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Frauen im Umbruch der Arbeit - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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372 Annette Schnoor<br />

und neun Sitze <strong>im</strong> 19köpfigen Betriebsrat. D.h. alle KandidatInnen waren jetzt<br />

<strong>im</strong> Betriebsrat, und wir mußten sogar mangels weiterer KandidatInnen zwei<br />

Plätze an die IGM-Liste abgeben. Im Betriebsrat stürzten wir uns als erstes auf<br />

die Lohnkommission, denn Politik von <strong>Frauen</strong> <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong> bedeutete damals<br />

einerseits, gegen niedrige Lohngruppen und schlechte Akkordzeiten zu kämpfen<br />

und an<strong>der</strong>erseits mit den Kolleginnen zusammen gegen die unverschämte, verächtliche<br />

Behandlung durch die männlichen Vorgesetzten anzugehen. Da die<br />

Situation <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> zu verän<strong>der</strong>n unsere Motivation <strong>für</strong> den Betriebsrat war, die<br />

<strong>Frauen</strong> unsere Wählerinnen waren und wir uns ihnen verantwortlich fühlten, wir<br />

<strong>im</strong> Betriebsrat mit dem Rücken zur Wand standen und ständig die Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Kolleginnen <strong>im</strong> Betrieb brauchten, haben wir täglich und bei allen Problemen<br />

(Entlassungen, Überstunden, <strong>Arbeit</strong>szeit) frauenspezifische Politik gemacht<br />

- teilweise auch sehr bewußt in Konfrontation zu den Interessen <strong>der</strong><br />

männlichen Facharbeiter.<br />

Bei <strong>der</strong> nächsten Betriebsratswahl 1984 konnten wir die oppositionelle Liste<br />

erweitern und unsere Mehrheit ausbauen. Das war eine Machtverschiebung<br />

zugunsten <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>: Von da an hatten wir eine Frau als Vorsitzende, zwei von<br />

drei freigestellten BetriebsrätInnen waren <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> geschäftsführende Ausschuß<br />

bestand mehrheitlich aus <strong>Frauen</strong>. Im Laufe dieses Kampfes und infolge<br />

des Sieges sind viele Kolleginnen aktiv geworden, haben sich u.a. zu Vertrauensfrauen<br />

wählen lassen, so daß sich <strong>der</strong> gewerkschaftliche Vertrauenskörper,<br />

sowohl was die Menschen als auch die Mehrheitsverhältnisse betraf, völlig verän<strong>der</strong>te,<br />

in seiner Geschlechterzusammensetzung zum ersten Mal <strong>der</strong> Belegschaft<br />

entsprach, und auch hier die Leitung mehrheitlich aus <strong>Frauen</strong> bestand.<br />

Die örtliche IG Metall arrangierte sich letztendlich mit den Fakten.<br />

Mit <strong>der</strong> Normalität <strong>der</strong> Verhältnisse sank <strong>der</strong> Elan und es wurde <strong>im</strong>mer deutlicher,<br />

wie labil eine solche Machtverschiebung ist. Die Kolleginnen fanden ihre<br />

Interessen betrieblich zufriedenstellend vertreten und ihre Bereitschaft, Freizeit<br />

zu opfern und Familienkonflikte <strong>für</strong> die Gewerkschaftsarbeit in Kauf zu nehmen,<br />

nahm kontinuierlich ab. Daß <strong>der</strong> örtliche Gewerkschaftssekretär die Kolleginnen<br />

nur annervte, inhaltlich und in seiner Haltung zu <strong>Frauen</strong>, und <strong>im</strong> ständigen<br />

Kleinkrieg jede Aktivität zu verhin<strong>der</strong>n suchte, kam erschwerend hinzu. Die<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>im</strong> Betriebsrat kämpften mit dem täglichen Streß, <strong>der</strong> reinen Verwaltung<br />

von Belegschaftsinteressen, die das Betriebsverfassungsgesetz erfor<strong>der</strong>t, dem<br />

Zwang, jeden Konflikt juristisch auszutragen und dem damit <strong>für</strong> <strong>Frauen</strong> verbundenen<br />

Druck, bei jedem <strong>Arbeit</strong>srichter, Einigungsstellenvorsitzenden, Beisitzer,<br />

Berater erneut um Anerkennung zu kämpfen. Die fünf <strong>Frauen</strong>, die das Projekt<br />

»Gruppenarbeit und Prämienlohn« initiiert und betrieben haben, sind seit 1981<br />

sicher selbstbewußter, sachverständiger und feministischer geworden, aber sie<br />

unterliegen auch einem erheblich höheren Anpassungsdruck. Bei <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> an<br />

dem Projekt haben wir alle Fünf, wenn auch sicher in unterschiedlichem Maß,<br />

feststellen müssen, daß die Betriebsratstätigkeit unsere Fähigkeit, nicht nur<br />

Kolleginnen zu mobilisieren, son<strong>der</strong>n sich wirklich auf Diskussionsprozesse<br />

einzulassen, eher verschüttet; daß wir uns bewußt darum bemühen mußten, die<br />

Fähigkeiten zu bewahren, die uns das Vertrauen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> und das Mißtrauen<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaftsfunktionäre gesichert hatten.<br />

DAS ARGUMENT 19911993 ©

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