02.11.2013 Aufrufe

München, 17.01.12 Erfahrungsbericht zum Forschungspraktikum an ...

München, 17.01.12 Erfahrungsbericht zum Forschungspraktikum an ...

München, 17.01.12 Erfahrungsbericht zum Forschungspraktikum an ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Erfahrungsbericht</strong> <strong>zum</strong> <strong>Forschungspraktikum</strong> <strong>an</strong> der ETH Zürich<br />

<strong>München</strong>, <strong>17.01.12</strong><br />

Da ich meine berufliche Zukunft in der Forschung sehe, hatte ich mich dazu entschieden<br />

ein universitäres <strong>Forschungspraktikum</strong> in Form einer <strong>an</strong> der ETH üblichen<br />

Semesterarbeit zu absolvieren. Zürich besitzt zwei Universitäten. Zum einen die<br />

weltweit bek<strong>an</strong>nte Eidgenössische Technische Hochschule und <strong>zum</strong> <strong>an</strong>deren die<br />

weniger bek<strong>an</strong>nte Universität Zürich. Beide Universitäten decken ein breites Spektrum<br />

<strong>an</strong> Arbeitsgruppen aus den verschiedensten Bereichen der Biowissenschaften<br />

(Biochemie, Biophysik, Mikrobiologie, Molekulare Systembiologie, Neursciences) ab.<br />

Über die Homepages der Universitäten gel<strong>an</strong>gt m<strong>an</strong> zu den Seiten der verschiedenen<br />

Forschungsgruppen. Dort findet m<strong>an</strong> meist eine knappe Beschreibung des<br />

Forschungsgebietes inklusive verwendeter Methoden. Zudem stellen viele<br />

Forschungsgruppen Ausschreibungen für 4 bis 6 monatige Forschungsprojekte auf ihre<br />

homepage. Da die Masterstudenten in Zürich auch Semesterarbeiten in einer der vielen<br />

Forschungsgruppen absolvieren müssen, sollte m<strong>an</strong> sich möglichst früh um eine<br />

passende Stelle bemühen. Auch der Bewerbungsablauf selbst nahm bei mir 2 Monate in<br />

Anspruch. Um den Bewerbungszeitraum möglichst kurz zu halten, sollte m<strong>an</strong> sich auf<br />

mindestens 3 Praktikumsstellen gleichzeitig bewerben. Beworben hatte ich mich in<br />

einer Forschungsgruppe die sich in der molekularer Systembiologie mit den<br />

Stoffwechselvorgängen in Bakterien und Hefen beschäftigen. Das Bewerbungsgespräch<br />

mit meinem zukünftigen Betreuer führte ich d<strong>an</strong>n über Skype. Nach der Zusage für ein 4<br />

monatiges <strong>Forschungspraktikum</strong> begab ich mich d<strong>an</strong>n über das Internet auf<br />

Wohnungssuche. Ich suchte vor allem auf den Seiten ronorp.net, marktplatz.uzh.ch,<br />

comparis.ch immoscout24.ch. und auf students.ch. Für meinen vergleichsweise kurzen<br />

Aufenthalt von 4 Monaten gestaltete sich die Suche schwierig. In den günstigen aber<br />

überfüllten Studentenwohnheimen konnte m<strong>an</strong> sich nur als in einer Züricher<br />

Hochschule eingeschriebener Student bewerben. Auf ein offenes Inserat kommen meist<br />

mehr als 100 Interessenten. Oft wird auch verl<strong>an</strong>gt persönlich <strong>an</strong> einem<br />

Wohnungsbesichtigungstermin teilzunehmen. Die Studentenwohnungen ausgenommen,<br />

sollte m<strong>an</strong> für einen solch kurzen Zeitraum mit Mietpreisen zwischen umgerechnet 500-<br />

900 €/Monat rechnen. Für 830 € bin ich schließlich im Gästezimmer eines sehr<br />

hilfsbereiten und zuvorkommenden Schweizers und dessen Freundin untergekommen.<br />

