münchen - Münchner Stadtmuseum
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Italienischer Neorealismus<br />
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diese Caterina, von ihr selbst gespielt, an einem schönen<br />
Sommertag mit ihrem kleinen Jungen zu dem öffentlichen<br />
Park geht, wo sie das Kind aussetzen wird,<br />
umfaßt die ganze tragische Weite ihres von Kälte und<br />
Demütigung heimgesuchten Daseins.<br />
Ich denke zurück an andere Zavattini-Filme: an UM-<br />
BERTO D., SCIUSCIA, LADRI DI BICICLETTE, MIRACOLO<br />
A MILANO, bei denen De Sica Regie führte. Beide hatten<br />
sie etwas, Zavattini und er, das sie weit aus ihrer<br />
Zeit herausstellte. In unvergleichlicher Weise, ohne auf<br />
die Tränendrüse zu drücken, pochten sie an unser Gefühl.<br />
Noch in Ermanno Olmis IL POSTO (1961) fühle ich<br />
mich auf ähnliche Weise angesprochen, wenn die<br />
Handlung verlangsamt wird, wenn die Blicke des 15jährigen<br />
Laiendarstellers das Entscheidende sagen und<br />
eine Stille eintritt, die spürbar macht, wie die Zeit verrinnt.<br />
Der Neorealismus – Teil einer sozialen Bewegung, die<br />
noch keine politisch-ideologische Verfestigung aufwies<br />
– war ein Anfang. Er hatte den großen Atem. Das Leben<br />
selbst begann wieder, sich auf die Leinwände zu ergießen,<br />
das Leben einer Straße, eines Hauses. In ROMA,<br />
CITTA APERTA wirkt die Stimmung eines Tages, einer<br />
Umgebung unmittelbar auf die Zuschauer. Obwohl der<br />
Film eine Geschichte erzählt, steht jede Einstellung<br />
auch für sich. Alles ist so hart, bestimmt und abgesetzt<br />
wie möglich. Das, was man sieht und hört, und dessen<br />
Bedeutung für die Handlung ist nicht verschmolzen,<br />
sondern klafft auseinander, und aus dem Abgrund dazwischen<br />
blendet der grelle Strahl der Faszination.<br />
Peter Nau<br />
4 PASSI FRA LE NUVOLE (LÜGE EINER SOMMER-<br />
NACHT) – Italien 1942 – R: Alessandro Blasetti – B:<br />
Giuseppe Amato, Aldo De Benedetti, Cesare Zavattini,<br />
Piero Tellini – K: Václav Vich – M: Alessandro Cigognini<br />
– D: Adriana Benetti, Gino Cervi, Aldo Silvani, Giacinto<br />
Molteni, Carlo Romano – 95 min, OmeU – In realistischer<br />
Manier erzählt Blasetti eine recht gewöhnliche,<br />
jedoch anrührende Geschichte aus der Gegenwart, in<br />
deren Mittelpunkt Paolo steht, ein verheirateter, unauffälliger<br />
Handlungsreisender, der durch seine Hilfsbereitschaft<br />
gegenüber einem verlassenen Mädchen in ein<br />
moralisches Dilemma gerät. Da sie ein Kind erwartet<br />
und sich nicht mehr nach Hause traut, stellt er sich vorübergehend<br />
als Ehemann zur Verfügung. Paolos Umfeld<br />
und sein gleichförmiger Alltag werden präzise geschildert.<br />
Der Film folgt zunächst noch konventionellen<br />
Erzählstrukturen, nähert sich dann in der zweiten Hälfte<br />
dem Tonfall des Neorealismus an.<br />
▶ Freitag, 27. April 2012, 18.30 Uhr<br />
I BAMBINI CI GUARDANO (DIE KINDER SEHEN UNS<br />
AN) – Italien 1944 – R: Vittorio De Sica – B: Vittorio De<br />
Sica, Cesare Zavattini, Cesare Giulio Viola, nach seinem<br />
Roman – K: Giuseppe Caracciolo, Romolo Garonni – M:<br />
Renzo Rossellini – D: Emilio Cigoli, Luciano De Ambrosis,<br />
Isa Pola, Adriano Rimoldi, Giovanna Cigoli – 84 min,<br />
OmeU – »DIE KINDER SEHEN UNS AN gehörte zu jenen<br />
Filmen, die, noch vor 1945 produziert, den Neorealismus<br />
der Nachkriegszeit vorwegnahmen und einen<br />
neuen Ton in das damals vorherrschende Evasionskino<br />
der »Weißen Telephone« und des Kalligraphismus<br />
brachten: die mit emotionaler Anteilnahme erzählte Geschichte<br />
eines kleinen Jungen, der das Opfer einer<br />
scheiternden Ehe wird und den seine Eltern schließlich<br />
in ein alptraumhaft wirkendes Waisenhaus abschieben.«<br />
(Ulrich Gregor). Regisseur De Sica ist in der Rolle<br />
eines Arztes auch als Schauspieler zu sehen.<br />
▶ Samstag, 28. April 2012, 18.30 Uhr<br />
ROMA, CITTA APERTA (ROM, OFFENE STADT) – Italien<br />
1945 – R: Roberto Rossellini – B: Federico Fellini,<br />
Sergio Amidei, nach seiner Erzählung – K: Ubaldo Arata<br />
– M: Renzo Rossellini – D: Anna Magnani, Aldo Fabrizi,<br />
Marcello Pagliero, Maria Michi, Francesco Grandjacquet<br />
– 100 min, OmeU – ROM, OFFENE STADT<br />
schildert die Aktivitäten, die Verfolgung und das grausame<br />
Ende einer italienischen Widerstandsgruppe zur<br />
Zeit der deutschen Besatzung Roms (1944). Im Mittelpunkt<br />
stehen die Schicksale eines in einer illegalen Druckerei<br />
beschäftigten Arbeiters und eines Priesters, der<br />
ihm und anderen Verfolgten Schutz gewährt. Rossellinis<br />
Inszenierung wirkt dokumentarisch und fast frei von<br />
dramaturgischer Gestaltung. ROM, OFFENE STADT<br />
wurde zu einem Zeugnis der Zeitgeschichte und einem<br />
Meilenstein der Filmgeschichte, der den italienischen<br />
Neorealismus weltweit berühmt machte.<br />
▶ Mittwoch, 2. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
11. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
SCIUSCIA (SCHUHPUTZER) – Italien 1946 – R: Vittorio<br />
De Sica – B: Sergio Amidei, Adolfo Franci, Cesare Zavattini,<br />
Cesare Giulio Viola – K: Anchise Brizzi, Elio Paccara<br />
– M: Alessandro Cicognini – D: Franco Interlenghi,<br />
Rinaldo Smordoni, Emilio Cigoli, Aniello Mele, Anna Pedoni<br />
– 93 min, OmeU – Zwei Schuhputzerjungen versuchen,<br />
sich mit kleinen Gaunereien und Geschäften<br />
auf dem Schwarzmarkt über Wasser zu halten und ihre<br />
Träume zu verwirklichen. »Ein Schlüsselwerk des italienischen<br />
Neorealismus, das seine zornige Anklage<br />
gegen Eifersucht und Brutalität der Erwachsenenwelt<br />
mit einem Plädoyer für Menschlichkeit und Hoffnung