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Jahresbericht - Diakonie Neumünster

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<strong>Jahresbericht</strong><br />

2012


Impressum<br />

Herausgeber<br />

Heinrich Deicke<br />

Geschäftsführer der Diakonisches Werk Altholstein GmbH<br />

Am Alten Kirchhof 16, 24534 <strong>Neumünster</strong><br />

Telefon 04321 / 25 05 0, Fax 04321 / 25 05 59<br />

info@diakonie-altholstein.de<br />

www.diakonie-altholstein.de<br />

Redaktion und Text<br />

Christine Noack<br />

Gestaltung<br />

Ruth Freytag, www.freytag-design.de<br />

Druck<br />

Druckerei-Nachverarbeitung der<br />

Glückstädter Werkstätten<br />

Emmy-Noether-Straße 9, 25524 Itzehoe<br />

Bildnachweis<br />

S. 5 rechts ©Jürgen Schindler, S. 37 ©Steinburg Sozial<br />

alle anderen: <strong>Diakonie</strong> Altholstein


Inhalt<br />

Vorwort der Geschäftsführung .........................................4<br />

Der Geschäftsbereich Soziales .........................................6<br />

Eine Station auf dem Weg – Die Übernachtungsstelle<br />

für Wohnungslose ...........................................................9<br />

Drinnen – Diakonische Beratung in der JVA........................ 12<br />

<strong>Diakonie</strong> und Gemeinde – Die Ämterlotsen......................... 14<br />

Der Geschäftsbereich Arbeit, Familie und Bildung ....... 16<br />

50 Jahre Evangelische Familienbildungsstätte .................... 20<br />

<strong>Diakonie</strong> für Einsteiger – Betreuung von Kindern<br />

unter drei Jahren.......................................................... 22<br />

Neue Perspektiven schaffen –<br />

Das Projekt „Perspektive 2 + 12“ ...................................... 24<br />

Der Geschäftsbereich Senioren und Pflege ................... 26<br />

Für die Seele sorgen ...................................................... 29<br />

Gute Aussichten – Betreutes Wohnen ................................ 31<br />

Füreinander da sein – Pflegende Angehörige ...................... 33<br />

Seite 3 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · INHALT<br />

Altenzentrum St. Nicolai ................................................ 35<br />

Fast alles neu im Altenzentrum St. Nicolai<br />

Der Geschäftsbereich Zentrale Dienstleistung .............. 36<br />

Die Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong> GmbH<br />

Steinburg Sozial ............................................................. 37<br />

Mut machen – Steinburg Sozial qualifiziert<br />

Langzeitarbeitslose<br />

Zahlen und Fakten zur <strong>Diakonie</strong> Altholstein ................ 38<br />

Organigramm .................................................................. 41<br />

Übersichtskarte der <strong>Diakonie</strong> Altholstein ...................... 42


VORWORT · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 4<br />

Vorwort der Geschäftsführung<br />

Der vor Ihnen liegende <strong>Jahresbericht</strong> soll einen Einblick in die Arbeit<br />

der <strong>Diakonie</strong> Altholstein in dem vergangenen Jahr geben. Mit<br />

der Themenauswahl aus der Vielfältigkeit unserer Angebote wollen<br />

wir Sie zum einen über die inhaltlichen Schwerpunkte, die uns über<br />

das Jahr begleitet haben, informieren und zum anderen die Menschen<br />

herausstellen, die unsere Arbeit verantworten, gestalten und prägen.<br />

Vieles, was wir 2012 auf den Weg gebracht haben und was uns<br />

an Vorhaben gelungen ist, hängt ganz unmittelbar mit dem hohen<br />

Engagement der vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden<br />

zusammen. Wir sind sehr dankbar, dass wir unsere Arbeit mit<br />

über 700 hauptamtlichen und ca. 370 ehrenamtlichen Mitarbeitenden<br />

gestalten und weiterentwickeln konnten. Das erfolgreiche Zusammenwirken<br />

aller Beteiligten hat auch 2012 wieder dazu beigetragen,<br />

dass wir auf ein gutes Jahr zurückblicken können.<br />

Die Rahmenbedingen so zu gestalten, damit Berufstätige –<br />

und hier vor allen Dingen Frauen – die häufige Doppelbelastung von<br />

Familie und Beruf besser in Einklang bringen, war für uns ein<br />

Schwerpunktthema im zurückliegenden Jahr. Das 50jährige Jubiläum<br />

unserer Ev. Familienbildungsstätte haben wir zum Anlass genommen,<br />

in unterschiedlichen Veranstaltungen das Thema Familie und<br />

Beruf aufzugreifen. Neben guten familienpolitischen Impulsen, die<br />

sowohl wir in die Diskussion eingebracht als auch erhalten haben,<br />

konnten wir neue Angebote entwickeln, die über das Jahr hinaus<br />

tragen werden und damit hoffentlich auch weiterhin positive Signale<br />

in unserer Region setzen. Auch für diesen <strong>Jahresbericht</strong> ist das Thema<br />

Familie die inhaltliche Klammer. Pflegende Angehörige, inhaftierte<br />

Väter oder qualifizierte Tagespflegepersonen – sie alle leben in<br />

und für Familie, unterstützt von den unterschiedlichen Angeboten<br />

der <strong>Diakonie</strong> Altholstein.<br />

Ein für uns wichtiges Signal ist die Errichtung einer Kinder-<br />

tagesstätte für Kinder unter drei Jahren (s. Seite 20 und 22). Mit<br />

diesem Angebot setzen wir die erfolgreiche Arbeit der Ev. Familienbildungsstätte<br />

fort.<br />

Zu einer familienfreundlichen Stadt gehört jedoch, gerade<br />

auch für uns als <strong>Diakonie</strong>, dass alle Familien unabhängig von ihrer<br />

sozialen Herkunft, Hautfarbe oder Religion gleichermaßen im Blick<br />

bleiben und die Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung erhalten.<br />

Von daher war es uns ein besonderes Anliegen, uns aktiv an den<br />

Aktionen gegen Rechts, z.B. am 1. Mai zu beteiligen. In vielen<br />

Angeboten, von der Migrationsberatung bis hin zur Betreuung im<br />

Cafe Vis à Vis gegenüber der zentralen Landesunterkunft für Flüchtlinge<br />

in <strong>Neumünster</strong>, nehmen wir dankbar wahr, wie groß der ehrenamtliche<br />

Einsatz und die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist, für<br />

die Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zu uns gekommen<br />

sind. Diesem großartigen Engagement, das in der Regel in<br />

der Stille und im Verborgenen stattfindet, wollen wir immer wieder<br />

öffentlich Gehör verleihen, um es dem Gegröle des rechten Mobs<br />

entgegenzusetzen.<br />

Um gerade auch junge Menschen davor zu bewahren, sich den<br />

rechten Chargen anzuschließen, ist es notwendig, ihnen Perspektiven<br />

zu eröffnen. Deshalb ist es uns wichtig, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für junge Leute unter 25 anzubieten, die in ihrer<br />

Selbstkompetenz gestärkt werden, die noch einen Schulabschluss<br />

nachholen und sich berufliche Perspektiven eröffnen können. Aber<br />

auch die Menschen, die lange Zeit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden<br />

sind, nehmen wir besonders in den Blick, nachdem sich die<br />

Agentur für Arbeit aus der aktiven Arbeitsmarktgestaltung für Langzeitarbeitslose<br />

zurückgezogen hat.<br />

Eine Konsequenz der veränderten Arbeitsmarktpolitik des Bundes<br />

ist, dass mittlerweile viele Bildungs- und Beschäftigungsträger<br />

nicht mehr in der Lage sind, ihre Angebote aufrecht zu erhalten.<br />

So konnte auch die gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft


„Steinburg Sozial“<br />

unter den gegebenenRahmenbedingungen<br />

ihre Arbeit<br />

mit Werkstätten und<br />

Sozialkaufhäusern in<br />

Lägerdorf, Wilster<br />

und Itzehoe nicht<br />

alleine weiter betreiben. Als Diakonisches Werk Altholstein sind wir<br />

daher zum Ende letzten Jahres Mitgesellschafter dieser Firma geworden<br />

und haben die Geschäftsführung dort übernommen. Unsere Hoffnung<br />

ist es, im engen Zusammenwirken unserer Angebote in Kiel,<br />

<strong>Neumünster</strong> und Bad Bramstedt mit denen der Gesellschaft „Steinburg<br />

Sozial“ Rahmenbedingen zu schaffen, die insgesamt eine positive<br />

Weiterentwicklung dieses Arbeitsfeldes ermöglichen.<br />

Im Vergleich zu den Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen<br />

hatten wir in den Beratungsstellen hinsichtlich der finanziellen<br />

Absicherung im letzten Jahr zwar sehr verlässliche Rahmenbedingungen,<br />

doch erlebten wir dort eine zunehmende Belastung<br />

aufgrund der immer stärkeren Inanspruchnahme unserer Angebote.<br />

Dabei stieg nicht nur die Zahl der Ratsuchenden an, ob in der Erziehungs-,<br />

Familien-, Partner- und Lebensberatung, der Wohnungslosenhilfe<br />

oder in der Schuldner- und Insolvenzberatung, sondern die<br />

Problemlagen, mit denen sich die Menschen an uns wenden, wurden<br />

zunehmend komplexer. Als sehr hilfreich erweist sich dabei, dass wir<br />

als <strong>Diakonie</strong> in Altholstein mit unseren Hilfsangeboten sehr breit<br />

aufgestellt sind.<br />

Ein schönes Beispiel einer solchen Verzahnung unserer Arbeitsfelder<br />

ist das Projekt am Gustav-Schatz-Hof in Kiel-Gaarden.<br />

Hier werden wir als Pflegedienst sowohl die Betreuung von 94 Wohnungen<br />

übernehmen als auch eine Wohngruppe für Demenzerkrankte<br />

und eine Tagespflege einrichten. Das Besondere an dieser Wohnan-<br />

lage ist, dass ca. ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner Menschen<br />

mit Migrationshintergrund sein sollen. In dieser Arbeit werden<br />

wir sowohl mit unserem Knowhow in der Migrationsarbeit, als<br />

auch als ambulanter Pflegedienst gefordert sein. Zusätzlich werden<br />

wir hier auch bewusst Anstellungsträger werden für Menschen mit<br />

anderen kulturellen und religiösen Hintergründen. Diesen spannenden<br />

Prozess werden wir – und selbstverständlich unsere Gremien –<br />

aufmerksam beobachten und begleiten.<br />

Mein besonderer Dank gilt den Partnern und den Gremien, die<br />

uns insbesondere auch bei neuen Herausforderungen immer konstruktiv<br />

begleiten und Vertrauen in unsere Arbeit setzen. Uns ist es<br />

wichtig, als Wohlfahrtsverband in der Region sozialpolitische Akzente<br />

zu setzen und mit Politik, Verwaltung, Wirtschaft und vor allen<br />

Dingen auch mit den Menschen, die sich an uns wenden, gesellschaftliche<br />

Entwicklungen und Problemlagen aufzugreifen, um gemeinsam<br />

Lösungen zu gestalten. Die Impulse und Herausforderungen<br />

des vergangenen Jahres werden uns auch 2013 begleiten und<br />

unser Auftrag wird sein, Angebote vorzuhalten, die sich am Bedarf<br />

und an den Notlagen der Menschen ausrichten.<br />

Heinrich Deicke | Geschäftsführer<br />

Seite 5 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · VORWORT<br />

Heinrich Deicke<br />

Links: Landessozialministerin<br />

Kristin Alheit (3. v. re.) sprach<br />

beim Jahresempfang zum<br />

Thema „Störfaktor Familie?”<br />

Viele bunte Luftballons, die<br />

am 1. Mai bei der zentralen<br />

Veranstaltung „Bunt statt<br />

Braun” in den Himmel<br />

aufstiegen, setzten ein<br />

Zeichen für multikulturelle<br />

Vielfalt.


Der Geschäftsbereich Soziales<br />

Die politische Diskussion war im Jahr 2012 immer wieder geprägt<br />

von der Schere zwischen Arm und Reich und der hohen Zahl von Erwerbstätigen,<br />

die von ihrer Arbeit nicht leben können. Es ist offensichtlich<br />

gesellschaftliche Realität, dass immer mehr Menschen in<br />

prekären Verhältnissen leben, ganz oder teilweise abgekoppelt sind<br />

von gesellschaftlicher Teilhabe und zur Bewältigung ihres Daseins<br />

professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen.<br />

Die Auswirkungen dieser erschreckenden Entwicklung fanden<br />

ihren ganz unmittelbaren Niederschlag auch in der Inanspruchnahme<br />

unserer unterschiedlichen Beratungsangebote. Dabei verfestigten<br />

sich im abgelaufenen Jahr insbesondere zwei Tendenzen:<br />

1. Die seit Jahren steigende Nachfrage nach Beratung hat sich im<br />

vergangenen Jahr noch einmal erhöht. Teilweise sind die Fallzahlen<br />

erheblich gestiegen. So verzeichnete im Beratungszentrum Mittelholstein<br />

die Erziehungsberatung 758 Fälle und die Partner- und Lebensberatung<br />

163 Fälle; in der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose<br />

gab es insgesamt 917 Zugänge.<br />

2. Überproportional zugenommen hat dabei die Anzahl jüngerer Klienten<br />

und Klientinnen.<br />

Damit eng verbunden ist für uns als Träger auch die Frage nach<br />

den Rahmenbedingungen, um die notwendigen Angebote zeitnah<br />

und bedarfsgerecht vorhalten zu können. Sollen die fachlichen Leistungen<br />

und qualitativen Standards weiter aufrecht erhalten werden,<br />

müssen die von der öffentlichen Hand in den letzten Jahren gedeckelten<br />

Budgets deutlich nachjustiert werden.<br />

Einige Beispiele aus der Arbeit des Geschäftsbereich Soziales:<br />

In der Zentralen Beratungsstelle für Menschen im Wohnungsnot<br />

(ZBS) markierte die Anzahl von 3.425 Übernachtungen Wohnungsloser<br />

einen neuen Höchststand, der die Einrichtung zeitweise an ihre<br />

Kapazitätsgrenze führte (siehe auch Bericht S. 9). Die Angebote der<br />

Seite 7 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SOZIALES<br />

Schuldnerberatung in der Justizvollzugsanstalt <strong>Neumünster</strong> und<br />

der Jugendanstalt Schleswig konnten über die Ende 2012 ausgelaufene<br />

Leistungsvereinbarung hinaus verlängert werden. Die Wohnungslosenhilfe<br />

in der JVA <strong>Neumünster</strong> ist dank personeller Umstrukturierungen<br />

jetzt noch besser für die Inhaftierten zu erreichen<br />

(s. auch Bericht S. 12).<br />

Zu einer regelrechten Erfolgsgeschichte entwickelte sich das<br />

Pilotprojekt Bahnhofsmission mobil zur Begleitung auf Zugreisen.<br />

Mittlerweile kann dieser Service nahezu für ganz Schleswig-Holstein<br />

angeboten werden und unsere Ehrenamtlichen waren insgesamt<br />

1.325 Stunden „on the train“. 2013 will die Bahnhofsmission mobil<br />

auch in Mecklenburg-Vorpommern Reisende begleiten.<br />

Die Sozialberatung in Henstedt-Ulzburg ist seit Mitte des<br />

Jahres auch für die Beratung von Migrantinnen und Migranten zuständig.<br />

Der Auftrag wurde uns von der Kommune erteilt und wird<br />

auch von dort finanziert, nachdem das Land die Bezuschussung dieser<br />

Arbeit eingestellt hatte. Im Rahmen einer Förderung durch die<br />

„Bundesschulsozialarbeit“ ist das Projekt Bildungspartner in Kooperation<br />

mit einer Gemeinschaftsschule auf dem Kieler Ostufer neu<br />

aufgelegt worden. Dabei sollen die Schulerfolge von Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergrund mit Hilfe eines zweijährigen Mentoringprogramms<br />

verbessert werden.<br />

Die Arbeit der Schuldnerberatung stand ganz im Zeichen der<br />

Überleitung der bisherigen städtischen Beratung an das Diakonische<br />

Werk. Dieser Prozess erfolgte reibungslos, hatte aber eine erhebliche<br />

Zunahme der Beratungsnachfrage zur Folge. Dazu beigetragen hat<br />

auch der nochmalige Anstieg der Verschuldungsquote für die Stadt<br />

<strong>Neumünster</strong>, die ohnehin schon trauriger Spitzenreiter in ganz Schleswig-Holstein<br />

war, auf nunmehr 16,65 %. Insgesamt wurden 512 Personen<br />

im Insolvenzverfahren begleitet. Besorgnis erregend ist dabei<br />

der hohe Anteil junger Schuldner, ihr Anteil hat sich mit 101 Betroffenen<br />

in den letzten drei Jahren nahezu verdoppelt.<br />

Michael Frenzel


SOZIALES · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 8<br />

Immer unverzichtbarer wurde in diesem Zusammenhang, aber<br />

auch darüber hinaus, die begleitende Unterstützung der 40 ehrenamtlichen<br />

Ämterlotsen, die in enger Abstimmung mit den hauptamtlichen<br />

Beratungsstellen an mehreren Standorten innerhalb des<br />

Kirchenkreises tätig sind. Sie sind nicht nur für die Ratsuchenden<br />

eine große Hilfe, sondern mittlerweile auch in den Behörden und<br />

Dienststellen anerkannte Gesprächspartner und gerne gesehene Vermittler<br />

(siehe auch Bericht S. 14).<br />

Im Beratungszentrum Mittelholstein (BZM) wurde neben<br />

der laufenden Beratungsarbeit und den verschiedenen Gruppenangeboten<br />

an mehreren <strong>Neumünster</strong>aner Grundschulen erfolgreich ein<br />

„Soziales Kompetenztraining für Erstklässler“ durchgeführt. Bei diesem<br />

Konzept geht es um ein frühzeitiges Einüben von Lösungsstrategien<br />

durch die Schülerinnen und Schüler bei Interessenkonflikten<br />

im Klassenverband.<br />

Ausblick<br />

Für 2013 sind mehrere Vorhaben in der konkreten Planung bzw. Umsetzung:<br />

Für die Wohnanlage im Gustav-Schatz-Hof in Kiel-Gaarden<br />

wird die <strong>Diakonie</strong> nicht nur das betreute Wohnen, insbesondere auch<br />

für ältere Migrantinnen und Migranten, sowie weitere pflegerische<br />

Schon zum dritten Mal in Folge wurde das Beratungszentrum Mittelholstein mit dem<br />

Qualitätssiegel der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) ausgezeichnet.<br />

Angebote übernehmen; vorgesehen ist auch eine umfangreiche soziale<br />

Beratung und integrative Wohnumfeldbetreuung. Dazu werden<br />

wir mit den im Stadtteil tätigen Verbänden und Organisationen eng<br />

zusammen arbeiten.<br />

Um den vielen Jungerwachsenen in der Übernachtungsstelle<br />

für Wohnungslose eine konkrete Perspektive anbieten zu können,<br />

wurde ein umfangreiches Konzept für ein Wohnkompetenztraining<br />

entwickelt, das flankiert wird durch berufliche Qualifizierungsmodule.<br />

Das Ziel ist, den Teilnehmenden eine eigenständige Lebensführung<br />

und die Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.<br />

Die Maßnahme wird derzeit mit der Arbeitsverwaltung abgestimmt.<br />

Einen ganz neuen Ansatz verfolgen wir mit der Beantragung<br />

eines neuen Integrationsprojektes aus Bundesmitteln. Entgegen<br />

der ansonsten üblichen Praxis sind in diesem Fall die Grundschulen<br />

als Kooperationspartner vorgesehen, um sehr frühzeitig und mit Hilfe<br />

der aktiven Einbeziehung von Eltern eine interkulturelle Verständigung<br />

einzuüben.<br />

Erinnerung an die Heimat und erste Eindrücke von Deutschland halten die Flüchtlinge aus der <strong>Neumünster</strong>aner Landesunterkunft auf<br />

Gemälden fest. Das gemeinsame Projekt der Flüchtlingsberatung und der Gerischstiftung startete im November 2012.


