Frauen im Umbruch der Arbeit - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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436 Kongreßberichte<br />
In <strong>der</strong> anschließenden Diskussion blieb allerdings <strong>der</strong> weltgesellschaftliche<br />
Zusammenhang unbegriffen. Die Diskussion kreiste um sozialpolitische Fragen,<br />
ohne zu begreifen, daß es die Kräfte <strong>der</strong> Triadisierung sind, die den Abbau bestehen<strong>der</strong><br />
Sozialstaatsstrukturen in Europa bewirken. Mehr noch: Es drängte sich <strong>der</strong> Eindruck<br />
auf, daß <strong>der</strong> »Bruch mit <strong>der</strong> Triade« gerade deshalb nicht o<strong>der</strong> nur vorbehaltlich<br />
akzeptiert wurde, weil (nach den bewährten Erfahrungen des »Modell Deutschland«)<br />
ein sozialpolitischer Verteilungspielraum erst dann besteht, wenn eine erfolgreiche<br />
Triadenpolitik praktiziert wird. Die Erkenntnis, daß die sich bildende triadisierte<br />
Weltproduktionsstruktur nicht nur alte Hierarchien <strong>der</strong> internationalen<br />
<strong>Arbeit</strong>steilung verschoben hat, son<strong>der</strong>n auch die Erosion des sozialpolitischen Kompromisses<br />
des alten »Modell Deutschland« bewirkt, steht offensichtlich noch aus.<br />
Das hehre Ziel, mit den Foren zu Themen wie »Sicherheitspolitik«, »Euro-Mobil<br />
& Öko-Chip«, »Energiepolitik«, »Migrationspolitik« o<strong>der</strong> »Osteuropa« bereits konkrete<br />
»Umbaufel<strong>der</strong>« <strong>für</strong> die europäischen Projekte konzeptualisieren zu können,<br />
scheiterte vor allem an <strong>der</strong> mangelnden Vermittlung mit den <strong>im</strong> Plenum hergestellten<br />
weltwirtschaftlichen und weltgesellschaftlichen Bezügen.<br />
In einem zweiten Schwerpunkt beschäftigte sich <strong>der</strong> Kongreß mit dem Zustand <strong>der</strong><br />
»neuen Weltordnung« und <strong>der</strong> Linken in ihr. In den Vorträgen von Luciana Castellina<br />
(Rifondazione Comunista, MdEP) und Herrman Scheer (SPD, MdB) wurde in heute<br />
eher selten <strong>kritische</strong>r Manier <strong>der</strong> »Sieg des Kapitalismus« als Illusion entlarvt.<br />
Grundsätzlich münde sein Universalisierungsanspruch <strong>im</strong> globalen ökologischen<br />
Kollaps. Faktisch taugt <strong>der</strong> globale Kapitalismus dann auch nur dazu, eine selektive<br />
Integration <strong>der</strong> weltwirtschaftlichen Peripherien voranzutreiben, nicht aber die Globalisierung<br />
seines Wohlstandsmodells. Castellina betonte, daß auf Grund <strong>der</strong> vielfaItigen<br />
sozialen Polarisierungen <strong>im</strong> neuen kapitalistischen Weltsystem von <strong>der</strong> Existenz<br />
eines breiten alternativen Blocks ausgegangen werden kann; genauso aber<br />
zeichne es sich durch die Fähigkeit zur Fragmentierung dieser Kräfte und zur Zersplitterung<br />
<strong>der</strong> Konflikte aus. So werden korporativistische Lösungen begünstigt und<br />
die Formierung eines alternativen Blocks verhin<strong>der</strong>t. Aufgabe linker Parteien in<br />
Europa sei es, die Funktion des »kollektiven Intellektuellen« (Gramsci) dadurch wie<strong>der</strong>zugewinnen,<br />
daß über Projekte die Subordination <strong>der</strong> Welt unter die Reproduktionserfor<strong>der</strong>nisse<br />
des triadisierten Kapitalismus (»Käfig <strong>der</strong> Kompatibilität«) überwunden<br />
und die Politik gegenüber den Kräften des (Welt-)Marktes gestärkt wird.<br />
Scheer versuchte, die Energiepolitik zum entscheidenden »Umbaufeld« in Europa zu<br />
erheben. Insbeson<strong>der</strong>e die Entwicklung <strong>der</strong> Sonnenenergie sei da<strong>für</strong> prädestiniert,<br />
da sie »nicht privatisierbar sei« und gleichzeitig die klassischen Nord-Süd-Beziehungen<br />
transformieren könne. In seinem Plädoyer <strong>für</strong> einen Pr<strong>im</strong>at <strong>der</strong> Inhalte wurde<br />
aber deutlich, daß diese in die alte Form einer in <strong>der</strong> etatistischen Tradition gefangenen<br />
Reformpartei gegossen werden sollen. Diskurse wurden zum »Politik-Ersatz«<br />
erklärt. Seine Alternative erinnerte folglich an die von Gramsei kritisierte »passive<br />
Revolution« des Kapitalismus, die diesmal auf Grund »zivilisatorischer Restriktionen«<br />
erzwungen wird.<br />
Insgesamt verdichtete sich jedoch die Erkenntnis, daß das Obiekt <strong>der</strong> Transformation<br />
das kapitalistische Akkumulationsmodell selber sein muß. Nur wenn die triadisierte<br />
Akkumulation durch neue politische Regulationsweisen überwunden wird,<br />
können alternative Handlungspielräume ausgebaut werden. Die »Festung Europa«<br />
kann nur gesprengt werden, wenn an die Stelle <strong>der</strong> exklusiven Akkumulation <strong>der</strong><br />
Triade ein transnational-gesamteuropäisches Entwicklungsprojekt tritt. Eine solche<br />
Strategie bedarf neuer, demokratischer Strukturen und strukturpolitischer Akteure,<br />
die eine neue Artikulation von regionaler, nationalstaatlicher und supranationaler<br />
DAS ARGUMENT 199/1993 ©