungslücken<br />
ist für Förderer nicht attraktiv.<br />
Spenden ermöglichen Hochschulen<br />
zusätzliche Handlungsspielräume.<br />
Diese Handlungsspielräume brauchen<br />
deutsche Hochschulen im internationalen<br />
Wettbewerb dringend. Bund<br />
und Länder könnten etwa den Aufbau<br />
von Fundraising-Kapazitäten an hundert<br />
deutschen Hochschulen mit jeweils<br />
einer Million Euro finanzieren. Weitere<br />
700 Millionen Euro könnten innerhalb<br />
von vier Jahren für die Bezuschussung<br />
von Spendeneinahmen von bis zu 900<br />
Millionen Euro bereit gestellt werden.<br />
Die Hochschulen müssten mindestens<br />
20 Prozent der Spendeneinnahmen und<br />
staatlichen Gelder für Stipendien verwenden.<br />
Damit wäre ein nationales Stipendienprogramm<br />
in ganzheitliche<br />
Fundraisingaktivitäten eingebettet.<br />
Die Überlegungen für das nationale<br />
Stipendienprogramm bieten – wenn die<br />
berechtigten <strong>Kritik</strong>en intelligent beantwortet<br />
werden – optimale Voraussetzungen<br />
für den Start eines konsequenten<br />
Ausbaus des Hochschulfundraisings in<br />
Deutschland. Die Bildungsförderer sind<br />
offener, als sich das manche <strong>Kritik</strong>er vorstellen<br />
können. Aber ein politisches Zerreden<br />
dieser Initialzündung wäre für die<br />
politisch gewünschte Bildungsrepublik<br />
mit erhöhter privater Finanzierung im<br />
tertiären Bereich mehr als schädlich.<br />
Das von den Autoren verfasste Diskussionspapier<br />
„Matching Funds – Staatliche Strategien<br />
für private Wissenschaftsförderung. Eine internationale<br />
Vergleichsstudie mit Empfehlungen<br />
für Deutschland“ ist über http://www.zeppelinuniversity.de/deutsch/forschung_forschungsprojekte/zuschnitt_019.pdf<br />
abrufbar.<br />
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422 KLEINE FÄCHER <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Byzantinistik heute:<br />
eine weltferne Wissenschaft?<br />
Perspektiven eines „Orchideenfachs“<br />
| FOTEINI K OLOVOU | Die Byzantinistik als kleines<br />
kulturwissenschaftliches Fach steht angesichts einer ökonomisierten Wissenschaftspolitik<br />
unter Rechtfertigungsdruck. Kann das Fach trotz oder vielleicht sogar<br />
wegen der Widerstände gedeihen?<br />
Auf die Frage einer Studentin<br />
in Paris nach meinem <strong>Forschung</strong>sschwerpunkt<br />
habe<br />
ich das Stichwort Byzanz erwähnt in<br />
der, wie es sich herausgestellt hat, naiven<br />
Hoffnung, dass die junge Frau damit<br />
etwas anfangen könne. Denn immerhin<br />
sind die Wörter „byzantin“ und<br />
„byzantinisme“ fest, wenn auch negativ,<br />
in der französischen Sprache verankert,<br />
man denke etwa an „discussions byzantines“,<br />
was so gut wie überflüssige verschnörkelte<br />
Diskussionen nach der Art<br />
der Byzantiner bedeutet. Oder man<br />
denke an die Geschichte Frankreichs<br />
im 17. Jahrhundert, als Byzanz als politisches<br />
Vorbild fungierte und in Paris die<br />
ersten europäischen Ausgaben byzantinischer<br />
historiographischer Texte unter<br />
der Ägide König Ludwigs XIV. entstanden.<br />
„Byzance, mais c’est un parfum!?“<br />
war die Reaktion meiner Gesprächspartnerin,<br />
die offensichtlich von meinem<br />
„Glück“ überrascht war. Ich auch.<br />
Denn das betörend duftende edle Parfum<br />
existiert in der Tat. Nach diesem<br />
Gespräch habe ich ähnlich amüsante<br />
Erfahrungen in anderen europäischen<br />
Ländern, darunter auch in Griechenland<br />
– hélas!, aber auch in Deutschland<br />
gemacht. Hier bei uns gibt es „Byzantiner“,<br />
verwandelt in sündhaft köstliche<br />
dunkle Pralinen für Genießer. Sollen et-<br />
wa der Luxus- und der Innovationsgeist<br />
einiger Unternehmer die tausendjährige<br />
Geschichte des byzantinischen Reiches,<br />
welches Geschichte und Kultur<br />
Europas geprägt und geformt hat, der<br />
Vergessenheit entreißen?<br />
Gewiss sind auch nur wenige über<br />
die Existenz solcher Luxusartikel informiert,<br />
manche Kunst- und Geschichtsinteressierte<br />
kennen immerhin – den<br />
Kreuzfahrern sei gedankt! – einige<br />
Schwerpunkte des Faches Byzantinistik<br />
(warum denn auch mehr!?), und noch<br />
weniger wissen etwa, dass Schiller ein<br />
»Die Wahrheit ist, dass das Fach<br />
heute immer noch sehr bescheiden<br />
und in die Defensive gedrängt vor<br />
sich hin lebt.«<br />
byzantinisches Meisterwerk der Historiographie<br />
des 12. Jahrhunderts, die<br />
„Alexias“ Anna Komnenes, aus dem byzantinischen<br />
Griechisch ins Deutsche<br />
übersetzt hat. Kaum bekannt ist, dass<br />
Goethe als erster den Begriff „byzantinisch“<br />
für die Kunst geprägt hat oder<br />
dass Hegel in seinen „Vorlesungen über<br />
die Philosophie der Geschichte“ von<br />
Byzanz gesprochen hat – allerdings,<br />
AUTORIN<br />
Professor Foteini Kolovou lehrt Byzantinische und Neugriechische Philologie<br />
an der Universität Leipzig. Ihre <strong>Forschung</strong>sschwerpunkte liegen in der Byzantinischen<br />
Rhetorik, Historiographie und Editionswissenschaft.<br />
von dem byzanzfeindlichen Geist und<br />
den Ressentiments der Aufklärung beeinflusst,<br />
nicht besonders schmeichelhaft<br />
als „eine tausendjährige Reihe von<br />
fortwährenden Verbrechen, Schwächen,<br />
Niederträchtigkeiten und Charakterlosigkeit“.<br />
Nur in Fachkreisen sind<br />
die byzantinischen Projekte Ludwigs II.<br />
von Bayern bekannt, der, einer politischen<br />
und religiösen Utopie folgend, die<br />
Schlösser Linderhof und Falkenstein<br />
neben dem Schloss Neuschwanstein<br />
nach byzantinischen Vorbildern gestalten<br />
wollte. Und nur schwer kann man<br />
heute erahnen, dass das Bundeswappen<br />
Deutschlands byzantinischer Herkunft<br />
ist; der oströmische Doppeladler blickte<br />
nach Osten und nach Westen des seit<br />
395 getrennten Ost- und Weströmischen<br />
Reiches, der Bun-<br />
desadler blickt nur nach<br />
Westen.<br />
Das Ansehen der<br />
Byzantinistik<br />
Das Fach mit dem exotischen<br />
Namen Byzantinistik,<br />
europaweit zum<br />
ersten Mal 1896/97 an der Universität<br />
München von Karl Krumbacher begründet<br />
und an der Universität Leipzig<br />
seit Anfang des 20. Jahrhunderts als eigenständiges<br />
Doppelfach „Byzantinische<br />
und Neugriechische Philologie“<br />
vertreten, gehört immer noch zu den so<br />
genannten „Orchideenfächern“. Dadurch<br />
entsteht die aktuellste, verschönernde,<br />
jedoch nicht zutreffende Assoziation<br />
zwischen Byzanz, Byzantinistik<br />
und dekadentem Luxus. Denn die<br />
Wahrheit ist, dass das Fach heute immer<br />
noch sehr bescheiden und in die<br />
Defensive gedrängt vor sich hin lebt.<br />
Und gewiss ist es kein überzeugendes<br />
Argument in einer stark ökonomisierten<br />
Wissenschaftspolitik, ein kleines
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 423<br />
kulturwissenschaftliches Fach im Sinne<br />
des humanistischen humboldtschen Bildungsideals<br />
zu unterstützen, es vor dem<br />
Abschaffen zu retten oder gar es neu zu<br />
gründen, nur weil etwa, um einige wenige<br />
Beispiele zu nennen, Schiller, Goethe,<br />
Hegel und Ludwig II. von Bayern<br />
Byzanz in ihre Gedankenwelt integriert<br />
hatten, bzw. weil der Bundesadler einen<br />
byzantinischen Vorfahren hatte. Oder<br />
doch?<br />
Bedeutung von Byzanz<br />
Es besteht Consensus darüber, dass<br />
nicht alle wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
ad hoc und einzeln nützlich sind<br />
oder sein sollen, sondern sie erst und<br />
wenn überhaupt in größeren Zusam-<br />
»Ohne Byzanz wäre die italienische<br />
Renaissance unvollendet geblieben.«<br />
menhängen allmählich erworbenen<br />
Wissens an Bedeutung gewinnen und<br />
zum Verständnis eines komplexen Phänomens<br />
beitragen können. Trotzdem ist<br />
einiges Byzantinische vielen modernen<br />
weltoffenen Europäern, welche Wissenschaftspolitik<br />
treiben, noch nicht bewusst<br />
– und beim Versuch eines Byzantinisten,<br />
historisch relevante Aspekte zu<br />
erläutern, besteht gleich der unbegründete<br />
Verdacht auf Beschönigung, Verklärung<br />
und Hochjubeln von Byzanz.<br />
Doch es geht nicht darum, die Bedeutung<br />
der Byzantinistik überzubewerten;<br />
es wäre genauso falsch, wie der Byzantinistik<br />
den verdienten Wert abzusprechen.<br />
Es geht erst nur darum, die Be-<br />
»Es geht erst nur darum, die<br />
Bedeutung von Byzanz innerhalb<br />
der europäischen Geisteswelt zu<br />
verstehen.«<br />
deutung von Byzanz innerhalb der europäischen<br />
Geisteswelt zu verstehen.<br />
Denn Tatsache ist: Ohne die unermüdliche<br />
Kopiertätigkeit der Byzantiner bei<br />
Kerzenlicht in Klosterbibliotheken,<br />
Denkstübchen und Mönchszellen wären<br />
die Ideenlehre des Platon und die<br />
Logik des Aristoteles verloren gegangen<br />
und die Originaltexte in griechischer<br />
Sprache dem modernen Europa verborgen<br />
geblieben – außer einigen wenigen<br />
spätantiken Papyrusfragmenten sind al-<br />
le Überlieferungsträger, Pergament- und<br />
Papierhandschriften, byzantinischer<br />
Herkunft. Die medizinischen Traktate<br />
von Hippokrates und Galen, die Geometrie<br />
des Eukleides oder das Archimedische<br />
Prinzip, um nur einige wenige<br />
Beispiele aus Wissenschaften außerhalb<br />
der Philologie und Philosophie zu nennen,<br />
hätten ohne die Kopier- und Kommentiertätigkeit<br />
der Byzantiner und ohne<br />
die leidenschaftliche Offenheit der<br />
arabischen Welt für Wissen und Wissenschaften<br />
das lateinischsprachige mittelalterliche<br />
Europa nie erreicht. Ohne<br />
Byzanz wäre die italienische Renaissance<br />
unvollendet geblieben, genauso<br />
wäre die Orgel in der westlichen kirchlichen<br />
Musik undenkbar. Das römische<br />
Recht hätte ohne die<br />
Kodifizierung der<br />
Digesten durch die<br />
Rechtspolitik Justinians<br />
unter dem humanen<br />
Einfluss des<br />
Christentums und<br />
ohne intensive Erforschung des Pandektenrechts<br />
an deutschsprachigen<br />
Universitäten im 19. Jh. nie die Basis für<br />
das moderne europäische Privatrecht<br />
bilden können.<br />
Dass der Rationalismus der Aufklärung<br />
im 17. und 18. Jahrhundert ein<br />
Zerrbild von Byzanz geschaffen hat, in<br />
dem er eine Epoche des Niedergangs<br />
und der Dekadenz des oströmischen<br />
Reiches, eine Zeit des Absolutismus, des<br />
Obskurantismus und des Triumphes<br />
von Religion und Barbarei sah, erklärt<br />
bis zu einem gewissen Grad die Entwicklung<br />
der byzantinischen Studien in<br />
den europäischen Universitäten, oft betrieben<br />
von Byzantinisten wider Willen.<br />
Doch nicht nur die<br />
Haltung der Aufklärung<br />
Byzanz gegenüber,<br />
auch die Bildungspolitik<br />
und die<br />
Selbstwahrnehmung<br />
der modernen Griechen,<br />
welche sich<br />
lieber mit ihren antiken<br />
glanzvollen Ahnen der Athener Demokratie<br />
als mit den unmittelbaren, im<br />
Schatten des Mittelalters blühenden<br />
und in höfische Skandale verstrickten<br />
Vorfahren identifiziert sahen, sind Faktoren,<br />
die dazu geführt haben, dass der<br />
Begriff „Byzantinismus“ in allen europäischen<br />
Sprachen, sogar im Griechischen,<br />
negativ geprägt ist und als Synonym<br />
für Kriecherei, Schmeichelei,<br />
Engstirnigkeit und unfruchtbaren Scholastizismus<br />
gilt. Mit dem Historismus<br />
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424 KLEINE FÄCHER <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts und der<br />
Welle des Philhellenismus, der mehr an<br />
der Antike orientiert war, kam auch die<br />
Wende für die byzantinistischen Studien.<br />
Neue Perspektiven<br />
Doch Byzanz war nicht nur Religion,<br />
theologische Diskussionen, Gebet und<br />
Furcht vor dem Jenseits. Der von der<br />
Aufklärung vernachlässigte und verachtete<br />
weltliche Charakter von Byzanz<br />
ist vor allem vom Münchner Byzantinistik-Professor<br />
Hans-Georg Beck<br />
(1910-1999) angemessen und in gebührender<br />
Weise hervorgehoben worden.<br />
Beck hat 1977 in seiner Schrift „Byzantinistik<br />
heute“ vor der Selbstzufriedenheit<br />
der Byzantinistik gewarnt und ihr<br />
das Streben nach neuen Ufern, nach<br />
neuen Perspektiven und Methoden als<br />
Ausweg aus der Isolation gezeigt. Der<br />
Beck’schen Souveränität verdanken<br />
wir eine kritische Revision des Phänomens<br />
Byzanz. Denn der Byzantiner<br />
(zumindest der Intellektuelle) liebte<br />
„Urbanität, Witz und literarisches<br />
Spiel“ zu sehr, um ständig an das ewige<br />
Leben im Himmel<br />
und das Schwelgen<br />
im Paradies zu<br />
denken. Und er<br />
war als Bewunderer<br />
des homerischen<br />
Odysseus<br />
redegewandt und<br />
intelligent genug,<br />
die Grenzen der Orthodoxie geschickt<br />
zu überschreiten, wenn sie ihm eng zu<br />
sein schienen. Der Zweifelsweg führte<br />
immer durch die antike Philosophie,<br />
die zwar in Byzanz traditionell durch<br />
die Jahrhunderte zum Universitätsunterricht<br />
gehörte, von der Kirche jedoch<br />
stets als Gefahr für ihre dogmatische<br />
Integrität angesehen worden ist. In dieser<br />
weltlichen Literatur der Byzantiner,<br />
aber auch in Werken,<br />
in welchen Philosophie<br />
und Theologie<br />
zusammenfließen,<br />
sind Schriften zu finden,<br />
die nach literarästhetischenMaßstäben<br />
zum Kanon der<br />
Weltliteratur gehören,<br />
wie etwa Schriften<br />
von Romanos Melodos,<br />
Michael Psellos,<br />
Anna Komnene,<br />
Eustathios von Thessalonike<br />
und anderen.<br />
Doch eine Rechtfertigung<br />
der Byzantinistik,<br />
nur weil Byzanz<br />
im Mittelalter als Rezipient, Überlieferungsträger<br />
und Nacheiferer antiken<br />
kulturellen Gutes fungierte, wäre<br />
ungenügend und der Sache gegenüber<br />
ungerecht. Byzanz, das Reich, das sich<br />
in seinen Blütezeiten von der nordafrikanischen<br />
Küste, Mauretanien, Italien,<br />
der Balkanhalbinsel, Griechenland,<br />
Kleinasien, Armenien, Mesopotamien<br />
bis Syrien, Libyen und zum Nil-Delta<br />
erstreckte, um sich nach etwa einem<br />
Jahrtausend in kleine freie Kerne politischer<br />
Macht wie Trapezunt, Mystras<br />
mitten im von Osmanen besetzten Territorium<br />
zurückzubilden, hat einen<br />
Wert für sich als erfolgreiches politisches<br />
und wirtschaftliches Modell einer<br />
polyglotten und multikulturellen Gesellschaft.<br />
In seiner unbezweifelten Alterität,<br />
in seinem „anders sein“ vermittelt<br />
Byzanz heute noch eine erstaunliche<br />
Modernität.<br />
Das byzantinische Reich hat ohne<br />
Zweifel die Anfänge Europas mitgestaltet.<br />
Der Mythos Byzanz hat Literaten<br />
inspiriert und die moderne europäische<br />
Literatur bereichert. Am<br />
schönsten wird der Mythos Byzanz<br />
von W. B. Yeats konzis in Versen dargestellt:<br />
Durch die Anspielung auf Kaiser<br />
Theophilos, dessen hydraulisch<br />
sich nach oben und unten bewegender<br />
und von brüllenden goldenen Löwen<br />
bewachter kaiserlicher Thron, bei dem<br />
ein mit zwitschernden goldenen Vögeln<br />
geschmückter goldener Baum<br />
W.B. YEATS<br />
Sailing to Byzantium<br />
»Der moderne wissenschaftliche Blick kann das<br />
Phänomen Byzanz sachlich als eine nicht<br />
wegzudenkende Komponente der europäischen<br />
Kulturgeschichte betrachten.«<br />
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Once out of nature I shall never take<br />
My bodily form from any natural thing,<br />
But such a form as Grecian goldsmiths make<br />
Of hammered gold and gold enamelling<br />
To keep a drowsy Emperor awake;<br />
Or set upon a golden bough to sing<br />
To lords and ladies of Byzantium<br />
Of what is past, or passing, or to come<br />
(1928)<br />
stand, alle westlichen Abgesandten in<br />
Erstaunen versetzte. Doch der Minderwertigkeitskomplex<br />
und der Neid des<br />
mittelalterlichen Westens der prachtvollen<br />
Kultur des griechischen Mittelalters<br />
gegenüber ist Vergangenheit. Der<br />
moderne wissenschaftliche Blick kann<br />
das Phänomen Byzanz sachlich als eine<br />
nicht wegzudenkende Komponente<br />
der europäischen Kulturgeschichte betrachten.<br />
Die Vermittlung von<br />
Kontinuität und Wirkung<br />
der griechischen<br />
Sprache, Literatur und<br />
Kultur von der Antike<br />
über Byzanz bis in die<br />
Moderne, als ein neuer,<br />
deutschlandweit innovativer<br />
Studiengang in Kooperation der<br />
Byzantinischen und Neugriechischen<br />
mit der Klassischen Philologie und der<br />
Alten Geschichte ist zum ersten Mal<br />
2006 in den Studienplan der Universität<br />
Leipzig eingeführt worden und wird<br />
bis heute erfolgreich geführt. Trotz des<br />
von einigen Nicht-Byzantinisten oder<br />
Byzantinisten wider Willen geleisteten<br />
Widerstandes gegen diese Selbstverständlichkeit,<br />
oder besser gesagt gerade<br />
deshalb, blickt man als Byzantinist der<br />
Zukunft optimistisch entgegen, dass eines<br />
Tages etwa Fragen wie „gefällt Ihnen<br />
Bach?“, „gefällt Ihnen Platon?“,<br />
„gefällt Ihnen Psellos?“, genauso<br />
selbstverständlich wahrgenommen und<br />
beantwortet, wenn auch nicht immer<br />
bejaht werden können. Denn, um mit<br />
H.-G. Beck zu sprechen: „Wissenschaft<br />
gedeiht dort, wo sie provoziert wird<br />
und sich dieser Provokation stellt und<br />
bereit ist, daran zu scheitern“.
