Karl Mai/Klaus Steinitz - Denkwerkstatt 2020
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Abschied vom "Aufholprozess Ost" - ein kritischer Diskussionsbeitrag<br />
die Anzahl der in der Industrie Westdeutschlands Beschäftigten entsprechend den<br />
Trends künftig noch weiter abnehmen wird.<br />
In allen Publikationen wird die noch bestehende Lücke in der Infrastruktur Ost<br />
gegenüber West als leistungsmindernder Standortfaktor geltend gemacht. Im Vergleich<br />
ost- und westdeutscher Flächenländer betrug der Ausstattungsgrad 1999 beim<br />
landeseigenen Bruttoanlagevermögen zwar schon 70 %, jedoch einschließlich der<br />
Anlagen der kommunalen Gemeinschaftsdienste nur 57 %. Für 2005 wird insgesamt<br />
eine Ausstattung von ca. 70 % des westdeutschen Standes je Einwohner erwartet. 13<br />
Allein im Bereich der ”harten” Infrastruktur wird ab 2005 ein Gesamtaufwand von<br />
200 bis 300 Mrd. DM für Erweiterung und Erneuerung für erforderlich gehalten.<br />
Die Erneuerung und Entwicklung der ”harten” Infrastruktur im nächsten Zeitraum<br />
ist jedoch nicht als Selbstzweck, sondern im Kontext mit den vorrangigen Bedürfnissen<br />
der Wohnbevölkerung und der weiteren Entwicklung der Wertschöpfung zu konzipieren.<br />
Hierauf nehmen die Tendenzen der Bevölkerungsdynamik, darunter Veränderungen<br />
in der Altersstruktur, die regionale ”Clusterbildung” in der Wirtschaft und<br />
die weiterhin verfügbaren jährlichen Anteile von Fördermitteln für den industriellen<br />
Sektor einen bestimmenden Einfluss.<br />
1.2 Unternehmenslücke ∗<br />
Offizielle Einschätzungen der Bundesregierung gehen von mehr als einer halben<br />
Million neu gegründeter Unternehmen in Ostdeutschland aus, in denen drei Millionen<br />
neue Arbeitsplätze entstanden sein sollen. Dies vermittelt den irreführenden Eindruck,<br />
dass die Herausbildung eines ostdeutschen Unternehmenssektors im Jahre<br />
1990 überhaupt erst begonnen hätte und ignoriert, dass die tatsächliche Entwicklung<br />
des ostdeutschen Unternehmenssektors zum Optimismus nur wenig Anlass bietet.<br />
Die Transformation Ostdeutschlands in das marktwirtschaftliche System der Bundesrepublik<br />
basierte auf der fast völligen Zerschlagung der vorhandenen - auch im<br />
Vergleich zu Westdeutschland - relativ dichten regionalen und sektoralen Unternehmensstrukturen.<br />
Wettbewerbsfähigere neue Strukturen sind unzureichend entstanden.<br />
Die anfängliche Dynamik des ostdeutschen Unternehmenssektors hat spürbar<br />
nachgelassen und mit Eintritt in die Rezession hat sich seine Situation im Jahre 2001<br />
merklich verschlechtert. Während sich das Gründungsgeschehen abflachte, hat die<br />
Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2001 eine neue Rekordmarke erreicht. Als Träger<br />
∗ Dieser Abschnitt wurde von Irene Gallinge verfasst.<br />
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