Eine Station auf dem Weg<br />

Eine Sommernacht in der <strong>Neumünster</strong>aner Übernachtungsstelle<br />

für Wohnungslose<br />

Die Luft über dem Hof der Zentralen Beratungsstelle für Menschen in<br />

Wohnungsnot (ZBS) flimmert vor Hitze an diesem Juliabend, es ist<br />

einer der heißesten Tage des Jahres. Gerhard Bachmann beugt sich<br />

über die üppig blühenden Geranien an dem Balkon vor dem Betreuerzimmer<br />

und betrachtet wachsam eine Gruppe von vier Männern, die<br />

mit Bierdosen in der Hand auf einem diakonieblau lackierten Betonklotz<br />

sitzen. „Da gucke ich gleich mal nach, was die da machen“,<br />

sagt der 62Jährige. Seit 17 Jahren arbeitet er im Nachtdienst der<br />

Übernachtungsstelle, mit seiner Anstellung begann der reguläre Betrieb<br />

durch das Diakonische Werk. Vorher gab es nur im Winter eine<br />

behelfsmäßige Unterbringung für die Wohnungslosen in <strong>Neumünster</strong>.<br />

Nur eine schmale Straße liegt zwischen dem ehemals ersten<br />

Haus am Platze und dem Bahndamm, die Ausläufer des ICE-Bahnsteigs<br />

reichen bis auf die Höhe der Männerschlafräume im ersten<br />

Stock. Die ruhmreiche Vergangenheit des früheren Hotels „Wappenklause“<br />

ist nur noch an wenigen Stellen sichtbar und auch die Gäste<br />

sind andere als zu den Zeiten, als Helmut Schmidt hier der Legende<br />

nach regelmäßig Station auf dem Weg zum Brahmsee machte. Gerhard<br />

Bachmann schließt die Tür zu einem der drei Zimmer im Frauentrakt<br />

des Hauptgebäudes auf, hier sieht man, wie die Hotelgäste früher<br />

logierten. Ein weiß lackierter Alkoven mit geschwungenen Verzierungen,<br />

ein Schreibtisch, neben dem Bett lässt sich eine kleine Ablage<br />

herausziehen. Sogar ein Waschbecken gibt es in dem Raum, in dem<br />

heute direkt gegenüber vom Betreuerzimmer wohnungslose Frauen<br />

untergebracht werden, die Drogen konsumieren oder die der Nachtdienst<br />

wegen psychischer Auffälligkeiten im Auge behalten will.<br />

Ein lauter Sirenenton aus dem Betreuerzimmer zeigt an, dass<br />

auf der anderen Seite des Hofs die Eingangstür der Frauenwohnung<br />

Seite 9 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SOZIALES<br />

geöffnet wurde. Der Alarm stellt sicher, dass niemand unbemerkt die<br />

Wohnung betritt, nur die Mitarbeiter haben den Schlüssel für die<br />

Tür. Die Frauen, die hier eine Unterkunft auf Zeit finden, sind oft<br />

vom Partner aus der Wohnung geworfen worden, nicht selten mit<br />

Gewalt. Die Frauenwohnung soll ein Schutzraum sein. Einzige Bewohnerin<br />

ist an diesem Sommertag Monika Petersen (alle Namen der<br />

Bewohner sind geändert). Die Frau mit dem dunklen Pferdeschwanz<br />

hat sich zum Abendbrot an den Couchtisch gesetzt, der Fernseher<br />

läuft. Die Möbel des Gemeinschaftsraums verströmen eine unerwartet<br />

bürgerliche Gemütlichkeit. Ein Wohnzimmerschrank in Eiche rustikal,<br />

eine violett gemusterte Couchgarnitur, alles stammt aus Spenden.<br />

Monika Petersen lächelt scheu, bläuliche Tätowierungen ziehen<br />

sich über die Arme der 51Jährigen. Sie hat sich die Notunterkunft zu<br />

eigen gemacht: „Einmal in der Woche mache ich hier alles gründlich<br />

sauber, saugen, feudeln, staubwischen…“ Ein Phänomen, das Gerhard<br />

Bachmann kennt. Gerade ältere Frauen entwickelten eine Haushaltsroutine,<br />

die mit ihren vertrauten Ritualen Sicherheit gibt in der<br />

Ausnahmesituation der Wohnungslosigkeit. Manche wollten gar<br />

nicht wieder weg. Monika Petersen ist jedoch zuversichtlich, bald<br />

ausziehen zu können. Dank der Witwenpension, die sie bekommt,<br />

hat sie etwas mehr Spielraum bei der Miete als die meisten hier,<br />

trotzdem hat sie lange gesucht. „Ich habe eine alte Nachbarin, der<br />

ich beim Einkaufen helfe, daher wollte ich nicht weit weg ziehen.“<br />

Warum sie die frühere Wohnung verlassen hat, bleibt im Unklaren.<br />

„Jetzt habe ich zwei Wohnungen in Aussicht, in den nächsten zehn<br />

Tagen entscheidet sich, welche ich bekommen kann.“ Hoffnung<br />

leuchtet in ihren Augen.<br />

Die Hoffnung auf eine eigene Wohnung teilen alle, die sich<br />

jetzt nach und nach bei Gerhard Bachmann für die Nacht anmelden.<br />

Nur vier Männer zwischen Anfang zwanzig und Anfang sechzig schlafen<br />

zurzeit im Hauptgebäude, einen weiteren Neuzugang hat die Beratungsstelle<br />

für heute Abend angekündigt. Bei so ungewöhnlich


SOZIALES · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 10<br />

geringer Belegung kann Gerhard Bachmann jedem ein eigenes Zimmer<br />

zuteilen, 14 Männerplätze gibt es insgesamt, für Notzeiten<br />

steht noch ein Bauwagen auf dem Hof. Um 19 Uhr schließt Bachmann<br />

die Schlafräume mit den Doppelstockbetten aus Metall auf,<br />

doch heute sitzen die meisten um diese Zeit noch im Raucherpavillon<br />

in der Abendsonne. Der Geruch von billigem Tabak zieht über das<br />

Gelände, ein Zug fährt quietschend vorbei. Wen man hier auch fragt,<br />

alle haben eine Wohnung in Aussicht, in spätestens drei Wochen will<br />

jeder raus sein aus der Wohnungslosenunterkunft. In den Gesprächen,<br />

die alle Bewohner regelmäßig mit den Sozialpädagogen der<br />

Beratungsstelle führen müssen, um weiter aufgenommen zu werden,<br />

stellen sich die Wohnungsangebote oft als Traumschlösser heraus. Zu<br />

groß, zu teuer, werden nicht an Personen mit Schufa-Eintrag vermietet.<br />

Und kaum jemand in der Übernachtungsstelle ist ohne Schulden.<br />

„Früher war ich selber Vermieter“, sagt Peter Schuster, „doch<br />

die Mieter haben nicht gezahlt und dann war das Haus futsch und<br />

ich saß auf der Straße.“ Der 59Jährige mit dem langen weißen Pferdeschwanz<br />

sieht deutlich älter aus, blass ist er, und seit sein Hund<br />

ihn vor zwei Wochen mit dem Rad umgerissen hat, kann er sich nur<br />

mit Krücken oder Rollator fortbewegen. Vor gut drei Jahren war er<br />

das erste Mal in der ZBS, doch nach drei Monaten hatte er die Nase<br />

voll und ging. „Ich will meine Freiheit“, sagt er und dreht sich eine<br />

Zigarette. In einem Zelt habe er zunächst gelebt und später in einem<br />

verlassenen Geräteschuppen der Bahn, erzählt er zwischen zwei Zügen.<br />

„Ich habe alles mal ausprobiert im Leben, von ganz unten bis<br />

ganz oben.“ Postbeamter sei er gewesen, Schauspieler wollte er werden,<br />

„aber dazu habe ich wohl kein Talent.“<br />

Neben dem Aufgang zur Frauenwohnung steht ein Hundezwinger,<br />

in den auch kleine Ponys passen würden, er ist extra so geräumig,<br />

dass Hund und Besitzer dort auch zusammen schlafen können. In die<br />

Räume der Übernachtungsstelle dürfen die Tiere aber nicht. Auch<br />

Peter Schuster hat einen Hund, der ihn seit Jahren begleitet. „Allein<br />

in den Zwinger, das geht gar nicht. Und ich kann im Moment nicht<br />

draußen schlafen“, sagt er mit Blick auf die Krücken. Gerade hat ein<br />

Mitarbeiter der ZBS seinen Hund abgeholt, er nimmt ihn über Nacht<br />

mit zu sich nach Hause und bringt ihn morgens wieder vorbei.<br />

Diesmal hat Peter Schuster sich vorgenommen, die Übernachtungsstelle<br />

erst zu verlassen, wenn er eine eigene Wohnung hat. So<br />

ganz kann er sich mit dem sesshaften Leben nicht anfreunden. „Viel<br />

bleibt mir dann nicht mehr von der Pension“, brummt er missmutig.<br />

Doch er hat Krebs und ist zu schwach, um weiter im Freien zu leben.<br />

„Und die hatten es hier auch nicht immer leicht mit mir“, sagt er<br />

mit einem schiefen Grinsen in Richtung von Gerhard Bachmann. Ein<br />

Problem mit dem Alkohol habe er, wie er einräumt, und einmal, da<br />

sei er auf allen Vieren die Treppe zu den Schlafräumen hochgekrochen.<br />

Denn das ist die goldene Regel: Nur wer aus eigenen Kräften<br />

die Treppe bewältigt, kann hierbleiben, für die anderen ruft Gerhard<br />

Bachmann einen Krankenwagen.<br />

Um 22.15 Uhr haben fast alle den Weg ins Bett genommen,<br />

ohne Probleme. Der Aufenthaltsraum, in dem die Männerrunde<br />

„Asterix und Obelix“ im Fernsehen gesehen hat, hat sich geleert und<br />

Gerhard Bachmann bricht zur letzten Kontrollrunde auf. Der ange-<br />

Kurze Wege: Beratungsstelle und Übernachtungsstelle sind unter einem Dach untergebracht.


kündigte Neuzugang ist nicht gekommen. Eine Stunde später klingt<br />

die elektronische Version von „Für Elise“ aus dem Betreuerzimmer,<br />

eine Frau fragt telefonisch an, ob sie noch aufgenommen werden<br />

kann. Noch während Gerhard Bachmann mit ihr spricht, entscheidet<br />

sie sich um, das Telefonat bricht ab.<br />

Das Quietschen der Weichen, begleitet vom Vibrieren des losen<br />

Resopalbelags auf dem Schreibtisch, ist die Hintergrundmusik der<br />

Nacht. Alle Viertelstunde schlägt die Turmuhr der Anscharkirche, die<br />

warme Luft steht im Zimmer. Immerzu fährt ein Zug ein oder ab und<br />

vermittelt den Schläfern (und vor allem den Wachgebliebenen) den<br />

Eindruck von Flüchtigkeit. Ein Ort, um sich niederzulassen ist die<br />

ZBS nicht, nur eine Station auf dem Lebensweg.<br />

Um 6 Uhr dringt ein kurzes Piepen des Weckers durch die Türen,<br />

die letzten beiden Arbeitsstunden beginnen für Gerhard Bachmann.<br />

Peter Schuster sitzt schon seit zwei Stunden im Gemeinschaftsraum,<br />

er habe bei offenem Fenster hervorragend geschlafen, behauptet er bei<br />

einer Tasse löslichem Kaffee. Das Morgengetränk sei eine Gewohnheit<br />

aus seiner Zeit als Fernfahrer. Gerhard Bachmann stellt ihm dafür<br />

abends extra einen gefüllten Wasserkocher auf, denn die Küche<br />

schließt er jetzt erst auf. Nach und nach erscheinen alle Übernachter<br />

zum Frühstück, damit entfällt die dritte Weckrunde. Der Nachtdienst<br />

neigt sich dem Ende zu, Bachmann erledigt letzten Schreibkram.<br />

„Das war ja eine ganz ruhige Nacht“, meint er, „tut mir Leid!“<br />

Zentrale Beratungsstelle für<br />

Menschen in Wohnungsnot<br />

Gasstraße 12, 24534 <strong>Neumünster</strong><br />

Telefon 04321 / 419510<br />

E-Mail: zbs@diakonie-altholstein.de<br />

• ZAHLEN •<br />

Seite 11 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SOZIALES<br />

166 Männer und 34 Frauen haben 2012 in der Übernachtungsstelle<br />

der ZBS geschlafen. Die Zahl der Übernachtungen stieg mit insgesamt<br />

3.427 um beinahe 10 % im Vergleich zum Vorjahr an. Seit September<br />

2012 sind jeden Monat mehr als 30 Wohnungslose in der Übernachtungsstelle<br />

untergekommen. Zuletzt gab es im Jahr 2003 eine<br />

derart hohe Belegung.<br />

Auch in der Beratungsstelle blieb 2012 die Zahl derer, die wegen<br />

Mietschulden oder auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum<br />

Hilfe suchten, hoch: 917 Männer und Frauen suchten die Beratung<br />

auf, 585 davon waren zum ersten Mal in der ZBS, lediglich 71<br />

waren zum wiederholten Male in Schwierigkeiten geraten.<br />

Links: Peter Schuster sucht<br />

nach Jahren der<br />

Wohnungslosigkeit eine<br />

Bleibe.<br />

Rechts: „Der Herr ist<br />

meine Stärke”<br />

Das Kreuz im Frauentrakt<br />

ist ein Geschenk eines<br />

ehemaligen Bewohners.<br />

Unten: Gerhard Bachmann<br />

auf dem Balkon des<br />

Betreuerzimmers.