426 FORSCHUNG <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Ergründet<br />
und entdeckt<br />
Jurassische „Fast-Food-Kultur“<br />
Eine Faustregel lautet: Je<br />
größer ein Tier ist, desto<br />
mehr Zeit verbringt es mit<br />
Fressen. Ein Elefant beispielsweise<br />
ist 18 Stunden<br />
täglich damit beschäftigt, seinen<br />
gewaltigen Appetit zu<br />
stillen. Wie kam es also, dass<br />
die sog. sauropoden Dinosaurier<br />
so viel größer wurden<br />
als heutige Landtiere?<br />
Der Tag hätte 30 Stunden haben<br />
müssen, damit diese Tiere<br />
ihren Kalorienbedarf hätten<br />
decken können. Auf diese<br />
Frage liefert nun eine Forschergruppe<br />
unter Leitung<br />
der Universität Bonn eine<br />
Antwort. Demnach kauten<br />
die Langhalssaurier ihre<br />
Nahrung nicht, sondern<br />
schlangen sie einfach herunter.<br />
Kauen kostet Zeit – eine<br />
Ressource, die mit steigender<br />
Größe knapp wird. Zudem<br />
braucht, wer kaut, einen großen<br />
Kopf – schließlich müssen<br />
Mahlzähne und Muskulatur<br />
irgendwo untergebracht<br />
werden. Die Pflanzen fressenden<br />
Riesendinosaurier<br />
hatten jedoch relativ kleine<br />
und leichte Schädel. Erst diese<br />
Tatsache ermöglichte ih-<br />
nen die Ausbildung extrem<br />
langer Hälse. Und diese halfen<br />
ihnen wiederum dabei,<br />
die Nahrungsaufnahme möglichst<br />
effizient zu gestalten.<br />
So mussten sie nicht permanent<br />
ihren 80-Tonnen-Körper<br />
auf der Suche nach Grünzeug<br />
bewegen: Sie blieben<br />
einfach stehen und nutzten<br />
ihren beweglichen Hals, um<br />
die Umgebung abzugrasen.<br />
Als Nahrung dürften den<br />
Sauropoden unter anderem<br />
Schachtelhalme gedient haben.<br />
Diese waren nach Untersuchungen<br />
der Forschergruppe<br />
ausgesprochen energiereich.<br />
Der Verdauungsvorgang<br />
selbst dürfte bei den<br />
Riesendinos aufgrund der<br />
fehlenden Mahlzähne einige<br />
Tage gedauert haben. Ihre<br />
Mägen waren aber so groß,<br />
dass sie dennoch rund um die<br />
Uhr genügend Energie lieferten.<br />
Der Stoffwechsel der gigantischen<br />
Tiere war zudem<br />
ausgesprochen leistungsfähig.<br />
Sie verfügten über eine erstaunlich<br />
ausgefeilte Lunge,<br />
die bei weitem effektiver war<br />
als die des Menschen (Institut<br />
für Paläontologie der Universität<br />
Bonn, 11.5.2010).<br />
Foto: Universität Bonn<br />
Ohne Stich<br />
Wissenschaftler der ETH<br />
Zürich haben einen<br />
neuartigen Sensor entwickelt,<br />
der beim Kontakt mit menschlichem<br />
Atem sofort anzeigt, ob<br />
eine Person an Diabetes Typ 1<br />
leidet. Der Sensor messe mit<br />
großer Präzision Azeton, das<br />
in der Atemluft von Diabetes-<br />
1-Patienten in hoher Konzentration<br />
enthalten ist. Um ihren<br />
eigenen Blutzuckerspiegel bestimmen<br />
zu können, müssen<br />
die Betroffenen bisher eine<br />
Blutprobe nehmen. Mit dem<br />
neuen Gerät würde der tägliche<br />
Stich in die Fingerkuppe<br />
entfallen (Institut für Verfahrenstechnik,<br />
6.5.2010)<br />
Knochen-<br />
Regeneration<br />
Forschern der Universität<br />
Stanford (Kalifornien) ist<br />
es gelungen, die Heilung verletzter<br />
Knochen bei Mäusen<br />
zu beschleunigen. Im Mittelpunkt<br />
ihrer Studie steht ein<br />
winziges Signalprotein aus der<br />
wingless-Gruppe (Wnt). Dieses<br />
Protein kann die Aktivität<br />
von Knochenstammzellen beeinflussen,<br />
die sich daraufhin<br />
schneller teilen. Dieser Effekt<br />
sei jedoch nur für eine begrenzte<br />
Zeit aufgetreten, und<br />
auch nur am Ort der Verletzung.<br />
Dies sei wichtig, da sich<br />
sonst gegebenenfalls zuviel<br />
Knochen bilden könnten. Die<br />
Wissenschaftler hoffen, mit<br />
ähnlichen Verfahren eines Tages<br />
auch Menschen helfen zu<br />
können (dpa, 3.5.2010; DOI:<br />
10.1126/scitranslmed.3000231).
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> FORSCHUNG 427<br />
Zugkollision<br />
Mit einem neuartigen<br />
Sicherheitssystem<br />
können sich Züge auf Kollisionskurs<br />
gegenseitig warnen.<br />
Sobald zwei Züge näher als<br />
fünf Kilometer voneinander<br />
entfernt sind, tauschen sie<br />
über das System Informationen<br />
über Position, Geschwindigkeit<br />
und geplante Streckenführung<br />
aus. Die Technik<br />
wurde vom Deutschen Zentrum<br />
für Luft- und Raumfahrt<br />
(DLR) entwickelt. Das Zugkollisions-Vermeidungssystem<br />
(RCAS) soll vorhandene<br />
Sicherheitstechnik nicht ersetzen,<br />
sondern ergänzen. Die<br />
bisherige Infrastruktur baue<br />
auf eine Sicherung an der<br />
Strecke. Das neue System<br />
bringe die Sicherheitstechnik<br />
in die Züge: In einer Gefahrensituation<br />
warne es den<br />
Zugführer und fordere ihn<br />
auf, entsprechend zu reagieren.<br />
RCAS sei nicht an eine<br />
technische Reaktion des Zugs<br />
wie etwa ein Bremsmanöver<br />
gekoppelt. Der Einsatz sei zunächst<br />
dort geplant, wo noch<br />
gar keine Sicherung eingesetzt<br />
werde, beispielsweise etwa<br />
auf Strecken mit sehr geringem<br />
Verkehrsaufkommen<br />
(dpa, 17.5.2010).<br />
Wer aktive Kinder ohne<br />
Übergewicht und<br />
Schulprobleme großziehen<br />
will, sollte sie vor allem in<br />
den ersten Lebensjahren vom<br />
Fernseher fernhalten. Eine<br />
Langzeitstudie in Kanada<br />
zeigt, dass zuviel TV-Konsum<br />
in jungen Jahren nachhaltige<br />
Spuren hinterlässt. Kinder,<br />
die mehr als zwei Stunden<br />
pro Tag vor dem Fernseher<br />
verbrachten, neigten auch als<br />
Zehnjährige noch zu weniger<br />
Bewegung, waren passiver im<br />
Unterricht, hatten speziell<br />
mit Mathe zu kämpfen und<br />
waren dicker. Die frühe<br />
Kindheit sei eine entscheidende<br />
Zeit für die Entwicklung<br />
des Gehirns und die<br />
Genuss- oder<br />
Kettenraucher?<br />
Ob ein Raucher später<br />
Gelegenheits- oder<br />
Kettenraucher ist, wird maßgeblich<br />
von dessen Genen bestimmt.<br />
Eine internationale<br />
Forschergruppe unter Beteiligung<br />
Greifswalder Wissenschaftler<br />
hat die genetische<br />
Veranlagung des Raucherverhaltens<br />
in den Nikotinrezeptoren<br />
nachgewiesen. In der<br />
Studie, bei der weltweit<br />
41 000 Menschen untersucht<br />
wurden, sei nun erstmals<br />
nachgewiesen worden, dass<br />
die Zahl der täglich gerauchten<br />
Zigaretten durch bestimmte<br />
Variationen in den<br />
Genen der Nikotinrezeptoren<br />
beeinflusst werde. Bislang sei<br />
man davon ausgegangen, dass<br />
das Suchtverhalten vor allem<br />
durch den unterschiedlichen<br />
Nikotinabbau durch Enzyme<br />
in der Leber beeinflusst werde.<br />
Auch wenn Gene maßgeblich<br />
das Raucherverhalten beeinflussten,<br />
sei der Griff zur<br />
ersten Zigarette aus Sicht der<br />
Forscher vor allem von psycho-sozialen<br />
Faktoren abhängig.<br />
Deshalb komme der Prävention<br />
eine entscheidende<br />
Bedeutung zu (dpa, 3.5.2010).<br />
Fernsehen schadet Kleinkindern<br />
Entstehung von Verhalten,<br />
erläuterte die federführende<br />
Autorin Linda S. Pagani. Besonders<br />
auffällig sei gewesen,<br />
dass die Vielgucker mehr<br />
Probleme mit ihren Klassenkameraden<br />
hatten und häufiger<br />
gehänselt, zurückgewiesen<br />
oder auch angegriffen<br />
wurden. Darüber hinaus waren<br />
sie am Wochenende 13<br />
Prozent weniger aktiv und<br />
betätigten sich insgesamt 9<br />
Prozent weniger sportlich.<br />
Sie naschten 10 Prozent<br />
mehr zwischen den Mahlzeiten<br />
und wogen schon als<br />
Zehnjährige 5 Prozent mehr<br />
(dpa, 10.5.2010; Archives of<br />
Pediatric & Adolescent Medicine,<br />
Bd. 164, S. 425).<br />
Foto: Robert-Koch-Institut<br />
Das Erbe Robert Kochs<br />
Unter dem Titel „MenschMikrobe“ – Das Erbe Robert Kochs und die<br />
moderne Infektionsforschung starten die Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />
und das Robert-Koch-Institut am 2. Juni 2010 in Berlin eine gemeinsame<br />
Wanderausstellung zur Infektionsmedizin. Was sind Mikroben? Wie entstehen<br />
Infektionen? Wie lassen sich Seuchen kontrollieren? In zehn Themenstationen<br />
will die Ausstellung, die dort bis 6. Juli zu sehen ist, diese und andere Fragen<br />
beantworten. Danach wandert sie nach Bonn und Würzburg. Anlass der Ausstellung<br />
ist der hundertste Todestag des Nobelpreisträgers und Mitbegründers<br />
der Bakteriologie, Robert Koch, am 27. Mai 2010.<br />
Abbildung oben: Robert Koch bei seiner Schlafkrankheits-Expedition am Victoriasee<br />
