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9.11.2008 - Rheindorf

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Gottesdienst zur Hobby-Künstler-Ausstellung, 9. 11. 2008: „Frieden – ein Kunstwerk“<br />

„Frieden“ (von Ursula Kirchgrabner)<br />

Der Menschheit großer Wunsch ist Friede.<br />

Im Hintergrund steh’n stets die Kriege.<br />

Das Unheil, das daraus entstand,<br />

wird als Verbrechen erst erkannt,<br />

wenn alles ist schon viel zu spät<br />

und friedlich kaum noch etwas geht.<br />

Die Schuld am Krieg, ganz ohne Fragen,<br />

müssen die Nachkommen tragen.<br />

Verluste gibt’s auf beiden Seiten.<br />

Das ist niemals zu bestreiten.<br />

Egal, worüber man nun trauert,<br />

Versöhnung oft Jahrzehnte dauert.<br />

Doch wollen Frieden wir verstehen,<br />

müssen zu uns selbst wir gehen.<br />

Denken wir doch stets daran,<br />

der Friede fängt im Kleinen an.<br />

Wenn wir an die Familien denken,<br />

gibt’s da nicht manches einzurenken?<br />

Jedoch noch kleiner, bei mir selbst,<br />

Wie ist’s mit Frieden da bestellt?<br />

Mit Menschen friedlich umzugehen,<br />

macht nötig, sie auch zu verstehen.<br />

Das erfordert manchmal Zeit.<br />

Ist man wohl dazu bereit?<br />

Denn auch das gehört zum Frieden,<br />

Liebe und Verständnis üben.<br />

Zufriedenheit hält Habgier fern.<br />

Neid verspürt doch niemand gern.<br />

Frieden schließt Dankbarkeit mit ein.<br />

Sie trägt dazu bei, glücklich zu sein.<br />

Frieden lässt uns zur Ruhe kommen.<br />

Wir leben gelassen und besonnen.<br />

So wird uns klar, das Glück gedeiht<br />

in Ruhe und Zufriedenheit.<br />

Sündenbekenntnis<br />

Im Mai des Jahres 1933 brannten in ganz Deutschland tausende von Büchern. Und mit ihnen<br />

"verbrannten" die Dichter und Autoren dieser Bücher. Die Liste derjenigen Schriftsteller, die<br />

unter den Nationalsozialisten diffamiert, ins Gefängnis und ins KZ gebracht wurden, die ins<br />

Ausland emigrierten, trägt Hunderte von Namen. Eine ganze Generation von Schriftstellern<br />

wurde so aus dem Bewusstsein des deutschen Volkes gestrichen.<br />

Am 22. September 1933 wurde das Reichskulturkammergesetz verabschiedet. Jeder künstlerisch<br />

Berufstätige war verpflichtet, der für ihn zuständigen Kammer anzugehören. Nichtaufnahme<br />

oder Ausschluss hatten ein Berufsverbot zur Folge. Das Gesuch des Malers Heinz<br />

Buchholz um Aufnahme in die Reichskammmer der bildenden Künste wurde mit folgender<br />

1


Begründung abgelehnt: Sie sind Nichtarier und als solcher für die Schaffung deutschen Kulturgutes<br />

nicht geeignet. Eine weitere Berufsausübung als Maler und Graphiker wird untersagt.<br />

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland fast alle Synagogen<br />

und mehr als 7000 Geschäfts- und Wohnhäuser jüdischer Bürger zerstört. Unter gänzlichem<br />

Verzicht auf rechtsförmige Begründung setzte danach die Verdrängung und dann die Vernichtung<br />

der jüdischen Bevölkerung ein.<br />

Herr, unser Gott, hilf uns, dass wir uns an diese Ereignisse erinnern, dass wir uns gegen das<br />

Vergessen wehren und nach Wegen der Versöhnung suchen. Das muss unsere Pflicht gegenüber<br />

den noch lebenden Opfern und ihren Hinterbliebenen sein. Herr erbarme dich!<br />

Eingangsgebet<br />

Herr, unser Gott, wir möchten in diesem Gottesdienst einen schmalen Weg beschreiten. Er<br />

verläuft zwischen dem Verstummen angesichts des unvorstellbaren Grauens, das heute vor 70<br />

