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Kritik - Forschung & Lehre

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396 SPRACHE UND WISSENSCHAFT <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 6|10<br />

Die Eine Million Dollar-Frage<br />

Über Kommunikation und Sprache bei Affen –<br />

Beobachtungen der kognitiven Ethologie<br />

| JULIA F ISCHER | Immer wieder ist die Verwunderung<br />

groß, vergleicht man das soziale Verhalten von Primaten mit dem von Menschen.<br />

Affen verstehen einander, streiten und vertragen sich und orientieren sich<br />

in ihrer Umwelt. Sie kommunizieren, aber sprechen nicht mit- oder übereinander.<br />

Warum ist das so? Fragen an die kognitive Ethologie.<br />

<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>: Wie finden Sie<br />

heraus, wie Paviane kommunizieren?<br />

Sie müssen sehr geduldig und hartnäckig<br />

sein…<br />

Julia Fischer: Geduld und Hartnäckigkeit<br />

müssen wohl alle Wissenschaftler<br />

mitbringen. Aber bei der Feldforschung<br />

an Affen braucht man dann auch noch<br />

die Bereitschaft, sich bei 45 Grad im<br />

Schatten durchs Gestrüpp zu schlagen,<br />

Skorpione aus seinen Schuhen zu<br />

schütteln oder plötzlich einem Löwen<br />

gegenüber zu stehen. Eine gewisse<br />

Abenteuerlust ist da ganz hilfreich. Um<br />

Professor Julia Fischer lehrt an der<br />

Universität Göttingen, ist Leiterin der Abteilung<br />

Kognitive Ethologie am Deutschen<br />

Primatenzentrum und Präsidentin der Europäischen<br />

Föderation für Primatologie.<br />

herauszufinden, wie die Tiere kommunizieren,<br />

kombinieren wir Verhaltensbeobachtungen,<br />

Lautanalysen und so<br />

genannte Playbackexperimente. Dazu<br />

Foto: Pressestelle der Universität Göttingen<br />

versteckt man einen Lautsprecher an einer<br />

geeigneten Stelle, spielt einen Laut<br />

vor und filmt die Reaktion der Tiere.<br />

F&L: Ein Beispiel?<br />

Julia Fischer: Ein Beispiel wäre, den<br />

Ruf eines unbekannten männlichen Tieres<br />

vorzuspielen. Damit simuliert man<br />

die Situation, dass ein neues Männchen<br />

in die Gruppe<br />

»Paviane können lernen,<br />

was ein Ruf vorhersagt.«<br />

eingewandert ist.<br />

Der Ruf lässt sich<br />

so manipulieren,<br />

dass sich das<br />

Männchen besonders beeindruckend<br />

oder aber klein und schmächtig anhört.<br />

Uns interessiert, wie sich die anderen<br />

Tiere verhalten: ob sich Weibchen mit<br />

Kindern verstecken, die anderen aber<br />

nicht, oder ob die ranghohen Männchen<br />

versuchen, den vermeintlichen<br />

Eindringling zu vertreiben. Solche Experimente<br />

erfordern eine außerordentlich<br />

große Gelassenheit, da im Vorfeld<br />

fast immer irgendetwas passiert, was<br />

man nicht geplant hat. Auch die Lautanalysen<br />

erfordern hohe Sorgfalt und<br />

die Bereitschaft, sich mit technischen<br />

Details und komplexen statistischen<br />

Analysen auseinanderzusetzen.<br />

F&L: Hunde z.B. können Laute mit Bedeutung<br />

verbinden. Wie ist das bei Pavianen?<br />

Julia Fischer: Paviane weisen wie alle<br />

anderen Affen auch Lauten Bedeutung<br />

zu, in dem Sinne, dass sie lernen können,<br />

wer ruft, wie groß dieses Tier etwa<br />

ist, oder bei weiblichen Tieren, ob es gerade<br />

empfängnisbereit ist. Außerdem<br />

können sie lernen, was ein Ruf vorhersagt.<br />

Eine der ersten Studien, die sich<br />

mit dieser Frage experimentell befasste,<br />

wurde an Grünen Meerkatzen in Ostafrika<br />

durchgeführt. Den Affen wurden<br />

Alarmrufe vorgespielt, die als Reaktion<br />

auf verschiedene Raubfeinde geäußert<br />

worden waren. Auch wenn weit und<br />

breit kein Räuber zu sehen war, zeigten<br />

die Tiere die ‚richtige‘ Reaktion: nach<br />

dem Vorspiel eines ‚Adler-Alarmrufs‘<br />

flüchteten sie in die Büsche, nach Vorspiel<br />

eines ‚Leopardenalarmrufes‘ in<br />

den Baum. Ich hatte das besondere<br />

Glück, bei den<br />

Autoren der Studie,<br />

Robert Seyfarth<br />

und Dorothy<br />

Cheney, zu<br />

arbeiten und auf ihrer Feldstation in<br />

Botswana eine Horde von Pavianen anderthalb<br />

Jahre zu beobachten. Inzwischen<br />

haben wir im Senegal eine eigene<br />

Feldstation, wo wir das Sozialverhalten<br />

und die Kommunikation von Guineapavianen,<br />

einer anderen Pavianart, studieren<br />

– und übrigens auch die Kommunikation<br />

der westafrikanischen Grünen<br />

Meerkatzen. Vergleiche zwischen<br />

verschiedenen Arten oder Unterarten<br />

erlauben uns, zu identifizieren, was ‚altes<br />

Pavianerbe‘ oder altes ‚Meerkatzenerbe‘<br />

ist, und in welcher Hinsicht sich<br />

die Tiere mit ihrem kommunikativen<br />

Verhalten ihrem gegenwärtigen Lebensraum<br />

anpassen und wie sich die Kommunikation<br />

in die soziale Organisation<br />

der Tiere einfügt.<br />

F&L: Sie haben einmal gesagt, Affen<br />

machten den ganzen Tag fast nichts anderes<br />

als ihre Artgenossen zu beobachten.<br />

Viele Menschen machen das auch<br />

und dann klatschen sie darüber, die Pa-

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