1906/07, hier zusammen mit seinem Assistenten Friedrich Karl Kleine.<br />
Künstliche Muskeln<br />
Forscher haben im Labor<br />
ein elastisches Muskelprotein<br />
künstlich nachgebaut.<br />
Das neue Material kann<br />
womöglich als Ausgangspunkt<br />
für künstliche Muskeln<br />
dienen, ein Test zur Bioverträglichkeit<br />
stehe aber noch<br />
aus. Ein kanadisches Team<br />
um Hongbin Li hatte sich das<br />
Muskelprotein Titin zum<br />
Vorbild genommen. Es ist unter<br />
anderem daran beteiligt,<br />
einen gedehnten Muskel „zurückzustellen“<br />
und verleiht<br />
den Muskeln ihre Elastizität.<br />
Wie die Wissenschaftler im<br />
Journal „Nature“ berichten,<br />
sei das neue Material biologisch<br />
abbaubar und könnte<br />
daher im Körper auch als ei-<br />
ne Art Schablone oder Form<br />
eingesetzt werden, um das<br />
Wachstum neuen Gewebes<br />
zu unterstützen oder in die<br />
gewünschte Form oder Richtung<br />
zu leiten. Ein begleitender<br />
Kommentar weist darauf<br />
hin, dass in diesem Fall darauf<br />
geachtet werden müsse,<br />
dass die dabei entstehenden<br />
kleinen Bruchstücke das Immunsystem<br />
nicht reizten<br />
(dpa, 10.5.2010; DOI: 10.<br />
1038/nature09024).<br />
Vera Müller
428 BÜCHER <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Lesen und<br />
lesen lassen<br />
Pflichtlektüre für<br />
Prüfer<br />
Copy and paste“ ist die verharmlosende<br />
wie brisante Formulierung<br />
für geistigen Diebstahl in der elektronischen<br />
Variante. Schüler, Studierende,<br />
Doktoranden wie Professoren nutzen<br />
diese Technik: Das Resultat ist in allen<br />
Formen das „Wissenschaftsplagiat“.<br />
Diesem realen Phänomen hat verdienstvollerweise<br />
der Jurist Volker Rieble eine<br />
höchst informative, aufrüttelnde Studie<br />
gewidmet, die zur Pflichtlektüre aller<br />
Prüfer und Hüter der wissenschaftlichen<br />
Redlichkeit werden sollte.<br />
Abgeschrieben, abgekupfert und verfälschend<br />
(oder gar nicht) zitiert wird<br />
wohl seit Erfindung der Schreibkunst.<br />
Selbst die Schönen Künste kennen das<br />
Bildzitat, die mehr oder weniger plumpe<br />
Übernahme von Motiven oder Szenen<br />
aus früheren Kunstwerken zur Erhöhung<br />
des eigenen Ruhms. Das elektronische<br />
Zeitalter hat allerdings zwei Neuerungen<br />
in die „Technik des Plagiierens“ eingebracht,<br />
wie V. Rieble zu Recht herausarbeitet:<br />
Das digitale Netz nimmt „dem<br />
Plagiator … die Mühe des Abschreibens<br />
ab. Andererseits muß … der Plagiator befürchten,<br />
daß seine Netzpublikation wegen<br />
ihrer freien Zugänglichkeit leichter<br />
als Plagiat aufgedeckt wird.“ (S. 52)<br />
Akribisch und unter Berücksichtigung<br />
des – erschreckend umfangreichen<br />
– Schrifttums sowie der Rechtsprechung<br />
zum Thema „wissenschaftliche Fälschungen“<br />
führt der Autor in die Thematik ein<br />
und zeigt die zahlreichen Schwächen<br />
und (bewussten) Nachlässigkeiten bei der<br />
Behandlung dieses „heißen Eisens“<br />
durch (zu) viele Stellen der der wissenschaftlichen<br />
Redlichkeit Verpflichteten<br />
auf. Seiner sehr couragiert vorgetragenen<br />
<strong>Kritik</strong> ist insoweit uneingeschränkt zuzustimmen,<br />
weiß der Rezensent doch aus<br />
über 25jähriger Erfahrung, wie lange man<br />
Staatsanwaltschaften in Zusammenhang<br />
mit dem unverändert blühenden Handel<br />
mit Doktortiteln und -arbeiten bedrängen<br />
muss, bis in einigen Fällen Klage erhoben<br />
und Strafen verhängt werden.<br />
Einen diskussionswürdigen Teil der<br />
Schrift bildet eine „Abrechnung“ des Au-<br />
tors mit einigen juristischen Fachkollegen,<br />
denen er verschiedenste Formen des<br />
Selbstplagiats vorwirft und – sich gelegentlich<br />
selbst einschließend – den Nachweis<br />
zu führen versucht, dass „Professoren<br />
... als Plagiatoren überwiegend Dilettanten“<br />
sind (S. 24). –<br />
Eine Pflichtlektüre<br />
also im doppelten<br />
Sinn!<br />
Volker Rieble: Das Wissenschaftsplagiat<br />
– Vom<br />
Versagen eines Systems.<br />
Vittorio Klostermann Verlag,<br />
Frankfurt/M. 2010,<br />
120 Seiten,14,80 €.<br />
Universitätsprofessor Dr. Dr. Manuel<br />
R. Theisen, LMU München<br />
Zukunft gestalten<br />
Wie wird die Welt in 20 Jahren<br />
aussehen? Wie werden wir<br />
dann leben? Geprägt wird unser künftiges<br />
Leben von dem, was heute erforscht<br />
wird. Daher hat es sich die Max-Planck-<br />
Gesellschaft zur Aufgabe gemacht, einen<br />
Überblick über die Wissensgebiete<br />
zu vermitteln, die sich derzeit besonders<br />
dynamisch und vielversprechend entwickeln.<br />
Erst mit ihrem Ausstellungszug<br />
„Expedition Zukunft“, der im Wissenschaftsjahr<br />
2009 durch Deutschland<br />
rollte, und jetzt auch in Buchform werden<br />
<strong>Forschung</strong>sergebnisse aus Naturwissenschaft<br />
und Technik schlaglichtartig<br />
präsentiert und auf ihre Bedeutung<br />
für die Zukunft hin befragt. Entwicklungstrends<br />
werden prognostiziert, wobei<br />
so manche Prognose noch in Frageform<br />
formuliert ist. Zahlreiche Fotos illustrieren<br />
die faszinierende Welt der<br />
Wissenschaft. Es ist ein Buch, das mit<br />
viel Optimismus hervorhebt, wie mit<br />
Wissenschaft und <strong>Forschung</strong> Zukunft<br />
gestaltet werden kann.<br />
Max-Planck Gesellschaft<br />
(Hg.): Expedition Zukunft –<br />
Science Express. Wie Wissenschaft<br />
und Technik unser<br />
Leben verändern, WBG,<br />
Darmstadt 2009, 274 Seiten,<br />
24,90 €.<br />
Ina Lohaus<br />
BÜCHER ÜBER<br />
WISSENSCHAFT<br />
Christiane Bender: Podium und<br />
Pampers<br />
Mattes Verlag Heidelberg 2010,<br />
256 Seiten, 14,80 €.<br />
Maxwell R. Bennett / Peter M.<br />
Hacker: Die philosophischen<br />
Grundlagen der Neurowissenschaften<br />
Wissenschaftliche Buchgesellschaft,<br />
Darmstadt 2010, 624 Seiten,<br />
79,90 €.<br />
Clemens Knobloch: Wir sind<br />
doch nicht blöd<br />
Die unternehmerische Hochschule,<br />
Verlag Westfälisches Dampfboot,<br />
Münster 2010, 264 Seiten,<br />
24,90 €.<br />
Stephan Leibfried (Hg.): Die<br />
Exzellenzinitiative<br />
Zwischenbilanz und Perspektiven.<br />
Campus Verlag, Frankfurt/<br />
New York 2010, 313 Seiten,<br />
19,90 €.<br />
Hildegard Macha u.a.: Gleichstellung<br />
und Diversity an der<br />
Hochschule<br />
Implementierung und Analyse<br />
des Gender Mainstreaming-Prozesses.<br />
Verlag Budrich UniPress,<br />
Leverkusen 2010, 375 Seiten,<br />
42,- €.<br />
Thomas H. Osburg: Hochschulsponsoring<br />
als Corporate<br />
Citizenship<br />
Logos Verlag, Berlin 2010,<br />
318 Seiten, 40,50 €.<br />
Regine Rompa: Karriere am<br />
Campus<br />
Traumjobs an Uni und FH.<br />
Gabler Verlag, Wiesbaden 2010,<br />
200 Seiten, 27,95 €.<br />
Wolf Wagner: Tatort Universität<br />
Vom Versagen deutscher Hochschulen<br />
und ihrer Rettung.<br />
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2010,<br />
187 Seiten, 16,90 €.
430 LESERFORUM <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Zustimmung<br />
und Widerspruch<br />
Heft 4: Hochschulmedizin<br />
Modellstudiengang<br />
Medizin in Aachen<br />
Mit Interesse aber auch<br />
mit einiger Verwunderung<br />
habe ich unter der<br />
Überschrift „Die bisher<br />
mutigste Reform des<br />
Medizinstudiums“ – mit<br />
dem Unterthema „Über den deutschlandweit<br />
ersten Reformstudiengang Medizin“<br />
– ein Interview mit Herrn Gerhard Gaedicke,<br />
Leiter des Reformstudiengangs<br />
Medizin an der Charité, gelesen.<br />
Es stimmt zwar, dass die Charité im<br />
Wintersemester 1999/2000 erstmals in<br />
Deutschland einen Reformstudiengang<br />
Medizin eingeführt hat, der parallel zum<br />
weiter bestehenden Regelstudiengang<br />
angeboten wurde. Ob es sich dabei um<br />
das bisher mutigste Reformkonzept handelt,<br />
mag dahingestellt bleiben. Der<br />
Aachener Modellstudiengang Medizin,<br />
der im Jahr 2003 für alle Medizinstudierenden<br />
verbindlich eingeführt wurde, ist<br />
mindestens so mutig wie der von Herrn<br />
Gaedicke in den höchsten Tönen gelobte<br />
Reformstudiengang an der Charité, da<br />
er die Trennung zwischen dem vorklinischen<br />
und klinischen Teil des Studiums<br />
völlig aufgehoben hat und von Beginn<br />
des Studiums an eine praxisnahe Ausbildung<br />
garantiert. Er wird in <strong>Forschung</strong> &<br />
<strong>Lehre</strong> 5/2009 eingehend geschildert. Als<br />
es in dem Interview um weitere Reformund<br />
Modellstudiengänge in Deutschland<br />
geht, wird der Aachener Modellstudiengang<br />
von Herrn Gaedicke nicht erwähnt.<br />
Bundesweit hat der Aachener<br />
Modellstudiengang durch die Verleihung<br />
des Preises des Hartmannbundes<br />
für Ausbildung an den Medizinischen<br />
Fakultäten im Jahr 2009 große Anerkennung<br />
gefunden. Man mag Herrn<br />
Gaedicke zugute halten, dass er eine<br />
große Begeisterung für den Reformstudiengang<br />
der Medizin an der Charité<br />
hegt. Dies sollte jedoch nicht den Blick<br />
auf eine mutige Ausbildung der Medizinstudierenden<br />
an anderen Standorten<br />
trüben.<br />
Es ist fast konsequent, dass auch im folgenden<br />
Artikel in <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
über alternative Modelle des Medizin-<br />
Studiums in Deutschland, in dem exemplarisch<br />
ein Regelstudiengang (Marburg),<br />
ein Reformstudiengang (Greifswald)<br />
und ein Modellstudiengang (Hannover)<br />
vorgestellt werden, der Aachener<br />
Modellstudiengang nicht erwähnt wird.<br />
Wie diese Auswahl zustande gekommen<br />
ist, bleibt ein Geheimnis.<br />
Professor Dr. med. Johannes Noth, RWTH<br />
Aachen<br />
Heft 4: DFG und DHV<br />
gegen Publikationsflut<br />
Quantität und Qualität<br />
abwägen<br />
Viel öffentlichen Beifall<br />
hat die Entscheidung<br />
der DFG ausgelöst, bei<br />
Anträgen und Berichten<br />
nur mehr die Nennung<br />
einer vorab begrenzten<br />
Zahl von Veröffentlichungen<br />
zuzulassen. Damit soll der Schwerpunkt<br />
der Bewertungen verstärkt auf<br />
die Qualität der Inhalte und weniger auf<br />
ihre bloße Anzahl gerichtet werden.<br />
Darüber hinaus werden quantitative Indikatoren<br />
der <strong>Forschung</strong>sleistung (wie<br />
z.B. des Impacts von Publikationen) als<br />
ungeeignet kritisiert und das inhaltliche<br />
Urteil in den Vordergrund gestellt.<br />
So sehr jede <strong>Kritik</strong> an Informationsund<br />
Veröffentlichungsflut sofort Reflexe<br />
der Zustimmung auslöst, so sehr wird<br />
die Begeisterung über die Maßnahme<br />
der DFG durch eingehenderes Nachdenken<br />
gedämpft.<br />
Sicher ist die bloße Zahl von Publikationen<br />
kein Maßstab für die wissenschaftliche<br />
Qualität. Dies ist jedem<br />
DFG-Gutachter hinreichend bekannt.<br />
Und doch muss die Leistung eines Antragstellers,<br />
der in den letzten Jahren<br />
zehn herausragende Veröffentlichungen<br />
vorgelegt hat, höher eingeschätzt werden<br />
als die eines Antragstellers mit nur<br />
fünf ausgezeichneten Publikationen.<br />
Warum sollen diese Informationen den<br />
Gutachtern vorenthalten werden?<br />
Traut man ihnen kein Urteil zu, das<br />
Qualität und Quantität vernünftig miteinander<br />
abwägt? Die in der neuen<br />
Maßnahme enthaltene Bevormundung<br />
der Gutachter ist schwer nachzuvollziehen.<br />
Der zweite <strong>Kritik</strong>punkt betrifft<br />
quantitative Leistungsindikatoren. Hier<br />
werden von der DFG sogenannte Impact-Indizes<br />
(z.B. der Hirsch-Index) genannt,<br />
wobei die Höhe der eingeworbenen<br />
Drittmittel interessanterweise von<br />
der <strong>Kritik</strong> ausgenommen wird. Auch<br />
hier findet man schnell Zustimmung,<br />
wenn man die These verteidigt, dass<br />
sich die Komplexität wissenschaftlicher<br />
Qualifikation nicht auf eine Zahl reduzieren<br />
lasse. Die eigene Einschätzung<br />
erscheint naturgemäß immer vertrauenswürdiger<br />
als eine undurchsichtige<br />
Quantität. Aber auch hier lohnt es sich,<br />
einmal genauer über die Aussagekraft<br />
der Indikatoren nachzudenken und deren<br />
Bedeutung für das eigene Urteil in<br />
Betracht zu ziehen. Indikatoren des Impacts<br />
beruhen nämlich überwiegend auf<br />
einer Beurteilung der Bedeutung des Inhalts<br />
einer Publikation, die sich in der<br />
Häufigkeit ihrer Zitierung niederschlägt.<br />
Sicher gibt es, wie bei allen Maßen,<br />
Fehlereinflüsse wie Selbstzitierungen,<br />
Anzahl der Koautoren, Lebensalter<br />
etc., die jedoch von Fachleuten übereinstimmend<br />
als unbedeutend bzw. leicht<br />
korrigierbar angesehen werden. Von daher<br />
reflektieren entsprechende Indizes<br />
das Urteil der Fachkollegen, das man<br />
zwar keineswegs unkritisch übernehmen,<br />
aber in seiner eigenen Urteilsbildung<br />
berücksichtigen sollte. So wie ein<br />
Herausgeber einer Zeitschrift das Urteil<br />
mehrerer Reviewer heranzieht, sollte<br />
ein akademischer Entscheider die Resonanz<br />
zur Kenntnis nehmen, welche die<br />
wissenschaftlichen Arbeiten eines Antragstellers<br />
oder Bewerbers in der<br />
„scientific community“ bislang gefunden<br />
hat. Dass diese Information in<br />
quantifizierter Form vorliegt, sollte<br />
selbst bei ausgeprägter Mathematikfeindlichkeit<br />
nicht gleich im Vorhinein<br />
zur Zurückweisung führen. Der kategorische<br />
Verzicht auf diese Information ist<br />
im Rahmen einer verantwortlichen Urteilsbildung<br />
nicht zu rechtfertigen.<br />
Von daher erscheint mir die Initiative<br />
der DFG außerordentlich problematisch<br />
und nicht als geeignetes Instrument<br />
zur Förderung wissenschaftlicher<br />
Qualität.<br />
Professor Dr. Fritz Strack, Universität Würzburg
Universitäts- und<br />
Hochschullehrerrecht<br />
185 Gerichtsentscheidungen in Kurzform<br />
Im Rahmen der Föderalismusreform haben Bund und<br />
Länder die Gesetzgebungszuständigkeiten neu geordnet.<br />
So hat der Bund im Hochschulbereich seine Rahmengesetzgebungskompetenz<br />
aufgegeben. Die Länder<br />
können nun noch weitergehender in eigener Zuständigkeit<br />
die Hochschulorganisation regeln. Diese umfasst<br />
Themen wie den zentralen oder dezentralen Hochschulaufbau,<br />
den Ablauf von Berufungsverfahren, den Zugang<br />
zum Hochschulstudium oder auch die Einführung von<br />
Studiengebühren. Seit der Föderalismusreform obliegt<br />
den Ländern auch die Regelung der Professorenbesoldung<br />
und des Beamtenrechtes. Von den übertragenen<br />
Gesetzgebungskompetenzen haben die Länder<br />
in unterschiedlicher Intensität Gebrauch gemacht.<br />
Anhand der Rechtsprechung wird deutlich, dass Fragen<br />
der Arbeitsfähigkeit der Professur (Ausstattung), der<br />
Freiheit von <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong> für den Hochschullehrer<br />
sowie der Zugang zum Professorenberuf und damit<br />
die Rechtmäßigkeit des Berufungsverfahrens für die<br />
einzelnen Mitglieder der Hochschule von zentraler<br />
Bedeutung sind.<br />
Diese Komplexe und viele weitere Themen im Hochschulbereich<br />
dokumentiert die vorliegende Rechtsprechungssammlung<br />
„Universitäts- und Hochschullehrerrecht“.<br />
Sie stellt Entscheidungen aus den Jahren<br />
2003 bis 2008 in komprimierter Form dar. Die Auswahl<br />
orientiert sich dabei daran, welche Entscheidungen für<br />
die Praxis von besonderer Bedeutung sind.<br />
236 Seiten, 24,90 Euro inkl. Porto<br />
(für Mitglieder des Deutschen<br />
Hochschulverbandes 21,90 Euro inkl. Porto).<br />
ISBN 978-3-924066-91-8<br />
Sie interessieren sich nicht nur für den aktuellen Sammelband, sondern auch für seine beiden<br />
Vorgänger aus den Jahren 1999 und 2003? In diesem Fall bietet Ihnen der Deutsche Hochschulverband<br />
einen Paketpreis von nur 45,- Euro inkl. Porto (für Mitglieder 40,- Euro inkl. Porto) an.<br />
Deutscher Hochschulverband<br />
Rheinallee 18<br />
53173 Bonn<br />
E-Mail: dhv@hochschulverband.de<br />
Fax: 0228 / 902 66 80
432 RECHT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Entscheidungen<br />
Konkurrentenstreit<br />
im Universitätsklinikum<br />
Die Antragstellerin ist medizinische<br />
Universitätsprofessorin im Beamtenverhältnis<br />
auf Lebenszeit und leitet<br />
eine medizinische Abteilung im Universitätsklinikum.<br />
Der Klinikumsvorstand<br />
beschloss eine Umstrukturierungsmaßnahme,<br />
wonach die bisherige Abteilung<br />
der Antragstellerin reduziert und teilweise<br />
in eine neu zu gründende Abteilung<br />
ausgegliedert werden sollte. Ferner<br />
sollte eine weitere medizinische Professur<br />
ausgeschrieben und dem ausgewählten<br />
Bewerber die Leitung der neugeschaffenen<br />
Abteilung übertragen werden.<br />
Die Umstrukturierungsmaßnahme<br />
in der Abteilung sollte mit Rufannahme<br />
des künftigen Professurinhabers wirksam<br />
werden. Die Antragstellerin zog<br />
vor Gericht mit dem Ziel, der Universität<br />
bzw. dem Ministerium die Berufung<br />
und Ernennung verbieten zu lassen.<br />
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-<br />
Württemberg wies die Klage ab. Beeinträchtigungen<br />
der wissenschaftlichen<br />
Betätigung seien durch die Berufung<br />
und Ernennung eines Bewerbers auf die<br />
ausgeschriebene Professur nicht zu besorgen.<br />
Die Antragstellerin habe kein<br />
Recht auf die alleinige Vertretung des<br />
übertragenen Faches. Auch im Hinblick<br />
auf den Bereich der Krankenversorgung<br />
sei eine Rechtsverletzung nicht erkennbar.<br />