Die Wohnung war sehr modern eingerichtet und alle Räumlichkeiten st<strong>an</strong>den für mich<br />

zur Mitbenutzung zur Verfügung.<br />

Vorbereitet hatte ich mich auf das Praktikum über die Teilnahme <strong>an</strong> einem kostenlosen<br />

Workshop für interkulturelle Kompetenz ver<strong>an</strong>staltet durch die SINIK Munich. Zudem<br />

hatte ich mich vorab über das Buch „Gebrauchs<strong>an</strong>weisung für die Schweiz“ über die<br />

Lebensgewohnheiten und Eigenheiten der Schweizer informiert. Sehr nützlich um nicht<br />

in die größten Fettnäpfchen zu treten. Ein gutes Beispiel für ein vermeidbares<br />

Fettnäpfchen ist das oft zur Nachahmung verleitende Schweizerdeutsch.


In Zürich <strong>an</strong>gekommen meldete ich mich im für meinen Stadtteil zuständigen Kreisbüro<br />

<strong>an</strong> und erhielt einen für 4 Monate gültigen Ausländerausweis. Dieser war Vorrausetzung<br />

für die Eröffnung eines kostenlosen Studentenkontos <strong>an</strong> der Züricher K<strong>an</strong>tonalb<strong>an</strong>k. Ich<br />

entschied mich für die Eröffnung eines Schweizer Kontos um unnötig hohe<br />

Wechselkursgebühren bei den monatlichen Mietzahlungen zu umgehen. Die für den<br />

bargeldlosen Zahlungsverkehr nötige H<strong>an</strong>dykarte von Aldi Suisse bekam ich ebenso nur<br />

mit gültigem Ausländerausweis. Der Vorteil bei Aldi Suisse waren die im Vergleich zu<br />

<strong>an</strong>deren Anbietern niedrigeren Gesprächskosten nach Deutschl<strong>an</strong>d und Österreich. Das<br />

Verstehen des Schweizerdeutschs war in großen Städten wie Zürich nach einigen<br />

Wochen Eingewöhnung kein Problem mehr. Allein in ländlichen Regionen k<strong>an</strong>n es zu<br />

kleinen Verständigungsproblemen kommen da sich der Akzent nochmals unterscheidet<br />

und m<strong>an</strong> sich weniger darum bemüht hochdeutsch zu reden. Der Kontakt mit Schweizer<br />

Beamten war durchgehend zuvorkommend, kul<strong>an</strong>t und freundlich. Die Vorbehalte der<br />

Schweizer gegenüber den Deutschen bekam ich im universitären Umfeld und auch sonst<br />

nicht zu spüren.<br />

Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz und speziell in Zürich gehören zu den<br />

höchsten weltweit. Vor allem Lebensmittel sind oft doppelt so teuer wie in Deutschl<strong>an</strong>d.<br />

Um beim Kauf von Fleisch <strong>an</strong> der Kasse unschöne Überraschungen zu vermeiden lohnt<br />

es sich während seines Aufenthaltes einen eher vegetarischen Lebensstil <strong>an</strong>zunehmen.<br />

Ein wenig günstiger lässt sich bei Aldi Suisse einkaufen. Dieser ist in Zürich aber schwer<br />

zu finden.<br />

In meiner Forschungsgruppe wurde ich sehr freundlich aufgenommen. Während des<br />

ersten Monats wurde ich durch zwei Postdocs gut in mein Projekt eingeführt. Um mir<br />

den Umg<strong>an</strong>g mit dem Massenspektrometer, mitsamt der <strong>an</strong>schließenden<br />

Datenauswertung beizubringen, nahmen sich meine Betreuer sehr viel Zeit. Meine<br />

Aufgabe sollte keine schön formulierte Hilfsarbeit werden, sondern ein eigenständiges<br />

Projekt. Das Ziel der Arbeit war von Beginn <strong>an</strong> klar formuliert. Allein ich würde während<br />

der 4 Monate <strong>an</strong> diesem Projekt arbeiten. Damit ich mich in das Themengebiet und den<br />

Versuchsaufbau einarbeiten konnte, übernahmen meine Betreuer <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs den größten<br />

