I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> Eine Aussage, die mich und auch viele SchülerInnen berührt. Einige wundern sich sehr, andere bringen zum Ausdruck, dass das unfair ist und heute nicht mehr möglich ist. Ich bin kurzfristig entsetzt über eine solche Tatsache und dann erleichtert, dass diese Zeiten vorbei sind. Herr Beyazit sagt mehrmals, dass er großes Glück hatte und nicht nur einmal zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war oder von verständnisvollen Menschen für ihn passende Empfehlungen oder Ratschläge bekommen hat. Am eindringlichsten versucht er aber unseren Schülerinnen/Schülern zu vermitteln, dass es wichtig ist, seinen Beruf mit Freude auszuüben. „Egal was ihr später einmal machen werdet, es soll euch Spaß machen. Du machst es nur gut, wenn du es gerne machst.“ Ja, ich stimme ihm zu und schon beginne ich über einzelne SchülerInnen nachzudenken, wo genau ihre Stärken liegen und was ihnen besonders Spaß macht. Zu schade, dass für diese Dinge in unserem Schulalltag oft zu wenig Zeit bleibt. Er schließt aber auch gleich an, dass er viel und hart gearbeitet hat, um dahin zu kommen, wo er jetzt als erfolgreicher Unternehmer ist. „Ihr müsst lernen und gute Noten haben. Ihr habt sonst keine Chance.“ Innerlich stimme ich wieder zu, bin aber auch gleichzeitig betrübt, dass viele unserer SchülerInnen – gleichgültig ob Volks- oder Integrationsschüler – es so schwer haben und bereits jetzt als 9- und 10-Jährige viele, viele Frustrationen in Zusammenhang mit Schule und Lernen erlebt haben. Besonders von einem Standort wie unserem scheint es im Moment schwierig zu sein, den beruflichen Erfolg zu schaffen – es überhaupt „nach oben zu schaffen“. Ich hoffe, dass sich das sehr bald ändert und möchte mich für eine bessere Durchmischung der SchülerInnen einsetzen. Eine Schülerin fragt: „Wie haben Sie Deutsch gelernt?“ „Ich habe mit allen geredet, nicht nur mit meinen türkischen Freunden. Ich wollte überall dabei sein.“ „Aber türkisch...?“ „Ja, ich spreche natürlich auch türkisch. Mit meinen Eltern, meinen Freunden, manchmal mit anderen Geschäftsleuten. Aber, wenn nur eine Person dabei ist, die nicht türkisch spricht, dann spreche ich deutsch. Diese Person versteht doch sonst nichts, das ist doch unhöflich, oder?“ Manche SchülerInnen nicken, stimmen zu, anderen kann ich ansehen, dass sie noch über das Gehörte nachdenken, ihre Meinung innerlich dazu formulieren. „Fahren Sie in die Türkei?“ „Ja natürlich. Ich fahre immer wieder mal in die Türkei. Ich besuche Familienmitglieder oder mache Urlaub. Manchmal fliege ich beruflich hinunter. Ich bin sehr gerne dort. Ich reise überhaupt sehr viel und habe schon viele Länder besucht. Aber nach spätestens zwei Wochen möchte ich wieder nach Wien. Ich vermisse Wien dann. Hier bin ich zuhause, hier fühle ich mich am wohlsten.“ Nach dieser Aussage fühle ich mich plötzlich stolz, warum wohl? Ich blicke in die Runde unserer SchülerInnen und sehe bei einigen wieder Zustimmung, bei anderen, dass sie sich noch nie darüber Gedanken gemacht haben, wo sie sich zuhause fühlen, wieder bei anderen, dass sie sich in dem Herkunftsland ihrer Eltern am wohlsten fühlten. So viele Denkanstöße und Aussagen, die von jemanden ausgesprochen werden, zu dem viele unserer SchülerInnen schnell einen Bezug herstellen konnten. Unheimlich wertvoll und bereichernd, finden meine Kollegin und ich. Vieles, was Herr Beyazit in den zwei Stunden gesagt hat, hat viel mehr Bedeutung als, wenn meine Kollegin oder ich es gesagt hätten. Somit stelle ich abschließend fest, dass der Besuch des Botschafters der Integration im Rahmen von Projekt Xchange sehr erfolgreich war und unsere Erwartungen erfüllt hat. Dieses Projekt ermöglichte den Schülern und auch uns Tatsachen und Gefühle anzusprechen, die zwar Realität in unserem Schulalltag sind, aber selten mit dieser Deutlichkeit ausgesprochen werden. www.projektxchange.at Veronika Votava Sonderschullehrerin in einer 4. Klasse Integrationsklasse in der VS Gaullachergasse 52
I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> Wie das I-Journal zu seinem neuen Namen kam ... Immens viele interessierte Leser und Leserinnen fanden die Beiträge des <strong>Integrationsjournal</strong>s interessant ideenreich innovativ idealistisch integrativ inklusiv improvisatorisch imaginativ individualisierend intelligent informativ interdisziplinär illustrativ initiativ initialisierend … und so kam das I-Journal zu seinem neuen Namen. Mögen weiterhin viele Irgendjemands irgendwann irgendwie irgendetwas Interessantes im I-Journal finden und für das I-Journal schreiben. Das Redaktionsteam 53