Zwar gehöre die Wahrnehmung<br />
von Krankenversorgungsaufgaben<br />
zu den der AntragstellerinübertragenenDienstaufgaben,<br />
die auch gerichtlich<br />
verteidigt<br />
werden könnten.<br />
Aus den von der<br />
Antragstellerin allein<br />
angegriffenen<br />
Maßnahmen der<br />
Berufung und Ernennung<br />
ergebe<br />
sich aber keine Änderung<br />
der Krankenversorgungsaufgaben.<br />
Derartige<br />
Auswirkungen ergäben<br />
sich vielmehr<br />
erst aus weiteren<br />
Organisationsmaßnahmen<br />
des Universitätsklinikums.<br />
Diese würden zwar<br />
automatisch mit<br />
der Annahme des<br />
Rufs auf die ausgeschriebeneProfessur<br />
wirksam, seien also faktisch an die<br />
Berufung und Ernennung eines weiteren<br />
Professors gebunden. Eine rechtlich<br />
relevante Verknüpfung dergestalt, dass<br />
sich die Universität und das Ministerium<br />
den Organisationsbeschluss des Klinikums<br />
zurechnen lassen müssten, liege<br />
jedoch nicht vor. Insoweit sei zu berücksichtigen,<br />
dass das Klinikum als<br />
rechtsfähige Anstalt des öffentlichen<br />
Rechts verselbständigt sei.<br />
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg,<br />
9. Senat, Beschluss vom 3. Februar 2010,<br />
Az. 9 S 2586/09<br />
Foto: mauritius-images<br />
Kann ein verrenteter<br />
Wissenschaftler apl.<br />
Professor werden?<br />
Die Klägerin war bis zum Eintritt in<br />
den Ruhestand als Lehrkraft für<br />
besondere Aufgaben an der Universität<br />
beschäftigt. Sie habilitierte kurz vor<br />
dem Ausscheiden aus dem aktiven<br />
Dienst und beantragte im Nachhinein<br />
die Verleihung des Titels „außerplanmäßige<br />
Professorin“. Der Dekan lehnte die<br />
Einleitung des Verfahrens zur Verleihung<br />
der außerplanmäßigen Professur<br />
mit der Begründung ab, dass die Leistungen<br />
der Klägerin in <strong>Forschung</strong> und<br />
<strong>Lehre</strong> mit der kurz vor dem Ruhestand<br />
erfolgten Habilitation angemessen gewürdigt<br />
seien. Gegen diesen Ablehnungsbescheid<br />
setzte sich die Klägerin<br />
zur Wehr.<br />
Das saarländische Oberverwaltungsgericht<br />
stellte klar, dass kein einklagbarer<br />
Anspruch auf die Ernennung<br />
zur „außerplanmäßigen Professorin“<br />
bestehe. Das einschlägige Hochschulgesetz<br />
bestimme, dass die Verleihung der<br />
akademischen Bezeichnung „außerplanmäßige<br />
Professorin“ u.a. davon abhänge,<br />
ob die Einstellungsvoraussetzungen<br />
für Professoren erfüllt seien. Hiervon<br />
würden ausdrücklich auch die allgemeinen<br />
dienstrechtlichen Voraussetzungen<br />
erfasst. Diese seien hier nicht<br />
erfüllt, weil die Klägerin bereits im Zeitpunkt<br />
des Antrags auf Verleihung der<br />
außerplanmäßigen Professur das Pensionsalter<br />
einer Universitätsprofessorin<br />
überschritten habe.<br />
(Oberveraltungsgericht des Saarlandes,<br />
3. Senat, Urteil vom 26. Juni 2009,<br />
Az. 3 A 154/08)<br />
Wiltrud Christine Radau<br />
LESERSERVICE<br />
Die Entscheidungen der Rubrik<br />
„Recht“ können in vollem Wortlaut<br />
bestellt werden bei:<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>, Rheinallee 18<br />
53173 Bonn, Fax: 0228/9026680,<br />
E-Mail: infoservice@forschungund-lehre.de
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> STEUERRECHT 433<br />
Steuerrecht<br />
aktuell<br />
Ausländischer<br />
Lehrauftrag<br />
Eine Lehrtätigkeit, die ein in einem<br />
Mitgliedsstaat der EU Steuerpflichtiger<br />
– im Dienst einer juristischen<br />
Person des öffentlichen Rechts, die sich<br />
in einem anderen Mitgliedsstaat befindet<br />
(im vorliegenden Fall an einer französischen<br />
Universität) – ausübt, fällt in<br />
den Anwendungsbereich von Artikel 49<br />
des Vertrages zur Gründung der Europäischen<br />
Gemeinschaft, wenn die Tätigkeit<br />
nebenberuflich und quasi ehrenamtlich<br />
ausgeübt wird. Der Europäische<br />
Gerichtshof hat am 18. Dezember 2007<br />
unter der Rechtssache C-281/06 entschieden,<br />
dass eine Beschränkung der<br />
Dienstleistungsfreiheit darin liegt, dass<br />
nach deutschem Recht nur das Entgelt,<br />
das Universitäten im Inland für nebenberufliche<br />
Lehrtätigkeit zahlen, von der<br />
Einkommensteuer befreit ist, aber eine<br />
solche Steuerbefreiung nicht für eine<br />
solche nebenberufliche Tätigkeit an ausländischen<br />
Hochschulen gelte. Eine solche<br />
Regelung stehe nicht im Einklang<br />
mit dem EU-Gemeinschaftsrecht, auch<br />
wenn die Länder für die Gestaltung ihres<br />
Bildungssystems zuständig seien.<br />
Gemäß § 3 Nr. 26 EStG sind Aufwandsentschädigungen<br />
für nebenberufliche<br />
Tätigkeiten als Übungsleiter/Aus-<br />
bilder/Erzieher und für vergleichbare<br />
nebenberufliche Tätigkeiten im Dienste<br />
einer juristischen Person des öffentlichen<br />
Rechts steuerfrei, und zwar bis zur<br />
Höhe von 2 100 Euro im Jahr. Bisher<br />
wurde dieser sogenannte „Übungsleiterfreibetrag“<br />
nur auf deutsche juristische<br />
Personen des öffentlichen Rechts ange-<br />
wandt. Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs<br />
auf der Grundlage des<br />
Urteils des Europäischen Gerichtshofs<br />
ist nun aber geklärt, dass die Regelung<br />
auch auf entsprechende nebenberufliche<br />
ehrenamtliche ausländische Tätigkeiten<br />
auszuweiten ist. Das Merkmal<br />
„inländisch“ in § 3 Nr. 26 EStG ist bei<br />
der Rechtsanwendung nicht zu beachten,<br />
so dass – wie im vorliegenden Fall –<br />
ein deutscher Hochschullehrer, der für<br />
820 Euro im Jahr an der Universität<br />
Straßburg einen Lehrauftrag durchführt,<br />
entsprechend § 3 Nr. 26 EStG<br />
diese Einkünfte in Deutschland einkommensteuerfrei<br />
erzielt.<br />
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.7.2008<br />
– VIII R 101/02<br />
Studiengebühren<br />
Studiengebühren für den Besuch einer<br />
(privaten) Hochschule sind<br />
nicht als außergewöhnliche Belastung<br />
bei der Einkommensteuer abziehbar.<br />
Foto: mauritius-images<br />
Eltern hatten für das Studium ihres 22jährigen<br />
Sohnes an einer privaten<br />
Hochschule Studiengebühren in Höhe<br />
von 7 080 Euro gezahlt, die sie in ihrer<br />
Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche<br />
Belastung geltend machen<br />
wollten.<br />
Das Finanzamt ließ den Abzug der<br />
Aufwendungen nicht zu, gewährte jedoch<br />
wegen der auswärtigen Unterbringung<br />
des Sohnes den Sonderbedarfsfreibetrag<br />
nach § 33 a Abs. 2 Satz 1 EStG.<br />
Der Bundesfinanzhof hat die Studiengebühren<br />
aber weder nach § 33 a<br />
Abs. 2 EStG noch nach § 33 EStG als<br />
außergewöhnliche Belastung anerkannt.<br />
Es handele sich um „üblichen<br />
Ausbildungsbedarf und zwar selbst<br />
dann, wenn die Aufwendungen im Einzelfall<br />
außergewöhnlich hoch und für<br />
die Eltern unvermeidbar seien“. Der übliche<br />
Ausbildungsbedarf werde in erster<br />
Linie durch das Kindergeld und den<br />
Kinderfreibetrag abgegolten. Insofern<br />
sei eine Berücksichtigung von zusätzlichen<br />
Kosten für den Unterhalt und die<br />
Ausbildung eines Kindes grundsätzlich<br />
ausgeschlossen und nicht verfassungsrechtlich<br />
bedenklich.<br />
Unstreitig steht daher Eltern zur Abgeltung<br />
des Sonderbedarfs eines sich in<br />
der Berufsausbildung befindlichen, auswärtig<br />
untergebrachten, volljährigen<br />
Kindes ein Freibetrag in Höhe von 924<br />
Euro je Kalenderjahr gemäß § 33 a Abs.<br />
2 Satz 1 EStG zu. Zusätzliche Voraussetzung<br />
dafür ist, dass für dieses Kind<br />
ein Anspruch auf einen Freibetrag nach<br />
§ 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld<br />
besteht.<br />
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.12.2009<br />
– VI R 63/08<br />
Kindergeld<br />
Nach dem Einkommensteuergesetz<br />
ist ein Kind kindergeldrechtlich<br />
zu berücksichtigen, das für einen Beruf<br />
ausgebildet wird.<br />
Zur Berufsausbildung gehört auch<br />
die Schulausbildung und die ernsthafte<br />
Vorbereitung auf die Berufsausbildung,<br />
wenn die Berufsziele noch nicht erreicht<br />
sind. Die ernsthafte Vorbereitung<br />
auf ein Abitur für Nichtschüler ist – zumindest<br />
ab dem Monat der Anmeldung<br />
zur Prüfung – als Berufsausbildung anzusehen.<br />
Bundesfinanzhof – Urteil vom 18.3.2009<br />
– III R 26/06<br />
Birgit Ufermann
434 KARRIERE-PRAXIS <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Gefühle und<br />
kaltes Kalkül<br />
Ursachen und Folgen<br />
von Mobbing<br />
| PETER T EUSCHEL | Der Umgang mit<br />
dem schwierigen Thema Mobbing ist geprägt durch Vorurteile<br />
und irrationale Annahmen. Dabei ist eine differenzierte<br />
Herangehensweise wichtiger denn je. Was genau passiert<br />
beim Mobbing? Wie können Betroffene sich am besten<br />
schützen?<br />
Nach einer Untersuchung<br />
der Bundesanstalt<br />
für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin aus dem Jahr<br />
2005 sind etwa eine Million<br />
Personen in Deutschland direkt<br />
von Mobbing betroffen.<br />
Wohlgemerkt, es ist hier<br />
nicht die Rede von allgemeinen<br />
Arbeitskonflikten, die als<br />
ubiquitäres Phänomen überall<br />
dort auftreten, wo Menschen<br />
miteinander interagieren.<br />
Die Abgrenzung echter<br />
Mobbinghandlungen von anderen<br />
Konfliktformen ist vor<br />
dem Hintergrund einer häufig<br />
anzutreffenden Ablehnung<br />
des Themas als „Modeerscheinung“<br />
essentiell.<br />
Seit Anfang der 90er Jahre<br />
gibt es sinnvolle und akzeptierte<br />
Definitionen von Mobbing.<br />
Konrad Lorenz prägte<br />
den Ausdruck 1963, als er<br />
das Verhalten einer Tiergruppe<br />
beschrieb, die sich zusammenrottet,<br />
um einen Feind in<br />
die Flucht zu schlagen. In seiner<br />
heutigen Form geht der<br />
Mobbing-Begriff zurück auf<br />
den deutsch-schwedischen<br />
Psychologen Heinz Leymann<br />
(1932-1999). Die Grundzüge<br />
seiner Definition haben sich<br />
bis heute gehalten. Danach<br />
wird von Mobbing gesprochen,<br />
wenn „negative kommunikative<br />
Handlungen“ gegen<br />
eine einzelne Person gerichtet<br />
sind und in nennenswerter<br />
Häufung (mindestens<br />
einmal pro Woche) über einen<br />
längeren Zeitraum (mindestens<br />
ein halbes Jahr) vorkommen<br />
und eine Täter-Opfer-Beziehung<br />
kennzeichnen.<br />
Leymann hatte eine Liste<br />
AUTOR<br />
Dr. med. Peter Teuschel ist Facharzt für Psychiatrie,<br />
Psychotherapie, seit 1996 in eigener Praxis in München<br />
niedergelassen. Tätigkeitsschwerpunkte: Arbeitskonflikte,<br />
insbesondere Mobbing, Essstörungen.<br />
von 45 Mobbing-Handlungen<br />
erstellt, die er seinen Untersuchungen<br />
zu Grunde legte.<br />
Diese Liste wurde im Laufe<br />
der Jahre von anderen Untersuchern<br />
auf über 100 ergänzt.<br />
Es finden sich hier z.B.<br />
Angriffe gegen die Arbeitsleistung,<br />
den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses,gegen<br />
das Ansehen, die Privatsphäre,<br />
das Selbstwertgefühl<br />
und die Gesundheit des Opfers.<br />
Esser und Wolmerath<br />
(2005) erweiterten die Definition<br />
um einen wichtigen<br />
Punkt: Ungebremstes Mobbing<br />
führt in allen Fällen zu<br />
einer Beeinträchtigung der<br />
psychischen Befindlichkeit<br />
und Gesundheit. Das bedeutet<br />
nicht mehr und nicht weniger,<br />
als dass ungehemmtes<br />
Mobbing in allen Fällen<br />
krankmacht.<br />
Die zeitliche Dimension<br />
einer mindestens halbjährlichen<br />
Dauer der Mobbinghandlungen<br />
sollte man heute<br />
flexibler handhaben – zu viele<br />
halten die Schikanen nicht<br />
ein halbes Jahr durch, bevor<br />
sie erkranken.<br />
Auf der Liste der Mobbinghandlungen<br />
finden sich<br />
unterschiedliche Dimensionen<br />
menschlicher Niedertracht.<br />
Die Opfer werden<br />
ignoriert und wie Luft behandelt.<br />
Man verbreitet Gerüchte,<br />
macht sich über Eigenheiten<br />
des Betroffenen lustig.<br />
Der Informationsfluss wird<br />
gestoppt, das Opfer ausgegrenzt.<br />
Es hagelt heftige unberechtigte<br />
<strong>Kritik</strong>. Man überschüttet<br />
den Betroffenen mit<br />
sinnlosen Anordnungen oder<br />
entzieht ihm im Gegenteil<br />
jegliche Aufgaben. Das Ende<br />
der Skala enthält die Androhung<br />
oder Ausübung körperlicher<br />
Gewalt.<br />
Mobbing im<br />
Hochschulbereich<br />
Im Hochschulbereich ist damit<br />
zu rechnen, dass feinere<br />
und indirektere Mobbinghandlungen<br />
vorherrschen als<br />
z.B. in einem Handwerksbetrieb.<br />
Da verschwinden Da-<br />
teien vom Computer, werden<br />
<strong>Forschung</strong>sergebnisse manipuliert<br />
oder bewusst falsch<br />
beurteilt. Gezielte Abwertung<br />
des Opfers im Beisein anderer<br />
isoliert und entwürdigt es<br />
und nimmt ihm das Vertrauen<br />
in die eigene Kompetenz.<br />
An dieser Stelle ist nicht die<br />
Rede von vereinzelten Vorkommnissen<br />
oder gar gerechtfertigter<br />
<strong>Kritik</strong>. Diese<br />
mögen für die Betreffenden<br />
unangenehm sein, stellen<br />
aber für sich genommen kein<br />
Mobbing dar. Erst wenn wie<br />
oben geschildert die Demontage<br />
systematisch und gezielt<br />
erfolgt, spricht man von<br />
Mobbing.<br />
Die medizinischen Folgen<br />
finden sich zunächst meist im<br />
somatischen Bereich. Magenschmerzen,<br />
Übelkeit, Rückenbeschwerden<br />
sind oft erste<br />
Anzeichen des drohenden<br />
Zusammenbruchs. Auch<br />
Schlafstörungen mit nächtlichen<br />
Grübeleien treten sehr<br />
häufig bereits zu Beginn auf.<br />
Es folgen Angstgefühle und<br />
Panikattacken, zunehmende<br />
Selbstzweifel und Niedergeschlagenheit.<br />
Nicht wenige<br />
der Mobbingopfer entwickeln<br />
manifeste Suizidgedanken.<br />
Spätestens an diesem<br />
Punkt sollte eine Behandlung<br />
einsetzen. Viele der Opfer<br />
schieben den Arztbesuch aus<br />
Scham oder Selbstzweifel<br />
(„Liegt es vielleicht doch an<br />
mir?“) auf.<br />
Wer mobbt nun wen?<br />
Auch hier gibt die Untersuchung<br />
von Meschkutat Auskunft:<br />
In über 60 Prozent der<br />
Fälle ist es ein einzelner<br />
Mobber, der einen anderen<br />
auf die beschriebene Weise<br />
terrorisiert. Meist ist es der<br />
Vorgesetzte. Vor allem männliche<br />
Chefs im Alter zwischen<br />
35 und 55 Jahren mobben.<br />
Die Frage, ob es prädestinierte<br />
Opfer gibt, ist schwer<br />
zu beantworten. Prinzipiell<br />
ist niemand davor gefeit, in<br />
eine Mobbing-Situation zu<br />
geraten. Eine Studie aus Göttingen<br />
von Rammsayer und<br />
Schmiga von 2003 zeigt eine<br />
erhöhte Gefährdung einer
Foto: mauritius-images<br />
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> KARRIERE-PRAXIS 435<br />
Personengruppe, die ich als<br />
„schwierige Kreative“ bezeichnen<br />
möchte. Dies sind<br />
phantasievolle, originelle und<br />
einfallsreiche, aber auch unangepasste<br />
und eher launische<br />
Menschen. Eigenwillige<br />
Querdenker, die leicht in den<br />
Strudel echten Mobbings geraten<br />
können. Gerade im<br />
Hochschulbereich werden<br />
wir diese Menschen nicht selten<br />
finden.<br />
Mobbing zielt immer auf<br />
die Entfernung des Opfers<br />
von seinem Arbeitsplatz ab.<br />
Ursachen sind zum einen<br />
verschiedene menschliche<br />
Emotionen wie Neid, Eifersucht<br />
und Rachegelüste, jedoch<br />
auch kaltes Kalkül zum<br />
gezielten Abbau von Mitarbeitern.<br />
Was können Betroffene<br />
tun? Wichtig ist, sich Beistand<br />
zu holen. Dies kann im<br />
Umfeld des Arbeitsplatzes<br />
(Personalrat, Mobbingbeauftragter)<br />
oder extern (Mobbing-Beratungsstelle)<br />
sein.<br />
Bei medizinischen Problemen<br />
sollte der Gang zum<br />
Arzt frühzeitig erfolgen, da<br />
die gesundheitliche Abwärtsspirale<br />
zu ernsten und<br />
schwerwiegenden Erkran-<br />
kungen führen kann. Eine<br />
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />
(„Krankschreibung“)<br />
durch den Arzt ist deshalb<br />
eher die Regel als die Ausnahme.<br />
Diese löst nicht den<br />
Konflikt, bewahrt das Opfer<br />
aber vor weiteren gesundheitsschädigendenHandlungen<br />
der Mobber. In vielen<br />
Fällen ist es erforderlich, einen<br />
Anwalt einzuschalten.<br />
Mediationen oder Runde-<br />
Tisch-Gespräche bringen bei<br />
vielen Konflikten eine Lösung<br />
– bei Mobbing versagen<br />
sie, da das Ziel der Mobber<br />
nie die Einigung, sondern die<br />
Entfernung des Opfers aus<br />
dem Arbeitsumfeld ist.<br />
Folgen des Mobbings<br />
Die Folgen von Mobbing<br />
sind nicht nur auf medizinischem<br />
Gebiet katastrophal.<br />
Die entstehenden Kosten<br />
und die negativen Auswirkungen<br />
auf das Arbeitsklima,<br />
die Produktivität und den allgemeinen<br />
Krankenstand sind<br />
immens.<br />
Vor diesem Hintergrund<br />
kann allen Verantwortlichen<br />
geraten werden, sich differenziert<br />
und vorurteilsfrei über<br />
das Thema zu informieren<br />
und aufkeimenden Mobbing-<br />
Konflikten eine Abfuhr zu erteilen.<br />
Die bestehenden hierarchischen<br />
Strukturen im<br />
Hochschulbereich sind gut<br />
geeignet, um diese Art von<br />
Konflikten zu ächten und bei<br />
ihrem Auftreten zu ahnden.<br />
LITERATURTIPPS:<br />
Wird Mobbing geduldet, hat<br />
die Hierarchie versagt – zum<br />
Nachteil des Betroffenen wie<br />
auch des ganzen Arbeitsumfeldes.<br />
Esser A., Wolmerath M. Mobbing. Der Ratgeber<br />
für Betroffene und ihre Interessenvertretung.<br />