Teil der Pl<strong>an</strong>ung meiner Experimente. Trotzdem wurde ich immer in Entscheidungen<br />

mit einbezogen und dazu <strong>an</strong>geregt eigene Vorschläge und Ideen einzubringen. Nach<br />

ungefähr einem Monat Einarbeitungszeit lag es d<strong>an</strong>n <strong>an</strong> mir die für unsere Zielsetzung<br />

sinnvollen Experimente zu pl<strong>an</strong>en und auszuführen. Meine Betreuer unterstützen mich<br />

während der gesamten Zeit mit nützlichen Tipps und Denk<strong>an</strong>stößen und halfen mir bei<br />

Problemen sofort weiter. Insgesamt wurde aber großen Wert auf selbstständiges<br />

Arbeiten gelegt. Ich sollte jederzeit wissen warum und mit welchem Ziel ich ein<br />

bestimmtes Experiment machte. Durch mein Chemie und Biochemiestudium hatte ich<br />

bereits viel Erfahrung im Umg<strong>an</strong>g mit grundlegenden biochemischen Methoden. Dies<br />

erleichterte mir die Arbeit im Labor erheblich. Die Arbeitsatmosphäre war sehr<br />

entsp<strong>an</strong>nt und trotzdem oder gerade deswegen schaffte es dort jeder produktiv seinem<br />

eigenen Projekt nachzugehen. Wir Studenten bekamen unser eigenes Büro mit


Arbeitsplatz und konnten uns bei Problemen so gegenseitig einfach und schnell<br />

unterstützen. Vor allem die <strong>an</strong>fänglichen Programmierschwierigkeiten ließen sich durch<br />

die bedingungslose Hilfe meiner Mitpraktik<strong>an</strong>ten sehr gut meistern. Obwohl ich mir<br />

meine Arbeitszeiten frei einteilen konnte, verbrachte ich vor allem <strong>an</strong> Tagen <strong>an</strong> denen<br />

ich Experimente machte bis zu 12h im Labor. Die selbstständige und<br />

eigenver<strong>an</strong>twortliche Arbeit machte trotz der vielen Überstunden sehr viel Spaß. Für die<br />

Systembiologie üblich, brachten meine Versuche große Datenmengen hervor. Die<br />

Ergebnisse meiner Experimente diskutierte ich mit meinen Betreuern. Dadurch lernte<br />

ich viel über die Auswertung und Interpretation großer Datenmengen und auch darüber<br />

zu entscheiden welche Daten für meine Problemstellung relev<strong>an</strong>t sind. In der<br />

abschließenden Präsentation meiner Arbeit in einem der wöchentlich stattfindenden<br />

group meetings musste ich mich den Kritiken und Fragen der übrigen<br />

Gruppenmitgliedern stellen und lernte so neben einer verständlichen Präsentation<br />

meiner Ergebnisse und Interpretationen, diese auch zu verteidigen. Neben der<br />

Forschungsarbeit im Labor gehört dies zu einem der wichtigsten Fähigkeiten eines<br />

Wissenschaftlers.<br />

Von Beginn <strong>an</strong> wurde ich unvoreingenommen und freundlich in der Gruppe<br />

aufgenommen. Über das nette Beisammensitzen mit allen Mitgliedern der<br />

Forschungsgruppe in der auf dem Campus gelegenen Alumni Bar ließen sich auch<br />

außerhalb des Labors Kontakte knüpfen und bestehende Freundschaften stärken.<br />

Für den nötigen Ausgleich unter der Woche sorgte das direkt auf dem Campus gelegene<br />

Sport Center, welches von allen Studenten der ETH kostenlos benutzt werden durfte. Ein<br />

kostenloser Shuttle Bus verknüpfte das in der Innenstadt gelegenen ETH Hauptgebäude<br />

mit dem Campus Hönggeberg.<br />

Auf keinen Fall entgehen lassen sollte m<strong>an</strong> sich den jährlich im Hauptgebäude der ETH<br />

stattfindenden Polyball. Für eine Nacht l<strong>an</strong>g verw<strong>an</strong>delte sich hier das gesamte Gebäude<br />

in einen Palast aus Tausend und einer Nacht. Die aufwendig und in völliger H<strong>an</strong>darbeit<br />

gestaltete W<strong>an</strong>d und Deckendekoration mit seinen unzähligen Gemälden machten<br />

diesen T<strong>an</strong>zabend zu etwas besonderem. Auf mehren T<strong>an</strong>zflächen gleichzeitig spielten<br />

live B<strong>an</strong>ds passende Musik für jede T<strong>an</strong>zrichtung und boten den knapp 10000 Gästen<br />

genügend Abwechslung. Die recht teuren Eintrittskarten (50€) verdiente ich mir indem<br />

ich <strong>an</strong> einigen Abenden bis spät in die Nacht hinein <strong>an</strong> der aufwendig gestalteten<br />

