Ausgabe 9 - IPOS
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Veränderungsmanagement in der Kirche als Leitungsaufgabe<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
sieren. Während in der Wirtschaft eher ein<br />
Lernprozess vor sich geht, der das hierarchische Anweisungsgefüge<br />
in der Linie kommunikativ und<br />
partizipativ zumindest etwas aufbricht, ist die Aufgabe<br />
in der Kirche eher so zu beschreiben, dass eine kontrollierte<br />
und verantwortungsvolle Führungsrolle –<br />
ebenfalls und unbedingt kommunikativ und partizipativ<br />
- “gelernt” und mit Leben erfüllt werden muss.<br />
Anekdotischer Exkurs: “Ich fahre die Kiste<br />
mit dem Arsch”<br />
Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass<br />
Veränderungsprozesse nicht vom grünen Tisch her<br />
geplant werden können. Die einzelnen Glieder von<br />
Veränderungsprozessen, die man analytisch aufschlüsseln<br />
und wieder zu Prozessketten verbinden<br />
mag, sind in sich selbst so prozesshaft und an viele<br />
Bedingungen und personales Handeln gebunden,<br />
dass sich Führung nur in lebendigem Kontakt mit<br />
dem Geschehen ausarbeiten kann. Das heißt, bei<br />
aller Notwendigkeit der Kenntnis von<br />
Prozessgeschehen, von einzelnen Instrumenten und<br />
theoretischen Hintergründen, dass letztlich alles auf<br />
die subjektive Haltung der jeweiligen Verantwortlichen<br />
ankommt, auf ihre Bereitschaft, sich einzulassen,<br />
sich zu engagieren und mit hoher Sensibilität in<br />
Kontakt mit der Situation und den handelnden Personen<br />
Entscheidungen zu treffen, zu intervenieren<br />
usw. 16 . Doppler geht so weit zu sagen, dass ein Manager<br />
den Übergang vom Fachmann zum Manager<br />
als Berufswechsel (an)erkennen müsse (ders. 70).<br />
Eine kleine Anekdote ist für mich zu einem sehr aussagefähigen<br />
Bild für den notwendigen Kontakt geworden:<br />
Als Gemeindepfarrer hatte ich bei zahlreichen<br />
Seniorenausflügen immer wieder Gespräche mit den<br />
Busfahrern. Mit einem damals schon über sechzigjährigen<br />
Fahrer und Besitzer eines mittelständischen<br />
Busunternehmens kam das Gespräch auf die Technik<br />
des Busfahrens selbst. Als “Kernkompetenz”, als die<br />
entscheidende Fähigkeit nach vielen hunderttausend<br />
Kilometern Busfahrens sagte mir dieser Mann: “Ich<br />
fahre die Kiste mit dem Arsch”. Dieser, wie ich finde,<br />
zwar derbe aber überaus treffende Ausdruck bedeutet<br />
in einzelne Elemente auseinandergelegt: Das Entscheidende<br />
ist der Kontakt mit der Straße und der<br />
Maschine. Das Entscheidende ist die Erfahrung. Jenseits<br />
aller Instrumente, jenseits des unmittelbar<br />
Sichtbaren fühlt der im unmittelbaren und dichten<br />
Kontakt Stehende bzw. in diesem Fall Sitzende, was<br />
dran ist, ob Gefahr droht, ob mehr drin ist.<br />
Ohne die bildhafte Story allzu sehr strapazieren zu<br />
wollen, zeigt mir das,<br />
· wie wesentlich der Kontakt ist,<br />
· dass der Kontakt über alle Sinne läuft,<br />
· dass Entscheidungen letztlich über diese Impulsund<br />
Kontrollinstanz getroffen werden müssen,<br />
· dass selbstverständlich der Umgang mit den Regeln<br />
und Instrumenten gelernt werden muss, dieses<br />
Lernen aber leer und unvollendet (und damit<br />
wirkungslos oder wirkungsschwach bleibt),<br />
· wenn nicht ein sensibles, kontrolliertes<br />
Erfahrungslernen hinzukommt<br />
· und schließlich: All das kann vermutlich nur dann<br />
durch Erfahrung erlernt werden, wenn die hier<br />
skizzierte offene, neugierige und energetisch<br />
hoch besetzte Haltung an den Tag gelegt wird.<br />
Die Anekdote wie die Ausführungen zur Haltung machen<br />
deutlich, dass beim “Change” wie überhaupt bei<br />
der Arbeit mit Organisationen und den in ihnen arbeitenden<br />
Personen das Denken in Linien und Diagrammen,<br />
Über- und Unterordnungen nicht wirklich weiterhilft.<br />
Doppler empfiehlt vielmehr in Kraftfeldern,<br />
Energieströmen und offenen Prozessen statt in Strukturen<br />
zu denken (vgl. Doppler 100).<br />
3.2 Primäre Aufgabe – die Einordnung von<br />
Veränderungsprozessen und das Verständnis für<br />
Veränderungsprozesse in die “primäre Aufgabe”<br />
der Kirche<br />
Jede Veränderung von Strukturen, Abläufen etc., ob in<br />
der Kirche oder einem Wirtschaftsunternehmen,<br />
muss sich an der Aufgabe orientieren, die diese Organisation<br />
hat. Wenn diese nicht klar definiert ist,<br />
wird die jeweilige Organisation kopf- und ziellos umherirren<br />
und über kurz oder lang scheitern. “Zentral ist<br />
… für jede Organisation die Bestimmung ihrer Primäraufgabe,<br />
die festlegt, welche zentrale Aufgabe die<br />
Organisation zu erfüllen hat” (Lohmer, Einführung 14,<br />
H.i.O). Dazu muss sie auch Grenzen festlegen. Auf<br />
der Grenze ist die Führungsfunktion angesiedelt, die<br />
entscheidet, was nach innen und nach außen gehört.<br />
Deshalb hat das Verständnis von Organisationen in<br />
so hohem Maße mit “Grenzen” zu tun: Ständig geht