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60 Jahre SchwäPo - Schwäbische Post

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4<br />

[ 1948 ]<br />

Die Ostalb fiebert der Währung entgegen<br />

Wie war das Leben im Jahr 1948? Ein Rückblick auf das Jahr, in der die Schwäpo erstmals erschien<br />

Wie haben die Menschen im Jahr<br />

1948 gelebt, als die <strong>Schwäbische</strong><br />

<strong>Post</strong> zum ersten Mal erschienen<br />

ist? In Deutschland wurde die<br />

D-Mark eingeführt, Berlin wurde<br />

blockiert. In Aalen wurde Otto Balluf<br />

als OB bestätigt, Karl Schübel<br />

stand vor der Spruchkammer, und<br />

die Ostalb fieberte der neuen<br />

Währung entgegen.<br />

RAFAEL BINKOWSKI<br />

Wie groß der Nahrungsnotstand<br />

1948 war, darüber gibt der Bericht<br />

über eine Bauernversammlung in<br />

Bopfingen vom Februar Aufschluss.<br />

„Wir leiden unter Nahrungsnot“,<br />

hieß es da. Die Steigerung<br />

des landwirtschaftlichen Ertrages<br />

sei eine „zentrale Frage für<br />

die Zukunft für das deutsche<br />

Volk“, wurde erklärt. Im April<br />

wurde berichtet, wie sich jeden<br />

Tag lange Schlangen vor den<br />

Metzgerläden bildeten.<br />

Politisch mussten sich viele<br />

Amtsinhaber der Neuwahl stellen.<br />

Sowohl in den Städten als auch<br />

auf den Dörfern wurde der Ruf<br />

nach unparteilichen Beamten<br />

laut. In der <strong>Schwäbische</strong>n <strong>Post</strong><br />

widersprach Chefredakteur<br />

Dr. Hermann Baumhauer:<br />

„Fehlte es uns vor 1933 an<br />

Fachleuten? Wir hatten<br />

sie im Überfluss!“ Man<br />

habe genug Spezialisten<br />

gehabt, aber „so wenig<br />

echte Menschen“.<br />

In Aalen musste sich<br />

der amtierende OB<br />

Otto Balluff mit vier<br />

Herausforderern einen<br />

Wahlkampf leisten:<br />

Der 53-jährige<br />

Paul Grotsch, Verwaltungsbeamter<br />

aus Thüringen, der<br />

58-jährige Curt Prawitz,<br />

ein enteigneter<br />

ostdeutscher Gutbesitzer,<br />

der Künzelsauer<br />

Bürgeremeister Richard<br />

Dilger (40) und<br />

Heinz May (30) aus Böbingen.<br />

Otto Balluf<br />

bleibt OB in Aalen<br />

Otto Balluff selbst war CDU-<br />

Mitglied, praktizierender Katholik.<br />

Er war 1945 dem abgesetzten<br />

Dr. Karl Schübel nachgefolgt. Balluff<br />

erklärte im Wahlkampf: „Ich<br />

habe nie nach Parteibuch und<br />

Taufschein gefragt. Es war mein<br />

Grundsatz, strengste Neutralität<br />

zu wahren.“ Er rechtfertigte sich<br />

Der US-Major Charles A.Pallette, der für<br />

die Ostalb zuständig war.<br />

Der Der amerikanische<br />

Major Charles<br />

A. Pallette erteilt die<br />

erste Lizenz für die<br />

„<strong>Schwäbische</strong> <strong>Post</strong>“<br />

an die Verleger Dr.<br />

Johannes Binkowski<br />

und Eduard Conrads.<br />

dafür, dass er sich „Fachleute“<br />

aufs Rathaus geholt habe und dabei<br />

auch einen Konflikt mit den<br />

Entnazifizierungsbehörden in<br />

Kauf genommen habe.<br />

Kurz vor der Wahl zog Richard<br />

Dilger seine Kandidatur zurück,<br />

dafür trat in letzter Minute<br />

Dr. Heinz Neubert ein, der früher<br />

einmal kommissarischer Bürgermeister<br />

von Wasseralfingen war<br />

und zuletzt Geschäftsführer des<br />

Gemeindetages.Die Parteien hielten<br />

sich bedeckt: Die CDU empfahl<br />

keinen Kandidaten, die SPD<br />

