Widerspruch - DIE LINKE. Kreisverband Oder-Spree
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22 <strong>Widerspruch</strong> 3/2005 <strong>Widerspruch</strong> 3/2005 23<br />
„… und nicht etwa nur eine Befehlsempfängerin“<br />
Olga Benario. Ein Leben für die Revolution – ein Film von Galip lyitanir. Von Brigitte Holm<br />
Sie war schön und mutig – und starb in einer<br />
Gaskammer der Nazis<br />
Plötzlich haben die Aufrührerischen im<br />
Kino Konjunktur: Erst die Filme über Che<br />
Guevara und über Salvador Allende, und<br />
nun läuft seit kurzem auch ein Streifen über<br />
Olga Benario. Schön, stark, stolz und selbstlos<br />
soll sie gewesen sein, so wird berichtet. In<br />
der DDR trugen über 150 Einrichtungen ihren<br />
Namen. Durch eine Biografie von Ruth<br />
Werner, erstmals 1961 erschienen, war sie<br />
weithin bekannt geworden. „Die Geschichte<br />
eines tapferen Lebens“ hatte die Schriftstellerin<br />
ihr Buch „Olga Benario“ im Untertitel<br />
genannt. Es wird nicht nur die Tapferkeit gewesen<br />
sein, die seinerzeit Schulklassen und<br />
Arbeitsbrigaden veranlasste, sich mit Olga<br />
zu befassen. In dem kleinen Land, wo sich<br />
das Leben für die meisten im Gleichmaß<br />
vollzog, gab es eine Sehnsucht nach Aufregung,<br />
Spannung und der großen, weiten<br />
Welt. Davon enthielt Olgas kurzes Leben<br />
mehr als genug.<br />
Gerade einmal zwanzigjährig befreite die<br />
Jungkommunistin 1928 mit einigen Genossen<br />
ihren Freund Otto Braun* aus der<br />
U-Haftanstalt in Berlin-Moabit. Diese spektakuläre<br />
Aktion beherrschte tagelang die<br />
Schlagzeilen. Obwohl ein hohes Kopfgeld<br />
ausgesetzt wurde, fand sich kein Denunziant,<br />
und es gelang Olga, in die Sowjetunion<br />
zu fliehen. In Moskau war sie für die Kommunistische<br />
Jugendinternationale tätig. Sie<br />
unternahm illegale Reisen unter anderem<br />
nach Paris und London.<br />
* Otto Braun, 1900–1974: Im April 1919 Teilnehmer<br />
an den revolutionären Kämpfen der Bayerischen Räterepublik.<br />
Später ist er Mitglied der KPD und Funktionär<br />
für seine Partei. Angeklagt von der Justiz der<br />
Weimarer Republik wird er zu einer mehrjährigen<br />
Gefängnishaft verurteilt, aus der er als Häftling in<br />
Berlin- Moabit mit Hilfe von Olga Benario (s.o.) befreit<br />
wird. Sie flüchten in die Sowjetunion, wo sich<br />
in Moskau ihre Wege trennen. Otto Braun geht im<br />
Auftrag der Kommunistischen Internationale nach<br />
China, wird dort militärischer Berater der KI beim<br />
ZK der KP Chinas. Er ist als einziger Ausländer am<br />
Langen Marsch der chinesischen Volksbefreiungsarmee<br />
vom Zentralen Sowjetgebiet in Südchina in<br />
das befreite Gebiet im Norden des Landes mit dem<br />
Zentrum Yenan beteiligt.<br />
Nach 1945 lebt Otto Braun in der DDR, arbeitet<br />
als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für<br />
Gesellschaftswissenschaft beim ZK der SED. Ist dort<br />
verantwortlicher Redakteur für die deutsche Ausgabe<br />
der gesammelten Werke W. J. Lenins.<br />
Siehe auch: Otto Braun. Chinesische Aufzeichnungen<br />
(1932–1939, Dietz Verlag Berlin 1975)<br />
1935 ging sie in geheimer Mission mit<br />
Carlos Prestes, einem Führer der brasilianischen<br />
KP, in dessen Heimatland. Noch auf<br />
der Überfahrt wurde aus dem Schein-Ehepaar<br />
ein Liebespaar. Die Revolution, die<br />
mit ihrer Hilfe ausgelöst werden sollte, misslang<br />
gründlich – kaum, dass sie ausbrechen<br />