6. Auflage. Frankfurt am Main: Bund- Verlag 2005<br />
Leymann H. Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz<br />
und wie man sich dagegen wehren kann.<br />
Hamburg: Rowohlt Verlag 1993. (Neuausgabe<br />
März 2002)<br />
Meschkutat B., Stackelbeck M., Langenhoff G. Der<br />
Mobbing-Report. Repräsentativstudie für die Bundesrepublik<br />
Deutschland. Schriftenreihe der Bundesanstalt<br />
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.<br />
6. Auflage. Dortmund, Berlin, Dresden: Wirtschaftsverlag<br />
NW 2005<br />
Rammsayer T., Schmiga K. Mobbing und Persönlichkeit:<br />
Unterschiede in grundlegenden Persönlichkeitsdimensionen<br />
zwischen Mobbing-Betroffenen<br />
und Nicht-Betroffenen. Wirtschaftspsychologie,<br />
Heft 2/2003 Lengerich: Pabst Science Publishers<br />
2003<br />
Teuschel P. Mobbing. Dynamik – Verlauf – gesundheitliche<br />
und soziale Folgen. Stuttgart: Schattauer<br />
Verlag 2010
436 KARRIERE <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Habilitationen<br />
und Berufungen<br />
Theologie<br />
Dr. Detlef Dieckmann-von<br />
Bünau, Ruhr-Universität Bochum,<br />
habilitierte sich, und<br />
es wurde ihm die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Altes Testament<br />
erteilt.<br />
Prof. Dr. theol. Anna Elisabeth<br />
Gräb-Schmidt, Justus-<br />
Liebig-Universität Gießen,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Tübingen auf eine W3-<br />
Professur für Systematische<br />
Theologie/Ethik angenommen.<br />
Dr. habil. Daniel Muntenau,<br />
Universität Bamberg, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihm<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Ökumenische Theologie<br />
erteilt.<br />
PD Dr. Uta Poplutz, Universität<br />
Luzern/Schweiz, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Wuppertal auf eine W3-Professur<br />
für Biblische Theologie<br />
angenommen.<br />
Philosophie und<br />
Geschichte<br />
Prof. Dr. Philipp Gassert,<br />
Universität Augsburg, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Kassel auf eine W3-Professur<br />
für die Geschichte Großbritanniens<br />
und Nordamerikas<br />
abgelehnt.<br />
Dr. phil. Hauke Kenzler,<br />
Universität Bamberg, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihm<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Archäologie des Mittelalters<br />
und der Neuzeit erteilt.<br />
Dr. Spyridon Koutroufinis,<br />
Technische Universität Berlin,<br />
wurde die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Philosophie erteilt.<br />
PD Dr. Frank-Michael Kuhlemann,<br />
Universität Bielefeld,<br />
habilitierte sich in dem Fach<br />
Neuere Geschichte und hat einen<br />
Ruf an die Technische Universität<br />
Dresden auf eine W2-<br />
Professur für Neuere und Neueste<br />
Geschichte und Didaktik<br />
der Geschichte erhalten.<br />
Prof. Dr. Jörn Leonhard,<br />
Universität Freiburg, hat<br />
einen Ruf an die Humboldt-<br />
Universität zu Berlin auf<br />
eine W3-Professur für Europäische<br />
Geschichte des 19.<br />
Jahrhunderts erhalten<br />
Prof. Dr. Gabriele Lingelbach,<br />
Universität Bamberg,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Lüneburg auf eine W3-<br />
Professur für Geschichte erhalten.<br />
Dr. Elif Özmen, Universität<br />
München, habilitierte sich,<br />
und es wurde ihr die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Philosophie<br />
erteilt.<br />
Prof. Dr. Frank Rumscheid,<br />
Universität zu Kiel, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bonn<br />
auf eine W3-Professur für<br />
Klassische Archäologie angenommen.<br />
Prof. Dr. Philipp Ther, Europäisches<br />
Hochschulinstitut<br />
Florenz/Italien, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bamberg<br />
auf eine W2-Professur<br />
für Geschichte Mittel- und<br />
Osteuropas, mit einem<br />
Schwerpunkt in der Zeitgeschichte,<br />
angenommen.<br />
Dr. Tatjana Tönsmeyer, Universität<br />
Jena, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihr die<br />
Lehrbefugnis für die Fachgebiete<br />
Neuere und Neueste<br />
Geschichte sowie Osteuropäische<br />
Geschichte erteilt.<br />
Gesellschaftswissenschaften<br />
Prof. Dr. Georg W. Alpers,<br />
Universität Würzburg und<br />
Universität Eichstätt, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Mannheim auf eine W3-Professur<br />
für Klinische und Biologische<br />
Psychologie angenommen.<br />
Dr. rer. pol. Lutz Bornmann,<br />
Universität Kassel, habilitierte<br />
sich in dem Fach Wissenschaftsforschung.<br />
PD Dr. Heike Buhl, Universität<br />
Jena, hat einen Ruf an<br />
die Universität Bamberg auf<br />
eine W2-Professur für Psychologische<br />
Grundlagen in<br />
Schule und Unterricht angenommen.<br />
Prof. Dr. Claus-Christian<br />
Carbon, Universität Wien/<br />
Österreich, hat einen Ruf an<br />
die Universität Bamberg auf<br />
eine W3-Professur für Allgemeine<br />
Psychologie erhalten.<br />
Prof. Dr. phil. Petra Deger,<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen, hat einen Ruf an die<br />
Pädagogische Hochschule<br />
Heidelberg auf eine W3-Professur<br />
für Soziologie angenommen.<br />
Prof. Dr. phil. Marco Ennemoser,Justus-Liebig-Universität,<br />
hat Rufe an die Pädagogische<br />
Hochschule Heidelberg<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Psychologie in SonderpädagogischenHandlungsfeldern<br />
sowie an die Universität<br />
Hannover auf eine W3-Professur<br />
für Pädagogische Psychologie<br />
abgelehnt.<br />
PD Dr. Karsten Fischer,<br />
Humboldt-Universität zu<br />
Berlin, hat einen Ruf an die<br />
Universität München auf eine<br />
W3-Professur für Politische<br />
Theorie angenommen.<br />
Prof. Dr. Michael Gessler,<br />
Universität Bremen, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Paderborn auf eine W3-Professur<br />
für Bildungsmanagement<br />
und Bildungsforschung<br />
in der Weiterbildung abgelehnt.<br />
Dr. Johannes Giesecke, Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für<br />
Sozialforschung (WZB), hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Bamberg auf eine W3-Professur<br />
für Soziologie, insbesondere<br />
Methoden der empirischen<br />
Sozialforschung, erhalten.<br />
Prof. Dr. Thomas Götz, Universität<br />
Konstanz, hat einen<br />
Ruf an die Helmut-Schmidt-<br />
Universität Hamburg auf eine<br />
W3-Professur für Pädagogische<br />
Psychologie abgelehnt.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Greiner,<br />
Universität Bielefeld, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Hamburg auf eine W3-Professur<br />
für Gesundheitsmanagement<br />
abgelehnt.<br />
Dr. habil. Kristin Härtl, Universität<br />
Bamberg, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihr die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Psychologie erteilt.<br />
Dr. phil. Mathias Hegele,<br />
IfADo - Leibniz-Institut für<br />
Arbeitsforschung an der TU<br />
Dortmund, hat einen Ruf an<br />
die Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen auf eine Junior-Professur<br />
für Sportpsychologie<br />
und Motorisches Lernen erhalten.<br />
Prof. Dr. Clemens Hillenbrand,<br />
Universität zu Köln,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Oldenburg auf eine Professur<br />
für Pädagogik und Didaktik<br />
bei Beeinträchtigungen<br />
des Lernens angenommen.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> KARRIERE 437<br />
PD Dr. Lars Holtkamp,<br />
FernUniversität Hagen, wurde<br />
zum Professor für Politik<br />
und Verwaltung ernannt.<br />
Prof. Dr. Katharina Holzinger,<br />
Universität Konstanz, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Bremen auf eine W3-Professur<br />
für Internationale Beziehungen<br />
abgelehnt und das<br />
Bleibeangebot der Universität<br />
Konstanz angenommen.<br />
Dr. Frank Janning, Universität<br />
Konstanz, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Politikwissenschaft erteilt.<br />
Prof. Dr. Cornelia Kristen,<br />
Universität Göttingen, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Bamberg auf eine W3-Professur<br />
für Soziologie, insbesondereSozialstrukturanalyse,<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Wilfried Kunde,<br />
Technische Universität Dort-<br />
mund, hat einen Ruf an die<br />
Universität Bamberg auf eine<br />
W3-Professur für Allgemeine<br />
Psychologie angenommen.<br />
Dr. habil. Bernhard Kulzer,<br />
Universität Bamberg, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihm<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Psychologie erteilt.<br />
Prof. Dr. Philip Manow, Universität<br />
Heidelberg, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bremen<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Vergleichende Politische<br />
Ökonomie erhalten.<br />
Prof. Dr. Rita Meyer, Universität<br />
Trier, hat einen Ruf an<br />
die Deutsche Universität für<br />
Weiterbildung in Berlin auf<br />
eine Professur für Weiterbildungsforschung<br />
und Lebenslanges<br />
Lernen abgelehnt.<br />
PD Dr. Jens Newig, Universität<br />
Osnabrück, hat einen Ruf<br />
an die Leuphana Universität<br />
Lüneburg auf eine Professur<br />
für Sustainability and Participation<br />
angenommen.<br />
Dr. Cornelia Niessen, Universität<br />
Konstanz, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Psychologie erteilt.<br />
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach,<br />
Deutsches Jugendinstitut/Technische<br />
Universität<br />
Dortmund, hat einen Ruf an<br />
die Universität Bamberg auf<br />
eine W3-Professur für Sozialpädagogik<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Torsten Selck, Universität<br />
University of Nottingham/Großbritannien,<br />
hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Oldenberg auf eine Professur<br />
für Vergleichende Analyse<br />
politischer Systeme und/oder<br />
vergleichende Politikfeldanalyse<br />
angenommen.<br />
Jun.-Prof. Dr. Sylvia Marlene<br />
Wilz, FernUniversität Hagen,<br />
wurde zur Professorin für<br />
Organisationssoziologie und<br />
qualitative Methoden ernannt.<br />
Prof. Dr. Thomas Zittel, Cornell<br />
University/USA, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Frankfurt am Main auf eine<br />
W3-Professur für Politikwissenschaft<br />
mit Schwerpunkt<br />
Vergleichende Politikwissenschaft<br />
erhalten.<br />
Philologie und<br />
Kulturwissenschaften<br />
Jun.-Prof. Dr. Rafael Arnold,<br />
Universität Paderborn, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Rostock auf eine W3-Professur<br />
für Romanische Sprachwissenschaft<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Alexander Bergs,<br />
Universität Osnabrück, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Zürich/Schweiz auf eine Pro-<br />
Anzeige
438 KARRIERE <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
fessur für Historische Englische<br />
Sprachwissenschaft und<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Münster auf eine Professur<br />
für Englische Sprachwissenschaft<br />
abgelehnt.<br />
Dr. Benjamin Bühler, Universität<br />
Konstanz, wurde die<br />
Lehrbefugnis für die Fächer<br />
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft<br />
und Allgemeine<br />
Literaturwissenschaft erteilt.<br />
Dr. Nicola Gess, Freie Universität<br />
Berlin, hat einen Ruf<br />
an die Universität<br />
Basel/Schweiz auf eine Assistenzprofessur<br />
mit Tenure<br />
Track für Neuere deutsche<br />
Literaturwissenschaft angenommen.<br />
PD Dr. Jörn Glasenapp, Universität<br />
zu Köln, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bamberg<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Literatur und Medien angenommen.<br />
Prof. Dr. Andreas Grünewald,<br />
Universität Hamburg,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Bremen auf eine W3-<br />
Professur für die Didaktik<br />
der romanischen Sprachen<br />
angenommen.<br />
PD Dr. Geoffrey Haig, Universität<br />
zu Kiel, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bamberg<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Allgemeine Sprachwissenschaft<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Vinzenz Hediger,<br />
Ruhr-Universität Bochum,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Frankfurt am Main auf<br />
eine Professur für Filmwissenschaft<br />
erhalten.<br />
PD Dr. Hans Lösener, Universität<br />
Münster, hat einen<br />
Ruf an die Pädagogische<br />
Hochschule Heidelberg auf<br />
eine Professur für Literaturdidaktik<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. Sabine Mainberger,<br />
Freie Universität Berlin, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Bonn auf eine W2-Professur<br />
für Vergleichende Literaturwissenschaft<br />
angenommen.<br />
PD Dr. Caroline Pross, Universität<br />
St. Gallen/Schweiz,<br />
habilitierte sich in dem Fach<br />
Neuere deutsche Literaturwissenschaft.<br />
Prof. Dr. Hans-Ingo Radatz,<br />
Universität Frankfurt am<br />
Main, hat einen Ruf an die<br />
Universität Bamberg auf eine<br />
W2-Professur für Romanische<br />
Sprachwissenschaft,<br />
Schwerpunkt Hispanistik, erhalten.<br />
Dr. Christopher Schmidt,<br />
Universität Åbo Akademi in<br />
Turku/Finnland, habilitierte<br />
sich in dem Fach InterkulturelleWirtschaftskommunikation.<br />
Dr. Iris Winkler, Universität<br />
Jena, hat einen Ruf an die<br />
FAQ KARRIERE<br />
Was ist ein „Fast Track“?<br />
Universität Oldenburg auf eine<br />
W2-Professur für Didaktik<br />
der deutschen Literatur<br />
unter Einschluss der Mediendidaktik<br />
angenommen.<br />
Rechtswissenschaft<br />
PD Dr. iur. Andreas Funke,<br />
Universität zu Köln, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihm<br />
die Lehrbefugnis für die Fächer<br />
Öffentliches Recht, Europarecht,<br />
Völkerrecht und<br />
Rechtsphilosophie erteilt.<br />
Dr. Dirk Hanschel, M.C.L.,<br />
Universität Mannheim, habilitierte<br />
sich, und es wurde<br />
ihm die Lehrbefugnis für die<br />
Fächer Öffentliches Recht,<br />
Völkerrecht, Europarecht und<br />
Rechtsvergleichung erteilt.<br />
Prof. Dr. Jacob Joussen, Universität<br />
Jena, hat einen Ruf<br />
In vielen Ländern gibt es inzwischen einen deutlichen<br />
Trend dahin, als Heimathochschule schnell und ohne<br />
große normative Restriktionen auf attraktive externe Angebote<br />
für die eigenen Wissenschaftler reagieren zu können.<br />
All diese Möglichkeiten werden schlagwortartig unter<br />
dem Begriff des sog. Fast Tracks zusammengefasst.<br />
Beispiele: Erhält ein W2-Professor einen attraktiven Ruf<br />
aus dem Ausland oder wird ihm eine W3-Professur im<br />
Inland angeboten, so kann er nach Maßgabe der Landeshochschulgesetze<br />
in vielen Ländern im Zusammenhang<br />
mit Bleibeverhandlungen an der Heimathochschule ohne<br />
Ausschreibung und zum Teil auch ohne Berufungsverfahren<br />
eine höherwertige Professur erhalten. Auch können<br />
Professoren, die in einem befristeten Dienstverhältnis beschäftigt<br />
sind, (vorzeitig) auf eine unbefristete Position<br />
gelangen. Schließlich kann der sog. Tenure Track eines<br />
Juniorprofessors in derartigen Konstellationen vorgezogen<br />
werden.<br />
Regelmäßig einher geht der „Fast Track“ mit einem<br />
Ausschluss externer Konkurrenz. Realisiert wird dies<br />
durch den Verzicht auf die prinzipiell vorgesehene öffentliche<br />
Ausschreibung. Messlatte ist freilich immer das<br />
einschlägige Landeshochschulgesetz, das die aufgezeigten<br />
Möglichkeiten eröffnen muss. Kommt ausnahmsweise<br />
kein statusrechtlicher „Fast Track“ in Betracht (Hebung<br />
von „W2“ auf „W3“), bietet die W-Besoldung aber<br />
zumindest die Möglichkeit, bei attraktiven externen Angeboten<br />
substantielle Besoldungsverhandlungen auch auf<br />
„W2“ zu führen.<br />
Hubert Detmer<br />
an die Ruhr-Universität Bochum<br />
auf eine Professur für<br />
Bürgerliches Recht, Deutsches<br />
und Europäisches Arbeitsrecht<br />
und Sozialrecht<br />
angenommen und einen Ruf<br />
an die Universität Bielefeld<br />
abgelehnt.<br />
Prof. Dr. Jens Koch, Universität<br />
Konstanz, hat einen Ruf<br />
an die Universität Trier auf<br />
eine W3-Professur für Bürgerliches<br />
Recht, Handels-,<br />
Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht<br />
erhalten.<br />
Dr. Holm Putzke, Ruhr-Universität<br />
Bochum, hat einen<br />
Ruf an die Universität Passau<br />
auf eine Professur für<br />
Strafrecht angenommen.<br />
Wirtschaftswissenschaften<br />
Dr. Christian Brock, Zeppelin<br />
University Friedrichshafen/Bodensee,<br />
wurde zum<br />
Junior-Professor für Distanzhandel<br />
& Service Marketing<br />
ernannt.<br />
Prof. Dr. Herbert Dawid,<br />
Universität Bielefeld, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Konstanz auf eine W3-Professur<br />
für Betriebswirtschaftslehre<br />
abgelehnt.<br />
Prof. Dr. Stefan Dierkes,<br />
Universität Marburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Göttingen auf eine W3-Professur<br />
für Betriebswirtschaftslehre<br />
mit dem<br />
Schwerpunkt Finanzen und<br />
Controlling angenommen.<br />
Dr. Georg Gebhardt, Universität<br />
München, hat einen Ruf<br />
an die Universität Ulm auf<br />
eine W3-Professur für Volkswirtschaftslehreangenommen.<br />
Dr. Jörg Homberger habilitierte<br />
sich an der FernUniversität<br />
Hagen und es wurde<br />
ihm die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Wirtschaftsinformatik<br />
und Operations Research erteilt.