SOZIALES · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 12<br />

Drinnen. Diakonische Beratung in der JVA<br />

Vom „Draußen“, sind sie durch dicke Mauern und Stacheldraht<br />

getrennt. Das „Hier drinnen“ in der JVA <strong>Neumünster</strong> ist eine<br />

ganz eigene Welt, nahezu unsichtbar für die Menschen außerhalb<br />

der Mauern. Kaum bekannt ist daher auch, dass die <strong>Diakonie</strong><br />

Altholstein schon seit vielen Jahren für die Gefangenen Schuldnerberatung<br />

und Hilfe bei der Wohnungssuche anbietet.<br />

Die Beratung ist eine Schnittstelle zur Außenwelt. Hier haben die<br />

Themen Platz, die nach der Entlassung eine Rolle spielen: Wo werde<br />

ich wohnen? Wie viel Geld bleibt mir zum Leben? Die beiden diakonischen<br />

Fachberatungen gehören dabei zu einem breiten Angebot<br />

spezialisierter Leistungen, die innerhalb der JVA von externen Trägern<br />

angeboten werden. Differenzierte Therapien, Beratung zu unterschiedlichen<br />

Suchterkrankungen und Hilfe für AIDS-Kranke sollen<br />

die Gefangenen auf ein Leben ohne Straftaten vorbereiten. Zu den<br />

externen Mitarbeitern gehören auch die evangelischen und katholischen<br />

Seelsorger.<br />

Fast 600 Haftplätze sind in der Justizvollzugsanstalt untergebracht,<br />

ausschließlich männliche Gefangene sitzen hier ein. Ein Teil<br />

von ihnen verbüßt eine Jugendstrafe. Die Beratung jugendlicher Gefangener<br />

bildet neben den erwachsenen Schuldnern einen Schwerpunkt<br />

der Arbeit von Schuldnerberaterin Helga Koberg. Dafür fährt<br />

sie einmal in der Woche zusätzlich zu den Sprechstunden in <strong>Neumünster</strong><br />

in die Jugendanstalt Schleswig. In beiden Jugendanstalten<br />

verbüßen einige wegen schwerer Straftaten langjährige Haftstrafen.<br />

Doch mit der Entlassung ist nicht alles erledigt. „Vielen ist nicht<br />

klar, was nach der Haft noch auf sie zukommt“, sagt die Beraterin.<br />

Renten oder Pflegekosten für die Opfer von Gewalttaten bedeuteten<br />

teilweise lebenslange finanzielle Verpflichtungen.<br />

Gerichtskosten und Entschädigungszahlungen summieren sich<br />

schnell zu mehreren zehntausend Euro. Eine echte Hypothek für das<br />

Leben in Freiheit, denn aus dem Verdienst im Knast lässt sich kaum<br />

etwas begleichen und bei einem Insolvenzverfahren bleiben die<br />

Schulden aus Straftaten unberücksichtigt. Aber das Geld ist nur eine<br />

Facette der Beratung. „Die Schulden kann ich abbezahlen, doch die<br />

Schuld werde ich nicht los“, fasst es ein erwachsener Gefangener im<br />

Beratungsgespräch zusammen. Helga Koberg stellt es den Klienten<br />

frei, ob sie ihr erzählen, weshalb sie verurteilt wurden, doch die<br />

meisten gehen offen mit ihrer Tat um. Gelegenheiten zur Aussprache<br />

sind rar gesät innerhalb der Anstalt. Kobergs Klient musste das in<br />

den ersten Monaten seiner Haft schmerzhaft erfahren. „Reue gilt<br />

hier als total uncool. Wenn ich anderen Gefangenen erzählt habe,<br />

wie mies es mir mit meiner Tat geht, hieß es höchstens ‚Bist du<br />

schwul, oder was?’“ Der Familienvater will so schnell wie möglich<br />

mit der Zahlung an die Opfer beginnen, auch um seine eigene Familie<br />

nicht zu belasten. Helga Koberg klärt ihn darüber auf, welche<br />

Forderungen nach der Haft noch auf ihn zukommen können. Das<br />

Haus, in dem Frau und Kinder leben, ist noch nicht abbezahlt – kann<br />

er es halten? Der junge Mann fährt sich mit der Hand durchs Gesicht:<br />

„Das wäre schrecklich für die Kinder, wenn sie da raus müssten“,<br />

sagt er leise.<br />

Dass unter der Straftat auch die Familie der Täter leidet, hat<br />

Helga Koberg schon häufig in Telefonaten mit Eltern jugendlicher<br />

Inhaftierter erfahren. „Die Eltern tragen eine große Belastung, sie<br />

empfinden oft eine Mitschuld“, sagt die Schuldnerberaterin, die gerne<br />

mehr Zeit für die Gespräche mit Angehörigen hätte. Doch ihr Terminplan<br />

ist eng gesteckt. Zwischen sechs und zehn Gespräche führt<br />

sie pro Beratungstag, dazu kommen viele Gänge innerhalb der JVA,<br />

Absprachen und schriftliche Anträge an den Vollzugsdienst brauchen<br />

Zeit. Zwei bis drei Monate müssen die Gefangenen auf einen Termin<br />

bei ihr warten, es sei denn, sie stellen einen Eilantrag.<br />

„Spontaneität gibt es hier nicht“, sagt auch Ulrich Dose über<br />

die Abläufe in der JVA. Seit 16 Jahre berät er Gefangene bei der Suche


nach einer Wohnung, in die sie<br />

nach der Entlassung ziehen können.<br />

Zu diesem Zeitpunkt spielt<br />

die Familie schon fast keine Rolle<br />

mehr, viele Beziehungen gehen<br />

während der Haftzeit in die<br />

Brüche. Nur selten berät der Sozialpädagoge Inhaftierte dabei, wie<br />

die Familienwohnung zu halten ist, wenn das Jobcenter oder das<br />

Sozialamt nach dem Auszug einer Person die Höhe der Miete nicht<br />

mehr akzeptieren. Eine große Rolle spielt dabei die Prognose, ob die<br />

Haft wegen guter Führung verkürzt werden kann, doch das ist ein<br />

unsicheres Geschäft. „Eine vorzeitige Entlassung ist nur möglich,<br />

wenn ein fester Wohnsitz nachgewiesen werden kann, das Jobcenter<br />

gibt aber keine Mietzusagen, weil die Entlassung beim geringsten<br />

Regelverstoß wieder kassiert wird.“ Ein echter Teufelskreis, denn<br />

kaum in Gefangener hat nach einer kurzen Haftstrafe genug Geld für<br />

Mietsicherheit und erste Miete angespart. Eine Notlösung bietet dabei<br />

die vorläufige Unterbringung in der Übernachtungsstelle der Zentralen<br />

Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot (ZBS), zu deren<br />

Mitarbeitern Ulrich Dose gehört. An die Kollegen „draußen“ vermittelt<br />

er auch Strafgefangene, die vor der geplanten Entlassung bereits<br />

in der Lockerung sind. In diesem Stadium können die Gefangenen<br />

bereits auf Antrag die JVA verlassen, z.B. um sich eine Wohnung zu<br />

suchen. „Das ist auch schon mal ein Test, wie sie im freien Leben<br />

zurecht kommen“, sagt Ulrich Dose.<br />

Die beiden Mitarbeitenden der <strong>Diakonie</strong> haben ihre Büros im<br />

Beratungs- und Therapiezentrum. Nach dem Umbau des C-Flügels der<br />

gut hundert Jahre alten Vollzugsanstalt wurden hier 2009 sämtliche<br />

Angebote zusammen gefasst. Mit den modernen, grün lasierten<br />

Holzbänken im Wartebereich, den herum liegenden Zeitschriften und<br />

der Pantryküche könnte der Flur unter dem Glasdach auch zu einem<br />

Ärztezentrum gehören. Doch der Schein trügt. Jede der Acht-Quadrat-<br />

Seite 13 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SOZIALES<br />

meter-Zellen, die als Büro dienen, ist mit einem Notrufknopf und<br />

einem mobilen Alarmgerät ausgestattet. Das hat Helga Koberg<br />

jedoch in zwölf Jahren Beratung in der JVA nie gebraucht. „Wenn ich<br />

ängstlich wäre, könnte ich hier drinnen nicht arbeiten“, sagt sie.<br />

• ZAHLEN •<br />

Links: Seit dem Umbau gibt es<br />

keine Gitterstäbe mehr vor<br />

dem Bürofenster von Wohnungsberater<br />

Ulrich Dose.<br />

Knapp 600 Gefangene<br />

verbüßen ihre Strafe in der<br />

JVA <strong>Neumünster</strong>.<br />

828 Stunden Schuldnerberatung in der JVA <strong>Neumünster</strong> und<br />

372 Stunden im Jugendvollzug <strong>Neumünster</strong> und Schleswig leistet<br />

die <strong>Diakonie</strong> Altholstein mit zwei Beraterinnen. 2012 wurden 356<br />

Gefangene beraten, bei 49 wurde ein Insolvenzverfahren vorbereitet.<br />

Für 9 Inhaftierte wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet.<br />

Die Wohnungssuchberatung, ein Teil der ZBS, ist an fünf Tagen<br />

pro Woche in der JVA für die Gefangenen erreichbar.<br />

Sie beriet 72 Menschen zur Vorbereitung der Entlassung.


SOZIALES · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 14<br />

<strong>Diakonie</strong> und Gemeinde<br />

Wie sich gemeindliche <strong>Diakonie</strong>, professionelle Beratung<br />

und ehrenamtliches Engagement ergänzen, zeigt das Beispiel<br />

der Thomas-Gemeinde in Kiel-Mettenhof.<br />

Montagmittag, die letzten Besucher verlassen das Birgitta-Thomas-<br />

Haus in Kiel-Mettenhof, einige bleiben noch im Gespräch vor der Tür<br />

stehen. Drinnen sind Menschen in Schürzen damit beschäftigt, leere<br />

Gemüsekisten zu stapeln und lange Tischreihen abzubauen. Die Kieler<br />

Tafel hat ihre wöchentliche Lebensmittelausgabe beendet, und<br />

damit ist für heute auch die Sprechstunde der Ämterlotsen vorbei.<br />

Drei Gespräche hat Ämterlotsenkoordinator Uwe Dorendorf in<br />

den letzten beiden Stunden geführt, jetzt nimmt er die Faltblätter<br />

und den Aufsteller von dem weißen Stehtisch in einem Flur neben<br />

der Ausgabe. „Wir haben schon verschiedene Plätze im Gemeindehaus<br />

ausprobiert“, berichtet er. Einerseits sollen die ehrenamtlichen<br />

Helfer der <strong>Diakonie</strong> gut zu sehen sein, andererseits dürften die Gespräche<br />

über Probleme mit Ämtern oder der Kampf mit Formularen<br />

auch nicht „auf dem Präsentierteller“ stattfinden. Keine leichte Aufgabe<br />

in dem offenen Haus mit den großen Fenstern.<br />

Ein offenes Haus ist auch der Wunsch von Pastorin Jutta Weiß.<br />

Die Gemeinde in Mettenhof ist in einer besonderen Situation. Der<br />

Kieler Stadtteil ist geprägt von der Hochhaussiedlung, die die Kirche<br />

gegenüber weit überragt. Menschen mit geringem Einkommen leben<br />

hier, viele Nationen auf engem Raum. Immer wieder gerät das Viertel<br />

in die Schlagzeilen, trotz aller Stadtentwicklungsprogramme. Jenseits<br />

der Hauptstraße liegt das andere Mettenhof: Einfamilienhäuser<br />

mit Garten, die Bewohner gutbürgerlich und kirchlich gebunden.<br />

„Die Mitglieder unseres Kirchgemeinderats haben wenig Berührungspunkte<br />

mit Hilfesuchenden“, konstatiert Jutta Weiß. Es seien eher<br />

die Pastoren, bei denen die Menschen mit der Bitte um Geld und<br />

Unterstützung an der Tür klingelten. Nur Lebensmittelgutscheine<br />

auszugeben, sei auf Dauer nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen<br />

Stein, das war bald klar. „Das diakonische Handeln können wir nicht<br />

weglassen in diesem Stadtteil!“, betont Jutta Weiß. Die Gemeinde<br />

stellt sich dieser Diskussion, ein ständiges Thema sei es, wie die<br />

Kirche auch in ihrer diakonischen Verantwortung besser im Stadtteil<br />

wahrnehmbar werden könne. Dazu wünschten sich die Gemeindemitglieder<br />

professionelle Beratung.<br />

Das war 2010 und Jutta Weiß erinnert sich an die Situation<br />

ein Jahr nach der Fusion der Kirchenkreise: „Die <strong>Diakonie</strong> streckte<br />

ihre Arme in Richtung Gemeinde aus und wir suchten Unterstützung.“<br />

Das Ergebnis der Gespräche war, dass die 2009 in Kiel wiederbelebte<br />

Kirchenkreissozialarbeit abwechselnd mit den ehrenamtlichen<br />

Ämterlotsen während der wöchentlichen Ausgabezeiten der<br />

Kieler Tafel vor Ort war. Ein stimmiges Konzept: Die Kirchenkreissozialarbeiterin<br />

bot den Hilfesuchenden dort, wo sie regelmäßig Lebensmittel<br />

abholten, fachliche Beratung, z.B. über die ihnen zustehenden<br />

Leistungen. Auch in Auseinandersetzungen mit Ämtern konnte<br />

sie Bescheide erläutern und rechtliche Fragen klären. Die Ämterlotsen<br />

hingegen übernehmen die Begleitung: Sie gehen mit zum Jobcenter,<br />

wenn ein Hilfebezieher nach einem Wortgefecht mit der<br />

Sachbearbeiterin seine Termine nicht mehr wahrnehmen mag. Sie<br />

lesen aber auch einfach mal den Rentenbescheid vor, wenn die Rentnerin<br />

die winzige Schrift nicht mehr entziffern kann. Wenn der Wust<br />

an Papieren zu groß ist, nehmen die Ehrenamtlichen sich die Zeit,<br />

gemeinsam mit den Hilfesuchenden zu Hause die Unterlagen zu sortieren,<br />

die schon lange nur noch im Schuhkarton gelandet sind und<br />

zwischen denen sicher der vom Amt geforderte Nachweis steckt.<br />

„Wir sind eher eine moralische Unterstützung“, sagt Uwe Dorendorf,<br />

„eine rechtliche Beratung leisten wir aber nicht!“ 40 Ämterlotsen<br />

gibt es im Kirchenkreis, in Kiel, Bordesholm, <strong>Neumünster</strong>, Bad<br />

Bramstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen helfen sie bei den<br />

Dingen, die in den Fachberatungsstellen zu viel Zeit binden würden,


Pastorin Jutta Weiß, Koordinator Uwe Dorendorf und Ämterlotsin Larissa Schuller<br />

wollen in Kiel-Mettenhof Hilfebedürftige im Stadtteil erreichen.<br />

die aber der entscheidende Schritt dazu sind, dass rechtliche Ansprüche<br />

auch durchgesetzt werden können. Pensionierte Beamte,<br />

Lehrer, Banker und andere, die auch außerhalb des Berufs Menschen<br />

unterstützen wollen, finden sich in den Reihen der Ämterlotsen.<br />

Das nötige Rüstzeug für das Ehrenamt bekommen sie zu Beginn in<br />

einer 20stündigen Schulung, die der Landesverband der <strong>Diakonie</strong> in<br />

Rendsburg regelmäßig anbietet. Rechtliche Grundbegriffe, Informationen<br />

zu Verschuldung und Sucht, aber auch das notwendige Verhältnis<br />

von Nähe und Distanz zu den Hilfesuchenden werden hier vermittelt.<br />

„Unser Kirchenkreis ist einer derjenigen, die die meisten Teilnehmer<br />

zur Schulung schicken“, sagt Uwe Dorendorf nicht ohne Stolz.<br />

Larissa Schuller wartet noch auf den nächsten Kurs des Landesverbands.<br />

Bis dahin begleitet sie erfahrene Ämterlotsen bei ihren<br />

„Fällen“ und unterstützt, wo sie kann. Die 34Jährige studiert im<br />

achten Semester Soziologie und Pädagogik und suchte ein Ehrenamt<br />

in der <strong>Diakonie</strong>, in dem sie neben dem Studium praktische Erfahrungen<br />

sammeln kann. Über die Internetseite der <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

stieß sie auf die Ämterlotsen. Ein besonderer Glücksfall, wie Koordinator<br />

Dorendorf findet, denn Larissa Schuller spricht fließend Russisch.<br />

Als er ihr vorschlug, die Ämterlotsin in Mettenhof zu begleiten, war<br />

Seite 15 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SOZIALES<br />

die junge Frau gleich einverstanden. Ihre Sprachkenntnisse kommen<br />

ihr hier zu Gute, wo es viele russischstämmige Bewohner im Stadtteil<br />

gibt.<br />

„Vielleicht können wir ja einen russischen Handzettel für die<br />

Ämterlotsen verteilen“, schlägt Pastorin Jutta Weiß vor, die sehr<br />

darum bemüht ist, auch sprachliche Barrieren zu beseitigen, um<br />

möglichst viele Menschen mit Hilfsangeboten zu erreichen. Die hohe<br />

Zahl Hilfesuchender mit Mettenhofer Adresse spricht dafür, dass es<br />

bei den Ämterlotsen klappt, auch wenn viele zunächst nur das Faltblatt<br />

mitnehmen und erst später einen Termin im Hauptbüro in der<br />

Eggerstedtstraße vereinbaren. Nicht wirklich zufrieden ist Jutta<br />

Weiß damit, dass die Ämterlotsen nur alle 14 Tage als Ansprechpartner<br />

in der Gemeinde sind. Zehn Ämterlotsen gibt es in ganz Kiel,<br />

der Bedarf wäre aber höher. Nachdem die Kirchenkreissozialarbeit<br />

nicht mehr vor Ort sei, fehle einfach der Profi, der die die Kontakte<br />

im Stadtteil habe, so Jutta Weiß. „Das ist ehrenamtlich nicht zu<br />

leisten.“<br />

Eines aber zeichne die Ämterlotsen aus, ist Larissa Schuller<br />

überzeugt: „Mit den Menschen menschlich umgehen.“<br />

• INFO •<br />

2003 rief das Diakonische Werk in Hamburg die Ämterlotsen<br />

ins Leben. Seit 2008 gibt es Ämterlotsen bei der <strong>Diakonie</strong> Altholstein.<br />

Das Projekt finanziert sich überwiegend aus Spenden.<br />

Die Sprechstunden finden in diakonischen Beratungsstellen oder<br />

den Stationen der Pflege <strong>Diakonie</strong> statt.<br />

Mit der Andreasgemeinde in Kiel-Wellingdorf gibt es eine<br />

zweite Gemeinde mit regelmäßiger Ämterlotsenpräsenz.<br />

Ämterlotsen: Telefon 04321 / 990 40 93 12<br />

E-Mail: aemterlotsen@diakonie-altholstein.de


Der Geschäftsbereich Arbeit, Familie und Bildung<br />

Die Stärkung der Familie durch Unterstützungs- und Bildungsangebote<br />

und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie standen<br />

im Mittelpunkt unserer Aktivitäten im Geschäftsbereich<br />

Arbeit, Familie und Bildung.<br />

Vor den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in unserer Zeit, in<br />

der sich das Individuum tiefgreifenden ökonomischen, technischmedialen<br />

und demographischen Veränderungen ausgesetzt sieht,<br />

fordert die Familie eine Balance zwischen Arbeit und Leben. Dazu<br />

gehören die Herausforderungen der sich ständig entwickelnden Arbeitswelt<br />

und die Anforderungen an die eigene Bildung und Entwicklung<br />

einerseits sowie die alltägliche Sorge für die Kinder oder die zu<br />

pflegenden Eltern auf der anderen Seite. Wir wissen, dass die Stärkung<br />

von Familien zukünftig einen immer höheren Stellenwert in<br />

unserer gesellschaftlichen Entwicklung und in der politischen Ausrichtung<br />

haben muss. Kommunen und Unternehmen werden sich in Zukunft<br />

an ihrer Familienfreundlichkeit messen lassen müssen, um wirtschaftlich,<br />

demographisch und sozial gerecht überleben zu können.<br />

In unserer vielfältigen Arbeit wird immer deutlicher, dass<br />

Familien zunehmend mehr Unterstützung bei der Bewältigung des<br />

Alltags benötigen. So sind wir mit unseren Familienbildungsstätten<br />

und den angeschlossenen Angeboten auf dem Weg zu einem Familienzentrum:<br />

Familien können die Kurse zur Stärkung ihrer Erziehungskompetenz<br />

in der FBS <strong>Neumünster</strong> und Bad Bramstedt besuchen,<br />

sich zu einer Mutter/Vater-Kind-Kur beraten lassen und / oder<br />

mit dem wellcome-Projekt nach der Geburt eines Kindes eine ehrenamtliche<br />

Hilfe in Anspruch nehmen. Ist das Kind älter, kann es an<br />

drei Tagen den Schnuppergarten als Vorbereitung auf die Kindertagesstätte<br />

oder dann ab 2013 die <strong>Diakonie</strong>-Krippen in <strong>Neumünster</strong><br />

und Henstedt-Ulzburg besuchen. Wir vermitteln Tagespflegepersonen<br />

im Kreis Segeberg und im Kreis Rendsburg-Eckernförde und<br />

Seite 17 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG<br />

bieten Qualifizierungen zur Tagespflegeperson in <strong>Neumünster</strong> an.<br />