konnte, war sie schon niedergeschlagen. In<br />
der Folge wurden Prestes und Olga verhaftet.<br />
Brasilien lieferte die Hochschwangere an<br />
Deutschland aus. Als Kommunistin und Jüdin<br />
kam das einem Todesurteil gleich.<br />
In Berlin, im Frauengefängnis Barnimstraße,<br />
brachte Olga ihre Tochter Anita zur<br />
Welt. Als man sie ihr später entriss, wusste<br />
sie zunächst nicht, dass dies die Rettung<br />
für das Baby war: Prestes’ Mutter hatte eine<br />
weltweite Protestaktion organisiert, um das<br />
Kind aus dem Gefängnis zu holen. Olga<br />
wurde nach jahrelanger KZ-Haft, zunächst<br />
in Lichtenburg und dann in Ravensbrück,<br />
1942 mit anderen Frauen aus dem jüdischen<br />
Block nach Bernburg in die „Heil- und Pflegeanstalt“<br />
transportiert. Dort kam sie, nicht<br />
einmal 35-jährig, in der Gaskammer um.<br />
Ein Leben so prall und tragisch, wie es gelegentlich<br />
fürs Kino ausgedacht wird. Doch<br />
erst jetzt, mehr als 60 Jahre nach Olgas Tod,<br />
entstand ein Film über sie. Es ist ein Semi-<br />
Dokumentarfilm. Das heißt, verschiedene<br />
Szenen werden durch Schauspieler gestaltet.<br />
Er entstand im Auftrag von ZDF/Arte<br />
und wurde vom ehemaligen Filmbüro NRW<br />
– der heutigen Filmstiftung Produktion II<br />
–, FFF Bayern und dem Kuratorium junger<br />
deutscher Film unterstützt.<br />
DISPUT sprach mit dem in Köln lebenden<br />
Regisseur Galip Iyitanir.<br />
Wie kommt ein Filmemacher aus der Türkei<br />
dazu, über Olga Benario einen Film zu machen?<br />
Na, erst einmal lebe ich schon über 30 Jahre<br />
in Deutschland, bin 1973 als Student nach<br />
Westberlin gekommen. Wenn man deutsche<br />
Philologie studiert hat, dann interessiert man<br />
sich auch für deutsche Geschichte. Meine<br />
Frau und Olga habe ich vor 20 Jahren quasi<br />
gemeinsam kennen gelernt. Meine Frau ist<br />
Brasilianerin und hat an der Hochschule der<br />
Künste in Berlin studiert. Sie meinte damals,<br />
als links engagierter Mensch sollte ich etwas<br />
über Olga wissen und gab mir ein Buch über<br />
sie. Ich hatte vorher nie etwas von ihr gehört<br />
und war sofort fasziniert.<br />
Was hat Ihnen am meisten imponiert?<br />
Dass sie so mutig war. Stellen Sie sich vor,<br />
was sie allein für ihre Männer getan hat: den<br />
einen hat sie aus dem Knast befreit und ihm<br />
20 Jahre Haft erspart, den anderen hat sie<br />
davor bewahrt, bei der Verhaftung erschossen<br />
zu werden. Ich dachte gleich, über dieses<br />
Schicksal muss ich einen Film machen. Aber<br />
ich hatte gerade erst begonnen, in der Branche<br />
zu arbeiten und war Cutterassistent unter<br />
anderem bei Fassbinder und Margarethe<br />
von Trotta.<br />
Der Film kommt in einigen großen Städten in<br />
die Kinos. Wer ihn bei einer Veranstaltung<br />
– zum Beispiel im Zusammenhang mit dem 60.<br />
Jahrestag der Befreiung – abspielen möchte,<br />
setze sich bitte mit der Verleihfi rma in Verbindung:<br />
Neue Visionen Filmverleih GmbH Tel.:<br />
(0 30) 44 00 88 44 Fax: (0 30) 44 00 88 45 E-Mail:<br />
info@neuevisionen.de<br />
Der Stoff hat Ihnen keine Ruhe gelassen?<br />
1989/90 dachte ich, nun ist es soweit. Da<br />
hatte ich eine Menge Berufserfahrung. Als<br />
ich anfing, für das Projekt Finanziers zu suchen,<br />
fiel die Mauer. „Was, du willst einen<br />
Film über eine Kommunistin drehen? Selbst<br />
wenn sie schön war – du musst doch verrückt<br />
sein“, hieß es im Westen. Besonders beim<br />
Ost-Fernsehen, was es noch gab, wunderte