sprach sich lediglich gegen die<br />

Wahl Ballufs aus, ebenso die Freien<br />

Wähler.<br />

Am Tag vor der Wahl spitzte sich<br />

der Wahlkampf zu: Neubert stellte<br />

sich im Spritzenhaussaal den Bürgern<br />

vor, es kam zu erregten Diskussionen.<br />

Otto Balluff lud<br />

am Abend noch zu einer<br />

eigenen Versammlung.<br />

Diese<br />

war<br />

jedoch so schlecht besucht, dass<br />

sie nach einer halben Stunde bereits<br />

wieder beendet war.<br />

Otto Balluff (CDU)<br />

bleibt Bürgermeister<br />

in der Stadt Aalen<br />

Anton Huber (CDU) war Landrat, und saß<br />

für die CDU Jahrzehnte im Landtag.<br />

Mit der Währungsreform am 21. Juni<br />

1948 wird der Grundstein für das<br />

„Wirtschaftswunder“ gelegt.<br />

[ 1948 ]<br />

Bei der Wahl im März 1948 setzte<br />

sich Balluff allerdings deutlich<br />

mit 68 Prozent durch. Heinz Neubert<br />

erhielt 19,8 Prozent, Paul<br />

Grotsch 8,7 Prozent. Der frühere<br />

OB Schübel erhielt rund 2 Prozent<br />

der Stimmen, obwohl er gar nicht<br />

kandidiert hatte. „Ein solches Vertrauen<br />

und solche Verbundenheit<br />

verpflichten auch für die kommenden<br />

Zeiten“, sagte der wiedergewählte<br />

Balluff. Er sollte noch<br />

[ 1948 ]<br />

bis 1950 regieren, dann aber wieder<br />

von Karl Schübel abgelöst<br />

werden.<br />

Alois Seibold<br />

Bürgermeister in<br />

Ellwangen<br />

Bei der Bürgermeisterwahl in<br />

Ellwangen stellte sich Amtsinhaber<br />

Alois Seibold gegen den<br />

50-jährigen Josef Wostal und den<br />

31-jährigen Bruno Heck, der aus<br />

Aalen stammte und in Tübingen<br />

Studentensprecher war. Seibold<br />

wurde nach einem heftigen Wahlkampf<br />

wiedergewählt, eine Stellungnahme<br />

des Gemeinderats zur<br />

Wahl war stark umstritten.<br />

Schließlich schlossen Bürgermeister<br />

und Räte einen „Kalten<br />

Frieden“ nach der Wahl.<br />

In Heidenheim wurde<br />

der amtierende OB<br />

Professor Kliefothabgewählt,<br />

an<br />

Otto Balluff (CDU) war von 1945 bis 1950<br />

Bürgermeister in Aalen.<br />

Berlin wird blockiert, die<br />

Alliierten bauen eine Luftbrücke<br />

nach West-Berlin<br />

seiner Stelle wurde der 34-jährige<br />

Esslinger Personalreferent Dr.<br />

Karl Rau gewählt.<br />

Eine Kuriosität gab es in dem damals<br />

noch selbstständigen Wasseralfingen:<br />

Die KPD focht die<br />

Bürgermeisterwahl vom Februar<br />

1948 an, und bekam Recht: Die<br />

Wahlnischen in Wasseralfingen<br />

seien schon seit 30 <strong>Jahre</strong>n so angebracht,<br />

dass die Mitglieder des<br />

Wahlvorstandes sehen können,<br />

ob ein Wähler den Zettel ankreuzt<br />

oder einfach einschiebt. Die Wahl<br />

von Hans Hegele wurde für ungültig<br />

erklärt.<br />

Bei der Neuwahl am 9. Juni stellte<br />

sich der 33-jährige Hans Hegele<br />

neun Gegenkandidaten, die SPD<br />

schickte Eberhard Sanwald ins<br />

Rennen, der 47-Jährige war Bürgermeister<br />

von Gschwend. Die<br />

Wahl brachte zunächst keine Entscheidung:<br />

Hegele erhielt 47,4<br />

Prozent, der Kaufmann Albert<br />

Lenz 31,2 Prozent, und der SPD-<br />

Kandidat Sanwald knapp 10 Prozent.<br />

In der Stichwahl erhielt Hegele<br />

2226 Stimmen, sein Gegner<br />

Albert Lenz 1944.<br />

Probleme mit<br />

den Vertriebenen<br />

allgegenwärtig<br />

Otto Balluff<br />