Jahren seinen Anfang nahm. Wir wollen uns von diesem Schrecken nicht in die Tiefe ziehen<br />

lassen. Auf der anderen Seite lauert die Gleichgültigkeit des Vergessens. Wir gehen so leicht<br />

zur Tagesordnung über und verdrängen Schuld und Versagen. Der Weg ist schmal in diesem<br />

Gottesdienst. Wir wollen uns erinnern lassen. Wir wollen unsere eigenen Worte finden. Wir<br />

wollen auch die Freude am Leben und an diesem Tag spüren dürfen. Amen.<br />

Schriftlesung<br />

Aus dem 5. Kapitel des Matthäusevangeliums:<br />

Als Jesus aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu<br />

ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:<br />

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.<br />

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.<br />

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.<br />

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.<br />

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.<br />

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.<br />

Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.<br />

Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.<br />

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden<br />

allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.<br />

Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso<br />

haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.<br />

Glaubensbekenntnis (von Dietrich Bonhoeffer)<br />

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und<br />

will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.<br />

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.<br />

Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf<br />

ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.<br />

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche<br />

Taten wartet und antwortet. Amen.<br />

Gedanken zur den Skulpturen „Isolation“<br />

Diese Skulpturen aus gebranntem Ton wirken auf den ersten Blick unfertig: keine Gesichter,<br />

keine Arme, keine Beine. Nur der Rücken scheint vollständig zu sein.<br />

2


Der Rücken ist gebeugt. Er ist leicht verdreht. Er deutet eine Bewegung an. Diese Bewegung<br />

des Rückens führt nach innen: eine Verkrümmung. Da windet sich jemand. Da wendet sich<br />

jemand ab. Nicht aus Trotz oder mit feindlicher Absicht. Das ist keiner, der die kalte Schulter<br />

zeigt.<br />

Diese Abwendung drückt Isolation und Leiden aus. „Es wird mir zu viel. Ich bin alleine. Ich<br />

kann nicht mehr. Lasst mich in Ruhe!“<br />

So mögen Menschen sich vor 70 Jahren gefühlt haben, als sie plötzlich zu Opfern wurden.<br />

Als die Bücher brannten, in denen sie ihren Glauben und ihre Wahrheit gesucht hatten. Viele<br />

hatten keine Chance zu entkommen. Sie konnten sich nur noch mit gekrümmten Rücken in<br />

sich selbst und die Isolation zurückziehen.<br />

Diese Skulpturen zeigt nichts Vergangenes. Genauso werden auch heute noch Menschen gebeugt.<br />

Menschen, die leben, lieben und hoffen möchten. Menschen, die mit gradem Rücken<br />

auf die Welt gekommen sind.<br />

Gedanken zum Bild „Kreuz mit Namen“<br />

Im Sommer 2006 besuchte ich einen Jüdischen Friedhof in Köln. Durch die Führung über den<br />

Friedhof wurde ich zum ersten Mal auf ein grausames Detail der unter der Naziherrschaft<br />

ermordeten und verbrannten Juden bewusst. Da die Asche der Verbrannten verstreut wurde,<br />

ist von den Opfern real nichts mehr übrig geblieben. Nach jüdischem Glauben können ihre<br />

Seelen so nicht erlöst werden. Deshalb sind diese Opfer ein nicht zu verarbeitendes, nicht zu<br />

lösendes Problem im jüdischen Volk. So habe ich es bei dieser Führung über den Friedhof<br />

verstanden.<br />

Wieder daheim bewegte mich dieses Problem noch sehr lange. Schließlich fand ich für mich<br />

eine Lösung bei Jesaja 43,1: „Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du<br />

bist mein.“ Anschließend habe ich dieses Bild gemalt, für das ich noch keinen Titel gefunden<br />

habe. Mit dem Malen wich langsam meine innere Anspannung.<br />

Zu meinem Bild: Das helle, in sich flammende Kreuz teilt den grau-schwarzen Hintergrund in<br />

vier ungleiche Flächen auf. Von den Seiten streben Namen, in Gold geschrieben, auf den Mittelpunkt<br />

im Kreuz zu.<br />

Gedanken dazu:<br />

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<br />

<br />

Im grauschwarzen Hintergrund steht das Grauen des Holocaust.<br />

Aus allen Himmelsrichtungen wurden Menschen in dieses Grauen hineingezogen.<br />