(S. Bericht S. 22)<br />

Besonders freuen wir uns, dass das Projekt Elternbegleitung<br />

Plus in <strong>Neumünster</strong> als einem von 100 Modellstandorten gestartet<br />

ist. So können wir Familien dabei unterstützen, die Entwicklung ihrer<br />

Kinder im Bereich der Bildung von Anfang an so gut wie möglich<br />

zu gestalten.<br />

ann – das Beratungsbüro für Alleinerziehende hat in diesem<br />

Jahr viel erreicht. So ist neben der aktiven Netzwerkarbeit die<br />

Ansprache von Unternehmen im Fokus gewesen. Es wurde deutlich,<br />

dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon ein Balanceakt<br />

für Zwei-Eltern-Familien ist. Umso schwerer haben es Mütter<br />

oder Väter, die alleine für die Erziehung ihrer Kinder zuständig<br />

sind. Hier hat das Netzwerk in Veranstaltungen und Gesprächen viele<br />

Unternehmen der Region sensibilisiert, denen das Thema Familienfreundlichkeit<br />

am Herzen liegt.<br />

Hier schließt ein neues Projekt an: Der Aufbau einer unternehmensfinanzierten<br />

Kinderbetreuung ist das Ziel. Unsere Aufgabe<br />

ist es, Unternehmen zu gewinnen, die sich zu einer gemeinnützigen<br />

Gesellschaft zusammenfinden, die wiederum eine Kinderbetreuung<br />

für besondere Situationen, Notfallbetreuung oder auch Randzeitenbetreuung<br />

organisiert.<br />

Die Arbeitswelt wartet einerseits auf Fachkräfte, andererseits<br />

haben wir einen hohen Anteil von Menschen, die am Arbeitsmarkt<br />

unterrepräsentiert sind. Das sind Frauen, ältere, gering qualifizierte<br />

Langzeitarbeitslose und Migranten. Für diese Zielgruppen bieten wir<br />

das mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Schleswig-Holstein<br />

geförderte Projekt JobNavi an. 55 Teilnehmende aus<br />

dem Kreis Segeberg und aus <strong>Neumünster</strong> arbeiten in den Sozialkaufhäusern<br />

Bad Bramstedt und <strong>Neumünster</strong> und erhalten außerdem<br />

Weiterbildungsangebote, wie z.B. eine Qualifizierung in der Pflege<br />

oder im Bereich Verkauf und Dienstleistungen.<br />

Christine Hertwig


ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 18<br />

Aber auch junge Menschen, die es im ersten Anlauf nicht ge-<br />

schafft haben, eine Ausbildung zu absolvieren, können an einem<br />

ESF-geförderten Projekt teilnehmen: Ju Can! Hier begleiten wir Teilnehmende<br />

unter 25 Jahren Stufe für Stufe in Ausbildung oder Arbeit<br />

unter Berücksichtigung ihrer Interessen und Fähigkeiten. Unterstützung<br />

erhalten sie bei den individuellen Problemlagen, um sich konzentriert<br />

über verschiedene Projektbausteine auf den Weg in Arbeit<br />

zu machen. Unser Integrations-ABC bringt sie durch Arbeitserprobung,<br />

Bildung und Coaching weiter.<br />

Mit diesen Projekten versuchen wir den Auswirkungen der rigiden<br />

Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung zu begegnen. Denn<br />

mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen<br />

am Arbeitsmarkt am 1.4.2012 wurden die Maßnahmen für<br />

langzeitarbeitslose Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen<br />

wesentlich reduziert. Diesen Arbeitslosen werden Transferleistungen<br />

ausgezahlt, aber ohne ihnen eine Chance auf einen Wiedereinstieg<br />

ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Arbeitsmarktinstrumente für<br />

diese Zielgruppe sind seit dem Frühjahr massiv eingeschränkt bzw.<br />

ausgesetzt worden. So wurden die Ein-Euro-Jobs teilweise ganz gestrichen<br />

oder zu für den Träger nicht haltbaren Konditionen vorgesehen.<br />

Damit nimmt die Politik wissentlich eine Ausgrenzung dieser<br />

Arbeitslosen mitsamt ihren Familien in Kauf und ermöglicht ihnen<br />

nicht, Bildungschancen für sich und ihre Kinder zu nutzen. Deshalb<br />

verfestigt sich damit nicht nur die finanzielle Armut, sondern auch<br />

die Bildungsarmut.<br />

Arbeit hat für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft<br />

einen hohen Stellenwert. Wir definieren uns häufig über Arbeit. Verweigern<br />

wir aber einer bestimmten Gruppe von Personen den Zugang<br />

zu Arbeit, verweigern wir ihnen auch sozial gerechte Teilhabe am<br />

kulturellen und gesellschaftlichen Leben. In unseren Sozialkaufhäusern<br />

erleben wir, wie dankbar Menschen nach langer Arbeitslosigkeit<br />

sind, wenn sie wieder in einen Arbeitsprozess eingebunden<br />

werden. Sie haben wieder Kollegen und Vorgesetzte und erfahren einen<br />

strukturierten Alltag. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und sie<br />

sind bereit, sich auf die nächsten Schritte zur Aufnahme einer Beschäftigung<br />

am ersten Arbeitsmarkt zu machen. Diese Erfahrungen<br />

machen gerade die Teilnehmenden des Projektes „Perspektive 2+12“,<br />

die im Sozialkaufhaus in Bad Bramstedt in einer arbeitstherapeutischen<br />

und teilstationären Maßnahme der Eingliederungshilfe erste<br />

Schritte zur Wiedereingliederung gehen (s. Bericht S. 24).<br />

Die veränderte Arbeitsmarktpolitik stellt an uns als Weiterbildungs-<br />

und Beschäftigungsträger große Herausforderungen, um unsere<br />

Position in diesem Marktsegment zu halten.


25 Jahre wurde das Cafetti in Kiel-Hassee im Juni 2012.<br />

1.247 Besucher/innen zählte der Treffpunkt für Alleinerziehende und Familien im Jubiläumsjahr.<br />

Seite 19 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG<br />

Elternbegleitung Plus: Mit dezentralen Angeboten in verschiedenen Stadtteilen will Elternbegleitung Plus<br />

auch Familien erreichen, die bisher keine Bildungsangebote in Anspruch genommen haben.<br />

Auf dem Bild zu sehen sind Kursleiterin Zeynep Yüce (li.) und Koordinatorin Petra Schlüter.


Statistik: Neben<br />

Alter und Konfession<br />

wurde 1963 auch der<br />

Beruf des Ehemanns<br />

der Teilnehmerinnen<br />

erhoben.<br />

ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 20<br />

50 Jahre Ev. Familienbildungsstätte <strong>Neumünster</strong><br />

Die Sechziger<br />

„Bräute- und Mütterbildung ist Hilfe zum gemeinsamen Leben in Ehe<br />

und Familie“, hieß es im ersten Programmheft 1963. Unter Rubriken<br />

wie „Wir erwarten Gäste“ und „Ein Kindchen wird erwartet“ fanden<br />

in erster Linie Frauen Angebote. Die Folge der großen<br />

Nachfrage war ständige Raumnot.<br />

Die Siebziger<br />

Neue Kursbereiche wie Eltern- Kind- Gruppen- oder Musikangebote<br />

entstehen. Neben den Müttern rücken die<br />

Kinder in den Mittelpunkt der Programmgestaltung.<br />

Frauenpolitische Diskussionen finden in Veranstaltungen<br />

wie „Mein Mann hat seine Arbeit, was habe<br />

ich?“ Raum in der Ev. Familienbildungsstätte. Mit<br />

Lehrgängen für arbeitslose Jugendliche<br />

und Kochkursen für Patienten des Psychiatrischen<br />

Behandlungszentrums Hahnknüll<br />

werden weitere Gesellschaftsgruppen in<br />

den Blick genommen.<br />

Gründung als „Mütter- und Elternschule<br />

des Ev. Mütterbildungswerks“<br />

Leitung: Ruth Frickenhaus<br />

Träger: Frauenwerk der Landeskirche<br />

1962<br />

1963 1966<br />

Die Außenstelle<br />

Bad Bramstedt entsteht<br />

285 Teilnehmer/innen besuchen 25 Kurse<br />

in den Räumen Am Alten Kirchhof<br />

1972<br />

Umbennung in<br />

Ev. Familienbildungsstätte<br />

1973<br />

2.080 Teilnehmer/innen<br />

besuchen 183 Kurse<br />

1978<br />

1985 lernte die Teilnehmer dieses<br />

Säuglingspflegekurses auch im Selbstversuch<br />

die Vor- und Nachteile verschiedener Arten<br />

von Babynahrung kennen.<br />

Die Achtziger<br />

In diesen Jahren erlebt die FBS einen regelrechten Boom. Mit dem<br />

Neubau in der Vicelinstraße hat die Raumnot ein Ende. Familienseminare<br />

und Handarbeitskurse finden regen Zulauf, außerdem werden<br />

nun auch gezielt Männer angesprochen: Männergesprächskreise und<br />

Vater-Kind-Gruppen entstehen. Tagesaktuelle Themen werden beim<br />

„Frauenpolitischen Stammtisch“ diskutiert und mit Sprachkursen für<br />

türkische Frauen wendet sich die FBS neuen Zielgruppen zu.<br />

Edelgard Lessing<br />

übernimmt die Leitung<br />

Von Beginn an bot die Ev. Familienbildungsstätte<br />

Geburtsvorbereitungskurse an wie auf diesem<br />

Bild von 1976.<br />

2.779 Teilnehmer/innen<br />

besuchen 282 Kurse<br />

1981<br />

Wahre Kunstwerke entstanden<br />

in den 80er Jahren in den<br />

Klöppelkursen.<br />

1986 1992<br />

7.247 Teilnehmer/innen<br />

besuchen 571 Kurse<br />

Das Haus in der Vicelinstraße 6 ist fertig.<br />

Der Kirchgemeindeverband wird Träger der FBS


Gemeinsam mit anderen Einrichtungen organisierte die Ev. Familienbildungsstätte im September 1997<br />

eine große Familiendemo auf dem Großflecken für die Interessen von Familien in <strong>Neumünster</strong>.<br />

Die Neunziger<br />

Die Seniorenarbeit, die mit der Seniorenredaktion startete, setzt<br />

neue Schwerpunkte. Die „Akademie am Vormittag“ oder die Hospizund<br />

Trauerangebote begreifen Bildung und Familie als lebenslange<br />

Themen. Politisch engagiert sich das Ev. Bildungswerk u.a. bei der<br />

Familiendemo 1997. Aber auch neue Schwierigkeiten tauchen auf:<br />

Zum ersten Mal wird die Finanzierung der Familienbildung eingeschränkt.<br />

1998 1999<br />

Die FBS wird Teil des<br />

„Ev. Bildungswerks“ im<br />

Diakonischen Werk des<br />

Kirchenkreises <strong>Neumünster</strong><br />

Barbara Gonnermann wird<br />

Leiterin des Ev. Bildungswerks<br />

2002<br />

6.194 Teilnehmer/innen<br />

besuchen 374 Kurse<br />

Dr. Constanze von Wildenradt<br />

übernimmt die Leitung<br />

2009<br />

2010<br />

Seite 21 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG<br />

Das neue Jahrtausend<br />

Unter dem Dach der Familienbildung<br />

entstehen zahlreiche neue Projekte:<br />

wellcome unterstützt ehrenamtlich<br />

junge Familien, die Vorleseinitiative<br />

NeLe entwickelt sich zur festen Größe<br />

in <strong>Neumünster</strong>s Kindergärten. Mit dem<br />

Schnuppergarten für Kinder unter drei Jahren<br />

oder der Ausbildung zur Tagespflegeperson<br />

legt die FBS einen Grundstein für die frühkindliche<br />

Bildung. 2008 öffnet das Mehrgenerationenhaus<br />

seine Türen. Auch im Jubiläumsjahr<br />

werden Akzente gesetzt: Die „Elternbegleitung<br />

Plus“ wendet sich mit kostenlosen<br />

oder vergünstigten Kursen an<br />

bildungsferne Familien. Diesen umfassende<br />

Unterstützung und Bildung zu bieten,<br />

ist mit dem Umzug der FBS in das<br />

Parkcenter und der engeren Vernetzung<br />

mit dem Zentrum für Berufliche Bildung ein Schwerpunkt<br />

evangelischer Familienbildung geworden.<br />

Das Bildungswerk<br />

wird wieder zur<br />

Ev. Familienbildungsstätte<br />

Tollkühne Bobbycarfahrerinnen eröffneten<br />

im Oktober 2011 offiziell die neuen<br />

Räume im Parkcenter.<br />

Umzug in das Parkcenter und<br />

Abschied von der Vicelinstr.<br />

2011 2012<br />

50 Jahre Ev. Familienbildung<br />

in <strong>Neumünster</strong>!<br />

6.619 Teilnehmer/innen<br />

besuchen 416 Kurse<br />

Mit einer Ausstellung<br />

und einem bunten<br />

Familienfest feierte<br />

die FBS 2012 ihr<br />

Jubiläum.<br />

50 JAHRE<br />

Ev. Familienbildungsstätte<br />

Christianstr. 8 - 10, 24534 <strong>Neumünster</strong><br />

Telefon 04321 / 25 05 400<br />

E-Mail: fbs-neumuenster@diakonie-altholstein.de


ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 22<br />

<strong>Diakonie</strong> für Einsteiger – Betreuung von Kindern<br />

unter drei Jahren<br />

Schon lange bietet die <strong>Diakonie</strong> Altholstein mit dem<br />

Schnuppergarten eine Betreuung für Kleinkinder ohne Eltern an.<br />

Die individuelle Betreuung durch Tagespflegepersonen wird<br />

durch Qualifizierung, Beratung und Vermittlung gefördert.<br />

Diese Erfahrungen fließen nun ein bei der Eröffnung zweier<br />

<strong>Diakonie</strong>-Krippen in <strong>Neumünster</strong> und Henstedt-Ulzburg 2013.<br />

2004 entstand unter dem Dach der Ev. Familienbildungsstätte (FBS)<br />

die erste Schnuppergartengruppe. An zwei oder drei Vormittagen pro<br />

Woche können hier Kinder ab zwei Jahren ohne ihre Eltern Gruppenerfahrung<br />

sammeln. Drei Schnuppergartenangebote gibt es mittlerweile<br />

in <strong>Neumünster</strong>, zwei Am Alten Kirchhof, eines im Mehrgenerationenhaus.<br />

Dass gerade für die Betreuung der Kleinsten speziell qualifiziertes<br />

Personal notwendig ist, das eine zuverlässige Bindung zu den<br />

Kindern aufbauen und altersgerechte Anregungen bieten kann, war<br />

der Anstoß, ein Jahr nach der Entstehung des Schnuppergartens den<br />

ersten Qualifizierungskurs für Tagespflegepersonen in der FBS anzubieten.<br />

126 Tagesmütter und -väter wurden in diesen Kursen bis<br />

heute geschult.<br />

Nach der Ausbildung sind die Servicebüros in Bordesholm,<br />

Bornhöved und Bad Bramstedt Ansprechpartner für die Tagespflegepersonen.<br />

Die Mitarbeiterinnen organisieren einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch<br />

und bieten Fortbildungen an, gleichzeitig sind<br />

sie für die Vermittlung der Pflegestellen zuständig. Hier zeigt sich,<br />

dass der Bedarf für eine Betreuung der Kleinsten weiter hoch ist.<br />

Allein in Bordesholm sind 58 der insgesamt 63 Plätze mit Kindern<br />

unter drei Jahren belegt. Besonders gefragt sind dabei die Tagespflegepersonen,<br />

die sich in Fortbildungen, z.B. in Montessori-Pädagogik,<br />

weiter entwickelt und spezialisiert haben. Nach wie vor ein Problem<br />

Tagesmütter 2012: 14 neue Tagesmütter haben im Juni nach 160 Stunden Ausbildung<br />

ihre Zertifikate erhalten.<br />

ist die Betreuung von Kindern in Randzeiten, also morgens vor Öffnung<br />

des Kindergartens bzw. nachmittags. Die Ansprüche an die<br />

zeitliche Flexibilität der Eltern im Berufsleben steigen, in Bad Bramstedt<br />

und Bornhöved gibt es erste Anfragen nach einer Samstagsbetreuung.<br />

Dass die zuverlässige Kinderbetreuung der Schlüssel zum (Wieder)Einstieg<br />

ins Berufsleben ist, wurde auch in den Qualifizierungsmaßnahmen<br />

des Zentrums für Berufliche Bildung (ZBB) deutlich.<br />

Gerade Alleinerziehende und gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen<br />

sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder auch außerhalb der klassischen<br />

