Karl Mai/Klaus Steinitz - Denkwerkstatt 2020

Empfehlungen

Info

Abschied vom "Aufholprozess Ost" - ein kritischer Diskussionsbeitrag deutlich weniger repräsentiert, während die unteren Einkommensgruppen überrepräsentiert sind. Der Armutsanteil liegt bei Haushalten mit Kindern unter 18 Jahren und bei Alleinerziehenden deutlich höher als in Westdeutschland. Die Quote aller ostdeutschen Haushalte mit statistischen ”Niedrigeinkommen” (weniger als 75 % der durchschnittlichen Einkommen Deutschlands) beträgt mehr als 40 %. Der Anteil der Haushalte im Bereich der ”Einkommensarmut” (weniger als 50 % der durchschnittlichen Einkommen) liegt in Ostdeutschland bei 10 %. Entsprechend den insgesamt niedrigeren laufenden Individualeinkommen Ost ist der erreichte private Vermögensbestand durchschnittlich erst halb so hoch wie in Westdeutschland, so dass auch hiervon abgeleitete zusätzliche Vermögenseinkommen im innerdeutschen Vergleich entsprechend niedriger bleiben. Dieses Bild wird durch die hohen westdeutschen Pensionen und durch die weitaus höheren Kapitaleinkommen von westdeutschen Senioren oder Altersrentnern komplettiert. 16
Abschied vom "Aufholprozess Ost" - ein kritischer Diskussionsbeitrag 2 Gibt es ökonomische Bedingungen für einen künftigen Aufholprozess? 2.1 Zur Interpretation von ”Aufholprozess” Immer noch umrankt den Begriff ”Aufholprozess” ein politischer Mythos, den Wolfgang Thierse im Herbst 2001 wie folgt auf den Punkt brachte: ”Wer diese langfristige Aufholtendenz als Kern eines Leitbildes aufgibt, gibt Ostdeutschland ökonomisch auf!” 17 Thierses Position erhebt das Leitbild vom Aufholprozess in den Rang eines Essential ohne politische Alternative. Dies bekräftigte seine schon zum Jahresanfang 2001 (in ”Die Zeit”) gestartete öffentliche Initiative – Thierses unbestreitbarer Verdienst um Ostdeutschland. Jedoch hängt er neuerdings die Messlatte für den Aufholprozess sehr niedrig: Er glaubt, dass ein um ein Prozent höheres Wachstum Ost gegenüber West ausreichen könnte, ”um nennenswert aufzuholen”. Es könne sogar unter 1 % liegen: ”Nimmt man sinkende Einwohnerzahlen hin, kann das Wachstum geringer ausfallen.” Letzteres ist nach Thierses eigener Aussage ”also das, was Ökonomen als passive Sanierung bezeichnen”, setzt einen merklichen Rückgang der Einwohnerzahl im Langzeitraum voraus. Der ostregionale Aufholprozess gegenüber Westdeutschland ist ein Vorgang, für den eine mithaltende bzw. gleich hohe Wachstumsrate schlechthin nicht genügt. Er verlangt vielmehr eine höhere Wachstumsrate im Vergleich zu Westdeutschland bei der Kennzahl ”BIP je Einwohner” (und “BIP je Erwerbstätigen”), um hierdurch eine weitere Angleichung im Niveau zu erreichen. Ein zügiger Aufholprozess besteht dann, wenn auch die absoluten Niveauunterschiede im BIP je Einwohner langfristig stetig abnehmen. Die für einen Aufholprozess notwendige Wachstumsratendifferenz ist um so höher, je weiter die beiden Basisniveaus im BIP je Einwohner auseinander klaffen, je höher die Zuwachsrate in dem Landesteil mit dem Entwicklungsvorsprung ist, und je kürzer der erwartete oder zulässige Aufholzeitraum dafür ist. Für den absoluten Zuwachs ”BIP je Einwohner” gilt z. B. für ein Folgejahr: (1) 1 Z = B ∗ w'∗ e' es gilt: Z = Zuwachs BIP je Einwohner absolut B = BIP im Basisjahr absolut w′ = Wachstumsrate BIP in % e′ = Index der Einwohnerzahl 17
Seite 1 und 2: Abschied vom ”Aufholprozess Ost
Seite 3 und 4: Abschied vom "Aufholprozess Ost" -
Seite 15: Abschied vom "Aufholprozess Ost" -
Seite 45: Abschied vom "Aufholprozess Ost" -

Karl Mai/Klaus Steinitz - Denkwerkstatt 2020

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?