Karl Mai/Klaus Steinitz - Denkwerkstatt 2020
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Abschied vom "Aufholprozess Ost" - ein kritischer Diskussionsbeitrag<br />
Tritt einmal künftig das ”selbsttragende Wachstum” in Erscheinung, bedeutet dies<br />
zwar autonomes Wachstum im Vergleich zu Westdeutschland, aber nicht logisch<br />
schon ein höheres Wachstum für einen längeren Aufholprozess - was immer zu beachten<br />
ist.<br />
Damit ist die methodologische und logische Grundlage für die Beurteilung der<br />
Chancen für einen ”Aufholprozess Ost” umrissen. Wenn man jedoch den Begriff<br />
”Aufholprozess” von seinem spezifischen Sinngehalt trennt und jede deutlich erkennbare<br />
Aufwärtsbewegung als ”Aufholen” begreift, ohne dass jemals die erheblichen<br />
Entwicklungsrückstände und die endogene Entwicklungsbremse selbst überwunden<br />
werden, dann verkommt das Wort ”Aufholen” zur formelhaften ”Beschwörung” oder<br />
zu bloßer Demagogie.<br />
2.3 Was befördert ökonomisch einen zukünftigen ”Aufholprozess”?<br />
Der ostregionaler Aufholprozess setzt also voraus, dass die Vergrößerung der absoluten<br />
”Ost-West-Schere” bei der zentralen Kennziffer ”BIP je Einwohner” wieder<br />
gestoppt und eine stetige Verringerung erreicht wird. Dies ist nur möglich bei einer<br />
längerfristig hinreichend höheren Wachstumsrate des BIP-Ost gegenüber dem BIP-<br />
West.<br />
Solange noch kein ”selbsttragendes Wachstum Ost” insgesamt in Sicht ist, bewirkt<br />
eine Absenkung von notwendigen und hinreichend hohen investiven Transferleistungen<br />
West-Ost von vornherein einen historischen Verzicht auf einen ”Aufholprozess”<br />
im Leistungsniveau Ost. Diese Folgerung fußt auch auf bisherigen deutschen und<br />
internationalen Erfahrungen bei der Entwicklung rückständiger Regionen.<br />
Ein echter Aufholprozess auf regionalwirtschaftlicher Gesamtebene ist vor allem<br />
an drei ökonomische Wirkungsrichtungen funktionell gebunden:<br />
(1) Die inneren Ressourcen und Potenziale müssen über einen längeren Zeitraum<br />
in hinreichendem Umfang durch äußere Ressourcen und Quellen vor<br />
allem für Investitionen und FuE-Kapazitäten ergänzt werden. Dazu gehören<br />
auch weitere intensive Bemühungen zur Ansiedlung von Großbetrieben, industriellen<br />
FuE Kapazitäten sowie ”Headquarter”-Funktionen der Konzerne<br />
(in Berlin und anderen ostdeutschen Großstädten).<br />
(2) Die verfügbaren Mittel müssen durch Effizienzerhöhung der Wirtschaftsförderung<br />
und eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und vor allem regionale<br />
Strukturpolitik koordiniert und mit einem hohen Wirkungsgrad für die Wert-<br />
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