Im Zentrum das leuchtende Kreuz und in ihm auch die Flammen der Verbrennungsöfen.<br />

Christus selber ist auf grausame Art am Kreuz gestorben.<br />

Er starb als Jude, Sohn einer jüdischen Frau.<br />

Sein Tod gilt allen Menschen. Das ist Gottes Zusage.<br />

So überstrahlt das Licht seiner Auferstehung auch das Leiden der Verbrennungsöfen und<br />

kann es sogar in sich aufnehmen.<br />

Keine einfachen Gedanken û sie sind ein Versuch, dem unsagbaren Grauen des Holocaust zu<br />

begegnen.<br />

Gedanken zur Skulptur „Menschenkreis“<br />

Die Skulptur, neben der ich stehe, zeigt einen Menschenkreis. Erwachsene und Kinder, Männer<br />

und Frauen, Alleinstehende und Familien reichen sich die Hände. Sie haben keine ausgearbeiteten<br />

Gesichter.<br />

Wichtig ist nicht der einzelne sondern das Ganze, die Gemeinschaft.<br />

3


Ursprung und Halt hat diese Gemeinschaft in der Mitte. Der gemeinsame Blick auf den, der<br />

sie zusammengeführt hat, läßt die Menschen auch gemeinsam handeln.<br />

Die Gemeinschaft wächst durch die Hände. Die Hände öffnen sich und greifen ineinander. Sie<br />

lassen Berührung und Nähe zu. Sie geben Festigkeit und Halt. Sie tun das, wozu sie geschaffen<br />

sind.<br />

Wie gut tut es, in einem solchen Kreis aufgehoben und eingebunden zu sein. Wie schön ist es,<br />

zu spüren: Ich gehöre dazu. Ich bin ein wichtiger Bestandteil von etwas Größerem. Ich bin<br />

stark, weil ich nicht alleine bin.<br />

Der Menschenkreis ist auch ein Zeichen für den Frieden. Wo Menschen sich auf diese Art<br />

Hände reichen und sich zusammenschließen, da entsteht ein Frieden, der größer ist als das,<br />

was ein einzelner schaffen kann.<br />

Könnte das möglich werden: Dass alle Menschen auf der Welt sich für einen Moment zu einer<br />

solchen Kette zusammenschließen? Dass keiner alleine bleibt?<br />

Gedanken zum Bild „Taube“<br />

Das Bild zeigt eine Taube, die vom Himmel zur Erde heruntergleitet. Am Himmel mischen<br />

sich helle und dunkle Farben in den Wolken.<br />

Die Taube symbolisiert vieles. In der Antike war sie das Sinnbild für Sanftmut, Einfalt, Liebe<br />

und Unschuld. Man nahm an, sie besitze keine Galle und sei daher frei von allem Bösen, Bitterem<br />

und Galligem. Bei der Taufe Jesu kommt Gottes Geist wie ein Taube vom Himmel herab.<br />

Im Matthäus Evangelium ermahnt Jesus die Jünger klug wie die Schlangen und arglos wie<br />

die Tauben zu sein. Pfingsten symbolisiert sie den Heiligen Geist. Die weiße Taube ist ein<br />

Symbol der Friedensbewegung geworden.<br />

So kann diese Taube für vieles stehen. Heute möchte ich sie als Zeichen des Friedens sehen.<br />

Ein Frieden, nach dem viele Menschen sich sehnen. Ein Frieden, der ein großes Geschenk des<br />

Himmels ist. Der 9. November erinnert daran, wie leicht dieses Geschenk aufs Spiel gesetzt<br />

werden kann. Der Frieden braucht Menschen, die ihn leben. Er braucht auch Menschen, die<br />

offen sind, ihn anzunehmen und weiterzutragen.<br />

Fürbittengebet<br />

O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,<br />

dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,<br />

dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,<br />

dass ich verbinde, da, wo Streit ist,<br />

dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,<br />

dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,<br />

dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,<br />

dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,<br />

dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.<br />

Herr, lass du mich trachten:<br />

nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;<br />

nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;<br />

nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.<br />

Denn wer da hingibt, der empfängt;<br />

wer sich selbst vergisst, der findet;<br />

wer verzeiht, dem wird verziehen;<br />

und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben.<br />

4

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