Ausgabe 9 - IPOS
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Veränderungsmanagement in der Kirche als Leitungsaufgabe<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
inhärente Reformmodell in ständige Krisen getrieben,<br />
die sich an Grundentscheidungen über die jeweilige<br />
Ausrichtung von Veränderungen entzünden, so dass<br />
im Sinne einer zumindest rudimentären Selbstaufklärung<br />
einige strittige theologisch-ekklesiologische<br />
Kernpunkte dargestellt werden:<br />
Die Reformation beinhaltet das Programm fortwährender<br />
Veränderung. Der ständige Rückbezug der Gemeinde<br />
auf den Grund des Glaubens selbst bieten<br />
Grund und Motiv einer ständigen Veränderung der<br />
Gestalt der Kirche.<br />
Der liberalen Theologie im Anschluss an Schleiermacher<br />
oder Hegel war es in jeweils unterschiedlicher<br />
Weise weitgehend gelungen, die grundlegenden Gehalte<br />
der Theologie so umzuformulieren, dass sie<br />
anschlussfähig an den individualistischen Diskurs der<br />
modernen Gesellschaft wurden. Doch weder sie noch<br />
ihre konservativen Gegenspieler im 19. Jahrhundert<br />
konnten die strukturellen Ursachen des Pauperismus<br />
und der beginnenden Proletarisierung der ehemals<br />
bäuerlichen Massen begreifen. Insofern überschritt<br />
diese Theologie zwar die Grenze zur neuzeitlich-aufklärerischen<br />
Kultur, jedoch schloss sie sich gegenüber<br />
den strukturellen sozialen Veränderungen praktisch<br />
und theoretisch weitgehend ab.<br />
Weite Teile der Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts<br />
unter der Ägide der Wort-Gottes-Theologie sind<br />
nach 1918 gekennzeichnet gewesen von einem Abbruch<br />
des Diskurses zwischen Theologie und zeitgenössischer<br />
Kultur, zwischen Theologie und Wissenschaft,<br />
zwischen Theologie und gesellschaftlichen<br />
Zusammenhängen. Gesellschaftlicher Diskurs war<br />
dem Prinzip nach nur unter der Überschrift der Dominanz<br />
der Christengemeinde denkbar. Das Neuluthertum<br />
im 20. Jahrhundert bot überhaupt kein<br />
brauchbares Instrumentarium für die gesellschaftlichen<br />
Auseinandersetzungen. Die Missachtung der<br />
Relevanz gesellschaftlicher und politischer Strukturen<br />
verdeckte die Kraft des Evangeliums im Bereich des<br />
Politischen, Gesellschaftlichen und Wirtschaftlichen.<br />
Demgegenüber kann Theologie als Wissenschaft vom<br />
Umgang mit Vielfalt und Grenzen bestimmt werden,<br />
wenn sie trinitätstheologisch als Theorie der Freiheit<br />
ausgearbeitet wird. Wenn Theologie in solcher Gestalt<br />
es mit der Vermittelbarkeit von individueller Person<br />
und Gesellschaft, von psychischen und sozialen<br />
Systemen zu tun hat und Religion die Differenz von<br />
Personalität und Sozialität reflektiert, bietet sie eine<br />
geeignete Grundlage, für das Veränderungshandeln in<br />
der Kirche auf personaler wie organisationaler Ebene.<br />
Netzwerke sind wesentlich besser als administrativlinear<br />
strukturierte Organisationen geeignet,<br />
Veränderungsanforderungen zu genügen. Diese Anforderungen<br />
an ein als Netzwerk strukturiertes System,<br />
das von zahlreichen miteinander kommunizierenden<br />
und sich gleichwohl selbst steuernden Knotenpunkten<br />
aus von kompetentem, an einer gemeinsamen Kultur<br />
orientiertem Personal gesteuert wird, entsprechen in<br />
hohem Maße einer idealtypischen(!) Beschreibung<br />
evangelischer Kirche.<br />
Die rechtliche Struktur der “Organisationseinheiten”<br />
der evangelischen Kirche sowie der Pfarrberuf als Profession<br />
bieten gute Voraussetzungen, selbstverantwortlich<br />
und kommunikativ im Netzwerk Kirche zu<br />
agieren. Zum besseren Gelingen dieser Aufgabe<br />
muss die Vernetzungs- und Koordinierungstätigkeit<br />
der Dekanate im Blick auf die verschiedenen kirchlichen<br />
Dienste in der Region verstärkt werden. Durch<br />
die Vermittlung von kybernetischen Kenntnissen in<br />
der Ausbildung müssen Kenntnisse und Fertigkeiten<br />
nicht nur für gemeindliche und funktionale Dienste<br />
vermittelt, sondern dem Kontakt mit der gesellschaftlichen<br />
Umwelt des Systems besondere Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden. Durch Vermittlung von<br />
Kommunikationsfähigkeiten, die sich auch auf<br />
organisationale Kommunikation erstrecken und damit<br />
die in der Seelsorge und anderen kirchlichen Arbeitsfeldern<br />
gut eingeübte face to face-Kommunikation<br />
gezielt überschreiten.<br />
Obwohl die Veränderungsfähigkeit der evangelischen<br />
Kirche eingeschrieben ist, erweist sie sich nicht unbedingt<br />
und immer als Motor des Wandels. U.a. haben<br />
die Gegenwart und der Widerstreit der unterschiedlichen<br />
Impulse von Verändern und Bewahren<br />
selbst theologische Gründe, die sich auf die Grundstruktur<br />
des “segnenden” und “rettenden” Handelns<br />
Gottes zurückführen lassen, aber auch mit der<br />
Rollenunsicherheit von Akteuren in der Kirche zu tun<br />
haben, die genau der radikale Wandel der Gesellschaft<br />
mit sich gebracht hat, auf den zu reagieren<br />
wäre.<br />
Stattdessen muss die Kirche von ihren Herausforde-