8-12-Uhr-Betreuung gut versorgt sind, denn mit Teilzeitstellen<br />

in so geringem Stundenumfang lässt sich eine Familie nicht ernähren.<br />

Mit der Eröffnung zweier Kinderkrippen geht die <strong>Diakonie</strong>-Altholstein<br />

2013 daher den nächsten Schritt. Im <strong>Neumünster</strong>aner Vicelinviertel<br />

öffnet in einer sozial belasteten Nachbarschaft im April die


Nach dem Abriss des hinteren Altbaus entsteht aus der früheren<br />

FBS-Außenstelle die <strong>Diakonie</strong>-Krippe in der Vicelinstraße.<br />

erste Einrichtung mit zwei Gruppen à zehn Kindern ihre Türen. Zum<br />

neuen Kindergartenjahr folgt dann die zweite Krippe, die in Henstedt-Ulzburg<br />

gemeinsam mit der Kreuzkirche geplant wird. Beiden<br />

Einrichtungen ist gemeinsam, dass sie schon beim Bau die Bedürfnisse<br />

der Kleinkinder berücksichtigen. Podeste, Tunnel und andere<br />

Bewegungsmodule sollen die motorische Entwicklung fördern, geschützte<br />

Schlafräume und Kuschelecken bieten Rückzugsmöglichkeiten.<br />

Die Kinder als Geschöpfe Gottes zu sehen, die uns anvertraut<br />

sind, ist der Leitsatz der Krippen als evangelische Einrichtungen.<br />

Ähnlich wie in einer Familie sollen hier die Kinder Geborgenheit und<br />

ein soziales Miteinander erfahren. Jedes Kind soll dabei unterstützt<br />

werden, seine individuellen Gaben und Fähigkeiten zu entfalten.<br />

Diese Umgebung soll den Grundstein zum Spaß am lebenslangen<br />

Lernen legen. Denn auch das ist eine essentielle Erfahrung aus dem<br />

Seite 23 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG<br />

Jeder Weg ein Lehrpfad: Die Schnuppergartenkinder entdecken auf dem Weg zur Krippenbaustelle<br />

spannende Insekten im Gebüsch.<br />

Qualifizierungsbereich im ZBB: Ohne Bildung ist eine Teilhabe am<br />

gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Die Krippen sollen dazu beitragen,<br />

Kindern aus ganz unterschiedlichen Herkunftsfamilien gleiche<br />

Startchancen zu schaffen.<br />

Der Blick auf die gesamte Familie zählt zu den Besonderheiten<br />

der <strong>Diakonie</strong>-Krippe. Die Betreuungseinrichtung ist ein Baustein in<br />

dem umfangreichen Angebot der <strong>Diakonie</strong> Altholstein für Familien.<br />

Und mit der Kombination aus flexiblen Betreuungszeiten zwischen<br />

7 und 18 Uhr sowie Kursangeboten, die mit Spiel und Spaß die Bindung<br />

zwischen Eltern und Kindern stärken, will die <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

dazu beitragen, eine gesunde Balance zwischen familiären und<br />

beruflichen Bedürfnissen zu fördern.<br />

Fachbereich Familie: Telefon 04321 /250 54 04<br />

E-Mail: constanze.wildenradt@diakonie-altholstein.de


ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 24<br />

Neue Perspektiven schaffen<br />

Im Sozialkaufhaus in Bad Bramstedt hat im letzten Jahr<br />

eine kleine Erfolgsgeschichte ihren Anfang genommen.<br />

Die Akteure: Menschen mit psychischen Behinderungen oder<br />

einer Suchterkrankung, oft auch mit beidem.<br />

„Multiple Vermittlungshemmnisse“ nennt sich das im Behördendeutsch<br />

der Jobcenter. Und die waren oft zu groß, um einen normalen „Ein-<br />

Euro-Job“ durchzuhalten. Der Landesverein für Innere Mission und<br />

die <strong>Diakonie</strong> Altholstein haben mit dem Projekt „Perspektive 2+12“<br />

einen neuen Weg erprobt, auch Menschen mit besonders schwierigen<br />

Lebensbedingungen einen Arbeitsalltag zu bieten, nah an realen Bedingungen,<br />

aber mit der notwendigen sozialpädagogischen Unterstützung.<br />

Ein knappes Jahr nach dem Start von „Perspektive 2+12“ im<br />

Februar 2012 sind die Hoffnungen von Stephanie Vallentin deutlich<br />

übertroffen worden. „Ich hätte mit viel mehr Abbrüchen gerechnet“,<br />

bekennt die zuständige Fachbereichsleitung. Doch tatsächlich sind<br />

nur fünf der insgesamt 17 Perspektive-Teilnehmer vorzeitig ausgeschieden,<br />

drei davon wechselten nahtlos in andere Maßnahmen.<br />

Diese Quote liegt deutlich niedriger als in dem Bereich der „normalen“<br />

Arbeitsgelegenheiten, den so genannten „Ein-Euro-Jobs“. Das<br />

Geheimnis der Beständigkeit ist nach Ansicht Vallentins die Kombination<br />

aus praktischer Tätigkeit und intensiver sozialpädagogischer<br />

Betreuung.<br />

Die Betreuung leisten beide Träger. Im Sozialkaufhaus begleitet<br />

Martin Werner-Jonathal die Teilnehmer im Arbeitsalltag. Gemeinsam<br />

mit ihnen überlegt er, ob sie im Verkauf, dem Möbellager oder dem<br />

Schreib- und Servicebüro eine geeignete Tätigkeit finden. Dann arbeitet<br />

er mit den maximal zehn Perspektive-Teilnehmern in ihrem<br />

Arbeitsfeld zusammen, zum Beispiel beim Auf- und Abbau von gespendeten<br />

Möbeln. Klappt es mit der Zusammenarbeit im Team?<br />

Können sie mit Konflikten und Kritik umgehen? Aber auch ganz<br />

praktische Dinge wie die handwerklichen Fähigkeiten oder den sorgsamen<br />

Umgang mit dem Werkzeug hat der Arbeitspädagoge im Blick<br />

und gibt den Teilnehmern entsprechende Rückmeldungen.<br />

Bis zu sechs Stunden täglich arbeiten die Perspektive-Teilnehmer<br />

im Sozialkaufhaus, meist fangen sie mit einer reduzierten Arbeitszeit<br />

an. Anders als ihre Kollegen besuchen sie jedoch zusätzlich<br />

zwei Gesprächsrunden zu Beginn und Abschluss der Arbeitswoche im<br />

„TriO“, dem von Landesverein betriebenen „Treffpunkt im Ort“. Die<br />

Sozialpädagogen des Landesvereins begleiten die Teilnehmer jenseits<br />

der Arbeit, bei Arztbesuchen, zu Ämtern, zur Schuldnerberatung<br />

und anderen Unterstützungsangeboten.<br />

Die Pädagogen beider Träger tauschen sich regelmäßig aus.<br />

Das gute Betreuungsnetz greift auch im Krisenfall, denn Rückfälle<br />

und Klinikeinweisungen gehören zum Krankheitsbild, wie Martin<br />

Werner-Jonathal erfahren hat. „Die Kollegen vom Landesverein begleiten<br />

die Teilnehmer während der Behandlung, hinterher können<br />

sie je nach Belastbarkeit wieder hier im Sozialkaufhaus einsteigen.“<br />

Die Arbeit im Sozialkaufhaus sei krankheitsbegleitend, doch es sei<br />

bereits als Erfolg zu sehen, dass sich alle Teilnehmer im letzten Jahr<br />

deutlich stabilisiert haben, so Werner-Jonathal. Stephanie Vallentin<br />

Perspektive-Teilnehmerin Britta Ströde sortiert die Bücher im Sozialkaufhaus Bad Bramstedt.


grenzt die Erwartungen ein: „Eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />

ist für die meisten unrealistisch. Aber die Anerkennung und<br />

die sichtbaren Erfolge, die die Teilnehmer hier erleben, vermitteln<br />

das Wichtigste, nämlich dass sie gebraucht werden und einen eigenen<br />

Wert haben.“<br />

Fast seit Beginn dabei ist Heike Zenker. „Ich komme jeden<br />

Morgen mit guter Laune her“, sagt sie nach einem knappen Jahr,<br />

dafür seien auch die netten Kollegen ein Grund. Nun fühlt sie sich<br />

reif dafür, in den Gartenbau einer beschützten Werkstätte zu wechseln.<br />

Zwei Praktika hat sie dort während ihrer Zeit im Sozialkaufhaus<br />

gemacht. „Und wenn es nicht klappt, komme ich ins Sozialkaufhaus<br />

zurück“, hält sich die Frau mit dem Kurzhaarschnitt eine Rückkehroption<br />

offen. Wie lange die Perspektive-Teilnehmer im Sozialkaufhaus<br />

bleiben, richtet sich nach ihrem individuellen Bedarf. Die Arbeit<br />

machen sie auf freiwilliger Basis, anders als die vom Jobcenter<br />

entsandten „Ein-Euro-Jobber“ bekommen sie jedoch keine Mehraufwandsentschädigung<br />

für die geleistete Arbeit.<br />

Dass diese Ungleichheit zu Konflikten führen würde, hatte das<br />

Team zu Beginn befürchtet, auch dass es Vorbehalte gegenüber den<br />

psychisch kranken Teilnehmern geben würde. Doch der offene Umgang<br />

mit den bestehenden Krankheitsbildern hat im Gegenteil sogar<br />

dazu geführt, dass auch die vom Jobcenter vermittelten Teilnehmer<br />

Suchtprobleme oder Depressionen eher eingestehen. „Sie sehen bei<br />

den Perspektive-Kollegen, dass man auch mit Erkrankung arbeiten<br />

kann“, meint Martin Werner-Jonathal. Es gebe ohnehin viele Überschneidungen<br />

zwischen den beiden Teilnehmergruppen, z.B. bei den<br />

Verhaltensweisen oder der eingeschränkten Belastbarkeit. Das führt<br />

auch dazu, dass Teilnehmer in das Perspektive-Projekt wechseln, so<br />

wie Britta Ströde. Sie kannte das Sozialkaufhaus aus einer früheren<br />

Jobcenter-Maßnahme und wollte mit Hilfe der „Perspektive“ unbedingt<br />

zurück. Nun ist sie mit drei Stunden am Tag wieder eingestiegen.<br />

Als erstes hat sie sich auf die Buchabteilung gestürzt und Ordnung<br />

in die Regale gebracht. Arbeitspädagoge Werner-Jonathal ist<br />

Seite 25 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ARBEIT, FAMILIE UND BILDUNG<br />

begeistert: „Frau Ströde sieht gleich, was zu tun ist und packt an.“<br />

Ihr Ziel ist, im Verkauf zu arbeiten, doch dafür möchte sie zunächst<br />

mehr Sicherheit im Umgang mit Kunden und Kollegen gewinnen.<br />

Britta Ströde kennt sich bereits aus, doch andere Neuankömmlinge<br />

werden von erfahrenen Teilnehmern eingearbeitet, die damit<br />

Verantwortung übernehmen. Martin Werner-Jonathal achtet darauf,<br />

zu Beginn harmonische Teams zusammen zu stellen, später plant er<br />

auch Gruppen, in denen unterschiedliche Charaktere aufeinander<br />

treffen. Wenn dann der stille Tüftler mit einem Hauruck-Typen einen<br />

Schrank zusammenbaut, üben die Teilnehmer gleichzeitig, mit Konflikten<br />

umzugehen. Eine echte Herausforderung, wie auch Heike Zenker<br />

erfahren hat, aber, so sagt sie, „wenn wir mal Knatsch haben,<br />

machen wir das unter uns klar.“<br />

• INFO •<br />

Das Projekt „Perspektive 2+12“ ist am 14.2.2012 gestartet.<br />

Bis Ende Januar 2014 ist die Finanzierung vorerst gesichert.<br />

Der Name kommt von der Kombination der arbeitsmarktorientierten<br />

Leistungen aus dem SGB II und der Förderung zur „Teilhabe am<br />

Arbeitsleben“ nach dem SGB XII.<br />

Höchstens zehn Perspektive-Teilnehmer arbeiten gleichzeitig im<br />

Sozialkaufhaus Bad Bramstedt, daneben gibt es 30 „Ein-Euro-Jobber“<br />

und acht feste Mitarbeitende, die in zwei Schichten von Montag bis<br />

Samstag den Kaufhausbetrieb sichern.<br />

Sozialkaufhaus Bad Bramstedt<br />

Maienbeeck 6 - 8, 24576 Bad Bramstedt<br />

Telefon 04192 / 906 99 55, E-Mail: zbb@diakonie-altholstein.de


Der Geschäftsbereich Senioren und Pflege<br />

Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und wird immer älter.<br />

Kamen im Jahr 1980 auf 100 Erwerbsfähige nur 27 Menschen über<br />

65 Jahre, werden es 2030 voraussichtlich schon 53 sein. Das statistische<br />

Bundesamt geht davon aus, dass in 20 Jahren in Deutschland<br />

fast genauso viele Pflegebedürftige wie Kinder unter sechs Jahren<br />

leben werden. Zurzeit ist das Verhältnis noch 2,4 Millionen Pflegebedürftige<br />

zu ca. 4 Millionen Kindern unter sechs Jahren. Das bedeutet,<br />

dass den Prognosen zufolge im Jahr 2030 ca. 30 Prozent mehr<br />

Menschen pflegebedürftig sein werden als 2010. Für Anbieter in der<br />

ambulanten und stationären Pflege erscheint dies auf den ersten<br />

Blick als eine positive Entwicklung hinsichtlich des Bedarfes an Leistungen<br />

und somit eine Steigerung der Umsatz- und Patientenzahlen.<br />

Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass bei der zurückgehenden<br />

Geburtenzahl zum einen immer weniger Personen da sein<br />

werden, die die zusätzlich notwendige Pflege übernehmen können<br />

und zum anderen auch immer weniger Menschen Beiträge in die Kassen<br />

der Pflege- und Krankenversicherungen einzahlen werden.<br />

Bereits heute sprechen wir in der Pflege von einem Fachkräftemangel,<br />

der sich auch in unserer Arbeit der <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

bemerkbar macht. Auch wenn wir 2012 noch über 120 neue Mitarbeitende<br />

in der Pflege einstellen konnten, so haben uns doch im gleichen<br />

Zeitraum ca. 80 Mitarbeitende verlassen, zum Teil aus Altersgründen,<br />

zum Teil um in anderen Berufen zu arbeiten. Wir nehmen in unserer<br />

Mitarbeiterschaft den gleichen Trend wahr, der auch bundesweit<br />

festgestellt wird. Der Anteil der unter 35jährigen Mitarbeitenden in<br />

der Pflege sinkt von 37 % auf 31 % und der der über 50Jährigen<br />

steigt von 16 % auf 25 %. Das zeigt deutlich, dass die Attraktivität<br />

des Pflegeberufs erheblich nachlässt. Laut Untersuchungen der Bertelsmannstiftung<br />

werden 2030 allein in Schleswig-Holstein 15,2 %<br />

der Fachkraftstellen nicht besetzt sein (Bundesdurchschnitt 17,8 %).<br />

Seite 27 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SENIOREN UND PFLEGE<br />

Für uns als <strong>Diakonie</strong> Altholstein wird es darauf ankommen, mit<br />

guten Ideen, Konzepten und attraktiven Arbeitsplätzen Fachkräfte<br />

für uns zu gewinnen. Diesen Herausforderungen versuchen wir auf<br />

unterschiedliche Weise zu begegnen. So haben wir 2012 eine Stelle<br />

für interne Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie für Personalentwicklung<br />

geschaffen. Wir wollen damit gezielt Mitarbeitende, die<br />

zunächst als Servicekräfte bei uns beginnen, weiterqualifizieren, damit<br />

sie bei uns anerkannte Abschlüsse in der Pflege erwerben. Des<br />

Weiteren werden wir bei der Ausgestaltung der Arbeitsplätze zunehmend<br />

flexible Möglichkeiten in der Arbeitszeit schaffen, um Familie<br />

und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Hier ist es zunehmend<br />

ein Balanceakt, die Interessen der Mitarbeitenden, der<br />

Kunden und der Wirtschaftlichkeit gut miteinander in Einklang zu<br />

bringen.<br />

Diese Veränderungen gilt es parallel zu den täglichen Herausforderungen<br />

im Pflegealltag vorzunehmen. Mit der Verabschiedung<br />

des Pflegeneuordnungsgesetztes (PNG) 2012 erleben wir schon<br />

wieder eine große Veränderung in den gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich<br />

der Versorgung der Patienten. Vieles, was im vergangen<br />

Jahr durch den Gesetzgeber auf den Weg gebracht wurde, ist bis<br />

heute nicht in der Umsetzung auf Länderebene geregelt, was zu einer<br />

hohen Verunsicherung bei Patienten, Angehörigen, Kassen und<br />

Pflegediensten führt.<br />

Unbeirrt von den rechtlichen Rahmenbedingungen haben wir<br />

neue Versorgungskonzepte in der Pflege auf den Weg gebracht bzw.<br />

erfolgreich weiterentwickelt. So sind wir froh, dass nach einer längeren<br />

Anlaufzeit unsere Wohngemeinschaft für demenziell Erkrankte<br />

voll belegt ist und dass die Arbeit mit Demenzerkrankten aktiv begleitet<br />

und unterstützt wird von dem Ehrenamtsprojekt der Kulturpaten.<br />

Die Einbindung und Ergänzung von Ehrenamtlichen und Angehörigen<br />

in der Pflege wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />

Die enge Vernetzung zwischen der offenen Seniorenarbeit in unserem


SENIOREN UND PFLEGE · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 28<br />