wird als OB von<br />

Aalen im Amt<br />

bestätigt, Karl<br />

Schübel durfte<br />

nicht antreten.<br />

[ 1948 ]<br />

Ein großes Problem war der<br />

massenhafte Zuzug von<br />

Heimatvertriebenen. Allein<br />

im Kreis Aalen wurden<br />

1948 rund 32 000<br />

„Neubürger“ gewählt,<br />

insgesamt hatte der<br />

Kreis Aalen 122 000 Einwohner.<br />

Hinzu kamen<br />

viele Heimkehrer, Anfang<br />

Juni wurden in<br />

Aalen feierlich 200 entlasseneKriegsgefangene<br />

begrüßt. Von den<br />

Konflikten zeugt ein<br />

Vorfall in Stödtlen: Ein<br />

Landwirt vom Weilerhof<br />

hatte mit seiner Familie<br />

den Neubürger Otto Joachimsthalter<br />

überfallen<br />

und bewusstlos geschlagen.<br />

Dieser hatte wohl im<br />

Vorjahr eine illegale Schlachtung<br />

angezeigt. In der Schwäpo<br />

hieß es dazu: „Wir Ostflüchtlinge<br />

wollen nichts als unser Recht, wir<br />

wollen als als gleichberechtigte<br />

Bürger leben .“ Am 17. Juni wurde<br />

berichtet, dass sich in Ellwangen<br />

die Neubürger auf einer Versammlung<br />

dafür aussprachen,<br />

sich zusammenzufassen. Das war<br />

die Keimzelle von Vertriebenenparteien<br />

wie der Bund für Heimatvertriebene<br />

und Entrechtete<br />

(BHE). Fortsetzung auf Seite 5<br />

II �––––––– �––<br />

[ INNOVATION ]<br />

Valdo Lehari jr.<br />

Präsident des SüdwestdeutschenVerlegerverbands<br />

Drei Dinge fallen mir<br />

spontan zur <strong>Schwäbische</strong>n<br />

<strong>Post</strong> ein. Die <strong>Schwäbische</strong><br />

<strong>Post</strong> ist ein Zeugnis<br />

gelebter Pressevielfalt und<br />

Pressefreiheit in Baden-<br />

Württemberg. Ein Beispiel<br />

für hervorragend funktionierendeKooperationsmodelle<br />

im Verbund der<br />

Südwest Presse. Das Zweite:<br />

Die <strong>Schwäbische</strong> <strong>Post</strong><br />

ist ein Zentrum der Innovation.<br />

Das Verlags- und<br />

Medienunternehmen<br />

denkt immer an die Zukunft<br />

und bleibt dadurch<br />

jung. Und war schon immer<br />

ein Beispiel für innovative<br />

Ideen, für neue<br />

Techniken, Fotosatz, erste<br />

Rotationsmaschinen.<br />

Aber auch der Buchverlag<br />

hat allerhöchstes Ansehen<br />

und Wertschätzung unter<br />

uns Kollegen und in der<br />

Branche. Und drittens<br />

sind zwei ganz große Persönlichkeiten<br />

aus dem<br />

Verlagshaus und Medienunternehmen<strong>Schwäbische</strong><br />

<strong>Post</strong> zu nennen. Es<br />

waren dies die Ehrenpräsidenten<br />

und Vorsitzenden<br />

Professor Binkowski,<br />

Gründer des Verlegerverbandes<br />

von Baden-Württemberg,<br />

und Konrad<br />

Theiss, der viele, viele <strong>Jahre</strong><br />

Vorsitzender unseres<br />

Bundesverbandes, des<br />

BDZV war. Und meinen<br />

Vorgänger im Verlegerverband<br />

von Baden-Württemberg<br />

möchte ich nennen,<br />

Konrad Theiss, inzwischen<br />

unser Ehrenvorsitzender.<br />

Er hat sich im Ehrenamt<br />

über viele <strong>Jahre</strong><br />

maßgeblich engagiert für<br />

die Pressefreiheit. Auch<br />

deshalb gebührt dem Verlagsunternehmen<br />

und der<br />

Familie höchster Respekt,<br />

Anerkennung und Dank.<br />

Zwei Fotos einer Veranstaltung in Ellwangen im Jahr 1948: Langsam beginnt<br />

die Bevölkerung wieder, sich des Lebens zu erfreuen.

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