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> KARRIERE 439<br />
Univ.-Prof. Dr. Christian Koziol,<br />
Universität Hohenheim,<br />
Stuttgart, hat einen Ruf an<br />
die Freie Universität Berlin<br />
auf eine W3-Professur für<br />
Betriebswirtschaftslehre, insbesondere<br />
Betriebliche Finanzwirtschaft,<br />
abgelehnt.<br />
Dr. Mark Mietzner, Technische<br />
Universität Darmstadt,<br />
hat einen Ruf an die Zeppelin<br />
Universität Friedrichshafen<br />
auf eine Junior-Professur<br />
für Alternative Investments<br />
& Corporate Governance<br />
im Department for Corporate<br />
Management & Economics<br />
angenommen.<br />
Univ.-Prof. Dr. Stephan M.<br />
Wagner, Eidgenössische<br />
Technische Hochschule Zürich/Schweiz,<br />
hat einen Ruf<br />
an die Technische Universität<br />
München auf eine Professur<br />
für Betriebswirtschaftslehre,<br />
insbesondere Produktion<br />
und Supply Chain Management,<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Markus Walzl, Universität<br />
Bamberg, hat einen<br />
Ruf an die Universität Innsbruck/Österreich<br />
auf eine<br />
Professur für Institutionenökonomik<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. rer. pol. Barbara<br />
Elisabeth Weißenberger, Justus-Liebig-UniversitätGießen,<br />
hat einen Ruf an die<br />
Freie Universität Berlin auf<br />
eine W3-Professur für Controlling<br />
abgelehnt.<br />
Mathematik,<br />
Physik und<br />
Informatik<br />
Prof. Dr. Elisabeth André,<br />
Universität Augsburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Bamberg auf eine W3-Professur<br />
für Mensch-Computer-<br />
Interaktion angenommen.<br />
PD Dr. phil. nat. Marcus<br />
Bleicher, Universität Frankfurt<br />
a. Main, hat einen Ruf<br />
an die Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen auf eine W2-<br />
Professur auf Zeit für Theo-<br />
retische Physik mit dem<br />
Schwerpunkt Theoretische<br />
Kern- und Hadronenphysik<br />
abgelehnt.<br />
Dr. Markus Buchgeister,<br />
Universität Tübingen, hat einen<br />
Ruf an die Beuth Hochschule<br />
für Technik, Berlin,<br />
auf eine Professur für Medizinische<br />
Strahlenphysik erhalten.<br />
Dr. Jochen Dingfelder, Universität<br />
Freiburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität Bonn<br />
auf eine W2-Professur für<br />
Experimentalteilchenphysik<br />
angenommen.<br />
Dr. Mikkhail Fonin, Universität<br />
Konstanz, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Experimentalphysik erteilt.<br />
Dr. Bastian von Harrach,<br />
Universität Mainz, hat einen<br />
Ruf an die Universität Leipzig<br />
auf eine Junior-Professur<br />
für Numerik partieller Differentialgleichungen<br />
abgelehnt<br />
und einen Ruf an die Technische<br />
Universität München<br />
auf eine W2-Professur für<br />
Angewandte Mathematik angenommen.<br />
PD Dr. Mathias Kläui, Universität<br />
Konstanz, hat einen<br />
Ruf an die Universität Mainz<br />
auf eine W3-Professur für<br />
Experimentelle Physik der<br />
Kondensierten Materie abgelehnt<br />
und einen Ruf auf eine<br />
Professur am ETH-Bereich<br />
(SwissFEL-PSI und ICMP-<br />
EPEL) in Zürich/Schweiz<br />
angenommen.<br />
PD Dr. Stefan Kopp, Universität<br />
Bielefeld, hat einen Ruf<br />
an die Universität Bamberg<br />
auf eine W3-Professur für<br />
Mensch-Computer-Interaktion<br />
erhalten.<br />
Prof. Dr. Thomas Kriecherbauer,<br />
Ruhr-Universität Bochum,<br />
hat einen Ruf an die<br />
Universität Bayreuth auf eine<br />
Professur für Mathematik<br />
(Reelle Analysis) erhalten.<br />
DREI FRAGEN AN:<br />
Dr. Jan Gläscher<br />
California Institute of Technology, hat<br />
den Bernstein Preis 2009 des BMBF<br />
erhalten. Er kehrt damit nach<br />
Deutschland an das Universitätsklinikum<br />
Hamburg-Eppendorf zurück.<br />
Sie wollen erforschen, wie Menschen Entscheidungen<br />
treffen. Wie geschieht das?<br />
Meine <strong>Forschung</strong> bedient sich der funktionellen Magnetresonanztomographie,<br />
bei der man die Aktivierung des Gehirns<br />
bei der Ausübung verschiedener kognitiver Aufgaben<br />
sichtbar machen kann. Die Probanden bekommen verschiedene<br />
Stimuli präsentiert, die mit unterschiedlichen<br />
Wahrscheinlichkeiten zu einem Gewinn oder Verlust führen.<br />
Sie haben einige Sekunden Zeit, sich zwischen beiden<br />
Stimuli zu entscheiden. Danach wird ihnen mitgeteilt, ob<br />
sie gewonnen oder verloren haben. Während der Entscheidungsphase<br />
werden die beiden Stimuli miteinander verglichen,<br />
und es wird ein Erwartungswert für jeden Stimulus<br />
vom Gehirn berechnet. Hinterher wird dann dieser Erwartungswert<br />
mit dem tatsächlichen Resultat verglichen. Wenn<br />
diese beiden voneinander abweichen, wird ein sogenannter<br />
Vorhersagefehler aus der Differenz zwischen beiden berechnet.<br />
Dieser kann dann dazu benutzt werden, den Erwartungswert<br />
des gewählten Stimulus anzupassen, so dass<br />
die Vorhersagen in der Zukunft präziser werden. In meiner<br />
<strong>Forschung</strong> interessiert mich besonders, welche Gehirnregionen<br />
die Erwartungswerte von Stimuli kodieren und in<br />
welchen Regionen der Vorhersagefehler repräsentiert ist.<br />
Mich interessieren die Berechnungen, die das Gehirn anstellt,<br />
um zu einer Entscheidung zu kommen, insbesondere<br />
wie die Bewertungsprozesse beeinflusst werden können.<br />
Die Ergebnisse sollen bei der Therapie psychiatrischer<br />
Erkrankungen helfen. Geht es dabei letztlich um die Entwicklung<br />
von Medikamenten?<br />
Ich sehe meine <strong>Forschung</strong> eher als Grundlagenforschung, die<br />
sich aber auch mit neurochemischen Aspekten von Entscheidungsverhalten<br />
beschäftigt. Insbesondere verschiedene Neurotransmitter<br />
wie Dopamin und Serotonin sind für die oben<br />
erwähnten Bewertungsprozesse relevant, daher werde ich die<br />
Wirkung von diesen Transmittern auch erforschen. Beide sind<br />
Schlüsselsubstanzen in psychiatrischen Medikamenten, deren<br />
Wirkung bislang eher im Hinblick auf die Kardinalsymptome<br />
von psychiatrischen Erkrankungen erforscht wurde.<br />
Gab es Versuche, Sie in Kalifornien zu halten?<br />
Das California Institute of Technology zu verlassen fällt<br />
schon schwer, da es dort sehr einfach ist, mit interessanten<br />
Leuten für bestimmte <strong>Forschung</strong>sprojekte zu kooperieren.<br />
Dennoch bin ich durch den Bernstein-Preis in ein <strong>Forschung</strong>snetzwerk<br />
eingebunden, das meinen Interessen<br />
(Verbindung von „Computational Neuroscience“ mit funktioneller<br />
Bildgebung) genau enspricht und das auch für internationale<br />
Verhältnisse einzigartig ist.
440 KARRIERE <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Prof. Dr. Stefan Müller, Universität<br />
Erlangen-Nürnberg,<br />
hat einen Ruf an die Technische<br />
Universität Hamburg-<br />
Harburg auf eine W2-Professur<br />
für ab-initio statistische<br />
Thermodynamik und Molekulardynamik<br />
angenommen.<br />
Dr. Stefan Schumacher, Heriot-Watt<br />
University Edinburgh/Großbritannien,<br />
hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Paderborn auf eine Junior-<br />
Professur im Physik Department<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. Christoph Selter,<br />
Technische Universität Dortmund,<br />
hat einen Ruf an die<br />
Universität Klagenfurt auf eine<br />
Professur für Didaktik der Mathematik<br />
erhalten.<br />
Dr. Tatjana Stykel, Technische<br />
Universität Berlin, wurde<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Mathematik erteilt.<br />
Prof. Dr. Ingo J. Timm, Universität<br />
Frankfurt am Main,<br />
hat einen Ruf an die Universität<br />
Trier auf eine W3-Professur<br />
für Wirtschaftsinformatik<br />
erhalten.<br />
Biologie, Chemie,<br />
Geowissenschaften<br />
und<br />
Pharmazie<br />
Prof. Dr. rer. nat. Uwe Beifuss,<br />
Universität Hohenheim,<br />
Stuttgart, hat einen Ruf an<br />
die Universität Jena auf eine<br />
W3-Professur für Organische<br />
Chemie abgelehnt.<br />
Prof. Dr. Rainer Danielzyk,<br />
Universität Oldenburg, hat<br />
einen Ruf an die Universität<br />
Hannover auf eine Professur<br />
für Raumordnung und Landesplanung<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. Christoph Janiak,<br />
Universität Freiburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Düsseldorf auf eine W3-Professur<br />
für Bioanorganische<br />
Chemie erhalten.<br />
Jun.-Prof. Dr. Gregor Jung,<br />
Universität des Saarlandes,<br />
wurde zum Professor für<br />
Biophysikalische Chemie ernannt.<br />
Prof. Dr. Manfred Jung, Universität<br />
Freiburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität Mainz<br />
auf eine W3-Professur für<br />
Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie erhalten.<br />
Prof. Dr. Olaf Klepel, Universität<br />
Leipzig, hat einen<br />
Ruf an die Hochschule Lausitz<br />
(FH) auf eine W2-Professur<br />
für Technische Chemie<br />
angenommen.<br />
PD Dr. Christian Lohr, Universität<br />
Münster, hat einen<br />
Ruf an die Universität Hamburg<br />
auf eine W2-Professur<br />
FAQ RECHT<br />
für Zoologie mit Schwerpunkt<br />
Neurophysiologie und<br />
Entwicklungsbiologie angenommen.<br />
Prof. Dr. Andreas Pott, Universität<br />
Osnabrück, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Bamberg auf eine W3-Professur<br />
für Geographie-Kulturgeographie<br />
mit Schwerpunkten<br />
im Bereich der Sozial-<br />
und Bevölkerungsgeographie<br />
erhalten.<br />
Dr. Klemens Josef Rottner,<br />
Helmholtz-Zentrum für InfektionsforschungBraunschweig,<br />
hat einen Ruf an die<br />
Universität Bonn auf eine<br />
W2-Professur für Genetik<br />
angenommen.<br />
Was passiert im Falle einer Dienstunfähigkeit?<br />
Sowohl die gesetzlichen Regelungen für den Bund als<br />
auch für die Länder sehen vor, dass Beamte auf Lebenszeit<br />
auf Veranlassung des Dienstherren bzw. der zuständigen<br />
Stelle in den Ruhestand zu versetzen sind, wenn<br />
sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen<br />
Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten<br />
dauernd unfähig, d.h. dienstunfähig, sind. Als dienstunfähig<br />
kann dabei auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung<br />
innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten<br />
mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine<br />
Aussicht besteht, dass innerhalb einer jeweils näher bestimmten<br />
Frist die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt<br />
ist. Der Beamte kann auch selbst einen Antrag auf Ruhestandsversetzung<br />
wegen Dienstunfähigkeit stellen. Die<br />
Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit erfolgt dabei<br />
in aller Regel aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens.<br />
Die Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder<br />
Dienstunfähigkeit hat Auswirkungen auf den Pensionsanspruch<br />
des Beamten. Dieser ergibt sich grundsätzlich<br />
aus den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen sowie der ruhegehaltfähigen<br />
Dienstzeit. Die ruhegehaltfähige Dienstzeit<br />
errechnet sich dabei aus der in einem Beamtenverhältnis<br />
zurückgelegten Dienstzeit, aus etwaigen Vordienstzeiten<br />
sowie im Falle einer Dienstunfähigkeit zuzüglich<br />
einer sog. Zurechnungszeit. Gleichzeitig vermindert<br />
sich allerdings durch eine Versetzung in den Ruhestand<br />
wegen Dienstunfähigkeit die absolute Höhe des<br />
Ruhegehalts regelmäßig um einen sog. Versorgungsabschlag.<br />
Sonderregeln gelten dann, wenn die Dienstunfähigkeit<br />
auf einem Dienstunfall beruht.<br />
Sven Hendricks<br />
Prof. Dr. Fed Schaper,<br />
RWTH Aachen, hat einen<br />
Ruf an die Universität Magdeburg<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Systembiologie angenommen.<br />
Dr. Gunter Schmidtke, Universität<br />
Konstanz, wurde die<br />
Lehrbefugnis für die Fächer<br />
Biochemie und Molekularbiologie<br />
erteilt.<br />
PD Dr. Heiko Schoof, MPI<br />
für Züchtungsforschung<br />
Köln, hat einen Ruf an die<br />
Universität Bonn auf eine<br />
W2-Professur für Crop Bioinformatics<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. Philipp Vana, Universität<br />
Göttingen, hat einen<br />
Ruf an die Universität Göttingen<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Makromolekulare Chemie<br />
angenommen und einen<br />
Ruf an die Universität Leipzig<br />
auf eine W3- Professur<br />
für Technische Chemie der<br />
Polymere in Verbindung mit<br />
der Position eines stellvertretenden<br />
Direktors des Leibniz-Institutes<br />
für Oberflächenmodifizierung<br />
sowie einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Duisburg-Essen auf eine<br />
W3-Professur für Technische<br />
Chemie abgelehnt.<br />
Dr. Nico F.A. van der Vegt,<br />
Technische Universität<br />
Darmstadt, hat einen Ruf an<br />
die Universität Konstanz auf<br />
eine W3-Professur für Theoretische<br />
Chemie abgelehnt.<br />
Prof. Dr. Rainer Winter, Universität<br />
Regensburg, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Konstanz auf eine W3-Professur<br />
für Anorganische Chemie<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. Volker Wissemann,<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen, hat einen Ruf an die<br />
Universität Göttingen auf eine<br />
W3-Professur für Systematische<br />
Botanik abgelehnt
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> KARRIERE 441<br />
Ingenieurwissenschaften<br />
Dr.-Ing. Knut Graichen, Universität<br />
Technische Universität<br />
Wien/Österreich, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
Ulm auf eine W3-Professur<br />
für Mess- und Regelungstechnik<br />
angenommen.<br />
Prof. Dr. B. Juurlink, Universität<br />
Delft/Niederlande, hat<br />
einen Ruf an die Technische<br />
Universität Berlin auf eine<br />
W3-Professur für Architektur<br />
eingebetteter Systeme angenommen.<br />
Dr.-Ing. Jana Kertzscher hat<br />
den Ruf an der Technischen<br />
Universität Bergakademie<br />
Freiberg auf eine Professur<br />
für Elektrotechnik angenommen.<br />
Dr.-Ing. Rüdiger Schaldach,<br />
Universität Kassel, habilitierte<br />
sich in dem Fach Umweltsystemtechnik/Umweltsystemanalyse.<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Volker<br />
Schwieger, Universität Stuttgart,<br />
wurde zum W3-Professor<br />
für Ingenieurgeodäsie<br />
und Geodätische Messtechnik<br />
ernannt.<br />
Agrarwissenschaften,Ernährungswissenschaften,Veterinärmedizin<br />
Apl.-Prof. Dr. med. vet. Sabine<br />
Wenisch, Justus-Liebig-<br />
Universität Gießen, hat einen<br />
Ruf an die Justus-Liebig-<br />
Universität Gießen auf eine<br />
W2-Professur für Klinische<br />
Anatomie und Experimentelle<br />
Chirurgie erhalten.<br />
Humanmedizin<br />
Dr. med. Dirk Arnold, Universität<br />
Halle-Wittenberg,<br />
habilitierte sich in dem Fach<br />
Innere Medizin.<br />
PD Dr. med. Christopher<br />
Bernhard, Universität zu<br />
Köln, wurde die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Diagnostische<br />
Radiologie erteilt.<br />
Prof. Dr. Thomas Baukrowitz,<br />
Universität Jena, hat einen<br />
Ruf an die Universität<br />
zu Kiel auf eine W3-Professur<br />
für Physiologie erhalten.<br />
Dr. med. Michael Braun,<br />
Universität Bonn, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
erteilt.<br />
Dr. med. Jan Alexander Bucerius,<br />
Universität Bonn,<br />
wurde die Lehrbefugnis für<br />
das Fach Nuklearmedizin erteilt.<br />
PD Dr. med. Yeong-Hoon<br />
Choi, Universität zu Köln,<br />
wurde die Lehrbefugnis für<br />
das Fach Herzchirurgie erteilt.<br />
Prof. Dr. med. Hans Clusmann,<br />
Universität Bonn, hat<br />
einen Ruf an die RWTH Aachen<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Neurochirurgie angenommen<br />
und einen Ruf an die<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen auf eine W3- Professur<br />
für Neurochirurgie abgelehnt.<br />
PD Dr. med. Christian Dohmen,<br />
Universität zu Köln,<br />
wurde die Lehrbefugnis für<br />
das Fach Neurologie und<br />
neurologische Intensivmedizin<br />
erteilt.<br />
PD Dr. med. Konrad Frank,<br />
Universität zu Köln, wurde<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Innere Medizin erteilt.<br />
Dr. med. Jörg Franke, Universität<br />
Magdeburg, habilitierte<br />
sich in dem Fach Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie.<br />
Prof. Dr. med. Matthias Gorenflo,<br />
Universität Leuven/<br />
Belgien, hat einen Ruf an die<br />
RWTH Aachen auf eine W3-<br />
Professur für Kinderkardiologie<br />
abgelehnt und einen<br />
weiteren Ruf an die Universität<br />
Heidelberg auf eine W3-<br />
Professur für Kinderkardiologie/Angeborene<br />
Herzfehler<br />
erhalten.<br />
Dr. Markus Juchems, Universität<br />
Ulm, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Radiologie erteilt.<br />
PD Dr. med. Wolfram Kawohl,<br />
Universität<br />
Zürich/Schweiz, habilitierte<br />
sich, und es wurde ihm die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Psychiatrie und Psychotherapie<br />
erteilt.<br />
Dr. Peter Keppler, Universität<br />
Ulm, wurde die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Chirurgie<br />
erteilt.<br />
Dr. Henrik Kessler, Universität<br />
Ulm, wurde die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Medizinische<br />
Psychologie erteilt.<br />
Dr. sc. hum. Oliver Kuß,<br />
Universität Halle-Wittenberg,<br />
habilitierte sich in dem Fach<br />
Medizinische Epidemiologie,<br />
Biometrie und Informatik.<br />
PD Dr. med. Thomas Lübke,<br />
Universität zu Köln, wurde<br />
die Lehrbefugnis für das<br />
Fach Chirurgie erteilt.<br />
PD Dr. med. univ. Stephan<br />
A. Padosch, Universität zu<br />
Köln, wurde die Lehrbefugnis<br />
für das Fach Anästhesiologie<br />
erteilt.<br />
PD Dr. Markus Rickert, Universität<br />
Heidelberg, hat einen<br />
Ruf an die Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen auf eine W3-<br />
Professur für Orthopädie erhalten.<br />
Dr. Wolfgang Rottbauer, Universität<br />
Heidelberg, hat einen<br />
Ruf an die Universität Ulm<br />
auf eine W3-Professur für Innere<br />
Medizin mit Schwerpunkt<br />
Kardiologie und Angiologie<br />
angenommen.<br />
PD Dr. med. Markus<br />
Schmidt, Universität Duisburg-Essen,<br />
hat einen Ruf an<br />
die Universität Halle-Wittenberg<br />
auf eine W3-Professur<br />
für Geburtshilfe erhalten.<br />
Dr. med. Marc Steffen<br />
Schmitz-Valckenberg, Universität<br />
Bonn, wurde die<br />
Lehrbefugnis für das Fach<br />
Augenheilkunde erteilt.<br />
Ihre Meldung über Habilitationen<br />
und Berufungen<br />
können Sie auch per<br />
E-Mail senden an:<br />
burkhardt@forschungund-lehre.de<br />
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442 KARRIERE <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
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Marius Reiser<br />
Bologna: Anfang und<br />
Ende der Universität<br />
Aus dem Vorwort:<br />
„Dieser Essay ist aus Vorträgen erwachsen, die ich im<br />
Lauf des vergangenen Jahres gehalten habe. Zur Einarbeitung<br />
in die Thematik sah ich mich gezwungen,<br />
nachdem ich aus Protest gegen den Bologna-Prozess<br />
auf meine Professur verzichtet hatte. So habe ich auf<br />
fast allen Gebieten, die ich berühre, als Dilettant geschrieben.<br />
Da ein solcher Versuch aber gar nicht anders<br />