Auch in <strong>Neumünster</strong> erleben nun die ehrenamtlichen Kulturpaten mit Demenzkranken Kunst –<br />

hier bei der Ausstellung 54°4Min im Gerischpark.<br />

Haus und der ambulanten und stationären Pflege bietet uns die<br />

Möglichkeit, ganzheitliche Ansätze in der Versorgung zu entwickeln<br />

und umzusetzen.<br />

Mit der Übertragung der Versorgung und Betreuung der Menschen<br />

in der neuen Wohnanlage am Gustav-Schatz-Hof in Kiel-Gaarden<br />

übernehmen wir 2013 ganz neue Aufgaben. Zum einen werden<br />

wir zum ersten Mal Träger einer Tagespflege. Zum anderen werden<br />

wir dort Menschen unterschiedlichster kultureller und religiöser Herkunft<br />

begleiten und pflegen und dafür auch Mitarbeitende mit entsprechenden<br />

Biographien einstellen. Im September 2012 wurde im<br />

Beisein des Innenministers das Richtfest für dieses Projekt gefeiert<br />

und wir haben dort sehr viel Zuspruch und Anerkennung erfahren,<br />

dass <strong>Diakonie</strong> – und somit Kirche – sich dieser Aufgabe stellt.<br />

Im Altenzentrum St. Nicolai wurde der erste große Umbauabschnitt<br />

abgeschlossen (s. Bericht S. 35). Bei voller Belegung haben<br />

wir die gesamte dritte und vierte Etage von Zweibettzimmern in moderne<br />

Einzelzimmer umgebaut. Diese Baumaßnahme stellte eine außerordentlich<br />

große Herausforderung für die Bewohner und Mitarbei-<br />

Beim Gaardener Brunnenfest stellten die <strong>Diakonie</strong> Altholstein und die FRANK-Gruppe<br />

das neue Wohnprojekt am Gustav-Schatz-Hof vor.<br />

tenden im Haus dar. Allen, die zum Gelingen dieses großen Projektes<br />

beigetragen haben, gilt mein Dank.<br />

Zu danken ist allen Mitarbeitenden sowohl in der ambulanten<br />

als auch stationären Pflege. Unter hoher Belastung schaffen sie für<br />

die Patienten eine Atmosphäre der Geborgenheit und Wärme. Die vielen<br />

positiven Rückmeldungen von Angehörigen und Patienten zeigen<br />

mir, wie liebevoll und zugewandt unsere Mitarbeitenden die Menschen,<br />

die unserer Unterstützung bedürfen, versorgen. Auch den Leitungskräften,<br />

an welcher Stelle auch immer sie Verantwortung tragen,<br />

gilt mein großer Dank! Sie schaffen es immer wieder stärkend für die<br />

Mitarbeitenden, Patienten und Angehörigen da zu sein und ihnen<br />

auch in schwierigen Situationen Mut und Zuversicht zu vermitteln.<br />

Mit innovativen Ideen für die Zukunft der Pflege und mit weiterhin<br />

so engagierten Mitarbeitenden werden wir auf die Aufgaben,<br />

die 2013 auf uns zukommen, voller Zuversicht zugehen.<br />

Heinrich Deicke | Geschäftsführer


Für die Seele sorgen<br />

„Satt und sauber“ ist schon lange kein ausreichender<br />

Grundsatz mehr für die Pflege. Die Pflege <strong>Diakonie</strong> möchte<br />

aus ihrer diakonischen Tradition heraus den ganzen Menschen<br />

sehen, und über Körperpflege und Haushaltshilfe hinaus<br />

auch die seelischen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen<br />

im Blick behalten. Mit Fortbildungen für die Mitarbeitenden<br />

und einem eigenen Zeitbudget will die <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.<br />

„In meiner Zeit als Gemeindepastor war ich oft neidisch auf die diakonischen<br />

Pflegekräfte, denn die kamen in jeden Haushalt und leisteten<br />

täglich viel mehr Seelsorge, als ich das je konnte“, sagt Propst<br />

Kurt Riecke, der im Kirchenkreis für die Dienste und Werke zuständig<br />

ist. Pflege- und Servicekräfte als Seelsorgende? Sollen die nicht<br />

Blutdruck messen und im Haushalt helfen? Doch oft kommen die<br />

Mitarbeiterinnen über Jahre täglich ins Haus, und nicht selten sind<br />

sie die einzigen regelmäßigen Gesprächspartner. Dabei wächst die<br />

Beziehung zu den betreuten Senioren.<br />

„Das Reden ist manchmal wichtiger als die eigentliche Arbeit“,<br />

sagt Alexandra Dietrich, Servicekraft aus Bad Bramstedt. Sie hatte,<br />

noch bei ihrem früheren Arbeitgeber, ein Schlüsselerlebnis, das ihr<br />

deutlich machte, wie wichtig es für die Pflegebedürftigen ist, in ihren<br />

Ängsten angenommen zu werden und Entlastung zu erfahren.<br />

„In dem Heim, in dem ich damals als Präsenzkraft arbeitete, lebte<br />

eine hochdemente Frau, die fast pausenlos weinte, und flehte: ‚Gebt<br />

den Kindern doch etwas zu essen!’ Das Leid konnte ich gar nicht mit<br />

ansehen“, erinnert sich Alexandra Dietrich, immer noch sichtlich bewegt.<br />

Offensichtlich durchlief die alte Dame immer wieder Erlebnisse<br />

aus Kriegstagen. Hinweise darauf, dass der Krieg lange vorbei sei,<br />

erreichten die Realität der dementen Bewohnerin nicht. Alexandra<br />

Dietrich entwickelte darauf einen eigenen Weg. Sie hielt der Seniorin<br />

Seite 29 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SENIOREN UND PFLEGE<br />

die Hand und beruhigte sie, indem sie auf ihre erlebte Situation einging:<br />

„Ich erzählte, dass ich etwas zu essen aufgetrieben habe und<br />

die Kinder satt seien, dann schlief sie erleichtert ein.“<br />

Für Alexandra Dietrich weckten diese und andere Situationen<br />

den Wunsch, mehr zu wissen, um besser helfen zu können. Nachdem<br />

sie im Mai 2012 bei der Pflege <strong>Diakonie</strong> angefangen hatte, besuchte<br />

sie im August eine dreiteilige Fortbildung zur Seelsorge, die Propst<br />

Kurt Riecke für die Mitarbeitenden der <strong>Diakonie</strong> anbietet. Nach Regionen<br />

aufgeteilt beschäftigten sich dort in einer Gruppe von bis zu<br />

zehn Personen Pflege- und Servicekräfte mit dem, was in Gesprächen<br />

mit den Pflegekunden passiert. „Das war ein echtes Wow-Erlebnis für<br />

mich“, schwärmt Alexandra Dietrich von dem intensiven Erfahrungsaustausch<br />

in der vertrauten Gruppe, moderiert und angeleitet von<br />

Propst Riecke. Im ersten Teil ging es um die persönlichen Kraftquellen,<br />

die auch in belastenden Arbeitssituationen<br />

tragen. So gerüstet, beschäftigten sich die Mitarbeiterinnen<br />

mit dem seelsorgerlichen Gespräch,<br />

der dritte Teil ist den Gesprächen mit Sterbenden<br />

und Kranken gewidmet. Wichtig ist Propst Riecke<br />

dabei, den Teilnehmerinnen ganz praktische „Werkzeuge“<br />

für den Alltag mitzugeben. Die meisten haben<br />

sie schon selber im Gepäck, wie sich im Gruppengespräch<br />

zeigt: Ein offenes Ohr haben, wenn<br />

sonst niemand mehr zuhört – kommt als Werkzeug<br />

in den virtuellen Kasten. Gemeinsam vertraute<br />

Psalmen in der Bibel lesen – noch ein Werkzeug.<br />

Wichtig ist, auszuloten, welche der Methoden<br />

und Herangehensweisen für Mitarbeitende und<br />

Kunden in der jeweiligen Situation passen. „Mit diesem Wissen im<br />

Rücken habe ich begonnen, bei den Kunden nachzufragen, ob sie ein<br />

Kirchenlied singen oder etwas aus der Bibel hören wollten, wenn es<br />

mir passend erschien“, berichtet Servicekraft Alexandra Dietrich.<br />

Ihre kleine Elfe hat Servicekraft Alexandra Dietrich<br />

schon oft den Einstieg ins Gespräch erleichtert.


SENIOREN UND PFLEGE · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 30<br />

Einige seien ganz erleichtert gewesen und hätten das Angebot gerne<br />

angenommen. Auf jeden Fall sei sie nach der Fortbildung aufmerksamer<br />

geworden für Seelennöte und Glaubensfragen, resümiert die<br />

Helferin. Als „Türöffner“ fungiert dabei eine kleine Elfe aus Metall,<br />

die Alexandra Dietrich immer bei sich hat. „Für einige ist es auch ein<br />

Schutzengel“, hat die 45Jährige festgestellt. Eine Seniorin lässt sich<br />

die Elfe bei jedem Besuch geben und hält sie lange in der Hand. Die<br />

Figur habe schon manchmal den Einstieg ins Gespräch geliefert, andere<br />

Kunden nutzten das gemeinsame Putzen als Gelegenheit, ernstere<br />

Themen anzusprechen.<br />

Die Pflege- und Servicekräfte hören viel, wenn sie auf ihren<br />

täglichen Touren sind: Sorgen um die Kinder, Klagen über längst verstorbene<br />

Ehepartner und immer wieder Erinnerungen aus Krieg und<br />

Nachkriegszeiten, die jahrzehntelang verschwiegen wurden. Eigenes<br />

Leid und eigene Schuld sind<br />

die Themen, die zum Ende<br />

des Lebens wieder hoch kommen.<br />

„Uns werden Dinge erzählt,<br />

über die in der Familie<br />

nie gesprochen wird, nur mit<br />

uns“, hat eine Pflegefachkraft<br />

in der Seelsorge-Fortbildung<br />

die besondere Position<br />

Mit verschiedenfarbigen Seilen bildeten die Pflegeund<br />

Servicekräfte zu Beginn der Seelsorgefortbildung<br />

symbolisch eine konkrete Gesprächssituation mit<br />

Pflegekunden ab.<br />

der externen Helferinnen umrissen. Daher sei es wichtig, auch für<br />

sich selber Wege zu finden, wie man mit dem Gehörten umgeht.<br />

Alexandra Dietrich hat dafür einen eigenen „Supervisor“: „Ohne<br />

Rücksprache nach oben kann man vieles nicht machen“, meint sie<br />

augenzwinkernd. Im Zwiegespräch mit Gott könne sie sich jedoch<br />

trotz Schweigepflicht über alles aussprechen, was sie belaste.<br />

• INFO •<br />

Während bei den Serviceleistungen der Kunde selber bestimmt,<br />

wie die gemeinsame Zeit verbracht wird, ist in der Pflegeversicherung<br />

jede notwendige Pflegeleistung minutiös festgelegt.<br />

Um Zeit für Gespräche zu haben, wenn Beistand nötig ist,<br />

stellt der Kirchenkreis Altholstein der Pflege <strong>Diakonie</strong> jedes Jahr<br />

30.000 Euro zur Verfügung.<br />

Die Seelsorgefortbildung ist Teil des internen Fortbildungsprogramms<br />

der <strong>Diakonie</strong> Altholstein und wird 2013 auch für<br />

Mitarbeitende außerhalb der Pflege angeboten.


Gute Aussichten<br />

Betreute Seniorenwohnanlagen werden immer beliebter,<br />

die Wartelisten sind lang. Sieben Häuser zwischen Kaltenkirchen<br />

und Kiel betreut die Pflege <strong>Diakonie</strong>, im Sommer 2013 kommt<br />

noch der Gustav-Schatz-Hof in Kiel-Gaarden hinzu.<br />

Allen gemeinsam ist das Konzept: Selbstbestimmt bis ins<br />

hohe Alter in der eigenen Wohnung leben mit der Sicherheit,<br />

jederzeit Unterstützung bekommen zu können.<br />

Bis zum HDW-Kran geht der Blick aus dem Wohnzimmerfester von<br />

Ingeborg K. Sie lebt im Senioren-Domizil am Lehmberg, die einzige<br />

der Betreuten Wohnanlagen, die nicht nur von der Pflege <strong>Diakonie</strong><br />

betreut wird, sondern bei der auch die <strong>Diakonie</strong> Altholstein Eigentümerin<br />

ist. Der lichtdurchflutete Erker ist der Lieblingsplatz der Seniorin,<br />

in einem gemütlichen Sessel macht sie es<br />

sich morgens hier mit der Zeitung bequem.<br />

„Ich bin gerne unterwegs!“, sagt die fröhliche<br />

alte Dame mit Nachdruck. Im Sommer fährt<br />

sie manchmal an den Strand, eine nette Runde<br />

trifft sich dort schon seit Jahren. „Das ist ja<br />

nicht weit, der Bus fährt ja direkt hier in der Holtenauer<br />

ab“, lobt Ingeborg K. die verkehrsgünstige<br />

Lage nahe der Holtenauer Straße. Die belebte<br />

Geschäftsmeile ist in der kühlen Jahreszeit ihr<br />

Revier. Hier trifft sie immer Bekannte: „So viel<br />

Kaffee kann ich gar nicht trinken“, lacht sie.<br />

Im zweiten Jahr lebt sie im Senioren-Domizil,<br />

nicht weit entfernt von ihrer früheren Wohnung,<br />

in der sie über vierzig Jahre mit Mann, Tochter und Schwiegermutter<br />

wohnte. „Als mein Mann starb, fragte mich meine Tochter,<br />

ob ich allein in der großen Wohnung bleiben wolle“, erinnert sich<br />

Ingeborg K. Sie entschied sich für den Umzug in die Betreute Wohn-<br />

Seite 31 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SENIOREN UND PFLEGE<br />

anlage, in direkter Nachbarschaft zum Altenzentrum St. Nicolai, in<br />

dessen Kurzzeitpflege ihr Mann zuletzt lebte.<br />

56 Ein- und Zweizimmerwohnungen finden sich in dem Backsteingebäude,<br />

die speziell für Senioren konzipiert sind: Nirgendwo<br />

finden sich Türschwellen, die Duschen sind ebenerdig und alle Etagen<br />

sind mit dem Fahrstuhl erreichbar. So können sich auch Mieter,<br />

die nicht mehr so fit wie Ingeborg K. sind, mit Rollator oder anderen<br />

Gehhilfen problemlos bewegen. Und wenn es mühsam wird, aus dem<br />

niedrigen Bett auszusteigen, beraten die Mitarbeiterinnen der Pflege<br />

<strong>Diakonie</strong> die Mieter zu kleinen Hilfen, die den Alltag erleichtern,<br />

vom Handgriff bis zum Pflegebett. Die Station Kiel-Mitte liegt im<br />

Erdgeschoss der Betreuten Wohnanlage, diese Nähe ist Pflegedienstleitung<br />

Anja Griese wichtig: „Was braucht der Mensch wirklich?“,<br />

fragt sie, „Eine Telefonnummer und ein bekanntes Gesicht!“ ist ihre<br />

Ingeborg K. genießt den Ausblick von ihrem Lieblingsplatz im Erker. Bis zur Wohnung müssen die Bewohner des Senioren-Domizils am Lehmberg<br />

keine Stufe überwinden.<br />

Antwort für das Betreute Wohnen. Zwei feste Pflegefachkräfte sind<br />

daher allein für die Mieter zuständig, die pflegerische Unterstützung<br />

benötigen. Schwester Marina und Schwester Gabi sind im Haus unterwegs<br />

und ansprechbar, wenn es Fragen gibt. „Wir können mit unseren


SENIOREN UND PFLEGE · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 32<br />

Servicekräften im Alltag vieles erleichtern“, sagt Anja Griese. Ob<br />

Einkäufe oder die Begleitung zum Arzt, die Servicekräfte unterstützen<br />

dort, wo die eigenen Kräfte nicht mehr reichen. „Und was wir<br />

selber nicht anbieten, können wir vermitteln“, ergänzt die Pflegedienstleitung,<br />

denn im Quartier kennen sich die Mitarbeiter gut aus.<br />

Ungefähr ein Fünftel der Mieter nimmt zusätzliche Serviceoder<br />

Pflegeleistungen in Anspruch. Während diese einzeln abgerechnet<br />

werden, profitieren alle Mieter des betreuten Wohnens von weiteren<br />

Angeboten, die mit einer monatlichen Betreuungspauschale<br />

abgegolten sind. Neben der Beratung zur Wohnraumanpassung und<br />

Möblierung ist das zum Beispiel die Versorgung bei akuten Erkrankungen.<br />

„Niemand muss hier mit Fieber ins Krankenhaus“, erläutert<br />

Anja Griese, so wie es sonst bei allein lebenden Senioren oft der Fall<br />

sei, weil sie niemand zu Hause versorge. Im Betreuten Wohnen kümmert<br />

sich eine Schwester um die Kranken, informiert die Angehörigen<br />

und den Arzt und gibt nach ärztlicher Verordnung auch Medikamente.<br />

Außerdem organisiert die Pflege <strong>Diakonie</strong> regelmäßige Gruppenangebote.<br />

Am Lehmberg sind das eine professionell angeleitete<br />

Sitzgymnastik und Gedächtnistraining. Die freiwillige Gemeinschaft<br />

der Mieter spielt eine große Rolle, dazu tragen diverse Veranstaltungen<br />

wie Osterbrunch, Grillfest, Ausflüge oder jahreszeitliches Basteln<br />

mit Schulkindern bei, zu denen die Pflege <strong>Diakonie</strong> über das<br />