Dekoration mithalf.<br />

Neben den hervorragend ausgestatteten Laboren ist Zürich vor allem für naturliebende<br />

und sportbegeisterte Menschen eine hervorragende Stadt. Getreu dem Motto des ETH<br />

Präsidenten „Mens s<strong>an</strong>a in corpore s<strong>an</strong>o“ (ein gesunder Geist in einem gesunden<br />

Körper) bewältigte ich die 70 Höhenmeter hinauf <strong>zum</strong> Campus Hönggeberg täglich mit<br />

dem Fahrrad. Oben <strong>an</strong>gekommen bietet der Campus einen traumhaften Blick über die<br />

Stadt und den Zürichsee der bei klarem Wetter auch bis hin zu den Alpen reicht. Die <strong>an</strong><br />

den Campus <strong>an</strong>grenzenden großen Waldgebiete bieten Läufern und<br />

Mountainbikefahrern ein optimales Terrain. Den 360° Rundumblick von Zürichs<br />

höchstem Berg (870 m), dem Ütliberg, sollte m<strong>an</strong> sich nicht entgehen lassen. Zahlreiche<br />

Sonnenuntergänge ließen mich dort den Stress des Tages vergessen und von neuen


Radtouren in den nahe gelegenen Schweizer Alpen träumen. Trotz der vorhin<br />

erwähnten freien Zeiteinteilung blieben mir meist nur die Wochenenden zur Erkundung<br />

der Schweiz. Die unzähligen Passstraßen bis hinauf auf über 2000 Meter ließen mir bei<br />

der Tourenpl<strong>an</strong>ung die Qual der Wahl. Der Anblick der Schweizer Berge war bei jeder<br />

Tour atemberaubend. Sollte einem während einer Tour die Energie ausgehen, lassen<br />

sich selbst in den entlegensten Dörfern Bahnstationen finden die einen sicher nach<br />

Hause bringen. Das Bahnnetz der Schweiz gehört zu den dichtesten überhaupt und ist<br />

dementsprechend teuer. Ein Halbtax Abonnement (entspricht der deutschen Bahncard<br />

50) lohnt sich daher meist schon nach wenigen Fahrten.<br />

Probleme hatte ich während meinem Aufenthalt in der Schweiz erfreulicherweise keine.<br />

Die Arbeitsbedingungen in der universitären Forschung unterscheiden sich kaum von<br />

denen in Deutschl<strong>an</strong>d. M<strong>an</strong> arbeitet im Durchschnitt genau so viel wenn nicht noch<br />

mehr. Einziger Unterschied ist das wesentlich höhere Lohnniveau. Doktor<strong>an</strong>den und<br />

Postdocs der ETH Zürich verdienen beinahe doppelt so viel wie in Deutschl<strong>an</strong>d.<br />

Aus meiner Sicht ist Zürich für Studenten die neben einer guten Ausbildung auch viel<br />

Zeit in der Natur verbringen möchten bestens geeignet.Ein Praktikumsaufenthalt in<br />

einem der Züricher Forschungsgruppen k<strong>an</strong>n ich nur weiterempfehlen. Hervorragende<br />

Betreuung, eine großartige und abwechslungsreiche Stadt und die nahegelegenen Alpen<br />

machen einen Aufenthalt trotz der hohen Lebenshaltungskosten äußerst<br />

empfehlenswert. Nach den bisher positiven Erfahrungen wäre meine Praktikumsstelle<br />

auch in Zukunft dazu bereit ausländische Praktik<strong>an</strong>ten aufzunehmen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!