Präsenz - Wirtschaft - Berner Fachhochschule
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Fachbereich<br />
Der Kaiser und die Inflation<br />
Gegen Ende des dritten Jahrhunderts kam es im römischen Reich zu einer handfesten<br />
Finanzkrise, die mit einer galoppierenden Inflation einherging und die gesamte <strong>Wirtschaft</strong><br />
lähmte. Es ist aus heutiger Sicht hochinteressant zu sehen, wie der damalige Kaiser an<br />
dieser Krise scheiterte.<br />
Timo Staub<br />
Leiter Kommunikation WGS<br />
<strong>Berner</strong> <strong>Fachhochschule</strong><br />
timo.staub@bfh.ch<br />
Kaiser Diokletian regierte das römische<br />
Reich von 284 bis 305 nach Christus. Er<br />
gilt als einer der erfolgreichsten und wichtigsten<br />
Herrscher der Spätantike: Zum<br />
einen konnte sich Diokletian während über<br />
20 Jahren an der Macht halten, was unter<br />
den damaligen Umständen schon eine<br />
beachtliche Leistung war. Zum anderen<br />
kam es unter seiner Führung nach Jahrzehnten<br />
der ständigen Bürgerkriege zu einer<br />
verhältnismässig friedlichen Zeit. Schliesslich<br />
wurden unter Diokletian eine ganze<br />
Reihe von tiefgreifenden Reformen durchgeführt:<br />
Die Verteidigung wurde neu organisiert,<br />
Städte und Garnisonen wurden<br />
ausgebaut und befestigt, das Steuersystem<br />
wurde professionalisiert und eine Art<br />
Staatsbudget eingeführt. Kaiser Maximian<br />
durfte als zweiter «Augustus» – also als<br />
formell akzeptierter Mitregent – die westliche<br />
Hälfte des Reiches regieren. Nicht<br />
zuletzt wurde auch die Regierungsbürokratie<br />
professionalisiert und zentralisiert;<br />
Diokletians Apparat gebrauchte Begriffe<br />
wie «Diözese» und «Vikar» – Wörter, die<br />
sich bis heute gehalten haben.<br />
Bekannt wurde Diokletian vor allem durch<br />
zwei Initiativen, die beide in geradezu<br />
grandioser Weise scheiterten. Zuerst einmal<br />
zeichnete Diokletian für die letzte grosse<br />
Christenverfolgung im römischen Reich<br />
verantwortlich – diese blieb trotz vieler<br />
Todesurteile und sonstiger Grausamkeiten<br />
erfolglos; das Christentum wurde einige<br />
Zeit später sogar zur Staatsreligion. Und<br />
dann war da noch Diokletians langjähriger<br />
und erfolgloser Kampf gegen die Inflation.<br />
Die Spirale<br />
des Wertverlustes<br />
Aus heutiger Sicht betrachtet, stellt man<br />
fest, dass die Regierungen der Soldatenkaiser<br />
vor Diokletian über ihren Verhält-<br />
nissen gelebt haben. Das Problem dieser<br />
Herrscher war, dass sie sich nur mit Hilfe<br />
ihrer Armeen an der Macht halten konnten.<br />
Diese Armeen wollten natürlich bezahlt<br />
werden – wenn man als Soldatenkaiser den<br />
Truppen nicht genug Geld gab, so verlor<br />
man den Rückhalt der Armee, damit die<br />
Macht und wahrscheinlich sogar das Leben.<br />
Also brauchte ein Soldatenkaiser ständig<br />
und dringend Geld – er brauchte sogar sehr<br />
viel mehr Geld, als er durch Steuereinnahmen<br />
oder Kriegsbeute je hätte gewinnen<br />
können. Aber wie kam ein Soldatenkaiser in<br />
dieser verzwickten Lage zu den dringend<br />
benötigten Finanzmitteln? Die Lösung war<br />
einfach und lässt sich am besten mit dem<br />
englischen Wort «Debasement» zusammenfassen:<br />
Gleich wie die heutigen Staaten verfügte<br />
jeder römische Kaiser über das Recht,<br />
eigenes Geld herzustellen. Während heutige<br />
Nationalbanken aber über mehrere Formen<br />