Jahr einlädt. Aber auch die Mieter selber werden aktiv und organisieren<br />

u.a. Spielenachmittage im Gemeinschaftsraum.<br />

„Da kann man sich treffen und ratschen“, weiß auch Mieterin<br />

Ingeborg K. Im Sommer verlagert sich das Gemeinschaftsleben nach<br />

draußen, die Plätze im Garten sind immer besetzt. „Wenn ich vom<br />

Strand komme frage ich manchmal schon: ‚Tut euch nicht der Popo<br />

weh?’“, lacht Ingeborg K. über die Ausdauer ihrer Nachbarn. Die aktive<br />

Seniorin versorgt sich selber und kocht in ihrer Einbauküche,<br />

andere nutzen den Mittagstisch im benachbarten Altenzentrum St.<br />

Nicolai. Die räumliche Nähe der Einrichtungen macht vieles möglich.<br />

Anja Griese berichtet von Ehepaaren, bei denen der pflegebedürftige<br />

Partner im Altenzentrum lebt, die fittere Ehefrau im Senioren-Domizil,<br />

und die weiterhin gemeinsam ihre Mahlzeiten einnehmen können<br />

oder die Freizeitaktivitäten nutzen. „Da ist Gemeinschaft und<br />

Rückzug ganz nach den individuellen Bedürfnissen möglich“, lobt<br />

sie das Konzept.<br />

Das scheint auch andere zu überzeugen. Ingeborg K. berichtet<br />

von dem Besuch eines Ehepaars aus der alten Nachbarschaft:<br />

„‚Mensch, hier ziehen wir auch ein’, meinte mein Nachbar gleich!“<br />

• INFO •<br />

In Kaltenkirchen, Bordesholm, Schwentinental, Flintbek,<br />

Kronshagen und bald dreimal in Kiel gibt es von der<br />

Pflege <strong>Diakonie</strong> betreute Seniorenwohnanlagen.<br />

Die Pflege <strong>Diakonie</strong> ist meistens mit einer Station direkt<br />

im Gebäude oder in unmittelbarer Nachbarschaft erreichbar.<br />

Je nach Bauherr bieten die Wohnanlagen nach Wunsch<br />

unterschiedliche zusätzliche Sicherheitssysteme wie<br />

einen Hausnotruf oder Bewegungsmelder.<br />

In Kooperation mit den örtlichen Kirchengemeinden<br />

werden in vielen Anlagen regelmäßige Andachten und<br />

Seelsorge angeboten.<br />

Senioren-Domizil<br />

Lehmberg 20 - 22, 24105 Kiel<br />

Telefon 0431 / 57 72 93<br />

E-Mail: pflege-kielmitte@diakonie-altholstein.de


Füreinander da sein<br />

Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach<br />

ist die typische Pflegende 61 Jahre alt, verheiratet und<br />

hat zwei erwachsene Kinder. Manchmal ist sie berufstätig –<br />

und der Job hat oft nichts mit Pflege zu tun, denn die<br />

Beispielpflegende kümmert sich um einen pflegebedürftigen<br />

Angehörigen, meist mehrere Stunden am Tag.<br />

Die Pflege <strong>Diakonie</strong> und die Ev. Familienbildungsstätte<br />

unterstützen Familien im anstrengenden Alltag.<br />

Pflegende Angehörige bewältigen in Schleswig-Holstein mit 38,4 %<br />

gleich nach der Betreuung im Heim (40,5 %) den Löwenanteil der<br />

täglichen Pflege. Ausschließlich von ambulanten Pflegediensten<br />

werden nur 21,1 % der Pflegebedürftigen versorgt. Über Jahre, teilweise<br />

Jahrzehnte, helfen Ehefrauen ihren Männern bei der täglichen<br />

Körperpflege, heben Söhne ihre Mütter in den Rollstuhl und sorgen<br />

Schwiegertöchter dafür, dass sich die bettlägerige Schwiegermutter<br />

nicht wund liegt. Füreinander da zu sein gilt in der Familie immer<br />

noch als selbstverständlich, doch oft führt die pflegerische Versorgung<br />

die Angehörigen an ihre Grenzen.<br />

„Sieben Jahre habe ich keinen Urlaub gemacht, dann bin ich<br />

zusammengebrochen“, berichtet Elisabeth Hoffmeister von dem Ereignis,<br />

das sie zum Umdenken brachte. Die 72Jährige pflegt seit inzwischen<br />

30 Jahren ihren an Multipler Sklerose erkrankten Ehemann.<br />

Nie habe sie gedacht, dass sie einmal so mitbetroffen sei von der<br />

schleichenden Krankheit, sagt sie im Rückblick. Ihr damaliger Ausfall<br />

hat auch ihren Mann alarmiert, er besteht seitdem darauf, dass<br />

sie jedes Jahr zur Erholung wegfährt, während er in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung<br />

geht. Herr Hoffmeister war es auch, der seine Frau<br />

1992 auf eine Zeitungsnotiz aufmerksam machte, die die Gründung<br />

einer Gruppe für pflegende Angehörige in der Ev. Familienbildungsstätte<br />

<strong>Neumünster</strong> ankündigte. Im November 2012 feierte die Gruppe<br />

Seite 33 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · SENIOREN UND PFLEGE<br />

ihr 20jähriges Bestehen, Elisabeth Hoffmeister ist von Beginn an<br />

dabei. Und auch nach zwei Jahrzehnten haben die 14tägigen Treffen<br />

nicht an Wert verloren: „Im Austausch mit den anderen ist es immer<br />

wieder interessant, welche Parallelen es gibt“, findet die Teilnehmerin<br />

der ersten Stunde. Eine „Wegbegleitung auf Zeit“ wurde der<br />

Gesprächskreis für pflegende Angehörige in der Andacht zum Jubiläum<br />

genannt. Ganz im Sinne des biblischen Vers „Einer trage des anderen<br />

Last“ finden hier die 13 Teilnehmer eine Stütze in der Gruppe,<br />

fachlich und persönlich. Denn auch beim abschließenden Kaffeetrinken<br />

einfach mal abschalten zu können, gehört zum Schatz der Treffen.<br />

Die Nachmittage im Gesprächskreis laufen nach einem festen<br />

Ritual ab: Anfangs erzählt jeder Teilnehmer, wie es ihm und dem<br />

betreuten Patienten geht. Moderatorin Elke Weber, ehemalige Pflegekraft<br />

der Pflege <strong>Diakonie</strong>, geht auf einzelne Fragen ein, gibt fachliche<br />

Tipps oder dringt auch mal auf eine Auszeit von der Pflege. In<br />

diesem Punkt haben alle gelernt: Die eigenen Grenzen zu erkennen<br />

und Hilfe zu holen, gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten, wenn<br />

man nahe stehende Menschen pflegt. Doch dafür müssen auch die<br />

Bedenken und Widerstände thematisiert werden: Wie verkraftet mein<br />

Partner die Urlaubspflege? Er will doch nur von mir versorgt werden!<br />

Im November feierte der Gesprächskreis für pflegende Angehörige in <strong>Neumünster</strong> sein<br />

20jähriges Bestehen. Moderiert wird er von Elke Weber (5. von rechts in der zweiten Reihe)


SENIOREN UND PFLEGE · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 34<br />

Themen, die auch Pflegedienstleitung Uta Lemburg aus ihren<br />

Beratungsgesprächen kennt. „Die Angehörigen dürfen sich selber<br />

nicht vergessen!“ lautet ihr Anliegen. Niemandem sei damit geholfen,<br />

wenn die Pflegeperson in Folge von Überlastung ausfiele. Entlastung<br />

kann die Pflege <strong>Diakonie</strong> auf mehreren Wegen bieten: Bei<br />

einem Haustraining zeigen die Pflegekräfte zum Beispiel ganz konkret<br />

in der eigenen Wohnung, wie man die Patienten rückenschonend<br />

vom Bett in den Rollstuhl setzen kann oder wie ein Lifter funktioniert.<br />

Daneben kann der Pflegedienst im Rahmen gesetzlicher<br />

Leistungen stunden- oder tageweise die Arbeit der Pflegeperson<br />

übernehmen und so eine Auszeit ermöglichen.<br />

Auf die so genannte „Verhinderungspflege“ haben pflegende<br />

Angehörige nach einem halben Jahr Pflege Anspruch. Die Pflegekasse<br />

zahlt hier einen ambulanten Pflegedienst dafür, dass er die Pflegeperson<br />

während ihrer Abwesenheit vertritt. Das kann während eines<br />

Urlaubs sein oder auch nur für einen Nachmittag, wenn die<br />

pflegende Ehefrau selber einen Krankengymnastiktermin wahrnimmt<br />

oder mal in aller Ruhe abends ins Theater gehen möchte. Bis zu<br />

1.550 € gewährt die Kasse jährlich für entsprechende Leistungen.<br />

Freiräume im Alltag schaffen auch die „Betreuungsleistungen“,<br />

für die die Pflegekasse den Pflegedienst bezahlt, wenn bei der<br />

Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen<br />

eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde. „Das ist<br />

zum Beispiel bei Demenz oder einer geistigen Behinderung der Fall“,<br />

erläutert Uta Lemburg. Für die Betreuung werden geschulte Servicekräfte<br />

eingesetzt. In Uta Lemburgs Station in Schwentinental profitieren<br />

nicht nur Senioren von der regelmäßigen Begleitung. „Wir<br />

betreuen mehrere Kinder mit geistigen oder körperlichen Behinderungen“,<br />

berichtet sie. Die Servicekräfte spielen mit den Kleinen<br />

oder machen gemeinsam Ausflüge, während die Eltern z.B. mit jüngeren<br />

Geschwistern zum Turnen gehen. Dabei ist der Austausch mit<br />

den Eltern besonders wichtig: „Durch die intensive Pflege sind die<br />

Eltern absolute Experten“, sagt Uta Lemburg. Oft falle es ihnen aber<br />

schwer, die Verantwortung abzugeben.<br />

Die ständige Verantwortung und Sorge ist auch für Angehörige<br />

älterer Pflegebedürftiger allgegenwärtig. Selbst beim Einkaufen ist<br />

oft die Angst dabei, während der Abwesenheit könne zu Hause etwas<br />

passieren. „Wir halten mit den Betreuungsleistungen den Rücken<br />

frei“, sagt daher Uta Lemburg. Diese Zeit können die Familienangehörigen<br />

für sich nutzen, einfach mal ein Buch lesen oder schwimmen<br />

gehen. Dabei haben beide Seiten etwas vom „Personalwechsel“.<br />

Uta Lemburg berichtet von einer Seniorin, die für ihr Leben gerne<br />

Fisch isst – zum Leidwesen ihrer Tochter, die für sie kocht und Fisch<br />

gar nicht liebt. „Jetzt geht unsere Betreuungskraft einmal in der<br />

Woche mit der Kundin Fisch kaufen und dann kochen sie gemeinsam“,<br />

erzählt die Pflegedienstleitung. Das genießen alle Beteiligten.<br />

Ein „gutes Rundumpaket“ nennt Uta Lemburg die Möglichkeiten,<br />

Angehörige professionell bei der Pflege zu unterstützen. Doch<br />

sie sieht weiterhin ein Informationsdefizit: „Viele wissen nicht, worauf<br />

sie Anspruch haben.“<br />

• INFO •<br />

Von den insgesamt 1.519 Kunden versorgte die Pflege <strong>Diakonie</strong><br />

im Jahr 2012 im Schnitt monatlich 149 Kunden im Rahmen<br />

der Betreuungsleistungen (§45 SGB XI). Bei durchschnittlich<br />

168 Patienten fand Verhinderungspflege statt. Diese Leistung<br />

wird besonders zur Urlaubszeit im Sommer nachgefragt.<br />

Auf mehreren Veranstaltungen in <strong>Neumünster</strong> informierte<br />

die <strong>Diakonie</strong> Altholstein Angehörige zum richtigen Umgang<br />

mit demenzkranken Menschen, teilweise gemeinsam mit<br />

dem Frauenwerk Altholstein.


(Fast) alles neu im Altenzentrum St. Nicolai<br />

Ende März 2012 konnten die ersten Bewohner des Altenzentrum<br />

St. Nicolai in ihre frisch umgebauten Räume einziehen. Mit<br />

behinderten- und pflegegerechten Bädern und noch mehr Einzelzimmern<br />

will das Kieler Altenzentrum auch baulich weiter<br />

Standards setzen für moderne stationäre Altenpflege, die sich an<br />

den Bedürfnissen der Bewohner ausrichtet. Der besondere Clou:<br />

Die Wohlfühlbäder im Erdgeschoss und auf der dritten Etage.<br />

Pünktlich zum ersten Advent waren die Baumaßnahmen nach zehn<br />

Monaten Bauzeit abgeschlossen. In insgesamt neun Bauabschnitten<br />

wurden die dritte und vierte Etage des Pflegeheims am Kieler Lehmberg<br />

grundlegend umgestaltet. Die bisherigen Altenheimapartments<br />

wurden zu Pflegezimmern umgebaut. Dadurch hat St. Nicolai sogar<br />

noch einmal zusätzliche Plätze gewonnen und kann nun 135 Bewohner<br />

aufnehmen.<br />

Die Apartments wurden mit neuen Fußböden und Farben hell<br />

und freundlich gestaltet. Auf dem neuesten technischen Stand sind<br />

nun auch die 40 dazu gehörigen Badezimmer, die alle mit einer ebenerdigen<br />

Dusche und einer Rufanlage ausgestattet sind. Und wer<br />

nicht nur duschen möchte, kann in den beiden neu entstandenen<br />

Wohlfühlbädern eine kleine Auszeit vom Alltag nehmen. Die ehemaligen<br />

Pflegebäder wurden auf zwei Etagen ersetzt durch großzügige<br />

und modern gestaltete Bäder. „Das Bad ist ein richtiges Ereignis geworden“,<br />

freut sich Heimleiter Herbert Scheff darüber, wie die Einrichtung<br />

von den Bewohnern angenommen wird. Mit einer großen<br />

Badewanne inklusive Hydromassage, farbiger Beleuchtung und Hintergrundmusik<br />

wird die Körperpflege zum Genuss. Moderne Hilfsmittel<br />

wie Liege- und Sitzlifter erleichtern Bewohnern wie Mitarbeitenden<br />

das Wannenbad.<br />

Das gelungene Ergebnis entschädigt Bewohner und Mitarbeitende<br />

für die Strapazen der Bauzeit, denn trotz aller Mühen waren<br />

Seite 35 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ALTENZENTRUM ST. NICOLAI<br />

Völlig entkernt und neu gestaltet wurden die Apartments in der 3. und 4. Etage. Heimleiter Herbert Scheff (li.) und<br />

Architekt Björn Westphal stimmen während des Umbaus die nächsten Maßnahmen ab.<br />

doch Staub und Lärm alltägliche Begleiter. Nach und nach wurden die<br />

Bewohner der einzelnen Bauabschnitte für einige Wochen in andere<br />

Apartments umquartiert, bis ihr eigenes Refugium im neuen Glanz erstrahlte.<br />

Dabei war das Team um Heimleiter Herbert Scheff immer bemüht,<br />

die Bewohner so wenig wie möglich durch die Bauarbeiten zu<br />

belasten. Nach der mittäglichen Baupause boten die Mitarbeitenden<br />

noch mehr Aktivitäten wie Gedächtnistraining, Singen oder Gymnastik<br />

an. Die soziale Betreuung wich in Räume aus, die weit entfernt<br />

von den Bauarbeiten lagen und bot dort auch Kaffee und Kuchen an.<br />

Herbert Scheff ist dankbar für die Geduld der Senioren, die er beim<br />

Info-Kaffee regelmäßig zu den Baufortschritten informierte. Ein Beleg<br />

für den Erfolg aller Bemühungen ist die Tatsache, dass das Altenzentrum<br />

während der gesamten Bauzeit zu 98 % belegt war.<br />

Unterstützt wurde der Umbau durch die Hilfe der Stiftung<br />

„Altersheim St. Nikolai“, die zum Gesamtvolumen von 1,5 Mio. Euro<br />

erhebliche Eigenmittel beisteuerte.<br />

Altenzentrum St. Nicolai: Lehmberg 24, 24105 Kiel<br />

Telefon 0431 / 560 70, E-Mail: leitung@altenzentrum-st-nicolai.de


Michael Dücker<br />

PFLEGE- UND SERVICEZENTRUM NEUMÜNSTER · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 36<br />

Das Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong><br />

Seit 2008 sind die <strong>Diakonie</strong> Altholstein und das<br />

Friedrich-Ebert-Krankenhaus <strong>Neumünster</strong> Träger der<br />

gemeinsamen GmbH „Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong>“.<br />

Das Pflege- und Servicezentrum koordiniert die Versorgung<br />

Schwerstkranker in <strong>Neumünster</strong> und Umgebung.<br />

Viele unheilbar kranke Menschen haben den Wunsch, ihre letzten<br />

Tage in ihrem Zuhause zu verbringen und dort auch zu sterben. Dies<br />

erfordert allerdings häufig eine besonders aufwändige Versorgung<br />

der Patienten. Im Mittelpunkt stehen dabei die Linderung von<br />

Symptomen, wie z. B. Schmerzen, Luftnot und Übelkeit, und die psychosoziale<br />

Begleitung der Patienten und Angehörigen. Unter Federführung<br />

des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) und der AOK Schleswig-Holstein<br />

haben die Krankenkassenverbände 2008 Schleswig<br />

Holstein in acht Regionen aufgeteilt und für den Einzugsbereich von<br />

Bad Bramstedt bis Bordesholm einen Vertrag mit dem Pflege- und<br />

Servicezentrum <strong>Neumünster</strong> zur so genannten Spezialisierten Ambulanten<br />

Palliativversorgung (SAPV) abgeschlossen, um die ambulante<br />

Versorgung von Sterbenden in der Region weiter zu verbessern.<br />

Ziel ist es, dass schwerstkranke Menschen in der familiären<br />

häuslichen Umgebung professionell betreut und im Kreise ihrer Angehörigen<br />

in Geborgenheit die letzte Lebenszeit verbringen können.<br />

Ein interdisziplinäres Team, bestehend unter anderem aus Palliativmedizinern,<br />