geschrieben werden kann, hoffe ich auf die Nachsicht<br />
der Leser. Zum Ausgleich für den Dilettantismus habe<br />
ich möglichst viele Autoritäten zitiert, die es besser<br />
wissen als ich. Sie stellen sozusagen eine Wolke von<br />
Zeugen dar. Danken möchte ich den vielen, die mich<br />
mit Zuschriften und Materialien ermutigt und belehrt<br />
haben. Ohne sie hätte ich den Essay gar nicht schreiben<br />
können.“<br />
Herausgegeben vom<br />
Deutschen Hochschulverband, Bonn.<br />
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des Deutschen Hochschulverbandes<br />
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Fax: 0228 / 902 66 80<br />
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<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> will den Lesern weitere Informationsquellen<br />
erschließen und übersendet gegen eine Kostenpauschale<br />
(V-Scheck o. Überweisung auf Kto.-Nr. 0 268 367 200,<br />
BLZ 370 800 40, Dresdner Bank Bonn; angegebener Betrag<br />
incl. Portokosten) folgende Unterlagen:<br />
A 232 | Hochschulrahmengesetz<br />
i.d. Fassung vom 19. Januar<br />
1999, zuletzt geändert<br />
durch Art. 2 des Gesetzes vom<br />
12. April 2007, keine amtl.<br />
Fassung, 19 Seiten, 3,- €.<br />
A 167 | Gesetz zur Reform<br />
der Professorenbesoldung<br />
vom 16. Februar 2002, 7 Seiten,<br />
kostenlos.<br />
A 257 | Gesetz zur Änderung<br />
arbeitsrechtlicher Vorschriften<br />
in der Wissenschaft<br />
(„Wissenschaftszeitvertragsgesetz“)<br />
vom 12. April 2007<br />
und Stellungnahme des<br />
DHV, 8 Seiten, kostenlos.<br />
A 264 | Landeshochschulgesetz<br />
Baden-Württemberg,<br />
88 Seiten, 6,50 €.<br />
A 272 | 2. Gesetz zur Umsetzung<br />
der Föderalismusreform<br />
im Hochschulbereich<br />
vom 3.12.2008, Baden-Württemberg,<br />
28 Seiten, 3,- €.<br />
A 277 | KIT – Zusammenführungsgesetz,<br />
Entwurf (25. März<br />
2009), MWFK Baden-Württemberg,<br />
87 Seiten, 6,50 €.<br />
A 282 | Gesetz zur Verbesserung<br />
des Hochschulzugangs<br />
beruflich Qualifizierter und der<br />
Hochschulzulassung (Entwurf,<br />
Januar 2010) Baden-Württemberg<br />
und Stellungnahme des<br />
DHV, 30 Seiten, 3,- €.<br />
A 274 | Gesetzentwurf zur<br />
Änderung des bayerischen<br />
Hochschulrechts (Januar<br />
2009), Freistaat Bayern, und<br />
Stellungnahme des DHV,<br />
32 Seiten, 4,50 €.<br />
A 281 | Entwurf des 2. Hochschulreformgesetzes<br />
des Landes<br />
Bremen (Stand: 18. November<br />
2009) und Stellungnahme<br />
des DHV, 42 Seiten,<br />
4,50 €.<br />
A 280 | Entwurf Hessisches<br />
Hochschulgesetz und TUD-<br />
Gesetz (Stand: 4. September<br />
2009), sowie Stellungnahme<br />
des DHV, 120 Seiten, 8,- €.<br />
A 270 | Hochschulzulassungsreformgesetz<br />
NRW<br />
(Entwurf) und Stellungnahme<br />
des DHV (August/Oktober<br />
2008), 60 Seiten, 6,50 €.<br />
A 271 | Landesbesoldungsgesetz<br />
NRW (Stand: 4.12.<br />
2008), 6 Seiten, kostenlos.<br />
A 275 | Gesetzentwurf zur<br />
Änderung des rheinlandpfälzischenHochschulgesetzes<br />
und Stellungnahme des<br />
DHV, Stand: April 2009, 148<br />
Seiten, 8,-€.<br />
A 276 | Gesetzentwurf der<br />
Regierung des Saarlands zur<br />
Änderung des Universitätsgesetzes<br />
u.a. und Stellungnahme<br />
des DHV, 52 Seiten, 6,50 €.<br />
A 279 | Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Änderung hochschulrechtlicher<br />
Vorschriften<br />
und anderer Gesetze des<br />
Landes Sachsen-Anhalt und<br />
Stellungnahme des DHV,<br />
41 Seiten, 4,50 €.<br />
Bestellungen bitte an:<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>,<br />
Rheinallee 18, 53173 Bonn,<br />
Fax: 0228/9026680<br />
E-Mail: infoservice<br />
@forschung-und-lehre.de
444 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Stellenmarkt<br />
Veranstaltungen<br />
Stiftungen | Preise<br />
Stellenanzeigen aktuell<br />
Professuren<br />
Geistes- und Sozialwissenschaften<br />
Ältere deutsche Literaturwissenschaft von den Anfängen<br />
bis 1700 (Universität Zürich) ...............................................................................448<br />
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Internationales<br />
und Strategisches Management (Universität Stuttgart).......................452<br />
Berufspädagogik, Schwerpunkt Technikdidaktik<br />
(Universität Stuttgart) .................................................................................................452<br />
Betriebswirtschaftslehre, insb. Dienstleistungsmanagement<br />
(Technische Universität Braunschweig) .................................................................453<br />
Curriculumsentwicklung, Ausbildungsforschung und<br />
Professionalisierung der <strong>Lehre</strong><br />
(Charité – Universitätsmedizin Berlin) ...................................................................456<br />
Didaktik der englischen Sprache (Universität Siegen)............................445<br />
Kunstpädagogik (Universität Würzburg) ............................................................454<br />
Mittelalterliche Geschichte II (Universität Frankfurt)..............................456<br />
Neueste Geschichte: Zeitgeschichte Europas seit 1918<br />
(Universität Frankfurt)................................................................................................456<br />
Philosophie und Ethik (Fachhochschule Dortmund)...................................448<br />
Sportwissenschaft (Universität Stuttgart) ..........................................................452<br />
Streicherkammermusik (Hochschule für Musik und Theater Hannover) ..457<br />
Wirtschaftsinformatik (Universität Regensburg) ............................................451<br />
Wirtschaftsinformatik, insb. Business Application Software<br />
(Universität zu Köln) ..................................................................................................454<br />
Wirtschaftstheorie mit dem Schwerpunkt Empirische<br />
Makroökonomik (Universität Innsbruck).....................................................451<br />
Naturwissenschaften<br />
Angewandte Funktionalanalysis (Technische Universität Ilmenau) ....451<br />
Biofunktionalität und Sicherheit der Lebensmittel<br />
(Universität Hohenheim) ...........................................................................................450<br />
Experimentelle Klinische Psychologie (Universität Würzburg) ..........448<br />
Forstliche Verfahrenstechnik (Universität Freiburg) .................................450<br />
Hochfrequenztechnik (Universität Stuttgart) .................................................446<br />
Kunststofftechnik (Technische Universität Clausthal) ...................................458<br />
Landschaftsökologie (Technische Universität München).............................455<br />
Lebensmitteltechnologie und -biotechnologie (Universität Bonn)...451<br />
Molecular Biology of the Rhizosphere (Universität Bonn) .................459<br />
Molekulare Infektionspathologie<br />
(Charité – Universitätsmedizin Berlin) ...................................................................447<br />
Numerische Methoden in der Luft- und Raumfahrttechnik<br />
(Universität der Bundeswehr München) ................................................................449<br />
Oberflächen- und Grenzflächenphysik (Universität Rostock) ...........459<br />
Organisation und Management in der Agrar- und<br />
Ernährungswirtschaft (Universität Bonn)...................................................445<br />
Pädiatrische Allergologie (Charité – Universitätsmedizin Berlin) ............458<br />
Photogrammetrie (Universität Bonn) .................................................................454<br />
Psychosomatik und Psychotherapie (MHH Hannover) ........................457<br />
Stem Cell Therapy (Charité – Universitätsmedizin Berlin) ...........................449<br />
Theoretische Physik (Universität Siegen) .........................................................446<br />
Juniorprofessuren<br />
Geistes- und Sozialwissenschaften<br />
Economics (Universität zu Köln)............................................................................457<br />
Naturwissenschaften<br />
Automatisierungssysteme (Technische Universität Ilmenau)....................446<br />
Organische Chemie (Universität Hamburg).....................................................447<br />
Simulation von Strukturen und Reaktionen an der<br />
Grenzfläche Material/Umwelt (Universität Paderborn)......................453<br />
Visual Computing (Universität Stuttgart) ..........................................................455<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
Feinwerktechnik (Institut für Mikrotechnik Mainz GmbH)..........................461<br />
Grund- und Vorschulpädagogik (Universität Siegen)..............................459<br />
Medizin/Ausbildungsforschung und -entwicklung<br />
(Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).........................................................461<br />
Sozialpädagogik (Universität Siegen) ..................................................................459<br />
Theoretische Philosophie (Universität Potsdam).........................................459<br />
Weitere Ausschreibungen<br />
Direktorin/Direktor am Deutschen Historischen<br />
Institut Rom (Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute<br />
im Ausland – DGIA)..................................................................................................462<br />
Junior Research Group „Ethical Issues in Research and<br />
Treatment of Neurodegenerative Diseases“<br />
(Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen – DZNE) ............460<br />
Mitgliedschaft in den BfR Kommissionen<br />
(Bundesinstitut für Risikobewertung).....................................................................459<br />
Ph.D. student (Universität Würzburg – Comprehensive Hearing Center)....461<br />
Ph.D. student in environmental chemistry of nanoparticles<br />
(EMPA – Materials Sciences & Technology).........................................................462<br />
Wissenschaftspreise<br />
BKK Innovationspreis Gesundheit 2010<br />
(BKK Landesverband Hessen)..........................................................4. Umschlagseite<br />
Felix-Wankel-Tierschutz-<strong>Forschung</strong>spreis 2010<br />
(Ludwig-Maximilians-Universität München/Felix Wankel Stiftung) ..............407<br />
Hochschullehrer/in des Jahres (Deutscher Hochschulverband)............419<br />
Nachwuchswissenschaftler/in des Jahres 2010<br />
(academics.de – Das Karriereportal der Wissenschaft von DIE ZEIT<br />
und <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>) ............................................................................................425<br />
<strong>Forschung</strong>sförderung<br />
Mehr als <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong>! Hochschulen in der<br />
Gesellschaft (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und<br />
Stiftung Mercator)........................................................................................................403<br />
Ungleich besser! Verschiedenheit als Chance<br />
(Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft)....................................................403<br />
Wandel gestalten! Programm zur Stärkung der<br />
Autonomiefähigkeit von Hochschulen<br />
(Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Heinz Nixdorf Stiftung)....405
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 445<br />
Veranstaltungen<br />
Bildungsgerechtigkeit in der Studienfinanzierung<br />
Die soziale Dimension der aktuellen Förderprogramme<br />
(Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin)..............................................................................415<br />
Servicewüste Hochschule?<br />
Veranstaltungsreihe „Hochschulen im Focus“<br />
(UNIVERSITY PARTNERS) .....................................................................................413<br />
STELLENANZEIGEN | PREISE<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 5 | 2010<br />
Bewerbungsfrist<br />
läuft noch bis:<br />
Akademische/r Mitarbeiter/in<br />
(Universität Hohenheim).........................................................................30.06.10<br />
Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie<br />
(FernUniversität in Hagen) .....................................................................12.06.10<br />
Betriebswirtschaftslehre – Marketing<br />
(Technische Universität München) .......................................................15.06.10<br />
Bildungsphilosophie (Freie Hochschule Mannheim) ..................04.06.10<br />
Energie- und ressourceneffizientes Bauen<br />
(Universität Bochum)...............................................................................30.06.10<br />
Experimentalphysik (Universität Siegen) .......................................15.06.10<br />
Kanzlerin/Kanzler (Universität Rostock) .......................................04.06.10<br />
Kulturgeschichte Ostasiens (Universität Würzburg) ................07.06.10<br />
Kunstgeschichte des Mittelalters (Universität Göttingen)....11.06.10<br />
Pädiatrische Onkologie (Technische Universität München)....04.06.10<br />
Präsidentin/Präsident (Bauhaus-Universität Weimar) ..............30.06.10<br />
Rektorin/Rektor (Universität Hohenheim) .....................................07.06.10<br />
Stochastik/Mathematische Statistik<br />
(Universität Bayreuth)..............................................................................15.06.10<br />
Verwaltungsrecht, insb. Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />
und ein Grundlagenfach (FernUniversität in Hagen)...........12.06.10<br />
Werkstoffkunde, Festigkeitslehre und Materialprüfung<br />
(Universität Stuttgart)...............................................................................07.07.10<br />
Windenergie (Universität Stuttgart) ....................................................08.06.10<br />
Harkness Fellowships in Health Care Policy and<br />
Practice (The Commonwealth Fund) ...............................................13.09.10<br />
Villa Vigoni-Gespräche 2011 in den Geistes- und<br />
Sozialwissenschaften (Villa Vigoni im Rahmen einer<br />
Vereinbarung mit der Deutschen <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft)............31.07.10<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 4 | 2010<br />
Bauinformatik und Geoinformationssysteme<br />
(RWTH Aachen)........................................................................................01.07.10<br />
Energie-Systemtechnik (Technische Universität Wien).............18.06.10<br />
Organische Chemie (TU Bergakademie Freiberg).........................30.06.10<br />
BKK Innovationspreis Gesundheit 2010<br />
(BKK Landesverband Hessen) ...............................................................31.10.10<br />
Hans-Kilian-Preis für die Erforschung und<br />
Förderung der metakulturellen Humanisation<br />
(Köhler-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) .30.06.10
446 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
So<br />
erreichen<br />
Sie uns<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Rheinallee 18, 53173 Bonn<br />
Tel.: 0228 / 902 66-23<br />
Fax: 0228 / 902 66-60<br />
anzeigen@forschung-und-lehre.de<br />
www.forschung-und-lehre.de<br />
www.academics.de
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 447<br />
Cartoon: Meissner<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt
448 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 449<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
ALLES WAS DIE WISSENSCHAFT BEWEGT
450 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
An der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften<br />
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br.<br />
ist zum 1. April 2011 eine<br />
W3-Professur für<br />
Forstliche Verfahrenstechnik<br />
(Nachfolge Prof. Dr. Siegfried Lewark)<br />
zu besetzen.<br />
Die Bewerberin/der Bewerber sollen in <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong> das Fach<br />
Forstliche Verfahrenstechnik vertreten. Dies umfasst insbesondere die<br />
Analyse und Gestaltung von Systemen und Prozessen einer umfassenden<br />
Bewirtschaftung und Nutzung von Wald und Landschaft unter Berücksichtigung<br />
der Aspekte:<br />
- Forsttechnologie und Holzerntesysteme<br />
- Bioenergie und nachwachsende Rohstoffe<br />
- Erschließung und Geotechnik im ländlichen Raum<br />
- Transportwesen und Logistik<br />
- Technikfolgenabschätzung und Umweltverträglichkeitsprüfung unter<br />
Einbeziehung der Aufgaben und Belange der in diesem Bereich arbeitenden<br />
Menschen.<br />
Es wird erwartet, dass die Stelleninhaberin/der Stelleninhaber die Lehrund<br />
Koordinationsaufgaben der Professur in den laufenden Studiengängen<br />
wahrnimmt und dass fachspezifische Lehrmodule für die von der Fakultät<br />
angebotenen Bachelor- und Masterstudiengänge einschließlich der<br />
internationalen Masterstudiengänge ausgearbeitet und angeboten werden.<br />
Ebenso erwartet wird die aktive Beteiligung an der Graduiertenschule<br />
der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften Umwelt und Gesellschaft<br />
im globalen Wandel.<br />
Weiterhin erwartet wird die Mitarbeit in fakultätsübergreifenden Zentren<br />
der Universität Freiburg, z.B. dem Zentrum für Erneuerbare Energien<br />
(ZEE). Besonderer Wert wird auf die Fortführung und den Ausbau der internationalen<br />
<strong>Forschung</strong>skooperationen des Instituts und den Kontakt zu<br />
Unternehmen und Verbänden der Forst- und Holzwirtschaft im nationalen<br />
und internationalen Kontext einschließlich der erfolgreichen Einwerbung<br />
von Drittmittelprojekten gelegt.<br />
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium,<br />
pädagogische Eignung, Promotion und Habilitation oder gleichwertige<br />
wissenschaftliche Leistungen sowie Publikationen in anerkannten internationalen<br />
Fachzeitschriften.<br />
Die Universität Freiburg strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in<br />
<strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong> an und fordert daher entsprechend qualifizierte Wissenschaftlerinnen<br />
ausdrücklich zur Bewerbung auf.<br />
Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.<br />
Nähere Hinweise geben gerne das Institut für Forstbenutzung und Forstliche<br />
Arbeitswissenschaft e-Mail Adresse:<br />
fobawi@fobawi.uni-freiburg.de und das Dekanat e-Mail Adresse:<br />
Inga.armbruster@ffu.uni-freiburg.de<br />
Bewerbungen mit aussagekräftigen Unterlagen sind in elektronischer<br />
Form und als Briefpost bis zum 19. Juni 2010 zu richten an den:<br />
Dekan der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Albert-<br />
Ludwigs-Universität Freiburg, Tennenbacherstr. 4, 79106 Freiburg<br />
e-Mail Adresse: dekanat@ffu.uni-freiburg.de<br />
Hochschulen<br />
im<br />
Blick<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Universität Paderborn
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 451
452 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 453<br />
1/6 Seite 1/4 Seite 1/3 Seite 1/2 Seite 1/1 Seite<br />
388,00 € 585,00 € 781,00 € 1.170,00 € 2.204,00 €<br />
Die Veröffentlichung Ihrer Anzeige unter www.academics.de ist im Preis inbegriffen.