von Geld verfügen (Papiergeld, verbriefte<br />
Kredite etc.), so bestand das Geld der<br />
Römer ausschliesslich aus Münzen. Der<br />
Wert dieser Münzen wurde vor allem über<br />
den Gehalt der darin eingeschmolzenen<br />
Edelmetallen bestimmt. Dieses System<br />
funktionierte recht gut und man darf davon<br />
ausgehen, dass die Preise zur Zeit der<br />
römischen Republik während Jahrhunderten<br />
relativ konstant geblieben waren.<br />
Die Probleme begannen erst, als die<br />
römischen Kaiser dazu übergingen, den<br />
Edelmetallgehalt ihrer Münzen zu reduzieren.<br />
Ersichtlich wird dies unter anderem<br />
am Beispiel des römischen «Antoninianus»:<br />
Dieser wurde um 215 nach Christus als<br />
Silbermünze eingeführt, gegen Ende des<br />
dritten Jahrhunderts wurde er aber nur<br />
noch aus billigen Bronzemischungen hergestellt<br />
– der Silbergehalt betrug zu diesem<br />
Zeitpunkt weniger als 2 %! Das Debasement<br />
geschah zumeist im Geheimen, sodass<br />
kurzfristig niemand mitbekam, dass minderwertige<br />
Münzen im Umlauf waren.<br />
Das Debasement schien alle Probleme<br />
eines Soldatenkaisers zu lösen, da so die<br />
Truppen trotz fehlender Finanzmittel bezahlt<br />
werden konnten. Längerfristig verlor das<br />
Geld aber an Wert, sodass die Preise in die<br />
Höhe schossen. Irgendwann waren die<br />
Preise schliesslich so hoch, dass man den<br />
Truppen höhere Löhne zahlen musste:<br />
Dieser Inflationskreislauf war das Problem,<br />
mit dem Diokletian zu kämpfen hatte und<br />
gegen Ende des dritten Jahrhunderts hatten<br />
viele Silbermünzen ihre Kaufkraft so gut wie<br />
verloren.<br />
Diokletians Umgang<br />
mit der Inflation<br />
Der römische Kaiser reagierte auf allen drei<br />
Ebenen, die ihm zur Verfügung standen:<br />
Der Münzreform, der Steuerreform sowie<br />
der staatlichen Regulierung der Preise.<br />
– Die Münzreform hatte das Ziel, die weitgehend<br />
wertlos gewordenen Münzen<br />
durch neuere und bessere Münztypen zu<br />
ersetzen. So wurde der «Argenteus» als<br />
neue Silbermünze eingeführt – der Silbergehalt<br />
war standardisiert, der Edelmetallgehalt<br />
also stimmig und die Münze hatte<br />
eine gute Qualität.<br />
– Die Steuerreform machte das Steuersystem<br />
geldunabhängig, indem die<br />
Steuern direkt in Naturalien bezahlt werden<br />
konnten. Konkret konnte der Steuerpflichtige<br />
seine Steuern einfach mit dem<br />
bezahlen, was er gerade zur Verfügung<br />
hatte – ein Bauer würde seine Steuern<br />
also mit Weizen bezahlen, ein Schmied<br />
wahrscheinlich mit Schwertern oder<br />
Helmen.<br />
– Die staatliche Regulierung der Preise<br />
schliesslich war der letzte Schritt gegen<br />
die galoppierende Inflation: Um 301 nach<br />
Christus publizierte Diokletion mit dem<br />
«Edictum De Pretiis Rerum Venalium»<br />
sein berühmtes Höchstpreisedikt, das<br />
für alle gängigen Waren und Löhne des<br />
römischen Reiches Maximalpreise festlegte.<br />
Hielt ein Händler sich nicht an die<br />
staatlich festgelegten Preise, so drohte<br />
ihm die Todesstrafe.<br />
Silbermünze Argenteus mit dem Porträt von Constantinus<br />
Chlorus, eines späten Mitregenten von Diokletian.<br />
Die Reaktion<br />
der römischen <strong>Wirtschaft</strong><br />
Die Quellenlage ist nicht ohne Widersprüche.<br />
Trotzdem darf man davon ausgehen, dass<br />
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<strong>Präsenz</strong> August 2012