Karl Mai/Klaus Steinitz - Denkwerkstatt 2020
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Abschied vom "Aufholprozess Ost" - ein kritischer Diskussionsbeitrag<br />
- ist nicht mehr durch echten Leistungsanstieg im bestehenden Politikrahmen gewährleistet.<br />
Es bleibt müßig darüber zu streiten, bis zu welchem höheren Angleichungsniveau<br />
die Entwicklung in Ostdeutschland ”adäquat” den endogenen Potenzialen im Laufe<br />
der nächsten Generationsperiode gelangen kann. Sicherlich führt die Nutzbarmachung<br />
dieser Potenziale zu einem differenzierten Wachstumsfortschritt in Zweigen<br />
und Branchen, der auch in den konjunkturellen Aufschwungphasen spürbar sein<br />
kann, aber in Abschwungphasen eher abfällt und länger stagniert, solange der Typ<br />
einer ”Dependenzökonomie” vorherrscht. Am Ende ist aber nicht die langsam voranschreitende<br />
Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft zur marktwirtschaftlichen<br />
Wettbewerbsfähigkeit ausreichend. Entscheidend ist das u.a. auch dadurch erreichte<br />
vergleichsweise Gesamtleistungsniveau, das im EU-Raum generell im ”BIP je Einwohner”<br />
bewertet wird.<br />
3.4 Defizit in der deutschen Politik<br />
Das ”Scheitern der ökonomischen Transformation” und seine komplexen Folgen hat<br />
politische, ökonomische und soziale Konsequenzen auch für die gesamtdeutsche Perspektive<br />
von historischer Tragweite. Von mancher Seite wurde bereits die Hilflosigkeit<br />
oder Resignation bei Politikern festgestellt, einen Aufholprozess Ost in Gang zu<br />
setzen. ”Vogel-Strauss-Politik” ist aber kein Heilmittel im Zeitalter der Globalisierungsfolgen<br />
auf dem gesamtdeutschen Binnenmarkt. Es gilt daher gesamtstaatlich<br />
politisch zu entscheiden, welche ökonomische Rolle die ostdeutsche Region künftig<br />
im gesamtdeutschen und EU-Raum übernehmen kann und soll.<br />
Um diese Zukunftsentscheidung mogelte sich die Bundesregierung in ihrer gesamten<br />
Legislaturperiode bereits erfolgreich herum. Sie manifestiert damit ihre Einflusslosigkeit<br />
gegenüber der deutschen Wirtschaft und deren Unternehmerverbänden.<br />
Deren Exponenten geben inoffiziell unumwunden zu, dass die deutsche Kapitalexpansion<br />
im Ausland zu erfolgen habe statt im Inland. Die ”Chefsache Ost” stellte sich<br />
gesamtstrategisch als ”leere Hülle” heraus, der Chefadjutant fungiert als Abwiegler<br />
und die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten finden nicht ”unter einen Hut” ihrer<br />
wirklichen Wählerinteressen. Die amerikanische Tragödie vom 11. September hat das<br />
ostdeutsche Thema wirksam aus der Öffentlichkeit ebenso wie aus der politischen<br />
Kampfarena des Bundestages verdrängt.<br />
Entgegen der Auffassung, dass es keine gesonderte ostregionale Wirtschaftspolitik<br />
geben könne, sondern nur eine gesamtdeutsche, ist objektiv eine spezielle politische<br />
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