454 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
www.academics.com<br />
Forscher<br />
gesucht<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Foto: picture-alliance
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 455<br />
In der Fakultät Wissenschaftszentrum für Ernährung, Landnutzung und<br />
Umwelt (WZW) der Technischen Universität München ist zum Wintersemester<br />
2011/12 im Department für Ökologie und Ökosystemmanagement<br />
ein<br />
Lehrstuhl für Landschaftsökologie<br />
(BesGr. W3)<br />
neu zu besetzen.<br />
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die das Fach in <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong><br />
in seiner ganzen Bandbreite vertritt. Die Professur ergänzt die bestehenden<br />
ökosystemaren und biologischen Arbeitsbereiche am Wissenschaftszentrum<br />
Weihenstephan und führt sie auf der Ebene der Landnutzung<br />
zusammen.<br />
In der <strong>Forschung</strong> liegen die Schwerpunkte im Bereich der Prozessanalyse<br />
auf Landschaftsebene, der Systemmodellierung und der Risikoforschung.<br />
Diese sollen im Zusammenhang mit der kulturellen Bedeutung<br />
von Landschaft erforscht werden und daraus Beiträge zur Theorie der<br />
Landschaftsökologie leisten. Die Bewerber und Bewerberinnen müssen<br />
international anerkannte <strong>Forschung</strong>sleistungen vorweisen.<br />
In der <strong>Lehre</strong> wird die Professur in den landnutzungsorientierten Bachelor-<br />
und Masterstudiengängen der Studienfakultäten Landschaftsarchitektur<br />
und Landschaftsplanung, Agrar- und Gartenbauwissenschaften,<br />
Forstwissenschaften und Ressourcenmanagement, und Biowissenschaften<br />
eingebunden, wobei der Schwerpunkt in der Landschaftsarchitektur<br />
und Landschaftsplanung liegt.<br />
Die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit in <strong>Forschung</strong><br />
und <strong>Lehre</strong> mit allen anderen umweltgestaltenden Fakultäten wie Architektur<br />
und Bauingenieur- und Vermessungswesen wird ausdrücklich erwartet.<br />
Der Bewerber oder die Bewerberin verfügt über besondere Management-<br />
und Kooperationsfähigkeiten, insbesondere auch auf dem<br />
Gebiet der Drittmitteleinwerbung. Hervorragende pädagogische Eignung,<br />
<strong>Lehre</strong>rfahrung und Internationalität sind selbstverständlich.<br />
Einstellungsvoraussetzungen sind ein universitärer Hochschulabschluss<br />
sowie Promotion und Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche<br />
Leistungen. Bewerberinnen oder Bewerber dürfen zum Zeitpunkt der<br />
Ernennung das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ausnahmen<br />
von der Altersgrenze können in dringenden Fällen zugelassen werden.<br />
Die Technische Universität München hat sich in der Exzellenzinitiative<br />
des Bundes und der Länder das strategische Ziel gesetzt, den Anteil<br />
von Frauen in <strong>Forschung</strong> und <strong>Lehre</strong> deutlich zu erhöhen. Wissenschaftlerinnen<br />
werden deshalb nachdrücklich um ihre Bewerbung gebeten.<br />
Mit dem Service des TUM Munich Dual Career Office bietet die Technische<br />
Universität München Unterstützung für Doppelkarriere-Paare und<br />
Familien an.<br />
Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei ansonsten<br />
im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.<br />
Bewerbungen mit Lebenslauf, Werk- und <strong>Forschung</strong>sdokumentation,<br />
Publikationsliste, Nachweis der bisherigen <strong>Lehre</strong>rfahrung sowie der<br />
Skizze eines Lehr- und <strong>Forschung</strong>sprogramms werden bis zum 30. Juni<br />
2010 erbeten an den<br />
Dekan der Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan<br />
für Ernährung, Landnutzung und Umwelt<br />
Technische Universität München<br />
Alte Akademie 8<br />
D-85354 Freising-Weihenstephan<br />
DHV-Newsletter<br />
Der DHV-Newsletter, der Mitgliedern und Nichtmitgliedern in gleicher Weise offen steht, erscheint monatlich. Er informiert unter anderem<br />
über Aktuelles aus Hochschulpolitik und Hochschulrecht sowie über Termine und Neuerscheinungen im Internet und auf dem Buchmarkt.<br />
Das Abonnement des DHV-Newsletters ist kostenlos. Voraussetzung ist, dass der Geschäftsstelle Ihre E-Mail-Adresse bekannt ist. Zur Bestellung<br />
genügt eine formlose E-Mail mit dem Stichwort „Bestellung“ an:<br />
newsletter@hochschulverband.de oder ein Eintrag über den Link http://www.hochschulverband.de/newsletter
456 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Die nächsten<br />
Erscheinungstermine:<br />
Ausgabe 7/2010 30. Juni 2010<br />
Ausgabe 8/2010 30. Juli 2010<br />
Ausgabe 9/2010 31. August 2010
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 457<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
1. Quartal 2010<br />
Verbreitete Auflage: 27.822:<br />
IVW geprüft
458 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Ohne<br />
<strong>Forschung</strong><br />
kein<br />
Fortschritt<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Foto: picture-alliance – Höchstleistungsrechner im Deutschen Klimarechenzentrum
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 459<br />
Kommissionen am<br />
Bundesinstitut für Risikobewertung<br />
Aufruf zur Interessensbekundung<br />
für die Mitgliedschaft in den BfR-Kommissionen<br />
Dieser Aufruf wendet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,<br />
die sich für die Mitarbeit in einer der Expertenkommissionen des<br />
Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) interessieren. Vorrangige Aufgabe<br />
des BfR ist eine unabhängige, dem Stand von Wissenschaft und<br />
Technik Rechnung tragende Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln,<br />
Chemikalien, Bedarfsgegenständen und anderen verbrauchernahen<br />
Produkten. Wissenschaftliche Gutachten des BfR sind Grundlage<br />
für die Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen und dienen der Politikberatung<br />
sowie der Information verschiedener gesellschaftlicher Interessengruppen.<br />
Mit der am BfR etablierten Kommissionsstruktur soll der auf nationaler<br />
Ebene vorhandene Sachverstand für eine Risikobewertung auf höchstmöglichem<br />
wissenschaftlichem Niveau gebündelt und in internationale<br />
Gremien eingebracht werden. Durch diese Kommissionsstruktur soll die<br />
wissenschaftliche Güte der Stellungnahmen des BfR durch externe Expertise<br />
ergänzt und eine zusätzliche Qualitätssicherung erzielt werden.<br />
Nicht nur in Krisenfällen soll so gewährleistet sein, jederzeit ein etabliertes<br />
Expertennetzwerk zu Rate ziehen zu können. Folgende BfR-Kommissionen<br />
werden zum 1. Januar 2011neu besetzt bzw. neu eingerichtet.<br />
Bewerbung bis 09. Juli 2010, BfR-Kommission für<br />
● Bedarfsgegenstände<br />
● Bewertung von Vergiftungen<br />
● biologische Gefahren<br />
● Ernährung, diätetische Produkte, neuartige Lebensmittel und Allergien<br />
● Expositionsschätzung und –standardisierung<br />
● Futtermittelsicherheit<br />
● genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel<br />
● Hygiene<br />
● Kontaminanten und andere gesundheitlich unerwünschte Stoffe in<br />
der Lebensmittelkette<br />
● kosmetische Mittel<br />
● Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe und Verarbeitungshilfsstoffe<br />
● Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände<br />
● pharmakologisch wirksame Stoffe und Tierarzneimittel<br />
● Risikoforschung und Risikowahrnehmung<br />
● Wein- und Fruchtsaftanalysen<br />
Auswahl der Kommissionsmitglieder<br />
Jeder BfR-Kommission werden mindestens 10 externe und unabhängige<br />
Sachverständige angehören, die sich durch wissenschaftliche Expertise<br />
auf ihrem jeweiligen Fachgebiet auszeichnen. Die Sachverständigen<br />
müssen über einen Hochschulabschluss und über ausreichende<br />
Berufserfahrung auf einem einschlägigen wissenschaftlichen Fachgebiet<br />
verfügen. Die Mitgliedschaft in den BfR-Kommissionen ist ein persönliches<br />
Ehrenamt.<br />
Arbeit der Kommissionen<br />
Die BfR-Kommissionen werden bis zu zweimal im Jahr tagen.<br />
Bewerbungsverfahren<br />
Online-Bewerbungsformulare stehen auf der BfR-Website<br />
(http://www.bfr.bund.de/cd/311) zur Verfügung und sollten über diese<br />
Website eingereicht werden. Formulare für die Bewerbung in Papierform<br />
können ebenfalls über diese Website oder unter folgender Adresse<br />
angefordert werden:<br />
Bundesinstitut für Risikobewertung<br />
Thielallee 88-92, 14195 Berlin<br />
Frau Susanne Kaus<br />
Tel.: 030 18412-2103 Fax-Nr.: 030 18412-1243<br />
E-Mail: Kommissionen2011@bfr.bund.de<br />
Alle Bewerbungen werden vertraulich behandelt.
460 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
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6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> AKADEMISCHER STELLENMARKT 461<br />
<strong>Forschung</strong><br />
& <strong>Lehre</strong><br />
Alles was die Wissenschaft bewegt<br />
Die nächsten<br />
Anzeigenschlusstermine:<br />
Ausgabe 7/2010 21. Juni 2010<br />
Ausgabe 8/2010 21. Juli 2010
462 AKADEMISCHER STELLENMARKT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Am<br />
Deutschen Historischen Institut Rom<br />
der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche<br />
Institute im Ausland (DGIA) ist die Stelle<br />
der Direktorin / des Direktors<br />
zum 1. Oktober 2012 wiederzubesetzen. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Einmalige<br />
Wiederbestellung ist möglich. Die Position wird entsprechend Besoldungsgruppe<br />
B3/B4 Bundesbesoldungsgesetzt zzgl. Auslandszulage bewertet.<br />
Die Aufgaben des Instituts bestehen in der Erforschung der italienischen und<br />
deutschen Geschichte im internationalen Kontext vom frühen Mittelalter bis<br />
zur Gegenwart einschließlich der Musikgeschichte, im besonderen der<br />
deutsch-italienischen Beziehungen, der Veröffentlichung von Quellen aus<br />
dem Vatikanischen Archiv und den öffentlichen und privaten Archiven und Bibliotheken<br />
in Italien, der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />
sowie der Publikation von <strong>Forschung</strong>sergebnissen, der Unterstützung<br />
und Beratung von Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Institutionen bei<br />
einschlägigen <strong>Forschung</strong>svorhaben und der Pflege der Beziehungen zur italienischen<br />
Wissenschaft.<br />
Die Direktorin / Der Direktor leitet und repräsentiert das Institut. Für diese Position<br />
wird eine Historikerin /ein Historiker gesucht, die / der durch eigene <strong>Forschung</strong>en<br />
die Fähigkeit erworben hat, die Aufgaben des Instituts wahrzunehmen.<br />
Erwünscht sind folgende Voraussetzungen:<br />
- hohe wissenschaftliche Qualifikation (in der Regel Habilitation)<br />
- ausgewiesenes Profil in der Erforschung der deutschen und italienischen<br />
Geschichte<br />
- Vertrautheit mit den wissenschaftlichen Aufgaben des Instituts<br />
- Erfahrung in der Wissenschaftsorganisation<br />
- hohe Kommunikationsfähigkeit<br />
- gute Kenntnisse in der italienischen Sprache<br />
Die Stiftung DGIA fördert die Gleichstellung von Frauen und Männern und begrüßt<br />
daher ausdrücklich die Bewerbung von Wissenschaftlerinnen. Schwerbehinderte<br />
Bewerber/innen werden bei gleicher Eignung bevorzugt.<br />
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Schriftenverzeichnis)<br />
werden erbeten bis zum 1.07.2010 im pdf-Format an bewerbung@stiftungdgia.de<br />
oder per Post an:<br />
Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute<br />
im Ausland, z. Hdn. des Vorsitzenden des<br />
wissenschaftlichen Beirats des DHI Rom,<br />
Rheinallee 6, D-53173 Bonn, Kennwort: Bewerbung<br />
Empa is an interdisciplinary research and services institution for material<br />
sciences and technology development within the ETH Domain.<br />
For a joint research project between the Laboratory for Analytical Chemistry<br />
and the Technology and Society Laboratory we are searching for a<br />
P h D S t u d e n t i n e n v i r o n m e n t a l<br />
c h e m i s t r y o f n a n o p a r t i c l e s<br />
The project aims at investigating the behavior of nanoparticles released<br />
from paints into the environment. The emphasis will be on analytical method<br />
development and the investigation of fate processes like dissolution,<br />
agglomeration, sedimentation or other transformation mechanisms.<br />
We are looking for a highly qualified and motivated candidate interested in<br />
a fundamental understanding of nanoparticle behavior in the environment.<br />
The candidate should have a good background in analytical and environmental<br />
chemistry and should be fully motivated, focused on experimental<br />
work and interested in multidisciplinary research.<br />
The ideal candidate (m/f) is a communicative experimental chemist, natural<br />
scientist, environmental scientist or a related discipline with a Master’s<br />
degree of a University or an equivalent degree. Knowledge in analytical<br />
chemistry, especially field flow fractionation or chromatography techniques<br />
in combination with plasma mass spectrometry are advantageous.<br />
The work will be carried out at Empa Dübendorf and Empa St. Gallen under<br />
supervision of PD Dr. Bernd Nowack and Dr. A. Ulrich. Enrolment of<br />
the PhD is at ETH Zürich. Prof. Dr. Laura Sigg is the academic supervisor<br />
at ETHZ. The position will be available in June 2010. The planned project<br />
duration is three years.<br />
Please send your complete application (German or English) including CV,<br />
exam certificates, list of publications as well as names and addresses of<br />
at least two academic references to Dr. Bernd Nowack, Laboratory<br />
Technology and Society, Lerchenfeldstr. 5, CH- 9014 St. Gallen. Only<br />
complete applications will be evaluated.<br />
For further information please contact Dr. Bernd Nowack, +41 71 274 76 92<br />
or bernd.nowack@empa.ch.<br />
www.forschung-und-lehre.de
Foto: DFG/Querbach<br />
6|10 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> ZU ENDE GEDACHT 463<br />
Zu Ende gedacht<br />
Ich beginne meinen Tag…<br />
meist sehr früh morgens.<br />
Meine besten Einfälle habe ich…<br />
meist sehr früh morgens.<br />
Wenn ich einen Rat brauche…<br />
frage ich meine Frau.<br />
Am meisten ärgere ich mich...<br />
über die Ratschläge meiner Frau.<br />
Das nächste Buch, das ich lesen will...<br />
liegt ganz oben auf dem Stapel<br />
der nächsten Bücher, die ich lesen<br />
will.<br />
Wenn ich das Fernsehen anschalte…<br />
kommt unfehlbar mein jüngster Sohn<br />
und will das andere Programm sehen.<br />
Energie tanke ich…<br />
zum Beispiel beim Fernsehen mit meinem<br />
jüngsten Sohn.<br />
Wenn ich mehr Zeit hätte…<br />
würde ich mehr lesen und mehr mit<br />
meinem jüngsten Sohn fernsehen (und<br />
ins Stadion gehen).<br />
Mit einer unverhofften Million würde<br />
ich...<br />
ein Privatkonzert mit Bob Dylan arrangieren.<br />
Ich frage mich manchmal...<br />
wo Bob Dylan eigentlich gerade ist.<br />
Die Wahrheit zu finden...<br />
wäre Lessing zufolge weniger wichtig<br />
als immerfort nach ihr zu fragen.<br />
Das Bewusstsein von der eigenen<br />
Vergänglichkeit...<br />
macht mich kreativ.<br />
Kreativität entsteht...<br />
aus dem Bewusstsein der eigenen<br />
Vergänglichkeit.<br />
Freude an meinem Beruf...<br />
wäre im Idealfall ansteckend.<br />
Die Zeit meines Studiums...<br />
dauert an.<br />
Wissenschaftler sind Menschen...<br />
die nicht aufhören, sich zu wundern.<br />
Wenn ich Wissenschaftsminister<br />
wäre…<br />
wäre es auch nicht besser.<br />
Der Fortschritt von Wissenschaft und<br />
Technik...<br />
ist trotz allem ein Grund zur Dankbarkeit.<br />
STECKBRIEF<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Detering<br />
Alter: 50<br />
Familiäres: verheiratet, drei Kinder<br />
(22, 19, 15)<br />
Berufliches: Studium in Heidelberg,<br />
Odense und Göttingen,<br />
Assistent bei Albrecht Schöne,<br />
Literaturwissenschaftler an der<br />
Universität Göttingen, Träger des<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises<br />
der DFG 2009, Autor von Gedichten<br />
und Übersetzer und froh,<br />
einen Beruf ausüben zu dürfen,<br />
in dem eine Trennung von<br />
„Beruf“ und „Hobby“ überflüssig<br />
ist.
464 EXKURSION <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />
Exkursion<br />
„<br />
PowerPoint macht uns dumm“<br />
General Stanley A. Mc Chrystal,<br />
Kommandeur der amerikanischen<br />
und der Nato-Truppen in Afghanistan,<br />
wurde im vergangenen Sommer<br />
eine PowerPoint-Präsentation zur Komplexität<br />
der amerikanischen Militärstrategie<br />
in Afghanistan gefragt. Nach<br />
einem kurzen Innehalten sagte er trocken:<br />
„Wenn wir diese Präsentation ver-<br />
standen haben, haben wir den Krieg gewonnen.“<br />
Die Grafik wurde seither im<br />
Internet weltweit herumgereicht als<br />
Beispiel für ein militärisches Werkzeug,<br />
das außer Kontrolle geraten ist. Laut<br />
New York Times bestimme PowerPoint<br />
den Alltag der Armee und habe die Stufe<br />
der Obsession erreicht. Die Zeit, die<br />
mit PowerPoint-Präsentationen ver-<br />
bracht werde, sei mittlerweile zu einem<br />
„running joke“ geworden. „PowerPoint<br />
macht uns dumm“, brachte es General<br />
James N. Mattis in einer monatlichen<br />
Konferenz auf den einfachen Nenner.<br />
Er trug dies übrigens ohne PowerPoint<br />
vor.