Palliativpflegekräften, ehrenamtlichen Hospizbegleitern<br />

und Seelsorgern, unterstützt die behandelnden Ärzte und<br />

Pflegedienste des Patienten fachlich und sorgt für eine regelmäßige<br />

Abstimmung aller an der Versorgung Beteiligten. Im Zentrum der<br />

SAPV stehen die Interessen und Wünsche des Patienten und seiner<br />

Angehörigen.<br />

Wurden 2010 erst 52 schwerstkranke und sterbende Menschen<br />

mit Leistungen der SAPV versorgt, so waren es im Jahr 2011 schon<br />

137 und 2012 bereits 155. Sie wurden insgesamt 6.200 Tage lang<br />

versorgt. Dem steigenden Bedarf trug die Pflege- und Servicezentrum<br />

<strong>Neumünster</strong> GmbH Rechnung, indem sie 2012 die Stelle der Koordination<br />

auf 40 Wochenstunden aufstockte. Koordinator Tim Quackenbrügger<br />

übernimmt dabei die notwendige Brückenfunktion<br />

zwischen Hausarzt, ambulantem Hospiz-Dienst, ambulantem Pflegediensten,<br />

stationärer Versorgung und den Palliativfachkräften.<br />

Das Pflege- und Servicezentrum, als eine gemeinsame Gesellschaft<br />

der <strong>Diakonie</strong> Altholstein und des Friedrich-Ebert-Krankenhauses<br />

(FEK), ist seit 2004 in enger Verbundenheit mit der Hospizinitiative<br />

<strong>Neumünster</strong> in der ambulanten Versorgung von Palliativpatienten<br />

in <strong>Neumünster</strong> aktiv. Diese enge fachliche Zusammenarbeit über viele<br />

Jahre ist die Basis für die erfolgreiche und kompetente ambulante<br />

Palliativpflege und für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den<br />

vielen Kooperationspartnern, mit denen gemeinsam die häusliche<br />

Versorgung in der Region sicher gestellt wird.<br />

Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong><br />

Am Alten Kirchhof 16, 24534 <strong>Neumünster</strong><br />

Telefon 04321 / 25 05 36<br />

E-Mail: tim.quackenbruegger@diakonie-altholstein.de


Mut machen – Steinburg Sozial qualifiziert<br />

Langzeitarbeitslose<br />

Gleich drei Verbände haben sich in der gemeinnützigen<br />

Gesellschaft Steinburg Sozial zusammen getan.<br />

Jüngstes Mitglied im Verbund ist die <strong>Diakonie</strong> Altholstein,<br />

die im Oktober 2012 als dritter Gesellschafter zu dem<br />

von der ökumenischen Schuldnerberatung und dem Verein<br />

„Jugend und Beruf“ gegründeten Träger kam und die<br />

Geschäftsführung übernahm.<br />

Mehr als 40 „Ein-Euro-Kräfte“ werden von Steinburg Sozial in Möbelmärkten<br />

und Recyclingprojekten auf den Arbeitsmarkt vorbereitet.<br />

In Itzehoe hilft die Schuldner- und Insolvenzberatung Ratsuchenden<br />

in finanziellen Nöten. Um für die Teilnehmer und die 29 fest angestellten<br />

Mitarbeiter und Honorarkräfte auch vor dem Hintergrund einschneidender<br />

Mittelkürzungen des Bundes eine verlässliche Perspektive<br />

zu schaffen, kam die <strong>Diakonie</strong> Altholstein als Mitgesellschafter<br />

hinzu, der eine langjährige Erfahrung im Bereich der Beschäftigungsund<br />

Qualifizierungsmaßnahmen einbringt.<br />

Insbesondere bei der Qualifizierung von langzeitarbeitslosen<br />

Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen setzt Steinburg<br />

Sozial besondere Akzente, die<br />

über Jahre in Zusammenarbeit<br />

mit den örtlichen Jobcentern<br />

erarbeitet wurden. An seinem<br />

Standort in Wilster betreibt<br />

Steinburg Sozial eine Bioabfallkompostierung<br />

und einen ökologisch<br />

betriebenen Schaugarten.<br />

Hier werden speziell zwei Gruppen<br />

von Teilnehmern in den<br />

Blick genommen: Menschen, die<br />

Das Schreddern von Grünabfällen gehört zu den Aufgaben<br />

der Teilnehmer bei der Bioabfallkompostierung in Wilster.<br />

Seite 37 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · STEINBURG SOZIAL<br />

über lange Zeit arbeitslos waren und bereits<br />

ohne Erfolg an verschiedenen Eingliederungsmaßnahmen<br />

teilgenommen haben sowie Männer und Frauen, die an<br />

einer Suchterkrankung leiden. Zusätzlich werden hier auch Arbeitslose<br />

beschäftigt, die drohen in eine Sucht abzurutschen. Das Beispiel<br />

und das Feedback von „trockenen Alkoholikern“ und Teilnehmern,<br />

die erfolgreich eine Suchttherapie abgeschlossen haben, soll diejenigen,<br />

die eine Suchtgefährdung für sich nicht wahrnehmen wollen,<br />

sensibilisieren und an eine Therapie heranführen.<br />

Neben den praktischen Tätigkeiten in der Bioabfallkompostierung<br />

wie der Annahme und Sortierung von Grünabfällen, dem<br />

Schreddern und der Anlagenpflege nehmen die Teilnehmer an internen<br />

Qualifizierungen teil, die speziell auf die Zielgruppe zugeschnitten<br />

sind. Die „Entwicklung sozialer Kompetenzen“ steht genauso auf<br />

dem Stundenplan wie der „Suchtmittelkonsum im Straßenverkehr<br />

und am Arbeitsplatz“. Gerade in Hinblick darauf, dass für viele Tätigkeiten<br />

ein Führerschein Voraussetzung ist, werden hier die Teilnehmer<br />

über die Auswirkungen verschiedener Suchtmittel aufgeklärt,<br />

häufig vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen.<br />

Nach mehreren Jahren der Arbeitslosigkeit haben viele Teilnehmer<br />

bereits den Glauben daran verloren, den Anforderungen der<br />

modernen Arbeitswelt gewachsen zu sein. Die Erwartung von Mobilität,<br />

Flexibilität und die selbständige Erschließung neuer Techniken<br />

schreckt diejenigen, die seit langem nicht mehr zur Arbeitsgesellschaft<br />

dazugehören. Resignation und ein Arrangieren mit der Arbeitslosigkeit<br />

sind häufig die Folge. Daher sind auch Motivationstraining<br />

und positive Rückmeldungen durch die pädagogischen<br />

Mitarbeiter wichtige Elemente der Förderung.<br />

Steinburg Sozial<br />

Beethovenstr. 2, 25524 Itzehoe<br />

Telefon 04821 / 15 66 46, E-Mail: info@steinburg-sozial.de


ZAHLEN UND FAKTEN · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 38<br />

Zahlen und Fakten zur <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

Mitarbeitende<br />

Diakonisches Werk Altholstein GmbH<br />

• Geschäftsbereich Soziales .................................................44<br />

• Geschäftsbereich Arbeit, Familie und Bildung ........................38<br />

• Geschäftsbereich Senioren und Pflege ................................464<br />

• Geschäftsbereich Zentrale Dienstleistungen ..........................21<br />

Arbeit und Beschäftigung GmbH .............................................34<br />

Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong> GmbH .......................... 2<br />

0 50100 150 200 250 300 350 400<br />

Altenzentrum St. Nicolai – Annenstraße GmbH .........................96<br />

Steinburg Sozial GmbH..........................................................29<br />

Gesamt ........................................................................... 728<br />

Stand: 31.12.2012<br />

Diakonisches Werk Altholstein und Arbeit und Beschäftigung<br />

Honorarkräfte<br />

Ehrenamtliche<br />

0 50100 150 200 250 300 350 400<br />

0 50100 150 200 250 300 350 400<br />

Vollzeit<br />

Teilzeit<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen bei der<br />

<strong>Diakonie</strong> Altholstein liegt bei 46 Jahren.<br />

Neueinstellungen 2012: 162<br />

Zahl der Einführungstage für neue Mitarbeitende: 7<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

Männl. Angestellte<br />

Weibl. Angestellte<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

Gesamtvolumen des Haushalts 2012 lt. Wirtschaftsplan<br />

Altenzentrum<br />

St. Nicolai –<br />

Annenstraße GmbH<br />

Arbeit und<br />

Beschäftigung GmbH<br />

Gesamt ......................................................... 22.404.650 Euro<br />

Kirchensteuerzuweisung für das<br />

Diakonische Werk Altholstein .................................. 910.600 Euro<br />

Spenden<br />

Steinburg Sozial GmbH<br />

Pflege- und Servicezentrum<br />

<strong>Neumünster</strong> GmbH<br />

Diakonisches Werk<br />

Altholstein GmbH<br />

4.379.000 €<br />

1.481.700 €<br />

15.348.450 €<br />

Diakonisches Werk Altholstein GmbH .......................... 57.621 Euro<br />

Arbeit und Beschäftigung GmbH ...................................... 33 Euro<br />

Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong> GmbH ..............1.000 Euro<br />

Altenzentrum St. Nicolai – Annenstraße GmbH ..............4.798 Euro<br />

505.500 €<br />

690.000 €


Leitungspersonen<br />

Geschäftsführer · Heinrich Deicke<br />

Geschäftsbereichsleitung Zentrale Dienstleistungen<br />

Michael Dücker, Prokurist<br />

Fachbereich Controlling · Petra Langenau<br />

Fachbereich Finanz- und Rechnungswesen · Marianne Nobs<br />

Fachbereich Personalwesen · Alke Spreckelsen<br />

Geschäftsbereichsleitung Soziales<br />

Michael Frenzel<br />

Bahnhofsmission · Gert Rathje<br />

Beratungszentrum Mittelholstein · Gundula Deicke<br />

Schuldner- und Insolvenzberatung · Sibylle Schwenk<br />

Zentrale Beratungsstelle für Menschen<br />

in Wohnungsnot · Melanie Popp<br />

Geschäftsbereichsleitung Arbeit, Familie und Bildung<br />

Christine Hertwig<br />

Fachbereich Aktivierung · Sandra Engel<br />

Fachbereich Arbeit · Stephanie Vallentin<br />

Fachbereich Bildung · Nicole Rönnspieß<br />

Fachbereich Familie · Dr. Constanze von Wildenradt<br />

Seite 39 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ZAHLEN UND FAKTEN<br />

Geschäftsbereichsleitung Senioren und Pflege<br />

N.N.<br />

Koordination Pflege- und<br />

Qualitätsmanagement · Nils Martiensen, Gesa Thatje<br />

Fachbereich Senioren · Marion Janser<br />

Pflegedienstleitungen<br />

Bordesholm · Monika Schneider<br />

Felde · Cornelia Jenner-Breiter und Charlotte Beeskow<br />

Flintbek · Dörthe Schellin und Edeltraut Schulz<br />

Kaltenkirchen · Birgit Kurzewitz und Sibylle Mieder<br />

Bad Bramstedt · Catarina Herold<br />

Norderstedt · Birthe Seifert<br />

Kiel-Mitte · Anja Griese und Gabriele Goldbach<br />

Kiel Südwest/Mettenhof · Monika Neumahr und Wiebke Nielsen<br />

Kiel Am Fördeufer · Anka Schröder und Cathleen Steinhagen<br />

Schwentinental · Uta Lemburg und Wilma Böder<br />

Kronshagen · Sigrid Büsing und Monika Marxen<br />

<strong>Neumünster</strong> Kantplatz · Birgit Ostenkötter und Ute Bünning<br />

<strong>Neumünster</strong> Mitte · Sabine Biermanski und Nantje Vollmerhausen<br />

Rickling · Sabine Biermanski und Nantje Vollmerhausen<br />

Ambulant betreute Wohngruppe <strong>Neumünster</strong> · Franziska Suhren<br />

Altenzentrum St. Nicolai<br />

Heimleitung · Herbert Scheff<br />

Pflegedienstleitung · Christa Kasten und Katrin Dietsch


ZAHLEN UND FAKTEN · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 40<br />

Gesellschafter der Diakonisches Werk Altholstein GmbH<br />

Hauptgesellschafter der Diakonisches Werk Altholstein GmbH<br />

ist der Kirchenkreis Altholstein.<br />

Weitere Gesellschafter sind<br />

Kirchengemeindeverband <strong>Neumünster</strong><br />

Kirchengemeinde Flintbek<br />

Kirchengemeinde Rickling<br />

Kirchengemeinde Kaltenkirchen<br />

Kirchengemeindeverband Bordesholm<br />

Kirchengemeinde Westensee<br />

Kirchengemeinde Flemhude<br />

Aufsichtsrat der Diakonisches Werk Altholstein GmbH<br />

Christian Dahl (stellvertretender Vorsitzender)<br />

Matthias Gemmer<br />

Wolfgang Keuffel<br />

Hans-Jürgen Kütbach<br />

Dr. Dieter Radtke (Vorsitzender)<br />

Dr. Hans-Friedrich Traulsen<br />

Henning Wannagat<br />

Alleiniger Gesellschafter der Arbeit und Beschäftigung GmbH<br />

ist das Diakonische Werk Altholstein GmbH.<br />

Gesellschafter der Pflege- und Servicezentrum <strong>Neumünster</strong> GmbH<br />

sind das Friedrich-Ebert-Krankenhaus (FEK) und das Diakonische<br />

Werk Altholstein GmbH.<br />

Gesellschafter der Altenzentrum St. Nicolai – Annenstraße GmbH<br />

sind die Stiftung „Altersheim St. Nikolai“ und der Kirchenkreis<br />

Altholstein.<br />

Gesellschafter der Steinburg Sozial GmbH sind „Jugend und Beruf“,<br />

die Ökumenische Schuldnerberatung und das Diakonische Werk<br />

Altholstein GmbH.


Zentrale<br />

Dienstleistungen<br />

Controlling<br />

Finanzen<br />

Personal<br />

Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising, Koordination Ehrenamt<br />

Soziales<br />

Wohnungslosenhilfe Kiel<br />

<strong>Neumünster</strong>, Kreis Segeberg<br />

Straffälligenhilfe<br />

<strong>Neumünster</strong>, Schleswig<br />

Erziehungs- und<br />

Familienberatung, Partner- und<br />

Lebensberatung, <strong>Neumünster</strong><br />

Schuldner- und<br />

Insolvenzberatung<br />

<strong>Neumünster</strong>, Bad Bramstedt<br />

Migrations- und Flüchtlingsberatung<br />

<strong>Neumünster</strong> Kaltenkirchen,<br />

Henstedt-Ulzburg<br />

Sozialberatung<br />

Henstedt-Ulzburg<br />

<strong>Neumünster</strong><br />

Bahnhofsmission und<br />

Bahnhofsmission mobil<br />

Kiel , <strong>Neumünster</strong><br />

Aktivierung<br />

Berufsvorbereitung<br />

für Jugendliche<br />

Qualifizierung und<br />

Stabilisierung für<br />

Langzeitarbeitslose<br />

Projekte für<br />

Alleinerziehende<br />

Bildung<br />

Berufliche Fort- und<br />

Weiterbildung<br />

Innerbetriebliche<br />

Fortbildung<br />

Sozialkaufhäuser<br />

<strong>Neumünster</strong>, Bad Bramstedt<br />

Textilaufbereitung<br />

Hausmeisterservice<br />

Arbeit,<br />

Familie und<br />

Bildung<br />

Arbeit und Beschäftigung –<br />

<strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

Gesellschafter<br />

Aufsichtsrat<br />

Geschäftsführung<br />

Familie Pflege Senioren<br />

Familienbildungsstätten<br />

<strong>Neumünster</strong><br />

Bad Bramstedt<br />

Mehrgenerationenhaus<br />

<strong>Neumünster</strong><br />

Cafetti, Tagespflege,<br />

Alleinerziehenden Netzwerk,<br />

Projekte<br />

Krippen<br />

<strong>Neumünster</strong><br />

Henstedt-Ulzburg<br />

Schreib- und Servicebüro<br />

Holzwerkstatt<br />

Hauswirtschaft<br />

Ambulante Pflege und Hilfe,<br />

Kiel bis Norderstedt<br />

Pflegeberatung<br />

Kiel bis Norderstedt<br />

Service und Betreuung<br />

Kiel bis Norderstedt<br />

Betreutes Wohnen Kiel, Kronshagen,<br />

Molfsee, Bordesholm,<br />

Schwentinental, Kaltenkirchen<br />

Ambulant betreute Wohngemeinschaft<br />

für Menschen mit<br />

Demenz, Kiel, <strong>Neumünster</strong><br />

Tagespflege<br />

Kiel<br />

Stand Februar 2013<br />

Senioren<br />

und Pflege<br />

Seite 41 · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · ORGANIGRAMM<br />

Seniorenarbeit<br />

Kiel und <strong>Neumünster</strong><br />

Sozial-/ Pflegeberatung<br />

Bordesholm<br />

Gesellschafter<br />

Altenzentrum<br />

St. Nicolai<br />

Gesellschafter<br />

Pflege- und Servicezentrum<br />

<strong>Neumünster</strong> GmbH<br />

Gesellschafter<br />

Steinburg Sozial<br />

Schuldnerberatung<br />

Itzehoe<br />

Offene Ganztagsschule<br />

Glückstadt, Itzehoe<br />

Arbeitsprojekte<br />

Wilster, Lägerdorf,<br />

Itzehoe<br />

Sozialberatung<br />

am Bahnhof<br />

Itzehoe


ÜBERSICHTSKARTE · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 42<br />

Übersichtskarte der <strong>Diakonie</strong> Altholstein<br />

Einrichtungen<br />

Diakonisches Werk<br />

Standorte der<br />

Pflege <strong>Diakonie</strong><br />

Kronshagen<br />

Kiel-Mitte<br />

Kiel-Südwest<br />

Mettenhof<br />

Felde<br />

<strong>Neumünster</strong><br />

Bad Bramstedt<br />

Kaltenkirchen<br />

Molfsee<br />

Flintbek<br />

Bordesholm<br />

Rickling<br />

Henstedt-Ulzburg<br />

Norderstedt<br />

HAMBURG<br />

KIEL<br />

Wahlstedt<br />

Kiel-Am Fördeufer<br />

Bornhöved<br />

Schwentinental<br />

Bad Segeberg<br />

Kirchenkreis Altholstein


Spendenkonto<br />

Kontonummer 495 026<br />

bei der Evangelischen<br />

Darlehnsgenossenschaft Kiel<br />

BLZ 210 602 37


www.diakonie-altholstein.de

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